Hit Men Makler der Macht und das schnelle Geld im Musikgeschäft


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FREDRIC

DANNEN

HitMen Makler der Macht und das schnelle Geld im Musikgeschäft Aus dem Amerikanischen von von Peter Robert

ZWEITAUSENDEINS

Deutsche Erstausgabe. 1. Auflage, Februar 1 9 9 8 . Die englische Originalausgabe isl unter dem Titel »I lit Men: Power Brokers and fast M o n e y inside ihe Music Business« bei Vintage Books, a division of Random 1 louse. Inc., New York, USA, erschienen Copyright © 1 9 9 0 , 1 9 9 1 by Fredric Dannen. Alle Rechte für die deutsche Ausgabe und Übersetzung Copyright © 1 9 9 8 bei Zweitausendeins, Postfach, D - 6 0 3 8 1 Frankfun am Main Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der m e c h a n i s c h e n , elektronischen oder fotografischen Vervielfältigung, der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, des N a c h d r u c k s in Zeitschriften oder Zeitungen, des öffentlichen Vortrags, der Verfilmung oder Dramatisierung, der Übertragung d u r c h R u n d f u n k . F e m s e h e n oder Video, auch einzelner Textteile. Der gewerbliche Weiterverkauf und der gewerbliche Verleih von Büchern, Platten, Videos oder anderer Sachen aus der Zweitausendeins-Produktion bedürfen in j e d e m Fall der schriftlichen G e n e h m i g u n g durch die Geschäftsleitung v o m Zweitausendeins Versand in F r a n k f u n . Lektorat Hans J. Becker. Umschlaggestallung Sabine Kauf und Friedrich Fischer. Typografie, Satz und Herstellung Dieter Kohler & Bernd Leberfinger, Nördlingen. D r u c k W a g n e r G m b H , Nördlingen. Einband G. Lachenmaier, Reutlingen. Printed in Germany. Dieses Buch gibt es nur bei Zweitausendeins im Versand (Postfach, D - 6 0 3 8 1 Frankfurt am Main, Telefon 0 1 8 0 5 - 2 3 2 0 0 1 , Fax 0 1 8 0 5 - 2 4 2 0 0 1 ) oder in den Zweitausendeins-Läden in Berlin, Düsseldorf, Essen, Frankfurt, Freiburg, Hamburg, Köln, M a n n h e i m , M ü n c h e n , Nürnberg, Saarbrücken, Stuttgart. In der Schweiz über b u c h 2 0 0 0 , Postfach 8 9 , C H - 8 9 1 0 Affoltern a. A. ISBN' 3 - 8 6 1 5 0 - 2 4 4 - 5

Für

meine

Eltern

und für Ruth

Fecych

Inhalt

DER UND

STELLVERTRETER DER PRÄSIDENT

1 Dick Asher lernt dazu

11

2 Dick und Walter

32

TYPEN 3 Lullaby of Gangland

47

4 Goddard und Clive

82

5 Newark

118

6 Walters Krieg

151

7 DieTroika

176

8 Grubman

197

KOSTE

ES, WAS ES WOLLE

9 Casablanca

217

10 Joey und Freddy

244

DER UND

STELLVERTRETER DER PRÄSIDENT (Fortsetzung)

11 Der Boykott

269

12 Thriller

287

13 Der Rausschmiß

310

14 Clives Rückkehr

325

15 Dicks Rückkehr

333

16 Die Vorstandssitzung

348

17 Die Abendnachrichten

358

18 Der große Coup

3 9 4

19 Der Prozeß

4 1 9

20 Walters Sturz

4 3 1

Kleines Glossar jiddischer Ausdrücke

51

4

Danksagung und Quellen

453

Register

511

DER STELLVERTRETER UND DER PRÄSIDENT

Dick Asher lernt dazu

Im Februar 1 9 8 0 gaben P i n k F l o y d fünf ausverkaufte Konzerte in der Los Angeles Sports Arena, einer der größten Hallen in den Staaten mit sechzehntausend Sitzplätzen. Pink Floyd, eine psychedelische Rockgruppe aus England, hatten gerade ein neues Album herausgebracht, The Wall. Es war die erste Veröffentlichung der Band seil zwei Jahren, und es schlug sofort ein wie eine Bombe. Im Januar war The Wall auf Platz eins der Billboard-LP-Charts geklettert, und dort hielt es sich bis zum Mai. Das war für j e d e Platte eine große Leistung, und natürlich erst recht für eine solch gnadenlos düstere Doppel-LP »Das ist sehr harter Stoff, und es spricht nicht viel dafür, d a ß es ein Hit wird«, schrieb ein Rockkritiker. Doch The Wall wurde sogar mehr als ein Hit; im Jargon der Plattenindustrie war es ein »Monster«. Im Vertrag der Band mit CBS Records war festgelegt, daß es nach j e d e r neuen Veröffentlichung eine Tour geben sollte. Die Wall-Tour, die eine achtzig Mann starke Bühnen-Crew erforderte und fast eine Million Dollar für Requisiten verschlang, setzte einen neuen Standard, was das pure Spekiakel betraf. Jeden Abend stieß eine Spitfire im Sturzflug herab, und ein zwölf Meter großes, aufgeblasenes, pinkfarbenes Schwein tanzte in der Luft. Quadrophonischer Sound ließ die Arena erbeben. In der ersten Hälfte des Konzerts schleppte die Crew vierhundert mannsgroße »Ziegelsteine« auf die Bühne und baute eine Mauer. Bis zur Pause war sie vier Stockwerke hoch und verstellte den Blick auf die Band. Die Steine bestanden aus weißem Hartschaum und bildeten eine Leinwand für surreale Comics. Am Ende

Das Pink-Floyd-Konzert war zu aufwendig, als daß man damit auf eine längere Reise hätte gehen können, und so beschränkte sich die Tour auf vier Städte: Los Angeles, New York, London und Köln. In Los Angeles, wo die ersten Auftritte stattfinden sollten, griff das FloydFieber um sich. Die Karten für die Wall-Konzerte waren sofort die begehrtesten in der Stadt. Pink Floyd gehörten zu einer gehobenen Kategorie: Sie waren eine Kultbancl. Ihre Platten waren keine bloßen Sammlungen von Songs, sondern Mini-Opern. Die meisten Rockbands, die in den Vereinigten Staaten groß herauskommen, schaffen das mit einer Serie von HitSingles. Für sie geht es darum, von den Top-Forty-Sendern gespielt zu werden. Die haben in den USA die meisten Zuhörer und spielen die vierzig ihrer Ansicht nach populärsten Singles der Woche, manchmal auch weniger. Es ist keine Übertreibung, wenn man feststellt, daß die Rockstars erst durch das Top-40-Radio zu Superstars wurden. Pink Floyd waren jedoch ein Sonderfall. Die Top-40-Stations ignorierten die Band zumeist, aber diese halte sich eine riesige Anhängerschaft durch jene Sender aufgebaut, die Stücke von LPs statt 4 5 e r Singles spielten. Hin und wieder nahmen Pink Floyd jedoch einen Song auf, den die Top-40-Stations nicht ignorieren konnten. Dann liefen in den Sendern die Telefone heiß, weil die Hörer anriefen und sich dieses Stück wünschten. So war es beispielsweise im Jahr 1 9 7 3 bei dem Song »Money« von der LP The Dark Side of the Moon gewesen. Und so war es wieder bei »Another Brick in the Wall, Part Two«, einer Auskopplung vom Wall-Album. Beim Columbia-Label von CBS Records, wo Pink Floyd beheimatet waren, wußte man sofort, daß man mit dem Song einen Klassiker im Angebot hatte. Columbia brachte die Nummer 1979 als Single heraus, die erste Pink-Floyd-Single seit Jahren. Es dauerte nicht lange, dann war »Anolher Brick in the Wall« ein Top-40-Favorit. In der Woche vom 8. Februar 1 9 8 0 rechnete die Zeitschrift Radio & Records, der führende Branchendienst, im Rahmen seiner regelmäßigen bundesweiten Umfrage hoch, daß achtzig Prozent der Sender den Song spielten. Bei großen Top-40-Stations in jeder Region des Landes war

»Another Brick« Nummer eins geworden und wurde in dieser Woche so oft gespielt wie kein anderes Stück. Im Westen war es Nummer eins bei großen Stationen in Phoenix, Seattle und Spokane. Genau in dieser Woche starteten Pink Floyd die Wall-Tour in Los Angeles. Angesichts des irrwitzigen Runs auf Konzertkarten, des überwältigenden Medieninteresses und der unvermindert starken Verkäufe des Wall-Albums hätte man erwarten sollen, daß die Sender in Los Angeles pausenlos »Another Brick in the Wall« spielen würden. Aber aus damals unerfindlichen Gründen weigerten sich die vier großen Top-40-Stations in L. A., die zusammen über 3 Millionen Hörer hatten, den Song überhaupt zu spielen. Es war ein waschechter Boykott.

D

ick Asher wußte, warum. Das glaubte er wenigstens. Wenn er recht hatte, waren die Implikationen höchst unerfreulich. Nur

Asher, der Vizepräsident von CBS Records, und ein paar andere bei CBS wußten, daß mit »Another Brick in the Wall« ein Experiment durchgeführt wurde. Asher wollte feststellen, ob es möglich war, eine Single in die Top 40 zu bringen, ohne einer Handvoll Männer - den sogenannten unabhängigen Promotern - große Geldsummen zu bezahlen. Genauer, Asher wollte beweisen, daß es ging. Die unabhängigen Promoter waren Leute, die auf freier Basis Werbung für Platten machten und ein geradezu unheimliches Geschick darin halten, Top-40-Staiions zu veranlassen, bestimmte Songs zu spielen. Sie verkauften ihre Dienste an jede Plattenfirma, die sie bezahlen konnte. Ein paar unabhängige Promoter waren so effektiv, daß Plattenfirmen ihnen ein regelmäßiges Pauschalhonorar zahlten und jedesmal Prämien drauflegten, wenn sie bei einem Sender Erfolg hatten. Zum Zeitpunkt von Ashers Experiment zahlten die großen Labels jährlich zweistellige Millionenbeträge an die großen unabhängigen Promoter, die »Indies«. Und CBS Records, die größte Plattenfirma der Welt, zahlte mehr als alle anderen Labels für ihre Dienste. Asher hoffte, CBS könnte den teuren Einsatz unabhängiger Promoter reduzieren, ohne dadurch Schaden zu nehmen. Trotz Pink

Hoyels Monster-Album gingen die Geschäfte nämlich schlecht. Die Millionen, die CBS für unabhängige Promotion blechte, schlugen »voll ins Saldo durch«, wie man im Branchenjargon sagte - das heißt, sie gingen unmittelbar von den Gewinnen ab. Doch wenn die Gewinne nicht stiegen, wurde Asher vielleicht Leute entlassen müssen. Das hielt er für falsch. Wie konnten ein paar Indies so viel Geld wert sein? CBS Records konnte sich, was den Gewinn betraf, keine Neuauflage von 1 9 7 9 leisten, einem katastrophalen Jahr für die ganze Branche. CBS hatte 51 Millionen Dollar vor Steuern verdient, bei einem Umsatz von knapp über einer Milliarde Dollar. Das war ein Ertragsrückgang von 46 Prozent im Vergleich zu 1978. Der Gesamtumsatz der Branche fiel um 11 Prozent auf 3,7 Milliarden Dollar, der erste Einbruch seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Bis 1979 galt die Musikbranche als rezessionssicher. Man konnte nicht allzu viele schlimme Fehler begehen, weil der Anstieg der Umsätze sie kaschierte. Diesen Eindruck hatte man jedenfalls in einer Branche, die vom Disco-Fieber erfaßt worden war. Nach dem phänomenalen Erfolg von Saturday Night Fever- dem Album mit der Filmmusik, das 1977 herauskam - glaubte man, das Publikum habe einen unstillbaren Hunger auf Tanzmusik. Aber das war nicht der Fall. Plattenfirmen drängten den Einzelhändlern Millionen von Platten auf und verbuchten sie als verkauft. Aber das waren sie nicht. Labels glaubten, sie könnten die Remissionen begrenzen. Es gelang ihnen nicht. Sie bekamen tonnenweise nicht verkaufte Platten zurück. Die Musikindustrie war das Opfer ihres eigenen überzogenen Medien- und Werberummels geworden. Das war das Schlachtfeld, auf das man Dick Asher geschickt hatte, und er war nicht glücklich darüber. Als Vizepräsident von CBS Records bestand seine Aufgabe darin, die Kosten zu reduzieren und die Gewinne wieder auf die alte Höhe zu bringen. Es war John Backes Idee gewesen, ihn zum Vizepräsidenten zu machen. Backe, ehemaliger Kommandant einer Fliegerstaffel bei der Air Force, war Generaldirektor von CBS Inc., dem großen Rundfunk- und Fernsehunternehmen, dem CBS Records gehörte. Er mochte Asher.

Dick, ein grobknochiger Mann mit schütterem Haar, halte bei den Marines gedient. Er war ziemlich introvertiert, aber zweifellos qualifiziert für die Aufgabe, die Backe ihm übertragen hatte. Asher besaß einen Abschluß in Rechtswissenschaften von der Cornell University, und er halte gezeigt, daß er ein in Schwierigkeiten geratenes Unternehmen retten konnte. 1 9 7 2 hatte er das britische CBS-RecordsLabel übernommen, das in die roten Zahlen geraten war, und dafür gesorgt, daß es wieder schwarze schrieb. Drei Jahre später war er zum Präsidenten der gesamten internationalen Abteilung befördert worden. Als er 1 9 7 9 zurückkam, hatte er seil sieben Jahren nichts mehr mit der amerikanischen Musikbranche zu tun gehabt. Er hatte sie nicht vermißt. Dick nahm den Posten des Vizepräsidenten »strampelnd und protestierend« an, wie er es später formulierte. Der J o b bedeutete Arger, und darauf legte er keinen Wert. Aber Backe appellierte an seine Loyalität, und Dick war ein Mensch, der für seine Firma lebte. Er machte sich Sorgen, daß der Posten des Stellvertreters, den es vorher nicht gegeben hatte, ein Affront gegen seinen Boß Waller Yetnikoff sein könnte, den Präsidenten von CBS Records, ebenfalls ein Jurist. Möglicherweise würde Walter es als Rückstufung betrachten. Backe sah es nicht so. Er hielt Walter für clever und fähig und glaubte, daß niemand die Künstler, die bei CBS Records unter Vertrag waren, besser managen konnte. Künstler liebten Walter; er führte sich manchmal selbst wie ein Rockstar auf. Walter konnte hervorragend verhandeln, eine entscheidende Fähigkeit für den Kopf eines Unternehmens auf dem Unterhaltungssektor. Das Problem mit Walter Yetnikoff bestand freilich darin, daß er schwer zu kontrollieren war. Er weigerte sich, vor elf Uhr vormitiags zur Arbeit zu erscheinen, blieb dafür jedoch bis spät in die Nachi, führte endlose Telefonate und schrie seine Gesprächspartner auf Jiddisch an. Walter schrieb grundsätzlich keine Hausmitteilungen; seine Sekretärin konnte nicht mal Schreibmaschine schreiben. Backe meinte, daß CBS Records ein Gegengewicht gegen Walters Ungebärdigkeit brauchte. Er wußte, daß das Plattengeschäft sehr launisch war und daß man darauf achten mußte, die Kosten niedrig zu halten.

Backe halte den Eindruck, daß Asher das auch so sah. Er war sicher, daß Dick und Walter ein gutes Team bilden würden, und versprach, jeden Konflikt zu lösen. Dick hatte dennoch Bedenken. Er fand die amerikanische Abteilung von CBS Records unerträglich arrogant. »Sie dachten, sie wüßten alles über das Busineß, was es zu wissen gab«, bemerkte er später. Die einheimischen Labels behandelten die Ausländsabteilung wie eine arme Verwandte, und Dick ärgerte sich darüber. Die Liste der amerikanischen Künstler, die CBS Records unter Vertrag hatte, war in der Tat unübertroffen. Das Columbia-Label hatte Barbra Streisand, Bob Dylan, Bruce Springsteen, Billy Joel und Neil Diamond aufzuweisen, das Epic-Label von CBS Records Michael Jackson und Boston. Asher war der Überzeugung, daß er einigen Kampfgeist brauchen würde, um den amerikanischen Zweig des Unternehmens für seine europäischen Sänger und Bands - die sogenannten »Acts« - zu interessieren. Ein Künstler, für den Dick sich einsetzte, war ein spanischer Sänger namens Julio Iglesias. Wie recht er damit halte, zeigte sich, als Iglesias' Platten sich in den USA millionenfach verkauften. »Das ist kein Pappenstiel«, betonte er. Asher war sich durchaus bewußt, daß er ein schlechter Firmenpolitiker war, obwohl er wahrscheinlich sogar noch schlechter war, als er dachte. Die Mitarbeiter haßten den neuen Vizepräsidenten vom ersten Augenblick an. Für sie war er ein Spion, der von der CBSZentrale in Manhattan hergeschickt worden war, jener geheimnisvollen Enklave im vierunddreißigsten Stock des »Black Rock«, des schwarzen Felsens. Seine undiplomatische Vorgehensweise trug nicht gerade dazu bei, daran etwas zu ändern; er hielt die Leute mit endlosen Meetings auf und zermürbte sie mit Gesprächen, die Verhören glichen. Er war überzeugt, CBS Records sei außer Kontrolle geraten und niemand wolle die Verantwortung dafür übernehmen. Er würde dafür sorgen, daß sich das änderte. Asher ging sofort daran, Sondervergünstigungen zu beschneiden. Er gab strenge Direktiven aus: Busse statt Limousinen, weniger Geschäftsessen in teuren Restaurants, weniger Reisen. Die Leute murrten, aber Dick war unerbittlich. Als sein Blick auf einen großen Posten

in der Bilanz fiel - die Millionen, die für unabhängige Promotion ausgegeben wurden -, war er weniger sicher, was er tun sollte. Es verblüffte ihn. Wer waren diese Leute? Weshalb bekamen sie so viel Geld? Dick wußte natürlich, was unabhängige Promotion war. Er war einer der ersten gewesen, die Berater von außen hinzugezogen hatten, um Platten im Radio unterzubringen. Aber das war lange her. Bevor Dick 1972 nach London gegangen war, hatte die unabhängige Promotion finanziell unter ferner liefen rangiert. Wenn das eigene Personal überlastet war, konnte man einen freien Promoter für etwa 100 Dollar pro Woche anheuern, um eine Platte zu betreuen. In den seither vergangenen sieben Jahren war das Komma um drei Stellen nach hinten gerückt. Jetzt kostete es hundert Riesen, einen Spitzenpromoler für einen Popsong zu engagieren. Diese Dienstleistung war still und heimlich von einem kleinen Bilanzposten zum größten Kostenfaktor des Unternehmens nach den Gehältern geworden. Dick wußte, daß gute Top-40-Promotion von entscheidender Bedeutung war - und eine schwierige Sache. Jede große Plattenfirma hatte Top-40-Promoter in jeder Region des Landes auf der Gehaltsliste. Diese firmeneigenen Promoter besuchten die Sender in ihren jeweiligen Gebieten und versuchten, den

Programmdirektoren -

jenen Radioleuten, die die Macht hatten, einen Song in die Playlist aufzunehmen - neue Singles aufzudrängen. Das Top-40-Radio war jedoch ein Paradox. Obwohl eine Platte in den meisten Fällen überhaupt nur dann ein Hit werden konnte, wenn sie von den Top-40Sendern gespielt wurde, strebten diese danach, nur Platten zu spielen, die bereits Hits waren. Keine Top-40-Station wollte als erste einen neuen Song bringen, und das machte den Programmdirektor zu einem schwierigen Kunden. Er wurde jeden Monat mit zweihundert neuen Singles bombardiert, aber so viele Plätze hatte der Sender auf der Playlist nicht frei - es waren nicht einmal vierzig, weil die meisten Songs wochenlang auf der Liste blieben. Eine Platte auf diese Liste zu kriegen, wurde zum darwinistischen Überlebenskampf. Man konnte betteln und liehen, daß man seinen J o b verlieren würde (was manchmal geschah), aber Programmdirektoren ließen sich nicht von Mitgefühl leiten. Top-40-Stations hingen

auf Gedeih und Verderb von den Quoten ab. Man konnte den Programmdirektoren mit Vernunftgründen kommen (der Song ist richtig funky, genau das Richtige für ein schwarzes Publikum). Man konnte sie mit Statistiken überhäufen (wir haben den Song bei Sendern in Topeka und Omaha getestet, und er ist prima gelaufen). Der Programmdirektor wollte jedoch die Gewißheit haben, daß die Single Priorität halte - daß die Plattenfirma hinter dem Künstler stand, daß sie große Summen für eine Konzerttour hinlegen, Plakate in die Schaufenster der Plattenläden hängen und ganzseitige Anzeigen im Rolling Stone schalten würde. Ashers Mitarbeiter erklärten ihm, daß es sich rasch abnutzen würde, wenn der lokale Vertreter diese Versicherungen jede Woche für sämtliche Platten in seinem Köfferchen abgab. Doch wenn man einen unabhängigen Promoter engagierte, der sich auf die betreffende Region spezialisiert hatte, war dieser glaubwürdig. Er war in Wirklichkeit ein Lobbyist. Er war keiner Plattenfirma loyal verbunden. Er kam mit ein oder zwei 45ern von jedem Label, nicht mit einem ganzen Stapel. Die Platten genossen offensichtlich Priorität, wenn auch nur, weil die Firma dem Promoter einen Haufen Geld bezahlte, damit er sie unterbrachte. In den sieben Jahren seit Ashers Abschied von der amerikanischen Szene, so erklärten ihm seine Leute, hätten die Top-40-Stations der wöchentlichen Lawine neuer Produkte allmählich nicht mehr standhalten können. Sie wollten mit den Unabhängigen verhandeln. Kein Wunder, daß die Indies so teuer waren: Sie konnten ihre Dienste an den Meistbietenden verkaufen. Daran war nichts Unkorrektes oder Undurchsichtiges, und man konnte nicht viel dagegen tun, daß die Preise immer höher stiegen. Wenn man nicht zahlte, hatte die Scheibe eben keine Priorität. Diese Erklärung gab Dick Asher zu denken. Er selbst hatte nicht die geringste Erfahrung auf dem Promotionsektor. Er war unverblümt und ein bißchen unbeholfen und hätte wohl einen jämmerlichen Handelsvertreter abgegeben. Aber ihm war klar, daß es im Plauengeschäft nicht ohne Promotion ging. Im Popmusik-Busineß gab es ein goldenes Prinzip: Mit einem Hit konnte man enorm viel Geld machen, ohne einen jedoch gar keins. Wenn man hundert Künstler unter Ver-

trag hatte, kosteten die meisten von ihnen mehr, als sie einbrachten. Eine Handvoll Stars - die Billy Joels, Michael Jacksons und Barbra Streisands - glichen das wieder aus. Es ging darum, die eigenen unbekannten Künstler - die »baby acts« - zu fördern, bis ihre Platten Gold (für eine halbe Million verkaufter Exemplare) und Platin (ab einer Million) bekamen. Dazu war man auf das Top-40-Radio angewiesen. Die Leute kauften keine Popmusik, die sie noch nie gehört hatten. Aber es war ein Grundsatz, daß man für jede Singleauskoppelung in den Top Ten eine Million LPs verkaufen konnte. Deshalb war die Promotion - die Kunst bzw. Wissenschaft, seine Songs im Radio unterzubringen - für das Plattengeschäft von zentraler Bedeutung. Nicht das Marketing, weil man auch mit noch so viel Werbung, guten Kritiken und Publicity keine Millionen von Platten absetzen konnte. Nicht die Vertriebsabteilungen, weil die Plattenläden nur auf Nachfrage reagierten und sie nicht schufen. Wenn einem das Radio die kalte Schulter zeigte, konnte einen auch der beste Artisis & Repertoire-Stab der Welt nicht mehr retten. In Dick keimten sofort ein paar finstere Vermutungen über die unabhängige Promotion auf, aber er schob sie beiseite. Er hatte andere Sorgen, die nichts mit möglichen Rechtsverstößen zu tun hatten, nicht einmal mit den hohen Kosten. Eine solche Machtbasis außerhalb des eigenen Unternehmens war schlicht und einfach gefährlich. Je mächtiger sie wurde, desto schwerer konnte man sie im Griff behalten. Es war ein Schlag ins Gesicht der eigenen Leute. Dick bestand gegenüber den Leitern der Promotion-Abteilungen von Columbia und Epic darauf , sie sollten ihre Mitarbeiter feuern und sich bessere besorgen, wenn diese den J o b nicht genauso gut erledigen konnten wie die Unabhängigen. Sie erklärten ihm, das sei nicht der Punkt. Es wurde zum Gebot der Stunde für Asher, ihnen allen zu beweisen, daß sie sich irrten. Aber wie sollte er das tun? Indem er eine Single nahm und sie ohne unabhängige Promotion zum llil machte. Leichter gesagt als getan. Wenn er sich eine neue Gruppe für sein Experiment aussuchte und diese dann nicht in die Charts kam - was bewies das? Es war schon unter den günstigsten Umständen schwer,

einen neuen Act groß herauszubringen. Wenn er sich dagegen einen Star aussuchte, handelte er sich Ärger ein. Man würde ihm sofort die Hölle heiß machen. Er sah es direkt vor sich: Der Manager oder Anwalt des Stars würde explodieren, und es war immer eine Variation des gleichen Themas: Die Karriere. Mein Schützling hat nur eine Karriere. Wie können Sie es wagen, mit meinem Act ein Experiment zu machen. Mein Act könnte zu einem anderen Label gehen. Als Pink Floyd dann mit The Wall in die LP-Charts kamen und Nummer eins wurden, glaubte Dick, seine Gebete seien erhört worden. Normalerweise gab es kein Hit-Album ohne Hitsingle, aber Pink Floyd waren nicht »normal«. Pink Floyds Manager Steve O'Rourke wußte kaum, daß es ein Top-40-Radio gab. Von unabhängiger Promotion hatte er wahrscheinlich auch noch nie etwas gehört. Er würde Dick nicht die Hölle heiß machen. Vom kommerziellen Standpunkt aus kam es nicht so sehr darauf an, ob The Wall einen Single-Hit hervorbrachte oder nicht. Es ging darum, LPs zu verkaufen; mit Singles machte man ohnehin nie viel Geld, nicht mal mit Hits. Wenn Asher Pink Floyd benutzte, ging er mit seinem Experiment nur ein geringes finanzielles Risiko ein. Dick wußte auch schon, welchen Song er nehmen würde: »Another Brick in the Wall«. Columbia hatte ihn kaum herausgebracht, als einige Top-40-Stations ihn auch schon zu spielen begannen, und das ohne jede Promotion. Ebenso klar war, in welcher Stadt das Experiment durchgeführt werden sollte: in Los Angeles. Pink Floyd hatten sich L. A. als den Ort ausgesucht, wo sie ihre neue Konzerttour starten wollten. Dick setzte sich mit Columbia-Chef Bruce Lundvall zusammen, arbeitete den Plan aus und besprach ihn noch einmal mit seinem eigenen Boß, Walter Yetnikoff. Sie waren alle einverstanden. CBS Records würde in Los Angeles keine unabhängigen Promoter für »Another Brick in the Wall« einsetzen. Wenn eine Top-40-Station in L.A. den Song ins Programm aufnahm, konnte kein lndie dafür Geld verlangen. Los Angeles war ein Schlüsselmarkt, ein Trendsettermarkt. Wenn die Programmdirektoren in Los Angeles auf einen Song ansprangen, verringerte das die Abneigung anderer Sender in anderen Städten, das Risiko einzugehen.

Zum Zeitpunkt der Wall-Tour gab es in Los Angeles vier große Top-40-Stations: KEARTH, KF1, KRLA und KHJ. Asher war einigermaßen zuversichtlich, daß zumindest der eine oder andere dieser Sender den Song während der Tour auf seine Playlist setzen würde. Er irrte sich. Bei KEARTH suchte Bob Hamilton die Songs aus. Er konnte während des gesamten Zeitraums der Los-Angeles-Konzerte nicht dazu bewegt werden, »Another Brick in the Wall« zu spielen. Das gleiche galt für John Rook von KF1. Hamilton und Rook waren nicht die einzigen, die sich sperrten. KRLA spielte den Song auch nicht. KHJ ebensowenig. Im Einzelfall konnte man keine Schlüsse daraus ziehen. Es gab viele gute Gründe für eine Top-40-Station, eine Platte nicht zu spielen, selbst wenn sie bereits ein Hit war. Ein Sender konnte durchaus zu dem Schluß kommen, daß der Song einfach nicht in sein Programm paßte. Aber der Gesamteffekt, daß alle großen Top-40Stations den Song ablehnten - nun, das war schlichtweg sehr eigenartig. Daß keine Top-40-Station in einer Stadt, in der jeder unter Dreißig ein Pink-Floyd-T-Shirt zu tragen schien, den Song spielte, war derart auffällig, daß sogar Steve O'Rourke es bemerkte, der Manager der Gruppe. Warum, fragte er, hören wir unseren Song nicht im Radio? Asher sagte O'Rourke nicht, weshalb, aber jemand anders tat es; Dick fand nie heraus, wer. O'Rourke bekam einen Schnellkurs in unabhängiger Promotion und entschied, daß er sie haben wollte. CBS konnte dem Druck eines seiner größten Acts nicht lange wiederslehen. Das Experiment trat in seine zweite Phase. Dick widerrief sein Verbot unabhängiger Promotion in Los Angeles und wartete ab, was passieren würde. Columbia Records engagierte die Indies eines Morgens kurz nach dem letzten Konzert in Los Angeles, und schon am selben Nachmittag war »Another Brick in the Wall« im Top-40-Radio von L. A. zu hören. Es war unglaublich. Mitte März stand der Song bei KFI auf dem ersten Platz, bei KEARTH auf dem dritten und bei KHJ auf dem neunten. Einen Monat später war »Another Brick« bei KFI und KEARTH

immer noch der Top-Song. KRLA spielte die Platte nie, also war der Sender für das Experiment ohne Belang. Aber das Resultat war klar. Es beschwor Bilder der hohen Mauer auf der Bühne herauf, die undurchdringlich dastand, bis unsichtbare Hände sie zum Einsturz brachten. Asher fragte sich, wie viele Bands imstande waren, fünf Konzertlermine nacheinander in einer der größten Konzert hallen Amerikas zu buchen und sie jeden Abend bis auf den letzten Platz zu füllen. Und ein derart populärer RockAct sollte sich so einfach auf die schwarze Liste setzen lassen? Diese Möglichkeit hatte Dick nicht einmal in Erwägung gezogen, denn bis jetzt hatte er in der unabhängigen Promotion schlimmstenfalls eine mächtige positive Kraft gesehen, aber keine unbezwingliche negative. Erst als er über die Implikationen dessen nachdachte, was in Los Angeles geschehen war, erkannte Asher, worauf er sich eingelassen hatte.

D

as Network, wie man es nannte, war eine informelle Gruppierung der rund ein Dutzend größten unabhängigen Promoter. Angeb-

lich war diese Seilschaft 1 9 7 8 bei einem Gipfeltreffen in New York

entstanden. Der Begriff tauchte offenbar zum ersten Mal im November 1 9 8 0 in einem ßiüboard-Arlikel auf. Er wurde wahrscheinlich von seinen Mitgliedern selbst geprägt; ein paar unabhängige Promoter hatten den Schriftzug »The Network« sogar in ihre Golfhemden eingestickt. Billboard identifizierte

1980 ein paar Schlüsselfiguren

des Network. Unter anderem nannte das Magazin Joseph Isgro aus Los Angeles, Fred DiSipio aus Cherry Hill, New Jersey, Gary Bird aus Cleveland, Dennis Lavinthal aus L A., Jerry Brenner aus Boston und Jerry Meyers aus Buffalo. Der Begriff »Network« beschwor zwar Bilder einer mächtigen Geheimgesellschaft herauf, bezog sich jedoch lediglich auf die Tendenz der Promoter, als lose verbundenes Team zu arbeiten. Jedes Mitglied hatte ein »Territorium«, eine Gruppe von Stationen, auf die es Einfluß zu haben behauptete. Wenn eine Plattenfirma eine neue Single bundesweit ins Radio bringen wollte, konnte sie einen Mann

vom Network engagieren, der wiederum mit den anderen Mitgliedern der Gruppierung Unterverträge abschloß. Das Network war in erster Linie ein Phänomen des Top-40Radios*. In einem geringeren Ausmaß promotete es Platten fürs »urban radio«, ein Euphemismus der Branche für Sender mit einem vorwiegend schwarzen Großstadtpublikum. Es gab Indies, die nicht zum Network gehörten und sowohl bei Top-40-Stations als auch bei Urban Stations warben, aber sie verdienten auch nicht annähernd so gut. Andere Indies hatten sich auf Sender spezialisiert, die Country und LPs spielten. In diesen Bereichen ließ sich offenbar nicht so viel Geld machen, daß sie für das Network interessant gewesen wären. Die mächtigsten Männer des Network waren Fred DiSipio und Joe Isgro. Einer Schätzung zufolge hatte DiSipio, dessen Büro in einem gedrungenen Bürogebäude in einem Einkaufszentrum in der Nähe von Philadelphia lag, Einfluß auf neunzig Schlüsselsender. Ein Sender, den DiSipio sich routinemäßig anrechnete, war KEARTH in Los Angeles - einer derjenigen, die Pink Floyd nicht gespielt hatten. Es mag merkwürdig erscheinen, daß ein Mann, der in Cherry Hill, New Jersey, saß, einen Sender in L.A. an der Hand hatte, aber das Territorium eines Network-Promoters hatte oftmals nicht viel mit seinem Wohnort zu tun. Joe Isgro aus Los Angeles rechnete sich Platten an, die bei KFI in Los Angeles - ebenfalls ein Sender aus Ashers Experiment - auf die Playlist gesetzt wurden, aber auch bei KAMZ in El Paso und W C I N in Cincinnati. Nicht lange nach der Sache mit Pink Floyd traf Asher ein paarmal mit Isgro und DiSipio zusammen, meistens bei gesellschaftlichen Anlässen. Sie waren ihm zuwider, und er begrenzte den Kontakt mit ihnen so weit wie möglich. J o e Isgro, der aus Philadelphia stammte und zum Zeitpunkt der UM-Tour erst dreiunddreißig war, hätte gut als Gangster durchgehen können. Er trat stets mit zwei bulligen * t l l i c h e J a h r e l a n g b e n u t z t e m a n statt » T o p 4 0 « lieber d e n Begriff C H R , ein Kürzel für » c o n t e m p o r a r y hit radio« - j e n e S e n d e r , die n u r aktuelle Hits b r a c h t e n . Damit wollte m a n z u m A u s d r u c k b r i n g e n , d a ß d i e s e S t a t i o n e n o f t m a l s s o g a r n o c h w e n i g e r als vierzig Platten i n e i n e m g e g e b e n e n Z e i t r a u m s p i e l t e n . »Top 4 0 « wird i n d i e s e m B u c h als S y n o n y m für C H R v e r w e n d e t .

britischen Bodyguards auf, trug schwarze Hemden, maßgeschneiderte Anzüge und goldenen Schmuck und protzte mit dicken Hundertdollarbündeln. Isgro war breitschultrig und hatte einen unsteten Blick, einen bleistiftdünnen Schnurrbart und einen ewigen Dreitagebarl. Er bezeichnete sich selbst als »slreet guy«. Man konnte sich nur schwer vorstellen, daß er ein erfolgreicher Promoter war, geschweige denn einer, der sich eine Villa mit Marmorfußboden im San Fernando Valley und einen Rolls Royce Corniche leisten konnte. Er war humorlos und wirkte bedrohlich. Isgro sagte, seine Dienslzeil in Vietnam verfolge ihn. Er besaß eine Schachtel mit Fotos der Vietcong, die er angeblich getötet hatte. Fred DiSipio war einundzwanzig Jahre älter und geschliffener als Isgro. Er war klein und trug eine Brille und ein schlechtes Toupet. Er war äußerst schlagfertig und sprach überraschend gut Jiddisch. »Freddy hätte als Leiter der schul* fungieren können«, sagte ein Mann, der DiSipio hatte reden hören. DiSipio stand auch in dem Ruf, etwaige Konkurrenten abzuschrecken. Wie Isgro lief er mit einem riesigen Bodyguard herum, einem Mann namens Big Mike. Es kam Asher unglaublich vor, daß die Plattenindustrie diesen »B-Film-Figuren«, wie er einige der Promoter und ihr Gefolge nannte, Millionen bezahlte. Dick, der sieben Jahre gleichsam in einem Kokon verbracht hatte - erst als Chef von CBS Records in England, anschließend als Leiter der gesamten Auslandsoperationen des Unternehmens -, war gelinde gesagt überrascht, bei seiner Rückkehr Männer vom Schlage lsgros und DiSipios als Makler der Macht im amerikanischen Schallplatten-Busineß vorzufinden. Asher war schon lange in der Musikbranche - seil 1 9 5 8 , als junger Partner in einer mittelgroßen New Yorker Anwaltsfirma - und hatte einiges gesehen. Diese Network-Sache war etwas Neues, gleichzeitig aber auch beunruhigend vertraut. Ende der fünfziger Jahre war Payola - eine Kontraktion von »pay«, bezahlen, und dem Grammophon-Markennamen

»Victrola« - ein geflügeltes Wort geworden,

als Discjockey Alan Freed ins Gefängnis kam, weil er Schmiergelder

dafür genommen haue, daß er bei WINS bestimmte Platten spielte. Der öffentliche Aufschrei, die Kongreßanhörungen, die zerstörten Karrieren blieben Asher noch lange im Gedächtnis. Freed, der zum Symbol des Payola-Skandals geworden war, soff sich 1965 zu Tode. Aber Payola verschwand nicht. Anfang der Siebziger, die eine neue Runde von Skandalen brachten, griff das Phänomen wieder um sich und war auch danach nicht totzukriegen. Payola war etwas Unangenehmes, aber es gehörte nun einmal dazu. In den Bilanzen halte es sich jedoch niemals derart bemerkbar gemacht. Die erforderlichen Beträge waren meist aus der Portokasse bezahlt worden. Wieviel kostete es denn schon, einen schlecht bezahlten Plattenaufleger bei einem Radiosender zu bestechen? Die Indie-Promotion in den Achtzigern ließ sich jedoch nicht mehr aus der Portokasse bezahlen. Asher rechnete rasch nach. CBS Records gab acht bis zehn Millionen Dollar pro Jahr für die Indies aus. Das hieß, daß die gesamte Branche wahrscheinlich mindestens 40 Millionen auf den Tisch legte. Dick hatte keine Ahnung, welcher Prozentsatz davon zur Bestechung von Radiosendern verwendet wurde, aber wenn die Indies verhindern konnten, daß etwas von einer Monstergruppe wie Pink Floyd gesendet wurde, mußte es ein ganz schöner Balzen sein. Später einmal würde die Indie-Promotion als »neues Payola« bezeichnet werden, und genau das war sie auch. »Institutionalisiertes Payola« wäre vielleicht ein noch besserer Begriff gewesen. Im Lauf der siebziger Jahre halte sich das Plattengeschäft auf sechs große multinationale Konzerne, von denen CBS und Warner Communications die größten waren, sowie eine Handvoll wichtiger Independent-Labels konzentriert. Doch im Gegensatz zu allen anderen Industriezweigen wie zum Beispiel der Automobilproduktion oder den Fast-food-Ketten bot die Firmengröße bei der Plattenproduktion wenige Konkurrenzvorteile. Was Hits anging, konnte sie sogar ein Nachteil sein. Die kleinen Labels waren oft schneller neuen Trends auf der Spur, und sie konnten eine Platte genauso billig produzieren wie ein Großunternehmen. Und das Label mit der besten Platte bekam die Radioausstrahlung gratis.

Den großen Plattenfirmen war deshalb klar, daß es durchaus einen gewichtigen Konkurrenzvorteil bedeuten konnte, wenn die Radioausstrahlung nicht gratis war, denn die Budgets der Großunternehmen reichten aus, um die kleinen Labels bei den Sendern zu überbieten. Payola war schließlich schon immer das Mittel gewesen, einen Preis für die Ausstrahlung - das »Airplay« - zu erheben, aber es war nie institutionalisiert worden. Die Popmusiksender in den gesamten USA in den Griff zu bekommen, würde einen Haufen Geld kosten. Die großen Firmen hatten das Geld, aber sie konnten ihren Mitarbeitern nicht erlauben, Zahlungen an Radiosender zu leisten. Es war zu riskant geworden. Das Antipayola-Gesetz von 1 9 6 0 war relativ unwirksam gewesen und nur selten angewandt worden. Aber die Ereignisse in den Siebzigern führten zur Verabschiedung des Racketeer Influenced and Corrupt Organizalions Statute, des Gesetzes gegen vom organisierten Verbrechen beeinflußte und korrupte Organisationen - RICO, wie es genannt wurde -, nach dem ein Unternehmen, das sich auf Bestechung einläßt, mit schweren Strafen belegt werden kann. Eine Studie über das »neue Payola« in einer juristischen Zeitschrift formulierte es folgendermaßen: »Die Gefahr, nach RICO zur Rechenschaft gezogen zu werden, schuf einen Anreiz für Platten firmen, unabhängige Beauftragte für die Plattenpromotion beizubehalten, um sich davor zu schützen, der Begehung strafbarer 1 iandlungen oder der Mittäterschaft bezichtigt zu werden.« Das Network bot den idealen Schutz. Die Mitgliedschaft im Network bedeutete zwar nicht unbedingt, daß man ein Payola-Kanal war; manche Top-Indies hatten durchaus reine Westen. Andere NetworkLeute aber bedachten die Programmdirektoren der Sender mit Geld, Kokain, teuren Geschenken und Prostituierten. Der ehemalige Programmdirektor einer mittelgroßen kalifornischen Radiostalion gab 1 9 8 7 beispielsweise zu, im Lauf von drei Jahren von einem unabhängigen Promoter über 1 0 0 0 0 0 Dollar in bar angenommen zu haben. Er hatte wöchentlich per Post ein »Geburtstagsgeschenk« bekommen, adressiert an ein Postfach, das er nach den Anweisungen des Indies unter falschem Namen eingerichtet hatte. Pro Woche hatte er für den Promoter drei oder vier Songs ins Programm aufgenommen

und zwischen 5 0 0 und 1 0 0 0 Dollar in seiner Geburtstagskarte gefunden. Es gab noch andere Methoden, das Schmiergeld abzuliefern. Ein Promoter stopfte es in leere Kassettenschachteln. Andere benutzten Plattenhüllen. »Es gibt Programmdirektoren«, sagte der Manager eines Labels lachend, »die die Platte mit dem Cover hochheben und so machen.« Er hielt sich eine imaginäre 4 5 e r ans Ohr und schüttelte sie. »Klingt gut, klingt gut. Gefällt mir, gefällt mir.« Das Network erfüllte seinen Zweck. Nach 1 9 7 8 verschwanden die Platten kleiner Labels allmählich aus dem Top-40-Radio. Aber die Indie-Promotion war ein zweischneidiges Schwert. Zuerst überboten die großen Labels die kleinen, aber schon bald versuchten sie, auch einander zu überbieten. Der Preis der unabhängigen Promotion stieg ständig. 1 9 8 5 kostete sie die Branche mindestens 6 0 , vielleicht sogar 80 Millionen Dollar im Jahr. Es kam vor, daß ein Label bis zu 3 0 0 0 0 0 Dollar für die Promotion einer einzigen Platte ausgab. Das war weitaus mehr Geld als nötig, um den Rundfunk zu manipulieren. Die überschüssigen Millionen machten ein paar unabhängige Top-Promoter außerordentlich reich. Währenddessen brachten ein paar Label-Bosse ihre Befürchtungen zum Ausdruck, die PromoDollars der Indies könnten an die Direktoren mancher PromotionAbteilungen bei den Plattenfirmen selbst zurückfließen, an jene Männer also, die dem Network das Geld gaben. Mo Ostin, der Chef von Warner Brothers, sagte in einer eidlichen Erklärung: »Es bestand . . . der Verdacht, daß [die Indies] Leute aus unseren PromotionAbteilungen bestechen könnten«, fügte jedoch hinzu, »wir halten keinen Hinweis darauf, daß es tatsächlich geschah«. Ein ehemaliger Direktor einer Promotion-Abteilung, der anonym bleiben wollte, bestätigte, 10 Prozent seien eine typische Provision, und gab zu, Geld genommen zu haben. »Ich habe nicht genug gestohlen«, sagte er. »Tut mir wirklich verdammt leid; ich hätte reichlich Gelegenheit gehabt.« Direktor der Promotion-Abteilung, lügte er hinzu, »ist ein sehr einträglicher Job. Und niemand wird jemals erwischt. Wissen Sie, warum nicht? Die sind alle bei Aktiengesellschaften angestellt. Da plaudert kein Mensch was aus.«

Obwohl sich das institutionalisierte Payola für das Network, die Schmiergeldempfänger in den Radiosendern und die PromotionDirektoren, die in die eigene Tasche wirtschafteten, weiterhin auszahlte, wurde es für die Labels, die es hervorgebracht hatten, schließlich zu einem sehr schlechten Geschäft. 60 bis 80 Millionen Dollar Kosten pro Jahr - das klang vielleicht nicht nach einer erdrückenden Summe, aber für die Plattenindustrie war es eine. Trotz ihres großen Einflusses auf Kultur und Mode ist die Tonträgerindustrie relativ klein. Die Amerikaner geben heutzutage fast ebenso viel für Cornllakes und andere 1 ''rühstücksflocken aus wie für CDs, Kassetten und Schallplatten, nämlich 6 , 8 Milliarden Dollar pro Jahr. 1 9 8 5 nahm die Plattenindustrie nicht mehr als 4 , 5 Milliarden Dollar ein und machte dabei einen Gewinn von vielleicht 2 0 0 Millionen Dollar vor Steuern - und das ist eine großzügige Schätzung*. Das heißt, die amerikanische Plattenindustrie gab 1 9 8 5 mindestens 30 Prozent ihrer Gewinne vor Steuern für unabhängige Promotion aus. Zu diesem Zeitpunkt war sie dadurch in eine finanzielle Krise geraten, und zwar in eine der schlimmsten, die eine Industrie je selbst verursacht hat. Das Network war schon keine gute Investition gewesen, als es noch nicht unerträglich teuer gewesen war. Trotz all seiner Macht konnte es nämlich keinen Hit produzieren. Das konnte niemand, nur der Markt selbst. Es war möglich, einen unkommerziellen Song bis zum Erbrechen im Radio zu dudeln und vielleicht einen bescheidenen Erfolg damit zu erzielen, aber letzten Endes konnte man die Leute nicht zwingen, eine Platte zu kaufen, die ihnen nicht gefiel. Beispiele für solche »Plattenteller«-Hiis - Platten, die massives Airplay bekommen, sich aber nicht verkaufen - sind leicht zu finden: Man denke an Carly Simons von Warner Brothers Records herausgebrachte Hitsingle »Jesse«. Ein Manager eines Konkurrenzlabels sagte: »>Jesse< ist legendär, weil es hinsichtlich der Kosten für Indie-Promotion eine der teuersten Singles aller Zeiten war. Ich kenne die genauen Zahlen

* Vielleicht zu großzügig. In j e n e m J a h r m a c h t e n vier der s e c h s g r ö ß t e n Plattenfirmen d e r USA Verluste o d e r n u r geringfügige G e w i n n e .

nicht, aber wenn Sie mir sagen würden, es seien 3 0 0 0 0 0 Dollar gewesen, würde ich nicht mit der Wimper zucken. Das Komische ist, sie kam in die Top Ten und wurde pausenlos gespielt, hat aber den Verkauf der LPs nicht gefördert. Das Stück galt als Hit, aber das Album lag wie Blei in den Regalen. War es also ein erfolgreiches Projekt? Nein, für niemanden. Außer für die unabhängigen Promoter. Man kann es ihnen nicht verdenken, daß sie das Geld nehmen.« Tatsächlich rührte die Macht des Network nicht von seiner Fähigkeit her, einen Hit hervorzubringen, sondern von der, einen zu verhindern. Das war auch der Sinn der Sache gewesen, denn schließlich sollte das Network ja dazu dienen, kleinen Labels den Zugang zum löp-40-Radio zu verbauen und den Marktanteil der großen Labels zu steigern. Leider ist ein Marktanteil überhaupt nichts wert, wenn man ihn nicht profitabel erwerben kann. In der Branche tituliert man ein Unternehmen, das für einen hohen Preis Marktanteile erwirbt, wenig schmeichelhaft als »loss leader«, was in diesem Zusammenhang soviel bedeutet wie »Spitzenreiter der Verluste«. Das Network war das ultimative Loss-Leader-Geschäft. Manche Plattenfirmen waren davon überzeugt, daß ihnen gar nichts anderes übrigblieb, als die Indies zu engagieren. Dick Asher beklagte sich beispielsweise: »Es war nicht Payola, es war Erpressung - der Preis, den man bezahlen mußte, um im Geschäft zu bleiben.« Elliot Goldman sagte Mitte 1986, als er Präsident von RCA Records war: »Man hat das Gefühl, daß man sie engagieren muß, damit nichts Schlimmes passiert.« Was die Sache noch unangenehmer machte, war die Tatsache, daß das Network geradezu eine Meisterschaft darin entwickelte, Geld für nichts einzusacken. »Ich nenne sie Claim J u m p e r * « , sagte Paulie Gallis, ein nicht zum Network gehörender unabhängiger »Plugger« (Promoter), der 1 9 4 8 mit der Arbeit bei den Radiosendern angefangen hatte. In den späten Siebzigern brachte Gallis, der von Motown Records ein Pauschalhonorar bekam, einmal einen Freund bei einer

* j e m a n d , der widerrechtlich einen fremden Claim - ursprünglich ein zur Goldsuche a b g e s t e c k t e s S t ü c k L a n d - i n Besitz n i m m t ( A d . 0 . )

Radiostation in Tallahassee dazu, eine Motown-Single auf seine Playlist zu setzen. Ein Promotion-Manager von Motown rief Gallis an, um ihm zu danken, erklärte aber, er könne ihm keinen Bonus dafür zahlen, daß er die Platte bei dem Sender untergebracht habe. »Er sagt: >Die Station gehört jemand anderem, und den Kerl m u ß ich bez a h l e n ^ , erinnerte sich Gallis. »Ich erwiderte: >Was soll das heißen, sie >gehöri< jemand anderem? Augenblick mal! Sind Sie wirklich so dämlich? Sie wollen irgendwen für eine Station bezahlen, die ich aufgetan habe?Bist du verrückt? Du hast wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank. Siehst du den Strohhaufen da drüben in der Ecke? Setz dich da drauf, bis du mit deinen Tagen durch bist. Dann kannst du wiederkommen^« Cyndi Lauper schien dennoch für Yetnikoff zu schwärmen. »Meine Frau hatte einen Onkel wie Walter«, sagte David Braun. »Er konnte Strafzettel, die er von Polizisten bekam, vor ihren Augen zerreißen, und sie lachten nur. Ich hatte auch einen Onkel wie Dick Asher. Wenn der so was auch nur einmal gemacht hätte, wäre er

sofort verhaftet worden. Es gibt einfach Menschen, die sich erheblich mehr rausnehmen können als andere. So einer ist Walter.« Wegen Yctnikoffs unmöglichem Auftreten in der Öffentlichkeit behaupteten seine Freunde, der echte Walter sei der Außenwelt verborgen. Privat, sagten sie, sei Walter ganz anders - ein maisch, das höchste jiddische Kompliment, einer, der edelmütig, großzügig und aufrecht ist. Stanley Schlesinger, sein Anwalt und bester Freund, sagte, er kenne keinen freigebigeren Menschen als Walter. Es war nicht schwer, Beispiele für seine guten Taten zu finden. Als ein Mitarbeiter sich bei einer Versammlung das Kreuz verrenkt hatte, ließ Walter ihn auf eigene Kosten erster Klasse nach Hause fliegen und kümmerte sich mit onkelhafter Fürsorglichkeit um ihn. »Wissen Sie, was mein Problem ist?« gestand er einmal. »Ich bin zu nett.« Es gab tatsächlich Anhaltspunkte dafür, daß Walters Draufgängertum ebenso gespielt war wie seine jüdische Militanz: So war er zum Beispiel von seinem ganzen Wesen her unfähig, jemanden zu feuern. John Backe, Präsident von CBS Inc., erinnerte sich mit großer Belustigung, daß Walter nicht

einmal seinen

Chauffeur entlassen

konnte, obwohl der Mann häufig nicht zur Arbeit erschien. »Walter mußte den Personalchef bitten, ihn zu feuern«, sagte Backe. 1979, als die Rezession in der Branche Entlassungen unumgänglich machte, überließ es Walter seinem damaligen zweiten Mann, dem Präsidenten von CBS Records USA, Bruce Lundvall, die Kündigungen auszusprechen. Am 29. Juni dieses Jahres wurden dreiundfünfzig Mitarbeiter von CBS Records in New York, Los Angeles und Nashville auf die Straße gesetzt. Aber der Gürtel mußte noch enger geschnallt werden. Am 10. August 1 9 7 9 - dem sogenannten »schwarzen Freitag« - entließ CBS Records weitere 120 Leute. Das war ein Schock für das Unternehmen. Zwei Monate nach dem schwarzen Freitag übernahm Dick Asher auf John Backes Drängen hin den Posten des Vizepräsidenten. Backe wußte, daß vielleicht weitere Entlassungen notwendig sein würden und daß Walter damit Probleme haben würde - ein weiterer Grund für die Ernennung. Zwar fand auch Dick es schrecklich, Leute entlassen zu müssen, aber wenn es sein mußte, konnte er es tun. Einer

der Hauptgründe, warum Dick den J o b des Vizepräsidenten nicht haben wollte, war, daß er Angst vor einem weiteren schwarzen Freitag hatte. Damit Walter das Gesicht wahren konnte, erhielt Backe die Fiktion aufrecht, Dicks Ernennung sei Yetnikoffs Idee gewesen. Asher glaubte es - oder wollte es glauben. »Ich war sehr naiv«, sagte Dick im Rückblick. »Ich meine, Walter und ich sind immer gut miteinander ausgekommen. Er war mein Freund. Ich dachte, es wäre tatsächlich seine Idee gewesen; die Wahrheit habe ich erst viel später von Backe erfahren.« Mittlerweile waren die Unterschiede zwischen Dick und Walter schmerzhaft kraß geworden. Wenn man geschäftlich bei CBS Records im zehnten Stock des Black Rock zu tun hatte, beschlich einen binnen kurzem das deutliche Gefühl, mit zwei Unternehmen konfrontiert zu sein: dem von Dick und dem von Walter. »Sie hatten das Stockwerk geteilt«, sagte David Braun. »Der Bereich zwischen Dicks Lager und Walters Lager wurde entmilitarisierte Zone< genannt. Zwischen ihnen saßen die Buchhalter. CBS hat flexible Trennwände, und man kann die Konfiguration eines Stockwerks ändern. Und sie teilten es so auf, daß man buchstäblich das Gefühl hatte, von einem Lager zum anderen zu gehen. Es war sehr komisch. Walter trennte seinen Teil mit Wänden ab und versperrte den Zugang mit einer abschließbaren Tür.« Die Tür war Debbie Federoffs Idee gewesen. Sie war zu jener Zeil Walters Sekretärin. »Ich habe sie einbauen lassen, als Dick heruntergezogen ist«, sagte sie. »Sie war von außen verspiegelt, aber von innen durchsichtig. Dick ging Walter auf die Nerven, daher war die Tür immer geschlossen, und wir konnten sehen, wer kam. Wir mochten Dick nicht. Er war ein netter Mann, aber er redete ununterbrochen. Er war ein nudnik. Walter, blablabla - alle zwei Sekunden stand er in Walters Büro. Ich glaube nicht, daß Walter mit Dick klarkam. Dick war zu spießig. Er trug immer eine Krawatte. Wir haben ihn >Deputy Dick< genannt.« Bob Jamieson, ein Mitglied von Ashers Posse, erinnerte sich noch lange an die Spannungen zwischen seinem Boß und Walter Yetnikoff.

»Es wurde nie persönlich, es war rein geschäftlich. Aber sie waren nie einer Meinung - weder in bezug auf Strategien oder Aktivitäten noch auf Künstler, die sie haben wollten. Dick und Walter haben beide einen starken Willen. Abends setzten sie sich manchmal in Walters Büro zusammen, und dann ging es schon mal hoch her: DU IRRST D I C H , V E R D A M M T N O C H MAL!

ICH G L A U B E .

Wenn man anderer Meinung

ist als Dick, nimmt man am besten die Beine in die I land. Er kann sehr laut werden.« Zu

Dicks Überraschung betraf eine seiner ersten

Meinungs-

verschiedenheiten mit Walter die unabhängige Promotion. Es war eine wichtige finanzielle Frage, wenn die Firma weitere Entlassungen vermeiden wollte. Und nach dem Vorfall mit Pink Floyd bekam die Sache für Dick eine neue Dringlichkeit. Zunächst einmal fand Dick, daß Bestechung moralisch verwerflich war - kein gängiger Standpunkt in der Plattenbranche. Wenn die Manager überhaupt zugeben, daß es Payola gibt, so neigen sie dazu, es mit den folgenden Argumenten zu verteidigen: a) Es unterscheidet sich nicht vom politischen Lobbyismus; b) Korruption in der Regierung ist schlimmer; c) Korruption an der Wall Street ist noch schlimmer. Aber es ging weniger um Moral als um Recht und Gesetz. Die Mutterfirma CBS konnte ihre lebenswichtigen Sendelizenzen verlieren, wenn sie bei einer strafbaren Handlung erwischt wurde. Als Chef der internationalen Abteilung hatte Dick einen hochgeschätzten, langjährigen Mitarbeiter entlassen müssen, weil der Mann einen Zollbeamten in Brasilien bestochen hatte, um für die Weihnachtsproduktion benötigte Maschinen rechtzeitig geliefert zu bekommen. Der Mann hatte kein Geld gestohlen; Bestechung gehörte in Brasilien zum täglichen Leben. Aber der Kongreß hatte gerade den Foreign Corrupt Practices Act - das Gesetz gegen korrupte Praktiken im Ausland - verabschiedet, und das Board von CBS bestand darauf, daß dem Mann gekündigt wurde. Dick fragte Walter zunächst von Jurist zu Jurist, ob er glaube, daß CBS ausreichend geschützt sei, falls sich die unabhängige Promotion als Fassade für Bestechung erweisen sollte. Alle Verträge mit unabhängigen Promotern enthielten eine Gewährleistungsklausel, die

Payola verbot. Das war gut und schön. Aber das Abrechnungssystem für die Unabhängigen bei CBS war - vorsichtig ausgedrückt - unorthodox. »Die Promoter«, erinnerte sich Asher, »schickten eine Rechnung für ihre geleisteten Dienste, und da waren ein Haufen Zettelchen drangeheftet - eins für jede Station, die der Promoter für sich reklamierte. Angenommen, die Rechnungssumme betrug 2 0 0 0 0 Dollar. Wenn sie 2 0 0 0 Dollar pro Station bekamen, dann waren zehn solche Zettel dabei.« Jemand in der Promotion-Abteilung von CBS prüfte nach, ob all diese Stationen die neueste Veröffentlichung der Firma auch wirklich spielten. Dann riß er die Zettelchen ab und warf sie weg, so daß die Rechnung, die letztendlich eingereicht wurde, nicht so aussah, als würde jeweils ein bestimmter Betrag pro Sender abgerechnet. Offenbar war dieses Abrechnungssystem aus der Sorge entstanden, es könnte sich eines Tages herausstellen, daß ein lndie-Promoter unsauberen Einfluß auf einen bestimmten Sender hatte. Eine Rechnung, auf der stand, daß CBS den betreffenden Promoter für diesen Sender bezahlt hatte, konnte ein schlechtes Licht auf das Unternehmen werfen. »Wir haben also zehn Millionen Dollar pro Jahr für Abreißbelege bezahlt, die weggeworfen wurden«, sagte Asher. Er hatte noch düsterere Befürchtungen. Obwohl er zugab, daß seine Kenntnisse vom organisierten Verbrechen sogar noch »ein wenig geringer als meine Kenntnisse vom Buddhismus« waren, wollte er die Möglichkeit nicht ausschließen, daß die Mafia die Finger im Spiel halte. »Walter sagte immer: >Was meinst du? Woher weißt du das?< Und ich sagte: >Walter, ich weiß gar nichts. Aber wenn die Branche vierzig bis fünfzig Millionen Dollar pro Jahr ausgibt, reicht das meiner Meinung nach, um das organisierte Verbrechen anzulocken.< Natürlich hatte ich nichts in der Hand, was meine Meinung gestützt hätte.« Walter machte sich später über die Idee einer Mafia-Connection zum Network lustig, und er schien mit den Top-Indies wesentlich besser zurechtzukommen als Asher. Und während Dick ein Hauptgegner der unabhängigen Promotion wurde, entwickelte sich Walter

in der Tat zu einem ihrer unerschütterlichsten Befürworter. »Sie erzielen Resultate«, erklärte er 1 9 8 6 in einem Interview. »Die Indies sind menschen, verstehen Sie?«

D

er Aufstieg des Network war nicht gerade ein singuläres Ereignis in der Plattenbranche. Falls die Geschichte eine Moral hat,

dann die, daß die »neue« Plattenbranche der heutigen Zeit mit ihren multinationalen Verflechtungen sich in nichts von der »allen« Plattenbranche der freibeuterischen fünfziger Jahre unterscheidet. Mit dem Aufkommen des Rock and Roll kam damals auch eine neue Elite in der Plattenindustrie an die Macht. Es waren die sogenannten Pioniere des Rock, die unabhängigen Geschäftsleute, welche die ersten Labels gründeten, um die neue Musik aufzunehmen. Diese Männer legten das wacklige moralische Fundament, auf dem die moderne Plattenindustrie steht. Ihr Vermächtnis - drei Jahrzehnte später - war eine Industrie in den Fängen des Network. Ein Fortschritt, fürwahr. Wenn die krummen Touren der ersten Rock-and-Roll-Labels auch zum Himmel gestunken hatten, so hatten sie doch zumindest kein Schulzgeld in zweistelliger Millionenhöhe bezahlt. Das brachten erst die großen Konzerne der achtziger Jahre mit ihren Juristen und Rechtsabteilungen fertig.

TYPEN

3 Lullaby of Gangland

R

ock-Historiker neigen dazu, die Pioniere der Rock-and-RollIndustrie romantisch zu verklären. Es stimmt, daß die drei

großen Labels der fünfziger Jahre - RCA Victor, Decca und Columbia, das 1 9 3 8 von CBS aufgekauft worden war - die

neue Musik nur sehr zögerlich zur Kenntnis nahmen. Das gleiche galt für die Tin-Pan-Alley-Musikverlage. Zum Glück gab es unabhängige

Geschäftsleute wie Leonard Chess von Chess Records in Chicago, der Chuck Berry auf Vinyl brachte, und Syd Nathan von King Records in Cincinnati, der Aufnahmen von James Brown veröffentlichte. Die Pioniere verdienen Lob für ihren Weitblick, aber kaum für ihre Integrität. Viele von ihnen waren Gauner. Ihre Opfer waren für gewöhnlich arme Schwarze, die Erfinder des Rock and Roll, obwohl Weiße nicht viel besser wegkamen. Iis war ein üblicher Trick, einen Schwarzen mit einem Cadillac zu bezahlen, der nur einen Bruchteil dessen wert war, was man ihm schuldete. Besondere Erwähnung verdient in diesem Zusammenhang Herman Lubinsky, Eigentümer von Savoy Records in Newark, New Jersey, der Aufnahmen mit einem Staraufgebot von Jazz-, Gospel- und Rhythm-and-Blues-Künstlern machte und kaum einen Cent Tantiemen bezahlte. Die moderne Plattenindustrie, deren Einnahmen zur 1 lälfte aus der Rockmusik stammen, verehrt ihre Gründer. Sie hat bereits angefangen, solche Männer wie den Discjockey und Konzertveranstalter Alan Freed in die 1 lall of Farne des Rock and Roll aufzunehmen. Wenn alte Record Kien nostalgisch von den Fünfzigern schwärmen, sprechen sie oft von den großen »Typen«, die damals die Branche bevölkerten. Morris Levy, der Gründer von Roulette Records, sagte stolz: »Wir

waren damals alle Typen.« Der Ausdruck - im Englischen characterist in diesem Zusammenhang wahrscheinlich eine Kurzform von »Dämon Runyon character«. Gemeint sind Straßengauner, wie sie der Autor Dämon Runyon beschrieb, auf dessen Storys das BroadwayMusical Guys and Dolls beruhe: hart, gewitzt, schillernd und verrufen. Levy bestritt das letzte Attribut, aber er war ein Mann, der sein Leben lang alles mögliche bestritten hat. Im Reich der Typen war Levy der König. Er überragte die meisten anderen Pioniere, und während die Geschichte über die meisten von ihnen hinwegging, blieb er eine mächtige Institution und eine lebendige Erinnerung an die Ursprünge der Branche. 1957 bezeichnete Variety Levy als den »Kraken« der Musikbranche, so weit reichten seine Tentakel. Drei Jahrzehnte später bezeichnete ihn ein anderer Zeitungsmann als den »Paten« des amerikanischen Musikgeschäfts. Seine Macht halte sich nicht verringert. Morris Levy gründete Roulette im Jahr 1956, nachdem er ein Jahrzehnt lang Nachtclubs geleitet hatte (ihm gehörte das weltberühmte Birdland). Roulette war eine von vielen unabhängigen Plattenfirmen, die

Rock-and-Roll-Interpreten

herausbrachten,

darunter

Frankie

Lymon, Buddy Knox und Jackie and the Starlights. Als der Rock seinen Siegeszug antrat, stellten die großen Labels fest, daß die Unabhängigen sie aus den Single-Charts warfen. Also schlugen sie ihre Scheckhefte auf und kauften die Verträge der Rockmusiker oder gleich die Unabhängigen insgesamt. 1 9 5 5 bezahlte RCA Victor Sun Records 3 5 0 0 0 Dollar* für Elvis Presley. Am Ende des Jahrzehnts waren die meisten Unabhängigen verschwunden; die Gründer hatten ihre Chips eingelöst. Atlantic Records in New York blieb ein florierendes Unternehmen, wurde 1967 jedoch in Warner-Seven Arts (später Warner Communications) eingegliedert. Levy behielt Roulette. Das Label wuchs weiterhin und schluckte andere unabhängige Labels und Musikverlage und sogar eine Plattenladenkette. Morris' Macht stammte von Copyrights. Er begriff sehr früh, daß ein 1 lit eine Art Leibrente ist, weil er für seinen glücklichen Besitzer * plus 5 0 0 0 Dollar U n t e r z e i c h n u n g s p r ä m i e

Jahr für Jahr Geld abwirft. Sein erstes Copyright war der JazzStandard »Lullaby of Birdland«, den er für seinen Nachtclub in Auftrag gegeben hatte. Jedesmal wenn eine Highschool-Marschkapelle in der Rose Bowl »The Yellow Rose of Texas« anstimmte, klingelte bei Morris die Kasse, weil er auch dieses Copyright besaß. »Es sind immer nur Pennies«, sagte Morris einmal über seinen Songkatalog. »Aber es summiert sich zu einem hübschen Batzen Geld. Es arbeitet ganz von selbst. Es gibt nie freche Antworten.« Ein hübscher Batzen Geld, in der Tat. Anfang der Achtziger war Levy nicht weniger als 75 Millionen Dollar schwer. Der Hauptanteil seines Reichtums stammte aus seinem Musikverlagsimperium Big Seven, das dreißigtausend Copyrights besaß. Sunnyview, sein zweilausend Hektar großes Gestüt am Hudson River im Columbia County, New York, wurde auf 15 Millionen Dollar geschätzt. In den Siebzigern übernahm er eine kleine Kette bankrotter Plattenläden, die er auf Strawberries umtaufte. Nicht schlecht für einen Mann, der aus der Volksschule geflogen war, weil er eine Lehrerin angegriffen hatte. Viel schwieriger zu quantifizieren war eine weitere Quelle von Morris Levys Reichtum und Macht: seine lebenslange Verbindung zur Mafia. Morris, ein sephardischer Jude (oder »Türke«, wie er sagte) aus dem ärmsten Teil der Bronx, war nie Mitglied, machte aber Geschäfte mit etlichen Mafia-Familien. Die Genoveses aus New York warfen den längsten Schatten auf seine Karriere. Morris leugnete stets, etwas mit dem Mob zu tun zu haben; wenn die Sprache auf seine wohlbekannten Gangsterfreunde kam, zeigte er gern auf ein gerahmtes Porträt, das ihn mit Kardinal Spellman zeigte, und erklärte: »Deswegen bin ich noch lange kein Katholik.« Morris war über ein Vierteljahrhundert lang »Schikanen« seitens des Staates ausgesetzt, wie er es nannte, schien jedoch gegen strafrechtliche Verfolgung immun zu sein, selbst nachdem ein Polizist 1975 bei einer Schlägerei mit ihm ein Auge eingebüßt hatte und zwei seiner Geschäftspartner offenbar von der Mafia ermordet worden waren. (Sein Bruder Zachariah, besser bekannt als Irving, wurde im Januar 1 9 5 9 ebenfalls ermordet. Ein Krediteintreiber der Mafia erstach ihn, nachdem er die Frau des Mannes, eine Prostituierte, aus

dem Club geworfen hatte. Der Legende zum Trotz war es kein Unterweltmord.) Morris' Glückssträhne endete schließlich im Jahr 1988, als er zusammen mit einem Unterboß der Genoveses wegen Erpressung verurteilt wurde. Zwei Jahre später - mit zweiundsechzig - starb er an Krebs. Morris' Verbindungen zur Unterwelt waren in der Plauenbranche nie ein Geheimnis. Daß nur wenige sie ihm verübelten, wäre eine Untertreibung. Die Branche, in der er Moishe genannt wurde, verehrte ihn. Er war der emeritierte Vorsitzende der Musikabteilung des United Jewish Appeal - eines Unterstützungsfonds für notleidende Juden - und ein wichtiger Geldbeschaffer für andere Wohltätigkeitsorganisationen der Musikbranche. Seine Menschenfreundlichkeit war nicht der einzige oder auch nur der Hauptgrund für die positive Einstellung der Branche zu ihm. Das hatte viel tiefere Ursachen. Morris verkörperte den Straßenmythos der Branche. Er sah aus wie Big Jule aus Guys and Dolls - groß, stämmig, mit dickem Hals und riesigen Pranken. Seine Stimme klang, als hätte er Schmirgelpapier in der Stimmritze. In einer anderen Branche als dem Vinylgeschält wäre ein Mann wie Morris Levy wohl ein Paria gewesen. Die Plattenindustrie jedoch ist noch nie vor der Mafia zurückgeschreckt. Am Ende des Zweiten Weltkriegs waren Leute, die Musicboxen aufstellten, die besten Kunden der Branche, und viele von ihnen waren Mafiosi. Seit der Weltwirtschaftskrise hat die Mafia eine Schlüsselrolle im amerikanischen Künstlermanagement, im Bereich der Konzertveranstaltungen (besonders für schwarze Musiker) sowie bei der Pressung und der unabhängigen Distribution von Schallplatten gespielt. Wenn man in der Plattenbranche engen Umgang mit Männern wie Levy hat, bedeutet das, daß man einige ihrer Attribute übernimmt und etwas von ihrer Bedeutung auf einen abfärbt. Das bringt wesentlich mehr Status als zum Beispiel ein Magister in Betriebswirtschaft, der vielleicht sogar eher ein Hindernis ist. Walter Yetnikoff fand das schon am Anfang seiner Karriere heraus. Morris zufolge war »einer von Walters ersten Aufträgen bei CBS, 4 0 0 0 0 0 Dollar von mir einzutreiben. Damals war er noch jung. Er hat

sie eingetrieben. Damit begann sein Aufstieg bei CBS«. Walter entwickelte Sympathien für Morris und verbrachte viel Zeit auf dessen Gestüt. Er investierte Geld in ein irisches Rennpferd mit dem absonderlichen Namen Malinowski; es gehörte Morris und stand bei diesem im Stall. (Morris hat auch Anteile an Pferden an die Rockstars Billy Joel und Daryl Hall sowie an deren Manager verkauft.) Am Ende eines langen, kräftezehrenden Tages, an dem er sich am Telefon mit Anwälten

und

Managern

herumgestritten

hatte,

pflegte

Walter

Moishe anzurufen und ihm seine Sorgen zu beichten. Einmal verlangte Morris drei Dollar für »psychologische Beratung«. Walter schickte einen Scheck, den Levy sich rahmte und an die Wand hängte. Morris hielt Walter für den letzten der großen Typen, einen von seiner aussterbenden Art. »Walter könnte ein Neuanfang sein«, sagte er. »Neuanfang« war nicht ganz das richtige Wort. Walter war schließlich nur sechs Jahre jünger als Morris. Man muß sich ins Gedächtnis rufen, wie jung die amerikanische Plattenindustrie ist und wie rasch sie gewachsen ist. 1955 betrug der Gesamtumsatz der Branche ungefähr 2 7 7 Millionen Dollar. Seitdem sind die Einnahmen um mehr als 2 0 0 0 Prozent gestiegen, und die gegenwärtig wichtigsten Führungskräfte, Anwälte und Manager sind nicht einmal eine Generation jünger als die Gründer. Und sie unterscheiden sich auch nicht sonderlich von ihnen.

A

n einem Tag Anfang 1 9 8 7 hätte man die Büroräume von Roulette

Records im siebzehnten Stock von 1790 Broadway fälschlicher-

weise für die eines heruntergekommenen Wirtschaftsprüfungsunternehmens halten können, wenn nicht die goldenen Schallplatten und Rock-Poster an den Wänden gewesen wären. Gegenüber von Morris Levys überquellendem Schreibtisch stand ein altes Klavier. Ein Schild an der Wand trug die Aufschrift: o S O H N , D E R T A L E N T HAT!

MURR. S C H I C K M I R E I N E N H U N D F . -

Direkt darüber hatten FBI-Agenten, die sich

mitten in der Nacht in Levys Büro geschlichen halten, ein Loch gebohrt und ein Kugelmikrophon eingebaut. In der Decke waren zwei Löcher für versteckte Videokameras. Morris war guter Dinge, wenn

man bedachte, daß er im vergangenen September von zwei FBIAgenten in einem Hotelzimmer in Boston geschnappt und wegen Erpressung angeklagt worden war. Morris, der sich nie besonders schick anzog, trug Blue Jeans und ein altes Polohemd und haue einen Bart, der um einiges älter als drei Tage war. Er beugte sieh über den Tisch und begann, seine Geschichte zu erzählen. »Einen meiner ersten J o b s in einem Nachtclub hatte ich im Ubangi Club. Das war '43 oder '44. Ich war gerade sechzehn Jahre alt. Ich war Garderobenjunge. Danach arbeitete ich in der Dunkelkammer. Die Kameramädchen liefen immer in den Clubs rum und machten Blitzlichtfotos. Man war in einem Zimmer im rückwärtigen Teil des Clubs, bekam die Negative, entwickelte sie und hatte sie in fünfzehn Minuten für die Gäste parat. Vorher war ich Tellerwäscher und Koch gewesen. Ich arbeitete in einem Schnellimbiß namens Toby's, Ecke Einundfünfzigste Straße und Broadway. Die Jungs und Mädels aus der Garderobe vom Ubangi kamen immer auf einen Kaffee rein, und die haben mir davon erzählt. Also hab ich's mit der Garderobe und der Dunkelkammer versucht, eins führte zum anderen, und so läuft das ja irgendwie immer im Leben. Ich wurde richtig gut in der Dunkelkammer. Ich kam bei den Leuten voran, für die ich arbeitete, und wurde befördert; ich richtete im ganzen Land Dunkelkammern ein. Wir hatten die Rechte für viele Clubs. In Atlantic City gab es Babette's, die Dude Ranch, das Chateau Renault. In Philadelphia halten wir das Walton Roof, den Rathskeller und Frank Colombo's. In Newark das Hourglass; in Miami Läden wie den 6 0 0 Club, den Frolics Club, den 5 O'Clock Club. In New York selbst gab's wahrscheinlich zweihundert Nachtclubs. Man konnte an jedem Abend der Woche ausgehen und eine von hundert Bühnenshows oder Tanzkapellen sehen. Es war eine andere Welt. Mit siebzehn bin ich zur Navy gegangen. Ich war ein Jahr weg. '45 bin ich rausgekommen und hab wieder mit der Arbeit in der Dunkelkammer angefangen. Ich hab's in Atlantic City mit einer eigenen Konzession versucht und bin pleite gegangen. Dann ergab sich eine Gelegenheit. So ein Typ aus Boston hatte einen großen Laden namens Topsy's Chicken Roost am Broadway

aufgemacht, unter dem Latin Quarter. Und der wollte raus. Also hab ich meine alten Bosse dazu gebracht, ihm den Club ohne Anzahlung abzukaufen, und dafür hab ich ein kleines Stück vom Club und ein großes Stück von der Garderobe gekriegt. Bei uns gab's Hühnergerichte. Wir haben bis zu tausend Stück pro Abend verkauft, für einen Dollar neunundzwanzig. Und wir haben da einen kleinen Salon namens The Cock Lounge aufgemacht. Billy Taylor hat da gespielt, Sylvia Sims und andere in der Art. War 'n starker kleiner Laden. Anfang '48 kamen Syniphony Sid und Monte Kay zu uns, weil sie ein Bebop-Konzert geben wollten. Wir haben den Bebop an einem Montagabend ins Programm genommen, und die Leute standen Schlange bis zum nächsten Block. Wir hatten Dexter Gordon, Charlie Parker und Miles Davis. Sie spielten an zwei Abenden pro Woche, dann wurden es drei, dann sechs und sieben Abende pro Woche. Billy Eckstine hat da angefangen. Es war wirklich phantastisch. Wir wurden der Royal Roost, der erste Bebop-Club in der Stadt. Dann beschlossen die drei Partner, in einen größeren Laden umzuziehen. Sie gingen ins alte Zanzibar, in dem an die zwölfhundert Leute Platz halten, und machten Bop City auf. Und als sie rübergezogen sind, haben sich mich vergessen. Ich hatte das Gefühl, daß ich aufs Kreuz gelegt wurde. Ich blieb im Royal Roost und versuchte, den Laden weiterzuführen, aber er ging ein. Ungefähr drei Monate später kam Monte Kay zu mir, weil er einen Konkurrenzladen zum Bop City aufmachen wollte. Am 15. Dezember 1 9 4 9 eröffneten wir das Birdland Ecke Zweiundfünfzigste und Broadway. Aber wir stellten fest, daß Bop City so mächtig war, daß wir niemand kriegen konnten, außer wenn die ihn nicht haben wollten. Harry Belafonte hat für hundert pro Woche im Birdland gesungen. Aber wir hatten große Schwierigkeiten, genug Konzerte für den Club zusammenzubringen. Schließlich haben wir uns eine machiavellistische Aktion gegen Bop City ausgedacht. Jedesmal wenn wir uns für jemand interessierten, haben die ihn sich geholt. Also sind wir zu den großen Veranstaltern gegangen und haben gesagt, ihr habt da eine Band, die wir haben wollen: Arnos Milburn and his Chicken Shackers. Die nun

wirklich nicht in einen Jazzladen gehören. Wir suchten uns noch eine andere Band aus, die auf Tanzveranstaltungen in irgendwelchen Tabakscheunen spielte. Und sie sagten, wir melden uns wieder bei euch. Und weil wir versucht hatten, diese beiden Bands zu buchen, schnappten die sie sich und ließen sie im Bop City auftreten. Wir kriegten statt dessen Charlie Parker in die Hände. So haben wir denen den Laden sozusagen verstänkert und das Ansehen unseres Ladens enorm gesteigert. Von da an haben wir das Bop City fertiggemacht. Alle wollten im Birdland spielen.« Als nächstes entdeckte Morris das Verlagswesen. »Ich war eines Abends in meinem Klub, und da kommt ein Typ von der ASCAP rein [die amerikanische Vereinigung der Komponisten, Texter und Musikverleger, eine Gesellschaft zur Wahrung der Aufführungsrechte] und sagt, er will jeden Monat Geld. Ich dachte, er wäre von irgendeiner Bande und wollte mich erpressen. Ich wollte ihn rauswerfen. Und dann kam er zurück und sagte, er würde mich verklagen. Alach, daß du rauskommst, verdammt noch malWas ist das für ein Kerl? Der kommt immer wieder, und er will Geld.< Mein Anwalt sagt: >Lr hat das Recht dazu. Nach einem vom Kongreß verabschiedeten Gesetz müssen Sie zahlen, wenn Sie Musik spielen wollen.< Ich sagte: >Alle Welt m u ß bezahlen? Das ist ja ein Wahnsinnsgeschäft. Ich mache einen Musikverlag auf!Sie haben mir meinen Top-Act weggenommen und mein Label geschädigte >Herrje, George, das war mir gar nicht bewußt, tut mir leidRock and Roll ist nur eine Modeerscheinungleh möchte, daß Sie mein Manager werden.lch kriege fünfzig Prozent.* >ln Ordnung*, sagte er. Ungefähr fünf Tage später sagt der Manager von W I K S : >Moishe, wir haben ein Problem. Alan Freed ist jetzt eine Woche in der Stadl, und er hat sich schon zu hundertzwanzig Prozent verkauft!* Fr hatte viel Talent, aber er war auch ein bißchen verrückt.« Morris blieb trotzdem Freeds Manager. »Die ersten Shows, die ich mit Alan Freed machte, waren zwei Abende in der St. Nicholas Arena. Da gingen zu der Zeit sieben-, achttausend Leute rein, glaube ich. Er kündigte die Tanzabende sechs Wochen vorher viermal an, und es kamen 3 8 0 0 0 Dollar per Post. O mein Gott, sagte ich. Das ist ja irre. Tja, es waren zwei der größten Tanzveranstaltungen aller Zeiten. Es war so feucht, daß es von der Decke tropfte, wirklich wahr. Es regnete in der St. Nicholas Arena. Ohne Übertreibung.« Ermutigt buchte Morris das Brooklyn Paramount, ein großes Kino mit einer Bühne. Nach dem üblichen Arrangement behielt das Paramount die Hälfte der Einnahmen über 3 0 0 0 0 Dollar, garantierte den Veranstaltern jedoch ] 5 0 0 0 Dollar. Morris hatte andere Vorstellungen. Er verzichtete auf die Garantie und verlangte dafür einen stufenweise ansteigenden Anteil der Einnahmen, der bei der 60000-DollarMarke 90 Prozent erreichen würde. Da keine Show im Paramount jemals auch nur annähernd einen solchen Betrag eingebracht hatte, wurde sein Vorschlag angenommen. »Alan redete nicht mehr mit mir, weil er von den Leuten aufgehetzt worden war, ich hätte ihn durch meinen Verzicht auf die Garantie verschaukelt. Tatsächlich wettete ein großer Agent mit mir um eine Kiste Chivas, daß wir baden gehen würden. Wir machen also am ersten Abend auf, und draußen auf der Straße sind lange Schlangen, und der Andrang an der Tür ist so groß, daß wir den Film schon mal streichen. Alan und ich begegnen uns auf dem Flur. Ich sage: >Wie geht's, Alan?< Er schneidet eine Grimasse. Ich sage: >Hey, Alan, ich würde dir gern eine Frage stellen. Willst du deinen Anteil jetzt für zwanzigtausend verkaufen?* Er sagt: >Was meinst du? Machen wir * B e k a n n i e n von Freed zufolge w a r es wohl e h e r so, d a ß Morris d e m ursprünglichen Manager des DJs, Lew Plan, nahelegte, von der Bildfläche zu v e r s c h w i n d e n .

Gclcl?< Ich erklärte ihm, wieviel wir in der Woche einnehmen würden. Da hat er wieder mit mir geredet.« Als Morris Roulette Records gründete, beteiligte er Freed mit 25 Prozent. Freed verkaufte seine Anteile prompt an »ein paar vviseguys aus der Stadt«, sagte Morris und drückte dabei mit dem Zeigefinger auf die Nasenspitze, um anzudeuten, daß es sich um Ganoven handelte. Wer waren sie? »Das geht Sie nichts an. Ich schnappte mir Alan und sagte: >Gib mir meinen verdammten Anteil zurück. Hier ist dein Vertrag für die Shows, aber wir sind keine Partner mehr.lch helfe dir. Aber tu mir einen Gefallen. Geh nach Hause und rede mit niemandem * L'nd noch am selben Tag sah ich draußen auf der Straße die New York Post am Stand liegen, und da war ein großes Interview mit Alan Freed drin. Er hatte schon mit Earl Wilson gesprochen, dem Kolumnisten. Und ich rief ihn an und sagte: >Was zum Teufel hast du getan? Hast du gesehen, wie groß die Schlagzeile ist?< Sie hatten es genauso groß gebracht wie das Ende des Zweiten Weltkriegs.« Tatsächlich war Payola bis zu dem Skandal nicht illegal. Angestelltenbestechung war jedoch in New York ein Verbrechen, und dieses Gesetz wurde zu Freeds Verderben. Die Staatsanwaltschaft versuchte,

Roulette Records mit der gleichen Anklage dranzukriegen, haue j e doch kein Glück. »O ja, die haben alles mögliche versucht, um mir die Hölle heiß zu machen«, sagte Morris. »Sie haben ihre Spezialagenten in New York auf mich angesetzt, die haben mich bis aufs Blut schikaniert. Die Regierung kam und griff sich unsere Bücher. Ich kam vors Bundesgericht, und sie waren total angespitzt, weil in meinen Büchern stand, daß ich Alan Freed 2 0 0 0 0 Dollar Kredit gegeben hatte. Und der Staatsanwalt wollte beweisen, daß es für Payola war. Also, Alan war mal zu mir gekommen und hatte mich um 2 0 0 0 0 Dollar gebeten, die er für Steuern brauchte. Und ich gab sie ihm von Roulette, es war keine große Sache. Und am Ende des Jahres sagte ich zu meinem Rechnungsprüfer: >Nehmen Sie das aus den Büchern, das kriegen wir sowieso nicht mehr zurück.* Und dann hatten Alan und ich im Februar einen Streit. Also sagte ich zu meinem Rechnungsprüfer: »Nehmen Sie's wieder rein, ich werde den Scheißkerl zwingen, es zu bezahlen.* Dann, ungefähr vier Monate später, sagte ich: >Ach, nehmen Sie's raus, ich scheiß auf den Kerl.* Und so ist es im Hauptbuch drin, ungefähr fünf Mal, rein und raus und rein und raus. Der Staatsanwalt gibt also eine Erklärung ab, sehen Sie, das zeigt, wie Payola funktioniert, diese 2 0 0 0 0 Dollar. Und er holt mich in den Zeugenstand. Ich sage: >Nein, es ist kein Payola. Ich bin sauer geworden, hab mich wieder beruhigt, bin wieder sauer geworden und hab mich wieder beruhigt .* Er sagt: >Nein, es ist dafür, daß er Ihre Platten gespielt hat.* >Stimmt nicht*, sagte ich, >er hat meine Platten sowieso gespielt.* Am Ende hielt er eine Rede. >Das wird den Geschworenen zeigen, um weicht Summen es gehl und welche Ausmaße die Sache annimmt.* Und er sagt: >Sie dürfen gehen.* Und ich sage zu ihm: >lch habe etwas zu sagen.* >Sie dürfen gehen Lassen Sie ihn doch reden. Also, was ist?* Ich sagte: >Wissen Sie, wir haben hier gerade ordentlich über 2 0 0 0 0 Dollar rumgekaspert* - was damals eine Menge Geld war - >und wir hatten ein bißchen Spaß. Aber Sie haben nicht in Betrachi gezogen, daß Alan und ich Partner bei den Rock-and-Roll-Shows sind, und mit

denen machen wir jeder 2 5 0 0 0 0 Dollar pro Jahr. Es ist also wirklich keine große Sache, wenn einer von uns dem anderen zwanzig gibt.< Er wurde so sauer, daß er, jedes Wort betonend, sagte: >5ie... können ... jetzt... gehen .'Was ist mit denen, die bestanden haben?< Sie sieht mich an und sagt: >Levy, du bist ein Unruhestifter. Ich werde dich aus dieser Klasse * etwa »Bräute, B o u r b o n und Bestechung« ( A . d . O . ) ** eine Art »Organisationsstunde« in e i n e m dafür vorgesehenen R a u m , in d e m sich S c h ü l e r einer Altersstufe zu S c h u l b e g i n n treffen und unter Aufsicht einer Lehrkraft alle m ö g l i c h e n für den Schulalltag relevanten Dinge besprechen ( A . d . Ü . )

entfernen, und wenn ich dafür sorgen muß, daß deine Eltern keine Unterstützung mehr für dich kriegen.< Ich bin aufgestanden - ich war ein großes Kind -, hab ihr die Perücke abgenommen, ihr ein Faß Tinte über die Glatze gekippt und ihr das Haarteil wieder auf den verdammten Kopf gesetzt. Bin rausgegangen und hab gesagt, zum Teufel mit der Schule. Danach bin ich eigentlich nie wieder zur Schule gegangen. Das Jugendgericht hat mich zu acht Jahren [Erziehungsheim] verurteilt. Und wenn am Monatsersten der Scheck von der Jugendwohlfahrt kam, hab ich ihn immer an den Staat oder die Stadt oder wen auch immer zurückgeschickt. So was kann eine Lehrerin einem antun. Dieses Rabenaas hatte keinen Funken Menschlichkeil.« Miss Cläre hatte das Falsche gesagt. Morris schämte sich zutiefst dafür, daß er von der Jugendwohlfahrt unterstützt wurde, obwohl er jedes Recht darauf hatte. Sein Vater und sein ältester Bruder waren schon in seiner frühen Kindheit an Lungenentzündung gestorben. Nachdem sein mittlerer Bruder Irving zur Navy gegangen war, lebte er allein mit seiner Mutter in einer Mietswohnung in der Bronx. Sie arbeitete als Putzfrau und litt unter hohem Blutdruck und Diabetes und wurde einmal von so schlimmem Wundstarrkrampf befallen, daß ihr die Schneidezähne ausgebrochen werden mußten, damit sie etwas zu sich nehmen konnte. »Diese Lady hat alle Krankheiten der Welt auf einmal gekriegt«, seufzte Morris. Für die Armut in seiner Kindheit wurde Morris entschädigt, aber das Gesetz der Straße und die damit einhergehende Arroganz schüttelte er nie mehr ab. So sah er zum Beispiel nichts Falsches darin, die Songs anderer Leute unter seinem Namen herauszubringen, damit er sowohl die Autoren- als auch die Verlagstantiemen einstreichen konnte. Als Ritchie Cordell für Tommy James and the Shondells, Roulettes größten Act der Sechziger, »Its Only Love« geschrieben hatte, sagte er, Morris habe ihm »das Demo kaputt zurückgegeben und mir erklärt, wenn sein Name nicht draufstünde, würde der Song nicht veröffentlicht«. Morris war nicht der einzige, der dies für sein gutes Recht hielt. »Er ist zu allem berechtigt«, sagte Hy Weiss, der zusammen mit Morris in

der East Bronx aufgewachsen war und als Gründer des Old-TownLabels ebenfalls ein Rock-and-Roll-Pionier wurde. »Was waren denn diese Penner von der Straße?« Und Weiss sah auch nichts Falsches an der Praxis, einem Künstler einen Cadillac statt seiner Tantiemen zu geben. »Na und, das haben die doch gewollt. Man mußte Kredit haben, um den Cadillac zu kaufen.« Kein noch so bedeutender Künstler war vor Morris Levy sicher. John Lennon fand das heraus. Lennons letztes Album mit den Beatles enthielt den Song »Come Together«, der ähnlich klang wie Chuck Berrys »You Can't Catch Me«, wofür Levy das Copyright besaß. Morris klagte, gab jedoch nach, als Lennon eine gütliche Einigung vorschlug: Sein nächstes Soloalbum sollte eine Sammlung von Oldies werden, darunter drei Songs, an denen Levy die Rechte besaß. Die Aufnahmen begannen Ende 1973, aber das Projekt kam nicht recht voran. Morris interpretierte die Verzögerung als Bruch ihrer Vereinbarung. Er aß mit Lennon zu Abend, und dieser versprach ihm, das Oldies-Album fertigzustellen. Morris ließ Lennon in Sunnyview proben, seinem Gestüt in Upstate New York, und fuhr mit ihm und seinem elfjährigen Sohn Julian zu Disney World. Er bat Lennon, ihm das noch nicht abgemischte Band mit den Songs zu leihen, die er auf das Album nehmen wollte - nur um sie sich anzuhören. Dann veröffentlichte er die Songs als TV-Mailorder-LP unter dem Titel Roots. Ein neuer Rechtsstreit schloßsich an, aber Lennon gewann, und Roots wurde vom Markt genommen. Morris ist auch zusammen mit Frankie Lymon als Autor des Hits »Why Do Fools Fall in Love?« und anderer Songs aufgeführt, die er nicht geschrieben hat. 1 9 8 4 wurde er von Lymons Witwe Emira F.agle auf ausstehende Tantiemen verklagt und mußte unter Eid darlegen, in welcher Weise er beim Schreiben der Songs mitgewirkt hatte. »Man trifft sich, legt einen Rhythmus hin und bastelt die Musik und den Text zusammen«, sagte er aus. »Ich glaube, ich würde Sie in die Irre führen, wenn ich behaupten würde, ich hätte die Songs richtiggehend geschrieben, wie Chopin.« Ob Morris Künstler nun ausnutzte oder nicht - er selbst ließ sich niemals von anderen ausnutzen. »Wenn man ihn übers Ohr haut«,

sagte ein früherer Freund, »rächt er sich immer.« Morris war für seine eigene Art von Wildwestjustiz bekannt. »Wenn man bedenkt, woher wir kommen«, sagte Fly Weiss, »darf man sich nicht wundern, wozu wir fähig waren.« Weiss behauptete, er habe einmal einen Mann aus dem Fenster gehängt, um einen geschäftlichen Streit zu beenden. Fin anderes Mal, sagte Weiss, seien Morris und er mit einem Baseballschläger nach Rockaway, New York, gefahren, »um ein Werk aufzumischen, das Raubkopien von unseren Platten preßte«. Morris konnte gewalttätig werden, wenn er provoziert wurde. Das stellte er am Abend des 26. Februar 1975 unter Beweis. Er, Pater Louis Gigante (der Bruder vom »Kinn«, ein Priester aus der Bronx), der Roulette-Mitarbeiter Nathan McCalla und eine Freundin von Levy namens Chrissie verließen gerade Jimmy Weston's, einen Jazzclub in Manhattan. Drei Fremde kamen auf Chrissie zu, und einer von ihnen sprach sie an und versuchte, mit ihr zu flirten. Morris nahm Anstoß daran, und es kam zu einer Schlägerei. Wie sich herausstellte, waren zwei der Männer Polizisten in Zivil. McCalla hielt Lieutenant Charles Heinz die Hände fest, während Morris ihm ins Gesicht schlug, was Heinz das linke Auge kostete. Morris und McCalla wurden wegen Körperverletzung angeklagt, aber ihr Fall wurde unerklärlicherweise niedergeschlagen, bevor es zum Prozeß kam. Heinz reichte eine Zivilklage ein, die außergerichtlich beigelegt wurde. »Morris hat zu mir gesagt: >Louie, ich wußte nicht, daß der Cop verletzt warIch hab mich einfach mit ihm geprügelt.*« Nate McCalla galt allgemein als Morris' »Mann fürs Grobe«, bis er in den späten Siebzigern verschwand. 1 9 8 0 fand man seine Leiche. McCalla, ein ehemaliger Fallschirmjäger, war über eins achtzig groß und wog um die 115 Kilo. Morris hatte einen solchen Narren an Nate gefressen, daß er ihm sein eigenes Platlenlabel namens Calla gab, auf dem die Soulsänger Bettye Lavette und J . J . J a c k s o n erschienen. Morris gab ihm auch einen Musikverlag, den McCalla, ein Schwarzer aus Piariem, JAMF nannte - für Jive-Ass Mother Fucker. »Wenn ich Nate beschreiben sollte, fiele mir sofort der Song >Bad, Bad Leroy Brown* ein«, sagte ein Anwalt, der für McCalla arbeitete.

