Hippokrates und das Corpus Hippocraticum: Eine Einführung für Philologen und Mediziner 3826033353, 9783826033353

Hippokrates von Kos hat die wissenschaftliche Medizin begründet. Seine Lehre beeinflusste mehr als zweitausend Jahre ärz

123 62

German Pages 256 Year 2007

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Table of contents :
Frontmatter
1 Hippokrates: Die Forschung
2 Hippokrates: Das Leben
3 Hippokrates: Die Schriften (3.1–3.73)
4 Das Corpus Hippocraticum
5 Theorie und Grundlagenfächer
6 Klinische Medizin
7 Praxis der hippokratischen Medizin
8 Ethik der hippokratischen Medizin
9 Das hippokratische Erbe
10 Literatur
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Hippokrates und das Corpus Hippocraticum: Eine Einführung für Philologen und Mediziner
 3826033353, 9783826033353

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WERNER GOLDER

HIPPOKRATES UND DAS CORPUS HIPPOCRATICUM

Golder — Hippokrates und das Corpus Hippocraticum

Werner Golder

Hippokrates und das Corpus Hippocraticum Eine Einführung für Philologen und Mediziner

Königshausen & Neumann

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Verlag Königshausen & Neumann GmbH, Würzburg 2007 Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier Umschlag: skh-softics / coverart Bindung: docupoint GmbH, Magdeburg Alle Rechte vorbehalten

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Printed in Germany

ISBN 978-3-8260-3335-3

www.koenigshausen-neumann.de www.libri.de www.buchhandel.de www.buchkatalog.de

PATRI MORTUO SACRUM

Inhaltsverzeichnis 1

Hippokrates: Die Forschung .......................................................................... 9

2

Hippokrates: Das Leben ............................................................................... 19

2.1 2.2 2.3

Der historische Hippokrates ........................................................................ 20 Hippokrates im Urteil der Zeitgenossen ..................................................... 22 Der Hippokrates der Legenden .................................................................... 24

3

Hippokrates: Die Schriften (3.1–3.73)......................................................... 27

4

Das Corpus Hippocraticum ....................................................................... 105

4.1 4.2 4.3

Echtheit und Echtheitskritik ...................................................................... 105 Sammlung und Kommentierung................................................................. 107 Die Schulen von Kos und Knidos............................................................... 116

5

Theorie und Grundlagenfächer................................................................... 119

5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7

Auseinandersetzung mit der religiösen Medizin ....................................... 119 Beziehungen zu Naturphilosophie und Kosmologie ................................ 120 Elemente der wissenschaftlichen Medizin ................................................. 122 Entwicklungsgeschichte und Anatomie..................................................... 125 Solidarpathologie ......................................................................................... 132 Humoralphysiologie.................................................................................... 135 Humoralpathologie ..................................................................................... 137

6

Klinische Medizin........................................................................................ 141

6.1 6.2 6.3

Hippokratische Terminologie .................................................................... 141 Allgemeine Krankheitslehre ....................................................................... 143 Spezielle Krankheitslehre ............................................................................ 145

7

Praxis der hippokratischen Medizin........................................................... 169

7.1 7.2 7.3 7.4 7.5

Arzt und Patient .......................................................................................... 169 Anamnese und Untersuchung .................................................................... 170 Diagnose und Prognose .............................................................................. 172 Konservative Therapie................................................................................. 173 Invasive Therapie......................................................................................... 179

7

8

Ethik der hippokratischen Medizin............................................................ 181

8.1 8.2 8.3 8.4 8.5

Pflichten des hippokratischen Arztes ........................................................ 181 Das ärztliche Honorar................................................................................. 182 Der ärztliche Kunstfehler ........................................................................... 183 Verweigerung der Behandlung.................................................................... 183 Der Eid des Hippokrates: Rezeption und Transformation ...................... 184

9

Das hippokratische Erbe ............................................................................. 187

9.1 9.2 9.3

Rezeption und Wirkung der hippokratischen Schriften in der Antike .... 187 Rezeption und Wirkung der hippokratischen Schriften im Mittelalter ... 194 Rezeption und Wirkung der hippokratischen Schriften in der Neuzeit .. 201

10

Literatur – Register...................................................................................... 211