»Er hatte Hände wie Baseball-Handschuhe. Aber er war so sanftmütig wie eine Deutsche Dogge.« Meistens jedenfalls. Einmal, Mitte der siebziger Jahre, ging McCalla in Skippy White's, einen Plauenladen in Boston, um überfällige Schulden einzutreiben. »Nate halte eine mittelalterliche Keule an einer Kette dabei und klatschte sich damit in die Hand«, erklärte ein Augenzeuge. »Er sagte: >Wo ist der Boß?< Der Boß stellte sofort einen Scheck aus.« Obwohl nicht bekannt ist, weshalb McCalla ermordet wurde, glauben Ermittler von der Mordkommission in Washington, D.C., ein paar Hinweise zu haben. 1 9 7 7 fand auf der Take It Easy Ranch an der Ostküste von Maryland ein Rockkonzert statt. Es wurde von dem Washingtoner Discjockey Bob »Nighthawk« Terry gesponsert, aber die Beamten glauben, daß die Genovese-Familie finanziell daran beteiligt war. Einem Polizeibericht zufolge fälschten zwei Männer Theodore Brown und Howard McNair - Eintrittskarten, und das Konzert war ein Verlustgeschäft. Brown und McNair wurden erschossen. Terry verschwand, und seine Leiche ist nie gefunden worden. McCalla, dessen Spur das EB1 bis zum Ort des Konzerts verfolgt hat, verschwand kurz darauf. 1 9 8 0 tauchte er in einem gemieteten Haus in Fort Lauderdale wieder auf. Er hatte eine Schußwunde im Hinterkopf, und sein Schädel war buchstäblich explodiert. Die Polizei fand ihn im Lehnsessel vor dem eingeschalteten Fernseher. Die Hintertür stand offen, und der Schlüssel steckte. McCalla war mindestens schon eine Woche tot und stark verwest, ein Prozeß, den jemand beschleunigt hatte, indem er die Fenster zugemacht und die Heizung aufgedreht hatte. Niemand wurde jemals wegen Mordverdachts verhaftet. Kurz vor dem Mord sah ein Nachbar einen bärtigen, stämmigen fremden Weißen in einem Blazer bei McCalla vorfahren. Was danach geschehen war, wußte der Zeuge nicht.

A

m 29. Oktober 1 9 7 3 feierte die Musikabteilung des United Jewish

Appeal Morris als Mann des Jahres. Das Ehrenbankett fand im

New York Hilton statt, und eintausenddreihundert Gäste erschienen,

um ihren »Moishe« mit Liebe zu überschütten. Die Menge war ein VVho's Who der Plattenbranche. Die Gäste taten sich an Roastbeef gütlich und hörten sich die Bands von Harry James und Tito Puente an. Sie sangen »Hatikvah« und »The Star-Spangled Banner«. Iis wurde getanzt. F.ine Reihe von Saxophonisten machte synchronisierte swan dips; ein Sopran schmetterte »I Doni Want to Walk Without You, Baby«. Reden wurden gehalten. »Dieser Mann ist schön«, schwärmte der UJA-Funktionär Herb Goldfarb, als er Morris vorstellte. Pater Gigante umarmte Morris und beschrieb ihn als »einen ungeschliffenen Diamanten«. Dann gab es wieder Musik. Ein Kalb mit einer Blumengirlande wurde in einer hölzernen Krippe auf den Tanzboden gefahren. Es begann klagend zu muhen. »Herr im Himmel!« entfuhr es J o e Smith, dem ehemaligen Discjockey aus Boston, der zum Lieblingsconferencier der Branche geworden war. Zu diesem Zeitpunkt war er Chef von Elektra Records. »Ich bin Präsident einer großen Plattenfirma. Und ich soll nach einer Kuh drankommen, Herrgott noch mal. Der Priester [Gigantel läßt diesen mi-cora^on-Mist vom Stapel, und jetzt folge ich auch noch auf eine Kuh.« Morris hatte persönlich darum gebeten, daß Smith die Begrüßungsansprache hielt. Smith ließ den Blick über das Podium schweifen, das er vorstellen sollte, und sah die meisten überlebenden Typen aus Morris' Generation und ein paar ihrer Witwen. »Heute abend vor Sie hinzutreten, um Morris Levy zu ehren sowie diese Leute hier oben vorzustellen und etwas Schmeichelhaftes über sie zu sagen«, begann Smith, »ist die schwierigste Aufgabe, vor der ich jemals gestanden h a b e . . . Sie unterscheiden sich in bezug auf ihren Stil, ihre Persönlichkeit und ihre Einstellung zum Geschalt. Aber zwei Dinge haben all diese Ladies und Gent lernen auf dem Podium gemein: Sie haben jedermann betrogen, wann immer sie konnten. Und sie sind die größten Nervensägen, mit denen man es zu tun haben kann

Eins will ich Ihnen sagen, bei dieser

Gruppe von 1 Ialsabschneidern auf dem Podium wäre jeder von Ihnen heute abend im Central Park sicherer aufgehoben als im Ballsaal des Hilton.«

Dafür erntete er schallendes Gelächter, aber er schien bestürzt zu sein. »Morris lacht sich nicht gerade kaputt«, sagte er. »Ich glaube, ich gehe gleich weiter und bleibe nicht zu lange bei diesem Thema.« »Adieu, Joey!« rief eine Stimme vom Podium. »Das war's, hm?« erwiderte Smith. »Ich hab schon gesagt, entweder bin ich heute abend ein Knaller oder ich werde morgen früh abgeknallt, das eine oder das andere.« »Du hast es ja so gewollt!« Smith wandte seine Aufmerksamkeit I ly Weiss zu, Morris' altem Kumpel aus dem Viertel, der in der letzten Reihe saß. »Tut mir leid wegen der Sitzordnung«, sagte er. »Hymie hat keinen Platz am Tisch gekriegt, sondern ist für Zimmer .328 eingeteilt worden, wo er die Nutten für die Party hinterher organisiert.« Es gab Gelächter und Applaus. »Ich muß Ihnen sagen, daß Hymie Weiss nicht nur eine führende Persönlichkeit der Plattenbranche ist, sondern auch den berühmten Fünfzig-Dollar-Handschlag mit Discjockeys erfunden hat. Heute abend hat er mich wie immer begrüßt und mir einen Fünfziger zugesteckt. Und ich hab ihm erklärt, daß ich schon seil fünfzehn Jahren nicht mehr als DJ arbeite, Herrgott noch mal.« (Weiss leugnete die Sache mit dem »Handschlag« nicht; er war sogar stolz darauf. Später prahlte er: »Ich war der Payola-König von New York. Payola war einsame Spitze. Man brauchte nicht mit jemandem zum Abendessen zu gehen und ihm in den Arsch zu kriechen. Man hat ihn einfach bezahlt - da ist das Geld, spiel die Platte, und ansonsten kannst du mich mal.«) Smith fuhr fort, die Leute auf dem Podium vorzustellen. »Art Talmadge ist Präsident von Musicor. Begann seine Laulbahn 1947 bei Mercury Records, wo er das Absahnen lernte, und ging dann zu [United Artists], die er ordentlich erleichterte. Sie fanden raus, wo das Leck w a r . . . Und jetzt kommen wir zu einem der Großen. Cy Leslie, Chairman des Board von Pickwick. Ganz großer Abstauberverein. Die würden sogar das Festbankett heute abend umverpacken und weiterverkaufen.

Ein weiterer Repräsentant einer großen Tradition und ein berühmter Name in der Branche ist Elliot Blaine . . . Er und sein Bruder Jerry . . . gründeten 1 9 4 7 Cosnat Distributing und Jubilee Records und führten die vierfache Buchführung ein - mit vier getrennten Büchersätzen... Die Burschen brauchten zehn Jahre, um rauszufinden, daß sie einander übers Ohr hauten, mit dem Vertrieb und mit Jubilee... Mike Stewart, Präsident von United Arlists Records, ein ehemaliger Schauspieler - ein schlechter Schauspieler. Hat vier Kleiderständer aus Kanada gefunden, die Four Lads, und sie bis zum geht nicht mehr gemolken. Jetzt sitzt er in einem großen Haus in Beverly Hills, und sie spielen heute abend bei einer italienischen I lochzeit im Village . . . « Smith hob sich Morris bis zuletzt auf. »Ich nutze diese Gelegenheit, um meine persönlichen besten Wünsche auch Moishe auszusprechen, einem Mann, den ich seit vielen Jahren kenne und bewundere und dessen Gesellschaft ich genieße. Gerade habe ich von zweien seiner Freunde an der Westküste die Nachricht erhalten, daß meine Frau und die beiden Kinder freigelassen worden sind!« Brüllendes Gelächter.

F

ünfzehn Jahre nach dem UJA-Dinner, 1988, wurde Moishe Levy in zwei Punkten der Verabredung zur Erpressung für schuldig

befunden. Aber die Musikindustrie wandte sich nicht von ihm ab. Vor seiner Verurteilung bat Morris die Chefs der sechs größten Plattenfirmen um Empfehlungsschreiben, die er dem Bewährungsausschuß und dem Vorsitzenden Richter, Stanley Brotman, vorlegen wollte. Und er erhielt sie auch. Bruce Repetto, der stellvertretende Staatsanwalt aus Newark, der Morris festgenagelt hatte, setzte den Briefen unbewiesene Behauptungen entgegen, die nicht im Prozeß selbst

vorgebracht worden waren, daß Roulette eine Zwischenstation im Heroinhandel gewesen sei. Brotman sah über diese Drogengeschichlen hinweg, verdonnerte Morris aber trotzdem zu zehn Jahren. Der Fall hatte völlig harmlos begonnen. 1 9 8 4 beschloß MCA, 4,7 Millionen vom Markt genommene Platten abzustoßen, darunter

alte Hits von Elton J o h n , den Who, Neil Diamond und Olivia Newton-John. Morris war in seiner Glanzzeit der größte ResteplattenGroßhändler aller Zeiten gewesen. MCA verlangte 1,25 Millionen Dollar für die Ware, die sich auf sechzig Lastwagenladungen belief. Morris unterschrieb den Kaufvertrag und leitete die Platten an John LaMonte weiter, der mit einer Firma namens Out of the l'ast, die in Philadelphia saß, im Cutoul-Handel war. Zufällig war LaMonte ein verurteilter Raubpresser. Oberflächlich sah es wie ein simples Geschäft aus, aber das war es nicht. Eine Reihe angeblicher Mafiosi, darunter auch Morris' alter Kumpel Gaetano »der Riese« Vastola, waren an dem Geschäft beteiligt; sie rechneten damit, einen großen Reibach zu machen, bis zu hundert Riesen pro Person. Das sagten sie jedenfalls in Gesprächen, die heimlich vom FBI abgehört wurden. Es kam nie heraus, wie sie diesen Reibach machen wollten, weil das Geschäft ins Wasser fiel. Und als das geschah, kam es zu Gewalttätigkeiten und einem Erpressungskomplott. Obwohl Vastola ein Schläger ohne ersichtliche musikalische Fähigkeiten war, hatte er etliche Jahre Erfahrung im Musikgeschäft. Das lag zum Teil an seiner Verbindung zu Morris. In den fünfziger Jahren hatte Vastola häufig in Alan Freeds Büro im Brill Building herumgehangen, möglicherweise, um Freed für Morris im Auge zu behalten. Vastola hatte ein paar frühe Rockgruppen gemanagt, darunter die Cleftones, und war anscheinend an Frankie Lymon and the Teenagers beteiligt. Und er war Miteigentümer von Queens Booking, in den sechziger Jahren eine große Agentur hauptsächlich für schwarze Künstler. Ein Klient von Queens Booking, dem Vastola auch mit einem Gestüt das Geld aus der Tasche gezogen hatte, war Sammy Davis, Jr. Unter normalen Umständen hätte das FBI nichts von Morris' Geschäften mit Vastola bemerkt. Aber er hatte Pech. Andere Mitglieder von Vastolas Mannschaft hatten die Finger im Drogengeschäft und im Glücksspiel, und das FBI bekam die richterliche Genehmigung, die Gespräche der Verdächtigen abzuhören. Als sich die Spulen auf den Tonbandgeräten des 1B1 zu drehen begannen, erwachte im Büro

des Staatsanwalts in Newark die Neugier auf dieses Geschäft mit den Resteplatten von MCA. Morris hatte auch Pech mit der Wahl von J o h n LaMonte als Empfänger der Platten. LaMonte erwies sich als Nassauer. Seine Weigerung, Morris für die Platten zu bezahlen - er sagte, sie seien allesamt wertlose Ausschußware und entsprächen nicht dem, was er bestellt habe -, machte die Pläne aller Beteiligten zunichte. Es würde keinen großen Reibach geben, wenn LaMonte nicht dazu gebracht werden konnte zu zahlen. Vastola, der LaMonte zusammen mit Morris ausgesucht hatte, war wütend. »Moishe, Moishe«, hörte das FBI ihn sagen, »du wußtest, daß dieser Kerl ein Arschloch war, bevor du den Deal gemacht hast, stimmt's?« »Ganz recht«, sagte Morris. »Warum hast du den Deal dann mit ihm gemacht?« Weil er geglaubt habe, erklärte Morris, LaMonte sei »ein kontrollierba res Arsc h 1 och «. Vastola, der Mann, der »einen Menschen mit bloßen Händen in Stücke reißen konnte«, begann zu schwitzen. Augenscheinlich mußte er sich höheren Chargen in der Mafiahierarchie gegenüber verantworten. Bei einem Telefongespräch mit seinem Cousin Sonny Brocco, einem Mitverschwörer, machte er sich Sorgen darüber, »was sie mit mir machen werden . . . die und das >KinnOhren< hatte.« Clive arbeitete hart daran, wie er es immer tat, und es gelang ihm mit der Zeit, die Plattenindustrie davon zu überzeugen, daß er vom gleichen Kaliber war wie Gordy und Ertegun und Goddard Lieberson. Vergleiche waren unvermeidlich. Lieberson schaffte es, Stil zu zeigen, ohne dabei eitel zu wirken; Clive wirkte eitel. Zuerst ahmte er Goddard mit teuren Anzügen und eleganten Einstecktüchern nach. Als er CBS Records auf den Weg zum Rock brachte, zog er

Nehru-Jacken und andere »modische« Sachen an. Das hätte noch alberner gewirkt, aber Clive war erst in den Dreißigern und sah jünger aus. Er hatte ein jungenhaftes Gesicht, das manche als engelhaft bezeichneten.

Goddard sprach selbstverständlich

mit britischem

Akzent; schließlich hatte er seine ersten vier Lebensjahre in England verbracht. Bei Clive klang ebenfalls ein bißchen Oxford durch, obwohl niemand wußte warum, da er aus einem kleinbürgerlichen jüdischen Viertel in Brooklyn stammte. Es steht außer Frage, daß Clive Davis »Ohren« bekam, und es läßt sich ebensowenig bestreiten, daß CBS Records unter seiner Leitung zu einer Supermacht des Rock wurde. Wenn er sich damit begnügt hätte, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen, hätte er sowohl die Zuneigung der Branche als auch ihren Respekt gewonnen, denn es sprach einiges für ihn. Clive machte seine Arbeit mit großem Engagement. Als er Vertrauen in seine kreativen Instinkte entwickelt hatte, scheute er sich nicht, einem berühmten Künstler zu sagen, daß ein Song noch einmal aufgenommen werden müsse oder daß seine neue Platte nicht sehr gut sei. Er kannte jedes Detail der Geschäfte von CBS Records, bis hin zu den täglichen Verkaufszahlen. Clive spornte seine Leute an, hart zu arbeiten, und er war ein guter Lehrer. Einer seiner jungen Assistenten, Alvin Teller, der später Präsident eines Labels wurde, erinnert sich immer noch daran, wie Clive seinen J o b definierte: »Du mußt einfach nur lernen.« Aber Clive schaffte es nicht, die Loyalität seiner Mitarbeiter zu gewinnen. Das Unternehmen erstickte schlichtweg an seinem aufgeblähten Selbstbewußtsein. Niemand in der Plattenbranche hat je so sehr damit gegeizt wie er, seine Verdienste mit anderen zu teilen. Seine Autobiographie aus dem Jahr 1975 (Clive: Inside the Record Business) erweckt den Eindruck, als habe er und nur er allein jeden großen PopAct von CBS Records während seiner achtjährigen Regentschaft unter Vertrag genommen, geformt und vermarktet. Das trug ihm nicht gerade die Liebe seiner Mitarbeiter ein. »Dieses Ego war unerträglich. Jedes Wort von Clive war genial«, sagte J a c k Craigo, Clives Vertriebsleiter. CBS Records war viel zu groß für eine Einmann-Show, wie es zum Beispiel Motown in den

sechziger Jahren war, und das schien aller Welt klar zu sein - bis auf Clive Davis. J o e Smith erntete einen guten Lacher, als er ihn auf einer Tagung vorstellte. »Ich will Ihnen die offizielle Biographie vorlesen«, erinnerte sich Smith an seine Worte. »Clive wurde in einer Kl ippe in Bethlehem geboren . . . « Er wurde mit der Zeit nicht bescheidener. Ein enger Mitarbeiter witzelte vor nicht allzulanger Zeil, Davis habe geglaubt, man habe die CD nach ihm benannt. Wo immer sein Akzent geblieben sein mochte, Clive behauptete, Brooklyn habe ihn »steinhart« gemacht und ihm nicht nur »Kampfgeist« vermittelt, sondern auch »die Vorstellung, daß Würde und Fairness mit einer klaren Definition der eigenen Maßstäbe verbunden sein müssen«. Er kam aus Crown Heights, einer kleinen Gemeinde in der Nähe des Eastern Parkway, mit Erinnerungen an das Baseballstadion Ebbets Field, den Süßwarenladen an der Ecke und samstägliche Doppelprogramme im Kino. Clives Vater Herman war selbständiger Elektriker; später verkaufte er als Hausierer Hemden und Krawatten. Seine Mutter Florence beschrieb er als »eine dunkelhaarige, gesellige, temperamentvolle Schönheit«. Clive war ein klassischer Erfolgsmensch. 1 9 5 3 ging er mit einem Vollstipendium auf die New York University und wurde Sprecher seiner Erstsemesterklasse und des Studentenrates. Er graduierte magna cum laude und wechselte mit einem weiteren Vollstipendium zur Harvard Law School. Clive halte keine Zeil für Musik, obwohl er Broadway-Songs liebte. Rock and Roll interessierte ihn nicht. Nachdem er 1 9 5 6 seinen Harvard-Abschluß gemacht hatte, trat er mit einem Jahresgehalt von 4 5 0 0 Dollar in eine kleine New Yorker Anwaltsfirma ein. Zwei Jahre später ging er zu einer großen, alten und konservativen Firma, Rosenman, Colin, Kaye, Petschek and Freund. Sam Rosenman war juristischer Berater von Franklin Roosevelt und 1 Iarry Truman; zu Ralph Colins Klienten gehörten William Paley und CBS. Der J o b entsprach jedoch nicht Clives Erwartungen. Er halte nichts dagegen, fünfzig Stunden pro Woche zu arbeiten, aber es paßte ihm nicht, daß Rosenman und Colin die meisten Klienten anschleppten und die jungen Kollegen ihnen nur zuarbeiten mußten. Clive hatte

sich nicht durch das Jurastudium in Harvard gequält, um jemandem die Aktentasche ins Gericht zu tragen. 1960 merkte er eines Tages auf dem Weg ins Büro, daß er mit den Tränen kämpfte. F.r begann, ein Jobangebot von I Iarvey Schein zu erwägen, einem ehemaligen Kollegen bei Rosenman. Dieser war Hausjurist bei Columbia Records und würde bald CBS Records International gründen. Schein wollte Clive als Assistenten dabeihaben. Ralph Colin riet Clive davon ab. Lr sagte ihm ganz offen seine Meinung, nämlich daß er mit seinem Elite studium nicht in eine so anrüchige Branche paßte. Clive Davis überlegte sich die Sache noch eine Weile und ging dann zu Columbia. Er war achtundzwanzig Jahre alt. Einer seiner ersten Aufträge bestand darin, Bob Dylan bei dem Label zu halten. Als J o h n Hammond ihn unter Vertrag genommen hatte, war Dylan zwanzig Jahre alt und nach dem Vertragsrecht des Staates New York noch minderjährig gewesen. Der Folksänger hatte gesagt, er habe keine Eltern, die mitunterzeichnen könnten, was aber nicht der Wahrheit entsprach. Nachdem sein erstes Album wie eine Bombe eingeschlagen hatte, schickte Dylan Columbia einen Brief und erklärte seinen Vertrag für null und nichtig. Hammond, der noch nie von einem Künstler aufs Kreuz gelegt worden war, zeigte Davis den Brief. Clive fragte, ob Dylan das CBS-Studio benutzt habe, nachdem er einundzwanzig geworden sei. Sechs oder sieben Mal, antwortete Hammond. In diesem Fall, sagte Clive, habe Dylan seinen Vertrag bestätigt. Dylan mußte seinen Brief zurückziehen. Ein Jahr später hatte Clive einen Zusammenstoß mit Dylan wegen dessen Song »Talkin'John Birch Society Blues«. Columbia wollte ihn nicht aufnehmen, weil er die ultrarechten Birch-Leute mit Nazis gleichsetzte, und das hielt man für verleumderisch. Clive mußte Dylan die Nachricht überbringen, und dieser nahm sie sehr schlecht aul. Clive, der nicht den Anschein erwecken wollte, intolerant zu sein, überhäufte Dylan mit Geschichten darüber, daß er in den fünfziger Jahren für den damaligen

demokratischen

Präsidentschaftskandidaten Adlai

Stevenson gearbeitet habe und in Harvard ein Radikaler gewesen sei. »Bullshit!« sagte Dylan und marschierte hinaus. Goddard Lieberson wurde beinahe sofort auf Clive aufmerksam. Lr

mochte Anwälte. Seine Nummer zwei, Norman Adler, war ein ehemaliger Hausjurist. Goddard sah zu, wie Clive in den lürbogang schaliele, als die Federal Trade Commission den Columbia Record Club nach den Antitrust-Gesetzen verklagte (CBS gewann den Prozeß). Clive entwarf Verträge für Broadway-Shows und ging mit Goddard zu den Premieren. Er arbeitete auch am Wochenende und sorgte dafür, daß Goddard es erfuhr. Er nahm Abendkurse im Antitrust- und Copyright-Recht. Als Harvey Schein zu International ging und der Leiter der Rechtsabteilung von CBS versuchte, Scheins J o b jemand anderem zu geben, sagte Goddard nein, er wolle Clive Davis. Clive hatte großen Respekt vor Goddard; er bewunderte seine Eleganz und den Personenkult um ihn. Bis zum heutigen Tag kann Clive Goddards Garderobe bis ins Detail beschreiben. Clive staunte über die Art, wie Goddard das Unternehmen nach seinem Lebensstil zurechtbog, was bei Bill Paleys CBS sonst keiner durfte. Goddard war privilegiert, weil er sich in den gleichen glamourösen Kreisen bewegte wie Paley. Clive konnte nicht nah genug an Goddard herankommen; das gelang niemandem. Lieberson war ein unnahbarer Chef, dem nichts am Aufbau eines Teams lag. Er spielte die Leute gern gegeneinander aus, bemerkte Clive, »so daß er sich zurücklehnen und sich ausruhen konnte, während seine Untergebenen um Positionen und Macht rangelten«. Das sollte sich für den »steinharten« Clive mit seinem »Kampfgeist« noch als äußerst vorteilhaft erweisen. Bill Gallagher, der Marketing-Manager mit dem Spitznamen »der Papst«, halle sich ein Team aufgebaut, und zwar ein großes, loyales Team. Er halte das Vertriebsnetz ersonnen, das sich vollständig im Besitz des Labels befand, und ein riesiger Außendienst, den es vorher nicht gegeben hatte, schuldete ihm Treue. Das verlieh Gallagher Einfluß auf seinen eigenen Boß, Norman Adler. Trotzdem: Marketing war nicht alles. Columbias Lebensnerv war A & R , und A & R unterstand direkt Goddard Lieberson. Im Augenblick jedenfalls. In dieser Phase der amerikanischen Unternehmensgeschichte, den sogenannten »go-go years«, den Jahren des rasanten Wachstums, war es Mode, kleinere Firmen zu schlucken, deren Produkte wenig oder nichts mit den eigenen zu tun hatten.

Später sollte sieh zeigen, daß dies im Grunde eine dumme Idee war. In seinem Bestreben, ein Imperium zu errichten, drängte Paley die verschiedenen Bereiche von CBS, nach Übernahmezielen Ausschau zu hallen. Columbia Records übernahm Fender Guilars und Creative Playthings, ein Unternehmen, das pädagogisches Spielzeug herstellte. Bald sollte das Label auch unter die Schlagzeug- und Lautsprecherhersteller gehen. Diese Erzeugnisse hatten eher in der Theorie als in der Realität etwas mit Schallplatten zu tun. Columbia wurde schwerfällig, und man holte sich Berater von der Harvard Business School, um das Problem zu lösen. Als sie ihre Stifte niederlegten, hatten sie einen Rat, mit dem Lieberson nicht gerechnet hatte: Man solle die Marketing-Abteilung und A & R zusammenlegen. Bei Columbia brodelte es. Goddard halte nicht die Absicht, Artisis and Repertoire Norman Adler zu überlassen - immerhin ein Jurist. Statt dessen übergab er Bill Gallagher die A&R-Abteilung von Columbia und Len Levy, dem Generalmanager von F.pic, die A&RAbteilung dieses Labels. Sie waren Adlers Leute, aber über die Entscheidungen von A & R würden sie von nun an dem Präsidenten Bericht erstatten. Teile und herrsche. Das war Lieberson in Reinkultur. Er hatte sich nach der Harvard-Studie gerichtet und gleichzeitig Adler im Regen stehen lassen. Eine Woche später, im Juni 1 9 6 5 , rief Goddard Clive Davis in die Chefetage. Er kam sofort zur Sache. Ob Clive den neuen Posten des Verwaltungsdirektors annehmen würde? Er bekäme doppeltes Gehalt und würde Adler rangmäßig gleichgestellt. Er solle Gallagher und Levy in jeder Hinsicht - auch in Sachen A & R - beaufsichtigen. Das brauchte man Clive nicht zweimal zu fragen. »Ich war sprachlos«, schrieb er. »Auf einmal halle ich den J o b , den jeder haben wollte.« Er war dreiunddreißig. Bill Gallagher war ebenfalls sprachlos. Es war der Beginn eines zweijährigen Machtkampfs zwischen ihm und Clive. Wenn Gallagher erkannt hätte, was für einen ehrgeizigen Gegner er in Clive Davis hatte, wäre er vielleicht gleich von seinem Posten zurückgetreten und hätte sich die ganze Quälerei erspart. Lieberson wiederum hatte keine Ahnung, daß Clive Davis A&R-Aspirationen hatte. Goddard hatte ihm den J o b nur gegeben, wie Davis später gestand, weil er »einen

Puffer zwischen sich und all den Leuten unter ihm brauchte. Er wollte sich nicht mit zu vielen unangenehmen, unerfreulichen Dingen und zu vielen Details abgeben. Er war ja auch häufig im Ausland«. Clive Davis mag für viele Rollen geeignet gewesen sein, aber die eines Puffers gehörte nicht dazu. Innerhalb von ein paar Jahren würde er seinen Mentor beiseiteschieben, so daß Goddard nur noch dem Namen nach Chef von CBS Records war. Clive gestand mit einem kleinen Lächeln: »Ich glaube, er hat sich nicht träumen lassen, daß der J o b , den er mir ursprünglich gab, sich dann auf diese Weise entwickelte.« Clives Titel war in der Tat mehrdeutig, und das war auch so beabsichtigt. Jedesmal, wenn Clive Gallagher piesackte, kam der Marketing-Mann in Liebersons Büro und ließ dort Dampf ab. Goddard erklärte ihm dann, er solle sich beruhigen, Clive sei doch nur ein Verwalter. Falls Clive in bezug auf Goddard recht hatte, so wollte dieser einen heftigen Streit provozieren, ohne selbst mit hineingezogen zu werden. Clives Strategie bestand jedoch darin, Goddard zur Parteinahme zu zwingen. »Goddard hätte Columbia als Unternehmen niemals Bill Gallagher gegeben«, erklärte er. Clive bemerkte, daß der A & R - S t a b von Columbia Bedenken in bezug auf Gallagher halte. Milch Miller hatte sich gerade mit seinen Sing-Along-Millionen zur Ruhe gesetzt, und die Abteilung war führerlos. Mit Goddards Segen wies Davis Gallagher an, Millers Posten bei P o p - A & R einem neuen Mann zu geben. Gallagher war getroffen. Er hätte den J o b gern selbst übernommen. Er verzögerte die Ernennung monatelang, und der A & R - S t a b begann zu murren. Clive ging zu Goddard und nutzte die Kontroverse, um sich zum Vizepräsidenten und Hauptgeschäftsführer ernennen zu lassen. Schluß mit dem »Verwallungs«-Trick. Gallagher schlug einen seiner früheren Vertreter für den A&R-Posten vor; Clive lehnte es gereizt ab, ihn zu ernennen. Eine weitere Nominalion, ein weiteres Veto. In der Zwischenzeit nahm Davis Lcn Levy von Epic hart an die Kandare. Er ernannte einen ihm ergebenen Mitarbeiter zum Chef der dortigen A&R-Abteilung und befahl Levy, sich ums Marketing zu kümmern. Clive war ein solch starker Hauptgeschäftsführer, daß Goddard

sich 1967 ins Unvermeidliche fügte und ihn zum Präsidenten von Columbia machte. Goddard stand immer noch an der Spitze von CBS Records, aber Clive hatte die Macht. Bill Gallagher und Len Levy kündigten. Clive merkte an, daß beide Männer ihre J o b s danach häufig wechselten. »Das ist wirklich sehr traurig«, schrieb er mit kaum verhüllter Schadenfreude. » A & R kann zu einer Sucht werden. Sie warf Gallagher und Levy zumindest zeitweise aus der Bahn, und die Geschichte der beiden ist eine gute Warnung für andere in der Branche.« Obwohl Clive jetzt der unangefochtene Chef von Columbia war, gab es noch immer eine Menge treuer Gallagher-Anhänger bei dem Label, die den jungen Anwalt ablehnten. Aber zumindest zwei Spitzenleute verdankten ihm ihre Jobs. Ihre Namen waren Walter Yetnikoff und Dick As her. Clive hatte Walter 1961 zu seinem Assistenten gemacht, als er selber noch Justitiar gewesen war. Wie Clive hatte Walter als junger Anwalt in der Rosenman-Kanzlei angefangen. Walter war achtundzwanzig und schüchtern, und man merkte ihm deutlich an, daß er aus Brownsville kam, einem jüdischen Teil von Brooklyn. Das war kein Kompliment. Clive hatte seinen Brooklyn-Akzent abgelegt und war immer untadelig, wenn auch ein wenig auffällig gekleidet. Walter sprach wie Walter und besaß ein paar schlechtsitzende Anzüge. (Auf der juristischen Fakultät hatte er abgenutzte Pullover mit Löchern darin getragen.) Clives ursprünglicher Einschätzung zufolge war Yetnikoff »ein bißchen ungeschliffen«. Walter vergaß seinen ersten Eindruck von CBS Records nie. Die Rosenman-Kanzlei, sagte er, »schickte mich um Weihnachten herum zu CBS. Ich sollte da irgendwas in den Akten suchen. Todlangweilige Sache. Aber bei Columbia lief gerade eine Party. Viele Mädchen, Musik, kein Licht. Ich dachte, der Laden ist ja ganz lustig. Ungefähr eine Woche später bot Clive Davis mir einen J o b als sein Assistent an. Er wollte mir 1500 Dollar mehr zahlen, als ich bekam.« Walter hatte »ein richtiger Rechtsanwalt« werden wollen, wie er es formulierte, und er mußte sich das Angebot durch den Kopf gehen lassen. »Ich ging wieder in die Kanzlei und sagte: >Machen Sie mich zum Partner?* Ich war schon dreieinhalb Jahre da. Und sie sagten:

>Bringen Sie uns ein paar Klienten. Wen kennen Sie?< Niemanden, sagte ich.« Am Ende trug der Glamour des Showbusineß den Sieg davon. Das Beste sei gewesen, sagte Waller, daß Clive »mir eine eigene Sekretärin gegeben hat - und das Aufregendste, ein Telefon mit vier Knöpfen dran!«. Als Clive 1965 Bill Gallagher übersprang, schlug er Walter für den Posten des Justitiars vor. Goddard wußte nicht so recht. In bezug auf Kleidung, Ausdrucksweise und Manieren war Walter Yetnikoff das genaue Gegenteil von Lieberson. »Ich würde nicht sagen, daß Lieberson ihn nicht mochte«, sagte Clive. »Aber wenn man nach dem äußeren Erscheinungsbild urteilen mußte, stellte sich die Frage, ob er ein Spitzenspieler oder nur guter Durchschnitt war. Ich weiß noch, daß ich mich dafür verbürgt habe, daß er ein Spitzenspieler war.« So rückte Walter in Clives alten J o b auf. Ein Jahr später, 1966, befehdete sich Clive immer noch mit Bill Gallagher. Obwohl Gallagher verlor, begannen sich bei Davis die Verschleißerscheinungen des politischen Machtkampfs zu zeigen. Hin und wieder machte er seinem Frust bei einem gleichaltrigen (vierunddreißigjährigen) Anwalt Luft, der eine eigene Kanzlei halte: Asher, Beidock und Kushnik. Dick Asher mochte Clive, und er hatte eine hohe Meinung von Columbia. Es tat ihm leid, daß Clive Probleme hatte. Jedesmal, wenn sie geschäftlich miteinander zu Mittag aßen, was häufig vorkam, sagte Dick zu Clive: »Hör mal, wenn es dir zuviel wird, komm in meine Kanzlei.« Und Clive erwiderte: »Eines Tages komme ich darauf zurück.« Dann kam 1 9 6 6 ein Tag, an dem Clive Dick Asher zum Essen einlud, aber nicht, um mit ihm über geschäftliche Dinge zu sprechen. Dick war sicher, daß Clive ihm erzählen würde, er habe die Nase voll von Columbia; daher ging er zu seinen Partnern und sagte, wißt ihr, er ist ein sehr guter Mann, und ich finde, wir sollten ihn an Bord willkommen heißen. Zu Ashers großem Schock schlug Clive statt dessen vor, Dick solle als Direktor der kaufmännischen Abteilung zu CBS kommen. Dick lehnte kategorisch ab. Er verdiente viel Geld und hatte

seine eigene Kanzlei. Clive sagte, das sei sehr schade, und vielleicht könne Dick j e m a n d anderen empfehlen. Er verlangte Qualifikationen, sagte Asher, die »irgendwo zwischen Superman und Jesus Christus lagen«, und Dick war geschmeichelt von dem Gedanken, daß Clive so viel von ihm hielt. Er hatte den Köder bereits geschluckt. »Ich glaube, er machte mir ein etwas besseres Angebot und blieb am Ball«, sagte Dick, »denn schließlich habe ich ja bei ihnen angeheuert.« In der kaufmännischen Abteilung saß er in einer Schlüsselposition, denn dort wurden die Verträge aufgesetzt. Clive pflegte Asher eine Liste von Künstlern zu geben, die er unter Vertrag nehmen oder deren Verträge er verlängern wollte, und dann war es an Asher, das zu erledigen. Clive brauchte j e m a n d e n , dem er vertrauen konnte, denn 1 9 6 6 geriet er in eine kritische Situation. Die Verträge dreier wichtiger Künstler - Andy Williams, Barbra Streisand und Bob Dylan standen gleichzeitig zur Verlängerung an. Die ersten beiden verlängerten ihre Verträge, aber es sah so aus, als würde Columbia Bob Dylan verlieren. Dessen Manager Albert Grossman und der Anwalt David Braun hatten einen Vertrag mit MGM ausgearbeitet, demzufolge Dylan dort 12 Prozent Tantiemen bekommen würde. Columbia zahlte nur 5 Prozent, konnte mit MGM nicht gleichziehen, ohne einen häßlichen Präzedenzfall zu schaffen, und mußte daher einen komplexen Vertrag voller Bonbons zum Ausgleich anbieten. So wie es eine von Clives ersten Aufgaben gewesen war, Dylan zu halten, so war es jetzt die von Dick Asher. Asher arbeitete die Einzelheiten schließlich mit Grossman und Braun aus und brachte Dylan den Vertrag in den Norden des Bundesstaates New York. Es war eine merkwürdige Phase in der Karriere des Sängers, weil er einen Motorradunfall gehabt hatte und monatelang nicht in der Öffentlichkeit erschienen war. Gerüchte gingen durch die Presse, er sei an Armen und Beinen gelähmt oder habe einen Gehirnschaden davongetragen. »Ich fuhr mit dem Vertrag zu Albert Grossmans Haus in WoodStock«, sagte Asher. »Dylan kam in einem blauen Ford Station Wagon an und sah aus wie ein braver Ehemann aus der Vorstadt. Das hat mich total geschockt.

Ich war ein Dylan-Fan, und wir unterhielten uns über seine neue Platte. Wie wird sie denn so, fragte ich. Lr überlegte eine Weile und sagte: >Oh, further down the road [eine Weiterentwicklung in die gleiche Richtung],< Und was heißt das, fragte ich. Lr überlegte wieder und sagte: >lch glaub, einfach Jurther down the road.< Das nächste Album war John Wesley Harding, und man konnte es tatsächlich nur so beschreiben - further down the road. Ich kam mit dem Vertrag zurück und wurde sofort belagert. Wie sieht er aus? Kann er richtig oder nur noch unartikuliert sprechen? Mir war gar nicht klar gewesen, daß niemand Dylan seit seinem Motorradunfall gesehen hatte. Ganz plötzlich stand ich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Das war ich nicht gewohnt.«

A

ls Clive 1967 Präsident von Columbia wurde, war es trotz Dylan noch alles andere als ein Rock-and-Roll-Label. Es war immer

noch eine offene Frage, ob die Rockmusik eine Goldgrube war. Eins war jedoch klar: Die Musik, mit der Columbia so lange gut gefahren war, zeigte altersbedingte Ermüdungserscheinungen. Tatsächlich steckte Columbia in großen Schwierigkeiten.

Die

Gewinne vor Steuer waren auf ungefähr 5 Millionen Dollar pro Jahr geschrumpft, und selbst diese Summe war gefährdet. Nach elf Goldaiben war Mitch Millers Sing-Along-Serie abgenudelt. Johnny Mathis ging von Columbia zu Mercury. Das Top-40-Format setzte sich überall in den Staaten durch, und Broadway-Melodien waren dori nicht mehr der Renner. Columbia bekam das zu spüren. 1 9 5 8 war das Rodgers/Hammerstein-Musical Plower Drum Song nur ein mäßiger Bühnenerfolg, aber die Platte ging dank einer Top-40-Single »1 Enjoy Being a Girl« - sechshunderttausendmal über den Tresen. Marne lief drei Jahre, aber das bei Columbia erschienene Album verkaufte sich schlecht - keine Top-40-l lits. Seit einem Jahrzehnt beherrschte der Rock die Single-Charts. Elvis Presley hatte bereits sechzehn Nummer-eins-1 lits gelandet; die Beatles hatten 1 9 6 4 eine Woche lang die ersten fünf Plätze besetzt. MotownKünstler wie die Supremes und Mary Wells kamen in die Single-

Charts, Columbia-Acts wie Doris Day hingegen nicht. Clive sollte später trotzdem schreiben, daß der Rock »nicht die Musik der Massen war. Noch nicht«. Das war historisch zwar falsch, buchhalterisch aber durchaus korrekt. Wenn man sich die LP-Charts ansah, war die Macht des seichten Pop in den Sechzigern noch ungebrochen. 1965 verkaufte die Tijuana Brass beispielsweise so viele LPs wie kaum jemand sonst. Und LPs brachten damals wie heute das richtige Geld. Der Rock galt trotz der Beatles als Single-Musik, daher konnten die großen Labels ihn ignorieren. Das änderte sich gerade, als Clive zum Präsidenten von Columbia aufstieg. Wegbereiter waren die Beatles mit ihrem 1967er Album 5gl. Pepper's Lonely Hearts Club Band, einem Meilenstein der RockGeschichte. Es gab der psychedelischen Bewegung starke Impulse und machte den Rock zur LP-Musik. Das Jahr brachte den »Sommer der Liebe« und den Aufstieg neuer Gruppen aus San Francisco wie Grateful Dead, Llectric Plag und Quicksilver Messenger Service. Mittlerweile hatten auch Jimi Hendrix und die Jefferson Airplane ihre ersten Aufnahmen veröffentlicht. Die neuen Sounds trafen bei einer Generation von College-Studenten aus geburtenstarken Jahrgängen voll ins Schwarze, und als diese LPs zu kaufen begannen, gaben sie eine beispiellose Menge Geld dafür aus. Clive war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Er war jung, und sein Musikgeschmack war noch nicht endgültig ausgeprägt. Niemand identifizierte ihn mit der Musik von Liebersons Generation. Viele der neuen Rockbands hatten bereits riesige Anhängerscharen, waren aber noch zu haben - und billig. Clive traf die Entscheidung, sich voll und ganz auf sie zu konzentrieren. Als Folge davon sollte CBS Records einen Quantensprung in punkto Macht und Rentabilität machen. Es wäre zu einfach, Clives Pro-Rock-Strategie als naheliegenden Schritt abzutun. Erstens mußte er sich mit feindseligen Leitungsgremien bei CBS herumschlagen, die noch weitgehend auf Mitch Millers Denkweise festgelegt waren. »Man kann kaum hoch genug einschätzen, was für eine Änderung der Mentalität Clive in dem Unternehmen bewirkt hat«, sagte Dick Asher. »Einmal erklärte er den Vertriebsleuten, wenn sie den Rolling Stonc nicht läsen, seien sie

vielleicht im falschen Geschäft. Heute klingt das komisch, aber in jener Zeit war es Ketzerei. Der A & R - S t a b hielt geheime Treffen ab. Sie planten eine Revolte, weil Clive die Firma angeblich in den Ruin trieb.« Darüber hinaus war Clives Strategie so offensichtlich, daß sie eigentlich bei RCA und Capitol, den beiden größten Konkurrenten von CBS, hätte angewandt werden müssen. Obwohl RCA und Capitol Elvis und die Bealles halten, nahm sich keines der beiden Unternehmen mit voller Überzeugung der Rockmusik an, bis es viel zu späl war. 1967 hatten CBS, RCA und Capitol jeweils etwa 12 bis 13 Prozent Marktanteile. 1 9 7 0 war der Marktanteil von CBS auf 22 Prozent gestiegen. RCA und Capitol hatten seit den Sechzigern Schwierigkeiten, überhaupt noch Gewinn zu machen. Bei CBS verdoppelten sich die Gewinne nach Steuern 1 9 6 8 auf 6,7 Millionen Dollar, stiegen 1 9 6 9 auf 10 Millionen und überstiegen 1970 bereits 15 Millionen. Mittlerweile stürzten sich die Labels von Warner Communications Warner Brothers, Atlantic, Elektra und später Asylum - mit dem gleichen Eifer wie Clive auf den Rock. Warner würde bald der schärfste Rivale von CBS werden. Obwohl Davis clever genug gewesen war, den Rock-Trend zu sehen, konnte er es nicht dabei belassen. Er erhob es in den Rang einer Epiphanie, die Joseph Smiths Entdeckung des Buches Mormon gleichkam. (Seine Autobiographie beginnt mit den Worten: »Ich spürte, daß eine Veränderung in der Luft lag. Selbst jetzt ist es mir noch nichi klar, woher ich das w u ß t e . . . « ) Clive behauptete, der Geist sei beim Monterey Pop Festival 1967 über ihn gekommen. Er wäre nie dorthin gefahren, wenn Lou Adler nicht gewesen wäre, ein Pionier der Rock-Industrie aus Los Angeles und einer der Produzenten des dreitägigen Festivals. Clive hatte mit ihm abgemacht, daß Columbia den Vertrieb für Adlers Label Ode Records übernehmen würde, und schon die erste Platte war ein Hit: Scott McKenzies »San Francisco (Be Sure to Wear Some Flowers in Your Hair)«. Auf Adlers Bitte hin fuhr Clive nach Monterey. Er erwartete in erster Linie ein geselliges Wochenende. Statt dessen, behauptete Clive, markierte Monterey »den kreativen Wendepunkt in meinem Leben«.

Er fügte hinzu, das Festival »veränderte mich als Menschen«, was zweifellos stimmt; Clive brauchte ein Image, mit dem er sich von Goddard Lieberson absetzen konnte. Er stand immer noch weitgehend im Schatten seines Mentors. Monterey, das Newsweek als »Hippie-Himmel« bezeichnete, gab ihm, was er brauchte. Nach Monterey war er hip. »Es war klar, daß eine soziale und zugleich musikalische Revolution stattfand«, schrieb er. Auf dem Festival spielten etablierte Stars, darunter zwei Columbia-Acts, Simon and Garfunkel und die Byrds. Aber es waren auch relativ unbekannte Musiker da, zum Beispiel Jimi Hendrix, die Steve Miller Band, Laura Nyro und Big Brother and the Holding Company. Hie Sängerin von Big Brother, eine junge Texanerin namens Janis Joplin,-ließ Clive aufhorchen. Außerhalb von San Francisco war sie praktisch unbekannt. Joplin und ihre Band waren bei Mainstream Records unter Vertrag - einem ziemlich üblen Ausbeutervertrag -, hatten aber noch keine Platte auf dem Markt. Janis Joplin besaß eine faszinierende Bühnenpräsenz und sang den Blues mit einer SouthernCom fort-geölten Stimme. Das Publikum liebte sie. Nicht nur Clive war hingerissen, sondern auch ein anderer Geschäftsmann im Publikum, der Manager Albert Grossman, der unter anderem Electric Flag und Bob Dylan vertrat. Während Clive verhandelte, um Big Brother aus ihrem Vertrag mit Mainstream Ireizukaufen und sie zu Columbia zu holen, wurde Grossman der Manager der Band. Es dauerte ein Jahr, aber Grossman lieferte Clive Big Brother für eine Viertelmillion Dollar, damals eine große Summe für eine Band, die sich noch nicht bewährt halte. Janis Joplin war nicht der einzige Rock-Act, hinter dem Clive im Anschluß an Monterey her war. Sein kaufmännischer Direktor, Dick Asher, bekam reichlich zu tun. »Clive platzte geradezu vor Tatendrang, als er nach New York zurückkam«, sagte Dick. »Er fand es unglaublich, daß all die jungen Leute diese Bands kannten, wir aber nicht. Er hatte sozusagen eine Hitliste, und die meisten, die darauf standen, besaßen keinen Plattenvertrag. Ich übernahm die Rolle des Kopfjägers und saß andauernd im Flugzeug nach San Francisco.« Mit Dicks Hilfe konnte Columbia unter anderem Electric Flag und

Santana zu sich holen. Aber von all den Künstlern aus San Francisco mochte er Janis Joplin am liebsten. Er erinnert sich immer noch an ihre genauen Worte, als er ihr von Albert Grossman als der Mann vorgestellt wurde, der ihren Vertrag aufgesetzt hatte: »Hoffentlich haben Sie uns nicht zu doli beschissen.« Als Davis Big Brother den Vertrag schließlich im Konferenzraum im neunten Stock des Black Rock vorlegte, wollte er sich für die Umgebung entschuldigen. Künstler wie Robert Goulet und Andy Williams fühlten sich in dem antiseptischen Gebäude wohl, aber dies waren fünf schmutzige Blumenkinder aus San Francisco. Janis Joplin, die nicht nur eine Schwäche für Alkohol und kontrollierte Substanzen, sondern auch für spontanen Sex hatte, schlug vor, sie und Clive sollten den Deal besiegeln, indem sie miteinander schliefen. Clive lehnte ab, versicherte aber, CBS sei weitaus unkonventioneller, als es den Anschein habe. Daraufhin stand einer der hemdlosen Musiker hinter dem Konferenztisch auf und zeigte den Anwesenden, daß er splitterfasernackt war. Tja, sagte Janis Joplin mit ihrem typischen krächzenden Lachen, da sehen Sie, wie unkonventionell wir sind. Big Brother war vielleicht teuer gewesen, aber die Investition zahlte sich aus. Das erste Album, Cheap Thrills, verkaufte sich eine Million Mal. Das lag zumindest teilweise an einer Hitsingle, »Piece of my Heart«, einem alten Bluessong, der zuerst von Erma Franklin populär gemacht worden war. Clive sagte, er habe den Song nicht nur für die Single-Veröffentlichung ausgewählt, sondern auch bearbeitet.

Er

fand, daß der Song auf der LP zu lang war und daß die eingängigste Phrase - »lake another Utile piece of my heart now, baby« - nicht oft genug wiederholt wurde. Die bearbeitete Version kam bis auf Platz 12, und Clive faßte das als Beweis dafür auf, daß er jetzt »Ohren« hatte. Janis Joplins letzte Single, »Me and Bobby McGee«, war ebenfalls ein Hit. Clive brauchte den Song nicht zu bearbeiten. Es war 1970, und Janis war gerade an einer Überdosis gestorben, als ihr Produzent Clive eine Anpressung des Songs schickte. Clive schrieb, als er ihn das erste Mal gehört habe, habe er geweint. In den drei Jahren zwischen Monterey und Janis Joplins Tod schien

es, als könnte Columbia nichts falsch machen. Die nächste Monstergruppe nach Big Brother, die Columbia 1 9 6 7 unter Vertrag nahm, waren Blood, Sweat and Tears. Die erste LP der Band bekam glänzende Kritiken, verkaufte sich aber schlecht. Dann verließ Leadsänger AI Kooper die Band und wurde von dem Kanadier David ClavtonThomas ersetzt, der mehr nach Top 40 klang. Die zweite LP warf vier goldene Singles ab und verkaufte sich fast vier Millionen Mal. Clive beglückwünschte sich. »Ich hatte meinem musikalischen Instinkt vertraut, und es funktionierte!« schrieb er. Als nächstes kamen Santana, Chicago, Laura Nyro, Johnny Winter und Edgar Winter. Sie waren alle Baby Acts, als sie den Vertrag unterschrieben; sie hatten vorher wenig oder gar keinen Erfolg gehabt. Sie waren billig. Abgesehen von Big Brother brauchte Columbia selten mehr als 2 5 0 0 0 Dollar für eine Neuerwerbung zu bezahlen, so daß die Profite höher und die Erwartung, sie einzufahren, größer waren. Nach 1 9 7 0 begann Clive, etablierte Stars zu Columbia herüberzuziehen, und es gab weniger Unbekannte, die sich später einen Namen machten, obwohl zwei unbedingt genannt werden müssen: Billy Joel und Bruce Springsteen. Leider schien Clive 1 9 7 5 , als er seine Memoiren herausbrachte, entfallen zu sein, daß andere ebenfalls ihren Teil dazu beigetragen hatten, all diese Künstler zu entdecken und berühmt zu machen. Fast alle, die mit Clive zusammengearbeitet hatten, waren beleidigt, manche mehr als andere. Dick Asher, der Clive in vieler I linsicht vergötterte, zuckle nur die Achseln. Walter Yetnikoff schäumte. Als das Buch herauskam, sagte Walter kürzlich, »schlug jeder sofort im Register nach, ob sein Name drinstand. Meiner kam einmal vor. Ich war ein »aufgeweckter junger Anwalt*. Natürlich war ich damals ein kleiner pischer, also war ich nicht w i c h t i g ! . . . Und das Buch ist so schwülstig! Oj wej, bitte, es reicht! |Atemlos:] >Ich fuhr zum Monterey-Festival, und Liebe und Freude erfüllten mein Herz, uncl der Duft von Blumen lag in der Luft. Dann kam ich nach Los Angeles, und ein Cop hielt mich an. Ist es nicht unglaublich, was sie der Liebe angetan haben . . . ? Dann nahm ich diesen und jenen unter Vertrag... < Was ist das bloß für ein Bockmist?«

Vor kurzem wurde Clive nach seinem oftmals kritisierten Versäumnis befragt, seine Verdienste mit anderen zu teilen. Er wirkte betroffen. »Wenn es da Meinungsverschiedenheiten gibt, dann tut es mir leid«, sagte er. »Ich weiß, daß ich mir alle Mühe gebe [die Verdienste anderer ausdrücklich anzuerkennen!... Aber welcher A & R Mann hat einen Künstler unter Vertrag genommen, den ich unter Vertrag genommen zu haben behaupte? Welcher A & R - M a n n würde behaupten, es sei zur Hälfte sein Verdienst, daß Blood, Sweat and Tears bei uns sind? Oder Santana? Oder Chicago? Oder Billy J o e l ? . . . Wenn ich aufzähle, wen ich alles unter Vertrag genommen habe, könnte das unbescheiden [klingen]. Das ist nicht der Grund, weshalb ich es mache. Es ist nun mal eben die Liste. Ich meine, das ist eine ganz präzise Liste wichtiger, bedeutender Künstler, die Trends gesetzt haben, und selbstverständlich würde ich das Verdienst dafür sofort mit jedem teilen, der eine wesentliche Rolle dabei gespielt hat...« Und was war mit Bruce Springsteen? Bekanntlich hatte ihn der legendäre A & R - M a n n J o h n Hammond für Columbia unter Vertrag genommen, aber in einem Interview mit der Zeitschrift Audio schien Clive etwas anderes anzudeuten. »Ich habe klar und deutlich gesagt, daß John Hammond ihn in mein Büro gebracht hat«, gab Clive zu. »Aber ich hatte schon mehrere Hammond-Verträge abgelehnt. Es wird immer so dargestellt, als hätte er das Recht gehabt, einen Künstler unter Vertrag zu nehmen. Nun, das war einfach nicht der Fall. John Hammonds Karriere ist zweifellos mit vielen großen Namen verknüpft. Aber neben den großen Namen gab es auch viele, die sich überhaupt nicht verkauft h a b e n . . . Ich rechne mir das Verdienst für Bruce Springsteen an, weil er nicht hätte unter Vertrag genommen werden können, wenn ich ihn nicht gehört, gesehen und unter Vertrag genommen h ä t t e . . . Springsteen kam zu mir ins Büro, um seine Sachen ein letztes Mal vorzuspielen. Ich hörte sein Material, ich glaubte an ihn, ich nahm ihn unter Vertrag. Also bin ich mehr als glücklich, mir das Verdienst mit J o h n Hammond zu teilen - und nicht nur zu teilen.«

D

ick Ashers Geschick in geschäftlichen Dingen war vielleicht keine

öffentliche Wertschätzung durch Clive zuteil geworden, aber in

der Branche blieb es nicht unbemerkt. 1 9 7 0 bot Capitol Records, das in Hollywood saß, Asher den Job des Leiters seiner Ostküstenabteilung an. Dick nahm an. Der Schritt erwies sich als Katastrophe. Asher war außerordentlich dankbar, als Clive ihn Mitte 1971 wieder aufnahm. Walter Yetnikoff hatte ebenfalls Grund, Clive dankbar zu sein. 1971 kündigte Harvey Schein, der Mann, der Clive zu CBS Records gebracht hatte, als Chef der internationalen Abteilung. Clive war wahrscheinlich froh, daß er ging. Wenn Clive einen Künstler aus seinem Vertrag kaufen wollte, brauchte er oft Gelder von der internationalen Abteilung, und Schein war ein berüchtigter Geizkragen. Als Schein nicht mehr da war, konnte Clive seinen Posten mit jemandem besetzen, der ihm Treue schuldete. Er entschied sich für Yetnikoff. Walter hatte seine Unbeholfenheit noch nicht überwunden. Nach Monterey gab er für kurze Zeit Clives Drängen nach, sich »seiner Rolle gemäß zu kleiden«. »Ich kaufte mir ein paar Wildlederstiefel mit Reißverschluß und ließ mir Koteletten wachsen«, erinnerte sich Yetnikoff. »Ich kam mir wie ein Idiot vor.« Bei einer CBS-Tagung im Grosvenor House in London Anfang der siebziger Jahre wurde Walter gebeten, bei einem Musikabend den Conferencier zu machen. »Er brachte keinen Ton heraus«, erinnerte sich Bruce Lundvall. »Es war ein ganz anderer Walter Yetnikoff als der Mann, den Sie heute sehen. Clive setzte sich wie immer hinter der Bühne in Szene und war ziemlich sauer, daß Walter mit der Vorstellung der Künstler nicht in die Gänge kam. Dann erstarrte Walter minutenlang, und Clive mußte ihm aus der Patsche helfen.« Nach Clives Erfolg im Anschluß an Monterey mußte er mehrere schwere Schläge einstecken. Der schlimmste war Janis Joplins Tod im Jahr 1970. Im selben Jahr trennten sich Simon and Garfunkel. Sly Stone konnte wegen seiner Drogenprobleme nicht ins Studio gehen. Andy Williams und Johnny Cash hatten beliebte Fernsehshows gehabt, und ihre Platten hatten bis Ende der sechziger Jahre

einen Haufen Geld eingespielt. Jetzt wurden ihre Shows abgesetzt. Innerhalb von drei Jahren hatten sich die Einnahmen des Tonträgerbereichs verfünffacht. Für Clive stand zuviel auf dem Spiel, als daß er tatenlos zusehen konnte, wie seine Glückssträhne endete. Er war gerade ins Board von CBS gewählt worden und zeigte dort gern seine Umsatzkurven herum, die, wie er sagte »wie umgedrehte Blitze aussahen«. Clive wußte ganz genau, daß CBS-Präsident Frank Stanton in drei Jahren in den Ruhestand versetzt werden würde, und er war ehrgeizig. Später leugnete er, es jemals auf Stantons Posten abgesehen zu haben, aber dem widersprechen jene, die ihn damals gut gekannt haben, ganz direkt. Clive pflegte anderen CBS-Managern sogar kurz vor den Board-Sitzungen Zeltelchen mit Cocktaileinladungen zuzustecken. Er wußte, daß CBS Records ein oder zwei Jahre dahindümpeln konnte, aber danach würde der Absatz einbrechen, wenn er nicht etwas Dramatisches unternahm. »Ich konzentrierte alle meine Kräfte«, schrieb Clive, und »startete die größte Wilderer-Kampagne, die jemals in der Geschichte des Musikgeschäfts durchgeführt worden war.« Es war ein wichtiger Moment in der Geschichte von CBS Records. Als Walter Yetnikoff, der »keine Tonhöhen unterscheiden konnte«, das Unternehmen ein paar Jahre später übernahm, hatte es seinen Übergang von der A&rR-Firma zur Deal-Firma beendet. Aber dieser begann mit Clive Davis, dem zum Record Man gewordenen Juristen, der nichtsdestoweniger immer noch Jurist war. Das »Wildern« - das Abwerben bekannter Künstler - war ein Spiel, das die großen Labels am besten beherrschten, weil es im Vorfeld eine Menge Geld kostete. Wenn man mit einem Baby Act einen Durchbruch erzielte, waren die Profite immens, aber meistens schaffte man das nicht und büßte dabei Geld ein. Obwohl die Gewinne kleiner waren, wenn man bewährte Künstler kaufte, war zumindest ein begrenzter Profit so gut wie sicher (außer wenn man zuviel für sie bezahlte). RCA Victor hatte Elvis Presley für 4 0 0 0 0 Dollar von Sun gekauft, und das hatte sich als ziemlich gutes Geschäft erwiesen. Die großen Ölfirmen hatten die gleiche Idee: kleine Ölfirmen zu kaufen,

weil es auf lange Sieht billiger ist, bekannte Reserven im Boden zu erwerben, als selbst nach Öl zu bohren. Clive haue bereits bewiesen, daß er neue Künstler groß herausbringen konnte. Jetzt wollte er zeigen, daß er ein cleverer Geschäftsmann mit einer glücklichen Hand war, was im Geschäftsleben ein und dasselbe ist. Columbia erwarb die R & B - G r u p p e Earth, Wind and Fire für billiges Geld, kurz bevor sie ihren Durchbruch hatte. Das Label übernahm Ten Years After und Herbie Hancock. Clives bester Deal ließ Capitol Records alt aussehen. 1 9 7 3 zahlte Columbia ungefähr eine Million Dollar für Pink Lloyd, kurz bevor die LP Darb Side of the Moon die Gruppe von einer kleinen Kultband zu einem mehrfach platingekrönten Act machte. Dadurch bekam Columbia vier Abräumer-Alben in ununterbrochener Reihenfolge, deren Höhepunkt The Wall war. 1 9 7 0 hörte Davis Neil Diamond bei einer Tagung der Plattenbranche und beschloß, ihn zu Columbia zu holen. Diamond war damals bei MCA, und sein Vertrag lief noch zwei Jahre. Sein Anwalt, David Braun, erklärte, Neil sei bereit, mit Columbia einen Deal über fünf Jahre und zehn LPs zu machen, wolle aber 4 2 5 0 0 0 Dollar pro LP. Bis dahin war der Spitzenpreis 1 5 0 0 0 0 Dollar pro LP gewesen. Clive war entgeistert. Elliot Goldman hatte die kaufmännische Abteilung von Asher übernommen, als dieser zu Capitol gegangen war. Goldman rechnete rasch nach. Die Tantiemen, die Braun verlangte, fielen prozentual nicht aus dem Rahmen. Wenn Diamond nicht weniger als 2 2 5 0 0 0 Exemplare pro Album verkaufte, würde Columbia zumindest die Kosten wieder hereinbekommen. Da er sich nicht vorstellen konnte, daß ein Künstler von Diamonds Statur nur so wenige Platten verkaufen sollte, riet er Clive, seine Bedingungen zu akzeptieren. »Braun erzählte mir später, er sei aus allen Wolken gefallen«, sagte Goldman später. »Lr konnte nicht glauben, daß er so schnell eine Antwort bekommen hatte.« Als Clive und Elliot Goldman mit dem Vertrag in ein Aufnahmestudio in Los Angeles kamen, fragten sie sich, ob sie hier eigentlich Neil Diamond unier Vertrag nehmen oder eine spätmittelalterliche

Bündnisvereinbarung unterzeichnen sollten.

Diamond

hatte

das

Studio mit alten Wandbehängen und Ritterrüstungen dekoriert, und er unterschrieb den Vertrag mit einem Federkiel. Es war ein wunderbarer Gag, aber die Plattenbranche hatte den Eindruck, daß der Deal selbst ein noch größerer war. Die Sache mit dem riesigen Vorschuß sprach sich rasch herum. Wie sich herausstellte, sollte Columbia zuletzt lachen. Diamonds nächstes Album war der Soundtrack für einen Spielfilm, der gefloppt war, Jonathan Livingston Seagull, und obwohl es keine einzige Hitsingle abwarf, verkaufte es sich zwei Millionen Mal und spielte die Kosten für den gesamten Deal ein. Clive war also clever, hatte eine glückliche 1 land und bedachte wie üblich vor allem sich selbst mit Lob. Wenn er die Geschichte erzählte, wie Columbia Neil Diamond bekommen hatte, vergaß er des öfteren, Elliot Goldman zu erwähnen.

C

live halte die Angewohnheit, jeden Mittwoch um elf Uhr ein Singles-Meeting abzuhalten. Dort spielte er den Chefs sämtlicher

Abteilungen die Songs vor, die in dieser Woche zur Veröffentlichung ausersehen waren. Er wollte, daß die Mitarbeiter im Vertrieb, im Merchandising, in der Presseabteilung und der kaufmännischen Abteilung - also alle in der Firma - wußten, wo seine Prioritäten lagen. Es war unstatthaft zu reden, den Raum zu verlassen oder eine Zeitung zu lesen, während Musik lief. Wenn die Reaktion auf den Song nicht so ausfiel, wie Clive es wünschte, spielte er ihn noch einmal. Danach feuerte er lauter Fragen ab. »Es war, als wäre man wieder in der Schule«, sagte ein Überlebender. »Und zwar nicht mal in der Highschool, sondern in der Grundschule.« - »Da gibt's eine Geschichte«, erzählte Walter Yetnikoff lachend, »daß Clive einmal bei einem Singles-Meeting gesagt hat: AVer von den Anwesenden glaubt, daß er eine Single aussuchen kann?< Darauf antwortet natürlich keiner. >Seht ihrdas ist das Problem. Ich muß alles allein machen. Jetzt hör mal, Clive, du bist bloß ein dicker junge aus Brooklyn.< Darüber lachte er natürlich; wir lachten alle. Aber von einem bestimmten Moment an gingen die Pferde mit ihm durch. Für Leute, die schon lange bei ihm waren, wurde er nahezu unerträglich. Es machte keinen Spaß mehr, mit ihm zusammenzusein. Und da er das vielleicht spürte, umgab er sich mit Speichelleckern. Mit Leuten, die ihm immer zustimmten. Alles, was er sagte, war toll.« Einer der größten Speichellecker war der Leiter der Presseabteilung von Columbia, Bob Altshuler. Davis blühte auf, wenn er Interviews gab, und Altshuler fütterte die Presse nur allzugern mit Geschichten über Clives Genialität. Ein weiteres Mitglied von Clives engerem Kreis war David Wynshaw, der Leiter der Künstlerbetreuung, im Grunde nur ein hochrangiger Wasserträger. Wenn ein Künstler bei Laune gehalten werden mußte, schickte Clive Wynshaw zu ihm. 1 9 7 2 , im letzten vollen Jahr von Clives Amtszeit bei CBS, schickte er Dick Asher nach London, um das britische Label, das in die roten Zahlen gerutscht war, wieder auf Vordermann zu bringen. Es war eine Erleichterung für Dick, die Zentrale verlassen zu können. Er rief die fünfzehn Leiter aller europäischen CBS-Labels zu einem Meeting im kleinen Londoner Büro an der Theobalds Road zusammen. Das Meeting war für zehn Uhr vormittags angesetzt, und Clive sollte dabei sein. Sie saßen drei Stunden in einem kleinen Raum und warteten. Dick ging immer wieder ans Fenster. Um ein Uhr fuhr schließlich eine überlange Limousine vor, und Clive stieg mit einigen Mitgliedern seines Gefolges aus. Clive schien nicht zu bemerken, daß sich andere von ihm schlecht behandelt fühlten. Eins wußte er aber genau: Er wurde von CBS Inc. schlecht behandelt. Und vor allem glaubte er, daß er unterbezahlt war. 1 9 7 0 betrug sein Grundgehalt 1 0 0 0 0 0 Dollar pro Jahr, und er bekam einen Bonus von 4 0 0 0 0 Dollar. Aber alles ist relativ. »Natürlich habe ich nicht gehungert«, schrieb Clive. »Dennoch erschien es mir lächerlich, daß ich Columbia mit meiner Arbeit neue Gewinne in

zweistelliger Millionenhöhe einbrachte und dafür viel weniger verdiente als der Präsident von Capitol Records, das Verlust machte.« Er sah, wie Künstlermanager und Anwälte, die Kommissionen von ihren Klienten bekamen, Millionäre wurden - was nicht zuletzt auch an Clives eigenen hohen Geboten für Top-Aas lag. Er hatte andere reich gemacht, aber er selber war nicht reich. Und CBS geizte mit Annehmlichkeiten, fand er. In Los Angeles mußte er Künstler im Rodeo Room des Beverly Hills Hotel anhören, der eher für einen bar-mizwaEmpfang eingerichtet war. Konnte CBS da draußen kein Haus oder so mieten? Clive hatte das Gefühl, ein armer Schlucker zu sein, wenn er Warner Communications sah. Warner zahlte dicke Gehälter und gab reichlich Geld für Sondervergünstigungen aus. Und warum auch nicht? Das Unternehmen verdiente ein Vermögen mit der Rockmusik. Wie sollte er mit Ahmet Ertegun von Atlantic mithalten, wenn Ahmet Zugang zum Wickcy Bird hatte, Warners Jet (»Wickey« war von dem Kürzel WCI für Warner Communications Inc. abgeleitet). Als die Rolling Stones ein neues Label suchten, lud Ertegun Mick Jagger zum Essen ein und flog mit ihm überallhin. Und er machte das Rennen.* Während Clives Untergebene murrten, daß er sich nur dafür zu interessieren schien, wie er selbst behandelt wurde, murrte ein Mann, der angeblich über ihm stand, ebenfalls: Goddard Lieberson. 1 9 7 0 war Goddard Vizepräsident von CBS Inc. geworden. Er befaßte sich nicht mehr tagein, tagaus mit Schallplauen, sondern hatte einen nebulösen, gutbezahlten, aber weitgehend bedeutungslosen J o b , ein Lohn für geleistete Dienste, den man bei der Navy als »Dämmertörn« bezeichnet. Seit dieser Zeil hatte Clive seinen ehemaligen Mentor hin und wieder vor den Kopf gestoßen. So hatte er zum Beispiel über Goddards Kopf hinweg ein klassisches Konzert in der Radio City Music Hall in New York veranstaltet. Aber Clive ließ Lieberson eine zeremonielle Rolle. Bei den Tagungen von CBS Records hielt Lieber* Tatsächlich entschied sich J a g g e r für Atlantic, weil ihm dessen R & B - K a t a l o g gefiel, »ich glaube, Jaggcr wäre g e r n auf E x c e l l o e r s c h i e n e n « , sagte Ertegun. Excello war ein winziges F u n k - L a b e l . »Bei uns w a r er so nah an Excello d r a n , wie es n u r ging, o h n e auf fünf Millionen Dollar verzichten zu m ü s s e n . «

son die Absehlußrede, und niemand hatte das geringste dagegen. »Es machte solchen Spaß, Goddard zuzuhören«, sagte Yetnikoff. »Viel mehr Spaß als bei Clive. Bei Clive hieß es aufpassen - es konnte sein, daß man hinterher einen Fragebogen ausfüllen mußte.« Bei der Tagung von CBS Records in London 1972 entschied Clive jedoch, daß es an der Zeit war, mit diesem Brauch zu brechen. Er versuchte - erfolglos - Goddard auszubooten und die Absehlußrede selber zu halten. Goddard war fuchsteufelswild. Er konnte Clive diesen letzten Affront nicht vergeben, und er sollte lang anhaltende Nachwirkungen haben.

C

BS-Präsident Frank Stanton wurde 1971 zum stellvertretenden

Chairman des Board befördert. Falls Clive sich Hoffnungen auf

Stantons Stuhl gemacht hatte, so wurden sie schnell zerschlagen, als Paley Charles »Chick« lreland für den J o b aussuchte, einen Manager von International Telephone and Telegraph. Doch ein paar Monate später starb lreland an einem Herzinfarkt. Offenbar mußte Bill Paley, der unsterblich zu sein schien, einen jüngeren Mann für den stressigen J o b finden, sein Rundfunk- und Fernsehimperium zu führen. Er fand einen solchen Mann in Arthur Taylor, eine Wahl, die CBS erstaunte. Taylor war erst siebenunddreißig Jahre alt. Den Gerüchten zufolge war Paley von einem Interview beeindruckt, das Taylor der Zeitschrift Corporate Financing gegeben hatte. Er war ein Mann mit beachtlichen Referenzen, zumindest für sein Alter. Er halte an der Brown University Geschichte der Renaissance gelehrt; dann war er mit Anfang Dreißig der jüngste Hauptgeschäftsführer aller Zeiten von First Boston geworden, einer großen Wall-Street-Firma. Danach wurde er zum Geschäftsführer der International Paper Company berufen. An dem Tag, als Paley Taylor den J o b anbot, rief der junge Mann seinen Anwalt Stanley Schlesinger an und bat ihn um seinen Rat. Schlesinger, der später Walter Yetnikoffs Anwalt und bester Freund wurde, riet Taylor, das Angebot abzulehnen. Bill Paley, sagte er, erinnere ihn an einen Kunden seines Vaters im Textilgeschäft, einen

Mann, der schon längst im Pensionsalter sei, die Zügel aber einfach nicht aus der Hand geben könne. Paley wollte Taylor keinen Vertrag geben, und Schlesinger war der Ansicht, daß der J o b keinerlei Sicherheit bot. Taylor wußte, daß es ein kluger Rat war, aber er konnte den J o b nicht ablehnen. CBS war praktisch ein nationales Heiligtum, und Arthur Taylor hatte den Ehrgeiz, eines Tages Außenminister zu werden. Clive Davis mochte Arthur Taylor nicht. Da war auf einmal j e mand, der sogar noch drei Jahre jünger war als er. Taylor hatte keine berufliche Erfahrung in den Medien oder im Unterhaltungsgeschäft. Das Unternehmen, aus dem er herausgerissen worden war, International Paper, war kleiner als CBS Records, und Taylor war noch nicht einmal dessen Präsident gewesen. Merkwürdigerweise hatten Davis und Taylor vieles gemeinsam. Auch Taylor war ein Erfolgsmensch, der seinen Akzent abgelegt hatte. Er stammte aus Rahway, New Jersey, aber jetzt redete er wie ein englischer Butler. Taylor war kein Jude - Bill Paley engagierte keine jüdischen Präsidenten -, aber er sprach 1 lebräisch und Jiddisch. Bei der bar mizwa von Stanley Schlesingers Sohn Kenneth war Taylor der einzige, der als Vorbeter amtieren konnte. Es war in der Tat ein kolossaler Witz auf Bill Paleys Kosten, denn Arthur Taylor wünschte sich glühend, ein Jude zu sein, während Paley sich so verhielt, als wäre er keiner. Clive machte Taylor gegenüber aus seinem Herzen keine Mördergrube. Er sagte immer unverblümt, was er dachte, oft bis hin zur Grobheit. Wenn Taylor mit Clive über den Tonträgerbereich sprach, hörte man von Clive oftmals eine Bemerkung wie: »Das ist eine gefährliche Annahme« oder manchmal auch: »Sie wissen nicht, wovon Sie reden.« Taylor richtete ein Management-Forum für die Chefs sämtlicher Bereiche bei CBS ein. Clive kam nur selten, und wenn, pflegte er gelangweilt aus dem Fenster zu schauen. Was die Sache für Clive noch schlimmer machte: Es zeichnete sich ab, daß 1 9 7 3 ein schlechtes Jahr für CBS Records werden würde. Er hatte große Versprechungen gemacht, und jetzt sah es so aus, als könnte er sie nicht einlösen. Die Mutterfirma setzte ihn unter Druck, und er setzte seine Leute unter Druck.

Einer von ihnen, der Vertriebsdirekior Jack Craigo, fühlte sich mißbraucht. »Anfangs halten Clive und ich eine gute Beziehung«, sagte er. »Aber dann wurde nichts aus seinen Plänen, und seine Anrufe wurden sehr häßlich. Hören Ihre Leute nicht auf Sie? Warum können Sie nicht mehr Platten verkaufen? Und so weiter. Dann fing er an, t>eim Singles-Meeting Fragen auf mich abzufeuern, und ich spielte ihm die Bälle zurück. Die Leute kamen zu den Meetings, weil sie sehen konnten, wie Funken zu fliegen begannen. Ich wußte die Antworten, und wenn nicht, dann hatte ich Leute dabei, die sie wußten. Also sagte ich meiner Frau schließlich, ich höre auf. Unter diesen Bedingungen bleibe ich nicht. Und dann, eines Tages, ganz plötzlich, kam ich von einer Radiotagung zurück, und das Problem hatte sich erledigt. Aber es gab eine ganze Reihe neuer Probleme.«

5 Newark

I

n Ron Alexenburgs Büro ertönte das Summen der Sprechanlage.

Alexenburg, der dickliche Direktor der Promo-Abteilung bei Columbia, war einer von Clives Lieblingen; im vergangenen Jahr hatte Davis ihn mit seinen neunundzwanzig Jahren zu einem der beiden

jüngsten Direktoren bei CBS Records gemacht. Mr. Alexenburg, sagte

eine Stimme, bitte kommen Sie unverzüglich in den Sitzungssaal von CBS herauf. In den Sitzungssaal, grübelte Alexenburg. Worum ging es? Er fuhr mit dem Fahrstuhl in den vierunddreißigsten Stock, wo sich die geheimnisumwitterte Geschäftsleitung von CBS versammelt hatte. Alexenburg nahm neben Walter Yetnikoff Platz. Am Kopfende des Tisches stand ein düster dreinschauender Arthur Taylor, und bei ihm waren Goddard Lieberson und ein wie ein Teddybär aussehender Mann mittleren Alters, den Alexenburg nicht kannte. Der einzige, der im Meer der Gesichter fehlte, war Clive Davis. »In diesem Moment wußte ich es«, sagte Alexenburg später. »Es war wie eine plötzliche Erleuchtung. Ich wandte mich an Walter und sagte: Die haben Clive gefeuert. Walter lachte.« Alexenburg hatte richtig vermutet. Taylor verlas eine Presseerklärung, die CBS demnächst herausgeben würde. Der Vertrag mit Clive Davis war aufgelöst worden. Der neue Präsident von Columbia war der wie ein Teddybär aussehende Mann mittleren Alters, Irwin Segelstein, ein Manager von CBS Television. Goddard Lieberson kam mit seinen einundsechzig Jahren von seinem »Dämmertörn«-Job bei CBS Inc. zurück und trat wieder an die Spitze des Tonträgerbereichs. Goddard sprach ein paar Worte, aber sie gingen im allgemeinen Tumult unter. Ungefähr einen Monat später eröffnete er jedoch die

jährliche Vertriebstagung von CBS Records mit einem Satz, den nur wenige wieder vergessen konnten: »Auf meinem Weg zum Ruhestand ist mir etwas Komisches passiert.«*

M

it seinen einundvierzig Jahren war Clive Davis in der Platten-

branche der begehrteste Manager aller Zeiten. Er ähnelte mitt-

lerweile dem Mann im Comic, der ein Taxi anhält und auf die Frage nach seinem Ziel sagt, es sei egal - er sei überall willkommen. Trotz der ständigen Anfragen lehnte Clive nur aus »Loyalität« und »Pflichtgefühl« millionenschwere Angebote ab, CBS zu verlassen. Er schuftete achtzehn Stunden pro Tag, um neue Talente zu dem Label zu holen. »Und niemand bei CBS Inc. schien auch nur einen blassen Schimmer davon zu haben«, schrieb er, »daß dies eine schwierige, vielleicht sogar übermenschliche Aufgabe sein könnte.« Für die loyale Erfüllung dieser Aufgabe wollte er angemessen entlohnt werden. Seine Gesamteinkünfte bei CBS für 1972 beliefen sich auf 3 5 9 0 0 0 Dollar, was zu jener Zeil sehr viel Geld war. Aber Clive glaubte, er hätte ein Recht auf mehr, und einer von CBS am Tag seiner Entlassung gegen ihn eingereichten Klage zufolge hatte er es auch bekommen. Alles in allem beschuldigte CBS Clive Davis, sich mit Hilfe einer ganzen Reihe gefälschter Rechungen über einen Zeitraum von sechs

Jahren hinweg wenigstens 9 4 0 0 0 Dollar unrechtmäßig angeeignet zu haben. Wie CBS feststellte, hatte das Unternehmen 5 3 7 0 0 Dollar für Renovierungsarbeiten in seiner Wohnung am Central Park Wesi bezahlt. Zusätzlich waren Firmengelder in Höhe von 2 0 0 0 0 Dollar für einen bar-mizwa-Empfang für seinen ältesten Sohn im Plaza Hotel ausgegeben worden.** Weitere CBS-Gelder sollten für die Anmietung eines Sommerhauses in Beverly Hills benutzt worden sein. Clive war nicht nur Präsident eines Unternehmensbereichs, sondern auch A n s p i e l u n g aul d e n R i c h a r d - l . e s i e r - F i l m »A F'unny

I lling l l a p p e n e d On the W a y to

i h e F o r u m « ( d l . »Toll trieben e s die a l t e n R ö m e r « ) ( A . d . Ü . ) * S p ä t e r e n A n g a b e n d e r E r m i t t l e r z u f o l g e lag die k t r - m i c w a - R e c h n u n g e h e r bei 1 8 0 0 0 Dollar.