Abkürzungen in den Literaturangaben M: Monographie A: Aufsatz

8

1 Hippokrates: Die Forschung A: Diller H.: Stand und Aufgaben der Hippokratesforschung. In: Flashar H. (Hrsg.): Antike Medizin. Darmstadt, 1971: 29–51 Duminil M.-P.: La recherche hippocratique aujourd’ hui. Hist. Philos. Life Sci. 1979; 1: 153–181 Harig G., Kollesch J.: Neue Tendenzen in der Forschung zur Geschichte der antiken Medizin und Wissenschaft. Philologus 1977; 121: 114–136 Maloney G.: L’ informatique au service de la philologie. CEA 1987; 20: 5–12

Das Corpus Hippocraticum (C.H.) – Kasten S. 10–17 – nimmt eine herausragende Stellung in der antiken Medizinliteratur ein. Seiner großen Bedeutung entsprechend sind die meisten der darin gesammelten Texte vielfach ediert und kommentiert worden; die Bibliographien beweisen es. Nur von wenigen Traktaten, und zwar durchwegs den weniger bedeutenden, fehlt eine neue Ausgabe. Trotz dieser Ausnahmestellung des Werkes leidet die Hippokrates-Forschung unter dem gleichen Manko wie die wissenschaftliche Bearbeitung der antiken Fachschriftstellerei im allgemeinen: Sie liegt nicht in der Hand der sonst dominierenden Philologie, sondern ist auf mehrere Disziplinen verteilt und wird von deren jeweils spezifischen Neigungen, Stärken und Schwächen beeinflusst. Die Philologen wandten und wenden sich traditionell vor allem den so genannten philosophischen Traktaten und den philosophischen Passagen der übrigen Schriften zu. Dort finden sie vertrautes Terrain und können ihnen vertraute Fragen mit ihnen vertrauten Methoden beantworten. Die meisten überwiegend oder ausschließlich medizinischen Texte des C.H. bieten hingegen nicht genügend Anreiz für die sprachwissenschaftliche Analyse. Nur einige wenige Liebhaber unter den Philologen haben sich mit ihnen beschäftigt. Die Mehrheit scheut die Schriften, weil sie befürchtet, ihre Kenntnisse für ein Sujet einzusetzen, das ihr inhaltlich wie emotional gleich fremd ist, und weil sie weiß, dass medizinische Texte mit den Methoden ihres Faches allein nicht adäquat ausgewertet werden können. Die von den Philologen zurückgelassenen Lücken in der wissenschaftlichen Erforschung des C.H. wurden und werden von den Medizinern nur mangelhaft geschlossen. Dafür gibt es mehrere Gründe. Die Ärzte sind durch die hippokratischen Schriften mit Texten in einer toten, nur noch von wenigen beherrschten Sprache und mit einer Form der Heilkunde konfrontiert, die mit der Medizin der Gegenwart wenig zu tun hat. Vom Urteil des praktizierenden Arztes geprägte Kommentare zu Schriften des C.H. sind daher selten. Solche Werke wären zwar dazu geeignet, fehlerhafte oder einseitige Urteile der Philologen zu korrigieren. Ihr Neuigkeitswert und die Akzeptanz beim Publikum wären aber mutmaßlich gering. Dennoch bleibt die Korrelation der hippokratischen mit der modernen Nosologie eine reizvolle wissenschaftliche Aufgabe. Die Aussicht, die vom

9

Corpus Hippocraticum: Titel und Editionen Abkürzung

Griechischer Titel

Lateinischer Titel

Deutscher Titel

De prisca medicina

3 Progn.

ȆİȡȚ̈ ˜ȡȤĮȓȘȢ œȘIJȡȚțȘ̏Ȣ ȆİȡȚ̈ ˜ȑȡȦȞ, u‘įȐIJȦȞ, IJȩ›ȦȞ ȆȡȠȖȞȦıIJȚțȩȞ

4 Acut.

ȆİȡȚ̈ įȚĮȓIJȘȢ ÑȟȑȦȞ

De diaeta in morbis acutis

5 Acut. spur.

ȆİȡȚ̈ įȚĮȓIJȘȢ ÑȟȑȦȞ. ȃȩșĮ

De diaeta acutorum (spurium)