Mitglied des CBS-Boards. Als die getürkten Rechnungen entdeckt wurden, stellte Arthur Taylor Clive zur Rede, aber dieser bestritt jedes Fehlverhalten. Taylor glaubte nicht, daß Clive ihm die Wahrheit gesagt hatte. Also feuerte er ihn mit voller Rückendeckung Bill Paleys und des übrigen Boards. Die Plattenbranche war schockiert, doch andererseits waren Spesenaffären im Musikgeschäft offenbar eher ein Kavaliersdelikt. So rief etwa ein damaliger Warner-Manager aus: »Idiotisch von CBS, den Präsidentelt eines Bereichs, der so hohe Gewinne einfährt, nur wegen hundert Riesen rauszuwerfen!« Clive war entsetzt über die Publicity, obwohl er zugab, daß sie teilweise zu seinen Gunsten ausfiel, insbesondere was die Meinung betraf, daß »die Spesenvorwürfe im Lichi der zweistelligen Millionenbelräge, die ich [dem Unternehmen! eingebracht habe, und der Millionen, die ich bekommen hätte, wenn ich woandershin gegangen wäre, absurd waren«. Unglücklicherweise braute sich in der Plaitenindustrie gerade ein größerer Skandal zusammen. CBS hatte die gefälschten Rechnungen im Rahmen sich ausweitender Ermittlungen der Staatsanwaltschaft von Newark entdeckt, einer Untersuchung, die als »Project Sound« bekannt wurde. In der Presse tauchten Andeutungen auf, CBS Records habe schwarze Radiostationen bestochen und Geschäfte mit einer Figur des organisierten Verbrechens gemacht. Der Geruch von Payola lag wieder in der Luft. Clive sollte schließlich nur der Steuerhinterziehung für schuldig befunden werden. Er wurde nie wegen Payola angeklagt. Bis zum heutigen Tag behauptet Davis, Project Sound sei eine Hexenjagd gewesen, ein Standpunkt, der von vielen in der Branche geteilt wird. Die Newark-Untersuchung war eine Zerreißprobe, von der CBS Records sich nicht so bald erholen und an die Davis sich noch lange erinnern würde. Dieser umfassendere Skandal hatte seine Wurzeln in einem »custom label«-Deal - einem Geschäft mit einem speziellen Label für eine bestimmte Musikrichtung

den Davis 1971 mit Kenny Gamble

und Leon Huff gemacht hatte, zwei schwarzen Plattenproduzenten aus Philadelphia. Beide Männer hatten Verbindungen zu Motown

Records; sie hatten in der Begleitband von Diana Ross and the Supremes gespielt. Als Clive von ihnen hörte, war ihr Rhythm & Blues-Label Philadelphia International ein

Mini-Motown auf der

Suche nach Geld. Wie Clive nur allzugut wußte, hatte Columbia zwar die Pop-Charts erobert, aber nur wenig getan, um die Rhythm & Blues-Charts zu knacken. Im R&rB-Bereich war CBS Records kaum vertreten. Sly Stone nahm Platten für Epic auf, aber Columbia hatte Aretha Franklin an Atlantic verloren. Um 1970 herum bemerkte Clive, daß immer mehr R & B - A l b e n in die Pop-Charts kamen, besonders die von Motown-Acts wie den Supremes und den Temptations. Die unterschiedliche Einordnung von Pop und RtSxB bedarf einer Erklärung. Pop ist in der Plattenbranche ein Euphemismus für weiß; R&rB heißt schwarz. Bis 1 9 4 9 führte Billboard die Musik schwarzer Künstler als »race«-Platten auf, aber dann erfand ein ständiger Mitarbeiter namens Jerry Wexler die Bezeichnung Rhythm and Blues. Das ist so ziemlich alles, was sich geändert hat (obwohl die Branche noch andere Euphemismen gefunden hat, darunter »Soul« und »urban«). Eine Rockplatte von einem schwarzen Künstler ist automatisch R & B - völlig unabhängig von ihrem Sound -, außer wenn sie von weißen Radiostationen gespielt und von Weißen gekauft wird; dann spricht man vom »cross Over«, dem »Überwechseln« in die Pop-Charts. Da es bei weitem mehr weiße als schwarze Plattenkäufer gibt, bedeutet ein Crossover-Hit einen größeren Profit. Als Gamble und Huff 1971 Clive anriefen, um ihm ein Produktions- und Vertriebsabkommen vorzuschlagen, war er durchaus nicht abgeneigt. Clive schloß das Abkommen über ein Budget von 5 0 0 0 Dollar pro Single und 2 5 0 0 0 Dollar pro LP ab. Das Risiko war gering, der Profit um so höher. Innerhalb von neun Monaten nach der Unterzeichnung des Abkommens mit CBS explodierte Philadelphia International förmlich mit Billy Paul, den O'Jays und Harold Melvin and the Blue Notes. Sänger der Blue Notes war Teddy Pendergrass, der später bei Epic eine Solokarriere machte. 1 9 7 2 lieferten Gamble und Huff vier von Columbias neun goldenen Singles. Die ersten beiden Alben der O'Jays verkauften sich zusammen siebenhundertfünfzig-

tausendmal. Gamble, Huff und ihr fester Produzent Thom Bell wurden im Nu als Erfinder des »Philly Sound« mit seinen üppigen Streicherarrangements und der ausgeprägten Rhythmussektion berühmt. Ermutigt unterschrieb Clive ein weiteres Vertriebsabkommen, diesmal mit Stax Records in Memphis, dem R & B - L a b e l von Isaac Hayes und den Staple Singers. Columbia investierte sieben Millionen Dollar in Stax, aber es gab keine Hits, und die Sache war ein Verlustgeschäft. Möglicherweise litt Stax unter Liquiditätsproblemen, weil man dort auf zu großem Fuße lebte. Als J a c k Craigo und Ron Alexenburg von Columbia Records nach Memphis flogen und den Parkplatz von Stax sahen, wären sie beinahe hintenübergekippt. »Ich sagte, du meine Güte, das m u ß eine Lincoln-Continental-Vertretung sein«, erinnerte sich Craigo. »Die hatten da bestimmt fünfzehn dieser Schlachtschiffe stehen. Verstand sich von selbst, daß jeder halbwegs wichtige Mann in der Firma einen zweitürigen Lincoln fuhr.« Dank Philadelphia International war Columbias R&B-Experiment insgesamt jedoch ein Erfolg. Doch bevor die Hits kamen, wäre das Geschäft mit Gamble und Huff beinahe geplatzt. Columbia halte das Recht erhalten, die Platten des Labels zu promoten, aber Kenny Gamble war der festen Überzeugung, daß CBS keine Ahnung halte, wie man eine schwarze Single promoten mußte. Er machte Vorschläge, die Clive jedoch nicht berücksichtigte. Erbost verlangten Gamble und Huffeinen Termin mit Clive und brachten den Anwalt von Philadelphia International mit, Eric Kronfeld.* Die Sitzung fand Ende 1971 im Speiseraum von CBS stall. Kronleld erklärte, seine Klienten hätten die Nase voll von Columbias Promotionbemühungen und wollten aus dem Vertrag aussteigen. »Clive war aschfahl«, sagte Kronfeld. »Es war das erste Mal, daß jemand den Wunsch geäußert hatte, Columbia zu verlassen.« Clive erklärte sich bereit, Philadelphia International seine eigene Promotion machen zu lassen. Er genehmigle auch vierteljährliche Zahlungen seitens CBS, um die Promotiontätigkeit des R&rB-Labels zu * Clive Davis behielt Kronleld später als seinen persönlichen Anwalt.

unterstützen. Gamble und Huff hatten ihren eigenen PromotionMann, Harry Coombs; jetzt konnte Coombs sich so für die Platten einsetzen, wie es Philadelphia International für richtig hielt. Niehl lange danach begannen die schwarzen Radiosender die O'Jays, die Blue Notes und Billy Paul zu spielen, und die weißen Sender stiegen darauf ein. Zum Pech aller Beteiligten arbeitete Harry Coombs mit Payola. Kenny Gamble ebenfalls. In der Zwischenzeit traf ein ehemaliger Geschäftspartner von Kenny Gamble ein Promotion-Abkommen mit Clive. Kai Rudman, der anfangs noch bei sich zu Hause arbeitete, hatte später eine Bürosuite in einer Seitenstraße der Route 70 in Cherry Hill, einem Vorort von Philadelphia. Erbrachte einen einflußreichen Top-40-Branchendienst heraus, T)ie Friday Morning Quarterbach. FMQB war ein per Matritze abgezogenes, geheftetes, ungefähr fünfzig Seiten starkes Blatt, das an Top-40-Programmdirektoren geschickt wurde. Darin stand, welche Songs nach Rudmans Meinung Hits werden würden. Rudman war nicht gerade bescheiden, was den Grund für den Erfolg von FMQB betraf. »Was mich so einflußreich macht?« sagte er. »Ich habe fast immer recht.« Da er keine schulmäßige musikalische Ausbildung hatte, konnte er seine Fähigkeit, Hits aufzuspüren, nur in Form galvanischer Hautreaktionen erklären. »Ich kriege eine Gänsehaut«, erklärte er einem Reporter und rollte dabei seine 1 lemdsärmel hoch. Das war sein Ernst. Rudman, dereinen cremefarbenen Cadillac samt Fahrer sein eigen nannte, hatte es weit gebracht: In seinem früheren Leben war er Lehrer für geistig zurückgebliebene Kinder an der F. D. R. Junior High School in Bucks County mit einem Jahresgehalt von 10 0 0 0 Dollar gewesen. Sein Wechsel zur Popmusik begann in den fünfziger Jahren, als er nebenbei als Nachtschicht-DJ bei WCAM arbeitete. In seiner Sendung war er Kai »Big Beat« Rudman, »the wildest child on the radio dial« und »the round mound of sound«. (Der »Dickmops des Sound« war einen Meter fünfundsechzig groß und wog neunzig Kilo.) Rudmans Leben änderte sich endgültig im Jahr 1967, als er und Kenny Gamble Excel Records gründeten, einen Vorläufer von Philadelphia International, und einen Millionenerfolg der Intruders her-

ausbrachten, »Cowboys to Girls«. (Es ist nicht bekannt, ob Rudman an Philly International beteiligt war.) Rudman machte 1 0 0 0 0 0 Dollar Profit, und im Jahr darauf gab er seinen Lehrer- und DJ-Job auf und startete FMQB. Seine Discjockey-Sprache verlor er jedoch nie so ganz. Sie schlug in Ü b e r s c h r i f t e n wie M-O-N-S-T-E-R u n d KAL-Q-LATIONSdurch. Die rote

Titelseite seines Branchendienstes sagte voraus, welche »GO-Rilla«I lits »top phones« kriegen würden - die meisten telefonischen Hörerwünsche -, und welche Songs floppen würden (»die like a dog«). In den siebziger Jahren war Rudman ein reicher Mann. Sein Informationsblatt kostete im Abonnement 150 Dollar pro Jahr; die Werbeseite brachte ihm 2 0 0 0 Dollar ein. Trotzdem beschloß er, noch ein bißchen mehr Geld zu machen, indem er sich auf Honorarbasis an Plattenfirmen verdingte, um ihre Platten als unabhängiger Promoter bei den Sendern unterzubringen. 1972 zahlte CBS Records Rudman 4 4 0 0 0 Dollar für seine Dienste. Warner, MCA und Capitol gehörten ebenfalls zu seinen Kunden. Sein Blatt nannte oftmals jene Platten als heiße Tips, für deren Promotion er engagiert worden war, aber Rudman sah da keinen Konllikt. »Wenn man das Blatt liest, merkt man nicht, wer mich bezahlt und wer nicht«, sagte er. »Ich nehme nur Geld, wenn ich weiß, daß die Platte gut ist. Wenn ich's nicht bringe, bin ich im Arsch. Das ist Beratung auf höchster Ebene. Mein Fachgebiet ist die Musik; ich bin ein Musik-Junkie; wir alle dienen dem Künstler.« Als Rudman an einem Mittwochmorgen Anfang der Siebziger in den Black Rock kam, um an einem Singles-Meeting bei Columbia teilzunehmen, berichtete der New Yorker in einer »Talk of the Town«Kolumne über das Ereignis. Clive, der sich angewöhnt hatte, einen Raum stets als letzter zu betreten, kam in einem braunen Wildlederanzug, zinnoberrotem Hemd und Krawatte, und sein Mitarbeiterstab wartete bereits auf ihn. Er spielte diverse Auskopplungen aus LPs, und alle hörten aufmerksam zu. Kai Rudman schloß die Augen, nickte und paffte eine gewaltige Zigarre. Am Ende jedes Songs hielten sich alle mit ihren Kommentaren zurück, bis Clive sein Urteil abgegeben halle (»Nur ein hübsches LP-Stück, keine Single«, oder »Die

Melodie bleibt hängen, aber der Text bringt nichts rüber, finde ich«). Dann sprach Clive über die R & B - G r u p p e Free Movement und ihre aktuelle Scheibe, »1 Found Someone of My Own«. Das war das Stichwort für Rudman. »Ich war am ganzen Werdegang der Platte an vorderster Front beteiligt«, prahlte er. »Das Stück war ein R & B - l l i t , der nirgends ins Pop-Radio gekommen ist, außer an ein paar Orten im Mittelwesten. Ich habe die Platte hartnäckig nach oben geredet. Ich habe die Programmdirektoren von KQV und W1XZ in Pittsburgh dazu bewegt, sie sich anzuhören. Ich habe sie bei beiden Stationen ins Programm gebracht. Ich habe sie in mein Blatt aufgenommen. Ich habe die Promo-Leute als Feiglinge beschimpft, weil sie nichts für die Platte getan haben. Innerhalb von zwei Wochen kam sie riesengroß raus! . . . Sie haben einen Millionenerfolg! Das ist ein denkwürdiger Tag! Wir erleben die Geburt einer Supergruppe!« Die Geschichte wird jedoch vermerken, daß der Song trotz Rudmans Bemühungen als Indie-Promoter kein Millionenerfolg war. Rudman mäßigte sich schließlich ein wenig, aber sein Ego blieb enorm groß. »Wie definiert man eine Legende?« sagte er über sich. »Ich bin eine Dichotomie. In gewissem Maße. Ich will das nicht überdramatisieren oder mich da in etwas hineinsteigern . . . Für viele Leute bin ich ein Rätsel. Das Rätsel ist in ein Paradox gehüllt, und das Ganze ist vollständig von einem Paradigma umgeben . . . « Kai Rudman spielte jedoch eine wichtige und keineswegs rätselhafte Rolle bei der Entwicklung des Network. Obwohl er selbst schließlich aus dem Geschäft mit der unabhängigen Promotion ausstieg, war er der erste, der das grundlegende Prinzip der Macht des Network verstand. Er artikulierte es 1 9 7 0 Jerald Wagner gegenüber, dem jungen Promotion-Direktor von Ampex, einem Hersteller von Tonbandgeräten, der damals gerade in der Plattenbranche Fuß zu fassen versuchte. »Ich war ganze sechsundzwanzig«, erinnerte sich Wagner. »Und als alle rausgefunden hatten, daß man mir - ich zitiere - vertrauen konnte, durfte ich offen mit Kai reden. Jedenfalls einigermaßen offen. Einmal sprach ich mit ihm. Ich sagte: »Kai, ich bin wirklich stinksauer auf dich.< >WarumJerryEs ist zu spät. Sie sind draußen.Sie dürfen Ihr Büro nicht mehr betreten*«. Wynshaw ging trotzdem hin und stellte fest, daß die Tür mit einem Vorhängeschloß verriegelt war. Obwohl sein engster Mitarbeiter gerade gefeuert worden war, ließ sich Clive in keiner Weise anmerken, daß sein eigener J o b in Gefahr war. Vom Sonntag, dem 29. April, bis zum darauffolgenden Samstag präsentierte er die CBS-Show A Week to Remember im Ahmanson Theater in Los Angeles. Er wußte inzwischen, daß Newark und CBS Records gegen ihn ermittelten. Die Konzertreihe zeigte die Stärke und Mannigfaltigkeit der Künstlerriege von CBS Records unter Clive; vielleicht war sie die Apotheose seiner Präsidentschaft. Insgesamt traten einundzwanzig Künstler auf. In weißem Anzug und weißen Lackschuhen mischte Clive die Künstler und stellte neue Kombinationen zusammen: Bruce Springsteen mit dem Mahavishnu Orchestra, Loudon Wainwright mit Miles Davis und so weiter. Im R&B-Bereich präsentierte er Earth, Wind and Fire, Billy Paul und die Staple Singers; auf dem Country-Sektor Lynn Anderson und Charlie Rieh; in der klassischen Musik Anthony Newman. Bill Cosby und Richard Pryor fungierten als Conferenciers. Clive ließ die Konzerte filmen, so daß die Highlights bei der Vertriebstagung von CBS Records im Juli gezeigt werden konnten. Während seines Aufenthaltes in Kalifornien arbeitet Clive auch daran, Billy Joel aus seinem Knebelvertrag mit Family Records herauszubekommen. Joels erste LP, Cold Spring Haibor, war ein Flop gewesen. Er und seine Band bekamen sechs Monate lang kein Geld. Joel behauptete, das Label habe vorgeschlagen, sie sollten von Erdnußbuttcr und Marmelade leben. In seiner Verzweiflung verschwand Joel von der Bildfläche und trat einen Job als Pianist in einer Bar in Los Angeles an; davon handelt sein Song »Piano Man«. Gleichzeitig engagierte er einen Musikjuristen, der Gespräche mit Columbia in die Wege leitete. Als Clive sich in Los Angeles mit Joel zusammensetzte, schrieb er später, »mußte ich die firmeninterne Untersuchung aus meinen Gedanken verdrängen«. Am Mittwoch, dem 23. Mai,

führte Clive

Davis sein letztes

Singles-Meeting bei CBS Records durch. Mitten in der Sitzung kam

unangemeldet Paul Simon herein, der sieh mittlerweile von Art Garfunkel getrennt und eine Solokarriere eingeschlagen hatte. Clive rechnete Simon zu seinen engsten Freunden in der Künstlerriege von CBS und freute sich über den überraschenden Besuch. Er sollte sich als ein Omen erweisen. Ben Fong-Torres vom Rolling Stone schilderte das Meeting folgendermaßen: Simon knallte dem Präsidenten ein Buch auf den lisch und sagte: »Du mußt dieses Buch dringender lesen als jeder andere, den ich kenne.« Davis warf einen Blick auf das Buch - Das Leben Krishnas -, während Simon bereits auf dem Absatz kehrtmachte. »Moment, bleib doch hier«, drängte Davis. Simon ging weiter, zur Tür hinaus. Am nächsten Tag hielt Clive die letzte Mitarbeiterversammlung ab. Als sie vorbei war, bat er den Chef der Marketing-Abteilung, Bruce Lundvall, noch einen Moment zu bleiben. »Wir standen uns ziemlich nahe«, sagte Lundvall. »Lr hat mir erklärt: >Die haberis auf mich abgesehen, und ich werde nicht mehr lange hier sein. Und dabei habe ich überhaupt nichts getan.< Er war am Boden zerstört. Es war schrecklich.« Arthur Taylor war erst seil zehn Monaten Präsident von CBS, und nun stand er vor einer kritischen Situation. CBS Records fuhr unter Clive mittlerweile ein Drittel der Gewinne des gesamten Unternehmens ein. Taylor konnte nicht zulassen, daß sich der Tonträgerbereich selbst zerstörte. Die Staatsanwaltschaft von Newark hatte eine Grand Jury einberufen. Ein Mitglied der Einsatzgruppe des FBI kam im April mit einer Liste von CBS-Leuten zu Taylor, die vor der Grand Jury würden aussagen müssen. Die Liste umfaßte sämtliche Führungskräfte von CBS Records in den Vereinigten Staaten - dreiundsiebzig Personen, darunter auch Goddard Lieberson. Taylor war entsetzt. »Ich zog Experten zu Rate - Juristen, Mr. Paley, Frank Stanton und andere Leute

um zu sehen, wie wir die Plattenfirma

zusammenhalten konnten«, erinnerte sich Taylor. »Mr. Paley flog zwei Tage später nach China. Also blieben nur ich, die Grand Jury in Newark und einige sehr aufgeregte Leute übrig. Nach Wynshaws Verhaftung wurde sein Büro geöffnet«, fuhr Taylor fort, »und wir fanden detaillierte Aufzeichnungen über strafbare

Handlungen. Mit diesen Informationen in der Hand führte ich eine Reihe von Gesprächen mit Clive Davis, und meiner Ansicht nach sagte er mir in keiner Weise die Wahrheit. Dabei hatte ich die Unterlagen in meinem Schreibtisch. Wenn er mir die Wahrheit gesagt hätte, wäre es vielleicht möglich gewesen, ihn zu retten. Ich will den Mann nicht schlechtmachen, aber er hat mir keinen reinen Wein eingeschenkt. Allein aus diesem Grund hat das Board beschlossen, ihn zu entlassen. Diese Entscheidung ist immer mir zugeschrieben worden, aber es war die des Boards. Wenn Sie ein kleiner Angestellter sind und dreihundert Dollar stehlen, erlaubt man Ihnen beim ersten Mal vielleicht, das Geld zurückzugeben. Aber wenn Sie eine Führungskraft und ein Mitglied des Boards des Unternehmens sind, die Dokumente mit den Beweisen für die Unterschlagung den Anwälten und Anklagevertretern vorliegen und Sie immer noch versuchen, sich aus der Sache rauszuschwindeln - damit kommen Sie im amerikanischen Geschäftsleben nicht durch.« (Clives Version lautet anders. Er beharrt darauf, daß Wynshaw die Rechnungsbetrügereien ohne sein Wissen und seine Zustimmung durchgeführt hat.) Der Verlust von Clive Davis bereitete Taylor trotzdem Kopfschmerzen. Clive hatte Taylor davon überzeugt, daß er der Leim war, der CBS Records zusammenhielt. Konnte Clive wirklich irgendwelche Künstler mitnehmen? War er nicht nur für die kreative Vision des Labels, sondern auch für dessen alltägliche Arbeit von entscheidender Bedeutung? Taylor stellte Goddard Lieberson diese Fragen. Goddard versicherte ihm, daß Clive Davis nicht unersetzlich sei. Die Firma habe einen Haufen talentierter Führungskräfte, sagte er, und Columbia Records stünden große Zeiten bevor. Wenn Goddard irgend etwas Gutes über Clive zu sagen gehabt hätte, »wäre ich derjenige gewesen, dem er es gesagt hätte«, bemerkte Taylor, »weil ich derjenige war, der etwas hätte tun können. Aber er vertrat die Position, daß die Firma nicht aus den Fugen geraten würde, wenn Clive sie verließ.« Das Heldengedenktags-Wochenende kam und ging. Arn Dienstag, dem 29. Mai, kam Clive ins Büro und spulte seine übliche Vormitlagsroutine ab: Cornflakes am Schreibtisch, fünfundvierzig Minuten

mit der Post, ein Meeting mit der Werbeabteilung. Walter Yetnikoff behauptete, er sei der letzte gewesen, mit dem sich Clive vor seiner Entlassung getroffen habe. »In seinen Erinnerungen schildert er das anders«, sagte Walter. »Aber es war so.« In seinem Buch erinnerte sich Clive an die Ereignisse: Nach dem vormittäglichen Ritual konferierte er mit Michael Levy, einem Manager aus der kaufmännischen Abteilung. Levy und ich waren gerade fertig und schwatzten noch ein bißchen, als meine Sprechanlage summte. Die Sekretärin von CBS-Präsident Arthur Taylor meldete sich. »Mr. Davis«, sagte sie, »könnten Sie zu Mr. Taylor heraufkommen?« . . . Ich hatte ein ungutes Gefühl. Hine plötzliche Aufforderung, ins Büro des Präsidenten zu kommen, gibt einem zu denken. Taylors Büro ist im vierunddreißigsten Stock. Er hatte zwei Anwälte bei sich - und die Zusammenkunft dauerte ungefähr zwei Minuten. Sie sollte auch gar nicht länger dauern. Ich erinnere mich nicht an die genauen Worte, die er sagte - vielleicht habe ich sie verdrängt -, aber die Intention war klar. Man setzte mir den Stuhl vor die Tür. »Ich bin schockiert«, sagte ich, vielleicht mehr als einmal. Es war das einzige, was mir einfiel. »Wir möchten, daß Sie wieder in Ihr Büro gehen«, fuhr Taylor fort. »Nehmen Sie mit, was Sie mitnehmen möchten, und verlassen Sie dann unverzüglich das Gebäude.« Das war's. Das war das Ende meiner Liebesaffäre mit Columbia Records. Es verschlug mir die Sprache; es erschien mir unglaublich kaltblütig. Ich konnte es nicht glauben. Aber das war's. Es gab nichts mehr zu sagen. Ich machte auf dem Absatz kehrt und verließ das Büro. An der Tür wurde ich von zwei ÜBS-Wachmännern in Empfang genommen, die mir die Zivilklage des Unternehmens gegen mich aushändigten. Ich sollte während meiner sechsjährigen Amtszeit als Präsident vierundneunziglausend Dollar Spesengelder veruntreut haben. Die Wachmänner fielen mit mir in Gleichschritt, und wir führen mit dem Fahrstuhl zu meinem Büro im zehnten Stock hinunter . . . Im Büro nahm ich mein Scheckheft, ein paar Papiere und andere

persönliche Dinge und packte sie in meinen Aktenkoffer. Ich teilte meiner Sekretärin Octavia die Neuigkeit mit und ging schweigend hinaus, ohne jemand anderen zu sehen... Das Telefon |zu Hause] klingelte den ganzen Nachmittag. Ich war überrascht, wie schnell sich die Nachricht herumgesprochen hatte. Aber ich ging nicht an den Apparat; ich überließ es meiner Haushälterin, Nachrichten entgegenzunehmen. Darüber hinaus habe ich eigentlich nur noch eine verschwommene Erinnerung an den Nachmittag. Freunde, Angehörige und eine Reihe Leute von Columbia und aus der Branche kamen vorbei und saßen sozusagen schiwe mit mir.

A

m Donnerstag abend vor Clives Entlassung war Irwin Segelstein mit Oscar Katz, einem Abteilungsleiter von CBS Television, im

Club »21«. Der bärbeißige, dickbäuchige, bärtige Segelstein war achtundvierzig Jahre alt und zweiter Programmchef von CBS Television Network, direkt unter Fred Silverman. Arthur Taylor fand heraus, wo Segelstein sich aufhielt, und rief ihn im »21« an. Ich trinke gerade was mit Oscar, erklärte Segelslein Taylor. Warum kommen Sie nicht zu uns? Nein, sagte Taylor, kommen Sie zu mir ins Büro. Irwin trank aus und begab sich eilends in die vierunddreißigste Etage des Black Rock. »Arthur sagte, es gebe da ein Problem«, erinnerte sich Segelstein, »und er könne mir keine Einzelheiten mitteilen, aber ob ich nicht Lust hätte, CBS Records zu leiten? Ich sagte: >Warum zum Teufel sollte ich das wohl tun?Mistgerade jetzt, wo ich all die Fernsehleute und ihre Frauen kennengelernt habe.< Und meine Kinder haben sich scheckig gelacht, daß ihr alter Herr gebeten wurde, sich mit Rock and Roll zu belassen. Meine Plattensammlung bestand nämlich überwiegend aus Broadway Musicals und liturgischer Musik.« Taylor mußte außerhalb der Plattenfirma nach einem neuen Chef suchen, weil jeder in der Firma auf der Verdächtigenliste der NewarkUntersuchung stand. Er habe sich für Segelstein entschieden, sagte er, weil »er ein Außenstehender war, weil er so ehrlich war, wie der Tag lang ist, und weil er ein mensch war«. Taylor wußte jedoch, daß Segelstein Hilfe brauchen würde. Er bat die Einsatzgruppe, ihre Untersuchung in bezug auf Goddard Lieberson zu beschleunigen; Taylor wollte ihn wieder zum Chef von CBS Records machen, während Irwin das entscheidende Inlandsgeschäft leitete. Kurz daraufsprach das FBI Goddard von jedem Verdacht frei. Irwin dachte noch lange an die in aller Eile einberufene Mitarbeiterversammlung am 29. Mai zurück, bei der sein Amtsantritt, Liebersons Rückkehr und Clives Abschied bekanntgegeben wurden. »Goddard und ich wurden hereingeführt«, sagte er, »und Arthur gab es bekannt. Ich sah lauter fassungslose Gesichter. Es war das erste Mal, daß ich Walter Yetnikoff begegnet bin. Sein Blick war glasig.«

D

ick Asher war in London und leitete dort CBS Records Groß-

britannien, als ihn die Nachricht von Clives Entlassung erreichte.

Er war niedergeschmettert. Clive war trotz seiner Arroganz immer noch Dicks Idol, der Mann, der das Label von Robert Goulet in das Label von Janis Joplin verwandelt hatte. Clive hatte Dick und seine Frau Sheila zu dem berüchtigten bar-mi^vva-Empfang im Plaza ein-

geladen, aber Asher sagte, er könne es sich nicht leisten, nur für ein Wochenende rüberzufliegen. Clive sagte, er solle sich keine Gedanken machen, die Firma werde den Flug bezahlen. Dick lehnte trotzdem ab; es erschien ihm als Verschwendung von Firmengeldern. Nun

erkannte er, daß Clives Angebot ohne die Zustimmung des Unternehmens erfolgt war. Dennoch hatte er Mitgefühl mit Davis und fand den Hinauswurf tragisch. Clives Abgang stellte Asher auch vor ein potentiell schwieriges Problem. Er hatte keinen Arbeitsvertrag, und wenn das neue Regime ihn nicht weiterbeschäftigte, weil er zu Clives Leuten gehörte, konnte er es sich buchstäblich nicht leisten, mit seiner Familie in die Staaten zurückzukehren. Dick kannte Goddard Lieberson nicht sonderlich gut. Glücklicherweise hatte Goddard Gutes über ihn gehört, und er rief bald an und versicherte Dick, er brauche sich keine Sorgen zu machen, es werde keinen Aderlaß geben. »Das war nobel von ihm«, sagte Dick, »und ich wußte es damals sehr zu schätzen.«

D

avid Wynshaw erwies sich als kooperativer Zeuge. Kurz bevor CBS ihn entließ, sagte er im Falcone-Heroinfall vor der Grand

Jury aus. Danach erschien Wynshaw vor der Payola-Grand-Jury und brachte dort Beschuldigungen gegen CBS Records vor. Seine Gegner sagten, er lüge, um sich selbst vor der Strafverfolgung zu schützen. Wynshaw gab an, CBS Records habe ein geheimes Budget von 2 5 0 0 0 0 Dollar pro Jahr für Payola-Zahlungen an schwarze Radiostationen. Er behauptete, CBS habe 1971 mit Payola begonnen, als Columbia Produktions- und Vertriebsabkommen mit Gambles und Huffs Philadelphia International sowie Stax Records in Memphis abgeschlossen habe. Er zog den Branchendienst-Herausgeber Kai Rudman in die Sache hinein, indem er andeutete, er sei ein Mittelsmann bei der Bestechung schwarzer Radiostationen. (Rudman war wütend, als diese Anschuldigungen in der New York Times publiziert wurden. Seine Antwort: »Ich bin so sauber wie das Gesundheitsamt!«) Ungefähr zur gleichen Zeit bekam Fred Ferretti von der Times Dave Wynshaw im Park-Avenue-Büro seines Anwalts Robert Arum* zu fassen. Wynshaw marschierte im Zimmer auf und ab und gestikulierte heftig. * trueressanterweise war Arum a u c h B o x - P r o m o l e r und m a c h t e später ein lukratives Geschäft mit C B S Sports.

Er stellte sich als Mann dar [schrieb Eerrettil, der seil seiner Entlassung keine beruflichen Freunde mehr hatte. Seitdem suchte er Arbeit, wenn er gerade keine Termine bei Gericht oder bei der Einsatzgruppe hatte. Zweimal während des Interviews rief er potentielle Arbeitgeber an. »All diese Typen, die mir erzählt haben, wie gern sie mich nehmen würden, als ich noch bei Columbia war...« Er zuckte die Achseln. »Mein Telefon hat nicht geklingelt.« Auch von seinem früheren Vorgesetzten, Mr. Davis, hat er nichts mehr gehört. »Aber vielleicht hat ihm sein Anwalt gesagt, daß er mich nicht anrufen soll.« Es war der Beginn paranoider sechs Monate bei CBS Records. Das Unternehmen stellte allen Mitarbeitern auf der Verdächtigenliste einen Rechtsbeistand. Aber Taylor hatte keine Ahnung, wer die Untersuchung unbeschadet überstehen würde und wer nicht. »Es gab eine Menge Verleumdungen und Denunziationen«, sagte Taylor. »Es war wie in einem zusammenbrechenden kommunistischen Staat, jeder halte nur Schlechtes über alle anderen zu erzählen, niemand etwas Gutes.« Bei CBS Records beobachtete man Segelstein mit Argwohn; man befürchtete, er könne ein Pitbull der Muttergesellschaft sein. Niemand im Tonträgerbereich konnte befördert werden oder woanders einen J o b bekommen, bevor nicht seine Unschuld erwiesen war. Mitarbeiter glaubten, ihre Telefone würden abgehört. Währenddessen trudelte eine Vorladung nach der anderen ein. J a c k Craigo war wütend - auf Clive Davis. Zuerst hatte Clive ihm das Leben schwer gemacht, weil er die unrealistischen Absatzerwarlungen nicht erfüllt hatte. Jetzt wurden er und andere schikaniert, weil Clive in Verdacht stand, Gesetze übertreten zu haben. Eines Samstagsmorgens besuchte Craigo einen seiner Vertreter in Cincinnati und erlebte dessen Vernehmung durch einen Beamten des Justizministeriums und einen Agenten der Steuerbehörde mit. »Ich sah, wie hart die Steuerbehörde sein konnte«, sagte Craigo. »Viele Leute bei CBS weinten Clive keine Träne nach. Aber sie waren wirklich sauer darüber, daß sie und ihre Familien wegen Clives Affären diesen ganzen Mist über sich ergehen lassen mußten.« Da hatte Craigo nicht ganz unrecht.

Die Spannungen bei CBS Records zeigten sich im Juli 1 9 7 3 , als das Label seine jährliche Vertriebstagung im Cow Palace in San Francisco abhielt. In der Eingangshalle wimmelte es von Fernsehkamerateams und Zeitungsreportern. Journalisten versuchten, Vertriebs- und Promo-Leute zu interviewen; die Nachrichten-Networks setzten alles daran, mit ihren Kameras in den Saal zu gelangen. Der emotionalste Augenblick kam, als Jim Scully, der Leiter der Filiale in Cleveland, einen Preis verliehen bekam. »Er bekam auf der Bühne einen Weinkrampf«, erinnerte sich Bruce Lundvall, »und sagte: >Wir sind ehrliche Leute, wir sind gute Leute, und ich hab diese Scheißuntersuchung satt. Wir haben unser Leben lang hart geschuftet, und jetzt denken meine Kinder, ich gehöre zu einer Art Ma/ia-Verein, und das ist Quatsch!*« Scully erntete stürmischen Beifall. Für Arthur Taylor gab es bei der Tagung einen noch bewegenderen Augenblick. Er wollte gerade auf die winzige Bühne des großen, dunklen Theaters gehen, als ihn ein kalifornischer Nationalgardist aufhielt und ihm erklärte, er habe soeben die Information bekommen, daß Taylor während seiner Rede erschossen werden solle. Taylor erstarrte. Wenn er sich drückte, würde das ein schlechtes Licht auf ihn werfen, fürchtete er - aber wer wollte das Risiko eingehen? Da packte ihn Goddard Lieberson am Arm und schlug vor, daß sie gemeinsam auf die Bühne gehen sollten. Er stellte Taylor vor und blieb neben ihm stehen, während der Präsident von CBS seine Rede hielt. Taylor erfuhr nie, ob die Morddrohung echt gewesen war oder nicht. Neben der Ungerechtigkeit empfanden es viele Mitarbeiter der Platlenfirma als zusätzliche Beleidigung, daß eines der Kamerateams, die mit aller Macht in den Saal zu gelangen versuchten, von CBS News kam. Der Nachrichtenbcreich im Black Rock hatte sich in der Tat auf die Clive-Davis-Story gestürzt, vielleicht weil er seine Unabhängigkeit unter Beweis stellen wollte. In mindestens einem Fall schoß er dabei auf absurde Weise übers Ziel hinaus. Im Oktober 1 9 7 3 rief ein Reporter des Network Dick Asher in London an und behauptete, er habe »unwiderlegliche Beweise« dafür, daß CBS Records in den Drogenhandel verstrickt sei und daß dieser zentral von London aus gesteuert

werde. Asher war sprachlos. Er hatte solchen Respekt vor CBS News, daß er bereit war, die Londoner Zweigstelle zu schließen, bis er den Übeltäter gefunden hätte. Dann stellte sich jedoch heraus, daß ein Angestellter in London den Postsack von CBS News benutzt hatte, um einem anderen Angestellten in Brasilien ein schwer erhältliches Asthma-Medikament zu schicken. Für die Plattenfirma kam der letzte Schlag am 11. August 1974, als CBS News ein einstündiges Special brachte, »Der Arger mit dem Rock«. Es wurde nur zwei Tage nach Richard Nixons Rücktritt gesendet und konzentrierte sich in erster Linie auf den Davis-Wynshaw-Falcone-Skandal, der mittlerweile über ein Jahr zurücklag. Die erste Hälfte war eine einfallslose Geschichte des Rock and Roll und des Wachstums der Musikindustrie. In der zweiten Hälfte präsentierte das Reporterteam - Emmy-Gewinner Stanhope Gould und Linda Mason, eine Produzentin von Walter Cronkite - neue Einzelheiten über die Clive-Davis-Affäre. Auch Morris Levy und Roulette Records wurden kurz gestreift. Zu den weiteren Highlights gehörten ein Interview mit einem anonymen ehemaligen Mitarbeiter von CBS Records, der davon sprach, Drogen für Musiker besorgt zu haben, und Mick Jaggers Versicherung: »Ich bin sicher, es gibt andere Branchen in Amerika, die weitaus schmutziger sind als die Platlenindustrie.« Die Sendung markierte den Beginn von Walter Yetnikoffs Haß auf CBS News. Kürzlich, an einem Nachmittag in seinem Büro im Black Rock, kochte er immer noch. »Dieser Scheißdreck!« sagte er. »Sie haben einen Jungen mit langen blonden Haaren gefunden [den ehemaligen Mitarbeiter], der drei Monate hier war, und der hat irgendein idiotisches Statement abgegeben, Sie wissen schon, die Plattenleute, blablabla! Der größte Skandal in der Geschichte des Rock-Busineß. Clive Davis? Das ist das Schlimmste, was je passiert ist? Du meine Güte. Die Branche sollte den Orden des Meritorious Star of David und das Ehrenkreuz obendrein kriegen!« Walter war nicht der einzige, der auf die Berichterstattung über den Skandal mit Verachtung reagierte. Irwin Segelstein empfand genauso. Er kam aus der Programmredaktion, und Programmredakteure hegen

Tür gewöhnlich keine sonderliche Zuneigung zu Nachrichtenleuten. Bei CBS gab es immer Spannungen zwischen den Leuten, die sich die Polizei-Krimis und

Sitcoms ausdachten, und dem Nachrichten-

bereich. Irwin begann, die Mitarbeiter der Plaitenfirma als Opfer zu betrachten. Leute, die befürchtet hatten, er würde sich als eifriger Reformer erweisen, stellten bald das Gegenteil fest. Binnen eines Jahres war Irwin Segelstein bei CBS Records ungeheuer beliebt geworden. »Jeder dachte, Irwin sei hergeschickt worden, um uns auszuspionieren«, sagte Bruce Lundvall. »Statt dessen mochte er die Leute im Tonträgerbereich bald sehr gern und nahm sie Arthur Taylor gegenüber in Schutz. Eines Tages war ich mit Goddard und Irwin in Taylors Büro, und die Untersuchung trat gerade in eine sehr heiße Phase ein. Und Taylor war fuchsteufelswild. >Hört zuich will, daß ihr all diese Abteilungsleiter loswerdet; diese Untersuchung gerät außer Kontrolle, und ich habe die Nase voll.Wenn Sie glauben, daß ich irgendwen feuern werde, können Sie mich mal kreuzweise.« Und Irwin war sonst durchaus kein ordinärer Mensch. Goddard und ich stellten uns zu ihm, und wir sagten: >Wir unterstützen ihn voll und ganz.< Es war unglaublich. Taylor machte einen Rückzieher.« Clive kam jedoch nicht in den Genuß der Unterstützung des Tonträgerbereichs für seine Mitarbeiter. Goddard Lieberson tilgte ihn mit energischen Strichen aus der Geschichte des Unternehmens. PR-Mann Bob Altshuler hatte sich ebenfalls gegen ihn gewandt. Clive konnte es nicht glauben. Er ist wahrscheinlich nie auf den Gedanken gekommen, daß Goddard ihm nur den Versuch heimzahlte, seinen Ruf zu untergraben, nachdem er Columbia übernommen hatte. Selbst wenn es keinen anderen Grund gegeben hätte, mußte Clive jetzt seine Memoiren schreiben, um die Dinge geradezurücken - so wie er sie sah. Clive überkompensierte seine verletzten Gefühle, indem er das Verdienst für alles mögliche in Anspruch

nahm, sogar für Columbias Abschied von der Mono-Schallplatte. »Soll das ein Witz sein?« sagte Goddard Lieberson, als er von dieser Prahlerei hörte. »Diese Entscheidung ist Jahre vor seinem Amtsantritt getroffen worden!« Das letzte Kapitel seines Buches widmete Clive der schmählichen Demontage seines Rufes. Auf einmal war nichts Besonderes oder Ungewöhnliches mehr an dem beispiellosen Wachstum, das es gegeben hatte... Schließlich, sagte Goddard Lieberson, habe Columbia schon vor Davis eine wichtige Rolle im Rock gespielt... Lieberson, wahrhaftig ein Meisterpolitiker, schrieb mir einen persönlichen Brief, in dem praktisch stand, Clive, bitte glaube nicht, was Du in den Zeitungen liest; ich habe nichts dergleichen gesagt. Und dann kam eine Geschichte nach der anderen... Waren die Interviewer allesamt dumm oder schwerhörig? . . . Künstler durften mich in ihren Danksagungen nicht mehr erwähnen . . . Aus den im Ahmanson Theater aufgenommenen Filmen wurde jede Szene herausgeschnitten, in der ich zu sehen war. Das war eine reife Leistung; immerhin hatte ich die Shows präsentiert... Dies von der Zuschauerbank aus mitzuerleben, war manchmal amüsant, meistens aber sehr traurig. War das die Firma, der ich einen so großen Teil meines Lebens gewidmet hatte? Goddard, so Clives Erklärung für die Brüskierung, mußte der Wall Street beweisen, daß CBS Records Davis' Verlust verkraften würde. Das war naiv von Clive. So gut wie jeder Top-Manager, der das Unternehmen vor und nach ihm verließ, wurde »stalinisiert« - aus dem Geschichtsbuch getilgt. Das Unternehmen, das zu CBS Records wurde, war bis auf das erste Jahrzehnt immer von William Paley geführt worden und hatte eine gewisse Arroganz entwickelt. Clive haue aber recht, als er Goddard beschuldigte, ein doppeltes Spiel zu treiben. »Nachdem Clive gefeuert worden war«, erinnerte sich Elliot Goldman, damals einer von Davis' engsten Freunden, »hat Goddard immer zu mir gesagt: >Warum ist Clive nicht zu mir gekommen und hat mich um Hilfe gebeten? Ich hätte ihm helfen können. Er hätte zu seinem rabbi kommen sollen.*«

E

nde 1 9 7 3 lief Project Sound auf vollen Touren. Geplant gewesen

war es als Untersuchung von Payola und »Drugola«, ein Wort, das

jemand geprägt hatte, um damit zu beschreiben, daß Kokain als Mittel der Bestechung diente. Jonathan Goldstein, der Staatsanwalt in Newark, hatte sich eingehend mit der Geschichte beschäftigt. Er

wußte, daß beim letzten großen Payola-Eklat im Jahr 1 9 6 0 die Bestochenen (die Diskjockeys) und nicht die Bestechenden (die Plaltenlirmen) im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gestanden hatten. Seiner Meinung nach war das ein Fehler gewesen. Goldstein, der im Ruf stand, hart und unbestechlich zu sein, wollte sich diesmal die Manager schnappen. Radioleute würden nicht belangt werden, sagte er, sofern sie keinen Meineid leisteten. Goldsteins Büro koordinierte unversehens eine Grand-Jury-Untersuchung der Plattenindustrie in vier Städten. Die Grand Jury von Newark hörte Zeugenaussagen über das R&rB-Label Brunswick Records und dessen Präsidenten, Nat Tamopol. Er war eine bekannte Figur in der Branche, hatte Shows mit Alan Freed im Brooklyn Paramount produziert und den Soulsänger Jackie Wilson gemanagt und herausgebracht. In Philadelphia gab es Ermittlungen gegen Philadelphia International; und in Memphis stellten die Behörden Beweismaterial gegen Stax Records zusammen, das andere schwarze Label, das von CBS vertrieben wurde. In Los Angeles fand eine Untersuchung gegen einen dortigen Promo-Mann statt Newark verlangte unter Strafandrohung die Vorlage der Finanzunterlagen von Philadelphia International. Nach monatelangen Verzögerungen ging ein Agent der Steuerbehörde hin, um sie abzuholen. Als der Karton ausgepackt wurde, erlebten die Ermittler eine Überraschung. Es war die anschaulichste Payola-Spur auf Papier, die man sich vorstellen konnte. Das Schmiergeld stammte aus den vierteljährlichen Promotion-Schecks, die Philadelphia International von CBS bekam. »Jedesmal, wenn sie einen Scheck bekamen«, erinnerte sich ein Staatsanwalt, »lösten sie ihn ein, gingen auf die Straße und übergaben das Geld in Hotelzimmern an die Programmchefs der Rundfunkanstalten. Wir hatten Listen der Beträge und der Personen, die sie bekamen.«

Rechtfertigte diese Entdeckung eine Payola-Anklage gegen CBS? Falls Clive Davis Philadelphia International das Promotiongeld unter der Voraussetzung gegeben hatte, daß es für Payola benutzt werden sollte, reichte das für einen Prozeß. Falls er nur den Verdacht gehabt hatte, daß das Geld dazu benutzt wurde, war er des Zynismus schuldig, was keine Straftat war. In Anbetracht von Clives intimer Kenntnis der Plattenbranche fiel es schwer, die dritte Möglichkeit zu glauben: daß er weder etwas gewußt noch etwas geahnt hatte. Ein Payola-Prozeß gegen CBS war keine Kleinigkeit; das Ergebnis konnte Auswirkungen auf die Fernsehlizenzen des Network haben. Wynshaw hatte ausgesagt, daß es bei CBS einen Payola-Fond für schwarze Radiostationen gab, aber Wynshaw war nicht gerade ein idealer Zeuge. Im Zeugenstand würde er wahrscheinlich gekreuzigt werden. Im Lauf der weiteren Entwicklung verlor Newark ohnehin die Zuständigkeit für Clive Davis. Wegen der steuerlichen Aspekte des Falles wurde er nach Manhattan verwiesen, wo Clive seine Steuererklärungen eingereicht hatte. Am 24. Juni 1 9 7 5 wurden neunzehn Personen in vier Städten angeklagt, darunter Clive Davis. Er wurde nur beschuldigt, drei Jahre lang falsche Einkommenssteuererklärungen abgegeben zu haben. Er wurde in sechs Punkten angeklagt, keine Steuern für eine Reihe von Spesen entrichtet zu haben, die von CBS bezahlt worden waren, darunter die für den berüchtigten ba r- miz wa- E mp fa ng. David Wynshaw wurde des Postbetrugs angeklagt. Gamble und I luff wurden beschuldigt, »über 2 5 0 0 0 Dollar« für die Bestechung von Programmdirektoren ausgegeben zu haben. Die sieben leitenden Angestellten von Brunswick Records, einschließlich Nat Tarnopol, wurden angeklagt, 3 4 3 0 0 0 Dollar Schmiergelder von Einzelhändlern angenommen zu haben, denen sie angeblich Platten unter dem Großhandelspreis verkauft hatten, und diese Gelder zum Teil für die Bestechung von Radiostationen verwendet zu haben. Tarnopol wurde auch der Verabredung zum Steuerbetrug und des Postbetrugs angeklagt. Trotz Wynshaws Beschuldigungen wurde keine Anklage gegen den Branchendienst-Herausgeber Kai Rudman erhoben.

Die Grand Jury von Newark war noch nicht ganz fertig. Im Juli 1 9 7 6 eröffnete sie ein Meineidsverfahren gegen Frankie Crocker, den Programmdirektor von WBLS, einer schwarzen Radiostation in New York. Staatsanwalt Goldslein halte versprochen, daß kein Radiomann wegen Payola angeklagt würde, sofern er der Grand Jury die Wahrheit sagte. Aber falls ein Zeuge log, würde er die Folgen zu tragen haben. Und Goldsteins Ansicht nach hatte Crocker gelogen. Am 15. September 1 9 7 5 war Crocker vor der Grand Jury erschienen und über den unabhängigen Promoter Ellsworth Groce alias Rocky G befragt worden, der auf Pauschalhonorarbasis für Capitol und andere Plattenlabel arbeitete. F: Haben Sie jemals Bargeld von Rocky G erhalten? A: Nein. F: Nie? A: Nun ja, ich habe Bargeld von Rocky G bekommen, aber nicht Sie haben mich gefragt, ob ich je Bargeld bekommen hätte. Das sollten Sie vielleicht noch einmal näher erläutern... F: Das will ich gern tun. Als Sie Programmdirektor waren und er Promotion-Mann, und . . . A: Oh, nein... er hat mir nie Bargeld für Platten gegeben. Daran hätte ich mich erinnert... Ich nehme kein Geld für Plauen. Crocker haue auch bestritten, Payola von Harry Coombs angenommen zu haben, dem Promotion-Mann von Gambles und Huffs Philadelphia International. Augenscheinlich kam die Grand Jury zu einem anderen Schluß, denn Crocker wurde wegen Meineids angeklagt. Der Prozeß gegen Crocker begann im Jahr darauf in Newark. Als der stellvertretende Staatsanwalt, Robert Romano, Coombs und Rocky G in den Zeugenstand holte, leugneten sie zu seiner Bestürzung, daß etwaiges Geld, das sie Crocker bezahlt haben könnten, Payola gewesen sei. »Sie lavierten herum und versuchten, es als harmlos hinzustellen«, erinnerte sich Romano. Er reichte einen Schriftsatz ein, in dem er sich dafür aussprach, sie zu feindselig eingestellten Zeugen zu erklären. Die Sache sah besser für Romano aus, als er einen weiteren Zeugen beibrachte, der darauf beharrte, er habe

Crocker bezahlt, damit seine Platten gespielt würden: Charles Bobbit, Leibwächter und Promotion-Mann des Soulsängers James Brown in Personalunion. Crockers Aultreten als Zeuge sprach nicht zu seinen Gunsten. Lr erschien jeden Tag in einem anderen teuren Anzug. Romano hatte bereits Crockers Steuererklärungen vorgelegt, um zu zeigen, daß sein Einkommen aus dem Radio gering war; dennoch lebte der Programmdirektor am Sutton Place und fuhr einen Rolls-Royce. Romano fand auch heraus, daß Crocker sein Alter in seinem Paßantrag zu niedrig angegeben hatte. Als Romano Crocker im Zeugenstand aufforderte, sein korrektes Alter anzugeben - eine Routinefrage -, verweigerte dieser trotz einer direkten Aufforderung von Richter Frederick Lacey die Antwort. »Crockers Arroganz kam sehr deutlich zum Vorschein«, erinnerte sich Romano. James Brown erwies sich als ebenso aufsässiger Zeuge. Als die Befragung jedoch einmal in eine Sackgasse geraten war, beugte sich Richter Lacey über die Bank und fragte ihn, ob er sich irgendeinen Grund vorstellen könne, warum ein Plattenpromoter einem Radiomann Geld bezahlen sollte. Der überrumpelte James Brown sagte, er könne sich nur einen einzigen Grund vorstellen, nämlich seine Platten gespielt zu bekommen. Romano war entzückt über den schwachen Auftritt der Zeugen der Verteidigung. Er war sicher, daß er Crocker am Schlafittchen hatte. Da täuschte er sich. Nachdem die letzten Urteile im Project Sound gesprochen waren, zeigte sich in der Tat deutlich, daß die Operation ein Eehlschlag gewesen war. Frankie Crocker wurde in Punkt zwei der Anklage freigesprochen (bezüglich der Aussagen, die er über Harry Coombs gemacht hatte), jedoch in Punkt eins - der sich auf Rocky G bezog für schuldig befunden. Das Berufungsgericht des dritten Gerichtsbezirks hob das Urteil jedoch auf, weil Charles Bobbits Zeugenaussage nicht als Beweis für Punkt eins hätte benutzt werden dürfen, da er in der Anklage nicht erwähnt worden war. Crocker hätte eine Neuauflage des Prozesses über sich ergehen lassen müssen, aber die Staatsanwaltschaft von Newark ließ die Anklage im Rahmen eines Deals fallen, bei dem Crocker sich eines minder schweren

Falls der Steuerhinterziehung in New York schuldig bekannte. Er bezahlte eine Geldstrafe von 5 0 0 0 Dollar, mußte jedoch nicht ins Gefängnis. Nat Tarnopol wurde bei einem Schwurgerichtsverfahren im Jahr 1 9 7 6 in achtunddreißig Punkten von der Anklage des Postbetrugs freigesprochen, jedoch in einem Punkt der Verabredung zur Verübung einer Straftat für schuldig befunden und zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Dann wurde auch seine Verurteilung wegen eines Formfehlers aufgehoben. Obwohl ihm 1978 erneut der Prozeß gemacht wurde, endete das Ganze mit einem fehlerhaften Gerichtsverfahren, und der Staat ließ die Sache schließlich fallen. Die Niederlage war ein schwerer Schlag, weil Tarnopol nicht viel anders als Morris Levy dafür berüchtigt war, daß er Künstler über den Tisch zog. Er hatte Jackie Wilson skrupellos ausgenutzt, indem er Verträge aufsetzte, unter denen der Sänger ständig Schulden bei Brunswick hatte, selbst als das Label mit seinen Platten Hunderttausende ver diente. Die Autorenangabe für Wilsons »Doggin' Around« lautet auf Paul Tarnopol, Nats Sohn, der noch gar nicht geboren war, als der Song aufgenommen wurde. Selbst der Berufungsrichter, der Tarnopols Verurteilung aufhob, merkte in seiner Entscheidung ausdrücklich an, daß »es Beweise gab, denen eine Jury entnehmen konnte, daß Künstler um ihre Tantiemen betrogen wurden«. Kenny Gamble akzeptierte das gegen ihn ergangene Urteil, ohne eine Gesetzesübertretung zuzugeben, und erhielt eine Geldstrafe von 2 5 0 0 Dollar. Die Anklagen gegen Leon Huff wurden fallengelassen. David Wynshaw bekannte sich schuldig, sich mit Patsy Falcone dazu verabredet zu haben, CBS zu betrügen, und wurde zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Falcone bekam zwei Jahre, die mit seinen zehn Jahren für Heroinschmuggel zusammengelegt wurden. Clive Davis kam viel besser weg als David Wynshaw. Er bekannte sich am 24. Mai 1976 in Punkt eins der Anklage schuldig: Steuern in Höhe von 8 8 0 0 Dollar für die Kosten von Urlaubsreisen nach Jamaika, Kalifornien, Florida und Europa, die CBS in Rechnung gestelli worden waren, nicht bezahlt zu haben. Die Anklage ließ die anderen fünf Punkte fallen. Bei der Urteilsverkündung vier Monate

später kämpfte Bundesrichter Thomas Griesa mit der Frage, ob Clive an »unverfrorenen betrügerischen Machenschaften gegen CBS« beteiligt gewesen sei, entschied jedoch, daß es »mangels eines Verfahrens« seine Pflicht sei, im Zweifel zugunsten des Angeklagten zu entscheiden. Griesa erlegte ihm eine Geldstrafe in maximaler Höhe auf - 1 0 0 0 0 Dollar -, verzichtete aber auf eine Gefängnisstrafe. Der Richter bestritt, daß er milde gewesen sei, obwohl Clive bis zu fünl Jahre Gefängnis hätte bekommen können. Griesa tadelte auch die Nachrichtenmedien, weil sie Clive einer »erschreckenden« Publicity ausgesetzt hätten, die ihn beispielsweise mit Payola in Verbindung gebracht habe.

Der Anklagepunkt, in dem sich Davis

schuldig bekannt habe, habe nichts mit Payola, der Mafia oder Wynshaws betrügerischen Machenschaften zu tun gehabt, sagte der Richter. Im November 1977 wurde das Zivilverfahren, das CBS gegen Clive in Gang gebracht hatte, in aller Stille außergerichtlich beigelegt. Über die Bedingungen wurde nichts bekannt. Nachdem Clive sich fast ein Jahr Zeil genommen hatte, um seine Autobiographie zu schreiben, wurde er zum Präsidenten des Tonträgerbereichs von Columbia Pictures ernannt, den er in Arista umbenannte. Er halle sofort Erfolg mit dem Sänger Barry Manilow. Ein Jahr später zahlte der CBS Record Club für die Mailorder-Rechte an dessen Platten eine Million Dollar an Arista. 1 9 8 0 ernannte die T.). Martell Foundation, ein Wohltätigkeitsunternehmen der Musikbranche, das von einem CBS-Manager geleitet wurde, Clive Davis zum »Humanitarian of the Year«. Clive, der Menschenfreund des Jahres, sorgte dafür, daß diese Tatsachen bekannt wurden. Doch obwohl es ihm gelungen war, dem Gefängnis zu entgehen, und trotz seines noch größeren Erfolgs beim Wiederaufbau seiner Karriere erholte sich Clive nie von seinem Hinauswurf. »Clive war ein für allemal geschädigt«, sagte Elliot Goldman, der sein zweiter Mann bei Arista wurde. »Er halle immer die phantastische Fähigkeit besessen, selbst in kleinen Dingen alles so hinzudrehen, daß er dabei korrekt und gut wirkte. Jetzt schreibt Clive fortwährend an seinem Nachruf, weil er sich nicht mit der Tatsache abfinden kann, daß -

ganz gleich, was er tut - >Clive Davis, Komma, vorbestraft* ein Abschnitt seiner Lebensgeschichte sein wird.« Dick Asher glaubte ebenfalls, daß Clive ein anderer Mensch geworden war. Der Clive Davis, den er gekannt hatte, war durch nichts zu erschüttern gewesen. Linmal, Anfang der Siebziger, hatte sich Clive bei Dick darüber beklagt, wie schrecklich das Busineß sei. Dann kam ein Reporter von einem Branchenblatt, um ein Interview mit ihm zu machen, und Clive bat Dick, dazubleiben und zuzuhören. Zu Ashers Verblüffung begann Clive ein leuchtendes und überzeugendes Bild der finanziell hervorragenden Lage bei CBS Records zu zeichnen. Dick wußte, er hätte so eine Show selbst dann nicht abziehen können, wenn es um sein Leben gegangen wäre. Ungefähr sechs Monate nach Clives Hinauswurf kam Dick aus London zurück und sah seinen ehemaligen Chef zum ersten Mal, seit der Skandal losgebrochen war. »Ich fuhr in einem Auto mit ihm«, sagte er, »und Clive bemühte sich, ein tapferes Gesicht zu machen. Aber seine Hände zitterten. Und seine Stimme schwankte. F.r zwinkerte. Früher war er der Inbegriff der Selbstsicherheit gewesen. Und ich weiß einfach, daß der Clive Davis von heute ein anderer Mensch ist als der vor seiner Entlassung.«

V

or gar nicht langer Zeit dachte Clive Davis noch einmal laut über den Skandal nach, der zu seinem Hinauswurf bei CBS geführt

hatte. »Jemand, der im Plattenbereich arbeitete und den ich nicht eingestellt halle [David Wynshaw |, behauptete, in der Plattenindustrie und bei CBS selbst seien strafbare Handlungen - Payola - begangen worden. Wynshaw war bei eigenen großangelegten Betrugsmanövern erwischt worden, von denen ich nichts wußte. Und er verleitete die Beamten in New Jersey dazu zu glauben, es gebe ein ernstes Problem in der Plattenbranche, oder genauer, bei CBS, das man an die große Glocke hängen könne. Seine Anwälte meinten, wenn sie nur genug Kugeln in verschiedene Richtungen abfeuerten, würden sie schon irgendwas treffen, was sein Strafmaß verringern würde.

Es war schrecklich unverantwortlich, so etwas zu tun, und es führte dazu, daß der Staat etliche Millionen Dollar ausgab und behauptete, man werde unglaubliche Enthüllungen zutage fördern. Um seine vom Staat lizensierten Geschäfte zu schützen, mußte CBS mich in die Pfanne hauen. Nicht etwa, weil sie etwas wußten; sie brauchten lediglich jemanden, dem sie die Schuld in die Schuhe schieben konnten. Und da [die Behörden] bei CBS nichts Schlimmes über mich oder jemand anderen finden konnten, mußten sie zumindest den Eindruck erwecken, sie hätten etwas entdeckt, um die Millionen zu rechtfertigen, die sie ausgegeben hatten. Also erhoben sie am selben Tag, als sie diese paar untergeordneten Angestellten kleiner Plattenfirmen verklagten, auch eine Anklage wegen Steuerhinterziehung gegen mich, bei der es um die gleiche Sache ging wie bei der CBS-Klage. Das am selben Tag zu tun, an dem man die Payola-Anklagen erhob, war ein horrender Mißbrauch der Justiz. Es wäre niemals Klage in einem dieser anderen Punkte gegen mich erhoben worden, weil ich niemals bei irgendeiner Straftat mitmachen würde. Als ich von der Martell Foundation zum >1 lumanitarian of the Year< gekürt wurde, hieß es, die Branche könne von Glück reden, daß jemand wie ich während jener schrecklichen, einsamen Jahre, in denen sie diese Mammutuntersuchung über sich ergehen lassen mußte, das Symbol gewesen sei. Es war wie in den McCarthy-Jahren, wo jeder eigennützige Zwecke verfolgte und nichts zu finden war. Und ich mußte das letztendlich für die Branche erdulden. Das sage ich nicht, um mich zum Märtyrer zu stilisieren. Aber es ist traurig. Ich möchte das nicht noch einmal durchmachen müssen.« Obwohl man Clive seine mangelnde Reue vorwerfen könnte, halle er vielleicht Grund, seine Verfolger zu verachten. Wenn alle derart schuldig waren, weshalb war Project Sound dann so böse gescheitert? Darauf gibt es keine einfache Antwort. Die Staatsanwaltschaft hat eindeutig Fehler gemacht. Zum Teil lag es jedoch auch an der Schwäche des Payola-Bundesgesetzes, das eine maximale Geldstrafe von 1 0 0 0 0 Dollar und nicht mehr als ein )ahr Gefängnis vorsieht. In diesem Kontext war Kenny Gambles Strafe hart.

Dadurch, daß es der Anklage nichl gelang, auch nur eine einzige Person ins Gefängnis zu schicken, hat sie vielleicht mehr dazu beigetragen, den Boden für das Network zu bereiten, als wenn sie das Project Sound gar nicht erst gestartet hätte.

6 Walters Krieg

N

ur aufgrund einer überraschenden Wendung des Schick-

sals war der dickbäuchige, bärtige, schon etwas ältere Irwin Segelstein, der noch nie etwas mit Musik zu tun gehabt

hatte, über Nacht einer der mächtigsten Männer in der

Plattenindustrie geworden. Irwin hatte Clives Scheckbuch übernommen, und jetzt war er der Mann, der die Deals machte. Er war derjenige, den die Anwälte und Manager der Künstler lautstark zu sehen

oder am Telefon zu sprechen verlangten. Aber Irwin gehörte nicht zu denen, die sich an der »kreativen Front« engagierten, wie Clive es genannt hatte. Er ließ nicht zu, daß ihm die mit seiner Position verbundene Macht zu Kopfe stieg. »Eins war mir klar«, sagte er. »Wenn ich mir erlauben würde, mich in die kreative Seite des Musikgeschäfts einzumischen, müßte man mich rauswerfen.« CBS Records, wie Clive es hinterlassen hatte, war ein Moloch. Unter seiner Ägide halle CBS eine Riege populärer Künstler aufgebaut, die das Unternehmen noch bis weil in die achtziger Jahre hinein tragen sollte. Der Marktanteil von CBS Records war beinahe doppelt so hoch wie der des stärksten Konkurrenten, RCA, obwohl die Labels von Warner Communications deutlich aufzuholen begannen und sich bald als ernsthafte Rivalen erwiesen. In einer anderen Hinsicht hatte Clive CBS Records seinem Nachfolger jedoch in schlechtem Zustand hinterlassen. Wegen seines autokratischen Führungsstils gab es an der Spitze ein ManagementVakuum. Nachdem er in Liebersons Nachfolge Präsident des gesamten Tonträgerbereichs geworden war, halle er sich 1 9 7 0 geweigert, einen neuen Chef für Columbia zu ernennen. Clive gab zu, daß er sich

die Befugnis bewahren wollte, auch bei Columbia Künstler unter Vertrag zu nehmen; aus diesem Grund war er während seiner Zeil als Präsident von CBS Records auch Präsident von Columbia geblieben. Nach seinem Abschied war Irwin nun de facto ebenfalls Präsident von Columbia, und da niemand befördert werden durfte, ehe die NewarkUntersuchung nicht abgeschlossen war, konnte er keinen kreativen Kopf an die Spitze des Labels stellen. In kreativen Dingen mußte Irwin sich deshalb stark auf Kip Cohen stützen, den Chef von PopA&R. Doch Irwin war gerade erst zwei Monate Präsident, als Cohen ging. Irwin ersetzte ihn durch Charlie Koppelman, den früheren Chef des Verlagsbereichs von CBS Records. Koppelmans Effektivität war ziemlich begrenzt, erinnerte sich Segelslein, denn er stürzte sich sofort in »wilde Geschäftemacherei, statt ein A&R-Mann zu sein«. Das kam davon, daß Columbia keinen Präsidenten mit kreativen Fähigkeiten hatte. (Der J o b würde schließlich an Bruce Lundvall gehen, aber erst Ende 1975.) Die Warner-Labels hätten keineswegs das gleiche Problem gehabt, wenn beispielsweise der Chairman des Boards von Warner Brothers, Mo Ostin, das Unternehmen Knall aul Fall verlassen hätte und durch einen Femsehmanager ersetzt worden wäre. Ostin, im Prinzip zwar Boß sämtlicher Warner-Labels, war dennoch kein Monarch wie Clive Davis.

1 9 7 3 gab es wenigstens fünf Personen neben Ostin, die

Schecks ausstellen durften: Joe Smith bei Warner Brothers; Ahmet Ertegun und Jerry Wexlerbei Atlantic; Jac Holzman bei Elektra; und ein relativer Newcomer namens David Geffen bei Asylum. Warner war voll darauf vorbereitet, Clive Davis' Abgang auszunutzen. Was den Vertrieb betraf, so hatte CBS immer noch einen großen Vorsprung vor Warner, aber das sollte nicht mehr lange so bleiben. Unter Führung von Clives innerbetrieblichem Feind Bill Gallagher hatte CBS als erste Plattenfirma ein Netz aus Vertriebsslellen errichtet. Anfang der siebziger Jahre baute Warner seinen eigenen Vertrieb auf, WEA Corporation (für Warner, Elektra und Atlantic). WEA steckte noch in den Kinderschuhen, als Clive CBS verließ. Aber im Lauf der nächsten beiden Jahre gelang es WEA, dem wie gelähmt darnieder-

liegenden

Branchenriesen CBS eine Anzahl Schlüsselfiguren ab-

zuwerben und praktisch mit CBS gleichzuziehen. Der Vertrieb ist keine Nebensächlichkeit. Er ist einer der beiden unverzichtbaren Faktoren, wenn man einen nationalen Popstar lancieren will; der andere ist das Radio-Play. Zuerst muß man die Platten des Künstlers bekanntmachen, indem man sie ins Radio bringt (das sogenannte »advertising«). Wenn man eine Nachfrage geschaffen hat, muß man dafür sorgen, daß die Platten rechtzeitig an die Läden ausgeliefert werden, um die Nachfrage zu befriedigen. Es ist ein bißchen wie bei der Einführung einer neuen Zahnpasta-Marke. Die effektivste überregionale Werbung ist wertlos, wenn man nicht genug »shelf space« hat, das heißt, wenn man sein Produkt nicht überall in die Regale bekommt. Als Clive zu CBS kam, stand der Vertrieb allen Plattenfirmen offen, egal ob groß oder klein. Es gab Dutzende von unabhängigen Vertriebsgesellschaflen, die man engagieren konnte, um seine Platten in die Läden zu bekommen. Ende der Siebziger zeichneten sich sechs »große« Labels - sogenannte »majors« - als die Oligarchen der Plattenindustrie ab: CBS, Warner, RCA, Capitol-EMl, PolyGram und MCA. (RCA wurde 1 9 8 6 von Bertelsmann übernommen.) Sie hießen »große« Labels, weil sie jeweils einen eigenen überregionalen Vertrieb hatten. Ende der Siebziger fanden die Majors, daß sie mehr Marktanteile brauchten. Das war nur natürlich. Wenn man erst einmal flächendeckend Veririebsstellen, Lager und Versandeinrichtungen aufgebaut hat, braucht man ein enormes Umsatzvolumen, damit sie auch ausgelastet sind. Eine so riesige »Pipeline« muß die ganze Zeit gefüllt sein, sonst rentiert sie sich nicht. Den Majors waren jeweils 5 oder sogar 10 Prozent des amerikanischen Pop-Marktes nicht genug; sie wollten 10 bis 15 Prozent haben. Also begannen sie, kleine und sogar ein paar größere Labels zu kaufen. Capitol-EMl erwarb Liberty Records und United Artists Records, MCA übernahm ABC-Dunhill. In den späten siebziger Jahren begannen die Majors, auch Vertriebsvereinbarungen mit allen einigermaßen großen oder wichtigen unabhängigen Labels zu treffen. Heute

wird Motown von MCA vertrieben, Virgin von WEA, Def Jam von CBS und so weiter. Der unabhängige Vertrieb ist praktisch tot. Der Terminus »Oligopol« beschreibt das heutige Plattengeschäft treffend: Die meisten amerikanischen Plattenläden beziehen fast ihre gesamte Ware von sechs Lieferanten. Diese sechs - CBS, Warner, BMG, Capitol-EMl, PolyGram, MCA sind so etwas wie die sechs souveränen Staaten der Popmusik. Heute gibt es praktisch keinen amerikanischen Popsänger und keine Rockband von nationaler Bedeutung, an denen ein Major nicht auf die eine oder andere Weise beteiligt ist. Die Zeiten, in denen eine Winzlingsfirma wie Vee Jay die Four Seasons mit Hilfe des unabhängigen Vertriebs auf den Markt bringen konnte, sind vorbei. (Mit dem Aufkommen des Network sollten sich die Majors sowohl das »advertising« als auch den »shelf space« endgültig aneignen und die Branche damit vollständig unier ihre Kontrolle bringen.) Künstler, die auf der Suche nach einem Plattenvertrag sind, haben auch nicht mehr annähernd so viele Label wie in den sechziger Jahren zur Auswahl, weil die Gesamtzahl der unabhängigen Labels drastisch geschrumpft ist. »Als ich vor fünfzehn Jahren - am Anfang meiner Laufbahn - mit Demobändern hausieren ging«, sagte ein ehemaliger Künstlermanager im Jahr 1986, »hatte ich fünfundzwanzig Adressen. Jetzt sind nur noch sechs Majors übrig.« Das läßt sich mit weniger Auswahl für die Konsumenten übersetzen. Die Plattenindustrie bringt pro Jahr ungefähr zweitausend LPs bzw. CDs heraus, halb so viele wie noch vor einem Jahrzehnt. Selbst die Formulierung »die großen Sechs« ist eigentlich eine Verharmlosung des wahren Konzentrationsprozesses in der Plattenindustrie. Mit weitem Abstand ganz vorne stehen die großen Zwei. Ende der achtziger Jahre war die amerikanische Plattenindustrie ein SechsMilliarden-Dollar-Kuchen, und ein sattes Drittel davon verleibten sich CBS und Warner ein. Ihr gemeinsamer Inlandsumsatz betrug wahrscheinlich über zwei Milliarden Dollar pro Jahr. Die ungleiche Macht Verteilung resultierte direkt daraus, daß Clives (IBS und Ostins Warner als erste Plattenfirmen das Potential des LP-Rock erkannt hatten.

Vor gar nicht so langer Zeil konnte man CBS und Warner noch als die Gegenstücke der beiden Supermächte der Welt in der Plattenindustrie betrachten. Wer dabei welchen Part spielte, hing vom jeweiligen Blickwinkel ab. (»Nachdem ich CBS verlassen hatte«, sagte Jack Craigo, »fand ich heraus, daß wir bei Warner als >die Kommunisten* bezeichnet wurden.«) Die beiden Unternehmen üben immer noch die Hegemonie über die Branche aus. Es gibt keine dauerhaften Preiserhöhungen, wenn sie sie nicht billigen. Es ist unmöglich, ein neues Format einzuführen - wie etwa die Single-Kassette, um ein Beispiel aus jüngerer Zeil zu nehmen

wenn sie nicht mitspielen.

Dank der Macht ihrer Blockstimmen heimsen CBS und Warner sogar einen übergroßen Anteil der Grammys ein. Die Vormachtstellung von CBS Records gehl auf Clive Davis' Präsidentschaft zurück. Während seiner Amiszeil hatte Clive das Gefühl, daß Warner ganz allmählich zu ihm aufschloß. In dem Durcheinander bei CBS, das auf Clives Entlassung und die Newark-Untersuchung folgte, erlebte Warner einen rasanten Aufstieg und zog mit CBS gleich. Es gibt CBS-Anhänger, darunter Craigo, die der Meinung sind, daß Warner CBS nie eingeholt hätte, wenn die Hexenjagd des Project Sound nicht gewesen wäre. Das ist wahrscheinlich unfair Warner gegenüber, obwohl außer Frage stein, daß CBS während seiner zwei Jahre unter Irwin Segelstein Schwung verloren hat. Schließlich mußte er sich erst einmal in der Branche zurechtfinden.

G

oddard Lieberson, der Mann, der Segelstein vielleicht am meisten hätte helfen können, erwies sich sozusagen als im Ausland

lebender Grundbesitzer. Bereits jenseits des Pensionsalters, hatte Goddard bei seiner Rückkehr zu CBS Records festgestellt, daß der

Schwerpunkt nun auf einer Musik lag, zu der er keine sonderlich große Beziehung hatte. Er versprach, den erfolgreichen Vormarsch von CBS Records in die Rockmusik fortzusetzen, gelobte jedoch, die hohen Gebote für fremde Künstler herunterzuschrauben, die seiner Ansicht nach außer Kontrolle geraten waren. Überdies beschnitt er die Sondervergünstigungen. »Da wurde ein bißchen zuviel Ludwig XIV.

gespielt«, sagte er. Das war so ziemlich die einzige Orientierung, die er Irwin Segelstein gab. »Ich konnte in sein Büro marschieren und sagen: >Das und das ist los, was soll ich jetzt machen?*« erinnerte sich Segelstein. »Aber er ließ sich nicht darauf ein. Goddard hing meistens am Telefon und schwatzte mit irgendwelchen Größen und Beinahegrößen.« Deshalb wandte sich Irwin mehr und mehr an Walter Yetnikoff, der den gleichen Rang bekleidete wie er. Walter leitete den weniger glamourösen Bereich, CBS Records International. In dieser Funktion war er einer der wenigen ranghohen Manager des Tonträgerbereichs im Black Rock, die bei der Newark-Untersuchung nicht auf der Verdächtigenliste standen. Als die Ermittlungen Irwin zunehmend frustrierten, weil sie seiner Ansicht nach Unschuldigen Schaden zufügten, machte er seinem Zorn oftmals Walter gegenüber Luft. »Ich schimpfte herum«, erinnerte er sich, »und Walter hat mir dann den Rücken gekrault.« Walter seinerseits schien Segelstein aufrichtig zu mögen. Irwin war »so jüdisch wie ich«, sagte Walter. Falls Walter im Sinn hatte, die Karriereleiter hochzuklettern, so m u ß ihm klar gewesen sein, daß Irwin auf lange Sicht kein ernsthafter Rivale war. Segelstein hatte ausdrücklich erklärt, daß er irgendwann wieder zum Fernsehen zurückwollte. Ebenso klar m u ß ihm gewesen sein, daß Goddard Lieberson nicht vorhatte, noch viel länger Präsident des Tonträgerbereichs zu bleiben. Der Gedanke, Spitzenmann von CBS Records zu werden, reizte Walter. »Ich glaube, ich wollte es«, gestand er kürzlich. »Aber ich glaube nicht, daß ich mich für qualifiziert hielt. Jetzt schon, aber damals nicht. Jetzt finde ich, daß ich überqualifiziert bin.« Während dieser Zeil sorgte Walter dafür, daß Arthur Taylor mehr Kenntnis von ihm nahm. Um sieben oder acht Uhr abends kam er häufig noch auf ein Schwätzchen in seinem Büro vorbei. Dabei ging es oft um ausländische W ä h r u n g - d e r starke Dollargegen den schwachen Yen - und internationale Finanzierung. Taylor, ehemals Geschäftsführer bei einer im Wertpapier- und Emissionsgeschäft tätigen Wall-Streel-Firma, war ein Experte auf diesen Gebieten. Er war erfreut und geschmeichelt, daß Walter seinen Rat suchte. Auf die Frage eines

Reporters, ob er je das Gefühl gehabt habe, daß Walter ihm absichtlich um den Bart gegangen sei, lachte er. »Ich bin jeden Tag mit zwanzig Leuten zusammengetroffen«, sagte er. »Wenn ich herauszufinden versucht hätte, wer damit irgendwelche ehrgeizigen Ziele verfolgte, wäre ich nicht weit gekommen.« Walter beharrte jedoch darauf, daß er sich nicht um den J o b bemüht hatte. Als Goddard seine Absicht bekanntgegeben habe, zurückzutreten, habe er ihn sogar davon abzubringen versucht. »Goddard mochte den Managerjob nicht, er hatte keine Lust mehr dazu«, erinnerte sich Walter. »Lr wollte schreiben, er wollte in Santa Fe leben, blablabla. Und ich habe versucht, es ihm auszureden. Wenn ich auf den J o b scharf gewesen wäre, wäre ich verrückt gewesen, stimmt's? Irgendwo in meinem Hinterkopf war vielleicht so eine kleine Stimme, die gesagt hat: >Du könntest es wahrscheinlich machen, du könntest es wahrscheinlich machen, wär das nicht toll?< Aber ich hab's nicht geplant. Kann sein, daß ich es gewollt habe und daß ich Angst davor hatte, aber geplant habe ich es nicht. Und ich weiß noch, daß ich sagte: >Goddard, Sie können nicht gehen, was soll ich denn ohne Sie machen?* Und er sagte: »Können Sie mich aus all diesen Meetings raushalten?* Ich versprach ihm, es zu versuchen. Also bin ich zu Arthur Taylor gegangen und habe gesagt: »Ich finde, Goddard sollte bleiben. Es wäre gut für die Firma.* Wenn ich Pläne geschmiedet hätte, wäre das total gegen mein eigenes Interesse gewesen. Ich habe vielleicht gedacht, das wäre doch was! Aber ich habe ganz bestimmt in keiner Weise manipuliert. Ich bin kein Manipulator - glaube ich jedenfalls. Ich bin grob, und ich rede zuviel, aber ich bin kein Manipulator. Und Taylor sagt: >Okay, Sie können ihn aus vielen dieser Meetings raushalten, aber zu den Board-Sitzungen muß er kommen.* Also bin ich wieder zu Goddard gegangen. »Alles klar, ich hab's geschafft. Sie sind raus aus den ganzen Meetings - aber Sie müssen zu den Board-Sitzungen kommen.* Er sagte: »Das werde ich nicht tun.* Ich sagte: »Jetzt hören Sie mal, Sie können nicht gehen .. .*« Aber Anfang 1975 ging er doch in den Ruhestand. Goddard wußte es zu diesem Zeitpunkt noch nicht, aber er halte nur noch zwei Jahre

zu leben. Er bekam Krebs, und dieser entwickelte sich in rasantem Tempo. »leb war sehr wütend darüber, daß er mir starb«, sagte Walter. »Ganz im Ernst. Ich dachte nämlich, daß Goddard das System besiegt hatte. Er hatte CBS verlassen, als er es verlassen wollte, nicht, als sie es wollten. Er hatte ein paar unangenehme Jahre in der Clive-Ära gehabt, als Clive ihn dauernd beiseiteschob. Aber jetzt war er wieder ganz oben. Er ging mit einem erstklassigen Ruf, und er ging, um das zu tun, was er tun wollte. Ich glaube, er war ein ziemlich glücklicher Mensch; auf jeden Fall war er einer der kultiviertesten, lustigsten Typen der Welt. Und er machte, was er wollte. Er war finanziell abgesichert. E r . . . h a t t e . . . d a s . . . S y s t e m . . . besiegt. Und dann starb mir der Mistkerl! Es klingt vielleicht seltsam, aber ich war wirklich sauer.« Die Entscheidung, Liebersons J o b Walter Yetnikoff zu geben, ist möglicherweise an Bord von Arthur Taylors Zwölf-Meter-Yawl gefallen. Taylor war ein begeisterter Segler und ging oft mit seinem Anwalt Stanley Schlesinger segeln, der auch CBS in der NewarkUntersuchung vertrat. Zum Glück konnte Taylor das Boot allein segeln; Schlesinger weigerte sich nämlich, als Besatzungsmitglied zu arbeiten. Stanley lernte Walter Yetnikoff an Bord der Yacht kennen. Sie mochten einander vom ersten Augenblick an. Stanley fand Walter ein bißchen schüchtern - ein Wort, mit dem Yetnikoff zu dieser Zeit häufig beschrieben wurde -, aber außerordentlich intelligent. Walter teilte auch Schlesingers Aversion gegen die körperlichen Anforderungen des Segeins. Er war mehr für die gemütliche Tour. Taylor mußte Lieberson durch einen neuen Mann an der Spitze von CBS Records ersetzen, und er wußte, daß es eine Entscheidung von höchster Tragweite war. Er dachte an Irwin und Walter, aber auch an diverse Leute von außerhalb des Unternehmens. Schlesinger begann Taylor zu drängen, sich für Walter zu entscheiden. Stanley argumentierte seiner eigenen Erinnerung zufolge, daß Walter nicht nur clever, sondern auch »untadelig und ehrlich [war] - Eigenschaften, denen damals wegen der Newark-Geschichte besondere Bedeutung zukam«.

Taylor tendierte bereits dazu, Walter zu nehmen, und bot ihm die Position bald an. Schlesinger gewann dadurch in Walter nicht nur einen lebenslangen Freund, sondern auch einen wichtigen Klienten. Im Mai 1 9 7 5 stieg Waller zum Präsidenten von CBS Records auf dem »Führerjob«, wie er es mit dem halbdeutschen Wort nannte. Wie die Entscheidung schließlich getroffen wurde, ist nicht ganz klar; es hängt davon ab, wer davon erzählt. Walter bevorzugte eine Version, die ihn als Herzensbrecher darstellt. »Ich bekam ihn, weil Arthur Taylors Assistentin mich mochte«, sagte er. Irwin war - womöglich zu seiner eigenen Überraschung - ein wenig enttäuscht. Nur einen Monat später wurde ein J o b in der Programmredaktion von CBS frei, und er nahm ihn an. Er verließ clen Tonträgerbereich mit gemischten Gefühlen. Irwin befürchtete, daß die Fernsehleute ihn vergessen würden, wenn er der Programmredaktion zu lange fernblieb. Andererseits hatte er so lange bei der Plattenfirma bleiben wollen, bis er die Branche kennengelernt und eine gewisse Wirkung erzielt hatte, und er fand, daß vier Jahre die richtige Zeitspanne gewesen wären. Trotzdem ging Irwin Segelstein nach zwei Jahren an der Spitze von CBS Records USA zum Fernsehen zurück. Walter lud ihn zur jährlichen Vertriebstagung von CBS Records ein, die in jenem Juli in Kalifornien stattfinden sollte. »Jemand sah mich hereinkommen, und plötzlich standen alle auf und begrüßten mich mit einerstehenden Ovation«, erinnerte sich Irwin. »Walter schob mich vor sich her. Das war einer der schönsten Augenblicke meiner Zeil bei CBS.« Im Rückblick bezeichnete Taylor die Ernennung Walter Yetnikoffs als »eine brillante Entscheidung - vielleicht die beste ManagementEntscheidung, die ich je getroffen habe«. Das sagte er 1987, als CBS Records ein erfolgreiches Jahr hatte. Taylor legte ganz selbstverständlich einen finanziellen Maßstab für die Qualität des Spitzenmanagements an. Im Busineß bezeichnen Führungskräfte die vierteljährlichen Gewinne oftmals als ihr »Zeugnis«. Nach diesen Maßstäben hatte sich Taylor, der Präsident von CBS, selbst als erstklassiger Schüler erwiesen. 1976 erreichten die Gewinne eine Rekordhöhe. Dennoch begann William Paley sich aus irgend-

einem Grund zu fragen, ob seine Ernennung von Taylor letztlich ein guter Zug gewesen war. Vielleicht war Taylor ein bißchen cu erfolgreich als CBS-Präsident, wie Paley-Biographen angedeutet haben, und der alle Mann begann zum ersten Mal zu spüren, daß auch er sterblich war. Paley war damals fünfundsiebzig Jahre alt. Jedenfalls halle Schlesinger völlig recht gehabt, als er Taylor gewarnt haue, der Gründer und Chairman von CBS werde Probleme haben, die Zügel aus der Hand zu geben. Denn zu Arthur Taylors großer Überraschung setzte ihn Paley im Oktober 1 9 7 6 vor die Tür. »Ich glaube, als Paley immer öfter zu Ohren kam, wie gut ich meine Sache machte, konnte er das nicht ertragen«, sagte Taylor. »Ich reagierte darauf, indem ich meine Anstrengungen verdoppelte, aber zu diesem Zeitpunkt war schon nichts mehr gut genug, was ich tat. Es war, als würde man neben einem Elefanten schlafen. Man gehl behutsam mit ihm um, weil er sich über einen wegwälzen könnte. Genau das ist mir passiert.« Paley sah die Sache anders. »Ich habe einfach kein Händchen für so etwas, schätze ich. Ich dachte, ich hätte mit Arthur Taylor einen guten Mann gefunden. Er war jung, ehrgeizig und dynamisch und konnte sich gut ausdrücken - aber es hai einfach nicht funktioniert.« Um Taylor zu ersetzen, suchte Paley einen geeigneten Mann innerhalb des Unternehmens und bot den J o b lohn Backe an, dem Leiter des Verlagsbereichs von CBS. Backe, der ehemalige Kommandant einer Bomberstaffel der US Air Force, hatte im Verlagsbereich gute Arbeit geleistet. Neben anderen Errungenschaften hatte er Fawcett Publications und die Zeitschrift Woman's Day in die CBS-Familie eingemeindet. Mit dreiundvierzig Jahren übernahm Backe also Taylors Platz als zweiter Mann des Radio- und Fernsehriesen. Im Gegensatz zu Taylor bestand Backe jedoch auf dem klangvolleren Titel des Präsidenten und Generaldirektors. Offenbar hatte Backe das Gefühl, das würde seinen J o b sicherer machen als den von Taylor. Schließlich konnte man bei Paley nicht vorsichtig genug sein. Der alte Mann war manchmal launisch.

W

aller Yetnikoff scherzte nicht, als er sagte, er habe an seiner Eignung zur Führung von CBS Records gezweifelt. Er bekam den

Titel nach einem zweijährigen Interregnum, in dessen Verlauf CBS Records stagniert und die Warner-Labels beträchtlich an Boden gewonnen hatten. Er würde mit Clive Davis verglichen werden, nicht mit Irwin Segelstein. Es würde nicht leicht werden. Die Branche beobachtete ihn. Und während der ersten ein oder zwei Jahre gefiel ihr, was sie sah. »Walter war in unserer Gemeinschaft beliebt, weil er so bescheiden war«, sagte der Anwalt Eric Kronfeld. »Lr sagte immer, seine Macht sei absolut flüchtig und hänge von Bill Paleys Launen ab. Es sei keine persönliche Macht. Mit dieser Äußerung und Einstellung unterschied er sich so sehr von allen anderen in der Plattenbranche, daß sich die Leute für Walter erwärmten. Er

war der kleine Junge, der ganz nach oben gekommen war. Man liebte ihn einfach. Man wollte etwas für ihn tun.« Das war noch der gleiche Waller Yetnikoff, der ein paar Jahre zuvor bei einer Tagung in London vor dem Publikum kein Wort herausgebracht hatte. Er war stark mit der jüdischen Kultur verbunden das war immer schon so gewesen -, aber er mußte sein Erbe erst noch in ein militantes Wahrzeichen verwandeln. Er war nicht der Walter Yetnikoff, der mitten in einem Interview mit einem Reporter plötzlich innehielt und fragte: »Wie stehen Sie eigentlich zu den Juden?« Die ungestüme, wilde, kämpferische Seite von Walter mußte erst noch zum Vorschein kommen. Durch Walters Beförderung war sein alter Posten freigeworden. Es überraschte niemanden, daß er in einer seiner ersten offiziellen Handlungen als Präsident des Tonträgcrbereichs Dick Asher zum neuen Leiter von CBS Records International ernannte. Dick hatte die letzten drei Jahre in London verbracht und dort das CBS-Label geleitel, und er hatte gute Arbeit geleistet. Nun kam Dick nach New York zurück. Dick und Walter waren zwar nie enge Freunde gewesen, aber stets gut miteinander ausgekommen. Sie waren altersmäßig ein Jahr auseinander, und beide hatten ihre Collegefreundinnen geheiratet. Sie besuchten die bar mizwas ihrer jeweiligen Söhne und gingen mit ihren Frauen zu Konzerten im Fillmore East. Seit Dick 1 9 6 6 zu CBS

gekommen war, hatten sie eng zusammengearbeitet. Als Asher Leiter der kaufmännischen Abteilung geworden war, war Walter Justitiar gewesen. Dick handelte Verträge aus, Yetnikoff setzte sie auf. Als Dick zu CBS Records Großbritannien ging, war Walter sein unmittelbarer Vorgesetzter. Und jetzt hatte Waller Dick bei der ersten Gelegenheit eine große Beförderung verpaßt. Aber nicht lange nach Dicks Rückkehr nach New York halten Waller und er ihren ersten ernsthaften Streit. Es ging um Clive Davis. Clive hatte sich gerade der Steuerhinterziehung schuldig bekannt und würde demnächst verurteilt werden. Die einzigen CBS-Leute, die dem Richter ihre Einstellung zu Clive offenbart hatten, kamen aus der Rechtsabteilung des Unternehmens, und was sie zu sagen halten, war negativ. Clive hoffte, ein paar seiner allen Kollegen dazu bewegen zu können, dem Richter Empfehlungsschreiben zu schicken. Asher war nicht seine erste Wahl gewesen, weil er während der letzten Jahre von Clives Amtszeit in London gewesen war. Aber die meisten anderen, die Clive um einen Brief gebeten hatte - Dick nahm an, daß Yetnikoff auch zu ihnen gehörte -, hatten ihm einen Korb gegeben. Asher erklärte sich ohne weiteres einverstanden. »Ich erklärte Walter, ich würde den Brief schreiben«, erinnerte sich Dick. »Und er sagte zu mir: >Das wird Arthur Taylor nicht gefallen. Dafür könntest du rausfliegen.< Und Walter drohte mir und versuchte alles, um mich davon abzubringen, den Brief zu schreiben. Er sagte, Clive sei arrogant, und daß ich das nicht für ihn tun sollte. Ich sagte: »Moment mal, Walter, ich mache das eigentlich für mich.< Clive war in vielerlei Hinsicht gut zu mir gewesen, wie konnte ich ihm da die kalte Schuller zeigen, als er in Schwierigkeiten steckte? Und ich sagte zu Walter: »Weißt du, du solltest wirklich selber einen Brief schreiben, denn für dich hat Clive noch wesentlich mehr getan als für mich.< Walter wäre nicht mal Leiter der Rechtsabteilung geworden, nachdem Clive Präsident geworden war. Sie versuchten, jemand anderen reinzudrücken. Und Clive hat wirklich gekämpft, damit Walter den Posten bekam. Jedenfalls schrieb ich den Brief. Ich gab Walter und Arthur Taylor eine Kopie, und ich hörte nie mehr etwas davon. Schließlich fragte

ich Walter, was passiert sei. Er sagte, Arthur Taylor sei nicht damit einverstanden gewesen, aber er habe verstehen können, warum ich es getan hätte.« Zweifellos hegte Walter einen Groll gegen seinen früheren Boß. Unter Freunden gab Walter eine vernichtende Imitation von Clive zum besten - seinen pseudo-europäischen Akzent, seine eitlen Manierismen. Die Abneigung schien gegenseitig zu sein. Kurz nachdem er Goddards Posten übernommen habe, sagte Walter, »bat ich Clive um einen Rat. Ich wußte, was er durchmachte, aber ich brauchte trotzdem seinen Rat, und ich glaube, er hat mir einen schlechten Rat gegeben, weil er unbewußt nicht davon absehen konnte, was er bei CBS gewesen war. Wenn man einmal für jemanden gearbeitet hat, ist es sehr schwer für den Betreffenden, einen als gleichrangig zu akzeptieren. Für die ist man immer ihr Untergebener. Ich glaube, Clive hat mir einen sehr schlechten Rat gegeben. Er sagte: >Nimm nicht diesen Künstler unter Vertrag, sondern jenen. < Genau das Gegenteil von dem, was sich letzten Endes als richtig erwiesen hat. Er war ziemlich sauer auf CBS, und das mit gutem Grund; mir jedenfalls hat er nicht sehr geholfen.« 1 9 7 8 wurde Clive eingeladen, bei der NARM-Tagung - der wichtigsten jährlichen Versammlung der Plattenindustrie - die programmatische Ansprache zu hallen. NARM ist die National Association of Recording Merchandisers, eine Vereinigung von Groß- und Einzelhändlern; ihre Jahrestagung bringt die Plattenfirmen und die Händler zusammen. Es war ein wichtiger Augenblick für Clive, der Präsident von Arista geworden war; er signalisierte seine Rückkehr als führende Persönlichkeit der Branche nach seiner Schmach. Clive konnte nicht widerstehen und ließ ein paar Seitenhiebe gegen CBS vom Stapel. »Walter rastete total aus«, sagte der Präsident einer Plattenladenkelte. »Er zitierte den NARM-Vorstand am nächsten Tag in seine Hotelsuite. Also gingen wir alle rauf. Und Walter zog eine Show ab, die außergewöhnlich war. Er schrie und brüllte: DIE NASE EIN!

ICH S C H L A G E CLIVE DAVIS

Ich sitze da und denke, das ist der Präsident der größ-

ten Plattenfirma der Welt? Er drohte, wenn sie Arista nicht aus der Organisation würfen, würde er mit CBS austreten.«

Walter wußte von Anfang an, daß er sich auf Clives Feld nicht mit diesem messen konnte. Es kam nicht darauf an, daß beide Männer auf Elite-Universitäten gegangen und durch dieselbe Anwaltsfirma aufgestiegen waren. Sie waren Männer mit sehr verschiedenen Sensibilitäten. Walter wollte kein A&R-Manager werden. Aber was dann? Eine unverwechselbare Persönlichkeit ist von grundlegender Bedeutung, wenn man ein mächtiger Label-Boß sein soll. Irwin Segelstein halte sich keine zugelegt; das war, wie man mit Recht behaupten könnte, seine große Tugend: Er war zufrieden damit, Irwin Segelstein zu sein. Mo Ostin von Warner zog es vor, gesichtslos zu bleiben, aber Warner war anders, eigentlich eine Sammlung von Nationalstaaten. Alle Warner-Labels hatten mächtige, profilierte Führer. Yetnikoff überlegte, was er tun sollte. »Ich soll also Nachfolger von Clive und Goddard werden. Toll. Ich muß mein eigenes Image entwickeln. Als erstes habe ich mir einen gelben Zettel genommen und alles draufgeschrieben, was ich nach Ansicht aller möglichen Leute tun sollte. Dann bin ich abends heimgegangen, habe auf den gelben Zettel geschaut und mir ausgesucht, was ich tun wollte. Wie schmiedet man sein eigenes Image? Gar nicht so einfach. Unbewußt habe ich mir einen Kampf mit Warner Brothers rausgesucht. Also flattert mir jetzt eine große Fahne voran, auf der >Fuck Warner Brothers< steht. Ich schare alle Soldaten um die Fahne und benutze sie als Rechtfertigung, um unter dem Banner >Fuck Warner Brothers< reinzugehen und Künstler zu rauben. Es war, als hätte ich eine Nation erschaffen. Walter folgen? Niemand wußte, wer ich war. Also habe ich unbewußt einen Krieg vom Zaun gebrochen. Ich glaubte an die Sache, und jetzt hatte ich eine Armee hinter mir.« Wenn man das W i r t »unbewußt« herausnimmt, klingt diese F)arstellung wahr. Es war der Anfang von Walters Krieg, wie ihn Jack Craigo nannte, und der Ursprung von Walters neuem Image. Leute, die Walter zu kennen glaubten, waren zunächst erstaunt. Da war er auf einer CBS-Tagung und gab buchstäblich Gl-Stiefel aus. Er ließ tatsächlich Schilder malen, auf denen

FUCKWARNFR

stand. Und bei

einem Meeting stürzte er sich einmal in eine Tirade über den Wickey

Bird, den Firmenjet von Warner. Craigo und Bruce Lundvall waren in Texas gewesen, um irgendwelche Künstler zu CBS zu holen, und hatten feststellen müssen, daß Ahmet Ertegun von Atlantic tags zuvor dagewesen war -

mit dem Wickey Bird! Es sei ein Kampfflugzeug,

erklärte Walter, mit Maschinengewehren! Nachdem er General Patton gespielt hatte, brauchte Walter nur ein paar Modifikationen, um sein neues Image abzurunden. »Als Walter diesen J o b übernahm, was war er da?« sagte Elliot Goldman, der ehemalige Direktor der kaufmännischen Abteilung bei CBS, der Clive zu Arista gefolgt war. »Ein Jurist, der weder Clives kreatives Talent noch Clives Brillanz besaß. Ganz plötzlich ist er berühmt und berüchtigt wegen seines Krieges gegen Warner. Teufel auch, es hat funktioniert. Also muß Walter jetzt auch weiterhin große Töne spucken. Es hat funktioniert, weil wir im Unterhallungsgeschäft sind, und die Leute lieben die Macht und die Aura der Macht. Mit diesem Verhalten Teller durchs Zimmer zu werfen - hat Walter ungeheure Furcht ausgelöst. Anwälte bekamen es mit der Angst: Darum kann ich Walter nicht bitten! Er wird wütend auf mich werden!« Der Krieg galt allen Warner-Labels, einschließlich Atlantic, obwohl Walter Ahmet Ertegun eigentlich sehr gern mochte. Aus irgendeinem CIrund empfand er jedoch nur Feindseligkeit gegenüber dem stillen, zurückhaltenden Mo Ostin. »Es wurde ziemlich fies«, sagte Jack Craigo. Yetnikoff hatte die Statue eines starken Mannes aus dem Zirkus in seinem Büro; sie trug ein Schild mit der Aufschrift DER MENSCH MIT SPILKAS

- der Mann mit dem großen Zittern - , und er

nannte sie Mo. Er ließ selten eine Gelegenheit aus, über Ostin oder dessen Management-Stil herzuziehen. Walters Intimfeind war klein und schmächtig, hatte eine Glatze und trug eine Brille. Sein Gesicht erinnerte an ein Nagetier. Mo Ostin sorgte dafür, daß sein Foto kaum je in den Branchenblätlern erschien, gab nie Interviews und nahm nur selten an brancheninternen Veranstaltungen teil. Er war als Frank Sinatras Protege ins Musikgeschäfl gekommen. 1 9 6 3 verkaufte Sinatra ein kleines Label namens Reprise Records, das ihm gehörte, an die Warner-Filmgesellschaft, die fünf Jahre zuvor das Warner-Brothers-Label gegründet hatte. Die Labels

wurden zu Warner-Reprise vereinigt, wie es damals hieß, und Ostin wurde die Leitung der zweiten Hälfte übertragen. Warner Brothers Records hatte einen unglücklichen Start gehabt. Von 1 9 5 8 bis 1962 verlor das Unternehmen schätzungsweise 3 Millionen Dollar pro Jahr. Die Filmgesellschaft spielte mit dem Gedanken, das Plattengeschäft einzustellen, fürchtete jedoch, dann nie mehr an das Geld zu kommen, das ihr die säumigen unabhängigen Vertriebsgesellschaften schuldeten. Dann nahm Warner 1963 den Komödianten Allen Sherman und das Folk-Trio Peter, Paul and Mary unter Vertrag. Hit-Alben von Rill Cosby vervollständigten den Umschwung. Mittlerweile begann Reprise seichte Pop-Hits mit Dean Martin, Nancy Sinatra und Trini Lopez zu landen. Mike Maitland, der damalige Boß von Warner Brothers Records, holte ein paar Jahre später den Branchen-Clown und ehemaligen Discjockey Joe Smith als Promotion-Manager dazu. Smith nahm die Grateful Dead unter Vertrag, und Warner war auf bestem Wege, eine Rock-Company zu werden. Unterdessen erwarb Seven Arts, ein kleiner Fil mproduzent und Verleih, 1 9 6 6 die kompletten Warner Brothers, Filme und Platten. Durch den Kauf völlig verschuldet, entschloß Seven Arts sich schließlich, die Warner-Beteiligungen zu verkaufen, nahm vorher - 1967 - aber noch Atlantic Records in seinen Stall auf. In diesem Jahr fanden die Film- und Musikunternehmen von Warner dann in der Kinney Corporation einen stabilen Eigentümer. Kinney m u ß auf den ersten Blick eine reichlich unpassende Muttergesellschaft gewesen sein. Das Unternehmen wurde von Steve Ross geführt, einem ehrgeizigen jungen Mann aus Fiatbush. Er halte den Familienbetrieb seiner damaligen Frau - ein Bestattungsunternehmen mit vielen Filialen - übernommen und um Autovermietungen und Parkplätze erweitert. 1967 tauschte er lOMillionen Dollar in Vorzugsaktien gegen die Ashley Famous Künstleragentur ein. Fasziniert vom Unterhaltungsgeschäft, übernahm Ross bald darauf Warner-Seven Arts, wie das Unternehmen damals hieß. Ross übertrug seinen Management-Stil auf die neue Gruppe der Warner-Labels. Wirtschaftsmagazine faseln oft von »Unternehmenskultur«, aber es gibt sie - einen tiefsitzenden Glauben an eine

bestimmte Art, wie man etwas machen sollte. Die Paley-Kultur war autokratisch, und das übertrug sich auf CBS Records, aber Steve Ross glaubte an Delegation. Obwohl er mit Leichenwagen und Parkplätzen angefangen halte, erwies er sich als guter Manager für Kreative und als durchaus geeignet fürs Unterhaltungsgeschäft. Die Film- und Plattengesellschaften wuchsen so schnell über Kinneys Kerngeschäft hinaus, daß er das Unternehmen 1971

in Warner Communications um-

benannte. Mo Ostin teilte Ross' Philosophie der Dezentralisierung. Abgesehen vom Vertrieb lagen die Warner-Labels untereinander in einem knallharten Wettbewerb. Ostin nahm gefeierte Singer-Songwriter wie Randy Newman, James Taylor und Van Morrison unter Vertrag, und unter seiner Führung holte sich Warner auch Jimi Hendrix und Black Sabbat h. 1 9 7 6 hatte Mo Ostin längst bewiesen, daß er ein Record Man war. Walter hatte überhaupt noch nichts bewiesen. Das würde sich bald ändern. Der erste Schuß in Walters Krieg fiel in diesem Jahr. Die Schlacht begann während der NARM-Tagung in Florida, in einem Zimmer im Diplomat Hotel. Yetnikoff hatte gerade erfahren, daß Mo Oslin irgendeine spontane, abfällige Bemerkung über ihn gemacht hatte, und war fürchterlich wütend. Er wandte sich an den Juristen Nat Weiss, dessen

Nemperor-Label von CBS vertrieben wurde, und

schwor Rache. Es mußte einen Weg geben, sagte Walter beharrlich, es Mo heimzuzahlen. Nachdem er seinem schimpfenden Freund ein paar Minuten lang zugehört hatte, kam Weiss auf einmal eine Idee. Entschuldige mich, Walter, sagte er, ich muß mal telefonieren. Weiss suchte sich einen Münzfernsprecher und rief seinen berühmtesten Klienten an, James Taylor, dessen Vertrag mit Warner demnächst zur Verlängerung anstand. James, sagte Weiss, ich glaube, ich weiß, wie wir eine Million Dollar pro LP kriegen können. Yetnikoff war begeistert von der Idee, Warner Brothers James Taylor wegzunehmen. Er war noch kein ganzes Jahr Präsident von CBS Records und hatte sich noch nicht mit einem wichtigen Vertragsabschluß hervorgetan. Warner einen Künstler abspenstig zu m a c h e n -

und dazu noch einen seiner Superstars -, würde der Zuckerguß auf dem Kuchen sein. Anfang 1 9 7 6 stand Taylor auf dem Gipfel seiner Popularität. Seine Alben bei Warner, zum Beispiel Sweet Baby James und Gorilla, hatten Platin bekommen. Der Deal, den Yetnikoff mit Nat Weiss ausarbeitete - eine Garantie von einer Million Dollar pro Album und 2,5 Millionen Dollar Vorschuß - war nach den Maßstäben von 1976 gepfeffert, selbst für einen Hit-Act. Aber es herrschte eben Krieg. Die Unterzeichnung des Vertrags fand schließlich kurz vor dem Jahresende 1 9 7 6 in Nat Weiss' Wohnung in der Upper East Side von Manhattan statt. Sie wäre beinahe geplatzt. Taylor sollte um elf Uhr vormittags kommen, erschien jedoch erst eine Stunde später mit seinem Manager, Peter Asher (nicht mit Dick verwandt). Der Sänger war verzweifelt. Mo Oslin und andere Warner-Manager hatten ihn inständig gebeten, es sich noch einmal zu überlegen. Bald darauf brach Taylor weinend zusammen und sagte, er glaube nicht, daß er die Sache durchziehen könne. Walter, der einen unausgefüllten Vertrag und einen Scheck über 2,5 Millionen Dollar in der Hand hielt, war einem Schlaganfall nahe. »Er hat mich mit Blicken durchbohrt«, erinnerte sich Weiss. Nun ja, sagte Peter Asher und brach damit das benommene Schweigen, man m u ß James' Gefühle respektieren, UND WAS IST MIT MEINEN G E F Ü H L E N ?

erwiderte Walter. Nachdem man Taylor

stundenlang gut zugeredet hatte, unterschrieb er schließlich gegen vier Uhr morgens, und alle brachen vor Erschöpfung fast zusammen. Walters Schadenfreude währte jedoch nicht lange. Mo Ostin rächte sich nur ein Jahr später, indem er Columbia einen Künstler wegnahm, der untrennbar mit der Geschichte des lsabels verbunden war: Paul Simon. Dessen zusammen mit Art Garfunkel 1 9 7 0 eingespielte LP Bridge over Troubled Water hatte sich weltweit über acht Millionen mal verkauft und war damit das erste CBS-Album, das My Fair Lady übertraf. Obwohl Simons Solo-I.Ps sich nach seiner Trennung von Garfunkel im Jahr 1 9 7 0 nicht so gut verkauft hatten wie die Platten des Duos, waren sie dennoch kommerziell und bei den Kritikern erfolgreich. 1975 gewann Simon mit Still Crazy ajter all these Years den Grammy für die beste LR

Simon stand bei CBS im Ruf, schwierig zu sein. In der Tat, sagte Debbie Federoff, Yetnikoffs damalige Sekretärin, »konnte Walter ihn auf den Tod nicht ausstehen«. Obwohl es undenkbar war, einen so prominenten Künstler zu verlieren, war die Spannung zwischen Walter und Paul Simon deutlich spürbar, als sein Vertrag zur Verlängerunganstand. Simon nahm gern an den Verhandlungen teil, die von seinem engen Freund und Anwalt Michael Tannen geführt wurden. Ende 1 9 7 5 hatte Yetnikoff den Sänger in seinem Büro, und das Gespräch wurde bald scharf und aggressiv. Walter rief im Beisein der Besucher Arthur Taylor an und sagte, er wolle Simon den Zutritt zum Gebäude untersagen. Taylor begriff, daß Walter als Verhandlungstaktik Theater spielte, und stimmte zu: Er werde die Wachleute instruieren, Paul Simon hinaus, aber nicht wieder herein zu lassen. Wie lange? fragte Walter. Bis in alle Ewigkeit, antwortete Taylor. Hai, sagte Walter zu Simon, ich habe Arthur Taylor am Telefon, und er sagt, du hast bis in alle Ewigkeit keinen Zutritt mehr zu diesem Gebäude - bis du tot bist! Noch ehe die Sitzung vorbei war, halte Paul Simon seinen Vertrag mit CBS verlängert. Aber es war offensichtlich, daß Simon Waller nicht so mochte, wie er Clive Davis gemocht hatte. Clive, der einen guten Song erkannte, wenn er ihn horte, war ein eingefleischter Simon-Fan. Mo Ostin ebenfalls, wie sich herausstellte. Ostin hatte Mike Tannen klargemacht, daß Warner sehr interessiert wäre, falls Paul irgendwann einmal frei sein sollte. Simons Vertrag mit CBS stand Ende 1977 erneut zur Verlängerung an. Die Verhandlungen zogen sich hin und waren häufig ziemlich unerfreulich, aber am Ende glaubten Simon und Tannen, sie hätten alle wichtigen Bedingungen für einen Abschluß ausgehandelt. Sie irrten sich. »Walter dachte, wir hätten die Vertragsgrundlagen gebrochen, und wir dachten, er hätte die Vertragsgrundlagen gebrochen«, sagte Tannen. »Jedenfalls platzte die Sache. Walter rief mich mittendrin einmal an und sagte: >Es gibt keinen Deal für Paul Simon.< Daran erinnere ich mich noch sehr gut. Er sagte: »Wir sind mit Paul nicht im Geschäft.*« Im Februar 1 9 7 8 telefonierte Tannen mit Mo Ostin, und innerhalb

von vierundzwanzig Stunden hatten sie eine grundsätzliche Einigung erzielt, daß Simon zu Warner gehen würde. Wie sich bald herausstellte, hatte Warner nicht nur einen Singer-Songwriter, sondern auch ein verkanntes Matinee-Idol eingekauft. Paul Simon schrieb das Drehbuch und die Musik zu dem Film One Trick Pony und spielte auch die Hauptrolle darin. Der Film wurde ein Flop, und der Soundtrack verkaufte sich ebenso enttäuschend. Trotz Walter Yetnikoffs persönlicher Abneigung gegen Paul Simon war der Verlust eines Künstlers seines Kalibers an Warner Brothers mehr, als er ertragen konnte. Er war wütend und schwor einer von Simon im November 1 9 7 8 angestrengten Klage zufolge, CBS Records werde »Simons berufliche Karriere zerstören« - aus »Zorn und Vergeltung« für seine Absicht, das Label zu verlassen und zu Warner Brothers zu gehen. Simon schuldete CBS immer noch ein Studioalbum aus seinem alten Vertrag. In seiner Klage hieß es, Walter habe geschworen, es abzulehnen, ganz gleich, wie gut es sei, um ihn in einen Rechtsstreit zu verwickeln und daran zu hindern, Platten aufzunehmen. Simon beschuldigte CBS überdies, Tantiemen zurückzuhalten, und brachte vor, Walter habe andere CBS-Künstler davon abgehalten, mit ihm Aufnahmen zu machen. Des weiteren behauptete er, CBS habe für seine neue Single, »Stranded in a Limousine« - ein todsicherer Hit, falls es so etwas überhaupt gab -, keine Promotion gemacht und sie auch nicht in die Läden gebracht. Der Song kam nicht einmal richtig in die Charts. CBS bestritt all diese Behauptungen.* Simons Klage wurde bald darauf außergerichtlich beigelegt. Jahre später reklamierte Walters Freund und Anwalt Stanley Schlesinger, der CBS in der Simon-Sache vertreten hatte, den Sieg für sich. Er sagte, Simon habe CBS 1,5 Millionen Dollar bezahlt. Dabei unterschlug er jedoch, daß Simon sein letztes CBS-Album nicht mehr ablieferte, so daß der »Vergleich« faktisch ein Freikauf aus seinem alten Vertrag war.

* Walter g a b j e d o c h vor k u r z e m in e i n e m Interview zu: »Anfangs habe ich es i m m e r v e r b o t e n , w e n n [Simon] einen m e i n e r Künstler für ein Projekt h a b e n wollte.«

In One Trick Pony nahm Simon eine Art Phantasierache an Yetnikoff, indem er Walter Fox, den bärtigen, dämonischen Manager einer Plattenfirma, mit Rip Torn besetzte. Am Ende des Films verführt Jonah Levin, der von Simon gespielte Rockmusiker, Fox' blonde Frau und schläft mit ihr. In einem Playboy-Interview sprach Simon von dem »Trauma« des »schrecklichen persönlichen Kampfes zwischen mir und Walter Yetnikoff« und deutete an, das habe bei ihm zu einer schweren Schreibblockade beigetragen. Simons Karriere kam nach dem Labelwechsel für mehrere Jahre zum Stillstand, aber 1 9 8 6 brachte er Graceland heraus. 1 9 8 7 bekam es den Grammy als bestes Album, mehr als ein Jahrzehnt, nachdem Simon ihn mit Süll Crazy gewonnen hatte, und zwei Jahrzehnte nach seinem ersten Riesenhit, »Sounds of Silence«. An Simons künstlerischer Fruchtbarkeit konnte es keinen Zweifel geben, und trotz der finanziellen Verluste mit dem Film One Trick Pony, den mehrere Hit-Alben nicht wieder wettmachten, ist es zweifelhaft, daß Warner das Geschäft je bereut hat. Yetnikoff war, wenn überhaupt, wütender auf Mike Tannen als auf Paul Simon. Er fand Tannen abscheulich, und damit stand er nicht allein. Tannen war klein, koboldhaft, clever und skrupellos. Sein Vater, Nat Tannen, war ein prominenter Musikverleger gewesen, der sich mit der Gründung des nach zwei Klienten benannten Musikverlags Acuff-Rose praktisch ein Monopol auf Country-Songs verschafft hatte. Nat starb an einem Herzinfarkt, als Mike fünf war, und einer von Nats besten Freunden, der Jurist Harold Orenstein, adoptierte den Jungen praktisch. Orenstein half Tannen, sein Jurastudium zu absolvieren, und stellte ihn dann in seiner Kanzlei ein, die den Nachlaß des bekannten Songwriters Frank Loesser verwaltete und so prestigeträchtige Klienten wie Simon und Garfunkel hatte. Tannen kam jedoch nicht gut mit Orensteins Partnern zurecht und beschloß, sich selbständig zu machen. Faul Simon nahm er mit. »Ich habe zugesehen, wie Michael Paul Simon stahl, und ich habe es zugelassen«, sagte Orenstein, immer noch getroffen von Tannens Undankbarkeit. »Er ist eine Laus.« (»Eine Unverschämtheit von ihm«, erwiderte Tannen, damit konfrontiert. »Paul wollte die Kanzlei ohnehin verlassen.«)

Niemand konnte leugnen, daß Tannen gewieft war. Nachdem er Simon als ersten Klienten gewonnen hatte, baute er die wohl mächtigste auf die Musikbranche spezialisierte Kanzlei der siebziger Jahre auf. Er vertrat zu unterschiedlichen Zeiten die Rolling Stones, John Lennon, Billy Joel, Merle Haggard, Stephen Stills und Bruce Springsteen. Nachdem er Paul Simon zu Warner Brothers gebracht hatte, bekam Tannen das Recht, den Film One Trick Pony zu produzieren. Kein Wunder, daß Yetnikoff ihn haßte. Zur Vergeltung beschloß er, Tannen mit einem unbegrenzten Zutrittsverbot für das CBS-Gebäude zu bestrafen. Er hatte den Bann jedoch kaum ausgesprochen, als Marvin Cohn, der Leiter der kaufmännischen Abteilung, anrief. Er hatte unangenehme Neuigkeiten. Tannen war gerade Anwalt von Billy Joel geworden. »Walter wurde orange und purpurrot zugleich«, sagte der Branchenveteran Jerald Wagner, der bei Yetnikoff war, als der Anruf kam. »Aber Waller ist kein Dummkopf. Aktennotiz ungültig; Tannen darf wieder ins Haus.« Yetnikoff war ausgetrickst worden fürs erste. Der Krieg war freilich alles andere als beendet, und er erwies sich sowohl für CBS als auch für Warner Communications als kostspielig. In den späten Siebzigern erneuerte Ostin Warners Vertrag mit Rod Stewart zu guten Bedingungen - zehn LPs zu zwei Millionen Dollar pro Stück - in dem irrtümlichen Glauben, daß Stewarts Manager, Billy Gaff, Gespräche mit Yetnikoff führte. Gaff sagte: »Das war der schnellste Abschluß, den ich je erlebt habe.« Ungefähr zur gleichen Zeit veranstalteten CBS und Atlantic eine wütende Auktion um Off Broadway, eine Rockband aus Chicago. Atlantic gewann die Auktion zu einem hohen Preis - und die Band verschwand nach nur einer LP in der Versenkung. CBS erging es nicht viel besser. Obwohl der James-Taylor-Deal sich wahrscheinlich gelohnt hatte, tätigte Yetnikoff in den Siebzigern zwei weitere Superstar-Käufe, die Flops wurden: Paul McCartney und die Beach Boys. Es spricht einiges dafür, daß er die Verträge zumindest teilweise abschloß, damit Warner Communications die I'op-Stars nicht bekam.

CBS köderte McCartney mit einem unerhörten Lockmittel: einem Verlag, der die Copyrights Frank Loessers besaß, eines der größten Songwriter Amerikas. Walter hatte Frank Music, wie der Verlag hieß, ursprünglich gekauft, um CBS Songs zu vergrößern, den Musikverlagszweig von CBS Records. »Als der Frank-Loesser-Katalog aus dem Nachlaß an CBS verkauft wurde, versprach Mr. Yetnikoff, er würde das Juwel in der Krone |von CBS Songsl sein«, sagte Harold Orenstein, der Nachlaßverwalter und Mike Tannens früher Mentor. »Er hat gelogen. Okay, mag sein, daß er es damals ehrlich gemeint hat. Aber im Kampf darum, wer Paul McCartney nach seinem Ausscheiden bei Capitol kriegen würde, konnte CBS ihm nur eins bieten, was ihm die anderen nicht bieten konnten, nämlich Copyrights. Lee Eastman [McCartneys Schwiegervater, ein Musikjurist] war immer scharf auf Copyrights.« Der Wert von Frank Music ist kaum hoch genug einzuschätzen. Loesser schrieb den Text und die Musik zu Guys and Dolls und anderen Broadway-Klassikern; zu seinem Katalog gehörten solche Schmuckstücke wie »Spring Will Be a Little Late this Year«, »Standing on the Corner«, und »Once in Love with Amy«. McCartney machte fünf LPs für CBS, und eine davon, Tug of War, war ein großer Hit. Aber danach ging er wieder zu Capitol, und Frank Music durfte er behalten. Eine Quelle aus McCartneys näherer Umgebung glaubte, daß CBS mit dem Ex-Bealle 9 Millionen Dollar verloren hat. Mitch Miller, der ehemalige P o p - A & R - B o ß unter Goddard Lieberson, der von außen zuschaute, war entsetzt. CBS, sagte er, »brauchte bloß auf dem Hintern zu sitzen und strich eine Million Dollar pro Jahr allein aus den Aufführungsrechten von Frank Loessers Katalog e i n . . . Wenn ich Columbia-Aktionär wäre, würde ich wegen Verringerung der Vermögenswerte k l a g e n . . . Aber das zeigt, was passiert, wenn die Anwälte das Sagen haben und ein Jurist statt eines Musikers Präsident des Unternehmens ist. . .« Millers Argumente stießen durchaus auf Verständnis. Unter Goddard Lieberson war CBS die AiSiR-Company gewesen. Clive hatte die Tradition besser weitergeführt, als man mit Fug und Recht hätte erwarten können. Jetzt schmiedete Walter - Walter, der keine Ton-

höhen unterscheiden konnte - ein ganz anderes CBS Records: die Deal-Company. Von außen machte sich Clive lustig über Walters »Bankgeschäfte«, wie er sie nannte. Dazu brauche man keine kreative Vision, sondern nur ein Scheckbuch. Natürlich hatte Clive ebenfalls solche Deals gemacht: Neil Diamond; Earth, Wind and Fire; Pink Floyd. Im Rückblick hatte er allerdings nicht soviel ausgegeben, so hoch die Garantiesummen zu jener Zeil auch erschienen sein mochten. Gleichwohl hatte Clive den Präzedenzfall geschaffen. Bis weil in die achtziger Jahre hinein zeichnete sich das YetnikoffRegime eindeutig nicht dadurch aus, daß es neue amerikanische Acts auf dem Markt durchsetzte, daran änderte auch Cyndi Lauper nichts. CBS Records Großbritannien hatte in dieser Zeit etliche beachtliche Erfolge: The Clash, Sade, George Michael und andere. Aber der Schwerpunkt lag auf dem Einkauf von Künstlern und nicht auf der Entdeckung neuer Talente. So schnappte CBS 1 9 8 3 Atlantic die Rolling Slones weg. Währenddessen erbie Warner Communications den A&R-Company-Mantel von CBS und führte neue amerikanische Stars wie zum Beispiel Prince, Madonna, die Talking lleads, Anita Baker und Tracy Chapman ein. »Warner ist wahrscheinlich die beste Plattenfirma, wenn es um Karriereförderung geht«, gestand ein CBSMann kürzlich. »Sie haben was für Gruppen übrig, die lange brauchen, bis sie sich durchgesetzt haben. Die Talking Heads hätten bei CBS Records nie einen roten Heller verdient.« Walters Krieg kühlte ab, hörte jedoch nie ganz auf, obwohl Yetnikoff kürzlich zugab, daß er sich »irgendwie dumm« vorkomme, ihn vom Zaun gebrochen zu haben. Ob das nun ernst gemeint war oder nicht, der Krieg formte nicht nur seine Identität, sondern hinterließ auch dauerhafte Spuren in der ganzen Branche. Abgesehen von den persönlichen Animositäten war Walters Krieg ein Wettsteigern der beiden Supermächte der Branche, das die Einsätze allgemein hochtrieb. Die Preise für Künstler - besonders bereits etablierte

Künstler - erreichten schwindelerregende

Höhen.

Der

»unerhörte« Deal über 4 2 5 0 0 0 Dollar pro Album, den Clive 1 9 7 0 mit Neil Diamond gemacht hatte, war am Ende des Jahrzehnts nur noch ein Pappenstiel.

Die Folge war ein Geschäft, das von immer größeren Deals angeheizt wurde. Selbst Warners Frfolg bei der Förderung von Talenten war nur eindrucksvoll, wenn man ihn an der Erfolglosigkeit von CBS maß. Walter hatte die Macht von CBS benutzt, um der Branche seinen Geschäftsstil aufzuzwingen, obwohl man der Fairness halber hinzufügen muß, daß ihm das nicht gelungen wäre, wenn Mo und Ahmet und die anderen Warner-Bosse sich geweigert hätten, gegen ihn zu bieten. Ende der siebziger Jahre hätten Musikliebhaber wie Goddard Lieberson in der Plattenbranche kaum noch eine Chance gehabt, an die Macht zu kommen. Dies war die große Zeit der Geschäftemacher. Die Bosse der Top-Labels waren Männer, die mit Begriffen wie »Vorlaufkosten«,

»Deckungsverflechlung«

und

»wieder hereinholbare

Posten« etwas anfangen konnten. Sie mußten jedoch keine Juristen sein. Tatsächlich waren die beiden Männer, die in den Achtzigern fast genauso mächtig werden würden wie Walter Yetnikoff, ehemalige Künstlermanager. Sie hießen David Geffeti und Irving Azoff.

7 Die Troika

E

s ließ sich nicht bestreiten: Alles, was er anfaßte, wurde zu Gold. Ganz gleich, ob David Geffen in Immobilien, Gemälde von Magritte oder die Karrieren von Rockmusikern inve-

stierte - sein Instinkt ließ ihn nur selten im Stich. Anfang

der achtziger Jahre war er mit einem neunstelligen Reinvermögen eine der wenigen Personen aus der Musikindustrie, die in die Forbes-Liste der vierhundert reichsten Amerikaner kamen. David Geffen war in der Platlenbranche nicht gerade allgemein beliebt. Er galt als eitel, arrogant und unverbesserliche Klatschbase. Der Musikjurist Brian Rohan ging ihm einmal in einem Bankettsaal im Beverly 1 lills Hotel im Zorn an die Kehle und bekam dafür einen Stapel Glückwunschtelegramme. Geffen schloß das College nicht ab, behauptete aber, die Grundzüge des Geschäfts von seiner Mutter gelernt zu haben, die Büstenhalter und Mieder anfertigte. 1964 stieg er im Alter von einundzwanzig Jahren ins Showbusineß ein, als er einen J o b als Postsortierer bei der William Morris Agency ergatterte. Da die Agentur von allen An-

gestellten - selbst den kleinsten - einen Collegeabschluß verlangte, fälschte Geffen einen Brief der UCLA. Jahre später lehrte Geffen Betriebswirtschaft an der Universität und wurde in ihren Verwaltungsrat aufgenommen. Die Ironie war ihm durchaus bewußt. Bald darauf ging Geffen zur Ashley Famous Agency und konzentrierte sich auf die Popmusiker, die eher in seinem Aller waren als die Regisseure und Drehbuchautoren, mit denen er bei William Morris zu tun gehabt halte. 1 9 6 8 wurde er mit Laura Nyro bekannt gemacht, einer exzentrischen jungen Sängerin und Komponistin. Überzeugt

von ihrem Talent, hörte Geffen bei Ashley Famous auf und wurde ihr Manager. Mit einer Cleverness, die typisch für seine gesamte Laufbahn war, gründete Geffen einen Musikverlag für ihre Songs, Tuna Fish Music - nach ihrem Lieblingsessen benannt -, und übertrug sich 50 Prozent der Stammaktien, den üblichen Verlegeranteil. Clive Davis hatte Laura Nyro in Monterey gesehen, aber ihr Auftritt war so schlecht gewesen, daß er kaum Notiz von ihr genommen hatte. Als Geffen sie zum Probesingen zu CBS brachte, bestand sie darauf, daß alle Lichter gelöscht wurden, und spielte nur im Schein eines Fernsehgeräts. Sie spielte Clive viele der Songs vor, die später auf ihrer Columbia-LP Ell and the Thirteenth Confession zu hören sein würden. »Ich war überwältigt!« schrieb Clive zur Erklärung, warum er sie sofort unter Vertrag nahm. Nyros üppig orchestrierte Alben waren zu zügellos, als daß sie sich gut verkaufen ließen, aber ihre Songs wurden Hits für Barbra Streisand (»Stoney Eyed«), Blood, Sweat and Tears (»And When I Die«), The Fifth Dimension (»Stoned Soul Picnic«) und Three Dog Night (»Eli's Comin'«). 1 9 6 9 verkaufte Geffen Nyros Musikverlag für 4,5 Millionen Dollar in CBS-Aktien an CBS, wobei er die Hälfte des Erlöses behielt. Trotz des unerwarteten Gewinns war er so wütend auf Clive, daß er ein Jahr lang nicht mit ihm sprach. Wenn Clive imstande gewesen wäre, das Geschäft eher zu machen, als die CBS-Aktie noch höher stand, hätte Geffen eine runde Million mehr verdient. Jedenfalls geriet Laura Nyro bald in Vergessenheit, aber Geffen war auf dem Weg nach oben. Er war Manager von David Crosby, Stephen Stills und Graham Nash geworden. Sie waren alle in verschiedenen Bands und bei verschiedenen Labels unter Vertrag, aber sie wollten zusammen Platten machen. Stills, Mitglied von Buffalo Springfield, war bei Atlantic Records. Geffen ging zu Jerry Wexler von Atlantic und bat ihn, Stills freizugeben, damit er Crosby, Stills und Nash zu Clives Columbia bringen konnte. Wexler warf Geffen mit körperlicher Gewalt aus seinem Büro. Am nächsten Tag rief Ahmet Ertegun an, um sich zu entschuldigen, und bat Geffen, zu ihm zu kommen. »Er war der charmanteste Mensch, den ich je kennengelernt habe«, sagte Geffen. »Er hat mich ganz für sich eingenommen.

Als ich Crosby, Stills und Nash endlich aus all ihren anderen Verträgen herausgeholt hatte, bin ich mit ihnen nur wegen Ahmet zu Atlantic gegangen.« Hin Jahr später, 1 9 7 0 , kam Neil Young zu der Gruppe, und Crosby Stills, Nash and Young waren auf dem Weg, Superstars zu werden. Als Manager war Geffen einsame Spitze. Er rühmte sich, die höchsten Preise für seine Acts zu erzielen. In seinem Ahmet-ErtegunPorträt 1 9 7 8 im New Vorher schilderte George WS.Trow, wie Geffen an einem Tisch im Majestic Hotel Hof hielt und über die Rolling Stones sprach, die gerade bei Atlantic unterschrieben hatten: »Ihre letzte Tour war ein Witz«, sagte |Cieffen|. »Was haben sie damit verdient? Sagt's mir. Stephen Stills hat hunderttausend Dollar für einen Abend im L. A. Forum gekriegt. Die Stones nur fünfundsiebzigtausend. Denkt mal darüber nach.« Einer, der vermutlich darüber nachdachte, war Stephen Stills, der gleich neben David Geffen saß. »Ich liebe Ahmet«, erklärte Geffen dem Journalisten. Kurze Zeit später erlebte dieser mit, wie Ahmet Ertegun und David Geffen über einen Vorschuß in Höhe von 5 0 0 0 0 Dollar zankten, den Geffen haben wollte, um die Studiokosten für Nash und Crosby zu decken - fünfmal soviel, wie Ahmet zahlen wollte. »Warum gibst du nicht wenigstens dieses eine Mal nach«, sagte Geffen gereizt. Nachdem sie sich ein wenig in die Haare geraten waren und einander als »knickerig« beschimpft hatten, sagte Ahmet: »Was auch passiert, ich bin dein Freund und habe dich gern, aber versuch nicht immer, aus jedem Deal das letzte rauszuholen.« Geffen stellte jedoch fest, daß es kein Vergnügen war, Manager zu sein. »Es gefiel mir nicht, daß ich mitten in der Nacht angerufen wurde, es gefiel mir nicht, daß ich so stark ins Privatleben [der Künstler| einbezogen wurde«, sagte er. Bald darauf wurde er mit Eliot Roberts handelseinig, der die Folksängerin Joni Mitchell managte. Sie legten ihre Klienten zusammen und gründeten die Geffen-Roberts Management Company Roberts übernahm das alltägliche Management, während Geffen weiterhin die Vertragsverhandlungen führte. Der nächste Klient, den sie aufnahmen, war der Singer-Songwriter Jackson Browne. Es gelang Geffen aber nicht, ihm einen Platten-

vertrag zu verschaffen, nicht einmal bei Atlantic. Geffen erinnerte sich, daß er zu Ertegun gegangen war und gesagt hatte: »Ich bin derjenige, der dir Crosby, Stills and Nash gebracht hat. Ich tu dir einen Gefallen. Und er sagte: >Weißt du was? Das kannst du dir sparen.* Ich sagte: >Du wirst Millionen mit ihm machen.* Und er sagte: »Weißt du was? Ich habe schon Millionen. Hast du Millionen?* Ich sagte nein. [Geffen m u ß seinen Anteil aus dem Verkauf des Nyro-Verlags vergessen haben.] Er sagte: »Gründe eine Plattenfirma, dann hast du Millionen. Dann haben wir alle Millionen.*« Kurz darauf, Ende 1970, gründete Geffen mit einem Teil der Erlöse aus dem Verkauf des Nyro-Verlags als Anfangskapital ein eigenes Label. Er nannte es Asylum, und der erste Künstler des Labels war Jackson Browne. Bald kamen Linda Ronstadl, Joni Mitchell und die Eagles dazu. Ein Jahr später verkaufte er Asylum für 7 Millionen Dollar an Warner Communications, blieb jedoch Präsident. 197.3 ging Jac Holzman, der Gründer von Elektra Records, in den Ruhestand, und Steve Ross, der Chairman von Warner, schlug vor, Elektra und Asylum zu vereinigen und Geffen die Leitung der kombinierten Unternehmen zu übertragen. Geffen nahm an. Aber 1 9 7 5 langweilte ihn der J o b bereits. Ross erklärte sich bereit, ihn noch im gleichen Jahr zum Stell verl retenden Chairman von Warner Brot hers Pictures zu ernennen, und übergab Elektra/Asylum an Joe Smith. Geffen, der gern schnelle Entscheidungen traf, fand den Filmjob aber bald zu bürokratisch. »Es war ein Alptraum«, sagte er. Das Jahr 1 9 7 6 brachte David Geffen ein noch größeres Trauma. Nachdem ein Tumor an seiner Blase entfernt worden war, lautete die Diagnose auf Krebs. Er trat in den selbstgewählten Ruhestand, sammelte Tiffany-Lampen und unterrichtete stundenweise Betriebswirtschaft an der UCLA und in Yale. 1 9 8 0 ließ er neue medizinische Tests durchführen und stellte fest, daß er gar keinen Krebs hatte. Er war siebenunddreißig und arbeitslos. Mo Ostin rief ihn an und meinte, vielleicht wolle er ja ein neues Label gründen - das natürlich von Warner vertrieben werden würde. »Ich wußte nicht, was ich tun sollte«, sagte Geffen. »Ich hatte seit vier Jahren nicht mehr gearbeitet. Ich war ein Topmanager im Show-

busineß gewesen und dann in den Ruhestand gegangen. Ich dachte sehr viel darüber nach und beschloß, wieder in die Branche zu gehen, die ich am besten kannte, die Plattenbranche, und noch mal ganz von vorn anzufangen. Die Leute, gegen die ich 1 9 7 0 angetreten war, als ich Asylum Records gestartet halte, waren dieselben Leute, gegen die ich auch 1 9 8 0 wieder antrat. Sie waren erheblich älter, und ich war immer noch ziemlich jung. Ich dachte, wenn ich es damals geschafft habe, schaffe ich es auch diesmal.« (Er hatte nicht unrecht. Die Plattenindustrie ist für das Karriere karussel ihrer leitenden Angestellten berüchtigt. Anfang der Achtziger waren die Top-Label-Bosse mehrheitlich Männer mittleren Alters, von denen viele in den Siebzigern durchschnittliche Führungskräfte der Branche gewesen waren.) Geffen benannte sein neues Label nach sich selbst. Die ersten Monate von Geffen Records 1 9 8 0 waren noch wilder als die frühen Tage von Asylum, aber nicht so vielversprechend. Er nahm zwei etablierte Stars unter Vertrag, für die er teuer bezahlte: Elton John und Donna Summer. Beide verließen das lübel schließlich wieder, ohne daß sich der Kauf ausgezahlt hatte. Geffen war in seiner Karriere nicht gerade durch schlechte Geschäfte aufgefallen; selbst die TiffanyLampen, die er gesammelt hatte, als er sich an der Schwelle des Todes wähnte, gingen bei einer Auktion für 1,2 Millionen Dollar weg. Ein dritter Superstar-Deal, John Lennon und Yoko Ono, war jedoch lukrativ. Im Dezember 1 9 8 0 wurde Lennon ermordet, und das Lennon/ Ono-Album Double Fantasy verkaufte sich drei Millionen mal. Da Geffen als Agent und Manager zuviel über das Filmgeschäft gelernt hatte, als daß er es endgültig hätte ad acta legen mögen, begann er, Filme zu produzieren. Seine Filme wurden von Warner Brothers Piclures vertrieben. Geffen Films war unter anderem verantwortlich für die erfolgreichen Komödien Lockere Geschäfte, Kopfüber in Amerika und Beetlejuice. Er rundete die Dinge ab, indem er ins Theater investierte; er koproduzierte den Hit Dreamgirls mit Michael Bennett und finanzierte Andrew Lloyd Webbers Cats, eins der finanziell erfolgreichsten Broadway-Musicals aller Zeiten. Ende der achtziger Jahre zog Geffen mit Heavy-Metal-Bands wie Guns N' Roses und White -

snake das große Los, und binnen zwei Jahren verdoppelten sich seine Gewinne gut und gern auf geschätzte 175 Millionen Dollar im Jahr 1989. Der Marktanteil von Geffen Records in den Vereinigten Staaten war nicht groß, aber David Geffen war wieder da, und er war einer der mächtigsten Männer der Plauenbranche, wenn man davon ausgeht, daß ein »Makler der Macht« jemand ist, der etwas bewirken kann. Als Eigentümer eines Warner-Labels mit einem Standbein beim Film und beim Theater war sein Einflußbereich riesengroß. Unlängst hat Geffen über seine Karriere gesprochen. Geffen war klein, drahtig und athletisch; er hatte das Gesicht eines netten jüdischen Jungen, in dem nur die kriegerische Unterlippe das Gesamtbild störte. Er trug zumeist ein Polohemd, eine khakibraune Hose und weiße Slipper und saß gemütlich in einem Eames-Sessel; zu seinen Füßen stand ein Telefon. Sein Büro war groß und luftig, mit einem üppigen Sofa, aber ohne Schreibtisch. Es war so zwanglos, daß es merkwürdig einschüchternd wirkte. »Als ich 1 9 7 0 Asylum Records gegründet habe«, erinnerte er sich, »sagte jeder, oh, das geht nicht, man kann doch 1 9 7 0 keine Plattenfirma mehr aus dem Nichts aufbauen. Und als ich dann 1980 Geffen Records gegründet habe, hieß es, oha, diesmal wird er es bestimmt nicht schaffen. Und heute gehört Geffen Records wahrscheinlich zu den rentabelsten Plattenfirmen der Welt. Auf das Risiko hin, den Anschein zu erwecken, als würde ich mir selbst auf die Schulter klopfen: Ich habe es bei den letzten beiden Anläufen zweimal geschafft. Ich gehöre mit Sicherheit zu den erfolgreichsten und reichsten Leuten in der Branche. Ich mache das also nicht, um es zu etwas zu bringen. Das habe ich längst hinter mir. Ich verlasse mich auf meine Intuition. Ich investiere in mich selbst. Im Grunde bin ich im David-Geffen-Busineß...« Geffen beklagte sich über den Mangel an Management-Talent in der Plattenindustrie. »Ich finde es schade, daß die Plattenbranche nicht eine ganze Reihe neuer Manager hervorgebracht hat. Das spricht nicht gerade für sie.« Ganz oben auf der Liste der Leute, die er nicht bewunderte, stand

Clive Davis. »Ich bin kein Fan von Clive Davis. Ich spreche nicht mit ihm. Ich habe seit vielen Jahren nicht mit ihm gesprochen. Er ist ein Egomane, genau das ist er. Er belehrt die Leute gern. Ich glaube, ich gehöre weltweit zu den besten Managern im Plattengeschäft, und ich halle viel von anderen in der Branche und habe zu den meisten eine gute Beziehung. Aber er ist so ein arroganter Wichser, daß er mich nicht interessiert. Sein Ego hat ihm über die Jahre nur Ärger eingebracht. Deshalb ist er von CBS gefeuert worden. Er dachte, er könnte die Regeln auslegen, wie er wollte, weil er so allmächtig war. Er hat sich selbst zum Sprecher der Branche ernannt, und er genießt diese Rolle und funktioniert prima darin. Ich dagegen spreche nur für mich selbst.« Geffen wurde mehrmals durch Anrufe unterbrochen. Einer kam von Geffens ehemaligem Mentor und Idol Ahmet Ertegun, der einen Rat in bezug auf Immobilien in Florida haben wollte. Geffen erwärmte sich merklich für das Thema. Aber nach ein paar Minuten hatte es sich offenbar geändert, denn Geffen war erzürnt aus seinem Sessel aufgesprungen. Es ging um Crosby, Stills, Nash and Young, die Gruppe, die Geffen und Ahmet formiert hatten und mit der sich der junge Manager als einer der Großen der Branche etabliert hatte. CSNY halten sich schon längst getrennt, und Neil Young nahm Soloplatten für Geffen Records auf. (Ein Jahr später ging Young zu Reprise und schimpfte auf Geffen Records, weil sie ihn nicht wie einen Künstler behandelt hätten, sondern eher wie »ein Produkt, Idas] nicht in ihr Marketing-Schema paßte«.) Ahmet plante ein einmaliges ReunionAlbum von Crosby, Stills, Nash and Young, das 1 9 8 8 bei Atlantic herauskommen sollte. Augenscheinlich verlangte Geffen 50 Prozent der Erlöse, was Ertegun jedoch nicht einleuchtete, weil er drei der vier Bandmitglieder unter Vertrag hatte. »Hör zu. Ahmet!« schäumte Geffen und verhedderte sich dabei im Telefonkabel; seine Stimme wurde höher und lauter. »Crosby, Stills und Nash sind TALENT

F E T T E ALTE FURZE!

Der einzige, der überhaupt

hat, ist Neil Young!« Ahmet war anderer Meinung. »Ich

glaub's einfach nicht, daß wir darüber diskutieren«, sagte Geffen. »Das ist zu blöd, um darüber zu diskutieren...«

G

effen war von einem Topmanager cler Branche zu einem ihrer

größten Label-Bosse aufgestiegen. Ein anderer Mann hatte das

gleiche getan. Er war skrupelloser, wahrscheinlich mächtiger und noch kleiner als Geffen. Sein Name war Irving Azoff. Azoff fing bei Geffen-Roberts an, nachdem er das College ge-

schmissen und Erfahrungen als Tourneeagent bei REO Speedwagon und Dan Fogelberg gesammelt hatte. Nachdem Geffen Asylum gegründet und das Management-Busineß aufgegeben hatte, half er Azoff, seine eigene Firma namens Front Line zu gründen, indem er ihm die Eagles überließ. Front Line wurde die größte ManagementFirma in der Geschichte des Rock; sie vertrat im Laufe der Zeit Dan Fogelberg, Steely Dan, Don Henley, Boz Scaggs, New Edition, Warren Zevon J i m m y Buffett j a c k s o n Browne, Stevie Kicks und Heart. An einem guten Tag kam Azoff schon mal auf einen Meter sechzig. Freunde nannten ihn den »Giltzwerg«. Er war mit Abstand einer der meistgehaßten Männer im Musikgeschäft. Seine Wutanfälle waren außergewöhnlich; nicht einmal Walter Yetnikoff konnte da mithalten. Azoff riß einmal einen Fernseher von der Wand eines Hotels und drohte, ihn aus dem Fenster zu werfen, weil es dem Personal nicht gelang, Bauarbeiter auf dem Bürgersteig unten zur Ruhe zu bringen. Als Azoff den Service im schicken Beverly Hills Restaurant 1974 zu langsam fand, zündete er seine Speisekarte an. »Irving ist schnell auf Hundertachtzig, und dann möchte man ihm nicht in die Quere geraten« , sagte Dennis Fine, ein ehemaliger Pressemann der Eagles. »Ich weiß nicht, wieviel echt und wieviel bloß Show ist, aber im Einschüchtern ist Irving sehr gut.« Der Manager Michael Lippman, der einmal David Bowie und Melissa Manchester zu seinen Klienten gezählt halte, spielte die Hauptrolle in einer Irving-Azoff-Story reinsten Wassers. Lippman feierte seinen vierzigsten Geburtstag auf dem Tennisplatz seines Hauses in Beverly Hills. Azoff, früher einmal einer der engsten Freunde von Lippman, neuerdings jedoch mit ihm verfeindet, war nicht unter den Gästen. Daher bestellte Azoff einen Lieferanten, der Lippman eine in Geschenkpapier eingepackte Schachtel präsentierte - mit einerlebenden Boa Constrictor darin. Zusätzlich hatte Azoff sich bemüht, auch

noch die Frau des Managers zu beleidigen. Auf der beigelegten Karte stand: »Happy Birthday, Michael. Jetzt hast du zwei davon!« Überflüssig zu sagen, daß Azoffs Schützlinge ihn liebten. So gut wie jeder Rockstar will eine Nervensäge als Manager haben. Azoff sorgte dafür, daß er immer auf den Plattenfirmen herumhacken konnte, ob sie es verdient halten oder nicht. »Fr war ein Meister darin, ein Problem in die Welt zu setzen und dann auf einem weißen Pferd angeritten zu kommen und es zu lösen«, sagte ein ehemaliger Mitarbeiter. »F.r erklärte sich mit irgendwas einverstanden, ließ die Sache ihren Lauf nehmen, und wenn alles erledigt war, rief er die Künstler an und machte ein Mordstheater, weil das Plattenlabel die Sache vermasselt habe. Dann kam er angeritten und löste das Problem. Das konnte Irving von morgens bis abends tun. Er hatte ein unwahrscheinlich gutes Gedächtnis und konnte sich mit allen möglichen Tricks noch aus den verzwicktesten Lagen herausmanövrieren.« Falls überhaupt jemand in der Branche David Geffen und Waller Yetnikoff intellektuell ebenbürtig war, dann Azoff. »Irving hat einen hellwachen Verstand«, sagte Bob Buziak, der beim Front-Line-Management gearbeitet hatte und danach Präsident von RCA Records USA geworden war. Er beschrieb Azoff als Telefon-Virtuosen. »Er kann im Verlauf von vierundzwanzig Stunden mit mehr Leuten sprechen und sich mehr merken als jeder andere, den ich kenne.« Und wenn Azoff seinen Charme spielen lassen wolle, sagte Buziak, gebe es keinen besseren schmueser in der Branche. »Irving kann jeden innerhalb einer Viertelstunde rumkriegen. Das ist eine Gabe.« 1 9 8 3 folgte Azoff Geffens Beispiel und wurde Label-Boß, indem er die Führung von MCA Records in Hollywood übernahm. Obwohl MCA Records eins der sechs großen Labels war, hatte es mehrere Jahre lang nur kümmerliche Gewinne gemacht. Einigen Witzbolden zufolge standen die drei Buchstaben für »Music Cemetery of AmericaDas brauchst du nicht in einem Brief, du hast ja mein WortHaben Sie jemals in Ihrer beruflichen Laufbahn eine Buchprüfung erlebt, bei der es keinen Fehlbetrag zu Lasten des Künstlers gegeben hat?< Nein. »Haben Sie je eine Buchprüfung erlebt, bei welcher der Künstler zuviel bekommen hat?< Nie. Das sind also keine Irrtümer.« Kein Wunder, daß die Plattenbranche Männer wie Morris Levy verehrt.

W

aller Yetnikoff hatte nichts für Anwälte übrig, die ihre Unabhängigkeit wahrten. Sie verursachten Probleme. Man denke an

die Fälle von Paul Simon und Tom Scholz. Gegen Don Engel war

Walter machtlos; Arger zu machen, war dessen Beruf. Aber bei Michael Tannen, dem Mann, der Paul Simon zu Warner gebracht hatte, lag die Sache anders. Lange bevor die Boston-Affäre vor Gericht kam, hatte Walter Yetnikoff Mike Tannen kassiert. Anfang der achtziger Jahre wurden Billy Joel und Bruce Springsteen nicht mehr von Tannen vertreten, und die meisten anderen Spilzenkünstler unter seinen Klienten hatte er ebenfalls verloren. (Tannen behauptete, er habe diese Klienten freiwillig aufgegeben, gab jedoch zu, es sei »zunehmend schwieriger geworden, mit CBS zu verhandeln«.) Der Anwalt von Joel und Springsleen war nun Allen Grubman, ein Mann, den Walter sehr mochte. Kurze Zeil später war Grubman der größte Musikanwalt in der Geschichte des Rock, und er vertrat über 30 Prozent der Pop- und Rockmusiker von CBS. Er arbeitete auch als Jurist für die Firmen von David Gellen und Irving Azoff, die ihn beinahe ebensosehr zu mögen schienen, wie Walter ihn mochte. Es war kein Zufall, daß Allen Grubmans Stern immer höher stieg, als Mike Tannen allmählich von der Bikllläche verschwand. Tatsächlich war dies vielleicht die Krönung von Walter Yetnikoffs Karriere. Ein Reporter erwähnte einmal Walter gegenüber, Grubman habe eine eindrucksvolle Praxis. »Ich weiß«, erwiderte Yetnikoff. »Die hat er von mir gekriegt.« Das war kein Scherz.

8 Grubman

W

alter Yetnikoff lernte Allen Grubman 1977 kennen, nur ein paar Monate vor dem Debakel mit Paul Simon. Er und Grubman aßen im Sea Fare of the Aegean zu

Abend, einem Restaurant in der Nähe des CBS-Gebäu-

des. Bei dem Treffen ging es um den dritten Mann am Tisch, den Künstlermanager Tommy Mottola, der Hall and Oates und ein paar andere Schützlinge betreute. Mottola war Grubmans Klient und gleichzeitig auch sein bester Freund. Er wollte einen Produktionsvertrag haben, mit dem er Sänger und Bands zu CBS bringen konnte, und Allen war mitgekommen, um bei den Verhandlungen zu helfen. Grubman war damals ein Niemand. Dank Tommy vertrat er zwar Hall and Oates, die mit »Rieh Girl« gerade einen Nummer-l-Hit gehabt hatten (danach aber eine lange Durststrecke durchstehen mußten). Doch abgesehen von Hall and Oates war das Disco-Label T. K. Records Allens größter Klient. Normalerweise vertrat er jedoch eher Firmen wie K-tel, die im Fernseh-Nachtprogramm Veg-OMatics-Küchenmaschinen feilbot. Grubman sehnte sich nach einer prestigeträchtigeren Tätigkeit. Er hatte einen großen Teil seines Lebens damit verbracht, sich nach etwas zu sehnen. Allen war in Brooklyn in relativ ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen und hatte seine erste Kostprobe vom Leben im großen Stil als junger Sopran in der Horn & Hardart Children's Hour bekommen, einem Kinderfernsehprogramm bei NBC. Obwohl er die Sendung im Alter von dreizehn Jahren verließ, als er in den Stimmbruch kam, blieb ihm der Lebensstil, von dem er einen kurzen Blick erhascht hatte, für immer im Gedächtnis. »Jeder im Unterhaltungs-

geschäft«, erinnerte er sich, »fuhr mit einem dicken Wagen herum und konnte in Restaurants gehen und Steaks essen.« Nachdem er 1967 seinen Abschluß an der Brooklyn Law School gemacht hatte, beschloß er, sich auf Unterhaltungsrecht zu spezialisieren. Bald daraufbekam er einen J o b (für 125 Dollar die Woche) als Mitarbeiter des Musikjuristen Waller Hofer, eines kleinen, schmächtigen Mannes deutscher Abstammung, der das Copyright Services Bureau gegründet hatte, um Tantiemen für ausländische Musikverlage einzutreiben. Einer von Hofers Klienten war Dick James Music in Großbritannien, das die Songs der Beatles verlegte. Anfang der achtziger Jahre war Hofers Praxis ein einziges Chaos. Wütende Klienten beschuldigten ihn, große Summen von ihren Konten unterschlagen zu haben, und er war außerstande, ihnen das Geld zurückzuzahlen. 198.3 erlitt Hofer an seinem Schreibtisch einen Herzinfarkt und starb. Zu diesem Zeitpunkt hatte Grubman Hofer schon längst verlassen, um seine eigene Praxis aufzumachen. 1974 war das gewesen. »Ich fing mit ein paar Klienten der Holer-Firma an«, erinnerte er sich. »Ich vertrat T. K. Records und De-Lite. Dann gab es noch Bang Records [ein Relikt aus den Sechzigern, das seine Blütezeit längst hinter sich hatte]. Außerdem zwei Plattenproduzenten, Henri Belolo und Jacques Morali. Sie waren Franzosen. Ich übernahm ihre Vertretung in den frühen siebziger Jahren, und ein paar Jahre später kamen sie nach New York. Henri Belolo setzte sich hin und sagte: >Alain< - französischer Akzent -, >eines Tages werden wir in Amerika etwas ganz Besonderes machen, und Sie werden stolz auf uns sein.< Prima, sagte ich. Ich hatte keine Ahnung, was er meinte. Zwei oder drei Jahre später sagte er: >Wir haben die Idee, eine ganz besondere Gruppe zusammenzustellen, sehr amerikanisch und sehr fröhlich.* Ich wußte immer noch nicht, wovon er sprach. Sie gingen in ein Studio, machten eine Aufnahme und kamen mit >Macho Man< heraus. Die Gruppe waren The Village People. >Wir möchten, daß Neil Bogart von Casablanca Records diese Aufnahme bekommt*, sagten sie. Der war nämlich damals der Disco-King. Er hatte Donna Summer. Also habe ich Neil Bogart die Aufnahme geschickt. Er

war begeistert. Und so brachten wir die Village People bei Casablanca unter.« Als sich Grubman mit Walter Yetnikoff im Sea Fare of the Aegean zusammensetzte, hatte er bereits große Fortschritte auf seinem Weg zu dem ersehnten Lebensstil gemacht. Seinen Traumwagen - einen Rolls-Royce Corniche - konnte er sich zwar noch nicht leisten, aber nach seinem Aussehen zu urteilen, aß er immerhin schon eine Menge Steaks. Allen Grubman war enorm dick. Sein schwammiges Gesicht sah fast wie das eines Babys aus. Fr hatte jedoch immer noch sein volles schwarzes Haar, und auch sein nasaler Brooklyn-Akzent war ihm geblieben. Der Akzent paßte zu ihm; Grubman war kein Akademiker. Er gab zu, daß er in seiner Klasse an der Brooklyn Law School beinahe der Schlechteste gewesen war. Ein Plattenmanager sagte über ihn: »Das einzige Stück Papier, das er in meiner Gegenwart je angefaßt hat, war um etwas Eßbares gewickelt.« Manche Leute in der Branche fragten sich, wie er es geschafft hatte, seine Zulassung zur Anwaltschaft zu bekommen - beziehungsweise, ob er sie überhaupt bekommen hatte. »Ja«, scherzte Grubman. »Mit Hilfe des Blarney-Steins*, Ecke Siebenundfünfzigste und Dritte.« Obendrein machte Grubman kein Geheimnis daraus, daß er die Rockmusik haßte. Das war jedoch alles vollkommen unwichtig. Grubmans Partner, Arthur Indursky, war ein ehemaliger Steueranwalt und ein Meister im Aufsetzen von Verträgen. Eine Aversion gegen den Rock hatte noch niemandem in der Plauenbranche je in irgendeiner Weise zum Nachteil gereicht. Und wie auch immer es um seine Fähigkeiten als Anwalt bestellt sein mochte, Grubman hatte wichtigere Eigenschaften, die ihm bald den Weg an die Spitze ebnen würden. Er war ein wahres Verhandlungsgenie und ein echtes Schlilzohr. Er hatte einen schnellen Verstand und einen warmen, herzlichen Charakter. Er war zu allem bereit, um ein Geschäft abzuschließen - zu katzbuckeln, niederzuknien, zu betteln, sich jemandem zu Füßen zu werfen und * Der B l a m e y - S t e i n ist ein » m a g i s c h e r S t e i n « h o c h o b e n in e i n e r M a u e r d e s B l a m e y C a s t l e i n Irland. D e r L e g e n d e zufolge verleiht e r j e d e m , d e r sich k o p f ü b e r z u i h m h e r a b laßt u n d ihn k ü ß t , E l o q u e n z u n d Ü b e r r e d u n g s g a b e . ( A . d . t J . )

für einen Erfolg buchstäblich sein letztes Hemd herzugeben. In einer Branche mit lauter kolossalen Egos war Grubman bereit, das seine unterzuordnen. Grubman mußte zwangsläufig Erfolg haben, denn er war der richtige Mann zur richtigen Zeit. In den frühen lagen des Rock war der Jurist nur ein Schreiber, der die Verträge aufsetzte, nachdem das Label und der Manager des Künstlers sich über die einzelnen Punkte der Abmachung einig geworden waren. Als immer mehr Geld ins Spiel kam und die Abmachungen komplexer wurden, entwickelte sich der Rock-and-Roll-Jurist allmählich zum Gegenstück eines Hollywood-Agenten. Grubman war kein reiner Anwalt mehr, sondern eher eine Art Makler. Er wußte, wie man Leute zur Zusammenarbeit veranlaßte und dafür sorgte, daß sie ein gutes Gefühl dabei hatten. Und das Beste war, er strengte nie einen Prozeß an. Niemals. In einem Porträt von ihm, das ungefähr zu jener Zeit in einer Gazette der jüdischen Organisation B'nai-B'rith (»Söhne des Bundes«) erschien, hieß es, er sei »Teil einer neuen Welle von Rechtsberatern, für die >Prozeß< ein schmutziges Wort ist«. Tommy Mottola hatte viel mit Grubman gemein, auch die Freude am Essen. Zu Anfang seiner Karriere war er ebenfalls für kurze Zeil als Künstler aufgetreten. Während seines Gesangs- und Schauspielstudiums an der New Yorker Hofstra University - nicht weit von seiner Heimatstadt New Rochelle - ließ er sich dicke Koteletten wachsen und sprach für Filmrollen vor, wie Sal Mineo sie gespielt hätte. In den späten Sechzigern gab Epic Records ihm einen Plattenvertrag, und er bekam seine Chance als Sänger. Das Verdienst für diesen Vertrag würde Clive Davis sich allerdings niemals anrechnen. Als T. D. Valentine nahm Mottola »Love Trap«, »A Woman Without Love« und ein paar andere Songs auf. Sie waren keine Hits. Er sang recht gut, aber ihm fehlte das gewisse Etwas, das man brauchte, um ein Star zu werden. Mottola tat sein Bestes, gutes Material zu bekommen, und nahm für die Aufnahmen eifrig die Dienste eines jungen, fest angestellten Epic-Produzenten namens Sandy Linzer in Anspruch. Linzer war ein Songschreiber, auf dessen Konto eine Reihe von Hits gingen, darunter »Let's Hang On« und »Dawn (Go Away)«,

die er für die Four Seasons geschrieben hatte. Doch nicht einmal Linzer konnte aus T. D. Valentine einen Star machen. Mottola schloß sein Studium an der Hofstra University erfolgreich ab, bekam aber keinen Plattenvertrag und landete als PromotionMann bei Chappell Music, einem führenden Musikverlag. Nicht lange darauf freundete er sich mit Daryl Hall und John Oates an, die Songs für Chappell schrieben, aber Schwierigkeiten hatten, sie auf Platte zu bekommen. Mottola brachte Hall und Oates zu Sandy Linzer und ließ sie ihm vorspielen. Sie gefielen Linzer, aber der A&rR-Chef von Epic, Don Ellis, mochte sie nicht. Anfang f 9 7 2 half Mottola Hall und Oates, einen Plattenvertrag bei Atlantic zu bekommen. Drei Jahre später hörte Mottola bei Chappell auf, um sich ganz auf das Management von Hall and Oates zu konzentrieren. Daneben managte er gemeinsam mit Sandy Linzer noch zwei weitere Chappell-Bands, Dr. Buzzard's Original Savannah Band und Odyssey. Im selben Jahr gingen Hall and Oates von Atlantic zu RCA. Mottola hatte das Image, das Waller Yetnikoff für sich zu kultivieren versuchte. »Tommy ist ein aggressiver kleiner Bursche«, sagte ein Mann, der ihn damals kannte. »Er ist ein Italiener, der sich auf der Straße auskennt, und wenn es irgendwas gibt, was diese Branche verehrt, dann ist es der aggressive Machotyp von der Straße.« Was Grubman betraf, so sprach er von der »natürlichen Harmonie«, die er gleich bei seinem ersten Treffen mit Walter gespürt habe. Die beiden Männer waren nicht weit voneinander in Brooklyn aufgewachsen und hatten eine ähnliche »traditionelle jüdische Erziehung« genossen. Jedenfalls ging bei dem Essen alles gut. Mottolas Erinnerung zufolge »setzten wir uns hin, um mit Walter über die Idee (eines LabelProduktionsvertragsl zu sprechen. Ich redete, Allen redete. Wir bekamen gar nicht erst die Chance, unsere Präsentation zu beenden. Ich werde es nie vergessen: Walter trank ein Glas Wein. Er stellte das Glas ab, und bevor er den Wein auch nur runtergeschluckt hatte, sagte er: >Sie gefallen mir. Ich möchte mit Ihnen ins Geschäft kommen.* Und das war's«. Im September 1977 kündigte CBS eine Produktionsvereinbarung

mit Motlolas Management-Firma Champion Entertainment an. Es kam jedoch nicht zu dem Abschluß, weil RCA Records Einwände erhob. Die drei großen Bands, die Champion vertrat, waren zu jener Zeil alle bei RCA unter Vertrag. Bob Summer, der Präsident von RCA, war aufgebracht, weil Mottola ihn nicht vorher informiert haue. »Bob sagte: >Wie kannst du mir das antun?*« erinnerte sich Mottola. »Ich setzte mich mit Allen zusammen und sagte: »Was sollen wir machen?* Er sagte: >Paß auf, du bist doch mit Walter befreundet. Geh zu Walter und sprich mit ihm wie mit einem Freund, sag ihm, das konnte deiner Beziehung zu RCA schaden, wo all deine Klienten unter Vertrag sind, und frag ihn, was du tun sollst.* Ich ging hin, setzte mich mit Walter zusammen und erklärte ihm die Situation. Walter schüttelte mir die Hand und sagte: >Tu, was du tun mußt. Kein Problem.* Folglich ging ich zu RCA und schloß den Produktionsvertrag mit denen ab. Und von diesem Moment an wußte ich, was für ein Mensch Walter war. Wenn er dein Freund war, war er wirklich und wahrhaftig dein Freund.«

Z

ehn Jahre nach dem Essen im Sea Fare kam Allen Grubman an einem Frühlingsmorgen in sein Büro in der Madison Avenue und

rief einen seiner vielen großen Klienten an, den Rockstar J o h n Cougar Mellencamp. Sein Büro war ein veritables Museum von tschotschkes: ein einarmiger Bandit, ein pinkfarbener Miniatur-Cadillac, eine Miniatur-Jukebox, ein Schwert im Stein, ein ausgestopfter Bär, ein ausgestopfter Affe, der Hammer eines Richters, ein MTV-Gong, eine kleine Gewichtheber-Statue, ein altes Grammophon mit einer 78er drauf (»When the Swallows Come Back to Capisirano«), ein DartBrett. Juristische Fachliteratur war nirgends zu sehen. Grubman halle immer noch Übergewicht, nahm aber ein knappes

Jahr später mit einer Blitzdiät fünfzig Pfund ab; da hatte er sich nämlich von seiner Frau Yvetle scheiden lassen, mit der er zwanzig Jahre verheiratet gewesen war, und seine Klientin Raquel Welch hatte ihm versichert, keine Frau würde mit ihm ins Bett gehen, außer wenn er sich seine American-Express-Karie auf die Stirn klebte.

Grubman wirkte ein bißchen verärgert. Offenbar verzögerte Mellencamp einen Vertragsabschluß wegen einer Meinungsverschiedenheit darüber, wann seine Singles für das Top-40-Radio herausgebracht werden sollten. »John«, sagte Grubman ins Telefon, »warum machst du mir das Leben schwer? Line Single bringt man im August raus - sagen wir, Milte August. Und sie ist ein Hit. Man spricht von zwölf Wochen. Okay? Dann hätte man also den 15. September, den 15. Oktober, den 15. November. Das heißt, falls sie ein Hit wird. Ganz recht. Eine Hitsingle lauft zwölf Wochen.« Mellcncamp war anderer Meinung. »Wollen wir wetten? Du kannst jeden anrufen, den du kennst. Niemand bringt zwischen dem 15. November und dem 1. Januar eine Single raus, weil da Weihnachten ist und man nicht im Radio gespielt wird . . . « Mellencamp nahm es ihm nicht ab. »Sieh mal, J o h n « , sagte Grubman, und seine Stimme wurde ganz leise, »wir haben doch beide das gleiche Ziel. Weißt du, warum ich das Geschäft über die Bühne bringen möchte?« Jetzt war seine Stimme ein verschwörerisches Flüstern. »Je eher das Geld auf unserem Konto ist, desto eher lächeln wir.« Mellencamp hatte Grubman engagiert, weil er den gleichen Anwalt haben wollte wie Bruce Springsteen. An einem glühend heißen Sommerabend - eine Klimaanlage war nicht vorhanden - sah er Grubman zum ersten Mal in Aktion. »Allen hat seine Schuhe und Strümpfe ausgezogen«, erinnerte sich Mellencamp. »Er hat seine Krawatte abgelegt. Er hat nur noch sein T-Shirt an, und sein dicker Bauch hängt raus. Er schwitzt und hat seine schmutzigen, stinkenden Füße auf dem Tisch. Ich sagte: >Das ist der Anwalt, den ich engagiert habe?Was soll ich deiner Meinung nach tun?< Er sagte: >Allen, wenn du jemals dein eigener Herr sein

willst, dann ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt dafür. Warte nicht, bis du zu alt bist.< Fr hat mich sehr motiviert und mir große Kraft gegeben. Wenn jemand mich nach den zwei oder drei wichtigsten Leuten in meiner Karriere fragen würde, wäre Henry Stone einer von ihnen.« Bei den Künstlern, die Stone herausbrachte, hielt sich die Begeisterung für ihn jedoch in Grenzen. Wenn man an einem Sommertag des Jahres 1974 mit Allen Grubman in Stones Büro in Hialeah gewesen wäre, hätte man vielleicht gesehen, weshalb. Lin Sänger von T. K. Records namens George McCrae, ein Schwarzer aus West Palm Beach, hatte zu dieser Zeit gerade einen bundesweiten Nummer-1Hil, »Rock Your Baby«. Die Pop-Historiker würden »Rock Your Baby« später einmal als eine der besten Platten des Disco-Genres betrachten. Sie verkaufte sich weltweit insgesamt über sechs Millionen mal. Obwohl der Song an der Spitze der Charts stand, hatte McCrae anscheinend noch kein Geld gesehen. »Henry Stone führte seine Plattenfirma wie die Typen im Süden ihre Plantagen«, sagte ein Mann, der an jenem Tag ebenfalls anwesend war. »Henry schuldete George ungefähr 1 1 0 0 0 0 Dollar Tantiemen. Er hat noch nicht einen Penny gekriegt, er kann die Miete nicht bezahlen. George sagt zu Henry: >Wenn du mir nicht zahlst, was du mir schuldest, bin ich die längste Zeit bei dir gewesene Henry zuckt mit keiner Wimper. »George«, sagt er zu ihm, >du überraschst mich wirklich, und das gerade heute.< Er greift in seine Tasche und holt ein dickes, zusammengerolltes Bündel Geldscheine raus. Vielleicht sind's ein paar tausend Dollar - wieviel kann man in die Tasche stecken? I lenry gibt George das Bündel. >Aber das ist noch nicht allesSchau mal da aus dem Fenster, George. Siehst du den Cadillac? Er gehört dir, George. Ich will, daß du nie wieder in diesen Raum kommst und so was tust.< Währenddessen fängt Allen an, so ein merkwürdiges Gurgeln von sich zu geben. Ich dachte zuerst, er hätte Angst. Aber er war drauf und dran loszulachen, er wußte, was passieren würde. George ist kurz davor, in Tränen auszubrechen. Ich kann's nicht glauben, der Bursche hat 1 1 0 0 0 0 Dollar

zu kriegen. Dann geht er raus. Ich sage: >Henry, wieviel hat der Cadillac gekostet?« >Wieso gekostet?« sagt er. >Der ist gemietet.Jerry, ich muß jetzt Schluß machen, mein Schreibtisch brennt.« Wenn ich zu einem Meeting ging, lagen da vielleicht anderthalb Gramm einer kontrollierten Substanz auf dem Schreibtisch. [F.in Managerl sah mich an und sagte: >Das macht dir doch nichts aus, oder?« Und ich sagte nein. Dann saßen wir bis vielleicht halb acht oder acht Uhr rum, bis die anderthalb Gramm alle waren. Wir waren seit fünf Uhr bei diesem Meeting und hatten noch nicht das geringste getan. Und als das Zeug nun weg ist, wühlen sie in ihrem Schreibtisch rum und holen die Qualudes raus. Ich hab nie eine genommen, also kann ich Ihnen nicht sagen, was die mit einem machen, aber ich weiß, es ist (oll, wenn man einen auf schwerfälligen alten Negerdiener machen will. Jedenfalls tranken sie Bier und warfen die Qualudes ein. Sie schmissen mit den Dingern um sich, als würden sie Elefanten im Zirkus füttern. Vergessen Sie's, Mann. Es war absolut die schlimmste Erfahrung meines Lebens. Was Casablanca passiert ist, mußte passieren. Es mußte einfach in die Hose gehen.«

M

an kann sich wohl kaum eine Plauenfirma vorstellen, die weniger mit Casablanca gemein gehabt hätte als PolyGram. Was

immer man an Casablanca auszusetzen haben konnte, niemand hätte

behauptet, das Label sei bürokratisch oder spießig oder habe keine erkennbare Hierarchie. All das traf jedoch in den siebziger Jahren auf PolyGram zu. Angesichts der Entstehungsgeschichte des Unternehmens war leicht zu sehen, warum es so geworden war. PolyGram halte 1962

als europäische Plattenfirma für klassische Musik mit einem Aktientausch zwischen zwei industriellen Riesen begonnen: den Elektrokonzernen Siemens AG und Philips (votler Name: N.V. Philips Gloeilampenfabrieken). Philips steuerte sein gleichnamiges Klassik-Label bei; Siemens hatte die Deutsche Grammophon. Doch schon bald nach seiner Gründung stieg PolyGram in den amerikanischen Unterhaltungsmusikmarkt ein, indem es Mercury Records in Chicago kaufte, dessen Pop-Riege Mitch Miller aufgebaut hatte, bevor er zu Columbia gegangen war. Des weiteren finanzierte PolyGram ein neues Label in New York, Spring Records, das Millie Jackson herausbrachte. 1 9 7 2 wurde der PolyGram-Konzem als Holdinggesellschaft für alle Philips-Siemens-Labels gegründet. Die Firmensitze waren in Baarn einem Ort in den Niederlanden - und in Hamburg. Dann unternahm PolyGram eine Expansionstour auf dem amerikanischen Markt und erwarb MGM Records, Verve und das Vertriebssystem von United Artists. Mit dem letzten Kauf waren die Würfel gefallen. PolyGram mußte seinen Anteil auf dem Unterhaltungsmusikmarkt ausbauen, denn nicht einmal sein Ausstoß an Klassik - der größte der Welt reichte, um ein nationales Vertriebsnetz zu unterhalten. 1 9 7 6 kaufte PolyGram 50 Prozent von RSO, dem einzigen Disco-Label, das mit Casablanca mithalten konnte. Inzwischen hatte der Konzern längst einen amerikanischen Zweig von Polydor aufgebaut, einem hauseigenen Pop-Label. Es wäre milde ausgedrückt, wenn man sagen würde, daß die 1 lolländer und Deutschen in der Führung von PolyGram keine Ahnung von der amerikanischen Pop-Szene hatten. Es ist immer ein Fehler, wenn man versucht, sich in aller Eile in einen Markt einzukaufen, bevor das Spitzenmanagement diesen Markt kennengelernt hat. PolyGram nahm an, seine erfolgreichen europäischen Künstler würden sich auch in den Vereinigten Staaten durchsetzen, obwohl nur wenige von ihnen Englisch sangen. So gab es bei Polydor beispielsweise einen dreizehnjährigen Holländer namens Fleintje, der in Europa Millionen von Platten verkaufte. Amerika empfing ihn mit kalter Gleichgültigkeit.

Es war nie ganz klar, wer bei PolyGram das Sagen haue, obwohl es einen neunköpfigen Vorstand gab, der sowohl Philips als auch Siemens gegenüber rechenschaftspflichtig war. Die beste Analogie für PolyGram waren wahrscheinlich die hollandischen Gilden des sechzehnten Jahrhunderts. Bei PolyGram gab es keine Eigentümer, alle arbeiteten für ein Gehalt und eine Pension. Wenn man einmal bei Philips und Siemens war, blieb man sein ganzes Leben lang dort. PolyGram hatte keine ureigene Vision in bezug auf den Markt, verglichen beispielsweise mit A &r VI oder sogar CBS. Wenn man überdies die historischen Spannungen zwischen Holländern und Deutschen einbezog - alle in Baarn waren alt genug, sich daran zu erinnern, was die Nazis Holland angetan hatten -, so hatte man eine gefährliche Gleichung für ein Unternehmen, das sich anschickte, den mörderischen US-Markt zu betreten. Als PolyGram 1977 seine erste Beteiligung an Casablanca erwarb, wurde das Label zum Bestandteil des stetig wachsenden amerikanischen Zweiges des Unternehmens, der von 1 lamburgaus von einem Mann namens Werner Vogelsang geleitet wurde. Der Chef des Weltkonzerns, Coen Solleveld, ein zurückhaltender Rotterdamer mit einem weißen Schnauzbart, war von den Deutschen im Zweiten Weltkrieg ins Gefängnis gesteckt worden. Er war ein Mann, der sich voll und ganz mit seiner Firma identifizierte: Vier Tage nach seiner Hochzeit verließ Solleveld Holland, um Vertriebsmanager von Philips in Indonesien zu werden; seine Frau konnte erst ein Jahr später nachkommen. »Ich wollte immer weg aus Holland, schon als ich noch klein war«, sagte er. »Wenn man irgendwo aufs Gaspedal drückt, ist man schon jenseits der Landesgrenze, also kann man ebensogut weggehen.« Die anderen hohen Entscheidungsträger im PolyGram-Konzern waren zwei Deutsche, Wolfgang Hix und Kurt Kinkele. Hix war studierter Jurist, ein kleiner, typischer Deutscher mit leiser Stimme. Kinkele war leutseliger. Neil Bogart und die anderen bei Casablanca mochten Solleveld sofort. Aber da sie Juden waren, fiel es ihnen schwer, einen düsteren Gedanken zu unterdrücken, als sie die Deutschen trafen: Wo mochten die wohl während des Krieges gewesen

sein? Kinkele brauchte man nicht lange zu fragen. Wenn er einen Amerikaner traf und das bis brechen wollte, gab er am liebsten damit an, daß er die Vereinigten Staaten zum ersten Mal durchs Periskop eines von ihm kommandierten U-Boots gesehen hatte. Kinkele fand das einfach zum Schreien komisch.

D

ie Geschichte von RSO glich der von Casablanca. Der entschei-

dende Unterschied aber bestand vielleicht darin, daß die größten

Erfolge von RSO - die Filme Saturday Night Fever und Grease sowie

die dazugehörigen Soundtracks - so phänomenal waren, daß sie die woanders aufgelaufenen Verluste von RSO wettmachten. Obwohl auch RSO vom »Koste es, was es wolle «-Bazillus infiziert war, gelang es dem Unternehmen, den schlimmsten Folgen der Krankheit zu entgehen. RSO war die Schöpfung von Robert Stigwood, einem Australier, der als Laufbursche von Brian Epstein, dem Manager der Bealles, begonnen hatte. Wie Bogart war Stigwood kein Record Man, sondern eher ein Unterhaltungsmogul. Als Produzent von Jesus Christ Superstar hatte er bereits seine Spuren im Filmgeschäft und am Broadway hinterlassen, bevor er RSO aus der Taufe gehoben hatte. Stigwood war ein Visionär - er entwickelte die Idee zu Saturday Night Fever, nachdem er in einer Zeitschrift einen Artikel über Jugendliche in einer Disco in Brooklyn gelesen hatte -, aber die alltägliche Leitung eines Unternehmens interessierte ihn nicht. Dafür rekrutierte er AI Coury, einen erstklassigen Promotion-Manager, der bei Capitol Records gerade bei der Ernennung des neuen Präsidenten übergangen worden war. Manche halten AI Coury für den größten Promotion-Mann aller Zeilen. Promotion-Leute sind Verkäufer, und der J o b eines Verkäufers besteht in erster Linie darin, andere zu motivieren. Es gab nur wenige, die so gut motivieren konnten wie AI Coury. Geduld war nicht seine Stärke; nachdem er einmal zwanzig Minuten darauf gewartet hatte, daß ein Manager ein Telefongespräch beendete, lenkte er die Aufmerksamkeit des Mannes auf sich, indem er an seinen eingetopften

Baum pinkelte. »AI Coury m u ß mehr I lits zum Durchbruch verholten haben als sonst jemand auf der Erde«, sagte Rick Bleiweiss. »Er konnte toll schreien. Er hat sich immer Billboard-Printouts besorgt und seine Mitarbeiter in die Mache genommen: IN P 1 T T S B U R G H MIT DEN B E E G E E S DREI

WARUM SIND W I R

PLÄTZE ZURÜCKGEFALLEN?

Wenn alles gut lief, hatte er eine wunderbare Technik: Ich möchte euch wirklich allen danken, ihr habt hervorragende Arbeit geleistet, wir sind Nummer eins g e w o r d e n . . . SIND WIR'S IMMER NOCH NICHT!

ABER MIT DEM ANDY-GIBB-ALBUM

Er verbreitete mehr Angst als jeder

andere in der Branche. Wenn AI Coury sagte: >SpringIch bin hier fertig, ich bringe ihn wieder nach Hause.< >Was meinen Sie?< sagte ich. >Wer ist der Bursche?« AI sagte: >Das ist Bill Ward low. < Also fragte ich: > Worum geht's hier eigentlich?« Und AI antwortete: >Um meine verdammte Yvonne-Elliman-Platte! Ich muß sie irgendwie auf den ersten Platz kriegen!« In der nächsten Woche war Yvonne Elliman Nummer eins.«*

E

rfolg ist manchmal ein Fluch. 1 9 7 8 erlebte PolyGram einen Erfolg, der die kühnsten Träume des Unternehmens überstieg. Es

war ein annus inhabilis - ein Jahr der Wunder. Saturday Night Fever und Grease von RSO machten im Box Office jeweils über 100 Millionen Dollar Umsatz; Grease wurde zum größten Filmmusical aller Zeiten. Die Soundtrack-Alben der beiden Filme verkauften sich weltweit jeweils 30 Millionen Mal, ein Rekord, der erst von Michael

Jacksons Thriller gebrochen werden würde. RSO begann das Jahr mit fünf Nummer-eins-Hits in ununterbrochener Folge, von Player, den Bee Gees, Andy Gibb, wieder den Bee Gees und - natürlich - Yvonne Elliman. Casablanca versuchte, mit einem Film über eine wilde Nacht in einer Diskothek - Gottseidank, es ist Freitag - im Box Office mit RSO gleichzuziehen. Die Geschichte hatte Neil Bogart sich ausgedacht. Die Kritiker zerrissen den Film in der Luft, aber er lockte die Leute ins Kino, und Donna Summer gewann mit »last Dance« einen Oscar für den besten Song. Währenddessen machte Casablanca mit einem Film von Peter Guber - Midnight Express - einen Flaufen Kohle. Und Bogarts Label verkaufte Millionen Platten von Donna Summer, Kiss und den Village People. Als PolyGram die Jahresumsätze im Tonträgerbereich addierte, beliefen sie sich auf 1,2 Milliarden Dollar. Noch nie zuvor hatte eine Plattenfirma eine Milliarde Dollar im Jahr eingenommen. PolyGram

" Im April 198/5 wurde W a r d l o w von Bittboard entlassen. Die Zeitschrift war offenbar nicht glücklich über seinen U m g a n g mit den Charts

verfiel in einen wahren Begeisterungstaumel. In j e n e m Jahr war Coeri Solleveld von Baarn nach New York umgezogen, eine unverhüllte Erklärung, daß PolyGram sich jetzt für eine vollwertige amerikanische Plaltenfirma hielt. Die Ergebnisse des Geschäftsjahres schienen ihn zu bestätigen. PolyGrams Marktanteil war sprunghaft um erstaunliche 15 Prozent gestiegen, von 5 Prozent auf 20 Prozent. »Ganz plötzlich lagen wir zusammen mit CBS und Warner an der Spitze«, sagte ein PolyGram-Manager. Mitte 1 9 7 9 feierte PolyGram sich selbst mit einer riesigen Party in Palm Springs, zu der sogar Henry Kissinger als Redner eingeladen wurde. Hätte das deutsch-holländische Management einen genaueren Blick auf die finanziellen Resultate geworfen, hätte es nicht auf einen Sieg angestoßen. Bei all dem Geld, das PolyGram brutto einnahm, war die Gewinnspanne alarmierend gering. Wenn man die beiden großen Soundtrack-Alben abzog, war das US-Geschäft insgesamt trotz all der anderen Hits kaum profitabel. Der Marktanteil war zwar steil angestiegen, aber das lag in erster Linie an den beiden 30-MillionenSellern, und PolyGram konnte kaum davon ausgehen, daß es diese Leistung jemals wiederholen würde, geschweige denn jedes Jahr. Schon 1 9 7 8 gab es sichere Anzeichen dafür, daß Casablanca außer Kontrolle war. Bogart warf vier Kiss-LPs zugleich auf den Markt, jedes ein Solo-Album eines Mitglieds der Gruppe. »Neil verkaufte letztendlich 6 0 0 0 0 0 bis 7 0 0 0 0 0 Stück pro LP, was enorm gewesen wäre«, sagte ein ehemaliger PolyGram-Manager. »Aber er preßte so viele, daß wir von den Retouren erschlagen wurden. Im September lagen wir bereits weit zurück, aber Neil redete allen ein, zu Weihnachten werde sich das schon regeln. Also preßte er eine weitere Viertelmillion und verlor noch mehr!« Auch bei RSO gab es Gefahrenzeichen. 1 9 7 8 verfilmte Stigwood das klassische Beatles-Album .Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band mit den Bee Gees, Peter Frampton und George Burns in den 1 lauptrollen, und der Lilm wurde ein Flop. Die Doppel-LP mit der Filmmusik wurde vom Ro//ing Stone zur schlechtesten Platte des Jahrzehnts gekürt. Doch die Bee Gees waren so populär, daß die Platte trotzdem ein Monster-Hit geworden wäre, wenn man sie nicht in zu hoher

Auflage ausgeliefert hätte. »Sie hat sich vielleicht drei Millionen Mal verkauft«, sagte ein ehemaliger PolyGram-Mitarheiter, »aber wir haben acht Millionen ausgeliefert und fünf zurückgekriegt.« Die Restexemplare wurden schließlich für fünfundzwanzig Cents pro Stück an einen Cutout-Händler verscherbelt. In seiner Euphorie interpretierte PolyGram die Geschehnisse so falsch, daß es sich einbildete, wirklich gleichauf mit CBS und Warner zu liegen. Das Unternehmen begann, sein Vertriebsnetz auszubauen, um die Verkaufsmengen des Jahres 1978 auch fürderhin bewältigen zu können. Niemand schien zu bedenken, daß Soundtracks absolute Eintagsfliegen waren und nicht mit Hit-Karrieren verwechselt werden sollten. PolyGram richtete riesige, automatisierte Warenlager in Kalifornien, New Jersey und Indiana ein. Als 1 9 7 9 kein Saturday Night Fever oder Grease kam, verursachten die Warenlager Verluste von schätzungsweise 7 Millionen Dollar pro Monat. Im Rückblick pflegten reumütige PolyGram-Manager des öfteren eine Analogie aus dem Installationsbereich zu verwenden. »Wir haben eine sechs Zoll starke Rohrleitung gelegt«, sagte einer, »und später festgestellt, daß wir sie nur zwei Zoll hoch mit Produkten füllen konnten.« Der Zusammenbruch von '79 war zuallererst ein Phänomen des Einzelhandels. Die Plattenindustrie hatte die Anzahl der Platten, die von den Läden retourniert werden konnten, nie begrenzt. Das hieß im Endeffekt, daß die Einzelhändler kein Beständewagnis hatten. Sie konnten sich liefern lassen, soviel die Plattenfirmen ihnen schicken wollten, weil sie wußten, daß sie jede unverkaufte LP oder Single zum vollen Einkaufspreis zurücksenden konnten. Das galt auch für die Rackjobber, jene Zwischenhändler, die in Kaufhäusern Regalraum für Platten hatten. Für alle beide war es ein recht gutes Geschäft, und Coen Solleveld von PolyGram, der den amerikanischen Markt nun kennenlernte, war verblüfft. »Wenn ich Groß- oder Einzelhändler wäre«, sagte er, »würde ich den ganzen Tag lachen.« Das Gelächter ging auf Kosten der gesamten Plattenbranche, daran besteht kein Zweifel. Alle Major-Labels hatten sich das Disco-Fieber zugezogen und lieferten riesige, eher auf Selbstüberschätzung als auf irgendeiner Nachfrage basierende Mengen von Tanz- und Pop-LPs

aus. Die Einzelhändler nahmen sie. Warum auch nicht? 1 9 7 9 kamen sie dann allmählich in gewaltigen Mengen zurück. Der Fehler, den PolyGram - wie auch CBS und Warner und die anderen Majors gemacht hatte, war, Platten auszuliefern und sie als Verkäufe zu verbuchen, ohne auf die Idee zu kommen, daß die üblichen Retourenschätzungen viel zu niedrig sein könnten. Obwohl der Markt 1 9 7 9 geschrumpft war, fuhren Casablanca und die anderen PolyGram-Labels fort, Dutzende neuer Sänger und Bands unter Vertrag zu nehmen. Heute ist die Musikerriege von Casablanca eine eindrucksvolle Kandidatenliste für die Frage »Was ist aus ihnen geworden?«: Phylicia Allen, Angel, ßrenda and theTabulations, Brooklyn Dreams, Bugs Tomorrow, Teri Desario, Eclipse, Alma Faye, Suzanne Fellini, Four on the Floor, the Godz, Leroy Gomez, Patrick Juvet, Lighning, Love and Kisses, Mizz, Munich Machine, Nightlife Unlimited, Paris Connection, Devin Payne,707, Space,Trigger... und das war nicht einmal die Hälfte. Bevor Bogart am Ende war, halte Casablanca hundert Pop-Acts unter Vertrag - mehr als CBS Records. Man bedenke, daß jeder Vertrag rund 1 0 0 0 0 0 Dollar kostete - vor der Promotion. Dazu kamen die Kosten für das riesige, automatisierte Vertriebssystem, das PolyGram in den Vereinigten Staaten aufgebaut hatte, um all die Monster-Hits zu bewältigen, die es eigentlich hätte haben sollen. Fast von Beginn seiner amerikanischen Exkursion an hatte PolyGram überall in der Welt gutes Geld gemacht und es in die Vereinigten Staaten geleitet. 1 9 7 8 stieß das Unternehmen dann auf Gold — für ein Jahr. Danach jedoch wurde die Gewinnabführung zu einem Faß ohne Boden. Casablanca begann zweistellige Millionenbeträge pro Jahr zu verlieren. Es halte zweihundert Angestellte auf der Gehaltsliste und ein großes Drogenbudget. 1 9 7 9 waren die Village People abgenudelt, Kiss hatten einige Popularität eingebüßt, und Donna Summer war im Begriff, Casablanca zu verlassen und zu Geffen zu gehen. »Das tat weh«, sagte Larry Harris. Alle Promotion der Welt konnte der restlichen Künsllerriege nicht helfen, aber das hielt Bogart nicht davon ab, es zu versuchen. »Neil hat immer das Geld aller möglichen Leute ausgegeben, und die haben alle immer so getan, als wären sie total über-

rascht«, sagte ein ehemaliger PolyGram-Mitarbeiter. »Schließlich sind die Deutschen aufgewacht. Moment mal! Wenn er so weitermacht, treibt er uns in den Bankrott! Ja, natürlich!« Schließlich und endlich beschloß der PolyGram-Konzern, einen seiner eigenen Leute zum Finanzchef von Casablanca zu machen. Er wählte einen jungen Buchhalter von Polydor, David Shein, und schickte ihn nach Los Angeles. Kurz darauf traf ein PolyGram-Manager, der auf Besuch in L.A. war, Shein hinter dem Lenkrad eines Mercedes-Cabrios an, das Neil ihm zur Verfügung gestellt halte. Der Buchhalter war zu Bogarls Verbündetem geworden. »Neil hatte eine einmalige Art, Leute auf seine Seite zu ziehen«, gab Shein im Rückblick zu. »Es war wirklich schwer, niehl zu glauben, was er sagte.« Sheins Nachfolger, Peter Woodward, erfüllte die in ihn gesetzten Hoffnungen ebenfalls nicht. »Ich wollte den Burschen sprechen, weil er für ein paar Rechnungen zuviel bezahlt hatte und ich wissen wollte, warum«, erinnerte sich ein ehemaliger Manager aus der PolyGrarnZentrale in New York. »Herein kam ein Kerl mit Halstuch und Halskette, der wie ein cooler Kalifornier aussah. Als ich ihn fragte, warum man bestimmte Rechnungen nicht beglichen habe, hielt er mir einen Vortrag darüber, wie hart sein Team arbeitete. Und sie hätten es wirklich satt - ich erinnere mich noch an seine Worte - daß >Arschlöcher aus der Zentralem womit er mich meinte, herkämen und sie kritisierten!« Bogart hatte bald seine eigenen Probleme.