6 Epid.I

’Ǽ›ȚįȘȝȚȦ̏Ȟ IJò ›ȡȦ̏IJȠȞ ’Ǽ›ȚįȘȝȚȦ̏Ȟ IJò IJȡȓIJȠȞ ȆİȡȚ̈ IJȦ̏Ȟ ™Ȟ țİijĮȜñ IJȡȦȝȐIJȦȞ ȀĮIJ` œȘIJȡİȚ̘ȠȞ

De morbis popularibus I De morbis popularibus III De capitis vulneribus De officina medici De fracturis

Über die alte Heilkunst Über die natürliche Umwelt Buch der Prognosen Über die Diät bei akuten Erkrankungen Über die Diät bei akuten Erkrankungen. Unecht Epidemien I

1 Vet.med. 2 Aer.

7 Epid.III 8 VC 9 Off. 10 Fract.

ȆİȡȚ̈ ˜ȖȝȦ̏Ȟ

11 Artic.

ȆİȡȚ̈ ÁȡșȡȦȞ. ȆİȡȚ̈ ÁȡșȡȦȞ ™ȝȕȠȜȘ̏Ȣ ȂȠȤȜȚțȩȢ ’ǹijȠȡȚıȝȠȓ ‘ǯȅȡțȠȢ ȃȩȝȠȢ ’Ǽ›ȚįȘȝȚȦ̏Ȟ IJȠ̈ įİȪIJİȡȠȞ ’Ǽ›ȚįȘȝȚȦ̏Ȟ IJȠ̈ IJȑIJĮȡIJȠȞ ’Ǽ›ȚįȘȝȚȦ̏Ȟ IJȠ̈ ›ȑȝ›IJȠȞ

12 13 14 15 16

Mochl. Aph. Jusj. Lex Epid.II

17 Epid.IV 18 Epid.V

10

De aere, aquis, locis Prognosticon

De articulis

Vectiarius Aphorismi Iusiurandum Lex De morbis popularibus II De morbis popularibus IV De morbis popularibus V

Epidemien III Über die Kopfverletzungen In der Praxis des Arztes Über die Knochenbrüche Über die Gelenke. Über die Einrenkung der Gelenke Hebelkraft Aphorismen Der Eid Das Gesetz Epidemien II Epidemien IV Epidemien V

Littré

KAKTOS

CMG

LoebCL

Les Belles Lettres

I,570–637

1,62–110

I 1,36–55

I,12–63

II,1,118–153

II,12–93

3,26–89

I 1,56–78 I 1–2

I,70–137

II,2,1–374

II,110–191

2,28–73

II,6–55

II,224–377

6,24–83

II,62–125

VI,2,36–67

II,394–529

6,90–147

VI,262–327

VI,2,68–98

II,599–717

13,28–95

I,146–211

III,24–149

13,180–247

I,218–287

III,182–261

11,28–69

III,272–337

11,78–107

III,58–81

III,412–563

11,116–223

III,94–199

IV,78–327

12,32–229

III,200–397

IV,340–395 IV,458–609 IV,628–633 IV,638–643 V,72–139

12,238–299 1,222–311 1,34–37 1,46–49 13,104–169

III,398–449 IV,98–221 I,298–301 II,262–265 VII,18–91

V,144–197

13,258–311

VII,92–151

V,204–259

14,26–87

VII,152–217

I 4–1

I 1,4–6 I 1,7–8

III,6–51

IV,3,2–46

11

Abkürzung

Griechischer Titel

Lateinischer Titel

Deutscher Titel

19 Epid.VI

’Ǽ›ȚįȘȝȚȦ̏Ȟ IJȠ̈ š‘ țIJȠȞ ’Ǽ›ȚįȘȝȚȦ̏Ȟ IJȠ̈ ‚ȕįȠȝȠȞ ȆİȡȚ̈ ȤȣȝȦ̏Ȟ ȆȡȠȡȡȘIJȚțȩȢ Į´ ȀöĮțĮȚ̈ ›ȡȠȖȞȫıİȚȢ ȆİȡȚ̈ IJȑȤȞȘȢ ȆİȡȚ̈ ijȪıȚȠȢ ˜Ȟșȡȫ›Ƞȣ ȆİȡȚ̈ įȚĮȓIJȘȢ u‘ȖȚİȚȞȘ̎Ȣ ȆİȡȚ̈ ijȣıȦ̏Ȟ ȆİȡȚ̈ u‘ȖȡȦ̏Ȟ ȤȡȒıȚȠȢ