Im Oktober 1979

brannte seine Pseudo-Tudor-Villa bis auf die Grundmauern nieder. Dann reichte Donna Summer im Februar 1 9 8 0 eine Klage über 10 Millionen Dollar gegen ihn, seine Frau Joyce und Casablanca ein; sie behauptete, sie sei finanziell betrogen worden. Als Neil sie Ende 1 9 7 5 in die Vereinigten Staaten geholt hatte, hatte sie keinen Manager gehabt, und er hatte ihr in der besten Tradition der Plattenbranche einen besorgt: Joyce Bogart. Summer behauptete, jeder Anwalt, der sie vertreten habe, sei von Neil oder Joyce ausgesucht worden und habe auch für Casablanca gearbeitet. Als Summer endlich beschloß, sich einen eigenen Anwalt zu suchen, der keine Verbindungen zu dem Label hatte, entschied sie

sich für den kalifornischen Prozeßanwalt Don Engel. »Wir fanden Beweise dafür, daß Neil versucht halte, Donnas frühere Anwälte auf seine Seite zu ziehen«, sagte Engel. »Er versuchte sogar, mich auf seine Seite zu ziehen. Bei unserem ersten Treffen, zu dem ich als Donnas Anwalt erschien, kam er zu mir herüber und sagte: >lch habe gehört, Sie sind ein erstklassiger Prozeßanwall. Unsere Firma gibt ein kleines Vermögen für Anwaltshonorare aus, und wir werden anfangen, Sie einzusetzen.«« Diesmal ging der Versuch jedoch nach hinten los. Engel bat Summers Co-Anwalt, John Mason, der die Bemerkung mitangehört hatte, sie in einer eidlichen Erklärung als Beweismittel festzuhalten. »Ich hatte nichts gegen Neil«, sagte Engel. »Er machte mit Donna nur das gleiche, was andere Firmen ebenfalls machen, so wie man es ihm in der Branche beigebracht hatte.« Die Bogarts bestritten Summers Vorwürfe und reichten eine Gegenklage ein, in der sie behaupteten, Donna habe ihren Plattenvertrag gebrochen. Neil starb, bevor das Verfahren eröffnet werden konnte, und PolyGram verglich sich mit der Sängerin. Summer durfte Casablanca verlassen und zu Geffen Records gehen, mußte PolyGram aber vorher noch eine letzte LP abliefern, Shc Works Hard for the Money. Im gleichen Monat, in dem Donna Summer ihre Klage erhob, kaufte PolyGram die 50 Prozent von Casablanca, die es noch nicht besaß, und zwang Neil Bogart, seinen Hut zu nehmen. Es war keine schlechte Art, an die Luft gesetzt zu werden: Bogart war Casablancas Hauplaktionär und erhielt den Löwenanteil des Kaufpreises, angeblich 15 Millionen Dollar. Mit einem Teil des Geldes gründete er ein neues Label namens Boardwalk. Casablanca FilmWorks wurde ausgegliedert und zur Basis der neu gegründeten PolyGram Pictures, die später etliche kommerziell erfolglose Filme machte, darunter Missing und Endlose Liebe. Bruce Bird nahm Bogarts Platz als Präsident von Casablanca ein, wurde jedoch nur zehn Monate später entlassen. Endlich beschloß PolyGram, seine US-Geschäfte in Zukunft von einem gebürtigen Amerikaner leiten zu lassen, der den Markt kannte, statt von Werner Vogelsang, der das Unternehmen von Hamburg aus geführt hatte. Der Mann, für den Coen Solleveld sich entschied, Harvey Schein, war zwar Amerikaner, aber seinem eigenen Eingeständnis

zufolge ein Verwaltungsfachmann und kein Record Man. Schein übernahm die US-Geschäfte im Mai 1980. Im selben Monat wurde Solleveld in die neunköpfige Abordnung befördert, die als PolyGrams Aufsichtsrat fungierte, und Wolfgang Hix wurde Chef des Weltkonzerns. Harvey Schein war der Mann, der Clive Davis zu CBS gebracht und CBS Records International aufgebaut hatte.* Er verließ CBS 1 9 7 2 , um Präsident der Sony Corporation von Amerika zu werden. Akio Morita, Mitbegründer von Sony, gab Schein sechs Jahre später den Laufpaß, nachdem Sonys Betamax den Wettbewerb um das vorherrschende Videoformat in den Vereinigten Staaten verloren hatte. Von Sony ging Schein zu Warner Communications, wo er zwei Jahre als Spitzenmanager tätig war. Aus seinem Vertrag mit Warner wurde er jedoch ebenfalls herausgekauft. Schein hatte für sich selbst Verträge mit lukrativen Abfindungsklauseln ausgehandelt. Wie verlautete, bezahlte Sony ihm ein sechsstelliges Jahresgeld. Seine Abfindung bei Warner wurde offengelegl: 1 0 5 0 0 0 Dollar pro Jahr für 15 Jahre. Schein, dessen Jahresgehalt bei PolyGram geschätzte 5 0 0 0 0 0 Dollar betrug, wurde dort im Juli 1 9 8 2 entlassen und kassierte fortan auch noch eine dritte Abfindung. Als er einen Posten bei Rupert Murdochs News America annahm, erhielt Schein also große Summen von drei Großunternehmen, damit er nicht zur Arbeit erschien. Es war Schein wahrscheinlich vorbestimmt, bei PolyGram zu scheitern. Mit Wirtschaftsrecht und Finanzen kannte er sich aus, aber im Umgang mit Menschen war er unerträglich. Er neigte dazu, Untergebene aus vollem Halse anzuschreien. »Harvey war ein intelligenter Mann, aber er kam mit einer Menge emotionalem Ballast«, sagte einer seiner höchsten Mitarbeiter. »Er mißtraute Leuten, die Charme halten. Harvey dachte, sie seien Betrüger, und hielt es für eine Schwäche, beliebt zu sein. Er war auch der Meinung, daß man ein Großunter-

* I r o n i s c h e r w e i s e war S c h e i n z u m Teil v e r a n t w o r t l i c h dafür, d a ß P o l y G r a m ü b e r h a u p t e i n e n a m e r i k a n i s c h e n Z w e i g a u f g e b a u t hatte. Bis i n die f r ü h e n s e c h z i g e r J a h r e w a r Philips d e r e u r o p ä i s c h e V e r t r i e b s p a r t n e r v o n C o l u m b i a g e w e s e n , a b e r als S c h e i n C B S R e c o r d s I n t e r n a t i o n a l g r ü n d e t e , v e r l o r das h o l l ä n d i s c h e U n t e r n e h m e n a u f e i n m a l sein a m e r i k a n i s c h e s Repertoire. Bald d a r a u f k a u f t e P o l y G r a m M e r c u r y R e c o r d s i n C h i c a g o und begann seine amerikanische Invasion.

nehmen führte, indem man Angst verbreitete. Liebe und Zuspruch für Untergebene waren in seinem Wörterbuch nirgends zu finden.« Schein blickte voller Verachtung auf seine Zeil bei PolyGram zurück. Er spottete über das europäische Management, weil es Henry Kissinger als Redner für die Leier im Jahr 1 9 7 9 engagiert halte, bevor er zu dem Unternehmen gestoßen war. »Plattenleute sind nicht sonderlich gebildet«, sagte er, »und sie ließen Kissinger für 1 5 0 0 0 Dollar seine ausgelutschte Sonntagsrede halten.« Er warf dem Management auch vor, bei seiner Einstellung die finanziellen Probleme des Unternehmens heruntergespielt zu haben. Seine größte Verachtung blieb jedoch seinem Mitarbeiterstab vorbehalten. Bei einer der ersten Mitarbeiterbesprechungen war Schein zutiefst sarkastisch gewesen. »Das ist eine Premiere in der Geschichte der Mathematik«, hatte er seiner Erinnerung zufolge gesagt. »Jeder von Ihnen hat mir erzählt, daß Sie hervorragende Arbeit leisten, aber die kostet uns einen Dollar achtzig für jeden Dollar, den wir einnehmen. Dann sollten wir wohl am besten das Licht ausmachen!« Nur ein paar Monate nach seiner Machtübernahme rekrutierte Schein David Braun als seinen zweiten Mann. Braun war damals einer der Spitzenanwälte im Musikgeschäft. Er vertrat Michael Jackson, dessen erste Solo-LP bei Epic, Off the Wall, einer der wenigen MonsterHits des Jahres 1979 gewesen war. Er war auch der Anwalt von Bob Dylan, Neil Diamond, Diana Ross und George Harrison. Easl jeder mächtige Musikjurist hat die heimliche Sehnsucht, Präsident eines Labels zu werden; Brauns Verderben war es, daß er sie einem Autor des Rolling Stone enthüllte. Nachdem er Brauns Worte gelesen hatte, bot Schein ihm an, ihn zum Präsidenten von PolyGram zu machen. Als Chairman wollte sich Schein auf die langfristige Strategie konzentrieren; Braun sollte die alltäglichen Führungsgeschäfte bei den amerikanischen labels übernehmen. Er akzeptierte. Bald wurde ihm klar, daß er einen Fehler gemacht halle. »Es gab Dinge, die ich nicht wußte, was die Führung eines Großunternehmens betraf, und Harvey war nie da, um mir zu helfen«, sagte er im Rückblick. »Er war nur da, um zu kritisieren.« Schein war gleichermaßen enttäuscht von Braun. »Er hat nicht begriffen, daß man [als

Label-Boß] eine Menge Macht hat, aber auch eine Menge Verantwortung. David war nicht für den J o b geschaffen. Er wollte alle Süßigkeiten, den Spinat aber nicht. Und im Wirtschaftsleben muß man gelegentlich auch mal Spinat essen.« Bei einem Meeting, an dem die europäischen Bosse teilnahmen, kam es zu einer schicksalhaften Konfrontation zwischen Schein und Braun. Schein schrie zwei von Brauns Leuten wegen eines Rechenfehlers an, als Braun ihm Einhalt gebot. »Ich sagte: >Es reicht. Wir sind hier nicht in N ü r n b e r g s , erinnerte sich Braun. »Kurt Kinkele legte mir die I lande auf die Schultern und sagte: »Sehr gut gemacht.* Dieser Gruppe deutscher Manager gefiel es, ihre leitenden Angestellten miteinander streiten zu sehen.« Braun kündigte kurz darauf, im Jahr 1 9 8 1 , und nahm seine private Praxis wieder auf; Schein wurde im folgenden Jahr gefeuert.

N

eil Bogart starb im Mai 1982 an Krebs. Obwohl Donna Summer immer noch im Rechtsstreit mit seinem Nachlaß lag, sang sie

bei seiner Beerdigung. Bogarts letztes Label, Boardwalk, brachte die Rocksängerin Joan Jett heraus und verkaufte mehrere Millionen Exemplare ihres Albums I Love Rock'n'Roll. Trotzdem gab Boardwalk ein Jahr nach Bogarts Tod auf, was keine große Überraschung war. Bogart ist in die Geschichte der Plattenbranche eingegangen. Er wird dafür bewundert, daß er einen Haufen Geld verdient und das Leben eines Straßengauners geführt hat. Es scheint nicht zu zählen, daß seine Hinterlassenschaft an großen Künstlern bei weitem von den großen Verlusten übertroffen wurde, die er ebenfalls hinterließ. PolyGram kam erst 1985 wieder in die schwarzen Zahlen; zu diesem Zeitpunkt hatte das Unternehmen in den Vereinigten Staaten über 2 2 0 Millionen Dollar verloren. Casablanca war für einen großen Teil dieses Defizits verantwortlich. Der genaue Betrag ist nie offengelegt worden.

10 Joey und Freddy

D

anny Davis, der Promotion-Manager von Casablanca, der keine Drogen nahm, fiel 1981 PolyGrams Betriebsverkleinerung zum Opfer. Er hätte eigentlich keine Schwierigkeiten haben sollen, einen neuen J o b zu finden, aber zu

diesem Zeitpunkt hatte er schon ein paar graue Haare. Niemand

wollte ihn mehr haben. Es dauerte nicht lange, bis Davis an Selbstmord dachte. Eines Tages stand er am Kopfende der Treppe in seinem teuren Haus in Tarzana, Kalifornien, und setzte sich eine Pistole an die Schläfe. Er hätte auf den Abzug gedrückt, aber ausgerechnet in diesem Augenblick kam seine Frau die Treppe herauf. »Ich war unbeschreiblich deprimiert«, sagte er. »Jeden Tag fuhr ich durch den Canyon und betete, daß Gott meine Hand nehmen und mich abstürzen lassen würde. Meine Wände waren mit goldenen Schallplatten tapeziert, und jetzt mußte ich mir ein Bein ausreißen, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen.« Zur gleichen Zeit verdiente ein anderer Promotion-Manager in Los Angeles Riesensummen als unabhängiger Promoter. Er war jünger als Davis, Mitte dreißig, aber im Gegensatz zu Danny hatte er noch nie einen einzigen Preis gewonnen. Tatsächlich sah man ihm nicht an, daß er ein guter Promoter war. Er war introvertiert, unnahbar und ziemlich humorlos. Aber 1 9 8 1 , in dem Jahr, als Danny bei Casablanca entlassen wurde, war J o e Isgro einer der mächtigsten Männer in der Plattenbranche. Joe lsgro war Danny Davis nicht fremd. Tatsächlich war er Isgros Nachfolger als nationaler Direktor für Pop-Promotion bei Motown

gewesen - Isgros vorletztem Job, bevor er ein Indie geworden war. Beide Männer stammten aus Philadelphia und hatten in den sechziger Jahren bei Plattenfirmen in ihrer Heimatstadt gearbeitet. Aber sie kannten einander nicht sonderlich gut, bis Danny zu Casablanca kam. Dort gab er J o e Isgro seinen ersten großen Auftrag als Indie-Promoter. Es ging um KFI, eine der größten Top-40-Stations in Los Angeles eine jener Stationen, die sich Anfang 1 9 8 0 geweigert hatten, Pink Floyds »Another Brick in the Wall« zu spielen, bis unabhängige Promoter für die Platte engagiert wurden. »Ende 1 9 7 9 halten wir eine Platte von Donna Summer, die Bruce Bird [der Hauptgeschäftsführer von Casablanca) bei KFI auf die Playlist gesetzt haben wollte«, erinnerte sich Danny. »Ich kannte mich in der Stadt aus und wußte genau, wer mit wem befreundet war. Als Bruce Bird zu mir kam und meinte, wir müßten die Summer-Platte bei KFI unterbringen, sagte ich: >Da gibt's nur einen Weg.< Er wollte wissen, welchen, und ich sagte: J o e Isgro. Der hat außerordentlich gute Kontakte zu John Rook [dem Programmchef von KFI].< Bruce lehnte ab. >Ich bringe die Platte selber bei denen unten, sagte er. >lch rufe John an, der ist ein Freund von mir.< Er rief John Rook an, führte ein prima Gespräch mit ihm und sagte, die Sache sei geritzt. Als die Playlist rauskam und die Scheibe nicht drauf war, sagte ich zu Bruce: >Du solltest Joe Isgro dransetzen.< >Nee, Scheiß auf Joe Isgro, ich will nichts mit Joe Isgro zu tun haben.< Die zweite Woche kam, Bruce rief John Rook wieder an und dachte, jetzt wäre die Scheibe aber mit Sicherheit drauf. John Rook laberte ihn voll. Die Platte kam nicht auf die Playlist. Nach der dritten Woche bin ich zu Bruce gegangen und habe gesagt: >Es gibt nur eine Möglichkeit, die Platte bei KFI unterzubringen.< >OkayPuh, Danny, heute hatte ich echt Lust, irgendwem die Scheiße aus den Knochen zu treten!Die Station gehört leinem Network-Promoter]Die kriegen Sie nicht, wenn Sie das nicht vorher mit ihm regeln.*« Als Musicstream im Juni

1 9 8 5 das Geschäft aufnahm, hatte

McDaniel diese Station sowie mehrere andere, auf die angeblich diverse Network-lndies Anspruch erhoben, trotzdem auf seine Liste gesetzt. Bei einer Top-40-Tagung in Atlanta im selben Monat begannen Leute, McDaniel vor ernsten Folgen zu warnen. Ein PromotionManager eines Major-Labels erklärte ihm, »daß jemand mal gegen [einen Network-Indie] anzugehen versucht hatte und [der Promoter und sein Gefolge] ihn an den Füßen vom Dach eines Hotels gehängt hatten. Da überlegte er es sich anders«. McDaniel wußte nicht, ob er solche Stories glauben sollte. Aber er hörte immer wieder, daß eine Reihe von Indies »sauer« auf Musicstream seien - einer ganz besonders. Schließlich suchte er den Präsidenten eines Labels auf, der den betreffenden Network-Promoter kannte, und bat ihn, eine Unterredung zu arrangieren. »Er ruft mich ungefähr eine Woche später an und sagt: >Okay, ich habe mit [dem Promoter] gesprochen, aber Sie sollten sich lieber darauf einstellen, daß es ganz schön heiß hergehen wird. Ich habe ihn noch nie so wütend erlebtSie haben mich gerade in einem Moment erwischt, wo ich ein bißchen deprimiert bin*, antwortete ich. >Ich habe einen Haufen Außenstände.* Und Freddy sagte: >Keine Sorge, ich leihe Ihnen |Big Mike] aus - Sie kriegen Ihr Geld schon.*« Wie J o e Isgro war Alfred DiSipio ein dekorierter Kriegsheld. 1927 geboren, verließ er mit siebzehn vorzeitig die South Philadelphia High School und ging zur Navy. Im Zweiten Weltkrieg war DiSipio an Bord der USS Gambier Bay im Golf von Leyte stationiert. In einer der heftigsten Seeschlachten des Krieges wurde der Flugzeugträger von japanischen Granaten versenkt. Rund 120 der 1000 Männer an Bord kamen ums Leben. DiSipio trug Rippenbrüche davon und bekam Granatsplitter in den Kopf, den Hals, die Schulter und den Rücken. Zwei Jahrzehnte später arbeitete DiSipio im Musikgeschäft. Er erzählte herum, er manage Mike Douglas, einen Sänger aus Philadelphia, der später Gastgeber einer landesweit ausgestrahlten FernsehTalkshow wurde. Ein Mann, der eine Hitsingle für Douglas geschrieben hatte, erinnerte sich an DiSipio: »Er hat sich so um dies und das gekümmert. Vielleicht war er eine Art Laufbursche von Mike Douglas. So sah es für mich aus.« Noch vor dem Ende des Jahrzehnts war DiSipio der Road Manager des Sängers AI Martino geworden, der vielleicht am besten für seine Darstellung des J o h n n y Fontane in dem Spielfilm Der Pate bekannt ist.

DiSipios Karriere als unabhängiger Promoter begann in den frühen siebziger Jahren, Lr war ein eifriger Schüler von Kai Rudman, dem Herausgeber des Friday Morning Quarterbach.

Mitte der achtziger

Jahre war Frfed DiSipio vielleicht der erfolgreichste Network-Mann überhaupt; er kassierte jedesmal eine Prämie, wenn eine von schätzungsweise neunzig Radiostationen in der Radio & Records-Umfrage eine neue Platte ins Programm nahm. DiSipio besaß unter anderem einen Rennstall. Einmal fragte Danny Davis AI Martino, wie hoch er DiSipios Vermögen einschätze. »Ich sagte: >Was meinen Sie, wieviel er hat, Al?Leg noch mal zehn drauf, Danny.«« Obwohl lsgro behauptete, DiSipio habe ihm geholfen, unabhängiger Promoter zu werden, ist nicht klar, ob die beiden Männer Freunde oder Feinde waren. Anscheinend von beidem etwas. »Als ich Leiter der Promotion-Abteilung von Motown war«, sagte Danny Davis, »rief Fred DiSipio mich an und befahl mir, J o e lsgro nicht einzusetzen. J o e und Freddy hatten reichlich Knatsch. Freddy wollte nicht, daß Joe ins Geschäft einstieg.« Einige Zeit später schienen sie ihre Differenzen jedoch beigelegt zu haben, denn DiSipio lieh Isgro seinen Leibwächter. Wenn er mit La'Foya Jackson in New York war, setzte Isgro Big Mike zu ihrem Schutz ein. Big Mike tauchte auch in Isgros Büro in Los Angeles auf. Für eine kurze, aber schreckliche Phase in Danny Davis' Dienstzeit bei Isgro Enterprises verdächtigte Joe Danny - fälschlicherweise, wie sich herausstellte -, Geld entwendet zu haben. »Big Mike kam in mein Büro«, erzählte Danny. »Ich hatte bereits diesen kleinen Showdown mit J o e gehabt, wo er felsenfest davon überzeugt gewesen war, daß ich etwas für mich abgezweigt hatte, was absolut nicht stimmte. Jedenfalls hat er Big Mike reingeschickt, und Big Mike kann einem wirklich angst machen. Ich sagte: »Mike, du weißt, ich hab das nicht getan.« Und er: »Herrje, Danny, ich hab keine Ahnung, ob du's getan hast oder nicht. Aber wenn du's getan hast, kann ich dir nicht helfen.< Was heißen sollte - vergiß es!« DiSipio glaubte, daß Isgros extravaganter Lebensstil der Grund für seine Probleme mit den Gesetzeshütern war, und er ärgerte sich

darüber. Wenn J o e Isgro unterging, argumentierte DiSipio, konnte er das ganze Haus zum Einsturz bringen. »Einmal saß Freddy eine Stunde und zwanzig Minuten in meiner Küche und hat sich über J o e beschwert«, sagte Danny Davis. »Er sagt zu mir: »Danny wie seh ich aus?< »Sie sehen prima aus, Freddy*, sage ich. Er: »Siehst du diesen Pullover? Achtzig Dollar bei Diamond Brothers auf der South Street in Philadelphia. Gefällt dir die Hose? Hundertfünfundzwanzig bei Krass Brothers auf der South Street. Siehst du die Schuhe? Flörsheims, fünfundneunzig Dollar. Verstehst du, Danny? Ich m u ß nicht zu Bijan gehen und mir Anzüge für zweitausend Dollar kaufen. Weißt du, was ich fahre? Einen drei Jahre allen Mercedes. Ich brauche keinen Rolls-Royce. Dein Junge* - er nennt Joe immer meinen Jungen - »braucht diesen ganzen Scheiß. Das macht ihn glücklich. Aber ich brauche das nicht, Danny. Also, ich will dir mal eine Frage stellen. Sind deine Hemdschöße sauber?* »Herrje, Freddy, ich glaub schon.* Damit langt er zu mir rüber und zieht mir das Hemd aus der Hose. Und er sagt zu mir: »Würdest du drauf wetten, Danny daß deine Hemdschöße sauber sind? Verstehst du, was ich dir sage?* Er sagt: »Danny, ich will nicht, daß mir jemand die Hemdschöße rauszieht!*«

DER STEILVERTRETER UND DER PRÄSIDENT (FORTSETZUNG)

Der Boykott

m 8. Mai 1 9 8 0 , ungefähr sieben Monate, nachdem er Dick Asher zum Vizepräsidenten ernannt hatte, wurde John Backe, der Präsident und Generaldirektor von CBS Inc., gefeuert. Backe hatte Asher versprochen, in jedem Konflikt zwischen ihm und Walter Yetnikoff zu vermitteln. Wenn es gar zu heiß herginge, sagte er, werde er da sein, um wieder für Ruhe zu sorgen, und das meinte er zweifellos ernst. Aber Backe hatte nicht mit William Paleys Launenhaftigkeit gerechnet. Backes Entlassung traf die Geschäftswelt unvorbereitet. In den vier Jahren seiner Präsidentschaft hatte das Unternehmen steil ansteigende Umsätze und Gewinne zu verzeichnen gehabt, und er hatte das Network wieder auf den ersten Platz bei den begehrten Quoten während der Haupteinschaltzeit gebracht. Wenn Backes J o b jemals hätte sicher sein sollen, dann im Frühling des Jahres 1980. Die Zeitungen waren voller Spitzen gegen Paley. Ein anonymer ehemaliger Manager von CBS erzählte der New York Times: »Wir hätten es wissen müssen. Noch vor zwei Monaten haben alle - einschließlich Paley - gesagt, was für ein Gottesgeschenk Backe für CBS war. Genau das gleiche sagte er zwei Monate, bevor er Arthur Taylor gefeuert hat.« Die Kritik traf Paley und sechs Monate später versuchte er, seine Handlungsweise in einem Zeitschrifteninterview zu rechtfertigen. »Ich glaube, Backe fühlte sich nicht sicher genug. Er hatte das Gefühl, daß ich nicht hundertprozentig hinter ihm stand. Man muß sich sicher fühlen, wenn man in einem J o b wachsen will. Ich haue

gehofft, ich könnte Backe formen, ihn ummodeln. Ich hatte mich für ihn entschieden, weil er als Leiter unseres Verlagsbereichs gute Arbeit geleistet hatte und weil ich nicht wieder außerhalb des Unternehmens suchen wollte, wie bei Taylor. Aber nachdem Backe ein paar Jahre lang Präsident gewesen war, begann ich mich zu fragen, ob er der richtige Mann war, das Unternehmen selbständig zu führen, und ich kam zu dem Ergebnis, daß wir es noch einmal überprüfen sollten. Das war in meinen Augen das einzig Vernünftige, was wir tun konnten. Ich wollte ganz sicher sein, daß das Unternehmen in guten Händen bleiben würde, daß es in Zukunft ebensogut geleitet werden würde wie in der Vergangenheit, wenn ich das in aller Unbescheidenheit sagen darf. Die Prüfung war noch nicht abgeschlossen, und wir hatten noch nichts entschieden, aber als Backe es herausfand, war er gekränkt und verlangte eine sofortige endgültige Entscheidung. Wahrscheinlich haben wir die Sache mit Backe falsch angefaßt. Wir hätten mehr sagen sollen. Aber wieviel, und wo hört man auf? Ich sage Ihnen, es hat mir wehgetan, all die Dinge zu lesen, die in dieser Zeit über mich geschrieben wurden.« Bei der Annahme des Präsidentenjobs hatte Backe auf dem zusätzlichen Titel des Generaldirektors bestanden, den Taylor nicht gehabt hatte. Doch selbst mit diesem Titel war man gegen die Launen von Chairman Paley nicht ausreichend gerüstet. Wer immer Backe ersetzte, würde auch Paleys Titel übernehmen müssen - es war die einzige sichere Chance zu überleben. Backes Nachfolger würde genau das tun, aber nicht sofort. Am 2. Juni 1 9 8 0 ernannte das Board Thomas Wyman zu Backes Nachfolger. Wie Arthur Taylor kam er von außen ins Unternehmen und hatte keinerlei Erfahrung im Rundfunk- und Lernsehbereich, nicht einmal auf dem Unterhaltungssektor generell. Wyman war Spitzenmanager bei Polaroid und zuletzt stellvertretender Chairman des

Nahrungsmittelunternehmens Pillsbury gewesen,

wo er die

erfolgreiche Tiefkühlkostabteilung, die unter dem Markennamen »Green Giant« lief, geleitet halte. Er war der Inbegriff eines Generaldirektors nach Paleys Geschmack, ein hochgewachsener, gutaus-

sehender WASP, der überlange Hosen mit Bundweite 42 trug. Yetnikoff hatte viele Spitznamen für ihn: »Pillsbury-Doughboy«*, »Tom Tom«, »Super-goj« - manchmal auch nur »dergoj da oben«. Wie auch immer seine persönliche Einstellung zu Tom Wyman sein mochte, die Ernennung des gojs sollte Walter Yetnikoffs Schicksal merklich beeinflussen. Dick Ashers sich vertiefender Zwist mit Walter war nicht sein einziges Problem, als er die CBS-Labels finanziell sanierte. Es bereitete ihm Schwierigkeiten, den aufsässigen Mitarbeiterstab von Epic Records an die Kandare zu nehmen. Bei F.pic, das früher stets im Schatten von Columbia gestanden hatte, waren nun Michael Jackson, Cheap Trick, Ted Nugent, Meat Loa! und Adam Ant beheimatet. Trotzdem hegte Epic immer noch einen Minderwertigkeitskomplex, der von seiner Einstufung als »das zweite Label« herrührte. Und in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten fühlte sich Epic noch mehr in der Defensive als sonst. Für Epic schien Dick Asher nicht nur kein Verbündeter, sondern sogar ein Gegner zu sein. Es dauerte nicht lange, bis Epic-Mitarbeiter versteckte Buttons mit der Aufschrift WEG MIT DEPUTY DICK!

unter ihren Revers trugen.

Asher konnte nur wenig mit dem Chef von Epic, Don Dempsey, anlangen, der Ron Alexenburg ersetzt hatte, kurz bevor Dick Vizepräsident geworden war. Dempsey fand jedoch heraus, daß Ashers Nein von einem Ja Yetnikoffs übertrumpft wurde. Bei einem Meeting mit den Epic-Mitarbeitern ging Dick auf Dempsey los, weil dieser eine direkte Anweisung nicht befolgt hatte. Aber Dempsey hatte die perfekte Antwort parat: Walter habe gesagt, es sei in Ordnung. »Walter hatte mit mir nicht einmal darüber gesprochen«, sagte Dick später. »Wenn so was bei einem öffentlichen Meeting herauskommt, bist du so klein mit Hut.« Asher hielt Dempsey trotzdem für schwach und folglich für kontrollierbar. Er hatte weitaus mehr Bedenken, was einen Mann betraf, der zwei Etagen tiefer angesiedelt war, den Leiter der PromotionAbteilung von Epic, Frank Dileo. Asher kam zu der Überzeugung, * ein d i c k e s T e i g m ä n n c h e n , das W e r b e m a s k o t t c h e n des U n t e r n e h m e n s ( A . d . Ü.)

daß Dileo eigentlich derjenige war, der bei Epic das Sagen hatte, eine Meinung, die von anderen geteilt wurde. »Frank hatte so ein unglaubliches Selbstvertrauen«, sagte Susan Blond, die ehemalige Direktorin der Presseabteilung von Epic. »So in der Art: Alles okay, ich regle das schon. Niemand konnte Frank einschüchtern. Er konnte jede Frage beantworten. Er kam zu den Meetings, wann er wollte. Sie dachten immer, er würde lür sie arbeiten, aber sie hätten bloß hinzuschauen brauchen, dann hätten sie gemerkt, daß er die ganze Chose lenkte.« Frank Dileo war eine menschliche Kanonenkugel: eins fünfundfünfzig groß, über 90 Kilo schwer. Im Büro trug er Jogginghosen und Turnschuhe. Er trug einen Ring am kleinen Finger und rauchte dicke Zigarren. Obwohl Waller wenig damit zu tun hatte, daß Dileo 1 9 7 9 von Epic eingestellt worden war, freundeten die beiden Männer sich während der nächsten ein, zwei Jahre an. Einmal, erinnerte sich Dileo, rief Walter ihn in sein Büro, um ihm seine Stärke zu demonstrieren - im wahrsten Sinne des Wortes. Yetnikoff, der körperlich in unbeständiger Form war, hatte in letzter Zeit Gewichte gestemmt. »Ich kam zur Tür herein«, erinnerte sich Dileo, »und Walter sagte: »Jetzt zeige ich dir mal, wie gut mein Arm ist.< Und er lief von seinem Schreibtisch aus los und attackierte mich wie ein Football-Spieler. Er traf mich hart, prallte aber ab. Ich wich nicht zurück. Wissen Sie, wenn man klein ist, hat man einen besseren Schwerpunkt.« Dileos Verhältnis zu Dick Asher war nicht so locker und kameradschaftlich. Als Leiter der Promotion-Abteilung war Dileo ein überzeugter Befürworter des Einsatzes unabhängiger Promoter. Je mehr Asher die Verdienste freiberuflicher Plugger in Zweifel zog, desto mehr verteidigte Dileo sie, und so entstand eine Feindschaft. Die Zwietracht vertiefte sich noch, als Asher der Verdacht kam, daß Dileo sich übermäßig von Künstlern und deren Managern beeinflussen ließ. Er fand kein logisches Muster in den Songs, für die Dileo sich am intensivsten einsetzte. »Die Künstler und die Manager versuchten ständig, die Prioritäten unserer Leute zu ändern«, sagte Dick. »Sie luden sie zum Essen ein, sie machten ihnen

kleine Geschenke. Es ist falsch, weil der Musiker Gefälligkeiten dafür verlangt, die ihm anderen Künstlern gegenüber einen Vorteil verschaffen.« Dileo sagte, seine Auswahl sei Dick nur deshalb sonderbar erschienen, weil Asher kein Ohr für Hits gehabt habe. »Ich hatte so viele abgedrehte Gespräche mit Dick«, sagte Dileo. »Ich weiß noch, als ich das erste Mal mit >Do You Really Want to Hurt Me?< von Culture Club zu ihm kam. Ich sagte: >Dick, ich habe hier dieses Band, und ich habe Epic gebeten, sich eine Option darauf geben zu lassen. Ich glaube wirklich, daß das eine Nummer eins werden kann.< Ich spielte ihm das Stück zweimal vor, und er sah mich an und sagte: >Ich glaube, du hast sie nicht mehr alle, und ich weiß gar nicht mehr, was mit dir los ist.< Und ich sagte: >Okay, Dick, vielen Dank, aber ich glaube trotzdem, der Song wird groß einschlagen.« >Na, dann viel Glück«, meinte er. Also sagte ich mir, ich werde schon jemand finden, dem er gefällt. Und ich spielte ihn Walter vor. Er sagt: »Meinst du wirklich, der kommt groß raus?« >Ja. meine ich.« >Na, ich weiß nicht«, sagt er. >lhr Promo-Leute übertreibt immer so, also wer weiß?« Aber so war er nun mal: Wenn du dran glaubst, bin ich dabei. Bei dem anderen hieß es: Mir gefällt der Song nicht, ich glaube, es ist falsch. Und er kam natürlich auf den ersten Platz.* Und das Album hat sich in Amerika viereinhalb Millionen Mal verkauft.« Zu dieser Zeit schien sich Ashers Verdacht in bezug auf Dileo jedoch bestätigt zu haben. Kurz nach seiner Ernennung zum Vizepräsidenten fiel Asher auf, daß Dileo eine goldene Rolex trug, die seinerzeit mindestens 8 0 0 0 Dollar wert war. Das war ein Fünftel oder ein Sechstel von Dileos damaligem Jahresgehalt, erinnerte sich Asher. Dileo mochte die Uhr sehr. »Einmal erklärte ich ihm, er könne seine goldene Rolex nicht zusammen mit dem Ring am kleinen Finger tragen«, sagte ein Mitarbeiter von Epic, »aber er hat nicht auf mich gehört. Frank fährt auf Macht ab, und eine goldene Rolex bedeutete Macht. Und es gefiel ihm, daß er einen Jogginganzug und Turnschuhe * In d e n

Billboard-Ckans

k a m e r n u r a u f Platz zwei.

(ragen, mit der Uhr jedoch einem Oberkellner signalisieren konnte, daß er dennoch eine wichtige Persönlichkeit war.« Die Uhr war ein Geschenk der Band REO Speedwagon; Dileo war einer von drei Managern bei Epic, die eine Rolex von der Gruppe bekamen. Daran war nichts Illegales, aber Asher registrierte bald darauf erbost, daß Dileo die neue LP von REO - eine Platte, die Dick mittelmäßig fand - intensiv promotete und eine LP der Clash, einer von der Kritik enthusiastisch aufgenommenen Band aus London, praktisch ignorierte. Dick beschloß, Dileos Prioritätensetzung öffentlich anzusprechen. »Es hätte mir nicht soviel ausgemacht, wenn die REO-LP wirklich gut gewesen wäre«, sagte Asher. »Aber das war sie einfach nicht. Die Clash hatten ein Super-Album, und es bekam keinerlei Unterstützung. Bei einem Meeting mit [den Bossen von Epic] sagte ich: »Ich höre gar nichts von den Clash.< Und sie erwiderten: »Naja, wir sind im Moment mit diesem REO-Album beschäftigt, das ist viel wichtiger.* Und ich sagte: »Will jemand mit mir wetten, daß sich das ClashAlbum lelztendlich besser verkaufen wird als das REO-Album?< Ich meine, man kann niemand leuern, nur weil man einen Verdacht gegen ihn hegt. Wenn man der Boß ist, kann man den Leuten nur klarmachen, daß man sie im Auge behält. Was ihre Aktivitäten sehr oft zumindest begrenzt. Immerhin lassen sie die Finger dann von den schlimmeren Sachen. Dileo, der nicht dumm ist, wußte, warum ich mich so für ihn interessierte und ihn ständig - und sehr oft auch öffentlich - fragte, was er so trieb.« Asher unternahm noch etwas wegen Dileo. Er beschwerte sich bei Yetnikoff. Dick wußte zu jener Zeit nicht, daß Walter und Frank gerade im Begriff waren, sich anzufreunden. Dileo halte die Zuneigung des Juristen Nat Weiss gewonnen, dessen Nemperor-Label CBS Records damals vertrieb und der zu Walters elitärem innerem Kreis gehörte. »Eines Tages packte ich Dileo am Arm, brachte ihn zu Walter und stellte die Beziehung zwischen den beiden her«, sagte Weiss. »Walter mag ihn sehr.« Als Dick sich über die »Ungereimtheiten« zu beklagen begann, die er in Dileos Entscheidungen sah, drängle ihn Walter, harte Beweise

auf den Tisch zu legen. Da er keine hatte, wurden seine Einwände verworfen. Ungefähr zur seihen Zeit erzählte er Waller von seinen Verdachtsmomenten gegen die unabhängige Promotion, mit denen er jedoch auf ebenso taube Ohren zu stoßen schien. Asher entwickelte allmählich eine Paranoia in bezug auf die Promoter. Er erfuhr, daß es jedesmal innerhalb von ein paar Stunden zu den Platten-Pluggern durchsickerte, wenn er sich in einem internen Meeting bei CBS gegen die unabhängige Promotion aussprach. Vielleicht, sagte sich Dick, sollte ich es jemand anderem überlassen, sich mit den Indies anzulegen. Ende 1 9 8 0 tat das auf einmal jemand. David Horowitz war eigentlich keine Persönlichkeit aus der Plattenbranche. Als Mitglied des Dreierdirektoriums von Warner Communications stand Horowitz in der Firmenhierarchie nur eine kleine Stufe unter Warner-Chairman Steve Ross. Er hatte die Aufsicht über alle Warner-Labels, die Musikverlage, die Plattenproduktion und den Vertrieb. Mo Ostin, der Chairman von Warner Brothers Records, überwachte den Tonträgerbereich von seinem Außenposten in Los Angeles aus; Horowitz, der in New York saß, war Ostins Boß. Horowitz, von Haus aus Jurist, überließ die Leitung der Musikbereiche zumeist diesen selbst. »Wir respektierten die Autonomie der Bereiche«, sagte er. »Sie wurden alle gut geleitet. Meine Aulgabe bestand eigentlich darin, die Ziele des Gesamtkonzerns mit diplomatischen Mitteln zu erreichen — zum Beispiel, ruinöse Konkurrenz zwischen den Bereichen zu vermeiden. Ich versuchte, sie zur Zusammenarbeit zu bewegen, wenn es vorteilhaft war. Am wichtigsten war mir, einen Korpsgeist innerhalb des Konzerns zu schaffen, so daß alle Bereiche stolz darauf waren, zu Warner zu gehören, selbst wenn sie gleichzeitig miteinander konkurrierten.« Natürlich war Horowitz in guten Zeilen noch weniger geneigt, sich in die Arbeit der Plattenlabels einzumischen. Aber Warner Brothers, F.lekira und Atlantic hatten wie CBS und die Branche insgesamt bei dem Zusammenbruch nach der Disco-Ära Federn gelassen. Obwohl der Hauptgrund für den Zusammenbruch wahrscheinlich die langweilige Musik gewesen war, gab es eine weitverbreitete Tendenz, dem

aktuellen Videospiel-Boom die Schuld für die Sorgen der Plattenindustrie zu gehen. Jeder Vierteldollar, der in den Münzschlitz gesteckt wurde, war einer weniger, der für Musik ausgegeben werden konnte. Das war zwar eine äußerst fragwürdige These, aber Warner Communications war bereit, sie zu akzeptieren, denn zum Warner-Imperium gehörte zufällig auch Atari, der führende Produzent von Videospielen. 1 9 8 0 machte Atari 5 1 3 Millionen Dollar Bruttoumsatz, fast doppelt soviel wie im Jahr zuvor, während die Umsätze des Tonträgerbereichs nur um 11 Prozent auf 8 0 6 Millionen Dollar gestiegen waren. Und fünf Jahre zuvor halte Atari noch nicht einmal existiert. Erfolg über Nacht erzeugt Kurzsichligkeil, und Warner Communications begann zu glauben, Videospiele seien ein besseres Geschäft als Platten. 1 9 8 3 sollte Warner eines Besseren belehrt werden, als Atari zusammenbrach (wovon es sich nie wieder vollständig erholen würde) und das Unternehmen seinen Aktienkurs an einem einzigen Tag um 33 Prozent fallen sah. Doch Ende 1 9 8 0 hatte es den Anschein, als könnten die Videospiele ein Renner werden, während die Platten nie wieder die gleiche Rolle spielen würden wie früher. Deshalb begann David Horowitz, die Budgets der Labels eingehend zu prüfen. Er stellte fest, daß die Ausgaben für unabhängige Promotion eine Höhe von etlichen Millionen Dollars erreicht hatten. Horowitz wußte, was Indie-Promotion war. Er hatte Gerüchte über Inkorrektheiten gehört, die ihn beunruhigten, weil er ein Mann war, der sich von ethischen Grundsätzen leiten ließ. Doch als er beschloß, den Einsatz unabhängiger Promoler für Warner-Produkte vorläufig zu untersagen, geschah das nicht aus moralischen oder juristischen Gründen. »Ich befürchtete, daß es Unregelmäßigkeiten gab, aber wir konnten nichts Genaues herausfinden«, sagte er. »Deshalb war es in erster Linie eine finanzielle Entscheidung.« Populär war sie jedoch nicht. 1 lorowitz sagte, er habe sich mit den Spitzenmanagern sämtlicher Labels beraten - einschließlich Joe Smith, Ahmet Ertegun, David Geffen und Mo Ostin -, ließ jedoch durchblicken, daß er einige von ihnen erst überreden mußte. Ostin

äußerte sich nie öffentlich über die Indie-Promotion, aber Leute aus seiner näheren Umgebung sagten, er gehöre nicht zu ihren Anhängern. »Mo haßt sie«, sagte der Anwalt Paul Marshall, der geschäftlich mit Warner Brothers zu tun hatte. »Er kocht, wenn das Thema zur Sprache kommt.« Die Nachricht, daß Warner einseitig auf seine unabhängigen Promoter verzichten würde, begann im Spätherbst 1 9 8 0 die Runde zu machen. In der Ausgabe vom 8. November brachte Billboard eine Titelstory über den Warner-Boykott und schrieb, die Aktion sei drei Monate lang eingehend erörtert worden. Ein ungenannter Plauenmanager wurde mit den Worten zitiert: »Der Grund dafür, daß man nicht schon früher auf die Unabhängigen verzichtet hat, ist, daß jedes Unternehmen von den anderen erwartete, daß sie den ersten Schritt taten. Warner Communications oder CBS mußten den Anfang machen.« Billboard berichtete auch, das Atlantic-Label werde den Boykott möglicherweise nicht mittragen. Es gebe »Gerüchte in Promotion-Kreisen, daß die freie Promotion zwar bei den drei Labels out ist, Atlantic jedoch noch über Mittel für Unabhängige verfügt«. Die entscheidende Frage war, ob andere Plattenfirmen, vor allem CBS, sich dem Boykott anschließen würden. Billboard griff das Thema in Lortsetzungsartikeln auf. Ein nicht namentlich genannter Sprecher von CBS, wahrscheinlich Bob Altshuler, erklärte, er habe »absolut nichts dazu zu sagen«, und fügte hinzu, »wir folgen weder dem Beispiel von Warner Brothers noch dem irgendeines anderen Labels«. Billboard fand heraus, daß MCA erwog, den Einsatz der unabhängigen Promoter mit einem Verbot zu belegen; das Unternehmen entschied sich dann jedoch dagegen. Andere Manager ließen der unabhängigen Promotion weiterhin hartnäckig ihre Unterstützung zuteil werden. Am unverblümtesten äußerte sich Bruce Wendeil, Direktor der Promotion-Abteilung von Capitol. »Es gibt keinen Grund der Welt, weshalb ich die lndie-Promoter nicht mehr einsetzen sollte«, sagte Wendeil. »Warum sollte ich auf eine meiner Stärken verzichten, nur weil jemand anders es tut?« Endlich, dachte Dick Asher, endlich. Es war genau das, was er sich erhofft hatte. Jeder wußte, daß die unabhängige Promotion außer

Kontrolle geraten und zu teuer, zu mächtig geworden war. Niemand wollte als erster aussteigen, weil jeder Angst hatte, sein Unternehmen würde hängengelassen werden und die anderen Labels könnten die Situation ausnutzen. Nun hatte Warner diesen großen Schritt in dem vollen Wissen getan, allein nicht durchhalten zu können. Doch wenn Warner und CBS, die beiden größten Firmen, die Indies boykottierten, war das etwas anderes. Die übrigen Unternehmen würden sich anschließen, und dann wären sie die Geißel des Network endgültig los. Dick stand vor der Aufgabe, Walter Yetnikoff und Bruce Lunclvall von der Idee eines CBS-Boykotts zu überzeugen. Da Backe nicht mehr da war, hatte Ashers Einfluß auf Walter zu schwinden begonnen. Lundvall war jedoch kein Problem, da er Dick unterstellt war; er würde tun, was man ihm sagte. Aber es genügte nicht, Walter und Bruce zu überreden, den Boykott mitzumachen. Sie mußten entschlossen sein, das Verbot aufrechtzuerhalten, ganz gleich, wie groß der Druck wurde. Und der Druck würde enorm sein, daran bestand kein Zweifel. Die Künstler und ihre Manager würden ihnen garantiert die Hölle heiß machen. Aber sie mußten fest bleiben. Walter, Dick und Bruce waren als einzige befugt, finanzielle Mittel für die unabhängige Promotion zur Verfügung zu stellen. Wenn einer von ihnen nachgab, würde der CBS-Boykott zusammenbrechen. Die Entscheidung fiel in Yetnikoffs Büro. Asher erinnerte sich an seinen Vortrag: »Wir machten kein Geld, die Umsätze gingen zurück. Die unabhängige Promotion war nach wie vor ein großer Ausgabenposten. Und auf einmal verkündet Warner, sie würden darauf verzichten. Finanziell sieht es bei Warner ganz ähnlich aus wie bei uns. Nicht genauso, aber doch sehr ähnlich. Sie haben Probleme, weil der Markt in schlechter Verfassung ist. Sie versuchen herauszufinden, wie sie Kosten reduzieren können, um wieder Profit zu machen. Und die unabhängige Promotion ist für sie ein großer Kostenfaktor. Stau uns zurückzuhalten, sie im Regen stehen zu lassen und die üblichen Spielchen zu treiben, sollten wir sie also sofort unterstützen, indem wir erklären, daß wir ebenfalls aussteigen. Denn wenn Warner und wir etwas unternehmen, werden die anderen Firmen - bei denen

es ja ähnlich aussieht - uns sofort folgen.« Das Argument war unwiderlegbar. Anfang 1981 war der Boykott der unabhängigen Promotion durch CBS offiziell. Der gemeinsame Boykott von Warner und CBS gefiel dem Network gar nicht. Iis ergriff Maßnahmen, es den beiden Konzernen heimzuzahlen. In Ashers Augen lag die Last der Verantwortung für das Verbot ebenso auf Yetnikoffs und Lundvalls Schultern wie auf seinen eigenen. Die Entscheidung war zu wichtig gewesen, als daß sie von einem einzigen Mann getroffen werden konnte, aber das Network schien das nicht so zu sehen. Bei den Promotern hatte sich herumgesprochen, daß Asher bei CBS die treibende Kraft hinter der Entscheidung gewesen war, sie zu boykottieren. Wenn sie CBS eine Botschaft zukommen lassen wollten, gab es dann einen besseren Weg dafür, als ihren Zorn an einer Band abzureagieren, die mit Dick Asher verbunden war? Das Network fand ein perfektes Opfer, eine kanadische llardRock-Band namens Loverboy. Die Gruppe war bei CBS Kanada unter Vertrag genommen worden, als Dick noch Chef von CBS International gewesen war. Sie hatte gerade ihre erste LP mit dem synonymen Titel Loverboy auf dem Columbia-Label herausgebracht. CBS setzte große Hoffnungen in die Gruppe. Die erste von Columbia veröffentlichte Loverboy-Single, »Turn Me Loose«, schien beim Top-40-Radio einzuschlagen. In der Woche vom 31. Januar 1981 kam »Turn Me Loose« in die Hot 1 0 0 von Billboard und landete auf Platz 87. Neben dem Titel war ein Stern, der Platten verliehen wurde, die - so die Zeitschrift - »das stärkste Airplay und die höchsten Verkaufszahlen aufwiesen«. In den nächsten sieben Wochen kletterte die Loverboy-Single in den Charts rasch nach oben, auf Platz 77, Platz 68, 57, 52, 48, 44 und schließlich Platz 38 in der Woche vom 28. März. Jede Woche halte sie einen Stern. In der folgenden Woche war »Turn Me Loose« auf Platz 37 gestiegen, hatte aber keinen Stern mehr. Wie ein Düsenjet, dessen Turbinen ausgefallen sind, schwebte der Song zwei weitere Wochen zwischen dem 30. und dem 4 0 . Platz. Dann ging er in den freien Lall

über: 46, 51, 74, 97. In der Woche vom 30. Mai war »Turn Me Loose« aus den Hol 100 von Billboard verschwunden. »Die Indie-Promoter beschlossen, uns so richtig mit der Nase reinzustupsen, und ich war das Ziel«, sagte Asher. »Mein Interesse an internationalen Acts war bekannt. Und Loverboy, eine kanadische Band, war einer davon. Ihre Single war gerade groß im Kommen, als wir unser Verbot verhängten. Wenn ich mich recht erinnere, trat es aber nicht sofort in Kraft. Wir wollten erst noch die Platten durchziehen, die bereits von unabhängigen Promotern betreut wurden, danach sollten dann keine neuen Aufträge mehr vergeben werden. Die Platten, die sozusagen in der Mitte ihres Lebens standen, sollten noch bis zum Ende gespielt werden. Deshalb hätte das Verbot Loverboy eigentlich nicht auf diese Weise treffen dürfen. Daß es dennoch geschah, lag daran, daß die Indies mir eine Botschaft zukommen lassen wollten. Mit einemmal wurde der Song nicht mehr im Radio gespielt. Es ist eine Sache, von vornherein zu verhindern, daß etwas gespielt wird; aber es ist etwas ganz anderes, wenn man dafür sorgt, daß ein Titel, der offensichtlich recht gut läuft, einlach abgesetzt wird. Obwohl die Sender ihn vielleicht gespielt und die Hörer ihn vielleicht gemocht hätten, reichte ihr Arm tatsächlich so weit, daß sie ihn absetzen konnten. Das war ziemlich eindrucksvoll. Zu guter Letzt hatte Loverboy jedoch Gott sei Dank auch so Erfolg. Aber ich m u ß Ihnen etwas gestehen: Die Manager der Band machten danach gewissermaßen einen Bogen um mich. Ich halte mich ziemlich gut mit ihnen verstanden, bevor Loverboy in den USA herauskamen, als ich noch bei International gewesen war. Aber jetzt hauen sie in den Staaten eine Platte draußen, und anscheinend hatten sie nachgeforscht, warum sie dieses schreckliche Schicksal erlitten hatte. Von da an sprachen sie fast überhaupt nicht mehr mit mir. Sie wickelten ihre Geschäfte größtenteils über andere ab.« Ungefähr zur gleichen Zeit, als Loverboy in den Charts aufstiegen und wieder abstiegen, wurde Warner Brothers eine noch dramatischere Lektion über die Macht des Network erteilt. Es war eine Sache, einem Baby Act wie Loverboy an den Karren zu fahren; aber es war

etwas ganz anderes, eine Rock-and-Roll-Legende von den Playlists der Sender streichen zu lassen. Doch genau das geschah. Der Song war »You Better You Bet« von dem mit Kritikerlob überhäuften WhoAlbum Face Dances, das 1981 herauskam. »You Better You Bet« hatte einen vielversprechenden Start. Es kam in der Woche vom 21. März in die Billboard Hot 1 0 0 und landete auf Platz 6 3 . Der Song hatte nicht nur einen Stern, sondern sogar einen Superstern, den Platten mit der »größten Aufwärtstendenz« erhielten. Ein paar Tage zuvor war »You Better You Bet« mit erstaunlichen achtundsiebzig

Nennungen

Spitzenreiter in

Radio & Records

gewesen.

R&R verlieh dem Song eine Kugel, das Gegenstück des BillboardSterns. Die Who-Single stieg in Billboard auf Platz 4 8 , dann auf Platz 35, 2 8 , 2 6 , 2 4 , 21. In der Woche vom 9. Mai erreichte sie mit den 18. Platz - einschließlich einem Stern - ihre Spitzenposition. Zwei weitere Wochen blieb sie auf 18 hängen. Dann ging sie wie der Loverboy-Song in den freien Fall über: 31, 36, 73, 9 0 , 1 0 0 , und weg war sie. Ihr Abstieg in R&-R verlief ähnlich rasant. Fred Haayen, damals Warner-Manager und ein enger Freund von Who-Leadsänger Roger Daltrey, konnte es nicht glauben. »Es war cumindest eine Top-Five-Platte«, sagte er. »Sie schoß in den Charts nach oben, und dann - peng! - wurde sie gestoppt.« Die Who-LP Face Dances wurde ein kommerzieller Flop. Asher vermutete, daß sich die Künstler bei Warner bitter über den Boykott und seine Auswirkungen auf den Radioeinsatz ihrer Songs beklagten. Er wußte jedenfalls genau, wo seine eigenen Künstler und deren Vertreter standen. Fast vom ersten Tag an war er von ihrer Seite enormem Druck ausgesetzt. Einer der Männer, die zu ihm kamen, um zu protestieren, war der Anwalt Paul Marshall. Für Dick war das ein schwerer Schlag, denn er und Paul Marshall standen sich nahe. Ashers Vater war viele Jahre lang mit Marshalls Vater befreundet gewesen, und Dick hatte als Marshalls Anwaltsgehilfe begonnen. Marshall beschwerte sich im Auftrag zweier Klienten. Bei dem einen handelte es sich um eine irische Gruppe namens Boomtown Rats, die bei Columbia unier Vertrag war und deren Leadsänger, Bob

Geldof, später für die Organisierung von Live Aid - einem Rockkonzerl im Jahr 1 9 8 5 , das Spenden für die Nahrungsmittelhilfe in Afrika einspielen sollte - zum Ritter geschlagen wurde. Der andere Klient war Adam Ani, ein Punkrocker, dessen Platten bei Epic erschienen. Nach Marshalls Angaben war seine Single »Am Music« von dem Boykott betroffen. Es überraschte Asher nicht, daß Geldof, der für seine Rolle bei Live Aid fast in den Status eines Heiligen erhoben wurde, mit dem CBSBoykott nicht einverstanden war. »Bob Geldof ist ein sehr netter und sehr intelligenter Mensch, der sich hervorragend ausdrücken kann«, sagte Asher, »und der sehr an unabhängiger Promotion interessiert ist. Als er bei den Boomtown Rats war, hat er bei CBS ein Mordstheater gemacht, weil wir die lndies angeblich nicht genug nutzten.« Asher glaubte jedoch nicht, daß der Indie-Boykott etwas mit dem kommerziellen Mißerfolg der Boomtown Rats zu tun hatte. »Wenn man sich mal genauer damit befaßt«, sagte er, »hat Geldof nie Platten verkauft. Es ist schwer, einen Künstler zu dem Eingeständnis zu bewegen, daß seine Platte nicht das Gelbe vom Ei ist. Offen gesagt, jedesmal, wenn ein Künstler keinen Erfolg hat, schiebt er die Schuld auf die Plattenfirma.« Was Adam Ant betraf, so erinnerte sich Asher, daß die Platte nicht promotet wurde, weil die LP auch ohne Hit-Single schon voll eingeschlagen hatte. Wie auch immer, Marshall war der Ansicht, daß er eine philosophische Differenz mit Asher hatte. »Dick glaubte nicht an den Einsatz unabhängiger Promoter. Für ihn war das eine moralische Frage«, sagte er. »Und ich vertrete Klienten; ich glaube an Hits. Meine Jungs wurden geschädigt, und ich fand, daß Dick einen Fehler machte. Ich fand, daß er moralisch im Recht war, vorausgesetzt, es gab eine moralische Frage, denn ich wußte nichts von I'ayola. Aber man kann nicht auf einem Schimmel reiten, wenn die Künstler, denen man seinen J o b verdankt, diejenigen sind, die von der Lanze getroffen werden. Lausige Metapher. Aber das war Dicks Fehler. Das ist Hochmut. Daß das Opfer seines Hochmuts der von ihm abhängige Künstler war, das war meiner Ansicht nach sein Fehler. Die Position, die Dick einnahm, ist objektiv in vieler Hinsicht sehr löblich, bis man sagt:

»Moment, wollen wir, daß diese Künstler für den Rest ihres Lebens wieder als Tankwarte arbeiten?*« Es schmerzte Asher, als er erfuhr, wie Marshall dachte. »Es war kein moralisches Urteil«, beharrte Dick. »Ich weiß, daß es so hingestellt wurde. In der Tat bin ich in dieser Sache moralisch ziemlich stark engagiert, aber das Verbot war aus mehreren anderen Gründen gerechtfertigt. Erstens verlor das Unternehmen Geld. Wir mußten Leute entlassen. Zweitens gab es da so ein unerfreuliches Nebenprodukt |der unabhängigen Promotion], daß gewisse Leute, die angeblich für einen arbeiteten, andere Loyalitäten hatten. Ihre Prioritäten kamen woanders her. Drittens hatten wir eine Verantwortung CBS gegenüber, denn der größte Aktivposten des Konzerns waren seine nationalen Lizenzen, und die hätten in Gefahr geraten können, wenn ein CBS-Bereich bei schwerwiegenden gesetzwidrigen Aktivitäten ertappt worden wäre. Das ist kein moralisches Urteil. Bestechung ist gesetzlich verboten.« Marshall stellte jedoch fest, daß weder Walter Yetnikoff noch Bruce Lundvall den Boykott wirklich unterstützten. »Bruce war nie damit einverstanden«, sagte er. »Wenn er eingewilligt hat, dann war es eine interne, passive Einwilligung. Er hatte Verständnis für die Zwangslage des Künstlers. Dick hatte nicht viel mit den Künstlern zu tun. Bruce sprach mit ihnen und hörte, wie sie darum baten, man möge ihnen ihre im Grunde doch nur sehr kurze Karriere nicht ruinieren.« Marshall sagte, er und Lundvall »arbeiteten eine Methode aus, wie der Künstler einige der großen Promotion-Leute selbst engagieren konnte«, aber »Dick machte uns einen Strich durch die Rechnung«. Da der Druck seitens der Künstler so stark war und Asher als einziger wirklich an die Notwendigkeit des Einsatzverbots für die Indies glaubte, war der CBS-Boykott zum Scheitern verurteilt. Obwohl er offiziell bis Ende 1981 aufrechterhalten wurde, dauerte er in Wirklichkeit nur ein paar Wochen. Asher konnte nicht genau sagen, ab wann er wußte, daß die Sache gelaufen war, jedenfalls entdeckte er kurz darauf, daß Walter Yetnikoff und Bruce Lundvall ColumbiaKünstlern Vorschüsse zahlten, mit denen diese dann die unabhängige Promotion finanzierten. Bei Epic, das den Boykott noch eher aufgab

als Columbia - vielleicht schon am ersten Tag -, wurde das Geld für die freie Promotion unter dem Deckmantel der »Tourneeunterstützung« ausgezahlt. Asher war am Boden zerstört. »Ich glaube nicht, daß Epic je [den Boykott eingehalten hat). Gleich in den ersten Wochen fiel mir auf, daß Epic enorme Ausgaben für Tourneeunterstützung halte. Die fingen einfach an, den Künstlern Tourneeunterslützung zu geben, [Frank) Dileo erklärte ihnen, was sie mit dem Geld machen sollten, und alles blieb, wie es war. Ich glaube, am Anfang - die ersten ein oder zwei Wochen - blieben Waller und Bruce fest, aber der Druck war unglaublich. Ich hatte wichtige Künstler in meinem Büro, die sich beschwerten. Bald daraul stellte ich fest, daß Columbia-Künstler Geld bekamen und es für die Unabhängigen ausgaben.« Es sei offensichtlich gewesen, daß Walter und Bruce den Künstlern Vorschüsse gegeben hätten. »Und dann hat man dieses flaue Gefühl im Magen, daß man gelinkt worden ist. Walter, Bruce und ich waren uns nämlich darüber im klaren, daß der Druck auf diejenigen, die weiter durchhielten, unerträglich werden würde, falls einer von uns umfallen sollte. Dann würden die anderen nämlich in einem ganz schlechten Licht dastehen. Und niemand will ja der Bösewicht sein.« Als alles vorbei gewesen sei, sagte Dick, sei er als Feind der Künstler hingestellt worden. »Ich war Dr. No, weil die wichtigen Künstler es von den anderen beiden in unserem Haus bekamen - auf andere Weise, aber sie bekamen es.« Die Branche wußte, daß CBS nicht voll hinter dem Boykott stand und daß Warner auf sich allein gestellt sein würde. Es schien festzustehen, daß das Verbot nicht aufrechterhalten werden konnte, also warum den Vorteil nicht ausnützen? Während Warner- und CBSProdukte von den Playlists der Sender gestrichen wurden, begannen die anderen Labels die Top-40-Stations zu dominieren wie niemals zuvor. Die Umsätze von Warner sanken, und das Unternehmen verlor Marktanteile in den USA. 1982 fing Warner wieder an, die Unabhängigen einzusetzen - zu höheren Preisen als jemals zuvor. David Horowitz erinnerte sich, weshalb Warner zu Kreuze gekro-

chen war. »Columbia ist uns anfangs gefolgt, die anderen Firmen nicht.

Dann ist Columbia abgesprungen, und wir waren allein

übrig. Die Chefs unserer Plauenlabels hatten den Eindruck, daß uns deutliche Nachteile entstanden, daß unsere Platten nicht gespielt wurden. Wenn man sich die Umsatzzahlen dieser Periode ansieht, gab es tatsächlich einen kleinen Einbruch. Ich habe nie so recht geglaubt, daß die Lage so schlimm war, wie die Label-Bosse es dargestellt haben, aber sie standen an der Front, und es war der Kern des Warner-Systems, daß sie die Befugnis hatten, eigenverantwortlich zu handeln.« In jeder Geschichte gibt es einen Augenblick der Wahrheit. In der Geschichte des Aufstiegs des Network zur Macht kam dieser Augenblick, als Walter Yetnikoff den CBS-Boykott brach. Hätte er standgehalten, so hätte die übrige Plattenbranche zumindest einen starken Anreiz gehabt, sich dem Boykott anzuschließen. Niemand kann mit Gewißheit sagen, daß Walters Standhaftigkeit 1981 wirklich zum Untergang des Network geführt hätte. Aber sein Umfallen machte jede 1 loffnung darauf zunichte. Dick Asher fühlte sich jetzt wahrhaft isoliert. Erst das Pink-FloydExperiment, und nun der gescheiterte Boykott. Er hatte zweimal Stellung bezogen und zweimal verloren. Der Moment seiner tiefsten Verzweiflung kam, als er einem großen Künstler eine Schlüsselfrage stellte und die Antwort bekam, mit der er rechnete, obwohl er hoffte, sie würde ihm erspart bleiben. Maurice White war der Leader der R & B - B a n d Earth, Wind and Fire. White, Sohn eines Arztes aus Memphis, hatte die Band in den frühen siebziger Jahren mit ein paar jungen Leuten aus den Slums von Chicago gegründet. Er schrieb die Songs, sang sie und spielte Schlagzeug. Earth, Wind and Fire fanden enormen Anklang mit ihrer Fusion aus Rock, Jazz und Gospel. Für Dick Asher war Maurice White ein Gott. »Ich bin einfach ein Fan, davon komme ich nie vollständig los«, sagte Asher. »Ich mag Musik, und obwohl ich mit manchen von diesen Burschen geschäftlich zu tun habe, idealisiere ich sie gleichzeitig auch irgendwie.

Gleich zu Beginn unseres Verzichts auf die lndies kam Maurice White in mein Büro. Er hatte sich umgehört und herausgefunden, daß dieser |Boykott| von Asher ausging. Wir hatten ein langes Gesprach. Er sagte, er sei auf die Unabhängigen angewiesen. Ich sagte: >Wir spielen da einfach nicht mehr mit, Maurice. Du bist der größte Künstler der Welt, Maurice, du bist so ein enormes Talent. Ist das nicht erniedrigend für dich, daß man irgend so einem Kerl mit italienischem Namen Geld reinschieben muß, damit deine Platten im Radio gespielt werden?* Er sagte: >Hör mal, Mann, ich hab nur eine Karriere. Also führ deinen Kreuzzug nicht auf meine Kosten.*«

Thriller

N

ach dem linde des Boykotts nahm das Network seine Geschäfte wieder auf und machte genauso weiter wie vorher. Dick Asher konnte das nicht mehr, jedenfalls nicht bei

CBS. Die Spannungen zwischen ihm und Walter Yetnikoff

erreichten allmählich den Siedepunkt, und J o h n Backe konnte nicht mehr den Deckel daraufhalten. Backe hatte den J o b des Stellvertreters für Dick geschaffen und viel investiert, damit es funktionierte. Sein Nachfolger, Tom Wyman, tat das nicht. Dick fand rasch heraus, daß es ihm und Wyman nicht bestimmt war, Freunde zu werden. Wie er feststellte, drangen seine Hausmitteilungen nicht immer zu Wyman durch. Überdies entzog Wyman kurz nach seinem Einzug in den Black Rock Walter die Leitung von CBS/ Fox-Video, was die Sache für Dick noch schlimmer machte. Backe hatte Yetnikoff die Filmabteilung gegeben, um ihn zu besänftigen, als er Dick zu Walters Stellvertreter machte. Die Filme hatten Walters

Aufmerksamkeit von den Platten abgelenkt und Dick mehr Raum zum Atmen verschafft. Doch Wyman war der Meinung, daß die Filmabteilung von den Fernsehleuten geführt werden sollte. »Mit einemmal reduzierte sich Walters Zuständigkeitsbereich auf mich und den Columbia Record Club«, sagte Dick. »Und nun gab es wieder ein Gerangel, wer wem etwas zu befehlen hatte.« Yetnikoff machte sich über Wyman lustig und verunglimpfte ihn als »Super-goj«, war aber trotzdem noch eher auf der Wellenlänge des Generaldirektors als Asher. Obwohl Wyman sich als kühler Konzernchef gerierte, war er weit weniger zugeknöpft als seine Vorgänger und schien sich über Wilters Mätzchen ehrlich zu amüsieren. Vielleicht

halte Wyman Verständnis für Walters Drang zu beweisen, daß er zu wild, zu mächtig und als Jude auch zu »anders« war, als daß ihm irgend so ein langweiliger WASP-Konzernmanager Zügel anlegen konnte. »Er mußte immer den großen Macker spielen«, sagte Debbie Federoff, seine ehemalige Sekretärin. »Walter nimmt keine Befehle von den gojim entgegen.« Walter rebellierte auf mehrere Arten gegen Wyman, manchmal dezent, manchmal auch weniger dezent. Dezent hieß bei ihm, daß er bei einer feierlichen Veranstaltung des Unternehmens wie der Diskussionsrunde von CBS Inc. für die Wall-Street-Analysten seine übliche Kleidung trug, ein grelles Sakko und ein Hemd mit offenem Kragen. Bei einer solchen Diskussionsrunde gab Walter eine optimistische Voraussage für den Tonträgerbereich ab, und Tom Wyman warfein, wenn sich das bewahrheite, »wird keiner von uns bei dem Meeting im nächsten Jahr eine Krawatte tragen«. Walter gab zurück: »Ist das ein Versprechen?« Hin und wieder war er auch nicht so dezent. Dann hallte seine laute Stimme in einem Crescendo des Zorns und des verletzten Stolzes durch den vierunddreißigsten Stock des Black Rock, die Enklave der Konzernleitung. Seine Lieblingsdrohung lautete, er werde kündigen, und dann würden die Künstler hinter ihm hermarschieren wie beim Rattenfänger von Hameln. Es war nichts als Theater, doch Walter wurde wütend, wenn einer seiner Kollegen das aussprach. Kein einziger wichtiger Künstler hatte eine sogenannte »Schlüsselmann«-Klausel in seinem Vertrag, die ihn fest mit Walter verband, und Rockstar wurde man ohnehin nicht, indem man Loyalität über Ehrgeiz stellte. Arthur Taylor hatte gezögert, Clive Davis zu entlassen, weil er Angst gehabt haue, Clive könnte die Speisekammer leerräumen, aber kein Hii-Acl war ihm zu Arista gefolgt. »Clive kann keine Künstler mitnehmen«, sagte Walter. »Ich schon.« Wenn Walter seine Drohungen ausstieß, lachten die hohen Tiere von CBS nicht. Seit Clive statt Sängerinnen wie Eydie Gorme und Bandleadern wie Ray Conniff Typen wie Janis Joplin und Moby Grape unter Vertrag genommen hatte, waren die Herren in den teuren Anzügen aus den höheren Etagen mit dem Musikbereich nicht mehr

zurechtgekommen. Es war sicherer, seine Zeit und Aufmerksamkeit dem Fernsehprogramm zu widmen; jeder konnte eine Meinung dazu haben, weshalb eine Sendung Erfolg gehabt hatte oder gescheitert war. Aber wer war Meat Loal, und warum kauften 5 Millionen Teenager seine Platten? Clive hatte sich immer über die Angst und den Abscheu der Konzernleitung vor dem Rock geärgert, sie aber auch ausgenutzt. Walter war da nicht anders. »Man kann noch so oft versuchen, CBS die Plattenbranche zu erklären, es scheint nicht bei ihnen anzukommen«, sagte Walter einmal mit einem boshaften Lächeln. »Wyman hat mich einem seiner Freunde mit den Worten vorgestellt: »Das ist Walter Yetnikoff, der Hexer, der dieses merkwürdige Voodoo-Kauderwelsch von sich gibt, das kein Mensch versteht.«« Als Tom Wyman in das Unternehmen eintrat, war er für Yetnikoff bereits der vierte CBS-Präsident.* Sie kamen und gingen; Walter blieb. Yetnikoff zog Wyman auf eine Weise auf, wie er es sich John Backe oder Arthur Taylor gegenüber wahrscheinlich nicht erlaubt haue. Einmal lud Wyman Yetnikoff und andere CBS-Manager zu einer Konferenz in die Dominikanische Republik ein. Walter erschien zu spät und blutbesudelt zu einer der Sitzungen und erklärte beiläufig, er habe einen Motorroller gemietet und sei gegen eine Mauer gefahren. Nicht nur seine Bosse kamen in den Genuß von Yetnikoffs Anwandlungen von Machismo. Er prahlte gern damit, daß er den CBSWachleuten befohlen habe, den Herausgeber des Rolling Stone, Jann Wenner, aus dem Black Rock zu schmeißen. »Ich konnte Jann Wenner noch nie leiden«, sagte Yetnikoff. »Ein fetter, habgieriger kleiner Kerl.« Ein paar Jahre später, als Walter der Zeitschrift ein Interview gab, ließ er Wenner eine persönliche Warnung zuteil werden. In Walters Worten: »Ich traf ihn zufällig und drohte ihm, ihn zu verprügeln. Irgendwie hat er ein bißchen Angst vor mir. Ich gab ihm einen Klaps an den Hinterkopf und sagte, wenn mir der Artikel nicht gefiele, würde ich ihm in den Bauch boxen. Das ist meine neue Art, * Der fünfie, w e n n man Chick lreland mitzählt, der den Posten zwischen Frank Stanton u n d Arthur Taylor innegehabt halte, a b e r nach wenigen Monaten an e i n e m Herzinfarkt g e s t o r b e n war.

mit der Presse umzugehen. Ich habe an meinen Bullworker [einem Bodybuilding-Gerät| gearbeitet, ich habe enorme Muskeln.« Tatsächlich war Walter eher wie ein naschhafter Zuckerbäcker gebaut, aber er schien trotzdem zu glauben, Frauen fänden ihn unwiderstehlich. Wenn man ihn reden hörte, hatte man den Lindruck, er wäre mit einem zusätzlichen Y-Chromosom zur Well gekommen. Obwohl er seine College-Freundin June Horowitz geheiratel und zwei erwachsene Söhne hatte, hielt die Ehe nicht, und Walter legte sich eine Gruppe nichtjüdischer Freundinnen zu - seine »schicksenFarm« -, von denen die meisten unterwürfig und ihm intellektuell unterlegen waren. »Diese Frauen repräsentieren Walter Yetnikoffs geringe Meinung von sich selbst«, sagte einer seiner Freunde. »Sie werden nie erleben, daß Walter hinter der Tochter von Dina Merrill oder der Nichte des Grafen de Floury herläuft. Er fühlt sich nur wohl mit Frauen, die außerordentlich dankbar sind, bei ihm sein zu dürfen.« Davon schien es viele zu geben. »Püppchen Nummer eins, Püppchen Nummer zwei, Püppchen Nummer drei - ich kenne sie alle«, sagte sein Freund Nat Weiss. Walter machte ein Spiel daraus, mit seinen Frauen zu jonglieren. »Ich habe ein paar richtig spannende Sachen miterlebt«, sagte Weiss. »Er holt die eine vom Flughafen ab, während er die andere aus der Stadt schickt.« Weiss lachte. »Walter glaubt, es liege alles an seiner körperlichen Anziehungskraft, weil er so ein Macho sei, und es habe nichts mit der Tatsache zu tun, daß er CBS Records leitet oder ein Mann mit Macht und Geld ist. Er hält sich für einen zweiten Tom Cruise.« Unglücklicherweise konnte nicht einmal der Chef einer Plattenlirma auf diesem Gebiet mit den Rockstars mithalten. Ein Autor von Esquire ging einmal nachmittags mit Yetnikoff, Mick Jagger, Daryl Hall und Dave Stewart von den Eurythmics essen. Junge Frauen drängten sich um den Tisch, und Walter betrachtete sie begehrlich, aber ohne Erfolg. »Es ist hart, mit diesen Typen rumzuhängen«, seufzte er hinterher. »Die Mädchen beachten einen überhaupt nicht, wenn sie dabei sind.« Dick Asher wiederum war erstaunt über das Schauspiel, wie Walter sich in den »Playboy der westlichen Welt« verwandelte, wie er es

nannte.* Nicht weil Walter Affären hatte, sondern weil er es darauf anzulegen schien, seine Ehe zu zerstören. Für Dick war das unvorstellbar. Asher hatte immer geglaubt, er und Yetnikoff hätten ähnliche Wert Vorstellungen, aber nun erkannte er Walter gar nicht mehr wieder. Dick halte wie Walter seine Collegefreundin geheiratet, Sheila Siegel, und sie hatten drei erwachsene Kinder. Asher prahlte, ihre Verbindung werde den Branchenrekord für Dauerhaftigkeit aufstellen. In Wallers Ehe kriselte es seit Ende 1 9 8 1 , als J u n e erfuhr, daß er eine Affäre mit seiner Sekretärin, Debra Federoff, halte. Federoff sprach zwar gut Jiddisch, war aber dennoch eine Nichtjüdin. Sie arbeitete seil 1 9 7 8 für Walter. »Die Entscheidung fiel zwischen mir und einem anderen Mädchen«, sagte sie. »Ich bückte mich, mein Arsch gefiel ihm, und so bekam ich den J o b . Ich habe niehl getippt, ich hatte lange Fingernägel. Aber er hat nie Hausmitteilungen verschickt, er haßte Papier. Walter ist brillant, der komischste Mensch, den ich in meinem Leben kennengelernt habe. Er ist ein fürchterlicher Choleriker und auch ein b i ß c h e n verrückt. Ich hab mich in Walter verliebt.« Sie hielt es für angebracht, hinzuzufügen: »An seinem Aussehen lag es nicht.« Als J u n e von der Sache mit Debbie erfuhr, gab es bereits Probleme in der Affäre. »Walter konnte mich nicht kontrollieren«, erklärte Federoff. Sie ließ sich von ihm nicht einschüchtern. Einmal kam Walter wütend von einer Board-Sitzung zurück und zerdepperte ein Glas an der Wand. Jeder in der Nähe duckte sich, bis auf Debra, die anschließend wortlos ein Tablett voller Gläser in Wallers Büro brachte. Ein andermal hatte sie ohne sein Wissen seine Privatnummer ändern lassen, weil »irgend so eine Braut sie besaß«. Eines Abends rief Walter Federoff an und sagte, seine Frau wisse über sie Bescheid. »Ich bekam fast einen Nervenzusammenbruch«, sagte Federoff. »Ich soff mir die Hucke voll und rief ihn zu Hause an. Ich sagte: >lch will mit J u n e sprechen.* Er llippte aus. Schließlich meinte er: >Hier, sprich mit ihr.< Ich sprach mit ihr. Ich sagte: >Es

* n a c h d e r K o m ö d i e »Playboy o f t h e W e s t e r n W o r l d « ( d l . » D e r Held d e r w e s t l i c h e n Welt«) des irischen Dramatikers J. M. Synge (A.d.Ü.)

stimmt, es tut mir leid, und ich werde kündigen.« Am nächsten Tag ging ich hin und kündigte. Walter sagte: >Du hast sie ja nicht mehr alle. Ich versetze dich in eine andere Abteilung.« Ich sagte: >Du und CBS - ihr könnt mich mal.« Ich habe monatelang nicht auf seine Anrufe reagiert.« Kurze Zeit später trennten sich die Yetnikoffs. Federoff zufolge konnte Walter es nicht ertragen, allein zu leben, und sie sei nicht bereit gewesen, zu ihm zu ziehen. Aber Walter konzentrierte sich schon bald voll und ganz auf eine andere schick sc, die einen starken Einfluß auf ihn ausüben sollte. Ihr Auftauchen signalisierte Walters Übergang in eine neue, verrücktere Phase seines Lebens und kündigte die dramatischen Ereignisse an, die bei CBS Records bevorstanden. Ihr Name war Lynda Emon, aber man nannte sie »Boom-Boom«. Norman Winter, Walters persönlicher Pressemann an der Westküste, machte sie miteinander bekannt. Er hatte Lynda Emon 1981 kennengelernt, als sie einen prominenten Kinderarzt aus Beverly Hills heiratete. Das Paar feierte eine Prunkhochzeit in Acapulco; Winter wurde für die Publicity engagiert. »Es war die grandioseste Hochzeit des Jahres«, sagte Emon. »Und wahrscheinlich die kürzeste Ehe der Weltgeschichte.« Da Lynda und Walter beide frisch getrennt waren, sah Winter eine Chance, den Kuppler zu spielen. Sie schien perfekt für Yetnikoff geeignet zu sein: blond, gut gebaut und Nichtjüdin - obwohl sie als Vorbereitung auf ihre Hochzeit zum jüdischen Glauben übergetreten und zur mikwe gegangen war, einem orthodoxen Baderitual. Mit einunddreißig war sie siebzehn Jahre jünger als Yetnikoff. Sie mochte ihn. »Walter ist im Grunde ein Teddybär«, entschied Lynda, »der zufällig eine unheimlich große Klappe hat.« Es dauerte nicht lange, dann zogen sie zusammen, zuerst ins Gästequartier des palastartigen Backsteinhauses des Anwalts Eric Kronfeld in der East Side, später in eine Wohnung am Riverside Drive. Von June Yetnikoff zu Lynda war es ein ganz schöner Sprung; June war wie ihr Ex-Mann zur Zeit ihrer Heirat zurückhaltend und unauffällig gewesen, hatte sich allerdings im Gegensatz zu ihm nicht

geändert. Asher, der June mochte, konnte nicht glauben, daß Walter eine fünfundzwanzigjährige Ehe für eine Person wegwarf, die für ihn »fast eine Karikatur der falschen Frau« war. Bei CBS Records mußten die Leute nett zu Lynda sein, um Yetnikoff nicht zu beleidigen. Lynda wußte, daß sie unbeliebt war. »Die haßten mich alle«, sagte sie. »Ich weiß nicht, warum. Vielleicht lag es an meinem Image.« Norio Ohga, der Chef des CBS/Sony-Jointventures in Japan, ermahnte Dick Asher einmal, ja dafür zu sorgen, daß Walter sie nicht mit nach Tokio brachte. Lynda war jedoch mit Frank Dileo befreundet, dem Direktor der Promotion-Abteilung von Epic, den Asher auf den Tod nicht ausstehen konnte. Zufällig kannte sie Dileo seit den späten Sechzigern; Frank war einmal mit ihrer Schwester gegangen. Das festigte die gesellschaftlichen Bande zwischen Dileo und Yetnikoff noch mehr. Ein weiterer bemerkenswerter Zufall wollte es, daß ein Mann aus Frank Dileos Promotion-Abteilung ein ehemaliger Liebhaber von Lynda war, der ihr den Laufpaß gegeben hatte, als sie zwanzig gewesen war - was sie auf eine Idee brachte. »Ich bin für eine Woche in New York, und jetzt bin ich die Königin der Welt, stimmt's?« erinnerte sie sich. »Ich stolziere in Frank Dileos Büro. >Frank, ich möchte, daß du mir einen Gefallen tust. Ich möchte, daß du diesen Kerl feuerst und ihm sagst, es ist meinetwegen. All diese Jahre später.* Frank sitzt da und sagt: >Das kann ich nicht machen, Lynda. Hast du nicht mehr alle Tassen im Schrank?* Frank hat ihm aber ein bißchen Angst gemacht. >Rat mal, wer in New York ist*, hat er gesagt. Aber der Typ arbeitet immer noch da, macht die dicke Kohle, hat ein sehr nettes Leben und ist noch mit dem Mädchen zusammen, deretwegen er mich verlassen hat. Im Kern läuft es darauf hinaus: Frauen haben in diesem Geschäft nichts zu melden - ganz gleich, mit wem man ins Bett geht.« Lynda, die aus Minneapolis stammte - das sprichwörtliche »Bauernmädchen mit Grassamen im Haar« -, kannte die Plattenbranche bereits. Mit neunzehn war sie Empfangsdame eines lokalen Plattenvertriebs geworden. 1972 arbeitete sie in ihrer Heimatstadt als Promoterin bei United Artists, wurde jedoch ein Jahr später gefeuert.

Aus »Rache« wurde sie »die erste Frau in Amerika, die unabhängige Plattenpromotion machte«. Sie sei gut darin gewesen, sagte sie, und habe ein paar große Kunden an Land gezogen, darunter MGM und Polydor. Die letzteren veranstalteten einen Wettbewerb, wer das meiste Airplay für eine neue Single bekam, »Gudbuy T'Jane« von Slade. Lynda ging die Sache innovativ an. »Ich suchte mir ein Model und ließ ihren nackten Körper von einem Künstler mit dem Namen der Gruppe bemalen. Überall große Buchstaben. Dann ging ich mit ihr zu den Programmdirektoren der Radiostationen. Wenn sie die Platte auflegten, zog sie ihren Mantel aus.« Als das Model mit dem Radiopersonal für Fotos posiert habe, so Lynda, sei sie ein bißchen spröder gewesen. »Sie hat sich Singles vor die Titten gehalten.« Als Walter Lynda kennenlernte, hatte sie eine Firma namens Prodisco ins Leben gerufen, die auf Rollschuhbahnen für die Tanzmusik sorgte. Die Idee hatte sie von Buck Reingold, Neil Bogarts Schwager und Promotion-Mann. Nachdem sie mit Walter zusammengezogen war, tauchte sie in einer Billboard-Anzeige als »Vizepräsidentin, Ostküste« der Norman Winter Associates auf, Yetnikoffs PR-Firma an der Westküste. Daheim in Minneapolis hatten zwei lokale Künstlermanager, Owen Husney und Ron Soskin, großen Eindruck auf Lynda gemacht. Jetzt, wo sie in Manhattan eine gemeinsame Wohnung mit dem mächtigsten Mann der Plattenbranche bewohnte, dachte sie sich - warum auch nicht? -, sie könnte ihnen einen Produzentenvertrag besorgen. Lynda stellte sie Walter vor, und dieser brauchte nur etwa eine Stunde, um eine Vereinbarung aufzusetzen. Die Manager holten daraufhin einen Sänger aus Minneapolis zu CBS. Er hieß Brian McDonald. Ihr Custom Label, dessen Vertrieb Columbia übernommen hatte, war nach ihrer Firma benannt, American Artists Management. Für die Vermittlung des Vertrags, so 1 lusney, habe Lynda eine Gewinnbeteiligung bekommen, was bedeutete, daß sie einen Anteil an sämtlichen Plattentantiemen erhalten würde. Zu ihrem Pech gab es keine; die McDonald-LP lag wie Blei in den Regalen, und das Custom Label wurde aufgelöst. (»Soviel zu meiner Karriere als Produzentin«, sagte

Lynda.) Trotzdem: Der Gedanke, daß seine mit ihm zusammenlebende Geliebte an einem Künstler verdiente, der bei CBS Records unier Vertrag war, schien Walter Yetnikoff nichi zu slören.

M

itte 1 9 8 1 hatte Bruce Lundvall, Chef von CBS Records USA und Präsident des Columbia-Labels, die Nase voll von seinem Job.

Es war schon schlimm genug, zwei Bosse zu haben, aber noch schlim-

mer war, daß Dick und Walter andauernd im Clinch lagen. Er hatte sich nie von den beiden Massenentlassungen erholt, die er 1979 hatte vornehmen müssen. Lundvall wußte, daß eine weitere Säuberungsaktion bevorstand, wahrscheinlich die bisher schlimmste. Er hatte nur wenig Zeit, sich um A & R zu kümmern, obwohl ihn das am meisten interessierte. Dick hatte ihn für das Projekt des Baus einer neuen Kassettenfabrik in Carrollton, Georgia, abgestellt, und er langweilte sich. Anfang 1982 stieg Lundvall bei CBS aus und machte das New Yorker Büro des Elektra-Labels von Warner Communications auf. Die Nachricht, daß Lundvall CBS verließ, elektrisierte Alvin Teller, einen jungen Mann aus Ashers Posse. Teller war eine absolute Seltenheit in der Plattenbranche, ein Harvard-Absolvent mit einem Abschluß in Betriebswirtschaft. 1 9 6 8 fing er als Assistent von Clive Davis bei CBS Records an, ging jedoch kurze Zeit später zu Playboy Enterprises in Chicago, wo er Entwicklungsdirektor wurde. Doch er kam mit dem J o b nicht zurecht. Im Herbst 1971 kehrte Teller zu CBS zurück und »bat um Vergebung«. Von da an arbeitete er für Bruce Lundvall und lernte Marketing und Merchandising. 1 9 7 4 - mit neunundzwanzig Jahren - wurde AI Teller zum Präsidenten von United Artisis Records berufen, sah sich dort jedoch nur mit der in seinen Worten »total hirnrissigen Unternehmenspolitik« des Eigentümers von UA, TransAmerica, konfrontiert. 1978 kündigte er und verbrachte die nächsten drei Jahre im Fegefeuer der Plattenbranche. Lr arbeitete als Berater und half für eine Weile, Windsong zu leiten, ein kurzlebiges Label, dessen Mitbesitzer John Denver war. So ziemlich das erfolgreichste Projekt, an dem Teller als freier Agent

arbeitete, war ein recht unkonventionelles Album, das auf der Pferderennbahn verkauft wurde, Thoroughbred Racing's Greatest Hits. 1981 bekam AI Teller schließlich einen Anruf von Dick Asher. Es gab einen freien Platz in Ashers Posse, in der Fabrikation - nicht gerade der Traumjob für jemanden, der sechs Jahre zuvor eine höhere Stellung bei CBS aufgegeben hatte, um eine Plattenfirma zu leiten. Teller schluckte seinen Stolz hinunter und nahm an, wobei er inständig auf eine Beförderung hoffte. Dick geriet währenddessen stark unter Druck, weil er Teller ein drittes Mal zu CBS geholt hatte; dieser hatte sich die beiden vorherigen Male eine Menge Feinde gemacht. Teller hatte sich kaum eingewöhnt, als Lundvall seinen Abschied bekanntgab. Asher beschloß, Lundvalls Posten als Präsident von CBS Records USA mit zu übernehmen, eine Management-Ebene, die nicht mehr erforderlich zu sein schien. Aber er würde einen neuen Hauptgeschäftsführer für Columbia brauchen. Es war genau das, was Teller sich wünschte. »Teller war ganz heiß auf den Job«, sagte Bob Jamieson, ein Mitglied der Posse. »Er hing dauernd im Büro herum, interessierte sich für Gerüchte - was habt ihr gehört? Ich sagte: >A1, du bist hochqualifiziert. Warum sagst du nicht einfach: >Dick, ich will den J o b haben?< Dann weißt du zumindest, wo du stehst.*« Teller fand bald heraus, wo er stand. Dick wollte, daß er den J o b bekam; Walter nicht. »Walter war sehr gegen Teller«, sagte Dick. »Er wollte Myron Roth |den Leiter der kaufmännischen Abteilung], der ein netter Kerl ist und den ich sehr mag. Ich fand nur, daß er nicht der Richtige für den J o b war. Und ich hatte AI fast sofort vorgeschlagen, und Walter sagte immer nur nein, nein, nein. Und schließlich hatte er lange genug nein gesagt , so daß der J o b jemand anderem angeboten wurde - Rick Blackburn, dem Chef der Country-Abteilung. Er war der Kompromißkandidat, weil ich Walter nicht dazu bringen konnte, sich mit Teller einverstanden zu erklären. Und dann lehnte Rick Blackburn ab. Er wollte nicht von Nashville nach New York ziehen. Während dieser ganzen Geschichte war Teller jeden Tag in meinem Büro. Wird er nicht doch einen Rückzieher machen? Wird

er mir den J o b nicht doch überlassen? Teller ist nämlich ein ehrgeiziger Bursche. Und dann gab Walter schließlich nach. AI hat immer zu mir gesagt: >Hör mal, ich verdanke dir mein Leben, du hast mir noch mal eine Chance gegeben.* Er war geächtet, er war abgemeldet. Dabei war er ein heller Kopf, ein fähiger Mann, der allerhand Wirbel machte. Und sie konnten es sich leisten, die Leute abzuschieben, die Wirbel machten, und sie draußenzuhalten. Jedenfalls übernahm Teller das Columbia-Label. Und nach rund sechs Monaten zeigte sich, daß AI sehr gute Arbeit leistete. Er hatte Columbia auf Vordermann gebracht, sie wurden allmählich viel effektiver. Und eines Tages sagte Walter zu mir: >Teller macht seine Sache recht gut.< Und ich sagte: >Ja, ich bin froh, daß du das auch so siehst * Und Walter sagte: >Ich habe ihm gerade eine Gehaltserhöhung von 5 0 0 0 0 Dollar gegeben.* Das hatte er getan, ohne es vorher mit mir abzusprechen. Er hatte AI zu sich gerufen und ihm erklärt: >Du kriegst 5 0 0 0 0 Dollar Gehaltserhöhung.* Ich war Als Boß. Bevor man jemandem eine Gehaltserhöhung gibt, spricht man mit seinem Boß. Das ist ein Gebot der Höflichkeit. Besonders bei einer Gehaltserhöhung in dieser Größenordnung. Das war eine sehr, sehr große Gehaltserhöhung für AI. Ich schätze, Walter wollte ihm zeigen, wo der Honigtopfstand.«

A

m 13.August 1982 - obendrein ein Freitag - entließ CBS Re-

cords dreihundert Mitarbeiter und schloß neun seiner neun-

zehn Vertriebsstellen im ganzen Land. Es war die größte eintägige Säuberungsaktion bei einer Plattenfirma seil Beginn des Konjunktur-

abschwungs in der Branche vor drei Jahren. Unter den Entlassenen waren neun Abteilungsleiter. Rund 15 Prozent aller nicht fest angestellten Mitarbeiter mußten gehen. Eine komplette ManagementEbene im Vertrieb und in der Promotion wurde eliminiert. Genau wie 1 9 7 9 wollte Yetnikoff auch diesmal nichts mit den Entlassungen zu tun haben, und Dick Asher gab einen guten Blitzableiter ab. Er war ohnehin schon nicht beliebt gewesen; nun sank seine Popularität noch weiter. Wen interessierte es schon, daß eine

Umstrukturierung dieser Größenordnung nur in Absprache mit Yetnikoff und Tom Wyman erfolgen konnte. Wen interessierte es schon, daß CBS Records nach dem gescheiterten Boykott der unabhängigen Promoter jährlich wieder mindestens 10 Millionen Dollar für deren Dienste ausgab, was dreihundert Jahresgehältern von durchschnittlich 3 3 0 0 0 Dollar pro Mitarbeiter entsprach. Freunde von Dick Asher behaupteten steif und fest, daß Yetnikoff ihn als Sündenbock aufgebaut habe und daß die Entlassungen für ihn ein Trauma gewesen seien. »Natürlich hat man Dick vorgeschoben«, sagte der Anwalt Eric Kronfeld. »Wenn all diese Leute entlassen werden mußten, dann deshalb, weil die Konzernleitung und Walter darauf bestanden.« Die Abneigung gegen Dick Asher war bei CBS noch jahrelang zu spüren. Ein CBS-Mann sagte kürzlich rückblickend: »Asher kam an und stutzte den Laden auf die richtige Größe. Da er kein Konzept für die Firma hatte, machte er einfach schnipp, schnapp, schnipp, schnapp. Wegsind sie. Ich glaube, er ist auf rein arithmetische Weise an den Stellenabbau herangegangen. Er hat es ohne jedes Geschick gemacht.« Zwei Tage vor dem »Freitagsmassaker« wurde Walter Yetnikoff neunundvierzig. Der Anwalt Nat Weiss und Lynda Emon schmissen eine Überraschungsparty zu seinem Geburtstag. Unter den Geschenken war ein Blutdruckmeßgerät, damit »sein Blutdruck unten und die Profite oben bleiben«. Partys - häufig solche, bei denen es ziemlich wüst zuging - spielten eine immer zentrale Rolle in Walters Leben. Lynda war gern unter Menschen und liebte es besonders, mit Plattenstars von CBS in Berührung zu kommen. Einige Monate später wurde Lynda, ohne es zu bemerken, in eine Kontroverse zwischen Walter und CBS News hineingezogen. Anfang 1982 hatte Steve Glauber, ein Produzent der wöchentlich ausgestrahlten Nachrichtensendung 60 Minutes bei CBS-TV, zugegeben, daß er und Mike Wallace, einer der Stars der Sendung, an einer Story über Indie-Promoter arbeiteten. »Wir befassen uns mit der Rolle der unabhängigen und firmeneigenen Promoter«, erzählte Glauber Billboard, »und untersuchen, warum bestimmte Platten gespielt werden.

Von dem Gesichtspunkt aus gehen wie die Sache an.« Obendrein, erinnerte sich Yetnikoff, »gab es einen Artikel in der Detroit Free Press mit dem Tenor, wenn William Paley [der Chairman von CBS] wüßte, was Mike Wallace über die Aktivitäten von WY wußte, würde BP mit WY das gleiche machen wie mit Clive Davis!« Am 16. November dieses Jahres war Paley Ehrengast beim Festbankett der Wohltätigkeitsorganisation Family of Man im Waldorf, wo Smokingzwang herrschte. Walter ging mit Lynda hin, und sie stellten fest, daß sie mit Mike Wallace am Tisch saßen. Als Wallace Yetnikoff vorgestellt wurde, witzelte er: »Sie meinen, das ist der Mann, der CBS in den Bankrott treibt?« Walter, der ohnehin schon einen Groll gegen CBS News hegte, war wütend. Die vorher festgelegte Sitzordnung an der Festtafel sah vor, daß Lynda direkt neben Wallace, Walter dagegen etliche Plätze entfernt saß. Im Verlauf des Dinners bat Wallace den Kellner um Servietten und legte eine auf den Schoß der Frau zu seiner Linken, Marilyn Berger (Frau von Don Hewitt, dem Herstellungsleiter von 60 Minutes), und der zu seiner Rechten, Lynda Emon. Am nächsten Tag bekamen Wallace und Hewitt einen verzweifelten Anruf von David Fuchs, einem Manager des Rundfunk- und Fernsehbereichs von CBS. »Er sagte: >Hört zu, wir haben hier drüben großen Argen«, erinnerte sich Hewitt. »>Yetnikoff hat Wyman gerade erklärt, daß dieses Unternehmen nicht groß genug ist für Walter Yetnikoff und Mike Wallace - und daß einer von beiden gehen muß!lch werde Nachforschungen über Sic anstellen.* Deshalb bekam ich ein Entschuldigungsschreiben von Mike Wallace. Und das nach den eingehenden Nachforschungen, die er bekanntlich immer anstellt - und er soll wirklich gut in seinem J o b sein, obwohl wir da verschiedener Meinung sein könnten. Es bezieht sich speziell auf |CBS Records], weil er sich nicht bei der ganzen Welt entschuldigen w i l l . . . Darin steht: AVenn Bill Paley wüßte, was ich weiß, wüßte er gar nichts.* Als ich es bekam, rief ich die Konzernleitung an und sagte: >Diesen Brief werde ich der Times übergeben.* Und die sagten: >Tun Sie das bloß nicht!*« Wallaces Spruch hatte gesessen, weil feststand, daß 1982 ein noch schlechteres Jahr für CBS Records werden würde als 1981. Das Unternehmen steckte in einer Flaute. Tom Scholz von Boston hatte sein drittes Album immer noch nicht abgeliefert und würde es auch nie tun - jedenfalls nicht an CBS. Columbia hatte einen Hit mit Paul McCartneys Tug of War, aber sonst wenig Vorzeigbares. Als die Jahresbilanz vorlag, waren die Zahlen deprimierend. Die Gewinne waren auf lumpige 22 Millionen Dollar gesunken, und das bei Umsätzen von über einer Milliarde Dollar. Einen so geringen Jahresgewinn hatte das Unternehmen seit 1971 nicht mehr gemacht, und damals war der Dollar erheblich mehr wert gewesen. Die Gewinnspanne für 1982, ungefähr zwei Cents pro Dollar, war erschreckend niedrig - ein Testament viel zu vieler erfolgloser LPs sowie der fortdauernden negativen Auswirkungen der gesamtwirtschaftlichen Rezession. Überdies hatte CBS wieder angefangen, mehr als 10 Millionen Dollar pro Jahr für unabhängige Promotion auszugeben. In anderem Licht betrachtet, waren die Ergebnisse von 1982 jedoch nicht ganz so schlecht, wie sie aussahen. Zum ersten wären die Gewinne höher gewesen, wenn es nicht eine Reihe großer Vollabschreibungen gegeben hätte, darunter zwei Fabriken, die geschlossen worden waren. CBS schrieb auch eine große Kapitalinvestition in seine neue, effektivere Fabrik in Carrollton, Georgia, ab. Und die Abfindungen für die Entlassenen waren ein harter, wenn auch

einmaliger Schlag gegen die Gewinne. Seit Dick Asher das Alltagsgeschält führte, halte CBS Records einige bittere Pillen geschluckt. Doch wenn sich die wirtschaftliche Gesamtlage - und die Musik ebenfalls - besserte, war das Unternehmen nun für eine dramatische Wende gerüstet. Ende 1982 brachte CBS zwei Hit-Alben heraus. Bei dem ersten war ein wenig Ironie im Spiel. Dick Asher hatte die Platte nämlich gegen die Einwände von Epic durchgesetzt, dessen Mitarbeiterstab seinen musikalischen Sachverstand oftmals kritisierte. Früher in jenem Jahr halte CBS Records International der australischen Band Men at Work einen Vertrag gegeben, der nur für Australien galt, nicht jedoch für die Vereinigten Staaten. Die Gruppe lieferte prompt ihr erstes Album ab, Business as Usual, von dem in Australien 2 0 0 0 0 0 Exemplare verkauft wurden, eine unerhörte Leistung. Asher war überzeugt, daß die Platte auch in den Vereinigten Staaten gut laufen würde, konnte Epic jedoch nicht dazu bewegen, den Vertrieb zu übernehmen. Schließlich verlangte er, daß entweder Epic-Chef Don Dempsey oder AI Teller von Columbia eine Option auf die LP erwarb. Teller erklärte sich schließlich einverstanden. »Wir haben sie rausgebracht, um Dick zum Schweigen zu bringen«, gestand ein Columbia-Mitarbeiter später verlegen. Die LP warl zwei Nummer-eins-Singles ab - »Who Can lt Be Now?« und »Down Under« - und verkaufte sich sechs Millionen Mal. Das zweite Album, das im November 1982 bei Epic herauskam, war ein Monster-Hit von beispiellosen Ausmaßen. Es verkaufte sich weltweit insgesamt 3 8 , 5 Millionen Mal, stand siebenunddreißig Wochen an der Spitze der LP-Charts von Billboard und warf sieben I lit-Singles ab. The Guinness Book qf World Records kürte es später zum erfolgreichsten Album aller Zeilen. Was am wichtigsten war, es brachte CBS Records mindestens 60 Millionen Dollar ein und festigte die Bilanzen des Unternehmens - und Walter Yetnikoffs Macht. Es handelte sich um Michael Jacksons lang erwartete LP Thriller. CBS wollte sie dringend haben, und der Druck, den Epic auf Jackson und seinen Produzenten, Quincy Jones, ausübte, sie rechtzeitig zu Weihnachten fertigzustellen, war mit Händen zu greifen. Jones war mit einem Donna-Summer-Album beschäftigt, und Jackson hatte

ebenfalls mit diversen Ablenkungen zu kämpfen, von denen die Scheidung seiner filtern nicht die geringste war. Schließlich, so schrieb Jackson in seiner Autobiographie Moonwalk*, habe CBS »gesagt, sie müsse zu einem bestimmten Termin fertig sein, basta«. Er und Jones hatten drei Monate Zeit, um die LP aufzunehmen; zwischendurch mußten sie - ein einmaliges Geschäft mit MCA - auch noch The E. T. Storyhook produzieren, eine Kinderplatte. Der Termindruck forderte seinen Tribut, als es darum ging, die Dutzende von Gesangs- und Instrumentalspuren für die LP abzumischen. »Als wir uns die Tracks schließlich anhörten, die wir abliefern würden«, schrieb Jackson, »klang Thriller für mich so beschissen, daß mir die Tränen kamen.« Jackson sprach ein Machtwort. Er würde die Platte nicht veröffentlichen. Es habe »Gebrüll und Geschrei« bei CBS gegeben, schrieb er, aber er und Jones schlugen noch einen Monat für eine neue Abmischung heraus. Als sie das Album schließlich ablieferten, stand Thriller bereits auf einem Schnellproduktionsplan, und Epic begann kurz vor Thanksgiving mit dem Vertrieb. Nur wenige rechneten damit, daß Thriller den von Saturday Night Fever aufgestellten Verkaufsrekord brechen würde, aber niemand war überrascht, daß es sofort ein Riesenhit war. Jackson war seil November 1 9 6 9 ganz oben, als Motown »I Want You Back« herausgebracht hatte, eine Single der Jackson Five, bei der er die Leadslimme sang. Sie verkaufte sich innerhalb von sechs Wochen zwei Millionen Mal und kam auf Nummer eins. Damals war Michael Jackson elf Jahre alt gewesen. Die nächsten drei Jackson-Five-Singles waren ebenfalls Nummer-eins-Llits. 1 9 7 5 gingen Michael Jackson und alle seine Brüder außer einem zu Epic. Vier Jahre später nahm er sein erstes Solo-Album für Epic auf, Off the Wall, das ebenfalls von Quincy Jones produziert wurde. Jackson schrieb die Texte und die Musik für zwei Songs und war Koautor eines dritten. Eine seiner Solo-Kompositionen, »Don't Slop Till You Get Enough«, kam auf Nummer eins. Die LP verkaufte sich acht Millionen Mal und wurde damit zum größten Hit eines schlechten Jahres.

Obwohl es also einen Vorläufer von Thriller gab, war das Ausmaß des Erfolgs der LP schwindelerregend. Allein in den Vereinigten Staaten wurden zwanzig Millionen Exemplare verkauft, was bedeutete, daß die Platte fast in jedem vierten amerikanischen Haushalt landete. Abgesehen von ihren unbestrittenen Vorzügen machten eine Reihe einander ergänzender Faktoren das Album zu dem Monster, das es war. Zunächst einmal kamen sieben der neun Stücke auf Thriller in die Top Ten; »Billiejean«, eine Komposition von Michael Jackson, war sieben Wochen lang Nummer eins. Zur gleichen Zeit waren die MTVZuschauerquoten beständig sehr hoch, und Videos von drei Songs der LP wurden unablässig ausgestrahlt. Ein weiterer Faktor spielte eine Schlüssel rolle für den Erfolg von Thriller. Am 16. Mai 1 9 8 3 brachte das NBC Television Network eine Sondersendung zum 25. Geburtstag von Motown Records, Motown 25: Yesterday, Today, and Forever, die schätzungsweise 50 Millionen Amerikaner sahen. Darin traten nahezu alle großen Motown-Stars auf, von denen die meisten das Label inzwischen verlassen hatten. Als die Sendung aufgezeichnet wurde, war »Billie Jean« der nationale Top-1 lit in den USA. Angetan mit einem schwarzen Jackett und einem Filzhut, bewegte Jackson die Lippen synchron zu dem Song und zog eine Tanznummer ab, bei der das Publikum Augen und Ohren aufsperrte. Er nutzte die Gelegenheit, um einen neuen Tanzschritt einzuführen, den »Moonwalk«, bei dem er der Schwerkraft zu trotzen schien. Obwohl er in den Augen der Öffentlichkeit fast in einer Phantasiewelt lebte, war Michael Jackson ein ehrgeiziger Mann, der genau wußte, wie die Musikindustrie funktionierte. »Ich betrachte mich als einen Musiker, der zufällig auch Geschäftsmann ist«, schrieb er. Jackson war hellauf begeistert über den Erfolg von Thriller, und er glaubte, daß insbesondere Frank Dileo eine Menge damit zu tun hatte. »Frank war dafür verantwortlich, daß mein Traum in bezug auf Thriller wahr wurde«, schrieb Jackson. »Seine brillanten Kenntnisse der Plattenbranche erwiesen sich als unschätzbar wertvoll. Zum Beispiel veröffentlichten wir »Beat ll< als Single, während »Billie Jean
lhr seid vcrrückl, damit macht ihr >Billie Jean< kaputt.< Aber Frank erklärte ihnen, sie sollten sich keine Sorgen machen, beide Songs würden auf den ersten Platz kommen, und sie würden beide zur gleichen Zeit in den Top Ten sein. Und so war es auch.« Frank Dileo machte ausführlichen Gebrauch von der unabhängigen Promotion, und er war ein persönlicher Freund von Joe lsgro. Es ist schwer vorstellbar, daß eine Top-40-Statioti von einem lndiePromoter überredet werden mußte, die Singles von Thriller zu spielen. Doch ein Epic-Mitarbeiter gestand: »Die Kampagne hat rund 1 0 0 0 0 0 Dollar plus Kleingeld pro Single für die unabhängige Promotion gekostet.« Jackson zeigte bald, wie sehr er Frank Dileo schätzte. Er hatte acht Monate lang keinen persönlichen Manager gehabt, nachdem er das Team von Ron Weisner und Freddy DeMann entlassen hatte, und in dieser Zeit war das der begehrteste Posten in der Musikindustrie. Wer immer ihn bekam, würde ein Anrecht auf ein königliches Salär, wenn nicht sogar auf einen Anteil von Jacksons Bruttoeinkommen haben. Jackson, der Dileo offenbar sehr mochte - er nannte ihn »Onkel Tookie« -, gab ihm den J o b im März 1 9 8 4 , drei Monate, bevor er mit seinen Brüdern die landesweite »Victory«-Tour antrat. Yetnikoff war entzückt; wahrscheinlich hatte er bei Jacksons Entscheidung die Einger im Spiel gehabt. Ob Michael Jackson über die Rolle des Network und über Frank Dileos Beziehungen zur Indie-Gemeinschaft im Bilde war, könnte nur er allein sagen. F.r war sicherlich nicht naiv, was Promotion betraf. Yetnikoff sagte von Jackson: »Er hat mir gegenüber Bemerkungen über Sachen wie Promotion gemacht, die ciarauf hindeuten, daß er absolut qualifiziert wäre, eine Plattenfirma zu leiten, wenn er es wollte.« Frank Dileos Attraktivität als Manager hatte offenkundig mit seinen Fähigkeiten als Plattenpromoter zu tun. Abgesehen davon schien Jackson durchaus imstande, seine Karriere selbst zu managen. Niemand würde je wieder fragen, wie Frank Dileo an eine goldene Rolex gekommen war. »Alle wurden verdammt grün im Gesicht, als Frank dieses Ding abzog«, sagte ein Bekannter. »Ungefähr sechs

Walter Yetnikoff, Präsident von CBS Records, der mächtigste Mann der Musikbranche. In seinen fünfundzwanzigjahren bei CBS ist er vom schüchternen Justitiar zu einem mit allen Wassern gewaschenen Kriegsherrn des Rock-Busineß geworden.

M o r r i s Levy, Präsident

von Roulette Records, wurde wegen seiner Verbindungen zum organisierten Verbrechen der »Pate« des amerikanischen Musikgeschäfts genannt. »Wenn jemand sein Leben lang ein Schleimscheißer gewesen ist«, philosophierte Levy einmal, »wird er durch seinen Tod nicht zum Heiligen.«

D i c k A s h e r bezog

als einer der wenigen Top-Manager der Plattenindustrie aus moralischen Gründen Stellung gegen fragwürdige Praktiken in der Branche - und wurde dafür bei CBS Records abgeschossen

David H Wells/ Tne

Clive D a v i s (links) führte ( RS Records in den RockMainstream. Nachdem er von CBS entlassen worden war, bekannte er sich 1 9 7 6 der Steuerhinterziehung schuldig. Er tauchte als Kopf von Arista Records wieder auf und hatte sofort I rfolg mit dem Sänger Barry Manilow (rechts), später auch mit Whitney I louston.

Counesy o1 Aiiata

Obwohl er auf den ersten Blick zurückhaltend wirkte, schreckte Mo Ost in, der (ihairman von Warner Brothers, ebensowenig vor kriegerischen Auseinandersetzungen zurück wie sein erbitterter Gegner Walter Yetnikoff von CBS Records. Als Yetnikoff James Taylor von Warner weglockte, schlug Ostin zurück, Indem er CBS Paul Simon abspenstig machte.

Nachdem David Geffen

Künstler wie Laura Nyro und Crosby. Stills, Nash and Young gemanagt hatte, gründete er Asylum Records und später das Label, das seinen Namen trug. Das brachte ihm einen immensen Machtzuwachs ein, aber er machte sich dabei auch enorm unbeliebt. Ein Anwalt aus der Musikbranche bekam einmal einen Haufen Glückwunschtelegramme, weil er Geffen im Zorn an die Gurgel gegangen war.

G o d d a r d L i e b e r s o n , der

weltgewandte und geistreiche Präsident von CBS Records in der Zeil vor der Rockmusik, machte einen Haulen Kohle mit dem My Fair Lady-Album in der Originalbesetzung. Hr wurde von seinen Mitarbeitern verehrt und unterschrieb seine Briefe mit »God«.

Irving Azoff, Präsident von MCA Records (hier mit seiner Frau Shelli). Wie David Geffen war Azoff ein ehemaliger Künstlermanager, der Boß eines Labels wurde und seine Macht dadurch vergrößerte. Man fürchtete und verabscheute ihn. Er war in der Branche als »der Giftzwerg« bekannt. Azoff schickte einem ehemaligen Freund einmal eine lebende Boa Constrictor als Geburtstagsgeschenk.

Allen Grubman.der

Top-Anwalt der Branche, vertrat Bruce Springsteen, Madonna, Sting, George Michael und andere Stars. Dennoch hütete er sich davor, CBS-Präsident Waller YetnikofT zu verargern. »Einmal habe ich Allen angebrüllt«, sagte Yetnikoff, und »er mußte drei Valium nehmen!«

Frank Dileo, ein ehemaliger Buchmacher und CBS-Promotion-Manager, der Michael Jacksons Manager wurde. Jackson glaubte, daß Dileo viel zum Erlolg seines Megabits Thriller beigetragen hatte.

Der knallharte und unsentimentale Larry T i s c h kam als Nachfolger

von Thomas Wyman, schob William Paley beiseite und verkaufte CBS Records für 2 Milliarden Dollar an Sony.

Neil Bogart, Chef von Casablanca Records, der Disco-König, der im Alter von neununddreißig Jahren starb. Sein Motto lautete: »Ich schaffe es. Koste es, was es wolle.« Er kreierte eine Mode und richtete dabei last einen großen multinationalen Konzern zugrunde.

Thomas Wyman

(links) wurde 1980 der fünfte Präsident von CBS Inc. unter Chairman und Gründer William Paley (rechts) und war letztendlich nur eins von Paleys »Wegwerffeuerzeugen«.

Im Februar 1 9 8 6 enthüllte NBC News in einem Speziaireport über das Network, eine Gruppe unabhängiger Promoter mit rätselhaftem Einfluß auf den Rundfunk, eins der dunkelsten Geheimnisse der Musikindustrie. Oben: Joe I s g r o vom Network am Lenkrad seines Rolls Royce, aufgenommen von einer versteckten Kamera der NBC." News. Mitte: Fred D i S i p i o (links), ein weiteres Mitglied des Network, bei einem brancheninternen Festbankett mit seinem Leibwächter Big Mike (rechts). Unten: DiSipio (links) mit seinem engen Freund T o m m y M o t t o l a , dem spateren Manager von CBS Records (rechts).

Monate, nachdem er Michaels Manager geworden war, telefonierte ich mit ihm. Er erzählte: > Weißt du, es ist einfach unglaublich, wie sehr sich die Welt, in der ich jetzt lebe, von der unterscheidet, die ich verlassen habe. Heute vormittag habe ich gerade einen Klamotten-Deal für Michael abgeschlossen. Es hat eine halbe Stunde gedauert, und jetzt bin ich Millionär.« Ich sagte: »Frank, dieses Gespräch nervt mich irgendwie.«« Im September 1 9 8 4 kaufte Dileo ein hübsches Sieben-ZimmerHaus auf einem 3 0 0 0 Quadratmeter großen Grundstück in Encino, ungefähr fünf Minuten von Jacksons Haus und nicht weit von dem von J o e Isgro entfernt. Er bekam es für 8 2 5 0 0 0 Dollar in bar und legte noch eine halbe Million zusätzlich für Verschönerungsarbeiten hin. Vor der Tür stand eine schwarze Rolls-Royce-Limousine, auf deren Nummernschild THANXMJJ stand - ein Geschenk von Michael J. Jackson. Ein Badehäuschen am Pool war vollständig mit Flipperautomalen und Michael-Memorabilien ausgestattet, darunter Fotos von Dileo und Jackson mit Ronald Reagan im Weißen Haus, eine Aufnahme von Frank, auf der er Papst Johannes Paul IL den Ring küßt, und ein Paar von Jacksons mit Pailletten bestickten weißen Socken. Dort erläuterte mir Dileo kürzlich an einem Sommernachmittag die Geheimnisse seines Erfolges, wobei er mit einem goldenen Kugelschreiber in der einen und seiner typischen nicht angezündeten Zigarre in der anderen Hand gestikulierte. Sein schütteres braunes Haar war hinten zu einem ziemlich unpassenden Rattenschwänzchen zusammengebunden. Dileo sagte, er habe als Hilfskraft für 120 Dollar pro Woche bei einen Rackjobber in seiner Heimalstadl Pittsburgh angefangen. f 9 6 8 zog er als lokaler Promotion-Mann von Epic nach Cleveland, dann wurde er ins Chicagoer Büro befördert. Noch vor dem Ende des Jahrzehnts »kam |RCA| und schnappte mich weg«. RCA holte ihn als Chef der Pop-Promotion-Abteilung nach New York. Da war er einundzwanzig. »Ich war so jung, daß American Express mir keine Kreditkarte geben wollte.« Von RCA ging er zu Bell Records, aber ein Jahr später, mit achtundzwanzig, trat Dileo »in den Ruhestand« und

kehlte nach Pittsburgh zurück. »Nach so vielen Jahren kommt man einfach an einen Punkt, wo einem alles scheißegal ist.« Dileo schwieg sich darüber aus. wie er seinen Ruhestand verbracht hatte. Tatsächlich war er Buchmacher für College-Basketballspiele gewesen, ein Vergehen, für das er zweimal - 1 9 7 7 und 1978 - verurteilt und mit einer Geldstrafe belegt wurde. Dileo hatte seine Wetten in weiser Voraussicht auf Reispapier geschrieben, das sich in Wasser auflöst, sich der Zettel jedoch nicht mehr rechtzeitig entledigt, bevor die Polizei ihn festnahm. Lr erklärte jedoch, warum sein Ruhestand 1 9 7 9 abrupt endete. »Es gab ein Tragödie. Ich war bei der Beerdigung der Großmutter meiner Frau in Ohio. In meinem Haus brach durch einen Kurzschluß ein Feuer aus, das alles vernichtete, was wir besaßen.« Wieder ließ Dileo ein aufschlußreiches Detail aus: Seine Versicherungsgesellschaft weigerte sich zu zahlen. »In dieser Situation mußte ich eine Entscheidung treffen«, fuhr er fort. »Ich hatte nur noch einen Cadillac, und den verkaufte ich für 2 0 0 0 Dollar. Ich kaufte mir zwei blaue Anzüge, drei weiße Hemden und ein Flugticket nach New York. Und dort traf ich in Gallaghers Restaurant einen Freund von mir, Gordon Anderson [Direktor der Marketing-Abteilung von Epic]. >Manndu kommst uns gerade recht, wir brauchen ein paar Leute von der Basis.Wenn meine Jungs gewinnen, trete ich sie in den Arsch. Wenn sie verlieren, nehme ich sie in den Arm und * Vincent Thomas Lombardi, 1913-1970, berühmter Football-Trainer, u.a. der Green Bay Packers(A.d.U.)

tätschele ihnen den Rücken.< So ähnlich ist das auch, wenn Sie einen Stab von dreißig oder vierzig Leuten leiten. Sie müssen ihnen den Glauben geben, d a ß sie Dinge zuwege bringen können, die sie sich nie zugetraut hätten. Und

wenn Sie's geschafft

haben, den

Laden ein b i ß c h e n in

Schwung zu bringen, müssen Sie sie weiter unter Druck setzen. Normalerweise sind die Leute nämlich negativ eingestellt. Oder satt und zufrieden. Ich hab diese W o c h e zwei Platten untergebracht, ich hab meine Arbeit getan. Nein, Mann, das bringt's überhaupt nicht. Wenn du als Baseballspieler eine Million Dollar pro J a h r kriegst, um Centerfielder zu spielen, und der Ball ist geschlagen, du springst hoch und knallst gegen die W a n d und fängst den Ball, dann hast du deine Arbeit getan. Ist nichts Besonderes, daß du gegen die Wand geknallt bist. Wozu zahlen sie dir denn eine Million Dollar, verdammt? Also, wenn du hochspringst und den Ball fängst, über die Wand fällst, dich dreimal überschlägst und den Ball trotzdem festhältst, dann geb ich dir die Hand. Jetzt hast du was geleistet. Das m u ß man diesen Burschen klarmachen. W e n n man vier Platten hat, die es wert sind, gespielt zu werden, dann m u ß man dafür sorgen, d a ß sie alle vier gespielt werden. Wenn man sich zufrieden zurücklehnt, ist man draußen.« Dileo war ein ausgesprochener Anhänger der unabhängigen Promotion. »Es entlastet einen ein bißchen. Man kann sich dann besser auf bestimmte Platten konzentrieren.« Was all die Vorwürfe gegen die Indie-Promoter b e t r a f - Payola, Provisionen, organisiertes Verbrechen -, so hatte Dileo dafür nur Verachtung übrig. »Nein, da läuft überhaupt nichts Unredliches. Na ja, vielleicht hat es ein oder zwei unredliche Sachen gegeben. Aber das ist doch wie im Restaurant, oder? Wenn man ein Steak bestellt, und es ist schlecht, hört man doch nicht auf, Fleisch zu essen. Es ist ein schlechtes Steak. Und organisiertes Verbrechen? Alles Quatsch. Seil Capones Tod gibl es kein organisiertes Verbrechen mehr.« Dileo kam unwillkürlich ins Grübeln, welche bemerkenswerte Wendung sein Leben g e n o m m e n hatte. »Wenn man zwanzig Jahre zurückgehen und fragen könnte, wie stehen die C h a n c e n , daß Frank

Dileo jemals den größten Pop-Star der Welt managen wird, dann stünden sie wahrscheinlich Millionen und Abermillionen zu eins. Für die Öffentlichkeit im allgemeinen. Aber ich wußte, daß ich was Bedeutendes tun, mit wichtigen Leuten Umgang haben oder in einer hohen Position im Unterhaltungsgeschäft sitzen würde, denn das habe ich mir mein ganzes Leben lang vorgestellt. Ich wollte nie Manager werden. Ich wollte Präsident von CBS werden. Aber ich wußte, irgendwann und irgendwie würde jemand meine Talente erkennen.«

F

alls Walter Yetnikoff froh war, daß ein solch enger Verbündeter Manager seines größten Stars wurde, so m u ß er doppelt froh über

den Anwalt des Stars gewesen sein, John Branca. Daß Jackson Brancas Klient wurde, war zwar Glück für Walter, aber ebenso wie bei Dileos Ernennung kein reiner Zufall. Bis 1 9 8 0 war Jackson von David Braun vertreten worden, den Walter als seinen Feind betrachtete. Braun halte den Nerv gehabt, United Artists in einem Prozeß gegen CBS und Yetnikoff zu vertreten. Im Oktober 1 9 8 0 gab er seine Praxis dann auf, um seine kurze, katastrophale Amtszeit als Präsident von PolyGram anzutreten. Jackson landete bei J o h n Branca, einem ehemaligen Steueranwalt, der damals einer von Brauns jungen Mitarbeitern war. Zu diesem Zeitpunkt war Branca neunundzwanzig. Als Brauns Amtszeit bei PolyGram ein Jahr später endete, versuchte er erfolglos, Jackson zurückzugewinnen. Dick Asher zufolge half Walter J o h n Branca, ihn zu behalten. Yetnikoff fand in Branca einen Anwalt, der eher seinem Geschmack entsprach, einen Mann, der Allen Grubman nicht unähnlich war. Ein Musikjurist, der in The

American Lawyer zitiert wurde, faßte Brancas Credo folgendermaßen zusammen: »Kontroversen sind schlecht. Damit verliert man Klienten.« Obwohl Branca aus dem Nichts gekommen war, gehörte er nach Thriller zu den Topleuten in der Musikbranche. Der Anwalt Eric Kronfeld sagte: »John ist ein Makler der Macht, weil er die meisten Entscheidungen für Michael trifft. Die Leute werden zu ihm kommen, weil sie ein Stück von Michael haben wollen.«

Ein Mann, der zu Branca kam, um ein solches Stück von Michael zu erhalten (und es auch bekam), war der Chef von MCA Records, Irving Azoff. Branca machte Azoff zum »Berater« bei der Victory-Tour. Obwohl Azoff immer noch Front Line besaß, seine alle Managementfirma, war es mit seiner »Beratung« nicht weit her. Aber wie es ein Profi auf der Tour ausdrückte: »Michael Jackson ist der größte Star der Welt, und Irving kennt die schlichte Regel der Macht-Junkies: Wenn es etwas gibt, was Macht hat, dann kauf es. Dann wirst du der Obermagnet, von dem alles angezogen wird.« Offenbar zum Zeichen seiner Dankbarkeit vermittelte Azoff Branca einige seiner wichtigen Front-Line-Klienien: Stevie Nicks, Dan Fogelberg, Tommy Shaw und David Lee Roth. Als Azoff dem MTV-Mitbegründer Robert Pittman eine Vereinbarung über ein Joint-Venture auf dem Schallplatten- und Videosektor anbot, erledigte Branca die juristische Arbeit und gewann Pittmans Unternehmen als Klienten. »Man hat mir zurecht vorgeworfen, daß ich versuche, John Arbeit zu beschaffen«, sagte Azoff. Aber er habe es nur getan, fügte er hinzu, weil »John sehr fähig und kompetent ist - einer der Besten«. Branca gelang es allerdings nicht, eine Beziehung zu David Geffen herzustellen, dem dritten Mitglied der Troika. Aber zusammen mit Azoff und Waller baute Branca binnen kurzem eine Praxis auf, die gleich nach der von Grubman kam. »Die einzigen Anwälte, mit denen Walter sich gegenwärtig abgibt, sind Allen und ich«, sagte Branca 1987. »In den letzten vier oder fünf Jahren haben wir beide sämtliche zu vergebenden Aufträge bekommen. Die Konkurrenz«, fügte er mit einem Grinsen hinzu, »ist wirklich geschrumpft.«

13 Der Rausschmiß

N

och bevor Frank Dileo zur Belohnung lür den ThrillerErfolg Jacksons Manager wurde, hatte sich das Album für

Walter Yetnikoff bereits gründlich bezahlt gemacht. Im ersten Quartal

1 9 8 3 war die lang ersehnte finanzielle

Wende bei CBS Records endlich eingetreten. Bei einer Diskussionsveranstaltung für Wall-Street-Analysten, die CBS bewerteten, kündigte Walter einen Monat vor der Quartalsabrechnung im April den Aufschwung an. Walter schrieb ihn Thriller zu, aber auch dem Menat-Work-Album, das die Firma nur auf Druck von Dick Asher hin herausgebracht hatte. Asher wurde jedoch nicht erwähnt. Yetnikoff nannte noch eine weitere Band, die er für höchst vielversprechend hielt: Culture Club, deren Leadsänger, Boy George, vor allem wegen seiner schillernd »weiblichen« Ausstrahlung Aufsehen erregte. Walter sagte, die Band repräsentiere ein neues Genre: »Transvestiten-Rock«. Als das Gelächter sich gelegt hatte, fügte er hinzu: »Wir sollten es nicht verurteilen, wenn es sich gut verkauft.« CBS-Boß Tom Wyman stand strahlend daneben, als Walter zu den Analysten sprach. Am linde des Monats lächelte er jedoch nicht mehr. Da ließ Walter nämlich die Bombe platzen: Fr sagte, er erwäge ein

Angebot, nach Los Angeles zu gehen und neuer Präsident von MCA Records zu werden. Es war schwer zu glauben, daß Walter das ernst meinte. Fr war schon mehr als zwanzig Jahre bei CBS. Aber MCA bot ihm ein erheblich besseres Gehalt. Yetnikoffs Vertrag mit CBS, der Ende 1984 auslief, sah ein jährliches Grundgehalt von 2 7 5 0 0 0 Dollar vor. Allerdings verdiente er jedes Jahr weitaus mehr. 1 9 8 2 erhielt er beispielsweise trotz der Entlassungen und der schlechten Ertragslage

eine Sondervergütung von 2 8 4 0 5 2 Dollar, dazu weitere 1 9 8 0 4 Dollar für seine Mitarbeit im Board of Directors von CBS, so daß seine Einkünfte 1 9 8 2 insgesamt 5 7 8 4 7 1 Dollar betrugen. Das Angebot von MCA war jedoch höher. Die Nachricht, daß Walter einen Wechsel in Betracht zog, wurde in der New York Times vom 26. März 198.3 enthüllt, an einem Samstag. Doch am folgenden Montag, dem 28. März, hatte er sich bereits entschlossen, bei CBS zu bleiben. In einer am diesem Tag herausgegebenen Verlautbarung erklärte Walter; »CBS Records hat gegenwärtig weltweit enormen Erfolg, und die Aussichten für die Jahresbilanz sind hervorragend. Ich bin sehr froh darüber, daß ich mich entschieden habe zu bleiben, wo ich bin. Ich wäre verrückt, wenn ich jetzt gehen würde.« Der J o b , den Walter abgelehnt hatte, ging bald darauf an Irving Azoff. Gleichzeitig erhöhte das CBS-Board Walters Gehalt - ein Anreiz, damit er blieb. Wenn man in Betracht zog, was in weniger als einem Monat bei CBS Records geschehen sollte, halte Tom Wyman Walter vielleicht noch ein weiteres Zugeständnis gemacht.

Z

um ersten Mal seil seinem Amtsantritt als Vizepräsident hatte Dick Asher ein gutes Gefühl, was den Zustand des Unterneh-

mens betraf. Er drückte es gern mit einer beliebten Football-Analogie aus: Es machte viel mehr Spaß, offensiv zu spielen als defensiv. Er

wußte, wenn die Gewinne des ersten Quartals Milte April auftabelliert und veröffentlicht wurden, würden sie viel höher ausfallen als die Gewinne des ersten Quartals 1 9 8 2 . Und was genauso wichtig war, die Gewinnspanne - also der Prozentanteil der Gewinne an den Umsätzen - würde sich dank seiner Kostenreduzierung erheblich verbessern. Wie sich herausstellte, behielt er in beiden Punkten recht. Die Umsätze des ersten Quartals betrugen 2 9 6 , 6 Millionen Dollar und waren damit nur 5 0 0 0 0 0 Dollar höher als im Vergleichszeitraum 1982. Aber die Gewinne waren auf 3 9 , 4 Millionen Dollar gegenüber 19,6 Millionen Dollar im Vorjahr gestiegen. Niehl nur, daß sie sich verdoppelt

hatten; es waren die besten Zahlen eines ersten Quartals in der gesamten Geschichte des Unternehmens. Die Gewinnspanne war von weniger als sieben Cents pro Dollar auf erstaunliche dreizehn Cents gestiegen. Asher war in Hochstimmung. So ziemlich das einzige, was seine gute Iotune dämpfte, waren die nicht nachlassenden Spannungen zwischen ihm und Walter. Sie schienen schlimmer geworden zu sein. Dennoch glaubte Dick immer noch, daß der Riß in ihrer Freundschaft wieder gekittet werden konnte. »Walter und ich waren lange befreundet gewesen«, sagte Dick. »In meinen Augen waren wir immer noch Freunde. Na ja, er hat ab und zu mal seine kleinen Nummern abgezogen. Und mir wurde klar, daß sein Ego angekratzt war. Die Firma war wieder auf dem Weg nach oben, sie veröffentlichte ihre beste Erstquartalsbilanz aller Zeiten, und die Leute begannen zu sagen, das sei mein Werk. Ich wußte, daß ihn das ärgerte. Er war ihm sehr recht, wenn ich mit all den unpopulären Sachen identifiziert wurde, aber obwohl sie unpopulär waren, gab es letzten Endes tatsächlich einen Umschwung, und den begann man mir zuzuschreiben. Und weil ich merkte, daß dies sein Ego ein bißchen verletzte, habe ich versucht, damit bewußt umzugehen. Wir konnten einander sozusagen ein bißchen frotzeln. Aber wir waren Freunde. Wir haben einander nie wirklich verletzt.« Anfang April flog Dick mit AI Teller, dem Präsidenten von Columbia, und Allen Davis, dem Leiter von CBS Records International, nach Australien. Die Reise brachte Dick wieder mit einem seiner besten Freunde in der Firma zusammen, Bob Jamieson, der früher zu Ashers Posse gehört hatte und im vergangenen Herbst zum Hauptgeschäftsführer von CBS Records Australia befördert worden war. Jamieson freute sich, Dick zu sehen, aber ein Gerücht beunruhigte ihn. »Kurz vor Dicks Ankunft bekam ich einen Anruf von meinem Vater«, sagte Jamieson. »Er ist Golf-Profi und spielt in einem Club. Und da gab es ein anderes Club-Mitglied, das bei RCA Records war. Mein Vater sagte zu mir: >Meine Güte, die Gerüchte über deinen Boß, Dick Asher, sind unglaublich. Er soll entlassen werden, wie ich höre.
Dad, diese Gerüchte sind schon ewig im Umlauf.< Und er: >Na ja, aber jetzt scheint es ernst zu sein.< Ich entgegnete: >Ich kann es nicht glauben. Er sitzt gerade im Flugzeug und ist auf dem Weg hierher. Wenn man ihn gefeuert hat, dann hat es ihm keiner gesagt.* Am nächsten Tag habe ich Dick abgeholt, und wir haben die verschiedenen Abteilungen besucht. Ich sagte zu ihm: >Dick, die Gerüchte sind unglaublich.* Er sagte: >Ach was, Walter und ich haben immer Meinungsverschiedenheiten. Aber ich glaube, das renkt sich wieder ein.*« Am Montag, dem 18. April 1 9 8 3 , ein paar Tage nach der Veröffentlichung der Quartalsergebnisse, war Dick in Walters Eckbüro im zehnten Stock des Black Rock. Sie erörterten gerade eine geschäftliche Angelegenheit, als Walter auf einmal erklärte, er habe schlechte Nachrichten. Tom Wyman, sagte er, habe »Probleme« mit Asher und wolle seine Option auf eine Vertragsverlängerung nicht wahrnehmen, wenn der Vertrag im Oktober ablaufe. Dick war wie vom Donner gerührt. Er hatte kaum mit Wyman zu tun, und außerdem hatte es bei der Plattenfirma einen Umschwung zum Besseren gegeben. Warum sollte Wyman auf einmal Probleme mit ihm haben? Was für Probleme? Walter fühlte sich zunehmend unwohl. »Ich wiederholte immer, warum, warum, und fragte ihn aus«, erinnerte sich Dick. »Und er erwiderte: >Es fällt mir sehr schwer, das mit dir zu besprechen.* Und ich sagte: »Walter, tut mir leid, wenn dir das unangenehm ist, aber hier geht's praktisch um mein Leben. Ich bin seit siebzehn Jahren hier. Was ist los?*« Ohne etwas darauf zu erwidern, stand Yetnikoff auf und verließ den Raum. Dick saß fassungslos da. Er nahm an, Walter wäre auf die Toilette gegangen und würde in ein paar Minuten zurückkommen. Aber als eine halbe Stunde verstrichen war, erkannte er, daß Walter unfähig, das Gespräch fortzusetzen - nach Hause gegangen war. Walter halte noch nie in seinem Leben jemanden entlassen. Jetzt versuchte er, Asher zu feuern, aber er stellte sich dabei so ungeschickt an, daß Asher gar nicht begriff, daß er gefeuert wurde. Dick wußte nicht, was er denken sollte. »Er hat mir nur erklärt, daß Wyman seine Option im Oktober nicht wahrnehmen wollte. Was

sollte das heißen? 1 ließ das, daß ich bei CBS bleiben würde, aber künftig ohne Vertrag? Hieß es, daß ich CBS verlassen mußte? Ich wußte es nicht. Es hieß jedenfalls nicht, daß morgen etwas passieren würde.« Am nächsten Tag, Dienstag, dem 19. April, kam Asher wie üblich zur Arbeit. Den ganzen Vormittag über suchte er vergeblich nach Walter. Mittags war ein Lunch für die Leiter sämtlicher Unternehmensbereiche in William Paleys Speiseraum angesetzt. Bei Ashers Ernennung zum Vizepräsidenten hatte man ihm vertraglich zugesichert, daß er sämtliche Vorrechte eines Präsidenten genießen würde, so daß sowohl er als auch Walter als Vertreter des Tonträgerbereichs zu dem Essen eingeladen worden waren. »Ich gehe zu diesem Lunch, und Walter kommt in allerletzter Sekunde herein, bevor alle Platz nehmen, so daß ich keine Chance habe, mit ihm zu sprechen. Ich wollte das Gespräch fortsetzen, aber er war an diesem Vormittag nicht dagewesen. Deshalb sagte ich während des Essens leise zu Wyman: >Ich würde nach dem Lunch gern ein paar Minuten mit Ihnen sprechen - unter vier Augen.< Er sagte: >Gut, kommen Sie in mein Büro.< Ich ging also nach dem Essen in Wymans Büro und sagte: »Walter sagt, ich hätte schreckliche Probleme mit Ihnen, Sie wollten meinen Vertrag nicht verlängern, und ich verstehe nicht, weshalb.« Wyman antwortete: >Sie haben keine Probleme mit mir. Sie haben Probleme mit Walter.« Ich sagte: >Also, ich arbeite seit zwölf Jahren für den Mann, und es gab nie ein Problem, das ich nicht mit ihm ausdiskutieren konnte. Sie meinen, wenn ich mich mit Walter hinsetzen und die Sache klären kann, bleibe ich nach dem Oktober bei CBS?« »Sicher«, erwiderte er. »Na prima«, sagte ich, >das ist ja toll. Aber hören Sie, gestern abend hat er sich gedrückt; er ist einfach gegangen, wissen Sie. Und heute war er den ganzen Vormittag über nicht da. Kann sein, daß es nicht ganz so einfach für mich wird, mit Walter darüber zu reden. Vielleicht brauche ich ein bißchen Hilfe von Ihnen, um Walter dazu zu bringen, sich mit mir zusammenzusetzen.« Er sagte: »Natürlich. Schauen Sie, wir müssen in rund einer Stunde zur Aktionärsversammlung, und ich habe eine Menge zu tun. Aber ich

werde Ihnen natürlich helfen.* Und er hat mir den Arm um die Schultern gelegt - hat mich buchstäblich in den Arm genommen - und mich aus dem Büro geführt, wobei er mir auf den Rücken geklopft hat. »Alles in bester Ordnung.* Also bin ich sofort nach unten gelaufen, um Waller zu suchen. Walter war nicht in seinem Büro. Später fand ich raus, daß er sich im Büro von Allen Davis versteckt hat, meinem Nachfolger bei International. Aber ich konnte ihn einfach nicht finden. Ich habe eine Stunde lang wie verrückt nach ihm gesucht. Eine Stunde später saß Walter schon im Firmenjet und war auf dem Weg zur Aktionärsversammlung. Am nächsten Vormittag - Mittwoch - haue ich meine übliche Mitarbeiterversammlung. Und meine Mitarbeiterversammlungen fanden immer früh statt. Zu diesen Meetings mußten alle um neun auf der Matte stehen. Ich gehe ins Büro, und da liegt eine Hausmitteilung von Walter: Mister Wyman und ich haben beschlossen, die heutige Mitarbeiterversammlung abzusagen. Die ist an alle meine Mitarbeiter gegangen. Dann bekam ich einen Anruf von einem der Anwälte |von CBS Inc.), und er sagte, ich sollte mich mit Wymans Sekretärin in Verbindung setzen, um für Freitag einen Termin mit Walter und Wyman abzumachen. Ich wußte wirklich nicht genau, was am Freitag vormittag ablaufen sollte. Das Meeting fand in Walters Konferenzraum statt, also dachte ich, wir würden uns vielleicht einfach zu dritt zusammensetzen. Ich kam frühmorgens rein, und da waren Wyman und Waller und ein Haufen Anwälte. Und Wyman und Walter hatten eine Presseerklärung - ein Satz: Dick Asher ist bei CBS ausgeschieden - und einige Papiere dabei, die ich unterzeichnen sollte. »Moment mal*, sagte ich. »Was ist los? Was habe ich denn getan?* Sie sagten: »Wir bestätigen Ihnen, daß Sie ohne triftigen Grund entlassen werden.* Ich sagte: »Und was soll dann diese Presseerklärung, dieser eine Salz, der für jeden so klingt, als halle man mich mit den Fingern in der Keksdose erwischt?* Sie sagten: »Wir werden nicht mit Ihnen verhandeln.* Ich fragte immer wieder, warum, warum? Sie sagten: »Darauf antworten wir nicht. Wir bestätigen Ihnen, daß Sie ohne triftigen Grund entlassen werden.* >OkaySie können Ihren Anwalt herholen*, sagten sie. »Unsere Anwälte werden ihm die Vereinbarung gern erläutern. Aber sie werden kein Wort ändern.* Genau das waren ihre Worte. Also erwiderte ich: >Tja, dann muß ich mit meinem Anwalt sprechen.* Damit war das Meeting zu Ende. Also kam mein Anwalt aus New Jersey. Ich sage »mein Anwalt*, aber er war ein Freund und Nachbar von mir. Er hieß Herman Ziegler. Er ist kein Showbiz-Anwalt. Ich war einfach ein Freund, der anruft und sagt: »Ich hab ein Problem, bitte komm her.* Eine Stunde später war er da. Die CBS-Juristen sagten nur: »Wir verhandeln nicht*, und dabei blieben sie auch. Ich versuchte, Walter anzurufen, ich versuchte, Wyman anzurufen, aber sie wollten nicht mit mir sprechen.« Dick verließ den Black Rock zusammen mit seinem Anwalt. Er wollte klagen, aber Ziegler war entschlossen, ihm das auszureden. »Er sagte: »Hör zu, du wirst dich total in die Sache verbeißen, das wird dich fertigmachen*«, erinnerte sich Asher. »»Die kostet das nichts. Sie übertragen die Sache einfach ihren Bataillonen von Anwälten und geben das Geld der Firma aus. Selbst wenn du gewinnst, holst du deine Kosten vielleicht nicht wieder herein, und es wird dein Leben zwei Jahre lang völlig beherrschen. Du mußt dein eigenes Leben weiterführen.*« Widerstrebend gestand Dick sich ein, daß dies ein guter Rat war. Er würde nicht klagen. Aber sein eigenes Leben weiterzuführen und diese Kündigung nicht zu einer fixen Idee werden zu lassen, war etwas anderes. »Ich konnte es wirklich nicht einfach so wegstecken, weil ich zu viele Jahre dort verbracht, zuviel von meinem Leben in den Laden investiert und zuviel erreicht hatte. Ich hätte nie gedacht, daß so etwas passieren würde. Ich war nie illoyal. Das hat mir niemand jemals vorgeworfen. Wenn Walter wollte, daß ich irgendwas machte, habe ich nie ein doppeltes Spiel getrieben. Und - das ist mein mischegas - ich war derjenige, dem es schlaflose Nächte bereitete, als wir Leute entlassen mußten. Viele dachten, das

gehöre nun mal dazu; ich konnte es nicht so sehen. Es hat mich einfach verrückt gemacht. Es hat mich wirklich geschmerzt.« Viele in der Branche konnten nicht recht glauben, daß Asher es nicht hatte kommen sehen. Aber Dick war auf eine fundamentale Weise naiv. Vielleicht lag es an seiner militärischen Ausbildung, daß er glaubte, die Institution würde ihn immer beschützen, wenn er loyal war. Drei Jahre zuvor war Harvey Schein an Asher herangetreten, bevor er David Braun die Präsidentschaft von PolyGram angeboten hatte. »Dick wollte es nur in Betracht ziehen«, erinnerte sich Schein, »wenn wir bereit gewesen wären, ihn auf Lebenszeit einzustellen. Ich sagte: >Sind Sie sicher, daß Sie für den Rest Ihres Lebens bei CBS bleiben werden?*« Augenscheinlich war er das. »Für einen Manager der Unterhaltungsbranche war Dick sehr naiv«, sagte David Braun. »Er dachte, die Hauptsache sei, gute Arbeit für die Firma zu leisten, dann würde die Firma sich um einen kümmern. Dick nahm an, wenn er hart arbeitete und um nichts bat, würden sie ihn belohnen. Statt dessen haben sie ihm den Stuhl vor die Tür gesetzt.« Die Nachricht von Ashers Rauswurf wurde bei CBS freudig begrüßt. Epic-Mitarbeiter stießen mit Sekt darauf an. Zu denen, die ihre Gläser hoben, gehörte auch der Leiter der Promotion-Abteilung, Frank Dileo, der in weniger als einem Jahr einen noch besseren Anlaß haben würde, einen Toast auszubringen. »Als er gefeuert wurde, hat das allen eine schreckliche Last von den Schultern genommen«, sagte Dileo mit leisem Kichern. »Und ich glaube, daß an dem Abend ein paar Korken geknallt haben, keine Frage.« Billboard berichtete in der Ausgabe vom 30. April über Ashers Entl a s s u n g - drei kurze Absätze unter einer einspaltigen Überschrift. Die Branche zeigte einem ihrer gestrauchelten Soldaten die kalte Schulter. Und das war erst der Anfang.

K

urz nachdem Walter Dick Asher gefeuert hatte, trat er in inten-

sive Verhandlungen mit den Rolling Stones ein, um sie von At-

lantic wegzuholen. Zu diesem Zeitpunkt war die Band nicht nur alt.

sondern geradezu steinalt. Das jüngste ursprüngliche Mitglied der Band, Keith Richards, war vierzig. Die Band war seit zwei Jahren nicht mehr auf Tournee gewesen.* Der Komödiant Steven Wright aus Boston machte Witze über das Alter der Gruppe: »Die Stones, ich liebe die Stones, unglaublich, daß sie nach all den Jahren immer noch dabei sind. Ich schau sie mir immer an, wenn ich kann. Fred und Barney . . . « * * Ganz gleich, ob es das Tfiri/ler-Phänomen oder die Euphorie über Dick Ashers Weggang war - Walter mußte jedenfalls der Hafer gestochen haben, als er den Stones sein Angebot unterbreitete. Es belief sich inklusive der Rechte an einem Teil des Stones-Katalogs und an Mick Jaggers Solo-Karriere auf 28 Millionen Dollar. Die Band nahm es an. Ahmet Ertegun von Atlantic, der die Band ein Jahrzehnt zuvor Clive weggeschnappt hatte, staunte über Walters Angebot, das doppelt so hoch war wie sein eigenes. Falls je eine Hoffnung bestanden haben sollte, daß wenigstens die Kosten wieder hereinkommen würden, so starb sie mit Jaggers zweitem Solo-Album, Primitive Cool, einer der peinlichsten Regalleichen von 1987. Neben dem Network war der Einkauf der Rolling Stones Yetnikoffs größtes Verlustgeschält. Angesichts der Kosten war sogar das Prestige, sie an Bord zu haben, von zweifelhaftem Wert. Falls es Walter jedoch darum gegangen war, mit Mick Jagger herumhängen zu können, so bekam er, wofür er bezahlt hatte. Die beiden Männer schienen gut zueinander zu passen. Walter schilderte der Zeitschrift Esquire einen denkwürdigen Augenblick bei den Verhandlungen: »Wir sind also im Hotel Ritz in Paris. Wir waren von London rübergeflogen. Mick sitzt auf einer Seite des Tisches, Keith ist da, auch Prince Rupert |1.owenstein | - keine Ahnung, was für ein Prinz er ist -, der Finanzberater der Stones, und wir kommen darauf zu sprechen, ob und inwieweit die Stones das Recht haben, die Singles von ihren LPs selbst auszuwählen. Wir sind unterschiedlicher Meinung, was die Anzahl betrifft. Auf einmal explodiert Mick Jagger: * U n d sie würde a u c h erst 1 9 8 9 w i e d e r eine Tournee m a c h e n . **

Die Zeichenirickserie »Familie Feuerstein« heilsi

(A.d.Ü.)

im Original

» T h e Flintstones«

»Ihr Fetten, beschissenen Plattenheinis!< schreit er. >Was wißt ihr denn schon?< Er springt auf. Ich springe auf. >Du kannst mich mal!< schreie ich zurück. Ich bin ziemlich sicher, daß ich mit ihm fertig werde, aber ich will mich eigentlich nicht auf eine richtige Schlägerei einlassen. Er gibt klein bei. Ich glaube, er muß einen austesten - das gehört zu seiner Persönlichkeit -, aber mich brüllt keiner n i e d e r . . . «

D

er 11. August 1 9 8 3 war Walter Yetnikoffs fünfzigster Geburtstag. Seit zwei Monaten plante Lynda Emon eine Überraschungsparty

für den 10. August, die in der Präsidentensuite des New York Hilton stattfinden sollte. Sie trieb 2 0 0 0 0 Dollar Spenden von den Gästen für Speisen und Getränke auf. Am festgesetzten Tag flogen Überraschungsgäste aus dem ganzen Land ein. Walters Freunde waren da: Allen Grubman, Tommy Motlola, Fred DiSipio, Nat Weiss, Morris Levy. Der Publizist Norman Winter und der ßüllward-MitarbeiterTom Noonan druckten zur Erinnerung an das Ereignis eine gefälschte Titelseite der Zeitschrift. Die über den Kopfteil laufende Balkenüberschrift lautete: IN

SONDERAUSGABE!

SCHICKSENFARM

GIBT

IHR

DEBÜT

PHILADELPHIA.

Das einzige Problem war, Walter ins Hotel zu kriegen, ohne daß er etwas merkte. Dazu heuerte Lynda Mick Jagger an, der immer noch mit CBS verhandelte. Mick rief Walter an und erklärte ihm, sie müßten zusammen ins Hilton fahren, um sich mit Keith Richards zu treffen. »Und als Mick und Walter zum Hilton fahren«, erinnerte sich Lynda, »sagt Mick: »Dieser verdammte Keith, schau dir bloß mal an, was für Kohle der für Übernachtungen in diesen großen Hotels rausschmeißt.Warum tritt niemand für mich ein?< Daß er nun so eine Kehrtwende machte und jemand anderem das gleiche antat, das fand ich erschreckend.« Dobbis reagierte genauso. »Als Clive von CBS gefeuert worden war«, sagte er, »fand ich, daß bösartige, gemeine und unfaire Gerüchte über ihn verbreitet wurden. Ich hielt sie für Unsinn, ich lehnte das ab und hatte Mitgefühl mit ihm. Und ich dachte eben, wer selbst unter so einem abscheulichen Benehmen gelitten hatte, würde sehr darauf achten, nicht das gleiche zu tun. Aber das war nicht der Fall.«) Sowohl Clive als auch Faul Marshall bestritten sämtliche Behauptungen, die Dobbis in seiner Klage erhob. Clive betonte vor kurzem nachdrücklich, er habe nie zu verhindern versucht, daß Dobbis Arbeit bekam. »Man stößt niemanden unnötig herum. Man muß doch Mitleid mit denen haben, denen es eh schon schlecht geht. Ich habe es jedenfalls. Deshalb spenden wir zu Aristas fünfzehntem Geburtstag sämtliche Einnahmen für den Kampf gegen AIDS.« Um sich gegen die Klage zu verteidigen, engagierte Clive die mächtige Anwaltskanzlei Weil, Gotshal & Manges. Dobbis glaubte, Clives Strategie sei es, ihn zu zermürben: Er hatte keinen J o b , wie konnte er sich da einen guten Anwalt leisten? Aber Dobbis hatte Glück: Sein Schwager Jeffrey Bernbach, ein Spitzenanwalt mit dem Spezialgebiet Arbeitsrecht, leistete ihm kostenlosen Rechtsbeistand. Der Rechtsstreit wurde im September 1 9 8 5 außergerichtlich beigelegt, als Dobbis einen J o b bei RCA Records antrat, das Bertelsmann mittlerweile 50 Prozent von Arista abgekauft hatte. Marshall sagte, der Streit sei »gütlich« beigelegt worden, und er habe nichts bezahlt. Clive bestritt ebenfalls, irgendwelche Zahlungen an Dobbis geleistet zu haben. Er sagte, RCA habe Dobbis Geld gegeben, um den Prozeß zu beenden, aber er wisse nicht, wieviel.

Dobbis wollte nicht über den Vergleich sprechen. Er sagte, die ganze Sache sei eine schlimme Erfahrung gewesen, abgesehen von einem Moment befreiender Komik am Anfang, als alle Parteien in Weils und Gotshals riesigen Konferenzraum im General Motors Building an der Fifth Avenue geladen worden waren. »Wir saßen alle an so einem gigantischen runden Tisch, auf dem zehn Paare hätten tanzen können«, sagte Dobbis. »Jemand stellte Clive eine Frage. Er begann zu reden und sprach ungefähr eine Dreiviertelstunde, in deren Verlauf er viele Dinge sagte, unter anderem, wie wundervoll und wie talentiert ich sei, wieviel ihm unsere Beziehung bedeutet habe und wie gut er zu mir gewesen sei. Es klang, als hätten wir heiraten sollen. Clive steigerte sich richtig in die Sache rein. Schließlich sagte er nur: >Das ist zuviel.* Dann stand er auf und verließ den Raum. Es war ein toller Auftritt.« Dobbis' Schwager fand das auch. »Jeffrey drehte sich zu mir um und sagte: >lch kann's gar nicht erwarten, den Kerl in den Zeugenstand zu kriegen. Der hat sie ja nicht mehr alle.*«

A

nfang 198.3 war Clives Status als Boß von Arista auf dem Tief-

stand. Seil Arisia 1 9 7 9 von Bertelsmann aufgekauft worden war,

hatte das Label nicht mehr viel Gewinn gemacht. Barry Manilow kam

nicht mehr in die Charts, und Arista hatte niemanden hervorgebracht, der ihn auch nur halbwegs ersetzen konnte. Im März 1983 erwarb RCA Records 50 Prozent des Labels von Bertelsmann und wurde Aristas Vertrieb. Einen Monat zuvor war Clive auf den Rat des Arista-A&rR-Managers Gerry Griffith hin ins Sweetwaters gegangen, einen New Yorker Luxusnachtclub, um die neunzehnjährige Sängerin Whitney Houston zu hören. Das Model war eine Cousine ersten Grades von Dionne Warwick und die Tochter von Cissy Houston, einer Gospelsängerin, die bei Aretha Franklin im Background gesungen hatte. Sowohl Warwick als auch Franklin hatten kürzlich bei Arista unterschrieben und ihre erlahmenden Karrieren, wie Clive es formulierte, unter seiner Aufsicht »verjüngt«. An dem Abend, als Clive Whitney sah,

waren sie und Cissy als Duo angekündigt. Whitney baute sich gerade eine eigene Anhängerschaft auf, hatte aber noch keinen Plattenvertrag. Whitneys Anwalt, Paul Marshall, erwog ein Angebot von Bruce Lundvall, dem ehemaligen Boß von Columbia, der Präsident von Elektra geworden war. Unglücklicherweise war Lundvall in einen aussichtslosen Machtkampf mit dem Chairman von Elektra, Bob Krasnow, verwickelt. »Wenn Bruce der unangefochtene Chef im Haus gewesen wäre«, sagte Marshall, »wäre Whitney zu Elektra gegangen.« Bei CBS Records spielte man ebenfalls mit dem Gedanken, Houston unter Vertrag zu nehmen, aber mit weniger Enthusiasmus. »Dann rief Clive an«, sagte Marshall. »Vc>n dem Augenblick an, als er ins Sweetwaters gegangen war und sie gehört hatte, bemühte er sich unermüdlich um sie. Trotzdem machte er interessanterweise kein richtig hohes Angebot. Elektra erhöhte noch einmal, aber ich riet ihr schließlich, für weniger Geld bei Clive zu unterschreiben.« Zum Ausgleich für das niedrigere Angebot, so Marshall, habe er jedoch eine Schlüsselmann-Klausel in ihrem Vertrag verlangt, eine in der Branche nahezu unerhörte Bestimmung. Falls Clive Arista aus irgendeinem Grund verließ, würde Whitney wieder frei sein. Clive war offensichtlich begeistert von der Idee; das Board der RCA Corporation nicht. Trotzdem stimmte RCA der Klausel zu. Clive hatte ein Studio-Budget von 1 7 5 0 0 0 Dollar für das erste Album festgesetzt, das Whitney Houston heißen sollte. Doch als es Ende 1 9 8 4 der Fertigstellung entgegenging, waren die Kosten auf beinahe 3 0 0 0 0 0 Dollar gestiegen. »Es wurde teurer, weil sie sich entwickelte und ich die Aufnahmen überwachte«, sagte Clive. »Ich wußte, daß sie noch mehr geben konnte. Ihre Mikrophontechnik wurde immer besser. Ich glaubte, daß wir da etwas Besonderes hallen. Ich war zuversichtlich, daß wir Hits haben würden.« Von da an wird die Geschichte etwas unklar, weil Clive sie seitdem immer wieder umgearbeitet hat. Die offizielle Version lautet, daß Clive von dem Moment an, als er Houston im Sweetwaters hörte, eine Chance sah, praktisch aus dem Nichts eine ausgewachsene PopDiva zu erschaffen. Es steht außer Frage, daß Clive die meisten

wichtigen künstlerischen Entscheidungen für Houston t r a f - daß sie, wie ein ehemaliger Arista-Mann es formulierte, »ein reines Kunstprodukt« war und »eine Widerspiegelung dessen, was Clive in der Musik sieht«. Aber es stimmt einfach nicht, daß er ihren ungeheuren Erfolg voraussah oder gar glaubte, sie würde eine Pop-Diva werden. »Als die Platte kam, dachte keiner, auch Clive nicht, daß sie so ein Knüller werden würde«, sagte Dennis Line, der damalige Leiter der PR-Abteilung von Arista. »Clive hoffte, daß sie sich hundert- oder hundertfünfzigtausendmal verkaufen würde, so daß er eine Basis hätte, auf der er aufbauen konnte. Und er glaubte nicht, daß irgendwelche Pop-Hits auf dem Album waren.« Tatsächlich wurde die erste Single, die Clive am Valentinstag 1 9 8 5 aus dem Album auskoppelte, »You Give Good Love«, nur bei den schwarzen Radiostationen promotet, nicht beim Top-40-Radio. Sie stieg in den Charts der schwarzen Sender langsam nach oben und schaffte dann den Sprung in die Pop-Charts. Clive wiederholte die Strategie sechs Monate später mit »Saving All My Love for You«, das nicht nur in die Pop-Charts sprang, sondern in der Woche vom 21. Oktober 1985 dort auch Nummer eins wurde. Die nächsten beiden Singles, »How Will 1 Know?« und »The Greatest Love of All«, bekamen die Pop-Sender und die Urban Stations zur gleichen Zeit. Beide kamen im Pop-Radio auf Nummer eins, schafften es aber interessanterweise nicht, an die Spitze der schwarzen Charts zu gelangen. Whitney Houston verkaufte sich schließlich 20 Millionen Mal und wurde damit das bei weitem erfolgreichste Debutalbum der Geschichte. Ihr nächstes Album, Whitney, sollte sich fast genauso gut verkaufen. Aber der A & R - M a n n Griffith blieb nicht bei Arista, um den Erfolg zu genießen. Im Sommer 1985 schlug er eine Verbraucherzeitschrift auf und sah ein Pressefoto, das aufgenommen worden war, als Houston den Vertrag mit Arista unterschrieben hatte. Obwohl er bei der Fotosession dabeigewesen war, fehlte er auf dem Bild - nur Clive und Whitney waren darauf zu sehen. Griffith hatte nicht nur Whitney Houston für Arista entdeckt, sondern auch »How Will 1 Know?« für ihr erstes Album ausgesucht und den Produzenten des

Songs ausgewählt. Wenn Clive meine Verdienste jetzt nicht würdigt, sagte sich Griffith, dann wird er es nie tun. »Da entschloß ich mich, die Firma zu verlassen«, erzählte er der Zeitschrift Manhattan, inc. Er wechselte zu Bruce Lundvall, der Chef von Manhattan Records geworden war. Als Clive Griffiths Worte in Manhattan, inc. las, »konnte ich es nicht glauben«, sagte er. »Er wollte nicht weg. Er war sehr, sehr glücklich hier. Der Grund, warum er Arista Records verließ, war, daß er das doppelte Gehalt bekam. Seine Schlußfolgerung [in bezug auf das Foto] war völlig falsch. Die Kundenzeitschrift war der Ansicht, daß ich zwar eine erwähnenswerte Person bin, das Bild aber durch einen unbekannten A&R-Mann etwas an Wert verlieren würde. Die Kunden haben noch nie etwas von Gerry Griffith gehört. Ich werde immer sagen, daß Gerry mich zuerst auf sie aufmerksam gemacht hat. Aber danach hatte er nichts mehr mit ihr zu tun. Sie orientierte sich auf mich. Ich war derjenige, der alle Songs auf dem Album aussuchte, jeden Produzenten auswählte und ihre gesamte Karriere in die Hand nahm, abgesehen von diesem ursprünglichen Tip, den ich, glaube ich, nun wirklich ausreichend gewürdigt h a b e . . . «

15 Dicks Rückkehr

ls Elliot Goldman 1982 zu Warner Communications kam, verlieh ihm Chairman Steve Ross zwar den hochtrabenden Titel des leitenden Vizepräsidenten, gab ihm aber keinen richtigen Geschäftsbereich. Im Grunde war Goldman ein Berater mit Vollzeitjob. Er arbeitete an diversen Projekten, die mit Schallplatten zu tun hatten. Die Label-Bosse kamen unterschiedlich gut mit ihm zurecht. Ahmet Ertegun beispielsweise hatte wenig Zeit für ihn. Bei einem Round-Table-Gespräch bat Goldman Ertegun, Atlantics Stategie zur Gewinnsteigerung darzulegen. Ertegun antwortete wie ein echter Record Man: indem wir mehr Hits haben! Bald darauf war Goldman jedoch mit einem Vorhaben beschäftigt, das - falls es Erfolg hatte - die Struktur von Warner auf Jahre hinaus verändern würde. Er hatte seine Vorgesetzten bei Warner wie auch die Eigentümer von PolyGram davon überzeugt, daß die beiden Plattenfirmen fusionieren sollten. Obwohl PolyGram sich nie ganz von dem Mißgeschick mit Neil Bogart erholt hatte und immer noch tief in den roten Zahlen steckte, hatte es zwei Stärken, die Warner fehlten: eine machtvolle Präsenz in Europa und einen umfangreichen Katalog im Bereich der klassischen Musik. Warner wiederum hatte ein vielgepriesenes Vertriebssystem in den Staaten, das in Relation zu den laufenden Kosten doppelt so effektiv war wie das von PolyGram. Die Fusion schien für beide Parteien sinnvoll zu sein. Die Idee mit der Fusion war Goldman Ende 1 9 8 2 gekommen, nachdem er mit Jac Holzman, dem Gründer von Elektra und damaligen Warner-Berater, nach Hamburg geflogen war, um eine andere Angelegenheit mit PolyGram zu besprechen. Philips, fünfzigprozentiger

Eigner von PolyGram, hatte 1 9 7 9 ein neues Format namens Compact Disc eingeführt. Es gab nur eine einzige CD-Fabrik in Hannover, und die gehörte PolyGram. Warner glaubte, daß die Compact Disc Zukunft hatte, und wollte eine Lizenzvereinbarung aushandeln, unter der PolyGram die Warner-CDs herstellen würde. Goldman und Holzman erörterten die Angelegenheit mit Jan Timmer, der gegen Ende 1981 die Leitung von PolyGram International übernommen hatte. Goldman hatte gelernt, sich vor PolyGrams europäischem Management in acht zu nehmen. Nachdem er den Brain Trust des Multis aus Baarn und Hamburg kennengelernt hatte, hatte er es wiederholt abgelehnt, die Leitung von PolyGram USA zu übernehmen. Coen Solleveld fand er »gar nicht so übel«, aber Wolfgang Hix und Kurt Kinkele - oj wcj! Zu seiner großen Überraschung stellte Goldman fest, daß Jan Timmer ganz anders war. »Ich war total beeindruckt von Timmer. Er ist sehr pragmatisch. Er sagte immer: >Wir müssen in Amerika auf die amerikanische Art vorgehen.*« Timmer hatte in der Tat nicht viel mit seinen Vorgängern bei PolyGram gemein. Der gebürtige Holländer war kahlköpfig und stämmig und sah wie ein Schurke aus einem James-Bond-Film aus. Timmer identifizierte sich voll und ganz mit dem Unternehmen. 1952 war er als siebenundzwanzigjähriger Buchhalter zu Philips gekommen, und bevor er die Leitung von PolyGram übernommen hatte, war er Chairmati und Generaldirektor von Philips Südafrika gewesen. Als Timmer Ende 1981

vom zunehmend verzweifelten Philips-Vorstand zum

Nachfolger von Wolfgang Hix berufen wurde, führ PolyGram bereits das dritte Jahr hintereinander hohe Verluste in den Vereinigten Staaten ein. Obwohl Timmer sich für einen Mann hielt, der in solchen Fällen das Ruder herumwerfen konnte, war PolyGram eine ziemliche Herausforderung. Timmer war alles andere als ein Record Man, aber er war genau das, was PolyGram brauchte: ein professioneller Manager, der wußte, wie man starke Leute auswählte, wann man Befugnisse delegieren mußte und wann man es nicht tun durfte. In finanzieller Hinsicht führte er ein straffes Regiment. »Wenn Sie sich ein Unternehmen ansehen, das in Schwierigkeiten steckt«, sagte er in seinem holprigen

Englisch, »werden Sie immer feststellen, daß seine Kontrollsysteme unzulänglich sind. Das ist sehr oft der Grund, weshalb es überhaupt in Schwierigkeiten gekommen ist. Ich glaube, das galt auch für PolyGram.« PolyGram sollte erst 1 9 8 5 wieder in die Gewinnzone kommen. Doch noch während das Unternehmen weiterhin Verluste einfuhr, genehmigte Timmer große Investitionen in die Gompact-Disc-Technologie. Die CD war eine Sache von großer Bedeutung für ihren Erfinder, Philips, der die Plattenindustrie als Software-Lieferanten für seine außerordentlich wichtige Stereo-Hardware verstand. Wenn PolyGram kein Hilfsmittel bei der Einführung der CD gewesen wäre, so hätte Philips die finanziellen Einbußen wohl kaum so lange hingenommen. Siemens, der deutsche Industriegigant, dem die anderen 50 Prozent von PolyGram gehörten und der keine Stereoanlagen herstellte, war mit seiner Geduld mit dem defizitären Unternehmen am Ende und stieß seine PolyGram-Anteile kurz darauf bis auf 10 Prozent an Philips ab. Die CD wurde Timmers Lieblingsprojekt, und er glaubte an sie, als »viele Manager in der Plattenbranche sie nur als eine neue Spielerei betrachteten«, wie er es formulierte. Der erfolgreiche Start der CD geht auf Timmers Konto. Obwohl er in der Branche ein Außenseiter war, leistete er einen größeren Beitrag zum Musikgeschäft der achtziger Jahre als viele seiner schrillen Pendants in anderen Unternehmen. Mehr als jeder andere Faktor, abgesehen von guter Musik, würde die CD die Gewinne der Branche nach Jahren der Stagnation in neue Höhen schießen lassen. Neben PolyGram begeisterte sich Warner am meisten für die Compact Disc. David Horowitz, der den Tonträgerbereich von Warner beaufsichtigte, besaß einen der ersten CD-Player und war überzeugt, daß das Format sich durchsetzen würde. Deshalb freute es ihn zu erfahren, daß Goldman und Holzman die CD-Lizenzvereinbarung mit Timmer ausgearbeitet hatten. Während der Verhandlungen war Goldman jedoch der Gedanke gekommen, daß eine Fusion von Warner und PolyGram sinnvoll sein könnte. Die Vorteile lagen auf der Hand, aber ein solches Vorhaben wäre mit PolyGrams altem,

konfusem Management undenkbar gewesen. Timmer jedoch schien die Zügel fest in der Hand zu halten. Nachdem Steve Ross, der Chairman von Warner Communications, den Fusionsplan gebilligt hatte, wurden Goldman und Horowitz mit der Durchführung betraut. Die Verhandlungen waren beschwerlich, weil zwei große Unternehmen in den Vereinigten Staaten und zwei im Ausland miteinander verschmolzen werden mußten. Zusätzlich stand zur Debatte, wer von Warner und PolyGram die Kardinalshüte in der fusionierten Gesellschaft tragen würde. Bei Warner war man der Meinung, daß die Kontrolle über das Inlandsgeschäft in den eigenen Händen bleiben sollte, aber es gab nie einen Zweifel daran, daß Jan Timmer der Mann an der Spitze sein würde. Das Vorhaben wurde formell am 29. Juni 1 9 8 3 bekanntgegeben. Nachdem Goldman sechs Monate lang an der Fusion gearbeitet hatte, regte er Anfang des folgenden Jahres an, die Warner-Labels könnten einen hochkarätigen Berater brauchen, der bei dem Fusionsplan und anderen Projekten behilflich wäre. Goldman dachte dabei an einen Mann, für den er einmal gearbeitet hatte und der umfassende Kenntnisse der Plattenbranche besaß, jedoch momentan arbeitslos war: Dick Asher. Steve Ross stand der Idee wohlwollend gegenüber, bat Goldman jedoch, die Bosse der Warner-Labels zu befragen, wie sie darüber dachten. Am 25. Januar 1 9 8 4 reichte Goldman seine Ergebnisse ein: Mo Ostin hält es für eine ausgezeichnete Idee, einen Berater für diesen Bereich zu engagieren, und findet, daß Dick Asher der richtige Mann dafür wäre. Ahmet Ertegun hat eine hohe Meinung von Asher, den er für einen kenntnisreichen Plattenmanager hält, aber seine Meinung darüber, ob man ihn in dieser Funktion einsetzen sollte, ist weder in der einen noch in der anderen Richtung sonderlich ausgeprägt. Seine einzige negative Äußerung war, Yetnikoff habe ihm erzählt, Asher habe bei CBS Records »nichts« getan - was kaum überrascht, da Asher und Yetnikoff sich nie verstanden haben... Mit David Geffen habe ich nicht gesprochen... [aber] ich weiß, daß Geffens Meinung über Asher aus zwei Gründen sehr negativ und kritisch sein wird. Erstens war Dick kein großer Unterstützer von

[Yetnikoffs Angebot für die Übernahme des Auslandsvertriebs von Geffen Records durch CBS|, er hat sich gegen eine Reihe... nicht im Vertrag vorgesehener Vorschußzahlungen an Geffen ausgesprochen und sich heftig einem neuen, 50 Millionen Dollar teuren Fünfjahresvertrag mit Geffen widersetzt. Geffen hält Asher nicht für »kreativ«. Es wäre mir zwar lieber, wenn Geffen Asher unterstützen würde, aber keiner seiner Einwände ist wirklich von Belang für die Beraterrolle, die ich für Asher vorschlage. Goldman verschaffte Asher nicht nur den Beraterjob, er ging auch noch einen Schritt weiter und schlug Jan Timmer vor, Asher als Warner/PolyGram-Manager einzustellen, sobald die Fusion unter Dach und Fach war. Der Vorschlag gefiel Timmer nicht. »Er wurde wütend«, sagte Goldman. »Ich vermute, er hatte Schlechtes über Asher gehört. Es war aussichtslos, er wollte es nicht einmal in Erwägung ziehen. Und wenn ich ihm weiterhin damit käme, würde er das ganze Vorhaben abblasen.« Da Asher bei Timmer offenkundig keine Aussicht auf einen J o b hatte, begann Goldman, auf Steve Ross einzuwirken, damit er Asher bei Warner fest anstellte. Es dauerte eine Weile, aber im November 1 9 8 4 wurde Dick Asher bei Warner Communications zum leitenden Vizepräsidenten ernannt und Elliot Goldman unterstellt. Als leitender Vizepräsident war Dick wie Goldman ein besserer Berater ohne echte Befugnisse. Er, Goldman und Bruce Lundvall, der ehemalige Boß von Columbia, waren nun die hochrangigsten ehemaligen Mitarbeiter von CBS Records, die für Yetnikoffs Feind arbeiteten. Dick stellte fest, daß ihm diese Erfahrung die Augen öffnete. »Ich sah vieles, was sie anders machten als CBS«, sagte er. Das Wichtigste: »Bei Warner gab es fast nie Streit mit den Künstlern.« Obwohl Timmer offenbar wenig von Asher hielt, hatte er eine hohe Meinung von Goldman und ging davon aus, daß dieser das US-Geschäft des fusionierten Unternehmens leiten würde. Goldman halte sich mit großem Eifer den technischen Problemen der Kombination zweier weitgespannter Unternehmen gewidmet. Jedesmal, wenn es Hindernisse gab, kam Goldman mit teilweise genialen Lösungen. Der Vertrag war so strukturiert, daß zwei Joint-ventures

entstehen würden, eins in den Vereinigten Staaten, das zu 80 Prozent Warner gehören sollte, und eins im Ausland, das jeweils zur Hälfte im Besitz der beiden Beteiligten sein würde. Aber es gab ein Hindernis, das niemand, nicht einmal Goldman, vorausgesehen hatte: Walter Yetnikoffs massiven Angriff auf das Vorhaben. Allein schon der Gedanke ließ Walter schäumen. Sein Haß auf Warner war allgemein bekannt, und von PolyGram hielt er auch nicht viel, weil es teilweise in deutschem Besitz war. Aus irgendeinem Grund nannte er das Unternehmen beharrlich Polydor, wie eins seiner Labels. Einmal verbesserte ihn jemand. »PolyGram, Polydor«, blaffte Walter. »Nazis sehen für mich alle gleich aus.« Wenn die Fusion gelang, wäre CBS Records nicht mehr die größte und mächtigste Plattenfirma. Warner/PolyGram würde in den USA einen Marktanteil von 26 Prozent haben, volle sechs oder sieben Prozent mehr als CBS. Das kam für Walter überhaupt nicht in Frage. Er begann seine Attacke am 30. Juni 1 9 8 3 , einen Tag nach Bekanntgabe der Fusionspläne. Das Vorhaben sei »offenkundig illegal«, erklärte er Billboard, und werde aus kartellrechtlichen Gründen unterbunden werden. Falls es jedoch durchkäme, werde CBS im Gegenzug eins der anderen großen Labels erwerben. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Staat das erlaubt«, sagte Walter. »Aber wenn er es tut, gibt er mir grünes Licht, eine Auktion zu starten und zu fragen, wer verkaufen will.« Bei Warner wußte man, daß es einige kartellrechtliche Hürden zu nehmen galt. Aber, so David Horowitz, »wir machten uns mehr Sorgen wegen |des Kartellamtsl in Deutschland. Wir glaubten nicht, daß das Vorhaben nach den damals aktuellen kartellrechtlichen Vorstellungen gegen das amerikanische Antitrustgesetz verstoßen würde.« Horowitz, Timmer und andere Befürworter der Fusion reisten nach Berlin, um vor dem deutschen Kartellami auszusagen. Walter Yetnikoff flog ebenfalls hin, um sich gegen die Fusion auszusprechen, aber die Antragsteller trugen den Sieg davon. Wie Horowitz erklärte, war es kaum vorstellbar, daß die amerikanische Federal Trade Commission Einwände gegen das Vorhaben erheben würde. Unier Präsident Reagan hatte die FTC eine Megafusion

nach der anderen gebilligt. Außerdem befand sich PolyGram in solch prekärem Zustand, daß es in Konkurs gehen konnte, was auf dem Markt viel größere Erschütterungen auslösen würde als eine Fusion mit Warner. Aber Yetnikoff hatte gute Arbeit geleistet und die Plattenbranche gegen die Fusion eingeschworen. CBS engagierte Anwälte, die sich bei der FTC beschwerten, und eine Reihe wichtiger Großhändler und Rackjobber schlössen sich - wahrscheinlich auf Walters Veranlassung hin - dem Kampfan. Yetnikoff fuhr nach Washington, um die Sache persönlich vorzutragen.* Und zur großen Überraschung von Warner und PolyGram reichte die Federal Trade Commission beim Bezirksgericht Klage ein, um das Geschäft zu stoppen. »Ich vermute«, sagte der Anwalt Eric Kronfeld, »daß sich die FTC ohne den CBS-Antrag überhaupt nicht dafür interessiert hätte.« Die FTC verlor die erste Runde vor dem Bezirksgericht. Aber dann hob das Berufungsgericht des neunten Gerichlsbezirks die Entscheidung auf, und die Fusion war blockiert. Warner und PolyGram waren schlichtweg fassungslos. Ihre erstklassigen Anwaltskanzleien hatten das Berufungsgericht mit Schriftsätzen und Eingaben überschüttet. Sie hatten Experten hinzugezogen, die bestätigen sollten, daß die Fusion sinnvoll war, darunter den Ökonomen Alan Greenspan, der später Chairman der Federal Reserve Bank werden würde, und Clive Davis. Die Schriftsätze machten zum ersten Mal das Ausmaß der Verluste von PolyGram in den USA publik: 2 0 0 Millionen Dollar allein zwischen 1979 und 1982. 1 9 8 3 verlor PolyGram trotz zweier riesiger Hits - des Soundtracks von Flashdance und Def Leppards Pyromania - sechs Millionen Dollar. Das Unternehmen rechnete damit, 1 9 8 4 15 Millionen Dollar zu verlieren. »[PolyGrams] finanzielle Lage ist jetzt dergestalt, daß es aus eigener Kraft effektiv nicht mehr konkurrenzfähig ist«, sagte das Unternehmen aus. Trotzdem machte sich das Berufungsgericht die Position der FTC zu eigen. »Das war der Todeskuß«, sagte William Willis, der Kartell* A n g e b l i c h erklärte W a l t e r d e m C h e f a n w a l t , er w o l l e a u f J i d d i s c h a u s s a g e n , u n d verlangte e i n e n D o l m e t s c h e r . D e r A n w a l t d e r F T C g l a u b t e , e s sei i h m ernst d a m i t .

rechtsberater von PolyGram. Bei einer Fortführung der juristischen Auseinandersetzung würde der Kampf sich wenigstens zwei Jahre hinziehen, und das konnte kein solches Vorhaben überleben. Zutiefst enttäuscht schimpfte Jan Timmer über »die verdrehte Logik des amerikanischen Rechtssystems«. Die Fusion war erledigt. Das gleiche galt für Elliot Goldman, der das Leben bei Warner im Gefolge der gescheiterten Fusion zunehmend unangenehm fand. Nachdem er politisch »zerschnetzelt« worden war, kündigte er im Mai 1985.