De morbis popularibus VI De morbis popularibus VII De humoribus Praesagia I Coa praesagia

Epidemien VI

De morbis I

32 Morb.Sacr.

ȆİȡȚ̈ ȞȠȪıȦȞ IJȠ̈ ›ȡȦ̏IJȠȞ ȆİȡȚ̈ ›ĮșȦ̏Ȟ ȆİȡȚ̈ IJȩ›ȦȞ IJȦ̏Ȟ țĮIJĮ̈ ÁȞșȡȦ›ȠȞ ȆİȡȚ̈ i‘İȡȘ̏Ȣ ȞȩıȠȣ

33 Ulc. 34 Haem.

ȆİȡȚ̈ e‘ȜțȦ̏Ȟ ȆİȡȚ̈ aȚ‘ ȝȠȡȡȠȓįȦȞ

35 Fist. 36 Vict.I

ȆİȡȚ̈ ıȣȡȓȖȖȦȞ ȆİȡȚ̈ įȚĮȓIJȘȢ IJȠ̈ ›ȡȦ̏IJȠȞ ȆİȡȚ̈ įȚĮȓIJȘȢ IJȠ̈ įİȪIJİȡȠȞ ȆİȡȚ̈ įȚĮȓIJȘȢ IJȠ̈ IJȡȓIJȠȞ ȆİȡȚ̈ įȚĮȓIJȘȢ IJȠ̈ IJȑIJĮȡIJȠȞ

20 Epid.VII 21 Hum. 22 Prorrh.I 23 Coac. 24 De Arte 25 Nat.Hom. 26 Salubr. 27 Flat. 28 Liqu.

29 Morb.I 30 Aff. 31 Loc.Hom.

37 Vict.II 38 Vict.III 39 Insomn.

40 Morb.II

12

ȆİȡȚ̈ ȞȠȪıȦȞ IJȠ̈ įİȪIJİȡȠȞ

De arte De natura hominis De diaeta salubri De flatibus De humidorum usu

De affectionibus De locis in homine De morbo sacro De ulceribus De haemorrhoidibus De fistulis De diaeta I De diaeta II De diaeta III De insomniis

De morbis II

Epidemien VII Über die Säfte Vorhersagungen I Koische Prognosen Über die Kunst Über die Natur des Menschen Über die gesunde Lebensführung Über die Lüfte Über den Gebrauch von Flüssigkeiten Über die Krankheiten I Über die Leiden Über die Stellen am Menschen Über die heilige Krankheit Über die Wunden Über die Hämorrhoiden Über die Fisteln Über die Lebensführung I Über die Lebensführung II Über die Lebensführung III Über die Lebensführung IV – Träume Über die Krankheiten II