J

an Timmer stand bald darauf vor einem anderen Problem. Sollte er einen neuen Präsidenten für PolyGrams Amerika-Abteilung ernen-

nen? Als David Braun den J o b 1981 aufgegeben hatte, hatte er Günter llensler, den Chef des Klassik-Bereichs von PolyGram, als seinen Nachfolger empfohlen. Timmer war einverstanden gewesen. Weniger als ein Jahr später feuerte Timmer Harvey Schein, den jähzornigen ehemaligen CBS-Mann, der PolyGram Records geführt hatte. Schein wurde nicht ersetzt. Günter Hensler übernahm seine Aufgaben. Als Chef einer der sechs größten Plattenfirmen Amerikas im Popmusikbereich war Hensler eine merkwürdige Wahl. PolyGram besaß zwar drei der größten Klassik-Label - Philips, London und Deutsche Grammophon -, aber die Umsätze von Def Leppard, den Scorpions und ein paar anderen Hard-Rock-Acts bei PolyGram übertrafen den aller Klassik-Label zusammen. Obwohl Hensler also seine Aufmerksamkeit darauf konzentrieren mußte, war es schwer zu glauben, daß ersieh Def Leppard anhören konnte, ohne schmerzlich das Gesicht zu verziehen. Hensler - aufrecht und schlank, lockige blonde Haare war ausgebildeter Konzertpianist und stand als Plattenmanager auf du und du mit den meisten Größen der klassischen Musik. Hensler bestritt nie, daß Hard Rock, geschweige denn Popmusik, nicht sein Gebiet war. »Es war nicht mein Kindheitstraum, Präsident einer Popmusikfirma in den Vereinigten Staaten zu werden«, sagte er. »Ich halte mich halbwegs für einen Experten auf dem Gebiet der Klassik, aber es gab eine fast fünfzehn Jahre währende Phase in meinem Leben, in der ich überhaupt keine Popmusik gehört habe.

Ich hätte Gelegenheit gehabt, die Beatles im Shea Stadium zu hören, aber ich bin nicht hingegangen. Es hat mich einfach nicht interessiert.« In gewisser Hinsicht war Hensler jedoch eine logische Wahl. PolyGram Records war wie gelähmt von den jahrelangen Verlusten und demoralisiert von Harvey Scheins aggressivem Managementstil. Hensler war ein Gentleman, ein Mann der leisen Töne. »Ich habe mir Günter ausgesucht, weil er Stil hatte«, sagte David Braun. Hensler war Diplomkaufmann und halle Buchhaltung und Finanzen im Griff. Überdies brauchte PolyGram Records seine Künstlerriege damals nicht zu vergrößern - ganz im Gegenteil. Aber da Hensler sich auf dem amerikanischen Popmarkt nicht auskannte und zudem ein Konsens-Manager war, brachen bald Machtkämpfe unter seinen Untergebenen aus. Die blutigste Fehde trugen Harry Anger, der Chef der Marketing-Abteilung, und John Betancourt, der Direktor der Promotion-Abteilung, miteinander aus. Binnen kurzem ging Betancourt als klarer Sieger daraus hervor. Er galt weithin als aggressiv, ausfallend, arrogant und aufbrausend - und das waren nur die Eigenschaftsworte, die mit a anfingen -, aber er war auch ein fähiger Promotion-Mann. PolyGram hatte noch nie so viele Platten auf den Playlists der Radiostationen und auch in den Charts gehabt wie unter seiner Ägide. Für die Außenwelt sah es oft so aus, als ob Betancourt und nicht Hensler PolyGram führte. Es fiel jedoch Hensler zu, die schmerzhaften, aber unumgänglichen Einsparungen vorzunehmen. Er stutzte die auf einen Höchststand von 2 5 0 Sängern und Bands angewachsene Künstlerriege auf ungefähr 80 Acts zusammen, schloß Warenlager in Kalifornien und New Jersey, reduzierte die Anzahl regionaler Vertriebsstellen und entließ rund 30 Manager der mittleren Ebene. PolyGram verkaufte unterdessen den wertvollen Musikverlag Chappell Music für rund 100 Millionen Dollar. Es war bittere Medizin, aber sie wirkte. Im dritten Quartal 1 9 8 5 sah es so aus, als ob PolyGram Records erstmals seit 1 9 7 8 wieder schwarze Zahlen schreiben würde, wenn auch nur mit Müh und Not. Dazu trug bei, daß PolyGram ein Nummer-eins-Album hatte, Songs jrom the Big Chair von Tears for Fears, und daß John

Cougar Mellencamp vom hauseigenen Mercury Label mit Scarecrow seinen bis dato größten Hit hatte. Trotz der ersten schwachen Anzeichen für eine finanzielle Wende gab es im Herbst 1985 deutlich vernehmbare Gerüchte in der Branche, daß Timmer beabsichtigte, Hensler von seinem Posten abzuberufen. Am 16. Oktober war es soweit: Hensler erhielt die Nachricht, daß er wieder zur Klassik zurückkehren würde, mit ein paar neuen Aufgaben im audiovisuellen Bereich. Timmer erklärte hinterher, Hensler habe gewußt, daß er als Chef der Pop-Firma nur eine Interimslösung gewesen sei. Hensler bestätigte das, war aber offenkundig verblüfft über den Zeitpunkt seiner Abberufung. Immerhin hatte er das Unternehmen gerade wieder in die Gewinnzone gesteuert. »Ich halte es für gut, eine Veränderung vorzunehmen, wenn die Dinge gut laufen, und nicht, wenn sie schlecht stehen«, sagte Timmer. Vierundzwanzig Stunden lang war der Name von Henslers Nachfolger ein gut gehütetes Geheimnis. Jeder in der Branche hatte eine kurze Liste. Timmer würde mit Sicherheit einen Amerikaner wählen, und zwar jemanden, der Erfahrung in der Leitung eines Pop-Labels hatte. Aussichtsreichster Kandidat schien der gegenwärtig arbeitslose Elliot Goldman zu sein. Der andere Name, der auftauchte, war AI Teller, der Boß von Columbia. Am 1 7. Oktober gab PolyGram Records eine Presseerklärung heraus, in der das Geheimnis gelüftet wurde: Der neue Firmenchef hieß Dick Asher. Timmer, der noch Anfang 1984 Asher gegenüber so negativ eingestellt gewesen war, hatte seine Einschätzung geändert. Dafür gab es Gründe. Zunächst hatte er Dick anschließend als Berater an der Fusion mitwirken sehen und war beeindruckt gewesen. Und was vielleicht noch wichtiger war, Timmer hatte kürzlich zwei ehemalige CBS-Leute eingestellt, die loyal zu Asher standen. 1 9 8 4 hatte er Alain Levy, zuvor Chef von CBS Frankreich, die Leitung von PolyGram Frankreich übertragen. Levy, der in Wharton studiert und dort seinen Magister der Betriebswirtschaft gemacht hatte, war bei CBS Records International Dicks Assistent gewesen. Und nachdem Maurice Ober-

stein von CBS Records Großbritannien im Sommer 1 9 8 5 zwangsweise in den Ruhestand versetzt worden war, hatte Timmer ihn als Leiter der britischen Abteilung zu PolyGram geholt. Insidern zufolge hatte Oberslein geradezu darauf bestanden, daß Dick Asher Henslersjob bekam. Timmer war anscheinend sauer auf Elliot Goldman wegen des Fusionsdebakels. Jedenfalls wurde Goldman im Dezember 1985 zum neuen Präsidenten von RCA Records ernannt. »Man hat mir den Posten bei PolyGram nie angeboten, aber man hätte es tun sollen«, sagte Goldman kurz nach seinem Wechsel zu RCA. »Wie auch immer, das hier ist ein besserer Job.« Das traf jedoch nicht zu. RCA fehlten die wesentlichen - wenn auch lange Zeit verborgenen - Stärken von PolyGram. RCA hatte zwei große Aktivposten gehabt: Elvis Presley und eins der beliebtesten Markenzeichen der Nation, den Hund Nipper, der zum Klang von »bis masters voice« mit dem Kopf nickte. Elvis war tot und Nipper unerklärlicherweise nicht mehr in Gebrauch. Ansonsten hatte RCA in letzter Zeit nicht viel vorzuweisen gehabt, jedenfalls nicht auf dem Gebiet der Popmusik. Seine einzigen Superstars, Hall and Oates, halten das Label verlassen und waren zu Arista gegangen. Goldmans Vorgänger, Robert Summer, kaufte Popstars wie Diana Ross und Kenny Rogers ein, aber viel zu teuer. Als Goldman kam, halte RCA ein Defizit. 1 9 8 6 mußie es nicht verkaufte Alben im Wert von 25 Millionen Dollar zurücknehmen. In dem Rechnungsjahr, das im Juni 1987 endete, verlor das Unternehmen 35 Millionen Dollar. Noch negativer - von Goldmans Standpunkt aus - schlug die Tatsache zu Buche, daß General Electric im Dezember 1985, also im selben Monat, in dem er seinen Verl rag unterschrieb, die RCA Corporation erwarb, die Mutterfirma von RCA Records. GE erklärte sich sofort bereit, RCA Records inclusive des fünfzigprozentigen Anteils an Arista zur Finanzierung der Übernahme an Bertelsmann zu verkaufen. Goldman halle schon einmal für Bertelsmann gearbeitet, nachdem das Unternehmen Arista erworben hatte, und es hatte ihm nicht gefallen. Jetzt waren die deutschen Eigentümer wieder da.

Goldman leistete trotzdem gute Arbeit. Lr engagierte zwei Manager, die sich als überaus fähig erwiesen. Der erste war Rick Dobbis, der Clive Davis wegen Verleumdung verklagt hatte; Goldman stellte ihn als Geschäftsführer ein. Dann ernannte er Robert Buziak, einen ehemaligen Künstlermanager, zum Chef von RCA Records USA. Buziak reduzierte die Künstlerriege von 40 auf 11 Acts und begann sie neu aufzubauen, wobei er sich auf Baby Acts konzentrierte. Bald brachte das Unternehmen Bruce Hornsby and the Range, Rick Astley und eine Reihe von Rappern in die Hitparaden. Buziak genehmigte auch eine Investition in Höhe von 2 0 0 0 0 0 Dollar für das Soundtrack-Album von Dirty Dancing, das sich zusammen mit seinem Nachfolge-Album weltweit über 20 Millionen Mal verkaufte. Die finanziellen Ergebnisse des Rechnungsjahres 1 9 8 7 / 8 8 zeigten eine merkliche Verbesserung: RCA machte 65 Millionen Dollar Gewinn. Unglücklicherweise verstand sich Goldman nicht mit Michael Dornemann, dem Präsidenten des Tonträgerbereichs bei Bertelsmann. Dornemann glaubte, Goldmans J o b könnte er selber auch machen, und auf dem Pilotensilz war nur Platz für einen. Am 10. September 1987 mußte Goldman seinen Posten räumen. In einer Presseerklärungsagte er, er »scheide [aufgrund von] Differenzen in der Management- und Geschäftsphilosophie aus der Firma aus«. Zu seinem Glück hatte er eine Abfindungsklausel in seinem Vertrag, die ihm mindestens eine Million Dollar einbrachte. Goldman war entbehrlich, Clive Davis aber nicht. Sein Arbeitsvertrag mit Arista stand zur Verlängerung durch Bertelsmann an, als Whitney Houston gerade groß herauskam, und in ihrem Vertrag gab es eine Schlüsselmann-Klausel, die sich auf Clive bezog. »Clive, der Gute«, sagte Goldman. »Sein Timing ist unglaublich.« Obwohl Goldman der J o b bei PolyGram nicht angeboten worden war, hatte die Gerüchteküche mit dem Namen eines anderen Konkurrenten richtig gelegen: Columbia-Boß AI Teller, der von Dick davor bewahrt worden war, in der Versenkung zu verschwinden, und der Asher später - nach dessen Rausschmiß durch Walter - in der Öffentlichkeit mied. Im Oktober 1985, demselben Monat, als Dick PolyGram übernahm, wurde Teller zum Präsidenten von CBS Records

USA befördert. Es war ein J o b , der sehr viel Publicity und Macht mit sich brachte. Vielleicht halte Teller das in Aussicht stehende Angebot von PolyGram als Druckmittel gegenüber CBS-Boß Thomas Wyman benutzt, um befördert zu werden. Walter mochte Teller nicht. Er hatte ihn von Anfang an nicht haben wollen; AI war Ashers Mann. Jetzt begann Teller, der sehr ehrgeizig war, genau wie Dick früher - und aus dem gleichen Grund - eine Bedrohung für Walter darzustellen. Die Herren in den teuren Anzügen aus den oberen Etagen schätzten Teller. Er hatte einen Magister in Betriebswirtschaft, er hielt regelmäßige Arbeitszeiten ein und identifizierte sich in viel stärkerem Maße mit dem Unternehmen als Walter. Teller wußte, daß Walter ihn argwöhnisch beobachtete, und ging darum sehr vorsichtig vor. Es ließ sich nicht bestreiten, daß Teller äußerst kompetent war und daß die Mitarbeiter von CBS Records ihn wie die Pest haßten. Obwohl er Walter mit Respekt begegnete, führte Teller ansonsten ein hartes Regiment. »Wenn man sich wirklich durchsetzen will«, sagte er über sich, »möchte man seinem Gegner das Gehirn zu Brei schlagen. Das ist es nun mal, was einem Spaß macht.« Zumindest einem seiner Mitarbeiter war nicht entgangen, daß der Mann, der die Wasserstoffbombe erfunden halte, ebenfalls Teller hieß. Dick Asher, der den J o b bei PolyGram angenommen hatte, war mittlerweile auf dem besten Wege, wieder einer der größten Makler der Macht in der Plattenbranche zu werden. Sein Timing war außerordentlich gut. Etwas mehr als ein Jahr nach seinem Amtsantritt hatte PolyGram das Top-Album im Land, Slippery When Wet von der Hardrock-Band Bon Jovi. Obwohl die Band schon ein paar Jahre vor sich hinwerkelte, halte niemand ihren plötzlichen Durchbruch zum Monster-Status vorausgesehen. Obwohl Dick später behauptete, er habe das Potential der Gruppe schon früh in seiner Amtszeit erkannt, glaubte die Branche ihm nicht. Bei einem Wohltätigkeitsdinner erntete der Conferencier J o e Smith einen herzlichen Lacher, als er Asher vorstellte: »Um der Wahrheit die Ehre zu geben, vor sechs Monaten dachte Dick noch, Bon Jovi sei ein italienischer Rotwein.« Sie konnten lachen, soviel sie wollten. Bon Jovis Album ging acht

Millionen Mal über den Tresen. Dick hatte einmal gesagt: »Wenn man mit Cleverness in der Plattenbranche nicht weiterkommt, m u ß man auch Glück haben.« Aul ihn traf beides zu. PolyGram hatte sein Glück jedenfalls nicht nur Bon Jovi zu verdanken. Hardrock- und Heavy-Metal-Bands erlebten - zum Teil dank MTV - eine Renaissance. Mit Gruppen wie Def Leppard, Scorpions und Rush war PolyGram die Heavy-Metal-Company.* Mittlerweile war die Compact Disc bei den Musikkäufern der große Renner. Es gereichte PolyGram nicht zum Nachteil, d a ß es den größten Klassik-Katalog der Well hatte, denn die Anhänger der ernsten Musik gehörten zu den eifrigsten CD-Käulern. Die Nachfrage war erstaunlich. Ein Werk von Strauß, das man auf Vinvl für .3,99 Dollar nicht loswurde, ging als CD für den vierfachen Preis weg wie warme Semmeln. Dick hatte PolyGram in der Erwartung ü b e r n o m m e n , ein Unternehmen mit einem schmalen Bestand fähiger Führungskräfte, aber einer straffen Struktur vorzufinden. Genau das Gegenteil war der Fall. »Ich war erstaunt über den Mangel an Organisation«, sagte er. Die kompetentesten Leute »liefen herum und versuchten, alles zu machen«. Niemand schien seinen J o b klar definieren zu können. Dick behauptete, er habe die Firma reorganisiert und effizienter gemacht. Er warb auch so viele Spilzenleute von CBS ab, d a ß PolyGram bald den Spitznamen »Columbia West« bekam. Er holte sich Bob Jamieson, das ehemalige Mitglied seiner Posse, als Hauptgeschäftsführer und Dick Wingate von Columbia als Leiter der A & R - A b t e i l u n g von PolyGram. Dick sagte, am meisten habe es ihn gefreut, daß er dem Veteranen Bill F o x einen Spitzenjob im Finanzbereich geben konnte, jenem Mann, der zwanzig Jahre lang bei CBS Records als Buchhalter gearbeitet hatte und dann offenbar deshalb gefeuert worden war, weil er zu Asher gehalten hatte. Dick war mit einem geheimen Ziel zu PolyGram gekommen, das er »drei in drei« nannte. Er wollte, daß PolyGram in den Vereinigten

* Bs w a r kein Zufall, d a ß die Heavy-Metal-Band in der Filmparodie Tfiis 1s S p i n a l T a p hei einer fiktiven Plaltenfirma n a m e n s »Polymer« Records war.

Siaalen in drei Jahren einen gesicherten dritten Platz hinter C'.BS und Warner belegte. Hauptsächlich dank B o n j o v i sollte er sein Ziel schon ein Jahr früher erreichen. Die Ironie an der Sache war, daß Dick wohl kaum wieder als LabelPräsident aufgetaucht wäre, wenn Walter Yetnikoff nicht die Fusion von Warner und PolyGram torpediert hätte. Walter war nicht erfreut darüber, Dick wieder ganz oben zu sehen. »Wissen Sie, was ich neulich gemacht habe?« erzählte er einem Reporter des RollingStone. »Ich habe beschlossen, daß ich sauer auf Polydor bin. Dickie Doo ärgert mich. Keine große Sache, aber er nervt mich. Also habe ich ein Anliegen, das ich in der RIAA [Recording lndustry Association of America, Verband der amerikanischen Plattenindustrie] auf die Tagesordnung setzen werde . . . Ich will, daß Polydor rausfliegt!«

16 Die Vorstandssitzung

ie fehlgeschlagene Fusion von Warner und PolyGram lieferte der Plattenbranche reichlich Gesprächsstoff. Aber ein Jahr später, 1985, war die Macht des Network das Thema, das die Unterhaltungen auf den Fluren beherrschte. Die Kosten der unabhängigen Promotion waren mittlerweile erdrückend geworden. Nachdem die Branche 1981 ihre Chance verpaßt hatte, das Network loszuwerden, waren die Promoter nunmehr mächtiger denn je, und ihre Rechnungen waren entsprechend gestiegen. »Die Plaitenindustrie hat einen Bastard geschaffen, den sie nicht mehr kontrollieren kann«, sagte ein Künstlermanager Ende 1985. »Er ist immer gieriger geworden, und jetzt können nicht einmal mehr die großen Firmen ihn sich leisten.« Zur Zeil des Boykotts von 1981 war das Network für die Majors und die großen Unabhängigen noch erschwinglich gewesen und hatte ihnen als Mittel gedient, die kleinen Labels aus den Charts fernzuhalten. 1985 konnte jedoch nur noch der Stärkste der Finanzstarken weiter mitspielen: CBS Records. Warners Flaggschiff hätle vielleicht genug Volumen gehabt, um sich die Preise ebenfalls leisten zu können. Aber Mo Ostin widerstrebte es zunehmend, sich der IndiePromoter zu bedienen; der Leiter seiner Promotion-Abteilung, Russ Thyret, setzte sie nur sparsam ein. 1 9 8 5 gab Warner Brothers sechs Millionen Dollar für Indie-Promotion aus. Walter Yetnikoff zufolge zahlte CBS dafür 12,8 Millionen Dollar, also mehr als doppelt soviel. Der Rolling Stonc schätzte, daß der Betrag für 1 9 8 5 in Wirklichkeit eher bei 17 Millionen Dollar lag. Selbst wenn 12,8 Millionen Dollar korrekt waren, ist es unvorstell-

bar, daß CBS diese Summe durch den Einsatz der Indie-Promoter auch nur ansatzweise wieder hereinholte. Die Summe betrug fast J 0 Prozent der gesamten Gewinne von CBS Records vor Steuern. Aber sie verlieh Walter Macht über seine Kollegen bei der Konkurrenz, und das schien die Kosten zu rechtfertigen. Falls Walter noch ein weiteres Motiv brauchte, um die unabhängige Promotion weiterhin zu unterstützen, so konnte man seine persönliche Beziehung zu Fred DiSipio nicht außer acht lassen. Da die Preise so hoch waren wie nie, stellten die Indies eine Waffe dar, die Walter im Machtkampf gegen seine beiden größten Rivalen, David Geffen und Irving Azoff, einsetzen konnte. Geffen hatte in der Anfangszeit von Geffen Records starken Gebrauch von der unabhängigen Promotion gemacht; J o e lsgro prahlte damit, daß die GeffenBand Quarterflash 1981 nur mit seiner Hilfe groß herausgekommen sei. Aber in letzter Zeit fand auch Geffen nach Auskunft ihm nahestehender Gewährsleute das Network zu mächtig und zu teuer. Irving Azoff, der Präsident von MCA Records, war zum öffentlichen Kritiker der Indie-Promotion geworden. Im Sommer 1 9 8 5 stornierte er MCA-Anzeigen in Radio & Records und beklagte sich unter anderem darüber, daß die Zeitschrift gerade zwanzig neue Top-40-Stations in ihre Umfrage aufgenommen hatte. Azoff zufolge bewies das, daß R&R »das System der unabhängigen Promotion stillschweigend duldet«, denn »je mehr Stationen ihre Songs an R&R melden, desto mehr Stationen können unter den Einfluß der unabhängigen Promotion geraten, und desto mehr Geld kostet es die Plauenfirmen, eine neue Scheibe in die Hitparaden zu bringen«. Das war eine törichte Äußerung. Bob Wilson, der Herausgeber von R&R, mißbilligte das Network und wünschte, er könnte seine Charts ändern, ohne daß sie ihren realen Gebrauchswert einbüßten. Wenn jemand die lndie-Promotion stillschweigend zu dulden schien, dann Irv Azoff. MCA gab 1 9 8 5 annähernd 9 Millionen Dollar für sie aus und stand damit nach CBS an zweiter Stelle. Selbst als Azoff die Network-Promoter attackierte, machte er noch starken Gebrauch von ihnen. Azoff wußte jedoch, daß MCA es sich nicht mehr lange würde leisten können, soviel Geld auszugeben. Dazu war nur CBS imstande.

Mindestens zweimal - einmal in Esquirc und einmal in einer eidlichen Erklärung - beschuldigte er Walter Yetnikoff, das Indie-System bewußt aus wettbewerbsfeindlichen Gründen zu benutzen. Die Zeitschrift berichtete: »Irving Azoff... behauptet, Yetnikoff habe die Indies »aufzukaufen* versucht, indem er die Honorare so in die Höhe getrieben habe, daß die kleineren Labels sie sich nicht mehr hätten leisten können.« In der eidlichen Erklärung sagte Azoff, daß Walter »mir einmal erzählt hat, CBS habe das Indie-System unter anderem deshalb unterstützt, weil er der Ansicht sei, daß es die Eintrittskosten ins Plattengeschäft für, sagen wir mal, neue aufstrebende Labels nahezu unerschwinglich mache«. Falls das stimmte, war Walter nicht der einzige, der das System aus diesem Grund unterstützte. Gesellschaften wie Irving Azoffs MCA waren gleichermaßen froh darüber, daß sie die Indies zu Lasten kleinerer Labels »aufkaufen« konnten. Es wurde für sie erst untragbar, als sie bei der Auktion ebenfalls überboten wurden. Nachdem sie nun entschlossen waren, das Network loszuwerden oder zumindest seine Kosten zu reduzieren, standen die Labels vor einem Dilemma. Wenn ihre Bosse sich zusammensetzten und gemeinsam erklärten, sie würden auf die Indies verzichten, hätten die Promoter Anlaß für eine Klage nach dem Antitrustrechl. Natürlich konnten die Plattenfirmen sie fallenlassen, weil sie gegen das Payola-Gesetz verstießen aber offiziell wußten die Labels ja gar nicht, daß das geschah. Gleichzeitig hatte jedes Label Angst, einseitig einen Boykott zu initiieren, weil es daran dachte, was Warner 1981 passiert war. Eine mögliche Lösung war eine staatliche Untersuchung. 1 9 8 4 hatte es den Anschein, als versuchten ein oder mehrere verstimmte Labels, eine Kongreßuntersuchung gegen das Network zu provozieren. Das House Subcommittee on Oversight and lnvestigations, ein Unterausschuß des Repräsentantenhauses, leitete unter dem Vorsitz von J o h n Dingell, einem Demokraten aus Michigan, eine Voruntersuchung ein. Sie führte zu nichts und wurde bald aufgegeben. Albert Gore, ein Demokrat aus Tennessee*, war ein Mitglied dieses Unter* mittlerweile Vizepräsident unter Bill Clinton (A.d.tJ.)

ausschusses. Er erklärte der Presse, die Untersuchung sei aufgrund einer »Verschwörung des Schweigens« unter den Label-Managern fehlgeschlagen, und er glaube, einige potentielle Zeugen hätten Angst, Schaden an Leib und Leben zu nehmen. Im Herbst 1985 war das Murren über die Kosten der Indies in der gesamten Plattenbranche zu vernehmen. Am 1. Oktober diskutierte der Verband der amerikanischen Plattenindustrie das Problem in seiner turnusmäßigen Vorstandssitzung. Offenbar schlugen mindestens drei Plattenfirmen - MCA, Motown und Arista - vor, die RIAA solle untersuchen lassen, ob die Indies mit Payola arbeiteten. Das könnte sich als ein Ausweg erweisen. Wenn die RIAA Beweise für ein Fehlverhalten vorlegte, konnten alle Plattenfirmen überrascht und empört tun und auf die Indie-Promotion verzichten, ohne eine Klage nach dem Antitrustrecht gewärtigen zu müssen. Es war zwar der Inbegriff der Heuchelei, aber ein schlauer Plan. Die RIAA war eine Branchenvereinigung, der nur Plattenfirmen angehörten; weder Händler noch Radiostationen waren in ihr vertreten. Ihre hauptsächliche Funktion bestand darin, Schallplatten Gold und Platin zuzuerkennen und die Preise zu verleihen, mit denen die Wände der Branche tapeziert waren. Zum RIAA-Vorstand zählten zwei hauptamtliche Funktionäre - Chairman Stanley Gortikov, ein ehemaliger Präsident von Capitol Records, und der Syndikus Joel Schoenfeld - und vierundzwanzig Label-Bosse. Bei der Vorstandssitzung am 1. Oktober 1985 verabschiedete die RIAA folgende Resolution: Die RIAA möge eine private Untersuchung finanzieren und von ihrem Syndikus iSchoenfeld] überwachen lassen, um festzustellen, ob die unabhängige Promotion strafbare Handlungen oder andere Verstöße gegen bundesstaatliche Bestimmungen oder Gesetze beinhaltet oder zur Folge hat. Diese Resolution wurde mit dreiundzwanzig zu drei Stimmen angenommen. Eine der Nein-Stimmen kam von CBS. Walter Yetnikoff war nicht anwesend; sein treuester Helfer, Geschäftsführer Seymour Gartenberg, sprang für ihn ein. Zwei Tage vor der Sitzung hatte Gartenberg auf Yetnikoffs Wunsch hin eine Aktennotiz angelegt, in der

CBS mehrere Gründe für die Ablehnung einer Untersuchung darlegte. Gartenberg trug diese Gründe bei der Sitzung vor. Später umschrieb das Wall Street Journal, das in den Besitz des vertraulichen RIAAProtokolls gelangt war, was Gartenberg gesagt hatte: Er »erhob heftige Einwände gegen die Untersuchung, indem er behauptete, interne Prüfungen bei CBS hätten keine Unregelmäßigkeiten festgestellt, und eine branchenweite Untersuchung der Promoter könnte an sich schon einen illegalen Gruppenboykott darstellen, der ein Verstoß gegen die Antitrust-Gesetze sei«. Als die Resolution trotzdem angenommen wurde, schäumte Yetnikoff vor Zorn. Er sagte, er sei aufgebracht, weil Gartenberg zurückgekommen sei und sich beklagt habe, daß die RIAA ihre Abstimmungsprozedur in letzter Minute geändert und statt einer offenen eine geheime Abstimmung durchgeführt habe. »Sie wissen ja, daß ich schnell hochgehe . . . [Seymour] kam zurück und sagte, sie hätten den Abstimmungsmodus geändert, |und] ich sagte: >Die können mich alle mal am Arsch lecken.Leck mich, ich kenne deinen Vater in Rußland, der ist ein dreckiger Penner.< Und der eine trägt eine Yarmulke, der andere einen Tallith. Er war damals ein dreckiger Penner, er ist auch jetzt noch ein dreckiger Penner. Und der Premierminister sagt: >Jetzt haltet doch endlich die Klappe, wir haben zu arbeiten.< So ähnlich geht es auch bei den RIAA-Sitzungen zu.« Trotzdem, so Walter, habe sich sein Ärger nach ein paar Tagen gelegt. Mitte Oktober hatte er eine Unterredung mit Stan Gortikov, dem Chairman der RIAA, und Bob Summer, dem B o ß von RCA Records.

Gortikov unterstützte die Untersuchung; Summers Position ist nicht bekannt. Walter berichtete folgendermaßen von dem Treffen: »Also sagte ich: >Wißt ihr was? Ich habe meine spontane Wut überwunden. Ziehen wir die Sache durch. Es wäre falsch, sie zu stoppen. Aber ich will, daß folgende Fragen erörtert werden: Wer soll es machen, und wie soll man es machen? Bei Watergate-Einbrüchen bin ich nicht mit von der Partie.*« Walter sagte, er habe vorgeschlagen, die Leitung der Untersuchung dem Rechtsausschuß der RIAA zu übertragen, dem er angehörte. Am 4. November schickte RIAA-Syndikus Joel Schoenfeld allen Mitgliedern des Rechtsausschusses, der drei Tage später im New Yorker Büro von MCA Records zusammentreten sollte, eine Mitteilung. Schoenfeld schrieb, »eine Reihe« Label-Manager hätte angeregt, der Rechtsausschuß solle die Untersuchung durchführen, und er habe »diesen Rat akzeptiert«. Schoenfeld hatte einige Nachforschungen angestellt, um herauszufinden, welche speziellen Gesetzesverstöße die unabhängigen Promoter begangen haben könnten. Dazu gehörten Payola, Postbetrug, organisierte Kriminalität und diverse Formen der Erpressung. Schoenfeld sagte, er werde persönlich von jedem Unternehmen Informationen über dessen Umgang mit der unabhängigen Promotion einholen. Er versprach, daß sämtliche Daten vertraulich behandeil würden, und sicherte zu, daß er sich auf sein anwaltliches Aussageverweigerungsrecht berufen könne, falls jemand versuchen sollte, ihn per Gerichtsbeschluß zur Herausgabe seiner Erkenntnisse zu zwingen. Der RIAA-Vorstand, fügte er hinzu, werde auf Grundlage der Daten »entscheiden, ob die Notwendigkeit zur Erhebung einer Zivilklage bzw. einer Anzeige bei den entsprechenden staatlichen Stellen besteht oder nicht«. Schoenfeld machte darüber hinaus einen Vorschlag, der weit umstrittener war. Er sagte, er wolle »neutrale Ermittler engagieren, um diskrete Nachforschungen über die Beziehungen zwischen den unabhängigen Promotern, dem Personal der Radiostationen und den Mitarbeitern von Branchenpublikationen durchzuführen«. Er listete dem Ausschuß vier Detekteien zur Auswahl auf, darunter Wells Fargo und Pinkerton.

Die Idee wurde bei dem Treffen jedoch abgeschmettert. Walter war einer derjenigen, die sich dagegen aussprachen. »Sie wollten mit allen möglichen schäbigen Methoden arbeiten«, beklagte er sich später. »Verdeckte Operationen, Lauschangriff, Schnüffler-Sie wissen schon, Privatdetektive.« F.in anderer Vorschlag, der am 7. November gemacht wurde, kam jedoch durch: Die Untersuchung würde nur dann in die Wege geleitet, wenn alle Firmen einwilligten, daran teilzunehmen. Bei der nächsten Vorstandssitzung am 2.3. Januar 1986 sollte darüber abgestimmt werden. Dick Asher nahm an der Sitzung des Rechtsausschusses am 7. November nicht teil, weil er ihm nicht angehörte. Er war erst seit knapp drei Wochen Präsident von PolyGram und hatte seit seinem Rausschmiß bei CBS an keiner RIAA-Sitzung mehr teilgenommen. Jetzt würde er als Label-Boß Günter Menslers Platz im RIAA-Vorstand einnehmen. Ihm war bereits zur Kenntnis gebracht worden, daß Hensler der Oktober-Resolution über die Untersuchung gegen die IndiePromoter seine Unterstützung zugesagt hatte. Trotz Ashers langem Kreuzzug gegen die Indies war es eine seiner ersten Handlungen, der RIAA durch die PolyGram-Anwälte ausrichten zu lassen, daß die Plattenfirma nicht an der Untersuchung teilnehmen wollte. RIAA-Chef Stan Gortikov war zweifellos überrascht, daß ausgerechnet Dick gegen die Resolution stimmte. Die ganze Branche kannte Ashers Einstellung zur Indie-Promotion. Doch seit dem gescheiterten Boykott hatte Dick eine starke Paranoia in bezugauf das Network entwickelt. Vor allem konnte er nicht vergessen, daß die Promoter die Ausstrahlung der Loverboy-Single »Turn Me Loose« unterbunden hatten, was er als eine persönliche Botschaft interpretierte. Seine beiden Konfrontationen mit dem Network - zuerst bei Pink Floyd, dann beim Boykott - hatten mit seiner öffentlichen Demütigung geendet. Dick war zu der Überzeugung gelangt, daß das Network womöglich doch allmächtig war. Als Gortikov Dick einen Besuch abstattete, um herauszufinden, warum er die Untersuchung nicht unterstützte, nannte Asher ihm seine Gründe. »Ich sagte: >Sehen Sie mal, Stan, die RIAA ist keine Organisation, die auf Ermittlungen spezialisiert ist. Wenn die Regierung

es machen will, wunderbar. Wir können das nicht so gut. Und für mich persönlich kommt dazu, daß ich mir letztesmal eine ziemlich blutige Nase geholt habe. Ich fange gerade bei einer Firma an, die nicht so furchtbar gesund ist, und ich werde das Gefühl nicht los, daß die [Promoter] mich beobachten. Ich habe wirklich Besseres zu tun, als mich auf einen Kampf mit jemandem einzulassen, der uns vielleicht sehr schnell unterbuttert. Fs könnte ein Rezept für eine Beerdigung erster Klasse sein.Ich stimme trotzdem dafür. < Na, klingt das, als hätte ich sie gestoppt?« Zu der Zeit, als die RIAA eine Untersuchung gegen das Network erwog, ließ Walter Yetnikoff gerade die Papiere fertigmachen, um Fred DiSipio ein Custom Label bei CBS zu geben. Es sollte Empire Records heißen, Eigentümer sollten DiSipio und der Manager Tommy Mottola sein, und als Anwalt des Labels war selbstverständlich Allen Grubman vorgesehen. Mottola war Grubmans engster Freund, ein Mitglied von Walters innerem Kreis und der Manager von Hall and Oates, John Mellencamp und Carly Simon. Überdies war er seit langem ein guter Freund von Fred DiSipio. Danny Davis beschrieb Mottola und DiSipio als »zwei, die sich gesucht und gefunden haben«. Daß Allen Grubman, der mächtigste Anwalt der Branche, nun auch Anwalt von Fred DiSipio werden wollte, war nicht jedem bekannt. Ein Mann wußte es allerdings: Jon Landau, der Manager von Bruce Springsteen. Landau, ein ehemaliger Rockkritiker, hatte sich 1 9 8 3 - zum Teil auf den Rat seines »Rabbi« David Geffen hin - dafür entschieden, Springsteen von Grubman vertreten zu lassen. Landau hatte den Journalismus 197.3 aufgegeben, um Springsteen zu managen. Einer seiner letzten Artikel für den Rolling Stone war ein Essay über die Ethik der Branche, der im Gefolge von Clive Davis' Entlassung bei CBS entstanden war. Landau schrieb darin unter anderem: Payola ist nicht nur ein Verbrechen, es belleckt jeden, der damit in Berührung kommt, und führt unausweichlich zur Beteiligung des organisierten Verbrechens und zu einem hohen Einsatz von Geld und Sachwerten. Deshalb müßten die Payola-Gesetze verschärft und rigoros angewandt werden, und die Plattenfirmen sollten einsehen, daß es ein Schandfleck für die gesamte Branche ist.

1 9 8 5 wußte Landau recht gut, wer Fred DiSipio war, da er ihn einige Male getroffen hatte. Er war nicht begeistert darüber, daß Springsteens Anwalt einen Label-Vertrag für DiSipio vermittelte, aber er war bereit, damit zu leben. Als er kürzlich gefragt wurde, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn er von Grubman verlangt hätte, das Empire-Projekt fallenzulassen, schien ihn die implizite Kritik zu verletzen. »Zunächst einmal habe ich generell nicht das Bedürfnis, [Grubman] zu sagen, wer seine Klienten sein sollten«, antwortete er. »Das betrachte ich nicht als meine Lebensaufgabe. Mich interessiert, was er für uns tut. Zufälligerweise habe ich ihm in diesem speziellen Fall aber klipp und klar gesagt, daß es verrückt von ihm war, seinen Freund Mottola mit DiSipio und Yetnikoff ins Geschäft zu bringen. Diese Kombination klang einfach ungesund . . . Aber ich glaube nicht, daß es meine Pflicht gewesen wäre, ihn aus diesem Grund zu feuern.« Wie sich jedoch herausstellte, wurde aus dem Empire-Deal ohnehin nichts. Im Februar 1 9 8 6 , kurz bevor die Papiere unterschrieben werden sollten, geriet Fred DiSipio ins Fadenkreuz der Medien.

16 Die Abendnachrichten

ieser Häuserblock auf der l ; irst Avenue in der Lower liasl Side von New York ist eine Hochburg der Mafiafamilie Gambino...« m a ^ ^

Mit diesen Worten leitete der Fernsehjournalist Brian

Ross einen Beitrag mit dem Titel »Das neue Payola« in den NBC Nightly News ein. Es war der 24. Februar 1986, einen Monat, nachdem die RIAA-Untersuchung gegen die unabhängigen Promoter leise entschlummert war. Nun war eine solche Untersuchung sinnlos geworden. Ross und sein Produzent, lra Silverman, hatten die häßlichen Geheimnisse der lndie-Promotion selbst aufgedeckt und zeigten sie einem bundesweiten Fernsehpublikum. Ross und Silverman gehörten seit 1 9 8 0 , als sie die sogenannte »Abscam«-Story über eine verdeckte Operation des FBI zur Entlarvung korrupter Kongreßabgeordneter gebracht hatten*, zu den besten investigativen News-Teams des Fernsehens. Seil damals hatten sie mehrere Preise gewonnen. Auf ihr Konto ging allerdings auch die höchste jemals in einem Verleumdungsprozeß festgesetzte Entschädigungssumme: Eine Jury in Las Vegas erkannte dem Sänger Wayne Newton 19,2 Millionen Dollar zu, die später auf 5,3 Millionen Dollar reduziert wurden, immer noch eine Rekordsumme. Die Jury befand, NBC News habe fälschlicherweise durchblicken lassen, daß Newton ein Hotel in Las Vegas mit Mafiageldern erworben habe. Im August 1990 jedoch kassierte das Berufungsgericht des neunten Gerichtsbezirks das Urteil einstimmig. * Bei dieser O p e r a t i o n gründete das FBI eine T a m f i r m a n a m e n s Abdul Enterprises. »Abscam« ist eine Z u s a m m e n s e t z u n g aus den Anfangsbuchstaben des F i r m e n n a m e n s und d e m Wort » s c a m « (etwa »Plan, K o m p l o t t « ) , ( A . d . Ü . )

Die Payola-Story hatte ihren Ursprung in ein paar vagen Tips aus Polizeikreisen und in einem unbekannten Namen. Das Los Angeles Police Department überwachte Joseph lsgro und entdeckte, daß er regelmäßig mit einem gewissen »Piney« sprach, offenbar einer wichtigen Person. Wer war das? Mit der Zeit kam das 1APD dahinter, daß es sich bei Piney um Joseph Armone handelte, einen Unterboß der Gambino-Familie. Als Ross und Silverman diese Information bekamen, wußten sie, daß sie einer großen Sache auf der Spur waren. Es gab FBI-Fotos von Armone, aber keine Filmaufnahmen. Deshalb versteckte sich Silverman in einem unauffälligen Lieferwagen vor einem der Läden, in denen sich Armone mit Vorliebe aulhielt, der Konditorei DeRoberti an der unteren First Avenue, spähte durch einen Sucher und wartete. Ross bezog auf der anderen Straßenseite in einer Wohnung Posten, die Zigeunern gehörte. Am Ende eines langen Tages hatten sie die Aufnahmen von Armone, mit denen der Beitrag begann. . . . Dem FBI und der Polizei von New York City zufolge [fuhr Ross in seinem Kommentar fort] ist der Mafia-Capo, der hier und auch anderswo die Geschäfte führt, ein Mann namens Joseph Armone... Die Aktivitäten von Armone und anderen werden seit Monaten vom FBI und der Polizei bis hinüber nach Los Angeles beobachtet, und zwar im Rahmen einer Untersuchung über korrupte Praktiken im Geschäft mit der Rockmusik. Dazu gehört offenbar auch das neuerlich aufgetauchte Payola... Von der gammeligen Lower East Side ging es weiter zum luxuriösen Waldorf-Astoria Hotel an der Park Avenue. Es war der 23.Januar, der Tag, an dem der RIAA-Vorstand zusammengetreten war und beschlossen hatte, die Untersuchung gegen die Indies fallenzulassen. Im großen Ballsaal des Waldorf versammelten sich an jenem Abend die großen Namen der Plattenbranche zum ersten jährlichen Festbankett der Rock and Roll Hall of Fame. In einer ihrer Anwandlungen von Selbstbeweihräucherung wollte die Musikbranche in Cleveland ein Hall-of-Fame-Museum zum Gedenken an Rockstars und Branchenlegenden errichten. An diesem Abend sollten die ersten Aufgenommenen - darunter Ray Charles, Jerry Lee Lewis und der

verstorbene Elvis Presley - geehrt werden. Die NBC-Kamera zoomte näher h e r a n . . . . . . unter den Gästen zwei der mächtigsten und gefürchtetsten Männer des Rock-Busineß: Joseph Isgro, der nach Angaben der Behörden den Mafia-Capo Armone als seinen Partner bezeichnet hat, und Isgros enger Kompagnon Fred DiSipio, der selten ein Geschäft ohne seinen Mitarbeiter Mike tätigt... Man sah Isgro und DiSipio in voller Lebensgröße in einem Meer von Smokingjacken - und, überlebensgroß, Big Mike, den Leibwächter, in einem wahren Zelt von einem Smoking. DiSipio und Isgro, beide Inhaber eigener Firmen, sind Spitzenleute des sogenannten Network... unabhängiger Schallplatten-Promoter, die nach Auskunft von Managern aus der Branche jährlich Millionen Dollars von den Plauenfirmen bekommen... Obwohl Branchen-Insider Ross und Silverman monatelang Informationen geliefert hatten, konnten die Fernsehleute keinen einzigen von ihnen dazu bewegen, vor der Kamera auszusagen. Schließlich fanden sie jemanden, der dazu bereit war: Don Cox, einen populären Discjockey von W I N Z in Miami, auch bekannt als 1-95. Weil er einem verdeckten Ermittler Kokain verkauft hatte, war Cox 1980 verhaftet und ein Jahr später verurteilt worden. Seitdem hatte er sich für staatliche Drogenbekämpfungsprogramme engagiert. Vor laufenden Kameras fragte Ross Cox, wie Indie-Promoter ihn mit Bargeld und Kokain verführt hatten, und der DJ vollzog ein derartiges Treffen nach: Cox: Hier hast du eine Unze . . . Kokain. Paar tausend Dollar... Und ich ruf dich Dienstag an. Ross: Und was passiert am Dienstag? Cox: Sie rufen an und sagen: >Na, wie war's? Übrigens hab ich hier eine Platte, die solltest du dir mal anhören.< Wenn man das Zeug nimmt, muß man auch an den Apparat gehen. Ross: Sie ködern und bestechen die Leute? Cox Imit einem Lachen): Das ist ihr Job. Ungefähr zweiundsiebzig Stunden nach der Sendung wurde Don Cox von vier Männern mit abgesägten Baseballschlägern, Rasiermessern und einer Pistole angegriffen, als er die Radiostation verließ.

Am 4. März ging er vom Krankenbett aus wieder auf Sendung und versicherte den Zuhörern, daß »die Berichte über mein Ableben maßlos übertrieben waren«. Cox erzählte dem /Zolling Stone, er sei brutal verprügelt worden, und einer der Angreifer habe gesagt, er »sollte im Fernsehen nicht seine große Klappe aufreißen«. Brian Ross war jedoch ziemlich sicher, daß der Überfall auf Cox nichts mit der IndiePromotion zu tun hatte. Weder Fred DiSipio noch Joe Isgro wurden für den Beitrag vom 24. Februar interviewt, aber die Zuschauer bekamen heimlich aufgenommene Bilder von ihnen zu sehen. DiSipio wurde beim Abschließen seines Mercedes auf dem Parkplatz seiner Bürosuite in Cherry Hill, New Jersey, gezeigt, Isgro in seinem cremefarbenen Rolls-Royce auf einem Freeway in Los Angeles, mit einer Zigarette im Mundwinkel und seinem Leibwächter Bruce Pond auf dem Beifahrersitz. Das NBC-Kamerateam folgte lsgro dann, als er mit Walter Lee spazierenging, dem Direktor der Promotion-Abteilung von Capitol Records.* Die beiden Männer waren unterwegs zu einem privaten Gescbäftsessen in einem Restaurant namens Simply Blues in Hollywood. Der große, fleischige Bruce Pond trottete mit ausdrucksloser Miene hinter ihnen her. . . . Isgro, hier mit einem Plattenmanager, ist in der Musikbranche ebenso bekannt wie sein Leibwächter [die Kamera zoomt auf Pond]. Doch obwohl NBC News mit zehn Präsidenten von Plattenfirmen Kontakt aufgenommen hat - unter anderem mit den Bossen so großer Labels wie CBS, Warner, RCA und MCA -, wollte sich kein einziger von ihnen vor der Kamera über Isgro, DiSipio oder das Netzwerk unabhängiger Promoter äußern. Einige sagten, sie fürchteten, das könnte ein Nachspiel haben... Als nächstes interviewte Ross Jay McDaniel, den ehemaligen Discjockey, der von einem Network-Promoter bedroht worden war, als er eine unabhängige Promotionfirma gründen wollte. * W a l t e r Lee v e r l i e ß C a p i t o l im M a r z 1 9 8 7 , n a c h d e m er v o n Bill Bartlett, e i n e m s e i n e r Mitarbeiter, w e g e n K ö r p e r v e r l e t z u n g verklagt w o r d e n war. Bartlett g a b a n , Lee h a b e ihn v i e r m a l m i t e i n e m e l e k t r i s c h e n O c h s e n z i e m e r g e s c h o c k t und v e r b r a n n t u n d dabei e r k l ä r t : » D u bist ein Blindgänger; a b i n d e i n e n Stall«, u n d » w e n n d u k e i n e Platten ins Radio b r i n g s t . . . kriegst d u d e n n o c h öfter z u s p ü r e n . «

Ross: Hai man Ihnen Gewalt angedroht? McDaniel: Ja. Ross: Was hat man zu Ihnen gesagl? McDaniel: Fs lief darauf hinaus, daß mein Gesicht umgestaltet werden könnte. Der letzte Teil des Beitrags war der dramatischste und nur durch einen unglaublichen Glücksfall zustande gekommen. Am 23. Januar, dem Abend des Hall-of-Fame-Dinners, hatten Ross und Silverman versucht, Joe Isgro ausfindig zu machen. Sie nahmen an, daß er zu der Smoking-Gala nach New York fliegen und sich in einem Luxushotel einquartieren würde. Deshalb telefonierten sie herum, erkundigten sich nach Isgro und spürten ihn schließlich im Helmsley Palace auf, nur zwei Blocks vom Waldorf entfernt. Zufällig wohnte Ira Silverman, der eigentlich im NBC-Büro in Washington arbeitete, ebenfalls im Helmsley. Am frühen Abend dieses Tages war Silverman in seinem Zimmer im Hotel, und Ross wartete im Foyer auf ihn. Auf einmal sah Ross zu seiner Überraschung John Gotti, den neuen Boß der GambinoFamilie, auf sich zukommen. Gotti ging um die Fahrstühle herum und begrüßte einen kleinen alten Mann mit Handschlag, den Ross als Joseph N. Gallo identifizierte, den consigliere der Gambinos.* Ross rief Silverman an und sagte ihm, er solle ins Foyer herunterkommen, aber pronto. Ross schob sich durch das belebte Foyer näher zu Gotti hinüber. Gleich darauf gesellte sich Gottis todgeweihter Unterboß Frank DeCicco zu ihnen, der nur drei Monate später von einer Autobombe in Stücke gerissen werden sollte. In Hörweite von Ross sagte Gallo zu Gotti, J o e hat da oben eine Suite, die kannst du benutzen. Was für ein Joe? fragte sich Ross, als die drei Gambino-Leute im PenthouseFahrstuhl nach oben fuhren. Kurze Zeit später bekam Ross erneut einen Schock. Zwei weitere Männer mit bekannten Gesichtern verließen die Bar des Helmsley

* nicht zu v e r w e c h s e l n mit »Crazy J o e « Gallo, e i n e m Soldaten d e r Profaci-Familie, der 1 9 7 2 in e i n e m Fischrestaurant in Manhattan im Mafia-Stil hingerichtet wurde.

und kamen, ins Gespräch vertieft, ins Foyer: Joe Armone und Joe Isgro, dicht gefolgt von Isgros beiden Leibwächtern, David Michael Smith und Bruce Pond. Das Quartett fuhr mit demselben PenthouseFahrstuhl hinauf, den zuvor Gotti, Gallo und DeCicco genommen hatten. Inzwischen war Silverman im Foyer zu Ross gestoßen, und die beiden Journalisten standen sprachlos da. Draußen wartete ein Kamerateam in einem Van, um sie zum Hall-of-Fame-Dinner im Waldorf zu begleiten. Wenn sie geahnt hätten, was sich hier vor ihren Augen abspielen würde, hätten sie für eine versteckte Kamera im Foyer gesorgt. Um die verpaßte Gelegenheit wettzumachen, bestellten sie telefonisch in aller Eile zwei zusätzliche Kamerateams ins Hotel. Glücklicherweise war das Drama im Helmsley noch nicht vorbei. Minuten, nachdem lsgro und Armone nach oben gefahren waren, kam Isgro mit seinen Leibwächtern wieder herunter. Dann fuhr eine superlange Limousine vor, der Fred DiSipio und drei seiner Mitarbeiter entstiegen: die Promoter Ron Kyle und Matty »The Humdinger« Singer sowie Big Mike. Bei ihnen warenein paar junge Frauen, wahrscheinlich ihre Begleiterinnen fürs Festbankett. Isgro und DiSipio begrüßten einander, und dann umarmten und küßten sich die drei Bodyguards Mike, Bruce und Dave. Isgro ging zum Hoteltelefon hinüber, und Ross verfolgte ihn. Der Promoter hatte Brian Ross noch nie zu Gesicht bekommen und merkte nicht, daß er belauscht wurde. Isgro rief seinen Angestellten Ralph Tashjian an, der ebenfalls ein Zimmer im Helmsley hatte. Komm runter zu uns, befahl er ihm. Es wird sich für dich lohnen. Tashjian gehorchte. Etwa zehn Minuten später kam der GambinoUnterboß Frank DeCicco wieder ins Foyer und sammelte die Promoter-Gruppe ein: Isgro, DiSipio, Tashjian, Kyle und die Leibwächter. Matty Singer blieb mit den Frauen zurück. DeCicco, ein Riese von einem Mann, schob die Promoter und ihre großen Leibwächter in den Fahrstuhl. Ross, der als furchtlos galt, beschloß, ihnen nicht zu folgen. »Es erschien mir nicht ratsam«, sagte er später. Inzwischen war das erste zusätzl iche Kamerateam eingetroffen - gerade rechtzeitig, um DiSipio beim Betreten des Hotels aufzunehmen.

Etwa eine Dreiviertelstunde später verließen DiSipio und sein Getolge das Helmsley wieder, um zu dem Rock-and-Roll-Dinner zu fahren, und die Kameras fingen sie erneut ein. Währenddessen kam Isgro mit dem Leibwächter David Michael Smith ins Foyer zurück und ging an den Hotelsafe. Er holte ein in braunes Papier eingepacktes Paket heraus, das ungefähr die Länge und Breite amerikanischer Geldscheine hatte, und fuhr dann wieder nach oben. Einige Minuten später kamen Gotti, Armone, DeCicco und Gallo ins Foyer herunter. Ross ergriff seine Chance und gab einem Kamerateam Anweisung, die vier Mobster durch das Glasfenster zu filmen. Als der Türsteher des Helmsley Einwände erhob, schnauzte Ross ihn an, wissen Sie, wen Sie da drin haben? Das ist J o h n Gotti. Der Türsteher wich zurück. Unterdessen entwickelte sich das Hoteldrama zu einer Art Keystone-Cops-Komödie. Ross und Silverman hatten zwar nicht gewußt, daß J o h n Gotti im Helmsley auftauchen würde, das FBI und die New York State Organized Crime Task Force aber offenbar schon. Ohne sich abzusprechen, hatten beide einen Undercover-Agenten ins Hotel geschickt. Die Agenten erkannten einander rasch und mußten dann einem NBC-Kamerateam ausweichen, um nicht in den Abendnachrichten zu erscheinen. Ein paar Minuten darauf erspähte Frank DeCicco die Agenten und die Kamera; da mag ihm gedämmert haben, daß er an dem am wenigsten geheimen Mafiatreffen der Geschichte teilnahm. Mittlerweile hatte das Hall-of-Fame-Dinner begonnen, und Ira Silverman war DiSipio mit einem Kamerateam zum Waldorf gefolgt. Ross wartete darauf, daß Isgro das Helmsley verließ. Mit den zusätzlichen Filmaufnahmen von den Promotern beim Festbankett hatten die Nachrichtenleule mehr als genug Material für ihren Beitrag. Die durch die Fensterscheibe gedrehten Aufnahmen von J o h n Gotti und seinen Soldaten waren von schlechter Qualität, aber man konnte die Männer erkennen. Ross und Silverman hatten es versäumt, Frank DeCicco dabei zu filmen, wie er die Promoter versammelte, und sie hatten auch keine Bilder, die Isgro und Armone zusammen zeigten. Trotzdem hatte Ross gesehen, was vor sich gegangen war; er konnte

jetzt in seinem Beitrag klar und deutlich sagen, daß lsgro und DiSipio sich mit Mafialeuten getroffen hatten.* . . . Wie wichtig das Rock-Busineß für die Mafia ist, wurde letzten Monat in diesem Hotel in New York City deutlich. Joseph Armone, der Mann aus der Konditorei, arrangierte ein ungewöhnliches Treffen mit den drei führende Leuten der Gambino-Familie, zu denen auch John Gotti gehörte, der Boß der Familie - nach Ansicht des FBI ein Gipfeltreffen der Mafia. Außerdem wurden hier beobachtet: Joseph Isgro... sowie Fred DiSipio... Eine Stunde, nachdem sie Spitzenleute der amerikanischen Mafia getroffen hatten, waren lsgro und DiSipio im Waldorf und nahmen dort ihre Plätze unter den Spitzenleuten der amerikanischen Musikbranche ein. Damit verabschiedete sich Brian Ross. Der Beitrag hatte knapp sieben Minuten gedauert, nach den Maßstäben der Abendnachrichten eine kleine Ewigkeit. Trotz ihrer Fassungslosigkeit über die beispiellose Unverblümtheit des NBC-Beitrags und ihrer öffentlich zur Schau gestellten Entrüstung jubelte ein großer Teil der Plattenindustrie insgeheim. Ross und Silverman hatten der Branche einen unschätzbaren Gefallen erwiesen. Jetzt hatte sie die Möglichkeit, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen. Sie konnte in gerechter Empörung ein großes Gezeter anstimmen - wie konnte NBC es wagen, zu unterstellen, die Rock-Branche sei bis ins Mark korrupt! - und die Kontroverse gleichzeitig benutzen, um einen Pfahl ins Herz des Indie-Promotion-Monsters zu treiben, das sie erschaffen hatte. Walter Yetnikoff schien die NBC-Story zunächst für einen Scherz zu halten. Er und andere Top-Manager der Branche versammelten sich am 25. Februar, einen Tag nach der Sendung, zur Verleihung der Grammy Awards in Los Angeles. Spät an diesem Abend, nach der Zeremonie, war Joe Isgro bei der CBS-Records-Party zu Gast. Als er den Raum betrat, spielte die Band auf Walters Anweisung das Thema * Hin w e i t e r e r Beleg dafür, d a ß die P r o m o t e r mit Gotti konferiert h a t t e n , tauchte n a c h der A u s s t r a h l u n g d e r N B C - S t o r y auf. Das F B I h a u e G o l l i s C l u b i n Q u e e n s ein paar l ä g e n a c h d e m Treffen i m H e l m s l e y mit W a n z e n g e s p i c k t u n d h o n e ihn ü b e r die Plattenindustrie sprechen.

aus Der Pale. Zwei Tage später begann eine Grand Jury in New York unter Federführung des Staatsanwalts Rudolph Giuliani, zuerst von der RIAA, dann auch von den Labels unter Strafandrohung die Vorlage von Dokumenten mit Bezug auf die Indie-Promotion zu verlangen. Niemand hatte den geringsten Zweifel, daß die Untersuchung der Grand Jury von der NBC-Sendung angekurbelt worden war. Nun war es kein Scherz mehr. Da sämtliche Label-Bosse zur Grammy-Verleihung zusammenkamen, hatte die RIAA für den Morgen danach - Mittwoch, den 26. Februar - eine Vorstandssitzung anberaumt. Das Thema, das alle, beschäftigte, war die NBC-Sendung. Ursprünglich hatte die Sitzung um 10 Uhr beginnen sollen, aber da die Partys im Anschluß an die Grammy-Verleihung sich bis in die frühen Morgenstunden hingezogen hatten, wurde sie auf Mittag verlegt. Dummerweise hatte niemand daran gedacht, Dick Asher von der Änderung zu informieren; er hatte einen frühen Rückflug gebucht und konnte nur die ersten paar Minuten teilnehmen. Asher erinnerte sich, daß RIAA-Chairman Stan Gortikov berichtete, er werde mit Anrufen der Presse bombardiert, die einen Kommentar zur NBC-Story haben wollten. Was er denn sagen solle? Fast wie aufs Stichwort holte Elliot Goldman, der neue Präsident von RCA Records, eine Erklärung heraus, die er für seine eigene Firma vorbereitet hatte, und las sie laut vor. Andere Vorstandsmitglieder begannen, Änderungen im Wortlaut vorzuschlagen. »Daraufhin sagte ich«, so Asher, »>Tut mir leid, Kameraden, ich m u ß jetzt los. Was immer ihr ausarbeitet, schickt mir eine Kopie nach New York, und wenn es okay ist, laß ich's euch wissen.Wir wissen von keinerlei rechtswidrigen Aktivitäten der unabhängigen Promotionfirmen, die wir beauftragen. Als großer Tonträger-Vertrieb sind wir jedoch besorgt über das Bild unserer Branche in der Öffentlichkeit.< Okay. Also wissen Sie, das ist wirklich reizend. Das Bild ist, daß Isgro und DiSipio und die anderen Indie-Promoter kleine Italiener sind, die den ganzen Tag in Telefonzellen hocken und Hundertdollarscheine einsammeln. Ich habe dreißig Leute hier, und von denen m u ß ich morgen, verdammt noch mal, zwanzig wegen dieser Sache entlassen. Warum? Was habe ich falsch gemacht? Worin besteht mein Verbrechen, zum Teufel? Soll mir doch mal jemand sagen, was ich verbrochen habe. Wissen Sie was? Mir geht's nicht um mich. Das ist mir scheißegal. Ich bin ein echter Junge von der Straße, ich war in Vietnam. Mir geht's um das schwangere Mädel in der Telefonzentrale. Und um die Leute, die hier ihr Leben lang hart gearbeitet haben. Die werden jetzt ihre verdammten Jobs los. Verstehen Sie, was ich meine? Weswegen? Das ist eine riesige Schmutzkampagne. Die zeigen ein Mafiatreffen, und ich bin nirgends zu sehen. Und zeigt doch bloß keine Bilder von mir, wie ich mit Walter Lee essen gehe! Herrgott noch mal, was ist mein J o b ? Was ist sein J o b ? Wo ist das Verbrechen? Was habe ich getan? Bringt mich doch nicht ins Fernsehen, wie ich rumlaufe, >der gefürchtetste Mann der MusikbrancheIch will nicht mehr vernommen werden.* Tja, wie schade. Wir haben ihn noch gar nicht befragt.« Dileo wurde ein drittes Mal geladen, aber bevor er aussagen konnte, tauchten FBI-Agenten auf und nahmen ihn mit, damit er vor der Grand Jury Fragen beantwortete. Die Vernehmungen von Danny Davis erwiesen sich als die wenigen komischen Momente. Davis schilderte eine solche Episode: »Sie fragten mich: »Kennen Sie J o h n Gotti?< Ja. »Wer ist Vir. Gotti, Mr. Davis?* Mr. Gotti ist angeblich eine Figur des organisierten Verbrechens. »Ist er das überhaupt einer Familie?* Ja, ich glaube, er ist das Oberhaupt der Gambino-Familie. »Haben Sie und Mister Isgro je über John Gotti gesprochen?* Ich sagte, ja, das hätten wir. »Und worüber haben Sie gesprochen?* Wir hätten uns darüber unterhalten, wie toll er immer angezogen

ist.«

Als die Grand Jury es im Spätherbst 1987 immer noch nicht geschafft hatte, ihre erste Anklage zu erheben, begannen die Plattenlabel sich außergerichtlich zu vergleichen. Capitol hatte den Vorreiter gemacht, indem es sich im Mai zuvor mit Isgro auf eine nicht bekannte Summe geeinigt hatte. Im Oktober schloß Motown sich an. Später im selben Monat ließ PolyGram, die einzige Firma, die Isgro ihrerseits verklagt hatte, ihre Anklagen im Gegenzug dafür fallen, daß Isgro seine fallenließ. Im November verglichen sich RCA und Arista mit ihm, gefolgt von Chrysalis und A&rM im Dezember. Nun blieben nur noch die Warner-Labels, MCA und die RIAA übrig. Die beiden Labels gingen schließlich zum Gegenangriff über, * Bs w a r nicht m ö g l i c h , dies durch das S t u d i u m der eidlichen Aussagen zu erhärten. A u ß e r ein paar vereinzelten Passagen sind alle Aussagen im R a h m e n d e r Vorunters u c h u n g unter Verschluß g e n o m m e n und Iiis heule nicht freigegeben worden.

indem sie Anklagen wegen organisierter Kriminalität gegen Joe lsgro erhoben. Nachdem der Antitrust-Prozeß sich über zwei Jahre lang hingeschleppt hatte, kam er am 2 2 . August 1 9 8 8 zu einem abrupten Ende, als Richterin Constance Marshail in einer verblüffenden Abkehr von ihren früheren Entscheidungen Isgros Klagen wegen mangelnder Schlüssigkeit verwarf. Warner und MCA zogen prompt ihre Gegenklagen zurück. Der Fall war abgeschlossen. Am Ende forderte der Rechtsstreit finanziell seinen Tribut. Einer Schätzung zufolge hatte Isgro über eine Million Dollar für seinen Prozeß ausgegeben. Die Vergleiche brachten größtenteils Kleingeld, in manchen Fällen auch nur die Begleichung von Rechnungen, die Isgro bei den Labels noch offen hatte. Ende 1 9 8 8 war Isgro nach North Hollywood gezogen, in ein »bezauberndes kleines Haus«, wie er es einem Freund gegenüber beschrieb. Er verkaufte auch Stefanino's, sein geliebtes Restaurant auf dem Sunset Boulevard. Nachdem er zehn Jahre lang ein Leben in großem Stil geführt hatte, war Joseph lsgro nun pleite.

18 Der große Coup

D

ie Krise um die unabhängige Promotion schien vorüber zu

sein, aber die Plattenindustrie hatte offenbar überhaupt nichts daraus gelernt - außer vielleicht, daß es einzig und

allein darauf ankommt zu gewinnen. Die Branche hatte

allerdings auch entdeckt, daß Walter Yetnikoff keine unumschränkte Macht besaß. Tatsächlich war es eine offene Frage, ob Walters Macht bis in die neunziger Jahre hinein unvermindert bestehen bleiben würde. Obwohl die meisten Indies am Ende der Dekade wieder Geld für alle Platten verlangten (und bekamen), die die Stationen in der Radio & Records-Umfrage ins Programm aufnahmen, würde ihr Einfluß nie wieder so stark sein wie früher. Walter, dessen Macht davon abhing, wie stark CBS auf dem Markt war, konnte das Network nicht mehr dazu benutzen, Marktanteile zu kaufen. Die Veränderung im Indie-System war nicht der stärkste potentielle Schlag gegen Yetnikoffs Einfluß. In der Führung der A&rR-Abteilung

hatte er schlechte Arbeit geleistet, und dies begann das Unternehmen in den späten Achtzigern zu schwächen. Die Umsätze und Gewinne von CBS waren immer noch sehr hoch, aber wenn man die Zahlen analysierte, verbarg sich dahinter ein Problem. Jedes Unternehmen in einem von Modeschwankungen abhängigen Geschäft m u ß sich eine Schlüsselfrage stellen: Welcher Prozentsatz der Gewinne stammt von Produkten, die es vor fünf Jahren noch nicht gegeben hat? In der Plattenbranche sind Baby Acts das Äquivalent neuer »Produkte«. Obwohl CBS die Zahlen nicht veröffentlichte, war unschwer zu erkennen, daß die Gewinne größtenteils aus dem

Katalog und von neuen Aufnahmen von Künstlern stammten, die schon viel länger als fünf Jahre dabei waren. 1 9 8 7 waren die größten Bilanzposten beispielsweise ein Live-Album von Bruce Springsteen und Bad, Michael Jacksons Nachfolger von Thriller. Die WarnerLabels machten unterdessen einen Haufen Geld mit relativen Newcomern wie Madonna und Anita Baker. Aber das A&R-Problem von CBS Records zeigte sich noch längst nicht in seiner ganzen Schärfe, und selbst nach der zeitweiligen Einstellung der Geschäftsbeziehungen mit den Indies war Walter Yetnikoff immer noch der führende Mann der Branche. Und als die IndieSache ein für Walter unerfreuliches Ende nahm, gab es noch etwas, worüber er sich aufregen konnte: sein Gehalt. »Ich bin wahrscheinlich der mächtigste Plattenmanager«, sagte Walter zu dieser Zeil. »Keine Ahnung, warum ich nicht auch der reichste bin.« Gemessen am Einkommen eines durchschnittlichen Angestellten stand Walter allerdings gar nicht so schlecht da. Seinem Anwalt Stanley Schlesinger zufolge überstieg sein Reinvermögen damals 4 Millionen Dollar. Sein Grundgehalt betrug 5 5 0 0 0 0 Dollar, CBS haue ihm ein zinsloses Darlehen in Höhe von 1,25 Millionen Dollar gewährt, und seine jährlichen Prämien beliefen sich für gewöhnlich auf eine knappe halbe Million. Es stimmte, daß David Geffen und Irving Azoff viel reicher waren als Walter. Aber beide waren Unternehmer, die ihr eigenes Geld eingesetzt hatten, um Plattenlabels und Künstlermanagement-Firmen zu gründen. Walter hatte noch nie einen Penny riskiert. Trotzdem griff Walter Clive Davis' alles Lamento auf, daß CBS schlecht zahlte. Yetnikoff redete und träumte vom »großen Coup«, dem unverhofften Glücksfall, durch den er in die Liga von Azoff und Geffen aufsteigen würde. »Ich hoffe, er landet seinen großen Coup«, sagte Walters Freund Nat Weiss. »Das ist das einzige, was ihn zu interessieren scheint.« - »Jedesmal, wenn ich mit Walter spreche«, so seine alte Freundin Debbie Federoff, »sagt er: >lch will reich werden.* Ich erkläre ihm immer wieder: >Du bist reich genug.* Und er: >Ich will noch reicher werden.* Ich weiß nicht, warum. Er gibt gar kein Geld aus.« Das stimmte. Walter wohnte jahrelang in einem bescheidenen zwei-

geschossigen Haus in Connecticut und kaufte sich seine Kleidung bei Dapper Dan's von der Stange. Vielleicht wollte er noch mehr Millionen, als er bereits hatte, um auf diese Weise weiterhin mit seinen Rivalen in der Branche mithalten zu können. Oder vielleicht verriet er den wahren Grund, als er erläuterte, weshalb der Anwalt Allen Grubman so geldgierig war. »Das ist die Angst des Immigranten«, sagte Walter. »Er ist ein armer Junge, und ich glaube, er hat - wie ich auch - das Gefühl, daß irgendwas schiefgehen wird und wir alle wieder nach Brooklyn zurückkehren und unter den Brücken leben müssen.« Rational oder nicht, Walters Sehnsucht nach dem großen Coup war zur fixen Idee geworden. Glücklicherweise enthielt sein 1 9 8 4 geschlossener Arbeitsvertrag mit CBS einen unüblichen Passus, der es ihm erlaubte, nebenbei Filme zu produzieren. Niemals zuvor hatte CBS einem Bereichsleiter erlaubt, sich nebenbei noch etwas hinzuzuverdienen. Aber Walter hatte die Jobofferte von Warner Communications clevererweise als Druckmittel benutzt, um die Filmklausel zu bekommen. Er wartete nicht lange, bis er sie ausnutzte. Yetnikoff wurde einer der drei Produzenten des Disney-Films Die unglaubliche Entführung der verrückten Mrs.Stone, der 1 9 8 6 in die Kinos kam. Abgesehen davon, daß er den Videobereich von CBS ein paar Jahre beaufsichtigt haue, kannte Walter sich im Filmgeschäft überhaupt nicht aus. Aber er kannte Billy Joel, Bruce Springsteen und Mick Jagger, die Songs zum Soundtrack beisteuerten. Das Soundtrack-Album kam schließlich bei CBS heraus. Eigentlich hätte es bei Empire Records erscheinen sollen, dem Label, das Walter für Tommy Mottola und Fred DiSipio vorgesehen hatte, aber Mottola bekam eine Entschädigung. Er wurde im Abspann des Films als »musikalischer Leiter« aufgeführt. Einer der wichtigsten Klienten, die er managte, Daryl Hall von Hall and Oates, nahm ebenfalls einen Song für den Soundtrack auf. Es ist nicht bekannt, wieviel Mottola dafür bekommen hat; Disney erklärte sich bereit, Walter für seine Dienste zwei Millionen Dollar zu zahlen - nicht schlecht für ein bißchen schmuesen. Es war nicht der große Coup, aber immerhin. Kurz bevor Die unglaubliche Entführung der verrückten Mrs.Stone herauskam,

erklärte Walter einem Reporter, weshalb er auf der Filmklausel in seinem Vertrag bestanden hatte: »Der goj da oben will mich kein Geld machen lassen.« In letzter Zeil hatte der goj seine eigenen Probleme. Thomas Wyman glaubte, sein J o b sei sicherer als der seiner Vorgänger Arthur Taylor und John Backe, weil er das CBS-Board 1 9 8 3 überredet hatte, ihm Bill Paleys Tiiel des Chairman zu geben. Paley blieb Mitglied des Board und mit 8 Prozent des Unternehmens Großaktionär, aber offiziell nicht mehr als das. Was Wyman nicht vorhergesehen hatte, war eine Übernahmedrohung von Ted Turner, dem Gründer des Kabelfernsehunternehmens Turner Broadcasting. Ein paar Jahre früher wäre ein solcher Versuch Turners, dessen ruppiger Stil ihm den Spitznamen »Captain Outrageous« eingetragen hatte, mit einem Lachen abgetan worden. CBS war ein 5 Milliarden Dollar schwerer Koloß, mehr als eine Nummer zu groß für Turner. Aber dies war die Zeit der J u n k Bonds, eines Finanzierungswerkzeugs, das es privaten Investoren ermöglichte, unerhörte Summen in bar aufzubringen. Trotzdem war man in der Wall Street skeptisch, daß Turner das Geld auf den Tisch legen konnte. Dennoch nahm Wyman die Drohung ernst. Wymans Kritiker halten den Eindruck, daß CBS unier seiner Führung für eine Übernahme - wenn nichl von Turner, dann von jemand anderem - anfällig geworden war. Seine Diversifizierungsversuche in die Bereiche Spielfilm, Spielzeug und Computer-Software waren fehlgeschlagen. Das außerordentlich wichtige Fernsehnetwork war bei den Quoten vom ersten auf den zweiten Platz gefallen, die Gewinne entsprechend gesunken. Paley drängte das Board, Wyman vor die Tür zu setzen, und diesmal hatte er vielleicht ausnahmsweise recht, aber nun hatte Wyman mehr Anhänger im Board als er. Im April 1985 bot Turner 5,4 Milliarden Dollar für CBS - alles in fadenscheinigen schuldrechtlichen Wertpapieren -, und Wyman beging den ersten von drei schweren Fehlern, die ihn seinen J o b kosten sollten. In einer Kurzschlußreaktion auf Turners ehrgeizige Offerte machte er ein Gegenangebot: CBS würde bis zu 20 Prozent seiner eigenen Aktien für 150 Dollar pro Stück zurückkaufen.

Wymans Angebot lief über den Bildschirm von Daniel Tisch, dem Chef der Risikoarbitrage bei Salomon Brothers. Der rief seinen Vater Laurence Tisch an und erzählte ihm davon. Mit seinen dreiundsechzig Jahren war Larry Tisch einer der großen Finanziers der Welt. Er hatte das Familiengeschäft übernommen, ein kleines Sommercamp in New Jersey, und es zur Loews Corporation ausgebaut. Loews umfaßte eine große Versicherungsgesellschaft, einen Zigarettenhersteller und eine Kette von Kinos und I lotels, darunter das vornehme Regency Hotel in New York. Es rühmte sich auch eines Wertpapierbestands in Höhe von 13,5 Milliarden Dollar. Tisch war einer jener Investoren, die man in der Wall Street als »Grundfischer« bezeichnet. Er suchte nach Unternehmen oder Objekten, die zu besonders günstigen Preisen verkauft wurden, weil andere ihre versteckten Werte nicht erkannten. Ein klassischer TischDeal war der Kauf von fünf Öltankern für 5 Millionen Dollar, weniger als ihr Schrottwert. Solche knallharten Deals halte Tisch sein Leben lang gemacht und war dadurch zum Milliardär geworden, aber sein Reichtum ließ ihn so kalt, daß er in einem alten Kombi herumfuhr. Ein berühmtes Unternehmen wie CBS war normalerweise von geringem Interesse für Tisch. Hinter einer Aktie, auf die die Blicke der ganzen Welt gerichtet waren, verbarg sich nur selten eine günstige Gelegenheit. Aber Danny Tisch dachte, daß er mit Salomons Geschick und Erfahrung an der Börse CBS-Aktien zu einem Durchschnittspreis weit unter 150 Dollar für Loews ankaufen und dann rasch wieder mit einem hübschen Profit verkaufen konnte. Es war genau die Art von Investition, die Larry Tisch liebte: eine ohne ersichtliches Risiko. Tisch gab Danny grünes Licht. Doch irgendwann in den nächsten paar Monaten änderte Tisch seine Investitionsstrategie. Bei Arbitragegeschäften kommt es nur darauf an zu verkaufen - aber das tat er nicht. Statt dessen kaufte er immer mehr. Als die Immobilienmogule Lawrence und Zachary Fischer im April 1986 eine Million CBS-Aktien zum Verkauf anboten, griff Tisch zu. Binnen kurzem besaß Loews 25 Prozent von CBS. Leute, die Larry Tisch zu kennen glaubten, waren erstaunt. War er plötzlich auf Stars abgefahren?

Niehl ganz. Tisch war zu der Ansicht gelangt, daß Radio- und Fernsehnetworks eine Absicherung gegen schlechte Zeiten waren. Als in der Wolle gefärbter Pessimist glaubte er stets, daß gleich hinter der nächsten Fcke eine wirtschaftliche Katastrophe lauerte. Gleichzeitig schien er bei der Aussicht, eine amerikanische Institution wie CBS zu besitzen, wirklich glänzende Augen zu bekommen. Er begann davon zu sprechen, daß CBS ein »Erbe« für seine Söhne sei. Tischs 25 Prozent verschafften ihm einen Sitz im Board, und Loews verfügte über das nötige Kleingeld, um den Einsatz bis zur Mehrheitsbeteiligung zu erhöhen, falls nötig. Tom Wyman versuchte, gute Miene zu Larry Tischs Investition zu machen, die zumindest der Turner-Drohung ein Ende setzte. In der Öffentlichkeit bezeichnete er Tisch als »weißen Ritter«, aber insgeheim machte er sich Sorgen darüber, daß Tisch eine schlimmere Gefahr darstellen könnte als Turner. Dann machte Wyman Fehler Nummer zwei, indem er Tisch bat, eine Zusicherung zu unterschreiben, daß Loews keine weiteren CBS-Aktien kaufen würde. Tisch lehnte entrüstet ab. Von diesem Moment an waren die beiden Männer Feinde. Bei einer Board-Sitzung am 10. September 1 9 8 6 beging Wyman seinen dritten und bis dahin schwersten Fehler. Die Ereignisse dieses Tages würden als eines der größten Firmendramen des Jahres in Erinnerung bleiben - und erst recht als einer der größten Coups in Larry Tischs Laufbahn. Wyman gab bekannt, daß er Geheimgespräche mit der Coca-Cola Company geführt hatte. Coke, sagte er, habe sein Interesse zum Ausdruck gebracht, CBS mit einem ordentlichen Aufgeld zu kaufen. Tisch sprang auf. Er werde seine Anteile nicht verkaufen, beharrte er, um keinen Preis. Und was Wyman sich eigentlich dabei denke? Als Ted Turner an CBS herangetreten sei, habe Wyman feurige Reden über die Bedeutung der Unabhängigkeit des Network geschwungen. Und jetzt wolle er CBS an einen Limonadenhersteller verkaufen? Die fassungslosen Board-Mitglieder baten Wyman,Tisch und Paley, den Raum zu verlassen. Nach einer Stunde war das Board zu einer Entscheidung gekommen. Wyman war draußen. Tisch wurde zum

»Interims«-Präsidenten und Generaldirektor ernannt. Der lünfundachtzigjährige Bill Paley war wieder Chairman. Ein paar Monate später war das »Interim« in Tischs Titel weggefallen. Er saß fest im Sattel, und dazu halte er nicht einmal seine 25 Prozent in die Waagschale werfen müssen. Paley konnte Tisch nicht kontrollieren; Chairman oder nicht, er würde sich als reine Galionsfigur erweisen. Ein Blick auf Larry Tisch zeigte, daß er kein Paley-Mann war. Taylor, Backe und Wyman waren hochgewachsen und elegant; Tisch war klein und fast kahl. Er war nicht nur der erste jüdische CBSPräsident, sondern obendrein auch ein militanter Jude. Tisch trug einen Davidstern am Revers und lud einmal pro Woche einen TalmudGelehrten ein, bei Loews die Heilige Schrift zu lehren. Er war Präsident des Greater New York United Jewish Appeal. Seine Frau Wilma war die erste Präsidentin der Federation of Jewish Philanthropies. Das Wohlergehen des Staates Israel lag ihm am meisten am Herzen. Als Moshe Dayan gestorben war, hatte Tisch seiner Witwe eine Million Dollar für Dayans Sammlung biblischer Reliquien gezahlt und sie dann anonym dem Staat Israel geschenkt, damit sie nicht in die Hände von Ausländern geriet. Walter Yetnikoff hätte von Tisch entzückt sein müssen. Anfangs war er das auch. Er bat Tisch, ihn »Velvo« zu nennen, Jiddisch für Walter. Aber seine Zuneigung ließ bald nach, und schließlich haßte er Tisch mehr, als er je einen CBS-Präsidenten vor ihm gehaßt hatte. 1987 nannte Waller ihn »pisch«, »Tischburg«, »der böse Zwerg« und sogar »der Itzig da oben«. Tisch war Walter mehr als ebenbürtig. Er war hart und unsentimental und äußerst knauserig. Wie Clive vor ihm beklagte sich Walter, daß Warner einen Firmenjet zur Verfügung stellte, um Rockstars um die Welt zu fliegen, und bat CBS, das gleiche zu tun. Statt dessen schaffte Tisch Pakys Flugzeug ab. Er schloß auch Walters private Küche und seinen Speiseraum. »Ha! Eine enorme Einsparung«, sagte Walter, als er den Raum einmal einem Besucher zeigte. »Nicht gerade das Taj Mahal.« Mit seinem großmäuligen Gepolter und dem Herausstreichen seines Judentums war es Walter gelungen, frühere Präsidenten ins

Bockshorn zu jagen. Tisch kam aus Fiatbush, nicht weit von dort, wo Yetnikoff aufgewachsen war; er kannte Walters Nummer in- und auswendig und fand sie nicht komisch. Überdies hatte er feste Vorstellungen davon, wie sich jüdische Geschäftsleute benehmen sollten. Walters Wutanfälle ließen ihn kalt. Tisch lachte nicht, wenn Walter die Firma zu verlassen und wichtige Künstler mitzunehmen drohte, oder wenn er wilde Behauptungen über den Drogenkonsum bei CBS News äußerte. Die ersten Risse zwischen Tisch und Walter entstanden möglicherweise mit einem Yetnikoff-Port rät in der Esquire-Ausgabe vom November 1 9 8 6 . Es kam an die Kioske, als Tisch gerade CBS übernahm, und er fand es entsetzlich. In dem Artikel machte Walter seine Bemerkung über den »goj da oben«, bezeichnete Fred DiSipio als »Freund« und die Indie-Promoter allgemein als »menschen« und erklärte ungefragt, daß er zusammen mit Morris Levy ein Rennpferd besaß. Er war ordinär, wie üblich. In einem Abschnitt des Porträts beklagte sich Walter darüber, daß ihn George Vradenburg III, der Hausjurist von CBS, einem strengen Verhör unterzogen hatte. »Himmel noch mal, Vradenburg wollte wissen, ob ich beweisen könnte, daß ich keine Provisionen genommen oder gezahlt h ä t t e . . . Wie zum Teufel soll man so was beweisen? Soll man seinen Schwanz auf den Tisch legen und einen Eid schwören?« Ein paar Tage nach Erscheinen des Artikels gab Tisch der Zeitschrift Channels ein Interview. Der CBS-Boß redete nicht gern mit der Presse, und wenn er es tat, war Offenheit nicht gerade seine Stärke. Tisch tat Walters Bemerkung über DiSipio als irrelevant ab. »Es gibt keinen großen Skandal um die unabhängige Promotion«, beharrte er. »Unsere Rechtsabteilung und außenstehende Berater haben das über die Jahre hinweg sehr sorgfältig untersucht. Hier ist niemals wissentlich etwas Unrechtes getan worden. Ich weiß nur, daß Yetnikoff Jurist ist, er ist ein geachtetes Mitglied der Anwaltschaft, er ist ein sehr intelligenter und ehrenwerter Mann. Und ich habe noch nie gehört, daß jemand etwas über Walter Yetnikofl gesagt hat, was auch nur im geringsten seine Integrität geschmä-

lert hätte. Er ist ein sehr, sehr ehrenwerter Mann. Der Esquire-Artikel ist Walter Yetnikoff nicht gerecht geworden. Mag sein, daß er ohne Krawatte herumläuft, aber trotz all dem ist er ein sehr konservativer Geschäftsmann. Urteilen Sie nicht danach, daß er keine Krawatte trägt und einen Bart hat. Walter ist ein sehr konservativer Jurist und Geschäftsmann und ein sehr fähiger Manager. Und Walter ist zu klug, etwas zu tun, was die Firma oder ihn selbst in Gefahr bringen würde. Ich habe großes Vertrauen zu Walter Yetnikoff.« Aber was war mit den NBC-Behauptungen, daß dieser »Freund« von Yetnikoff an einem Mafiatreffen teilgenommen habe? »Was soll ich dazu sagen?« fauchte Tisch gereizt. »Ich war nicht dabei, ich weiß nichts darüber. Wissen Sie, wenn jemand bei Treffen mit anderen Leuten gesehen wird, verurteile ich ihn nicht dafür. Das ist für mich schon hart an der Grenze zur Verantwortungslosigkeit. Vielleicht könnte jemand sagen, daß ich bei einer Affäre mit irgendeiner zwielichtigen Gestalt dabei war. Gott bewahre uns davor, daß es in Amerika als Zeichen der Schuld gewertet wird, wenn man mit irgendwem in einem Raum gesehen wird. Dann wären wir alle in Schwierigkeiten.« Tischs Argument fand allgemeine Zustimmung. Bei einer »Affäre« im folgenden März wurde er tatsächlich mit zwei berüchtigten Leuten gesehen: Fred DiSipio und Morris Levy. Morris war sieben Monate zuvor wegen Erpressung angeklagt worden. Der Anlaß des Zusammentreffens war Walter Yetnikoffs Flochzeit mit Cynthia Slamar, der vorerst letzten in der Reihe seiner blonden, nichtjüdischen Freundinnen. Unter den Gästen waren auch Bruce Springsteen, Barbra Streisand und Mickjagger. Die Hochzeit fand im Plaza Hotel statt, am gleichen Ort wie Clive Davis' berüchtigter bar-mitwa-Empfang. Walters 1 leirat mit Slamar war für seine Freunde ein Zeichen dafür, daß er sich in den Griff zu bekommen versuchte. Seine ehemalige Lebensgefährtin Lynda Emon traf nach Angaben ihres Anwalts und besten Freundes, Sandy Katz, eine »Scheidungs«-Regelung mit Walter. Sie kehrte nach Minneapolis zurück und wurde Verkaulsrepräsentantin von Billboard. Später zog sie nach Nashville. Nachdem sie nun nicht mehr mit Walter zusammen war, stellte sie fest, daß die meisten

ihrer ehemaligen Freunde in der Branche ihre Anrufe ignorierten. »Ich komme mir wie die enthauptete Königin vor«, sagte sie. Walter konnte Tisch zwar immer weniger leiden, mußte aber im stillen gestehen, daß der Finanzier ihm eine Gelegenheit für seinen großen Coup bot. Falls CBS den Tonträgerbereich verkaufte, würde Walter nämlich vom Käufer fast mit Sicherheit eine enorm hohe Unterzeichnungsprämie bekommen, damit er am Ruder blieb und das Schiff auf Kurs hielt. Vielleicht würde er sogar an CBS Records beteiligt werden. Tisch betonte zwar mehrfach, daß CBS Records »nicht zum Verkauf« stünde, aber er fühlte sich durchaus nicht immer an sein Wort gebunden. So schrieb er an seinem ersten lag als Präsident eine Hausmitteilung, in der er Peter Darow, dem Leiter des Vcrlagsbereichs von CBS, sein »vollständiges Vertrauen« aussprach, und strich seinen J o b dann einen Monat später. In der Tat war Tisch für seine Bereitschaft bekannt, alles zu verkaufen, sofern der Preis stimmte. Er hatte sogar die Residenz seiner Mutter verkauft, das Americana Hotel in Florida. Wenn Tisch eine Firma übernahm, reduzierte er sie gewöhnlich bis auf ihr Kerngeschäft und stieß alle äußeren Teile ab. Zwischen dem Tonträgerbereich und dem Rest von CBS gab es sehr wenig Interaktion. Tisch hatte CBS gekauft, weil er an die Zukunft des Network-Fernsehens glaubte, nicht an die von Tonträgern mit Musik. Sicher, CBS Records machte momentan gutes Geld, aber Anfang der Achtziger hatte das Unternehmen nichts verdient. Wer konnte sagen, daß es nicht wieder so kommen würde? Walter gab diesen Ängsten Nahrung, indem er Tisch und anderen Board-Mitgliedern gegenüber hervorhob, daß das Plattengeschäft in der Tat zyklisch sei. Und Tisch versicherte zwar, er fürchte sich nicht vor einem Skandal wegen der Indie-Promotion, gab aber später zu, daß er doch Angst gehabt habe. »Unsere Lizenzen kommen von der Federal Communications Commission«, sagte er, »und da werden immer Fragen über Beziehungen in der Plattenbranche aufgeworfen.« Walter begann fast von dem Moment an, einen möglichen Verkauf von CBS Records mit Tisch zu erörtern, als dieser Wymans Platz einnahm. Yetnikoff glaubte, Tischs Wort zu haben, daß ohne sein Wissen

nicht über einen Verkauf verhandelt werden würde. Falls Tisch ihm ein solches Versprechen gegeben hatte, so war es ein weiteres, das er prompt brach. Im Oktober 1986, nur Wochen, nachdem er CBS übernommen hatte, bekam Tisch einen Anruf von Nelson Peltz, dem Chef von Triangle Industries. Triangle stellte Verpackungen her, aber Peltz hatte das Unternehmen zu einem Konzern mit Beteiligungen in Automaten, Draht und Kabeln umgewandelt. Warum nicht auch in Musik? Tisch erklärte Peltz, CBS Records stehe in der Tat zum Verkauf, wenn er bereit sei, 1,25 Milliarden Dollar zu zahlen. Das war der sechzehnfache Durchschnittsgewinn von CBS Records in den letzten fünf Jahren. Peltz fand den Preis hoch, sagte aber, er wolle es sich überlegen. Als Walter durch einen befreundeten Investmentbanker von dem Angebot an Peltz erfuhr, war er wütend. »Ich habe ein bißchen geschrien und gebrüllt«, sagte er. Tisch beruhigte ihn, indem er ihm anbot, er könne gern selber versuchen, CBS Records zu verkaufen, vorausgesetzt, er finde jemanden, der bereit sei, 1,25 Milliarden Dollar in bar zu bezahlen. Außerdem müsse das Geschäft aus steuerlichen Gründen vor Jahresende über die Bühne gehen. Die nächsten Wochen gehörten zu den hektischsten in Walters Leben. Zuerst versuchte er, einen Leverage Buyout zu organisieren, das heißt, den Kauf des Unternehmens durch das eigene Management mit geliehenem Kapital. Das war ein mühseliges Unterfangen, wie er feststellte; die Wall Street war mit dem Rock-and-Roll-Geschäft nie so recht warm geworden. Unterdessen bekundete Disney sein Interesse am Kauf von CBS Records, schreckte jedoch angesichts des Preises davor zurück. Zwei Tage vor der Novembersitzung des CBS-Boards ließ Walter schließlich Michael Schulhof, dem Vize-Chairman von Sony USA, eine dringende Nachricht zukommen. Walter war für Sony eine bekannte Größe. Als junger Anwalt hatte er 1 9 6 7 die juristische Arbeit für die Gründung von CBS/Sony erledigt, eine Joint-Venture-Plattenfirma in Japan. CBS/Sony war ein riesiger Erfolg; das Gemeinschaftsunternehmen hatte mit einem Startkapital von 2 Millionen Dollar angefangen und fuhr mittlerweile mehr als 100 Millionen Dollar Gewinn pro Jahr ein. Walter hatte nach wie vor freundschaftliche