Littré

KAKTOS

CMG

V,266–357

14,98–169

VII,218–291

V,364–469

14,180–295

VII,292–415

V,476–503 V,510–573 V,588–733

3,98–123 2,80–117 2,196–345

IV,62–95 VIII,172–211

VI,2–27 VI,32–69

1,142–167 4,148–179

VI,72–87

6,165–167

VI,90–115 VI,118–137

3,130–153 6,198–215

VI,140–205

15,22–89

V,98–183

VI,208–271 VI,276–349

16,22–91 16,298–377

V,6–91 VIII,18–101

XIII,38–79

VI,352–397

16,248–289

II,138–183

II,3

VI,400–433 VI,436–445

11,230–263 11,270–279

VIII,342–375 VIII,380–389

VIII,52–71 XIII,146–150

VI,448–461 VI,466–525

11,286–301 5,26–87

I 2–4

VIII,390–407 IV,224–295

XIII,138–145 VI,1,1–35

VI,528–589

5,88–147

I 2–4

IV,298–365

VI,1,36–69

VI,592–637

5,148–193

I 2–4

IV,366–419

VI,1,70–96

VI,640–663

5,194–217

I 2–4

IV,420–447

VI,1,97–109

VII,8–115

15,98–223

V,190–333

X,2,132–214

I 1,9–19 I 1–3

LoebCL

II,190–217 IV,2–41

Les Belles Lettres

IV,3,47–118

V,1,224–242

IV,44–59 I 1,91–101 I 1,85–90

II,226–253 VIII,320–337

V,1,101–125 VI,2,164–170

13

Abkürzung

Griechischer Titel

Lateinischer Titel

Deutscher Titel

41 Morb.III

De morbis III

44 Septim.

ȆİȡȚ̈ ȞȠȪıȦȞ IJȠ̈ IJȡȓIJȠȞ ȆİȡȚ̈ IJȦ̏Ȟ ™ȞIJȠ̈Ȣ ›ĮșȦ̏Ȟ ȆİȡȚ̈ ȖȣȞĮȚțİȓȘȢ ijȪıİȦȢ ȆİȡȚ̈ e‘›IJĮȝȒȞȠȣ

Oct.

ȆİȡȚ̈ ÑțIJĮȝȒȞȠȣ

50 Mul.III

ȆİȡȚ̈ ȖȠȞȘ̏Ȣ ȆİȡȚ̈ ijȪıȚȠȢ ›ĮȚįȓȠȣ ȆİȡȚ̈ ȞȠȪıȦȞ IJȠ̈ IJȑIJĮȡIJȠȞ īȣȞĮȚțİȓȦȞ IJȠ̈ ›ȡȦ̏IJȠȞ īȣȞĮȚțİȓȦȞ IJȠ̈ įİȪIJİȡȠȞ ȆİȡȚ̈ ¢ijȩȡȦȞ

51 Virg.

ȆİȡȚ̈ ›ĮȡșİȞȓȦȞ

52 Superf.

ȆİȡȚ̈ ™›ȚțȣȒıȚȠȢ

De mulierum affectibus I De mulierum affectibus II De mulierum affectibus III De virginum morbis De superfetatione

53 Foet. Exsect.

ȆİȡȚ̈ ™ȖțĮIJĮIJȠȝȘ̏Ȣ ™ȝȕȡȪȠȣ

De exsectione fetus

54 Anat. 55 Dent. 56 Gland.

ȆİȡȚ̈ ¢ȞĮIJȠȝȘ̏Ȣ ȆİȡȚ̈ ÑįȠȞIJȠijȣȓȘȢ ȆİȡȚ̈ ¢įȑȞȦȞ

De anatome De dentitione De glandulis

Über die Krankheiten III Über die inneren Leiden Über die Natur der Frau Über das Siebenmonatskind Über das Achtmonatskind Über den Samen Über die Natur des Kindes Über die Krankheiten IV Über die Frauenkrankheiten I Über die Frauenkrankheiten II Über die unfruchtbaren Frauen Über die Krankheiten der Jungfrauen Von der Überschwängerung Über die Zerstückelung des Kindes im Mutterleib Über die Anatomie Über das Zahnen Über die Drüsen

57 Carn. 58 Hebd.

ȆİȡȚ̈ ıĮȡțȦ̏Ȟ ȆİȡȚ̈ e‘ȕįȠȝȐįȦȞ

De carnibus De hebdomadibus

Über das Fleisch Über die Siebenzahl

59 Prorrh.II 60 Cord.

ȆȡȠȡȡȘIJȚțóȢ ȕ´ ȆİȡȚ̈ țĮȡįȓȘȢ

Praesagia II De corde

Vorhersagungen II Über das Herz

42 Int. 43 Nat.Mul.

45 Genit. 46 Nat.Puer. 47 Morb.IV 48 Mul.I 49 Mul.II

14

De affectionibus interioribus De natura muliebri De septimestri partu De octimestri partu De semine De natura pueri De morbis IV

Littré

KAKTOS

CMG

LoebCL

VII,118–161

15,230–281

I 2–3

VI,6–63

VII,166–303

16,98–241

VII,312–431

9,28–149

VII,436–453

Les Belles Lettres

VI,70–255

I 2–1

VII,453–461

10,94–101

VII,470–485 VII,486–543

4,190–207 4,208–263

XI,44–52 XI,53–83

VII,543–615

15,288–369

XI,84–124

VIII,10–233

7,26–245

VIII,234–407

8,28–199

VIII,408–463

9,156–217

VIII,466–471

9,226–231

VIII,476–509

10,24–59

VIII,512–519

10,66–71

VIII,538–541 VIII,544–549 VIII,556–575

4,24–27 10,12–117 4,54–71

VIII,584–615 VIII,634–673

4,78–105 10,138–217, 218–245 (lat) 2,124–187 4,36–47

IX,6–75 IX,80–93

I 2–1

XI,164–178

I 2–2

II,322–329 VIII,108–125

VIII,208–209 XIII,222–225 XIII,114–122

VIII,132–165

XIII,188–203

VIII,218–293 VIII,190–195

15

Abkürzung

Griechischer Titel

Lateinischer Titel

Deutscher Titel

61 Alim. 62 Vid. Ac.

ȆİȡȚ̈ IJȡȠijȘ̏Ȣ ȆİȡȚ̈ ÓȥȚȠȢ

De alimento De visu

Über die Nahrung Über das Sehen

63 Oss.

ȆİȡȚ̈ ÑıIJȑȦȞ ijȪıȚȠȢ

De natura ossium

64 Medic. 65 Decent. 66 Praec. 67 Judic. 68 Dieb. Judic. 69 Epist. 70 Decr.Ath.

ȆİȡȚ̈ œȘIJȡȠȣҔ ȆİȡȚ̈ eÙıȤȘȝȠıȪȞȘȢ ȆĮȡĮȖȖİȜȓĮȚ ȆİȡȚ̈ țȡȚıȓȦȞ ȆİȡȚ̈ țȡȚıȓȝȦȞ

71 Orat.ar. 72 Thess.orat.

’Ǽ›ȚȕȫȝȚȠȢ ȆȡİıȕİȣIJȚțȠ̈Ȣ ĬİııȐȜȠȣ ’ǹȡȤȘ̈ ›İȡȚ̈ e‘ȕįȠȝȐįȦȞ. ȁȩȖȠȢ 1

De medico De habitu decenti Praeceptiones De iudicationibus De diebus iudicatoriis Epistulae Decretum Atheniensium Oratio ad aram Thessali legati oratio

Über die Natur der Knochen Über den Arzt Über den Anstand Vorschriften Über die Krisen Über die kritischen Tage Briefe Beschluss der Athener Altarrede Gesandtenrede

73 Init.Hebd.

’Ǽ›ȚıIJȠȜĮȓ ǻȩȖȝĮ ’ǹșȘȞĮȓȦȞ

Anfang: Über die Siebenzahl

hippokratischen Autor beschriebenen Krankheiten nachträglich zumindest annähernd richtig zu identifizieren, ist neben der Möglichkeit, die Entwicklung der ärztlichen Beobachtungsweise, medizinischen Deskription und Terminologie im Griechenland des 5. und 4. vorchristlichen Jahrhunderts zu verfolgen, der stärkste Anreiz für die Analyse der hippokratischen Schriften durch den Mediziner. Die fachspezifischen Beiträge von Philologen und Ärzten zur Erforschung des C.H. werden durch die Arbeiten der Historiker ergänzt und erweitert. Die Medizingeschichte hat erfolgreich zur Lösung offener Fragen an den Schnittstellen zwischen philologischer und medizinischer Interpretation beigetragen. Ihr Hauptaugenmerk gilt aber nicht den Texten, sondern den Folgen der darin formulierten Lehren. Die Hippokratesrezeption und die mit ihr eng verbundene Galentradition sind konstitutive Elemente der antiken Medizin und der Medizin des Mittelalters. Außerdem greift die Erforschung des Hippokratismus über das Feld der Medizinhistorie hinaus. Ein Erfolgsmodell wie den Hippokratismus zu verstehen ist auch das Anliegen der allgemeinen Wissenschaftsgeschichte.