Kontakte zu Norio Ohga, Sonys Präsident in Japan. »Es ist eine ungewöhnliche Beziehung zwischen einem Asiaten und einem Amerikaner«, sagte Walter. »Wir sprechen darüber, wie man seinen Charakter entwickeln sollte und worum es im Leben eigentlich geht.« Walter erzählte Schulhof, daß CBS Records zum Verkauf stand, und informierte ihn über seine Bedingungen. Er wollte ein Angebot von 1,25 Milliarden Dollar binnen zwei Tagen, rechtzeitig zur BoardSitzung, dazu einen garantierten Prämienpool von 50 Millionen Dollar für ihn und »die mischpoche« - sein Management-Team. Zwanzig Minuten später hatte Schulhof bereits mit Ohga und Akio Morita gesprochen, dem Chairman von Sony, und er halte eine Antwort für Walter: Ja. Der große Coup schien zum Greifen nahe zu sein. »Die Unterzeichnungsprämie war eine Menge Geld«, sagte Walter. »Dazu die Kapitalbeteiligung. Es war eine Chance, Eigentümer von - mein Gott! CBS Records zu werden. Ich hatte hier als Anwalt auf der dritten Sprosse von unten oder so angefangen. Und jetzt mischte ich mit Aussicht auf eine hohe Beteiligung bei einem Geschäft mit, bei dem es um eine Milliarde zweihundertfünfzig Millionen Dollar ging? Ich, ein Junge aus Brooklyn? Gar nicht schlecht, was?« Früh am nächsten Morgen traf sich Waller in seiner Wohnung an der östlichen fünlündsechzigsten Straße mit Schulhol und drei SonyVertretern. Um halb zehn, noch im Morgenmantel, hatte Walter das Nebengeschäft für sich und sein Management-Team unter Dach und Fach. Er persönlich würde im voraus eine Prämie von 10 Millionen Dollar in bar plus Kapitalbeteiligungen und andere Vergütungen in mindestens noch einmal der gleichen Höhe bekommen. Dann rief Waller Tisch an, aber als sie miteinander sprachen, rutschte Yetnikoff das Herz in die Hose. Tisch hatte den Board-Mitgliedern gegenüber die Idee eines Verkaufs des Tonträgerbereichs angesprochen und war auf mehr Widerstand gestoßen, als er erwartet hatte. Es war möglich, daß das Board sein Veto gegen den Vorschlag einlegen würde, wenn er am nächsten Tag bei der Sitzung zur Sprache kommen würde. In dieser Nacht konnte Walter nicht schlafen. »Ich habe so zirka zweiundzwanzig Brandys getrunken«, sagte er. Er versuchte, an der

Board-Sitzung am nächsten Tag teilzunehmen, aber »sie schmissen mich raus. Bei der Abstimmung war ich nicht dabei«. Die Entscheidung lautete nein; Paley brachte seinen Widerstand besonders wortreich zum Ausdruck. Walter war am Boden zerstört. Im Kopf, sagte er, »gehörte mir schon eine eigene Plattenfirma und halb Südfrankreich.« Einen Monat später tauchten in einem Artikel im Wall Street Journal die ersten Hinweise auf die Verachtung auf, die Walter Larry Tisch gegenüber empfand. Die Zeitung deutete an, daß Walter Tisch die Schuld an der Weigerung des Board gab, CBS Records zu verkaufen. Damit hatte Walter möglicherweise recht, denn Tisch wäre mächtig genug gewesen, sich über das Veto hinwegzusetzen. Walter dementierte die Geschichte jedoch. »Das ist verrückt, weil Tisch ein Befürworter des Geschäfts war. Auf CBS war ich aber wirklich sauer. Ich war ein bißchen emotional in der Angelegenheit. Aber Larry Tisch war derjenige, der all meine Träume zu erfüllen versuchte - oder zumindest all meine geschäftlichen Träume.« Aus dem Geschäft war zwar vorläufig nichts geworden, aber es war nicht endgültig geplatzt. Walter war entschlossen, es noch einmal zu versuchen; Sony ebenfalls. Das japanische Unternehmen wollte CBS Records unbedingt haben, und der Grund dafür war kein Geheimnis. Er leitete sich von Sonys Scheitern auf dem Videomarkt her. In den späten siebziger Jahren hatte Sony mit der Vorstellung des ersten Videorecorders - des Betamax - die Führung im Videobereich übernommen. Philips und andere Konkurrenten konterten mit Geräten im VHS-Format, die größere Bänder benutzten. Obwohl die Betamax-Geräte als technisch überlegen galten, zählte für die Konsumenten, daß auf VHS mehr Spielfilme erhältlich waren. Zu Sonys Bestürzung fiel Betamax durch, und VHS wurde das universelle Format. Die Auswirkungen eines gigantischen Flops auf die seelische Verfassung eines Konzerns sind mit denen eines verlorenen Krieges auf ein Volk vergleichbar. Eine weitere solche Niederlage mußte um jeden Preis verhindert werden. Sony, von dem Wissenschaftler Akio Morita mitbegründet und geführt, hatte geglaubt, daß die bessere Technolo-

gie sich durchsetzen werde. Nun erkannte das Unternehmen zu spät, daß es mit Betamax hätte gewinnen können, wenn es ein Filmstudio mit einem großen Katalog populärer Filme besessen hätte. Dann hätte es den Markt mit Spielfilmen im Betamax-Format überschwemmen können. Ungefähr zu der Zeit, als der Erwerb von CBS Records in den Bereich des Möglichen rückte, war eine neue Technologie in Sicht. Sie hieß »digital audio tape« oder DAT, das Tonband-Pendant der CD. Mit DAT-Kassetten konnte man Musik ohne das geringste Bandrauschen aufnehmen und wiedergeben. Angesichts des Erfolgs der CD bezweifelten nur wenige, daß die DAT-Geräte der nächste Renner auf dem Gebiet der Stereo-Hardware werden würden. Anfang der neunziger Jahre konnten sie in Serie gehen. Mit dem Besitz von CBS Records hätte Sony dann Zugang zum umfangreichsten Katalog aufgezeichneter Musik. Es würde DAT-Geräte herstellen und das Format praktisch diktieren können. Yetnikoff war einer derjenigen gewesen, die sich kritisch über DAT geäußert hatten, seil die Technologie 1 9 8 6 aufgetaucht war. Wie andere Persönlichkeiten aus der Branche schimpfte Walter über das private Mitschneiden von Musik, das er als »Diebstahl« bezeichnete, obwohl es nicht illegal war. Mit DAT, so behauptete er hartnäckig, würden sich die Leute ihre Lieblingssongs noch häufiger aus dem Radio aufnehmen. CBS hatte sich - allerdings erfolglos - an die Spitze einer Lobby gesetzt, die den US-Kongreß dazu bewegen wollte, die normalen unbespielten Tonbänder zu besteuern. Währenddessen erklärte die Firma, sie würde erst dann digitale Kassetten herstellen, wenn die zukünftigen DAT-Geräte mit »Spoilern« ausgerüstet würden - Mikrochips, die das Aufnehmen unmöglich machten und damit den Reiz von DAT erheblich verminderten. Kein Hersteller von Stereogeräten, der noch alle Sinne beisammen hatte, würde so einen Spoiler freiwillig einbauen, auch Sony nicht. Der Plattenbranche entging die Ironie nicht, die in Walters Eifer lag, CBS Records an Sony zu verkaufen. Falls er es schaffte, würde er damit den Erfolg spoilerfreier DAT-Geräte geradezu sicherstellen. Im Herbst 1987 hatten sich die Beziehungen zwischen Walter und

Tisch noch weiter verschlechtert. Walter beleidigte Tisch ganz offen und direkt, manchmal mit großer Lautstärke. Für manche in der Firma hatte es fast den Anschein, als wollte Walter Tisch provozieren, ihn zu feuern. Aber er wollte ihm wohl eher einen weiteren guten Grund liefern, CBS Records zu verkaufen - damit würde das Unternehmen eine echte Nervensäge loswerden. Nicht daß die Animosität nicht echt gewesen wäre. Tisch behandelte Walter wie einen x-beliebigen Bereichsleiter, und das war Gift für dessen Ego. Tisch wollte den Tonträgerbereich zwar verkaufen, aber er war ein zu sturer Geschäftsmann, als daß er sich übereilt auf eine Transaktion eingelassen hätte, die nicht all seinen Bedingungen entsprach. Da zu Beginn des Jahres 1987 der neue bundesstaatliche Steuerkodex in Kraft getreten war, war der ursprüngliche Verkaufspreis von 1,25 Milliarden Dollar auch nicht mehr annähernd so attraktiv wie noch im vergangenen Jahr. CBS würde eine viel höhere Steuer auf Kapitalgewinne entrichten müssen. Tisch hielt es für einen besseren Plan, CBS Records insgesamt oder teilweise der Allgemeinheit zu verkaufen, indem das Unternehmen an die Börse ging. In diesem Fall hätte Walters Prämie allerdings von Larry Tischs Großzügigkeit abgehangen, und das Wort paßte auf ihn als Philanthrop, aber nicht als Geschäftsmann. Wenn Sony oder ein anderes Unternehmen CBS Records kaufen wollte, so bestand Tisch jetzt auf einem Preis von 2 Milliarden Dollar. Die rasante Teuerungsrate - über 60 Prozent in nur neun Monaten - schreckte jeden Interessenten außer Sony ab. In derselben Zeitspanne war der Yen gegenüber dem Dollar leicht gestiegen, was dem Preisanstieg für Sony etwas von seiner Schärfe nahm. Trotzdem zeigte Sonys Bereitschaft, eine Summe von 2 Milliarden Dollar ernsthaft in Erwägung zu ziehen, wie versessen der Konzern daraufwar, CBS Records zu erwerben. Im September legte Sony sein Angebot vor. Tisch versicherte Michael Schulhof von Sony diesmal könne ersieh über die Einwände Paleys und des Boards hinwegsetzen. Aber nach der Board-Sitzung im selben Monat machte Tisch einen Rückzieher; er sagte, das Board wolle eine Beraterfirma hinzuziehen, um den Wert von CBS Records

zu schätzen. Zu dieser Zeit hörte ein CBS-Manager eines Tages, wie jemand in Tischs Büro ein Stockwerk tiefer aus vollem Hals losbrüllte. Der Manager legte das Ohr an den Boden und erkannte die Stimme von Walter Yetnikoff. Tisch spielte immer noch mit dem Gedanken einer Aktienemission, was CBS Records betraf. Dieser Plan wurde am f9. Oktober jedoch zunichte gemacht, als die Börse zusammenbrach. Überdies brachte der Börsenkrach den Pessimisten in Larry Tisch zum Vorschein, jetzt geht es los, sagte er sich, das sind die ersten Anzeichen einer wirtschaftlichen Katastrophe. In solchen Zeiten sollte man so liquide wie möglich sein. Wenn er immer noch 2 Milliarden Dollar in bar von Sony bekommen konnte, würde kein Protest des CBS-Boards den Verkauf stoppen. Schulhof bat Tisch, ihm dieses Versprechen schriftlich zu geben. Tisch tat es. Trotzdem wären die Gespräche beinahe abgebrochen worden, als es um die Gewinne von CBS Records im vierten Quartal ging. Tisch wollte, daß CBS diese Gewinne bekam. Sony erhob ebenfalls Anspruch darauf; der japanische Konzern war sicher, daß Tisch kein 2-Milliarden-Dollar-Geschäft platzen lassen würde. Dann verfaßte CBS am 17. November eine Erklärung, die am nächsten Tag veröffentlicht werden sollte; darin stand, daß es zu keiner Einigung gekommen sei. Am 18. November gab Sony nach. Beide Seiten schüttelten sich die Hände, und das Geschäft war perfekt. »Larry war prima, er hat keinen Millimeter nachgegeben, und sie konnten es nicht glauben«, sagte jemand, der die Gespräche aus nächster Nähe verfolgt hatte. Der Börsenkrach, der so viele in Armut stürzte, verschaffte Walter endlich seinen großen Coup. Da er nicht an der Börse spekulierte, hatte er nichts von seinem bereits vorhandenen Reichtum verloren, und das soeben abgeschlossene Geschäft würde ihm nun über 20 Millionen Dollar einbringen. Weitere 30 Millionen Dollar Prämiengelder würden tröpfchenweise an Hunderte von Mitarbeitern in aller Welt ausgeschüttet werden. Walter war bei CBS so beliebt wie noch nie. In einer Hausmitteilung vom 18. November an die Mitarbeiter von CBS Records zog Walter sofort gegen Tisch vom Leder, indem er

schrieb, es sei »nett, wieder begehrt zu sein«. Jetzt saß ihm Tisch nicht mehr im Nacken, und seine neuen Bosse waren 6 7 5 7 Meilen entfernt. Am nächsten Tag machte der Discjockey Don Imus in seinem beliebten Vormittagsprogramm ein paar Sprüche über den Sony-Deal. Wenn Sie gedacht haben, daß Walter Yetnikoff schon vorher außer Kontrolle war, sagte er, dann warten Sie mal ab. Wie um zu beweisen, daß Imus recht hatte, begann Walter, Vorbereitungen für den Hinauswurf AI Tellers zu treffen, des Chefs von CBS Records USA. In vieler Hinsicht war es eine Wiederholung seiner Abrechnung mit Dick Asher. Teller war ihm von Dick aufgedrängt worden, so wie Dick selbst ihm von John Backe aufgedrängt worden war. Jetzt, wo Walter japanische Bosse hatte, die voll und ganz hinter ihm standen, konnte er Teller feuern und ihn durch jemanden ersetzen, der ihm mehr zusagte. Die Gerüchte über Tellers Abgang kochten Ende März 1 9 8 8 richtig hoch. Am 1. April tauchten sie in der Presse auf, auf der Klatschseite von New York Newsday. Möglicherweise wäre Teller bereits entlassen worden, hätte nicht ein schon seit Monaten vorbereitetes Ereignis bevorgestanden. Teller sollte den T. J. Martell-Award 1 9 8 8 als »Humanitarian of the Year« erhalten. Es wäre für CBS höchst peinlich gewesen, der Plattenbranche einen arbeitslosen Preisträger zu präsentieren. Tellers Entlassung würde bis nach dem Festbankett am 16. April warten müssen. Das Teller-Dinner ging glatt über die Bühne, aber wenn überhaupt, dann war es noch surrealer als das mit Azoff im Vorjahr. Obwohl nicht einer des halben Dutzends Redner ein Sterbenswörtchen darüber verlauten ließ, daß Teller auf der Abschußliste stand, wußte man in der Branche sehr wohl, was ihm bevorstand. Am Dienstag, dem 19. April, dem zweiten Geschäftstag nach dem Festbankett, gab CBS Records eine Presseerklärung heraus, in der AI Tellers Abschied bekanntgegeben wurde. Gründe wurden keine genannt, aber Teller wurde mit den Worten zitiert, er ginge, um sich »neuen Herausforderungen und Möglichkeiten |zu stellen], die sich mir geboten haben«. Falls er bereits einen neuen J o b in Aussicht hatte, so stand in der Presseerklärung nichts davon. Sechs Tage später gab

CBS Records bekannt, wer Tellers Nachfolger werden würde. Der neue Präsident von CBS Records USA hieß Tommy Mottola. Mehr Dreistigkeit hatte Walter womöglich noch nie zuvor an den Tag gelegt. Abgesehen davon, daß Mottola einer von Walters engsten Freunden in der Branche war, hatte er auf den ersten Blick kaum irgendwelche Qualifikationen, die ihn zur Leitung der größten amerikanischen Plattenfirma befähigt hätten. Gewiß, David Geffen und Irving Azoff hatten ebenfalls als Künstlermanager begonnen, doch niemand sprach Mottola ihre intellektuelle Potenz zu. Selbst Walter bemerkte ein wenig zweideutig: »Ich glaube, zu den interessanteren Dingen an Tommy gehört, daß er außerordentlich clever ist. Das hat er bis vor kurzem vor aller Welt verheimlicht.« Obendrein entstanden durch diese Ernennung heftige und offensichtliche Interessenkonflikte. Mottola war Klient des Anwalts Allen Grubman, der 30 Prozent der Pop-Riege von CBS Records vertrat (andererseits war Bob Summer, der Chef von CBS Records International, ebenfalls ein Grubman-Klient). Man konnte Mottola jedoch nicht vorwerfen, daß er den J o b annahm. Er hatte ihn gerade erst ein paar Monate inne, als Walter dafür sorgte, daß er eine Leistungszulage in Höhe von 3 Millionen Dollar bekam - für die finanziellen Resultate, die noch sein Vorgänger AI Teller erzielt hatte. Ungefähr zur selben Zeit, als er Mottola engagierte, erlebte Walter zu seiner Genugtuung, wie Larry Tisch in der Presse Prügel bezog. Tisch, der mit Hochachtung behandelt worden war, als er Tom Wyman ersetzt hatte, wurde jetzt von seinen wiederholten falschen Aussagen den Nachrichtenmedien gegenüber eingeholt. Er hatte versichert, er werde den Nachrichtenbereich »nicht anrühren«, dann aber dort 2 1 5 Leute entlassen und die Personaleinsparungen dem Bereichsleiter Howard Slinger anzuhängen versucht. Er hatte wiederholt erklärt, der Tonträgerbereich stünde »nicht zum Verkauf«, und ihn dann verkauft. Davor hatte Tisch den Zeitschriftenbereich von CBS abgestoßen - darunter Woman's Day und Yachting-und auch den Verlagsbereich, zu dem Holt, Rinehart & Winston gehörte. Die Kritiker warfen Tisch vor, daß er CBS genauso demontierte, wie Turner es vermutlich getan halle.

Walter brachte in Interviews munter dieselben Kritikpunkte zur Sprache. Obwohl er alles bekommen hatte, was er sich gewünscht hatte, wollte sein Haß auf Larry Tisch nicht nachlassen. Sein Ego war immer noch angekratzt, und er nutzte jede Gelegenheit, sich zu rächen. Walter war ein aktiver Geldbeschaffer für den United Jewish Appeal, aber er erklärte der Organisation, er werde sich zurückziehen, wenn man Tisch nicht hinauswürfe. Yetnikoff behauptete steif und fest, er könne mehr Spendengelder auftreiben als Tisch, was absurd war: Schließlich gehörten einige der reichsten Leute Amerikas zu Tischs Kreisen. In Gegenwart eines Rolling Stent'-Reporters rief Walter zweimal Robert Morgenthau an, den Distrikt-Staatsanwalt von Manhattan, und verlangte einen Waffenschein als Gegenleistung dafür, daß er bei einem Benefizkonzert für die Polizeisportvereinigung den Vorsitz führte. Der Reporter schluckte den Köder und fragte Walter, wozu er denn eine Waffe haben wolle. Walter fauchte: » Larry Tisch!« Walter begann, die Leute mit Geschichten darüber zu unterhalten, wie er Tisch eins ausgewischt hatte. Dem New York Times Magazin erzählte er, eines Abends habe er bei einem Essen in einem schicken Restaurant mit seiner Frau, Cynthia, und den Tischs ein Glas Cognac für 50 Dollar bestellt, nur um Larrys konsternierte Miene zu sehen, wenn er die Rechnung bekam. Freunden erzählte er, er habe dafür gesorgt, daß Frank Dileo, Michael Jacksons Manager, Tisch anrief und Yetnikoff als »Schlüsselmann« bezeichnete, obwohl Dileo wußte, daß es in Jacksons Vertrag gar keine Schlüsselmann-Klausel gab. Diese Episoden waren relativ harmlos, aber nicht lange danach standen Walter und Larry Tisch sich als Kontrahenten in einem häßlichen Rechtsstreit gegenüber. Es begann im Februar 1988, als zwei Mitarbeiter von CBS Records, Ralph Colin, Jr., und Robert Kennedy, einen Prozeß gegen CBS Inc. und Larry Tisch anstrengten. Es war eine Klage im Interesse einer Gruppe von Beteiligten - der Kläger und anderer »in ähnlicher Lage«. In der Klageschrift hieß es, CBS habe das Versprechen

gebrochen, Gewinnbeteiligungen

für

f 9 8 7 an

Mit-

arbeiter von CBS Records (darunter auch Walter) zu bezahlen. Diese einbehaltenen Gelder hätten die Prämien von Sony aufgebessert.

Colin und Kennedy wurden durch die Anwaltsfirma von Stanley Schlesinger vertreten, Walters persönlichem Anwalt und bestem Freund. Daß Larry Tisch als Beklagter benannt wurde, zeigte den Grad der Feindseligkeit auf Seiten der Kläger. Im Mai erhob CBS Inc. Gegenklage gegen Colin und Kennedy, außerdem gegen Walter Yetnikoff, Seymour Gartenberg - Walters rechte 1 land - und andere ungenannte Mitarbeiter von CBS Records. CBS Inc. behauptete, die Beklagten hätten die Gewinne des Tonträgerbereichs im vierten Quartal 1987 »ungebührlich gedrückt«, indem sie »ungerechtfertigte und unangebrachte Zahlungen vorgenommen« hätten. Zu diesen Zahlungen gehörten anscheinend große Vorschüsse an Künstler, die seit Jahren keinen Hit mehr gehabt hatten, und nicht in Anspruch genommenes Urlaubsgeld für Gartenberg aus dem Jahr 1972. Im gleichen Monat hielt CBS im Titus Theater des Museum of Modern Art seine jährliche Aktionärsversammlung ab. Dort machte der CBS-Jurist George Vradenburg in seiner Antwort auf eine Frage die Klage gegen Yetnikoff und Gartenberg publik und beschuldigte sie des »Mißmanagements«. Sowohl Walter als auch Seymour saßen im Publikum. Der kleine, koboldhafte Gailenberg mit dem Hörgerät im Ohr fiel nach der Versammlung über Vradenburg her. Die Klage sei ihm zwar noch nicht zugestellt worden, sagte er, aber er habe die Papiere gesehen, und das Wort »Mißmanagement« komme darin nicht vor. Deshalb sei Vradenburg ein »Arschloch«, weil er den Begriff in seinen Bemerkungen benutzt habe. »George Vradenburg m u ß der dümmste Anwalt der Welt sein!« Walter saß während der Versammlung zunächst schweigend da und hörte mit offenkundiger Befriedigung zu, wie Tisch von Aktionären durch Zwischenrufe gestört wurde. Die ersten, die ihn angriffen, waren John Gilbert und Evelyn Davis, zwei berüchtigte Spinner, die ein paar Aktien von jedem soliden Großunternehmen in New York gekauft zu haben schienen, um das Management einmal pro Jahr tyrannisieren zu können. Dann ergriff Ralph Colin das Wort und hielt eine selbstgerechte Rede, in der er Tisch »Gier und Geiz« vorwarf und ihn anprangerte, ein »Tiffany«-Unternehmen in Talmi

verwandelt zu haben. Seine Klage gegen Tisch und CBS erwähnte Colin nicht.* Ein paar Minuten später - Tisch machte gerade einige Anmerkungen - stand Walter auf, ging den Gang hinunter und an der Pressetribüne vorbei und sammelte die meisten Reporter ein, die gekommen waren, um über die Versammlung zu berichten. Dann gab er gleich draußen vor dem Saal eine unangekündigte Pressekonferenz. In der Nähe stand ein großer Mann, der Walter zufolge Barney hieß, ein Leibwächter, den er engagiert habe, um jeden abzufangen, der ihm oder Seymour Gartenberg die CBS-Klage zustellen wolle. Mit seinem grellen Sakko, dem offenen Kragen und den Sherman-Zigaretten, die er eine nach der anderen rauchte, machte Walter einen ungeheuer selbstzufriedenen Eindruck. Es entzückte ihn, daß er die Presse weitgehend von Tisch abgezogen hatte. »Ist das hier nicht interessanter als dieser Quatsch da?« fragte er mehr als einmal mit einer Geste in Richtung des Auditoriums. »Ist jemand anderer Meinung als Ralph Colin in bezugaul CBS, das ich auch immer als Tiffany-Unternehmen betrachtet habe?« wollte Waller wissen. Sony werde CBS Records ein viel besserer Eigentümer sein. »Sie interessieren sich für die Menschen, sie wollen was aufbauen, sie wollen was tun. Der da will bloß alles verkaufen.« Mehrere Reporter fragten Walter nach der Klage gegen ihn. Worum ging es dabei? »Das ist Pipifax. Kaum der Rede wert. Larry Tisch hält uns alle für Kofferträger im Regency Hotel. Und das bin ich nicht. Und ich war es auch nicht, als ich für ihn gearbeitet habe. Er denkt, er kann einem drohen: >Meine Anwälte werden dich verklagen, meine Anwälte werden dich verklagen, meine Anwälte werden dich verklagen * Er glaubt, die Leute haben Angst vor ihm. Aber die anderen Burschen, die er zu betrügen versucht, sind auch alle keine Kofferträger im Regency. Wenn er es auch gern hätte. * tu der Rede wurde Tisch a u c h mit Paley verglichen, und zwar überraschenderweise zu seinen U n g u n s t e n . Colins Vater war vierzig J a h r e lang Bill Paleys persönlicher Anwalt g e w e s e n , bis d e r G r ü n d e r von C B S ihn wegen eines belanglosen Streits gefeuert hatte, bei d e m es - ausgerechnet - um das M u s e u m of M o d e r n An ging.

Wenn Vir.Tisch denkt, daß ich Angst vor ihm habe, dann irrt er sich. Wenn Mr.Tisch denkt, daß Sony Angst vor ihm hat, irrt er sich noch mehr, Er kann nicht rumlaufen und die Leute bedrohen. Als wir mal eine Auseinandersetzung hatten, hat er zu mir gesagt: >lch verklage dich, ich mache dir das Leben zur Hölle.< Interessante Drohung. Bis jetzt ist mein Leben großartig, verglichen mit früher. Und wissen Sie was? Er wird mir das Leben nicht zur Hölle machen. Ich kann mir genauso viele Anwälte leisten wie er. Wenn er einen Kampf will, kann er den kriegen. Und wenn er mich persönlich verklagen will, dann verklage ich ihn auch persönlich. Der macht mir keine Angst.« Hatte Walter nicht auch gelegentlich gedroht, Leute zu ruinieren, fragte ein Reporter, der mit den Fällen von Paul Simon und Boston vertraut war. Walter nickte. »Aber bei mir ist das nur Theater.« Warum hatte Vradenburg gesagt, Walter habe die Plattenfirma schlecht geführt? »Wollen Sie meine wahre Meinung hören? Er hat nur Scheiße im Hirn.« Als nächstes erzählte Walter, wie er Tisch dazu gebracht hatte, die Prämien zu versprechen, um die es bei der Colin-Klage ging. Walters Version der Geschichte zufolge war er bereit gewesen, das ganze Geschäft mit Sony abzublasen, wenn seine »Jungs« nicht an den Gewinnen von CBS Records in 1987 beteiligt würden. In Anbetracht all der Mühen, die Walter auf sich genommen hatte, damit aus der Übernahme etwas wurde, war diese Behauptung völlig unglaubwürdig. »Bis zum Tag der Vertragsunterzeichnung hat Tisch mich nicht ein einziges Mal angerufen. Wenn ich nicht unterschreibe, unterschreibt Sony auch nicht. Ich bin eine Vertragspartei. Sie unterschreiben nicht ohne Management, und ich vertrete das Management. Ich bin der Gewerkschaftsführer. Also wartet er ab. Also warte ich ab. Also wartet er ab. Normalerweise bin ich sehr geduldig, wie einige von Ihnen vielleicht wissen. Schließlich, am Tag der Unterzeichnung: >Walter, möchten Sie in mein Büro kommen? Walter, lassen Sie uns über Ihren Vertrag sprechen.* Ich sagte: >Larry, ich habe nicht soviel Geld wie Sie, ich brauche

das nicht. Ich bewerte mich nicht danach, wieviel Geld ich habe. Ich mag es. Aber es ist nicht unbedingt notwendig, und ein bißchen Geld habe ich ja. Und ich kann nach Istanbul fliegen und mich mit Ahmet Ertegun treffen, und Sie müssen es bezahlen. Ich möchte darüber sprechen, was die anderen Jungs kriegen werden. Sie hatten ein sehr gutes Jahr, stimmt's?< Und er sagt: >Wovon reden Sie? Wovon reden Sie? Die sollen arbeiten! Dafür werden sie bezahlt!< Ich sagte: >Was führen Sie hier eigentlich? Einen Ausbeulungsbetrieb wie im Jahr 1904?< Und wir steigen in eine Diskussion ein. Wir sind eineinhalb Millionen Dollar weil auseinander. Das hat nichts mit mir zu tun. Oder nur sehr wenig. Ich brauche das Geld nicht, um drauf zu sitzen. Tatsächlich kann es manchmal sogar ziemlich lästig sein. Also sage ich: >Larry, wenn wir keine Abmachung für die Jungs treffen, unterschreibe ich nicht.< Er sagt: >Sie setzen mir die Pistole auf die Brust! Sie setzen mir die Pistole auf die Brust !< Und ich: >Dann nennen Sic mich doch Jesse James.< Da fängt er an, mich anzubrüllen. Er sitzt hinter seinem Schreibtisch und schreit: >Sie sind ein verdammtes Arschloch!« Also, ich verabscheue ja die Fäkalsprache [sie], aber das waren seine Worte. Er sagt: >Sie sind ein verdammtes Arschloch, und ich werde der ganzen Welt erzählen, daß Sie ein verdammtes Arschloch sind.« Und ich lachte ihn aus. Ich sagte: »Wozu die Mühe, Larry? Das weiß die Welt doch schon längst. Und ich werde der ganzen Welt erzählen, daß Sie ein geiziges verdammtes Arschloch sind. Aber wozu soll ich mir die Mühe machen, Larry? Das weiß die Welt doch längst! Stimmt's?« Und er schreit mich an, und seine Glatze wird rot. Er steht hinter seinem Schreibtisch, und ich sitze davor. Und ich brauche mir diesen Mist nicht länger anzuhören. Wissen Sie, im Frühling blüht das Leben, die Blumen wachsen und das Gras ist grün, aber Zwerge sterben im Sonnenschein. Und es ist praktisch Frühlingsanfang. Das ist ein Traum, den ich hatte. Ist nicht weiter wichtig. Jedenfalls, er schreit, schreit, schreit wie ein Irrer. Das ist der Chef von CBS, und er schreit mich an. Der Kopf glänzt, ja? Und schließlich habe ich die Schnauze voll. Also stehe ich auf und sage zu ihm: >Hör zu, du! Dein Geschrei hat einen Scheiß zu bedeuten!« Ich bin im

allgemeinen ein stilvoller, kultivierter Mensch, aber mich als Arschloch zu beschimpfen? Der Chef von CBS? Also sage ich: »Dein Geschrei hat einen Scheiß zu bedeuten, aber ich muß dich warnen: Wenn ich die Beherrschung verliere, WERDEN!*

KÖNNTE

ICH

GEWALTTÄTIG

Ich schlage mit der Faust, rumms, auf den Tisch. Und er

sagt, plötzlich ganz friedlich: »Kommen wir zum nächsten Punkt.* Darum geht es bei der Mitarbeiterklage. Genau um das Thema dieses Treffens. Das ist alles, was ich dazu sagen werde.« Jemand fragte Walter, ob CBS Records im vierten Quartal 1987 Verluste gemacht habe. »Woher soll ich das wissen? Haben Sie die CßS-Zahlen gesehen? Ich werde daraus nicht schlau. Ein kleiner Dreh unten, ein kleiner Dreh oben und einer am loches. Schauen Sie sich den Jahresbericht an und sagen Sie mir, ob Sie daraus entnehmen können, was CBS gemacht hat. Ich dachte, der Grund für die Unternehmensbuchhaltung wäre Offenheit und Ehrlichkeit. Ich weiß nicht, wieviel wir verdient haben.« Tisch erfuhr kurze Zeil später von Walters Pressekonferenz. Nun bezeichnete er Walter der Presse gegenüber nicht mehr als »sehr, sehr ehrenwerten Mann«. »Erbärmlich«, sagte er. »Walter ist ein Tier.« Trotz aller Theatralik war der signifikanteste Aspekt von Walters Fehde mit Larry Tisch, daß sie den Verkauf von CBS Records an Sony wenn nicht verursacht, so doch beschleunigt hatte. Das digitale Tonband würde mit Sicherheit kommen, und zwar schon sehr bald, auch wenn die Branche weiterhin dagegen ankämpfte. Da sich die Branche auch gegen die LP, die Kassette und die Compact Disc gewehrt hatte, standen die Chancen gut, daß DAT sich als Segen für das Geschäft erweisen würde. Weitblick gehört nicht zu den Stärken der Plattenindustrie. Viel wichtiger als das, was Sony möglicherweise mit CBS Records machen würde, war jedoch, was Yetnikoff dem Unternehmen bereits bis zur Übernahme angetan hatte. Als das Jahrzehnt dem Ende entgegenging, forderten Walters Versäumnisse im A&rR-Bereich endlich ihren Tribut. 1 9 8 9 überschritt Warners Anteil an den beliebtesten Pop-Alben in

Billboard 40 Prozent, während der Anteil von CBS nur noch 16 Prozent betrug. »Erstaunlich und ein bißchen furchteinflößend«, sagte der Leiter einer großen Plattenhandelskette. Je länger CBS derart im Hintertreffen blieb, desto schwerer würde es für das Isabel werden, seine einstmals führende Position wieder zurückzuerobern. Warner landete große Treffer mit neuen Acts wie Guns N'Roses, Debbie Gibson und Anita Baker. CBS hatte im ersten Halbjahr 1 9 8 9 keine großen Hits von Baby Acts (obwohl die Firma in der zweiten Jahreshälfte gute Arbeit leistete und einer Gruppe namens New Kids on the Block zum Durchbruch verhalf). »Wir brauchen mehr A&rRLeute«, gestand Yetnikoff der New York Times. Anschließend schob er Tom Wyman und Larry Tisch die Schuld in die Schuhe, weil sie ihm nicht die Mittel zum Ausbau der A&R-Abteilung gegeben hätten eine schamlose Bemerkung von einem Mann, der bereitwillig über 12 Millionen Dollar pro Jahr für die Indie-Promotion ausgegeben hatte.

19 Der Prozeß

F

ast ein Jahr lang überschattete der Verkauf von CBS Records an Sony alle anderen Neuigkeiten im Musikbusineß. Die Branche hatte aufgehört, über die Payola-Untersuchung in Los Angeles zu sprechen oder sich ihretwegen Sorgen zu ma-

chen. Sie schien ein aussichtloser Fall zu sein, die letzte Episode in der langen Geschichte des staatlichen Herumwurstelns an der PayolaFront. Es sprach sich herum, daß Marvin Rudnick, der Anwalt der Spezialeinheit, der die Untersuchung initiiert halle, von dem Fall abgezogen worden war und bald arbeitslos sein würde. Man munkelte, daß im Justizministerium unerklärlicherweise Bestrebungen im Gange waren, die gesamte Untersuchung abzuwürgen. Doch obwohl Rudnick von der Bildfläche verschwunden war und Washington offenkundig Gegendruck ausübte, ging die Untersuchung weiter. Sie hatte innerhalb der Steuerbehörde und der Spezialeinheit zuviel Schwung bekommen, als daß man sie jetzt still und heimlich sterben lassen konnte. Anfang 1 9 8 8 bekam sie neuen Auftrieb, als David Michael Smith, der ehemalige Leibwächter von Joe Isgro, der nach England geflohen war, um der Vorladung vor die Grand Jury zu entgehen, sein Versteck verließ und nach Los Angeles zurückkehrte. Smith hatte offenbar beschlossen, den Versuch zu unternehmen, seine Lebensgeschichie für die Verwertung in Film- oder Buchform anzubieten. Er begann auszupacken. »Die Beweise, die ich habe«, verkündete er, »werden die Musikindustrie dramatisch verändern.« Am 26. Februar 1 9 8 8 , weniger als zwei Monate nach Abschluß des Sony-Deals, wurde die Plaltenbranche abrupt aus dem Schlaf gerissen. An diesem Tag erhob die Payola-Grand-Jury ihre ersten vier Anklagen.

Ralph Tashjian, der jahrelang Joe Isgros oberster Verbindungsmann zu den Top-40-Stations gewesen war, wurde der Bestechung von Personen in drei Pop-Stations mit Bargeld und Kokain, der Verbreitung von Drogen, der Steuerhinterziehung und der Behinderung der Justiz angeklagt. Seine Frau Valerie wurde des Steuerbetrugs beschuldigt. William Craig, Isgros Spezialist lür das schwarze Radio, wurde der Steuerhinterziehung und der Bestechung von Personen in vier Urban Staiions mit Bargeld angeklagt. Zuletzt erließ die Grand Jury eine Anklage wegen Nichteinreichung von Steuererklärungen gegen George Wilson Crowell, den ehemaligen Hauptgeschäftsführer von KIQQ in Los Angeles, einer traditionellen Isgro-Station. Außer Crowell wurde kein anderer Radiomann eines Verbrechens beschuldigt, obwohl die Anklageschriften sieben angebliche Empfänger der »Geschenke« von Tashjian und Craig benannten. Es handelte sich um Mitarbeiter von Stationen in El Paso, Cincinnati, Kansas City, Atlanta, Fresno und Jacksonville, die zusammen angeblich mehr als 2 7 0 0 0 0 Dollar in bar und eine nicht näher bezeichnete Menge Kokain erhalten halten. Nur Stunden nach der Entsiegelung der Anklageschriften wurden Ralph und Valerie Tashjian in ihrem Haus in San Mateo verhaftet und in Handschellen in verschiedenen Wagen abtransportiert. Die Kinder des Paares erlebten die Szene mit. Ralph Tashjians Anwalt, Anthony Brooklier, beschwerte sich heftig über die »überzogen harte« Verhaftung seiner Klienten und sagte, die Anklage gegen Valerie sei offenbar ein Versuch, Ralph zur Zusammenarbeit mit der Anklage zu zwingen. »Die Anklage will eine Art Dreisprung machen«, sagte er. »Von Valerie zu Ralph zu lsgro.« Falls das stimmte, schien die Strategie anfangs aufzugehen. Die Ermittler konfrontierten Valerie mit einem Strafmaß von bis zu zehn Jahren Gefängnis und boten ihr an, daß die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden könnte, wenn sie sich schuldig bekannte - sofern ihr Mann sich ebenfalls schuldig bekannte und Zeuge im laufenden Payola-Fall wurde. Und am 14. Februar 1989, fast ein Jahr nach der Anklageerhebung, erschien das Paar vor einem Bezirksgericht, um genau das zu tun. Aber dann brach Valerie weinend zusammen und

sagte, sie habe zwar private Rechnungen als Geschäftsausgaben deklariert, wie ihr die Anklage vorwarf, aber »ich dachte einfach, der Steuerberater würde am Jahresende alles in Ordnung bringen .. . Ich war sehr damit beschäftigt, mich um unsere Kinder zu kümmern.« Als District Judge Pamela Rymer das hörte, verwarf sie die Abmachung und setzte eine Verhandlung an. Sie entschied auch, daß die Anklage gegen Ralph Tashjian nicht präzise genug war. Im April 1989 reichte der Staat eine neue, 175 Funkte umfassende Anklage gegen Ralph Tashjian ein. Bei fast jedem Punkt ging es um eine bestimmte Platte, die er angeblich mit Schmiergeldzahlungen auf die Playlists von Radiostationen gebracht hatte, darunter Songs von Bruce Springsteen, Cyndi Lauper, Prince, 1 lall and Oates, Phil Collins und Paul McCartney. Am 15. Mai nahm Richterin Rymer dann einen Antrag der Verteidigung, die Anklagen gegen Valerie Tashjian fallenzulassen, mit der Begründung an, die Staatsanwaltschaft habe sie zu nötigen versucht, sich schuldig zu bekennen, um ihren Mann von schwereren Anklagen zu bewahren. Rymer beschuldigte die Anklagevertreter des »verwerflichen« Verhaltens »weit unterhalb der Verhaltensnorm, die von Anwälten des Staates erwartet wird«. Trotzdem bekannte sich Ralph Tashjian eine Woche später eines Payola-Vorwurfs - eines Vergehens - sowie der Abgabe einer falschen Steuererklärung und der Behinderung der Justiz - zweier Verbrechen - für schuldig. Fr gab zu, einem Angestellten der Radiostation KMGX in Fresno per Federal Express ein Päckchen Kokain geschickt zu haben. Und am 17. Oktober 1989 holte die Regierung ein Schuldgeständnis aus William Craig heraus. Er gestand Payola und die Abfassung betrügerischer Steuererklärungen. Zu diesem Zeitpunkt wußte J o e Isgro bereits, daß er in Schwierigkeiten war. Er leitete weiterhin seine unabhängige Promotionfirma, obwohl er in der Branche nicht mehr viel zu melden hatte, vielleicht weil Tashjian und Craig nun nicht mehr für ihn arbeiteten, vielleicht auch infolge seiner Antitrust-Klage gegen die Labels. Andere ehemalige Mitglieder des Network, darunter Fred DiSipio, waren wieder im Geschäft und verdienten viel Geld mit der Plattenpromotion. Isgro

halte seine Firma in The Music Group umbenannt, aber seine Aktivitäten schienen sich auf den Filmbereich zu konzentrieren. Lr vertrat Robin Moore, den Drehbuchautor von French Connection, und besaß die Rechte an einem Drehbuch von Moore, The Jimmy Hoffa Story. Gegen F.nde 1 9 8 9 war lsgro zuversichtlich, daß 2 0 , h Century Fox sich bereit finden würde, den Film zu machen. Das war vielleicht die letzte gute Nachricht, die dieses Jahrzehnt für Joseph lsgro bereithielt. Am 30. November 1989, fast vier Jahre, nachdem NBC News ihm bundesweit traurige Berühmtheit eingebracht hatte, beschloß die Payola-Grand-Jury, ihn in einundfünfzig Funkten wegen Payola, Drogenhandel, Erpressung, Behinderung der Justiz und Steuerbetrug anzuklagen. Zusammen mit Isgro wurden zwei weitere Männer angeklagt. Einer von ihnen, ein vorbestrafter Drogenhändler namens Jeffrey Monka, war in der Plattenbranche weitgehend unbekannt. Monka wurde beschuldigt, sich mit Joe Isgro verabredet zu haben, die Steuerbehörde durch die Gründung einer Scheinfirma namens Star Promotions zu betrügen, über die Isgro Firmenschecks gegen Bargeld eingetauscht habe. Die Anklage behauptete, Isgro habe mit diesem Geld Mitarbeiter von Radiostalionen geschmiert und Managern von Plattenfirmen Provisionen gezahlt. Der andere Mann, der zusammen mit Isgro angeklagt wurde - er sollte Provisionen von ihm angenommen haben -, war in der Branche sehr wohl bekannt. Es war Ray Anderson, der ehemalige Chef von Epic Records. Bevor er diesen J o b übernommen hatte, war Anderson Direktor der Promotion-Abteilung bei Columbia gewesen, wo er Radio-Kampagnen für Acts wie Bruce Springsteen und Billy Joel geleitet hatte. Auf den Posten bei Epic war Anderson auf Geheiß von AI Teller befördert worden, dem von Walter Yetnikoff gehaßten Präsidenten von CBS Records USA. Als Yetnikoff Teller im April 1 9 8 8 entließ, wurde Anderson ebenfalls vor die Tür gesetzt und landete als Künstlermanager in Los Angeles. Jetzt war Anderson angeklagt, in seiner Zeit als Promotion-Direktor bei Columbia Provisionen in Flöhe von mindestens 7 0 0 0 0 Dollar von lsgro angenommen zu haben. Kaum hatte die Grand Jury ihre Anklage erhoben, zogen Agenten

der Steuerbehörde los, um Isgro und Monka zu verhaften. (Anderson, so wurde beschlossen, sollte sich selbst stellen dürfen.) Monka wurde ziemlich schnell vom Freeway heruntergeholt, aber die Agenten versuchten etliche spannungsgeladene Stunden lang, J o e Isgro aufzuspüren. Sie fuhren zu seinem Haus in Glendale und zu seinem Büro in Universal City, fanden aber keine Spur von ihm. Gegen halb vier Uhr nachmittags erfuhren sie schließlich, daß er im Gerichtsgebäude in Downtown Los Angeles war, um sich zu stellen. Isgro sah nicht mehr so schick aus wie sonst, als die Agenten ihm Handschellen anlegten und ihn über den Platz zum Federal Building führten. Er trug eine khakibraune Hose und ein übergroßes weißes Hemd, das sich an den Oberarmen blähte. Sein Gesicht war aufgedunsen, und er schwitzte stark. Als die Agenten ihn durch den Flur im vierten Stock führten, sah e r s i e h auf einmal Fernsehkameras und seinem alten Erzfeind Ira Silverman von NBC gegenüber. Der Nachrichtenmann rief Isgro Fragen zu, bekam aber keine Reaktion. Daher entschloß er sich, Isgro ein bißchen zu reizen. »Haben Sie sich schon mit Walter Yetnikoff in Verbindung gesetzt?« fragte er. An Isgros Schläfen begannen Adern zu pulsieren. »Wie steht's mit J o h n Gotti?« Die Adern pulsierten stärker. Nachdem Joe Isgro die Fingerabdrücke abgenommen worden waren, steckten ihn die Agenten in einen Wagen und fuhren mit ihm zu einer Kautionsverhandlung im Gerichtsgebäude zurück. Ric-hter Volney Brown setzte die Kaution auf 5 0 0 0 0 0 Dollar fest, und Joe Isgro verbrachte zum ersten Mal in seinem Leben eine Nacht im Gefängnis. Am nächsten Tag erschien er in blauer Gefängniskleidung vor dem Richter und bat um eine Reduzierung der Kaution auf 1 0 0 0 0 0 Dollar. Er wurde von seinem Anwalt Donald Re begleitet, einem hervorragenden Wirtschaftsjuristen, der zu den Verteidigern von John DeLorean gehört hatte. Drew Pitt, der Ankläger der Spezialeinheit, sprach sich gegen eine Herabsetzung der Kaution aus, weil Isgro, so behauptete er, seinem ehemaligen Leibwächter David Michael Smith, der jetzt ein kooperativer Zeuge war*, »etwas anzutun drohte«. Diese Drohungen * Zu diesem Zeitpunkt schmorte Smith gerade im Gefängnis. Er war im August zuvor in eine Kneipenschlägerei verwickelt gewesen.

müßten ernstgenommen werden, sagte Pitt, weil Isgro »Einfluß auf Personen aus Kreisen des organisierten Verbrechens« habe. Pitt beschuldigte Isgro, zusammen mit dem verurteilten Mafioso Joe »Piney« Armone eine Million Dollar gewaschen zu haben. Don Re machte sich über diese Behauptungen lustig, und Richter Brown setzte Isgros Kaution herab, aber nur auf 3 0 0 0 0 0 Dollar. Trotzdem konnte lsgro an diesem Abend Kaution stellen. Anschließend erklärte er sich für nicht schuldig; Anderson und Monka taten das gleiche. lsgro war zwar vorläufig wieder auf freiem Fuß, aber ihm drohten bis zu zweihundert Jahre Gefängnis und 1,5 Millionen Dollar Geldstrafe, wenn er seinen Prozeß verlor. Anders als bei Tashjian und Craig hatte man gegen lsgro auch RICO ins Feld geführt, das harte Gesetz gegen das organisierte Verbrechen, das erfolgreich gegen Mafiosi und Wail-Street-Kriminelle angewandt worden war und bei Verurteilung den Einzug des gesamten Vermögens erlaubt. Tashjian und Craig, die ersten Männer, die nach dem Payola-Geselz verurteilt wurden, seit Kenny Gamble 1 9 7 6 sein Urteil anerkannt hatte, bekamen leichte Strafen - ein Anzeichen dafür, daß sie beide in der Sache gegen lsgro kooperativ gewesen waren. Craig bekam fünf Jahre auf Bewährung, eine Geldstrafe in Höhe von 6 0 0 0 0 Dollar und fünfhundert Stunden gemeinnützige Arbeit. Tashjian wurde zu sechzig Tagen im offenen Vollzug, drei Jahren auf Bewährung, 1 0 0 0 0 0 Dollar Geldstrafe und fünfhundert Stunden gemeinnütziger Arbeit verurieilt. Richterin Rymer sagte, sie habe ihn eigentlich härter bestrafen wollen, sei jedoch von seiner tränenreichen siebenminütigen Einlassung bewegt gewesen, in der er behauptet hatte, seine Alkohol- und Kokainsucht überwunden zu haben. »Obwohl meine Frau und ich seit der Anklageerhebung gegen mich durch die Hölle gegangen sind«, erklärte Tashjian, »kann ich ehrlich sagen, daß es die besten Jahre meines Lebens waren, weil ich mich innerlich verändert habe.« Im selben Monat, in dem man lsgro und die beiden anderen Männer offiziell anklagte, wurde im Feldzug des Staates gegen die Praktiken der unabhängigen Promotion eine neue Front eröffnet. Am 20. November 1989 erhob die Staatsanwaltschaft in Memphis

Anklage wegen Poslbetrugs und Payola gegen Howard Goodman, einen lokalen unabhängigen Promoler. Goodman war in der Branche als Subunternehmer eines Network-Mitglieds bekannt. Bei seiner Verhandlung im folgenden Juni erklärten vier Radio-Programmdirektoren, darunter zwei ehemalige Mitarbeiter von W Q I D in Biloxi, Goodman habe sie mit Bargeld geschmiert, das ihnen normalerweise mit einer Geburlslagskarte nach Hause geschickt worden sei. Ein Zeuge sagte aus, seine Schmiergelder hätten sich im Lauf von dreieinhalb Jahren auf eine Summe zwischen 5 0 0 0 0 und 1 0 0 0 0 0 Dollar belaufen. Am 2. Juli wurde Goodman in allen Punkten für schuldig befunden, nachdem sich die Jury noch nicht einmal neunzig Minuten beraten halte. Goodmans Verurteilung machte die Branche nervös. Bedeutete das, daß es jetzt eine koordinierte, bundesweite Aktion gegen illegale Praktiken im Musikgeschäft gab? Nun, es bedeutete nichts dergleichen. Der Goodman-Fall hatte sich aus Hinweisen ergeben, die Marvin Rudnick geliefert hatte, der vom Unglück verfolgte Staatsanwalt der Spezialeinheit in Los Angeles, nachdem einer von Goodmans Geburtstagskartenempfängern sich dem Anklagevertreter aus L.A. freiwillig offenbart hatte. »Ich hätte versucht, Goodman ein milderes Urteil anzubieten und ihn dazu zu bringen, gegen höhere Chargen auszusagen«, meinte Rudnick im Rückblick. Leider zog die Steuerbehörde die Sache an sich und übertrug sie den Behörden in Memphis, die nichts dergleichen im Sinn hatten. Nach Goodmans Verurteilung war der Fall abgeschlossen. Für die Gegner der Indie-Promotion gab es trotzdem ein paar Lichtblicke. Gewiß, Rudnick war aus der Spezialeinheit entlassen worden, und das neue Team hatte den Payola-Fall fast vermasselt, indem es den - aus Richterin Rymers Sicht - ungebührlichen Versuch unternommen hatte, Valerie Tashjian zu einem Schuldgeständnis zu nötigen. Aber nach diesem Beinahe-Fiasko hatte das Justizministerium einen erfahrenen Staatsanwalt namens William Lynch aus Washington geschickt, der die Untersuchung in Los Angeles leiten sollte. Lynch hatte die Anklage gegen Isgro durchgebracht, und jetzt schienen die Aussichten für den Promoter alles andere als rosig zu sein.

Zunächst einmal umfaßte die Zeugenliste der Staatsanwaltschaft nicht nur zwei von Isgros wichtigsten Mitarbeitern - Ralph Tashjian und den Leibwächter David Smith

sondern auch seinen ehemaligen

Buchhalter, Dennis DiRicco. Zugegeben, diese Zeugen waren allesamt nicht untadelig, am wenigsten DiRicco, ein ehemaliger Agent der Steuerbehörde, der kürzlich in drei Fällen in San Francisco verurteilt worden war, wobei die Anklagen von der Verabredung zum Verkauf von Kokain bis zu diversen Steuervergehen reichten. Aber die Spezialeinheit hatte noch mehr Munition gegen Isgro. Sie hatte vier ehemaligen Programmdirektoren Schutz vor Strafverfolgung gewährt, weil sie bereit waren, detailliert über die Schmiergeldzahlungen auszusagen, die sie angeblich von Isgros Promotionfirma bekommen hallen. Überdies war es auch kaum ein Trost für Isgro, daß James Ideman, der Bundesrichter, der ausgewählt worden war, bei seinem Prozeß den Vorsilz zu führen, im Rufsland, zur Härte gegenüber den Angeklagten zu neigen. Die ersten Zeugen im Prozeß Vereinigte Staaten gegen Joseph Isgro u.a. wurden in der letzten Augustwoche 1 9 9 0 in den Zeugenstand gerufen. Ralph Tashjian zögerte nicht, seinen ehemaligen Boß zu belasten. Er sagte aus, wann immer er einen Programmchef gefunden habe, der bereit gewesen sei, Payola zu nehmen, habe Isgros Standardantwort gelautet: »Tu, was du tun mußt.« Wenn Tashjian Schmiergeld brauchte, fügte er hinzu, »forderte ich [bei Isgros Büropersonal] einen Scheck an, reichte den Scheck auf mein Firmenkonto ein und schrieb mir einen Barscheck aus. Dann steckte ich das Geld in einen Federal-Express-Umschlag und schickte es ab«. George Crowell, der ehemalige Programmchef von KIQQ in Los Angeles, erzählte dem Gericht, er und Isgro hätten 1 9 8 0 einen anfänglichen Preis von 7 5 0 Dollar für jede in die Playlist von KIQQ aulgenommene Plaue festgelegt. Diese angebliche Vereinbarung brachte Crowell über 1 0 0 0 0 0 Dollar pro Jahr ein. Jeden Dienslag, sagte er, »rief ich J o e an und erzählte ihm, welche seiner Platten gespielt worden waren«. Dann »besuchte mich leiner von Isgros Angestellten] bei Martonis oder im Jolly Roger«, zwei Restaurants in Los Angeles. »Wir trafen uns auf der Herrentoilette, ich bekam das Geld in einer

Plattenhülle und ging wieder in die Bar.« Lynch fragte Crowell, ob er und lsgro gewußt hätten, daß die Zahlungen eine Verletzung von Bundesgesetzen darstellten. Crowell antwortete, Isgro habe ihm einmal erklärt: »Wir sind beide große Jungs, da müssen wir nun mal durch « Robert Brülle, Programmchef von KAMZ in Li Paso, und Edward Carey von KMGX in Fresno gaben beide zu, Kokain von Ralph Tashjian erhalten zu haben; Brulte hatte auch Geld bekommen. Ein anderer Programmdirektor aus Fresno, Johnny Lee Walker von KYNO, sagte, er habe bereits Payola von dem Indie-Promoter Howard Goodman aus Memphis bekommen, als Tashjian ihn mit einem höheren Angebot weggelockt habe. Als Walker später »ein Kokain-Problem« bekam, wie er es nannte, überredete er Tashjian, »in der Plastikhülle einer Kasselte« kleine Mengen der Droge zu liefern, für gewöhnlich eine Achtelunze. Dieses Geständnis muß Walker schwergefallen sein, war er doch einmal sogar Copräsident des »Just Say No«-Drogenbekämpfungsprogramms von Fresno County gewesen. Die Aussage von David Smith war nicht weniger dramatisch. Er behauptete, Dennis DiRicco, der ehemalige Buchhalter, habe große Geldsummen für Isgro gewaschen. Smith sagte, seit 1 9 8 4 habe er sich häufig auf dem Flughafen von San Francisco mit DiRicco getroffen und jedesmal zwischen 6 0 0 0 0 und 1 0 0 0 0 0 Dollar Bargeld in einer Aktentasche mit zurückgebracht. Smith und lsgro hätten dann das Geld gezählt, bestimmte Mengen in Plattenhüllen gesteckt und die Platten an Radiostationen geschickt. Der Leibwächter behauptete auch, gesehen zu haben, wie Isgro dem Indie-Promoter Fred DiSipio bis zu 3 0 0 0 0 Dollar in bar ausgehändigt habe. Smith sagte weiter aus, er habe dreimal beobachtet, wie lsgro Joe »Piney« Armone, dem Unterboß der Gambino-Familie, Geldbündel übergeben habe, darunter eine Zahlung von mindestens 1 0 0 0 0 Dollar. Nach vier Tagen solch belastender Aussagen mußten William Lynch und sein Assistent, Drew Pitt, fest an ihren Sieg geglaubt haben. Ihnen stand eine grausame Überraschung bevor. Am 25. August brachte einer der Verteidiger ein Protokoll von Aussagen bei, die der Regierungszeuge Dennis DiRicco bei seinem

eigenen Drogenprozeß im Zeugenstand gemacht hatte. Viele dieser Aussagen DiRiccos widersprachen auf dramatische Weise seiner Aussage vor der Grand Jury, die Isgro anklagte. DiRicco hatte der Grand Jury zum Beispiel erzählt, er habe Geld für Isgro gewaschen, während er diesen Vorwurf bei seinem eigenen Verfahren rundweg geleugnet hatte. Mit dem Argument, die Anklage sei verpflichtet gewesen, die Grand Jury auf DiRiccos frühere widersprüchliche Aussagen aufmerksam zu machen, beantragte die Verteidigung die Einstellung des Verfahrens. Die Anklage wurde auch beschuldigt, das Gerichtsprotokoll aus San Francisco zu besitzen, es der Verteidigung jedoch bewußt vorenthalten zu haben. In der Tat hatte Staatsanwalt Lynch schon im April 1 9 8 9 eine Kopie des Protokolls bekommen, aber er bestritt jeden »vorsätzlichen und bewußten Versuch, [der Verteidigung! Beweise vorzuenthalten«. Die Anklage behauptete überdies, es sei von Rechts wegen nicht erforderlich, der Grand Jury die Aussage aus DiRiccos Verfahren vorzulegen. Zum Erschrecken der Staatsanwälte der Spezialeinheit maß Judge Ideman dem Antrag der Verteidigung jedoch großes Gewicht bei. Am 29. August tadelte er die Staatsanwaltschaft in öffentlicher Sitzung streng und drohte, die ganze Anklage »mit materieller Rechtskraft« zu verwerfen - was bedeutete, daß der Fall erst dann wieder verhandelt werden konnte, wenn der Federal Court of Appeals feststellte, daß Ideman einen Fehler gemacht hatte. Einem Beobachter im Gerichtssaal zufolge sah Staatsanwalt William Lynch nach dieser Rüge aus, »als hätte er eins mit einem Holzscheit übergezogen bekommen«. DiRicco war im Verfahren gegen Isgro noch nicht einmal als Zeuge aufgerufen worden - und lag es nach all den anderen Aussagen nicht klar auf der Hand, daß der Fall nicht von ihm allein abhing? Eine Einstellung mit materieller Rechtskraft war das extremste mögliche Rechtsmittel - und Ideman war doch angeblich ein Richter, der auf seilen der Anklage stand. Was ging hier vor? Ideman glaubte anscheinend, daß die Staatsanwaltschaft bewußt versucht hatte, die Verteidigung irrezuführen. Am 4. September entschied er, die Ankläger hätten »wiederholt die Existenz |des Gerichts-

Protokolls] bestritten«, weil sie befürchteten, es könnte ihrem Fall schaden. Vor Sarkasmus triefend wies Ideman auch die Versicherung der Staatsanwaltschaft zurück, DiRiccos frühere Aussage mache seine Glaubwürdigkeit als Zeuge gegen Isgro nicht zunichte. »Die Anklagevertretung ist mit rauchender Pistole erwischt worden«, sagte der Richter, »und jetzt leugnet sie, d a ß die Pistole geraucht hat.« Dann ging Ideman daran, seine Drohung wahrzumachen. Der Klageantrag des Staates - vier Jahre Arbeit und etliche Millionen Dollar Kosten wurde mit materieller Rechtskraft abgewiesen. Dank des »empörenden Fehlverhaltens seitens der Anklage«, wie der Richter es nannte, verließen J o e Isgro, Ray Anderson und Jeffrey Monka das Gericht als freie Männer. Den Anhängern Marvin Rudnicks, des abgesetzten Staatsanwalts der Spezialeinheit, der den Payola-Fall losgetreten halte, entging die Ironie nicht, die in diesen Ereignissen lag. Rudnick war abgesetzt worden, weil seine Vorgesetzten vermutlich befürchtet hatten, er sei ein Risiko für seine eigenen Leute. Jetzt waren seine Nachfolger von zwei verschiedenen Richtern wegen Fehl Verhaltens gerügt worden. Darüber hinaus würde ein Ausschuß des Repräsentantenhauses genau einen Monat, n a c h d e m der Isgro-Fall verworfen worden war, Rudnick endlich entlasten und ihn zu einem

»pflichtbewußten,

effektiven und hart arbeitenden Anklagevertreter« erklären, »dessen Ehrlichkeit und Integrität über j e d e n Vorwurf erhaben waren«. Staatsanwalt Lynch, der gleich nach Idemans Entscheidung draußen vor dem Gerichtssaal von Reportern umlagert wurde, bestand darauf, d a ß der Richter einen Fehler gemacht habe, und schwor, er werde Berufung einlegen. Dazu brauchte er zunächst die Genehmigung des obersten Vertreters der Anklagebehörde. Die bekam er innerhalb von ein paar Wochen. Im März 1991 war die Berufung immer noch anhängig, und viele Beobachter meinten, die Chancen der Anklage stünden gut. Die Plattenbranche hatte j e d o c h bereits ihr Urteil gefällt: Der Staat ist unfähig, irgendeine auch nur halbwegs wichtige Figur aus der Musikindustrie ins Gefängnis zu bringen. (Morris Levy, die einzige nennenswerte Ausnahme, war gestorben, bevor er auch nur einen Tag seiner zehn Jahre Haft hatte absitzen müssen.)

Folglich dürfte es auch keine Überraschung sein, daß das System der unabhängigen Promotion der frühen achtziger Jahre mittlerweile wieder voll etabliert ist. Heutzutage kostet die Promotion einer Top40-Single für gewöhnlich eine sechsstellige Summe, genau wie in der Zeit vor dem Februar 1986, als NBC News das Network entlarvte. Die meisten großen Plattenfirmen engagieren die Indies wieder direkt, obwohl die Kosten nach wie vor großenteils über die Tantiemen der Künstler wieder hereingeholt werden. Das Network lebt in die Neunziger hinein fort. Was Joe Isgro betrifft, so stürzte er sich nach der Einstellung des Verfahrens gegen ihn sofort wieder ins Unterhaltungsgeschäft. Das Jimmy-Hoffa-Filmprojekt bekam von der 20 l h Century Fox grünes Licht. Und es gab eine Menge anderer Unternehmungen, die seine Zeit beanspruchten. Im Februar 1991 erwarb er ein Tonstudio namens City Lights in New Jersey und verkündete, er wolle es zu einem neuen Label ausbauen, Highway 33 Records. Der frühere Besitzer von City Lights war zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage, die Geschäfte des Studios zu führen. Es war Gaetano »der Riese« Vastola, der Mafioso, der über denselben Erpressungsfall gestolpert war, der Morris Levy zu Fall gebracht hatte. Selbstverständlich hielt nichts Joe Isgro davon ab, Geschäfte mit einem Verbrecher wie Vastola zu machen. Schließlich war Isgro nie wegen einer Gesetzesübertretung verurteilt worden.

20 Walters Sturz

N

ahezu ein Jahrzehnt lang war das »unabhängige Label« weitgehend ein Mythos gewesen. Für Plattenfirmen wie Chrysalis, A & M , Island und Virgin wäre »abhängige La-

bels« in den Achtzigern eine bessere Bezeichnung ge-

wesen - abhängig von einem der sechs Majors, was den Vertrieb und in einer Reihe von Fällen auch die Fabrikation betraf. Nachdem Sony im Februar 1 9 8 8 CBS Records für die beispiellose Summe von 2 Milliarden Dollar gekauft halte, war es nur eine Frage der Zeit, bis diese Labels ihre untergeordnete Stellung endgültig akzeptierten, sich die gute Marktlage zunutze machten und sich mit Haut und l laaren an die Majors verkauften. Die erste solche Erwerbung nach dem CBS-Records-Deal bezeichnete eher das Ende einer Ära, als daß sie für die Musikindustrie von Bedeutung gewesen wäre. Mitte 1 9 8 8 ging Motown für 61 Millionen Dollar an MCA und ein paar fremde Investoren. Der niedrige Preis weniger als Motowns jährliche Umsätze in seiner Blütezeit - zeigte, daß nicht mehr viel an dem Label dran war, abgesehen von seinem hochgeschätzten R&rB-Katalog, und selbst der war schon ziemlich ausgelutscht. Neunzehnhundertneunundachtzig erwies sich als Rekordjahr der Erwerbungen seitens der Majors. Die große Einkaufstour machte Allen Grubman zu einem noch reicheren Mann, weil er das wunderbare Geheimnis des Investment-Bankings entdeckt hatte: Es ist lukrativ, dabeizusein, wenn viel Geld den Besitzer wechselt. Mittlerweile schien er fast jedes Label in Amerika zu vertreten. »Ich bin erwachsen geworden«, prahlte er. Im Januar 1 9 8 9 assistierte Grubman Thorn-

EMI beim 295-Millionen-Dollar-Kauf eines seiner Klienten, SBK, eines großen Verlagshauses und Custom Labels. Obwohl weder Grubman noch seine Firma auch nur ein Fitzelchen des juristischen Papierkrams erledigten, strich er schätzungsweise 3 Millionen Dollar Vermittlungsprovision ein. Zwei Monate nach Unterzeichnung des SBK-Deals bezahlte EMI 75 Millionen Dollar für 50 Prozent von Chrysalis Records inklusive einer Option auf die anderen 50 Prozent. Grubman war der Anwalt von Chrysalis. Er war auch der Anwalt von David Geffen, der kurz vor EMls Einmischung 10 Prozent der Aktiengesellschaft gekauft hatte, in deren Besitz sich Chrysalis befand, offenbar in der Hoffnung, das Label erwerben zu können. Etwa zu dieser Zeit fiel Grubman bei Geffen in Ungnade, vielleicht weil Geffen darüber enttäuscht war, daß ihm Chrysalis durch die Lappen gegangen war. Was immer der Grund für den Bruch sein mochte, er war bald wieder verheilt, und Grubman gab sich fortan besondere Mühe, sich Geffens Gunst zu erhallen. Während EMI noch seine Beute verdaute, bereitete sich ein anderer Distributor in europäischem Besitz, PolyGram, auf einen noch größeren Festschmaus vor. Im Juli 1 9 8 9 erstand PolyGram Island Records für 2 7 2 Millionen Dollar, das meiste davon in bar. Der Verkauf, bei dem auch ein Musikverlag den Besitzer wechselte, ging mit Hilfe von Islands Anwalt Allen Grubman über die Bühne. Im September schloß PolyGram einen Vertrag über den Erwerb von ASecret< Goal by a Year«, Radio & Records, 23. Oktober 1987 »Bedenken Sie, was es heißt«: IdA mit Asher. 22. Oktober 1985 Asher und die Künstler: »Ich weiß nicht recht«: IdA mit Asher, 6.Juli 1987 Asher und Iglesias: IdA am 2. Oktober 1987 mit Susan Blond, die als freie Publizistin für Iglesias tätig war, und mit dem ehemaligen CBSMitarbeiter Stephen Reed, 4. Juni 1987 Asher und Zappa: IdA mit Zappa, 6. Juli 1987 Asher und Jackson, Diamond und Joel: IdA mit dem Künstleranwalt John Branca, 21. Juli 1987 Romeo über Asher: IdA mit Romeo, 26. Februar 1987 und 14. März 1988 Ashers Football-Aspirationen: IdA mit Asher, 15. Februar 1987 und 29. September 1987 Shulman-Story und Zitat: IdA mit dem ehemaligen CBS-Mitarbeiler Bob Jamieson, 3. September 1987. Shulman lehnte es ab, sich zu dem Vorfall zu äußern. Braun über Asher: IdA mit Braun, H.Juli 1987 »Vier Stunden waren gar nichts«: Interview-Notizen von John Lombardi für Artikel über Yetnikoff, »King of the Schmooze«, Esquire, November 1986. Von nun an: Lombardi-Notizen »Wissen Sie, was Ihre Strafe ist?«: IdA mit Braun, 15. Juni 1986 »Man wußte nie«: IdA mit Blond, 2. Oktober 1987 Yetnikoffs Wutanfälle und seine Grobheit: »Walter flippte völlig aus«: Vertrauliche Quelle »Wenn er einen Anfall hat«: IdA mit Alain Lex'}', ehemaliger Chef von CBS Frankreich, 18. Dezember 1986 Beach-Boys-Story: IdA mit Bianca, 21. Juli 1987

371. Yetnikoffs Vater und Großvater: Wenig Zuneigung zum Vater: IdA mit Federoff, 9. April 1987 Großvater-Geschichte: Lomhardi-Notizen 38 Yetnikoff und Paley: Paleys ambivalente Haltung zu seiner Religion: Robert Metz, CBS: Reßections in a Bloodshot Eye (New York: Signet/New American Library, 1976), S. 10; und David Halberstam, The Powers Thal Be (New York: Alfred A, Knopf, 1979), S. 3 1 - 3 2 »Ich habe versucht, Paley dazu zu bringen«: Lombardi-Notizen Sind die gojim nicht langweilig!: IdA mit Stanley Schlesinger, Yetnikoffs Anwalt, 9. September 1987 38 f. Yetnikoffs jüdische Militanz: Dorehester-Verbot: IdA mit Romeo, 22. Juni 1987 Scheich-von-Katar-Story: IdA mit Ron Alexenburg, 10. Februar 1987 »Er spielt doch nur«: IdA mit Arthur Taylor, 28. April 1987 Vorliebe für schichsen: IdA mit den Yetnikoff-Vertrauten Debra Federoff. 9. April 1987, und Nat Weiss, 4. März 1987; den Ausdruck »schicfesen-Farm« zitierte Norman Winter, Yetnikoffs persönlicher Pressemann, dem Autor gegenüber am 30. Juli 1987. 39 Yetnikoffs Brillianz: IdA mit Blond, 2. Oktober 1987; IdA mit Braun. 15.Juni 1986 39 »Man muß ein Gespür für das künstlerische Temperament haben«: Goodmans Interview mit Yetnikoff, 26. Mai 1 9 8 8 39 »Manchmal glaube ich selbst nicht«: »The King of Records at CBS« 39 »Wir sind uns in die Haare geraten«: »Walter Yetnikoff: The Most Powerful Man in the Record Business«, Rotling Stone, 1 5 . - 2 9 . Dezember 1988 39f. »Meine Frau hatte einen Onkel«: IdA mit Braun, 14. Juli 1987 40 Yetnikoff als mensch: keinen freigebigeren Menschen: IdA mit Schlesinger, 2. September 1987 Mitarbeiter mit Rückenverletzung: IdA mit dem Mitarbeiter, Alexenburg, 10. Februar 1987 »Wissen Sie, was mein Problem ist?«: Lombardi-Notizen 40 »Walter mußte den Personalchef bitten«: IdA mit Backe, 11. August 1987 41 »Ich war sehr naiv«: IdA mit Asher, 29. September 1987 41 »Sie hatten das Stockwerk geteilt«: IdA mit Braun, 14. Juli 1987 41 »Ich habe sie einbauen lassen«: IdA mit Federoff, 9. April 1987 42 »Es wurde nie persönlich«: IdA mit Jamieson, 3. September 1987 42 fl. Differenzen zwischen Asher und Yetnikoff wegen Indies: Übliche Rechtfertigungen für Payola: Das beruht auf zahlreichen Interviews des Autors.

Yetnikoff selbst benutzte die Lobbyismus-Analogie 1986 in einem Interview mit Lombardi (das genaue Datum findet sich nicht in Lombardis Notizen; wahrscheinlich März oder April). Yetnikoff sprach über die Indies und sagte: »Warum benutzen die Leute in Washington Lobbyisten? Im Plattengeschäft nennt man das Payola; in Washington heißt es Beeinflussung durch Lobbies.« Brasilien-Geschichte; Ashers Ängste wegen des Abrechnungssystems: IdA mit Asher, 2 9 . Juni 1987 »Sie erzielen Resultate«: »King of the Schmooze«

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47f.

LULLABY OF GANGLAND Lubinskys Versäumnis, Tantiemen zu bezahlen: IdA mit Lee Magid, einem ehemaligen A&R-Mann von Savoy, 29. März 1990. Magid sagte: »Niemand hat [von Lubinsky] jemals bekommen, was ihm zustand.« Selbst Fred Mendelsohn, Lubinskys Nachfolger als Präsident von Savoy und unverbesserlicher Apologet seines Vorgängers, mußte zugeben, daß sein verstorbener Boß selten Tantiemen bezahlte (IdA mit Mendelsohn, 27. Marz 1990). Mendelsohn sagte, daß den Künstlern sämtliche Aufnahmekosten in Rechnung gestellt wurden, die ihre Anteile an den Einnahmen bei weitem übertrafen. Natürlich sind die heutigen Normverträge nicht viel besser als die von Savoy (siehe S. 195).

»Wir waren damals alle Typen«: Dieses und alle folgenden LevyZitate, soweit nicht anderweitig angegeben, aus IdA am 24. Februar 1987, 29. April 1987, 27. Mai 1987 und 30. Juli 1988 48 »Krake« und »Pate«: Am 30. Oktober 1957 brachte Variety einen Artikel mit dem Titel »Big Wheel and New Disk Deals (Morris Levy, Music Octopus)«. Es war ein Neuabdruck von Bemerkungen, die der bekannte Jazzkritiker Ralph Gleason eine Woche zuvor in seiner Kolumne für den San Francisco Chronicle gemacht hatte. Gleason beschrieb Levy als einen »schlanken, muskulösen New Yorker, d e r . . . ein Musikimperium von schwindelerregenden Ausmaßen leitet«. In einem Interview am 29. April 1987 beklagte sich Morris über den »Kraken«Spitznamen. »Das hat mir über all die Jahre hinweg nicht geholfen«, sagte er. Brian Ross von NBC-TV benutzte den Begriff des »Paten« in einem Interview mit Levy in Today, NBC News, 9. Juli 1986. 49 »Es sind immer nur Pennies«: »Frankie Lymon: A Lover's Legacy«, West 57"', CBS News, 9. Juli 1986 49 Levys persönliche finanzielle Lage: 75 Millionen Dollar Reinvermögen: Schätzung des Autors, von Levy nicht angefochten

Anzahl cler Big-Seven-Copyrighls: »Morris Levy: BigCloul in Record Industry: His Behind-the-Scenes Influence Is Fell Throughout the Industry«, Los Angeles Times, 20. Juli 1986 Werl von Sunnyview: von Levy als Kautionssicherheit angegeben in United States v. Morris Levy, Dominick Canterino, and Howard Fisher, Case No. 301 ( 1 9 8 6 ) , Camden, New Jersey Strawberries-Übernahme: IdA mit Adam, Levys ältestem Sohn, 8. April 1988 49 »Deswegen bin ich noch lange kein Katholik«: wurde dem Autor am 16. März 1988 von dem Anwalt Freddie Gershon erzählt. 49 f. Irving Levys Tod: Das ist ein klassisches Beispiel dafür, wie Legenden zu Tatsachen werden. Mindestens ein halbes Dutzend verschiedene Quellen versicherten dem Autor, Irving sei vom Mob erledigt worden, das eigentliche Ziel sei jedoch Morris gewesen. Diese falsche Behauptung taucht auch in einem ausführlichen, aber kaum unfehlbaren FBI-Dokument auf, das Levy betrifft: »Affidavit in Support of Orders Authorizing the Interception of Wire Communications«, Lawrence Ferreira, Special Agent, Federal Bureau of Investigations, August 1985; United States v. Biaggi and Es posito, Case No. 151 ( 1 9 8 7 ) , U . S . Disirict Court, Eastern District of New York. Das Gerücht erscheint in noch verzerrterer Form in Marc Lliots Rocfeonomics (New York: Franklin Watts, 1989), in dem auf S . 4 8 steht, daß Irving von »angeblichen Gangland-Rivalen, die ihn irrtümlicherweise für Morris hielten . . . erschossen« wurde. Tatsächlich wurde der Mörder, Lee Schlesinger, wegen Totschlags verurteilt und kam für den Mord hinter Gitter. Schlesinger war in den frühen Morgenstunden des 31.Januar 1959 mit seiner Frau Betty, einer Prostituierten, ins Birdland gekommen. Irving warf die Frau aus dem Club, und es kam zu einem Handgemenge zwischen ihm und Schlesinger. Die beiden Männer führten den Kampf draußen weiter; gleich darauf kam Irving mit einem tödlichen Messerstich in den Club zurückgetaumelt. Was genau vorgefallen war, hatte niemand gesehen. Schlesingers Anwalt, Herbert Lippman, erzählte dem Autor am 23. März 1990, daß sein Klient »einer dieser Jungs [war|. Erarbeitete für den Mob |als] Geldeintreiber für Wucherer.« Aber, fügte Lippman hinzu, dies sei ein privater Streit gewesen, kein Mafia-Mord. Und Morris sei eindeutig nicht das Ziel gewesen. Siehe auch: »Couple ls Refused Bail in Slayingat Birdland«, (New York) Herald Tribüne, 1. Februar 1959 50 f. Yetnikoff und Levy: Yetnikoffs Investition in Malinowski: bestätigt von Yetnikoff in »King of the Schmooze«; und von Yetnikoffs Anwalt, Stanley Schlesinger, IdA, 2. September 1987

Investitionen von J o e l , Hall, Frank Weber ( Joels Manager) und Tommy Mottola (Halls Manager) in Levy-Pferde: IdA mit Lew, 27. Mai 1987, und Adam Levy, 8. April 1988 Scheck für »psychologische Beratung«: wurde dem Autor von Adam Levy am obengenannten Datum gezeigt 51 ff. Levy und die Mafia: Informationen der New Yorker Polizei: Vertrauliche Quelle Beschreibung von Carbo: Virgil W Peterson, T/ic Mob: 200 Years of Organized Crime in New York (Illinois: Green Hill Publishers, 198.3), S. 3 2 9 - 3 2 9 Greenwich Village Inn: IdA mit Levy, 30, Juli 1988 »Der Junge könnte einen Menschen«: Zitiert in »>Corky< Vastola: Music and the Mob«, The (Bergen) Report, 30. September 1986 Geschichte der Genoveses: Peterson, a.a.O., S. 3 1 6 - 3 1 8 : und Peter Maas, The Valachi Papers (New York: G. P Pulnam's Sons, 1968), S. 2 4 2 - 2 4 5 Ebolis Promo-Deal: Vertrauliche Quelle FBI-Warnung vor Gigante: Levy in der NBC-Sendung Today, 24. September 1986 (Levy erwähnte Gigante nicht namentlich, aber die Andeutung war unmißverständlich) Giganles Unzurechnungsfähigkeit: »Strange Okl Vlan on Sullivan Street: A New Mob Power«, The New York Times, 3. Februar 1988 Das Backsteinhaus: »Runnin' Scared«, The Village Voice, 8. Dezember 1987. William Bastone, der Reporter der Voice, errechnete den Verkaufspreis von 1 6 0 0 0 Dollar nach der Grunderwerbssteuer auf der Eigentumsurkunde. Levy beharrte dem Autor gegenüber darauf, daß er Esposito das Haus für genau den gleichen Preis verkauft habe, den er dafür bezahlt habe. Aber der Autor hat dieselben Eigentumsübertragungsurkunden geprüft - für 67 Fast Seventy-seventh Street, Block 0 1 3 9 2 , Lot 0 1 2 9 , New York County - und ist zu demselben Schluß gekommen wie Bastone. Das legt die begründete Vermutung nahe, daß Levy Gigante über Esposito Tribut gezollt oder Geld für ihn gewaschen hat. Für weitere Indizien dafür siehe die eidliche Erklärung von Ferreira und »The Godfather of Rock & Roll«. Rülfing Stone, 17. November 1988 591. Informationen über Goldner: »Frankie Lymon, the Teenagers: A Recording History«, von Murray Hill Records SrTapes herausgebrachte Broschüre zur 5 I.Ps umfassenden Lymon-Wiederveröffentlichung, 1986. Ein amüsanter Bericht darüber, wie Goldner Red Bird mit Leiber und Stoller gegründet hat, findet sich in: Ted Fox, In the Groove: The People Behind the Music (New York: St. Martins Press, 1986), S. 1 8 2 183 60 ff. Werdegang von Alan Freed: Ed Ward, Geoffrey Stokes, and Ken

Tucker, Rock of Ages: The Rolling Stone Histoiy of Rock and Roll (New York: Rolling Stone Press/Summit Books, 1986), S. 6 9 - 7 0 , 9 6 ; und Steve Chapple and Reebee Garofalo, Rock 'n' Roll Is Here to Pay: The Histoiy and Politics of the Music Industry (Chicago: Nelson Hall, 1977), S. 5 6 - 5 7 »Wer Sprüche klopft«: ebd., S. 56 R J . Moriarty's-Story: bestätigt in IdA mit Gayles, 1. Juni 1987, und Hooke, 24. März 1988. Beide Männer erzählten die Geschichte ein wenig anders als Levy; jeder von ihnen stellte es so dar, als sei der Begriff im Gespräch zwischen ihm selbst und Frecd gefallen. Informationen über Lee Platt: bestätigt von Freed-Fachmann Jeff Rutledge in einem Brief vom 20. Juli 1989 an den Autor Earl-Wilson-lnterview: »Alan Freed Telling All: Meets Payola Probers«, New York Post, 25. November 1959. Die Lettern sind in der Tat riesig. 6 5 f . Schwäche des Payola-Gesetzes: Siehe auch: »S 1 Million in Suspected >New Payola< is Probed«, Los Angeles Times, 22. Dezember 1987 66 ff. Kongreßanhörungen: Payola and Other Deceptive Practices in the Broadcasting Field. Anhörungen vor einem Unterausschuß des Committee on Interstate and Foreign Commerce, House of Representatives, Eightysixth Congress, second session. Siehe auch: »The Entertainer: After Three Decades on TV, Dick Clark Is Busier than Ever«, The Wallstreet Journal, 25. März 1985 67 Elektras 27-Millionen-Dollar-Verlust: »A Wildcatter in the Record Biz«, Manhattan, inc., Mai 1989 67 »Der Mann, der für die Plattenbranche«: IdA mit Smith, 2 I.Juli 1987 70 Morris hat »das Demo kaputt zurückgegeben«: IdA mit Cordell, 21. März 1988 70 f. »Er ist zu allem berechtigt«: IdA mit Weiss, 23. März 1988 71 Lennon-Eall: Big Seven Music Corp. v. John Lennon, Case No. 2 9 2 4 (1975), Supreme Court of the State of New York, County of New York. Meinung des Berufungsgerichts: 4 0 9 F Supp. 122 ( 1 9 7 6 ) 71 »Man triffi sich«: Eidliche Aussage von Morris Levy, 19. April 1985; Emira Lymon v. Monis Levy, U.S. District Court, Southern District of New York. 7 I f. »Wenn man ihn übers Ohr haut«: IdA mit Art Kass, 14. Januar 1988 72 »Wenn man bedenkt, woher wir kommen«: IdA mit Weiss, 23. März 1988 72 Vorfall beim Jimmy W e s t o n s : »Gigante Asks Probe of D. A. Office in Assaull on Cop«, (New York) Daily News, 2. Juli 1975 721. Informationen über McCalla: Daten und Details des Mordes; Größe und Gewicht: Fort Lauderdale, Florida, Police Department offense report, Case No. 15317

73 ff. 74 75 76If.

77

Q 82 ff.

( 1 9 8 0 ) ; und Certificate of Death for Nathan Calvin McCalla, State of Florida, File No. 2 0 4 , 20. Februar 1980 Militärische Vorgeschichte: JAMF-Name; »Wenn ich Nale beschreihen sollte«: IdA mit Barry Fredericks, 12. November 1987 »Nate hatte eine mittelalterliche Keule«: IdA mit David Nives, 17. November 1987 Informationen der Polizei von Washington: IdA mit den D.C.-Polizisten Carl Shoffler, 20. Februar 1988, und Joe Quantrille, 16. März 1988. Außerdem: Polizeibericht von Washington, D.C., 8. Juni 198.3 UJA-Dinner: Alle Details und Dialoge aus Sliced Steak, einem Dokumentarfilm (1973) von Richard Perry über das Dinner Levy wollte Smith als Conferencier: IdA mit Smith, 21 Juli 1987 »Ich war der Payola-König«: IdA mit Weiss, 23. März 1988 Erpressungsfall: Heroin-Behauptungen: Urteil gegen Levy vom 28. Oktober 1988 in U.S. v. Levy Empfehlungsschreiben: IdA mit Levy, 30.Juli 1 9 8 8 Details über Resteplatten-Deal: Zeugenaussage in U.S. v. Levy LaMontes Vorstrafenregister: Criminal Docket of John Donald LaMonte, Docket N o . 4 3 8 (1977), United States District Court, Philadelphia Abhöroperationen des FBI: Beweisstücke der Regierung 104, 107, 116 und 138 in U.S. v. Levy Vaslola und Musik: Vastola und Freed: IdA mit Bob Rolontz, einem Bekannten von Freed, am 20. März 1988; wurde dem Autor am 9. Juni 1987 von Gayles bestätigt Vastola und Lymon: Eidliche Aussage von Morris Levy, 18. April 1985, Lymon v. Levy Vastola und Cleftones: IdA mit Levy, 30. Juli 1 9 8 8 Vastola und Queens Booking: IdA mit Thomas Greelish, dem damaligen Staatsanwalt für Newark, 26. Januar 1987; bestätigt von Levy in der eidlichen Aussage im Lymon-Fall Vastola und Davis' Gestüt: Davis' Aussage in Organized Crime in Sports (Racing). 1 learings before the Select Committee on Crime, Ilouse of Representatives, Ninety-second Congress, second session

GODDARD UND C L I V E Informationen über Lieberson: Persönlicher Werdegang; Cronkite-Zitat; Bonmots (sofern nicht anderweitig angegeben): Goddard-Lieberson-Erinnerungs-Album,

84 85 86 86 86

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87f.

881.

89 90 90 91 f.

Privatausgabe, Columbia Records, 1977; und »Goddard Lieberson, W h o Foslered LPs at Columbia Records, Dies«, The New York Times, 30. Mai 1977 Stuhlprobe: RIA mit Bruce Lundvall, 18. Mai 1987 Unterschrieb seine Briefe mit »God«: IdA mit Arthur Taylor, 28. April 1987 »Er hat während des ganzen T r e f f e n s . . . « : IdA mit John Eastman, 17. Dezember 1987 Paley und Stanton: Metz, a.a.O., S. 2 4 3 - 2 4 4 ; und Halberstam, a.a.O., S. 1 5 3 - 1 5 4 Shepard und Lieberson: »Capturing Broadway on Recorcl«, The New York Times Magazine, 15. Juli 1984 Investition in My Fair Lady: Metz, a.a.O., S. 4 0 0 »Big Red« und »Medioere Orange«: IdA mit Ron Alexenburg, 10. Februar 1987 Geschichte von Columbia: Roland Gelatt, The Fabulous Phonograph: F.ighteen Seventy-Seven to Nineteen Seventy&even (New York: Macmillan, 1977) Lieberson und die LP: »Goddard Lieberson, Who Foslered LPs at Columbia Records, Dies«. Ein amüsanter Bericht über das Mißvergnügen von RCA bezüglich Goldmarks Erfindung der LP findet sich in: Peter C. Goldmark and Lee Edson, Maverick Inventar: My Turbulent Years at CBS (New York: Saturday Review Press/E.P Dutton, 1973) S. 1 4 1 - 1 4 4 Informationen über Mitch Miller: Fox, a.a.O., S. 2 5 - 7 1 . Miller bestreitet in seinem Interview mit Fox, daß er den Rock verabscheute, aber das steht in krassem Widerspruch zu seinen eigenen Worten, zitiert vom Abgeordneten Derounian bei den Kongreßanhörungen zum Thema Payola im Jahr 1960: »Sie würden diese ungewaschenen Gören [Rock-and-Roll-Musikerl nicht in Ihr Wohnzimmer einladen, um sie Ihrer Familie vorzustellen. Warum sollte man sie dann in die Wohnzimmer des Publikums schicken?« Informationen über John Hammond: John Hammond and Irving Townsend,John Hammond on Record (New York: Summit Books, 1977), S. 9-11, 59-60, 95-104, 351-353 »Ich ging i m m e r . . . « : IdA mit Lundvall, 26. Januar 1987 Geschichte des Vertriebssystems: IdA mit Jack Craigo, 23. Oktober 1987, und mit Bill Gallagher, 28. März 1990 »der Papst«, »Beichten«: IdA mit Gallagher-Protege Tom Noonan, 27. Juli 1987 Ertegun und Wexler: »Eclectic, Reminiscent, Amused, Fickle, Perverse«, (Porträt von Ahmet Ertegun), The New Yorker, 29. Mai 1978 (Teil 1), und 5. Juni 1978 (Teil 2)

Ertegun als »Typ«: Ertegun hat immer eine gute Presse gehabt. Das Porträt im New Yorker ist ein hervorragendes Beispiel. Ein weiteres ist Music Man: Ahmet Ertegun, Atlantiv Records, and the Triumph of Rock'n'Roll von Dorothy Wade und Justin Picardie (New York: W W Norton, 1990). Der Legende zufolge zahlte Erteguns Atlantic Tantiemen an schwarze Künstler, als andere Labels das nicht taten. In dem ansonsten zynischen Rock'n'Roll is Here to Pay erzählt Ertegun, wie ein anderer Manager der Plauenbranche ihn in den fünfziger Jahren tadelte: »>Sie zahlen diesen Leuten Tantiemen? Sie müssen verrückt sein!« Natürlich bezeichnete er sie nicht als >LeuteDanke SchoenIt's a Shame What the Labels Did.