16

Littré

KAKTOS

CMG

LoebCL

Les Belles Lettres

IX,98–121 IX,152–161

6,176–191 3,206–215

I 1,79–84

I,342–361

VI,2,140–147 XIII,168–171

IX,168–197

4,112–141

IX,204–221 IX,226–245 IX,250–273 IX,276–295 IX,298–307

1,118–133 1,174–189 1,196–213 3,162–181 3,188–199

IX,308–401 IX,401–403

17,24–109 17,116–119

IX,403–405 IX,405–429

17,126–129 17,133–163

VIII,140–158 I 1,20–24 I 1,25–29 I 1,30–35

VIII,300–315 II,278–301 I,312–333

IX,433–466

Das fundamentale Problem der Hippokrates-Forschung, die Zusammensetzung der hippokratischen bzw. posthippokratischen Gruppe schreibender Ärzte, von denen die im C.H. versammelten Traktate stammen, ist nicht gelöst. Mit den traditionellen philologischen Techniken ist die Frage, so haben die vielen für untauglich befundenen Zuordnungsversuche gezeigt, auch nicht zu klären. Diese Einsicht war Anlass, nach neuen Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Einen originellen Zugang eröffnet die elektronische Datenverarbeitung. Die Laval University/Quebec hat auf diesem Gebiet mit dem Projet Hippo Pionierarbeit geleistet. Im dortigen Laboratoire de recherches hippocratiques werden computerisierte Analysen des hippokratischen Wortschatzes durchgeführt. Berechnungen der Kookkurrenz, also der Bedingungen für das gemeinsame Vorkommen von unterschiedlichen Wortklassen, sollen zur Identifizierung von Verfassern der Traktate des C.H. beitragen. Zugleich ist das kanadische Vorhaben ein gutes Beispiel für die Internationalisierung der Hippokrates-Forschung in den letzten Jahrzehnten. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Liste der Tagungsorte und in der Zusammensetzung des Kreises der Referenten bei den bisher zwölf interdisziplinären Hippokrates-Kolloquien wider.

17

2 Hippokrates: Das Leben Das lange und erfolgreiche Leben des Hippokrates ist von seinen Zeitgenossen wohl wahrgenommen, aber nicht literarisch dokumentiert worden. Der Arzt von Kos war in ganz Griechenland berühmt. Man erkannte sein Genie und schätzte seine beruflichen Leistungen. Es fehlen jedoch authentische biographische Zeugnisse. Sieht man von den Hinweisen ab, die der hippokratische Autor in einzelnen Schriften des Corpus selbst gibt und die vorwiegend seine Tätigkeit als Wanderarzt betreffen (Progn.25, Epid.I–III passim, Morb.Sacr.1), bleiben für die Lebensbeschreibung nur Nachrichten übrig, die weit später datieren als die Lebenszeit des Koers (s. Kasten). Selbst die kanonische Quelle, die soranische Hippokrates-Vita, ist viel später entstanden. Das Idealbild, das der Methodiker und Gynäkologe Soranos von Ephesos an der Wende vom 1. zum 2. nachchristlichen Jahrhundert von dem Generalisten des 5. und 4. vorchristlichen Jahrhunderts zeichnet, wird durch die kritischen Bemerkungen mancher griechischer und römischer Autoren kaum getrübt.

Biographische Quellen Soranos von Ephesos (1./2. Jht.) Galen von Pergamon (2. Jht.)

Vita Bruxellensis (6. Jht. n.Chr., Codex Bruxellensis, Bibl. Royale 1342–1350)

Suda (10. Jht.). Umfangreichstes erhaltenes byzantinisches Lexikon Tzetzes (12. Jht.)

‘ǿ››ȠțȡȐIJȠȣȢ ȕȓȠȢ țĮì ȖȑȞȠȢ țĮIJĮ̈ ȈȦȡĮȞȩȞ [Leben und Abstammung des Hippokrates nach Soran] (CMG IV 175–178) `/ȅIJȚ o‘ ¥ȡȚıIJȠȢ „ĮIJȡȠ̈Ȣ țĮȚ̈ ijȚȜȩıȠijȠȢ [Von der Personaleinheit des besten Arztes und des Philosophen] (Gal.I 53–63) Yppocratis genus, vita, dogma [Abstammung, Leben und Lehre des Hippokrates] (Schöne H.I.: Bruchstücke einer neuen Hippokratesvita. RhM 1903; 58: 55–66). Anonyme Vita [mit einer Liste der Schüler des Hippokrates] in einer mittelalterlichen Handschrift des Grammatikers Priscian S.v. ‘ǿ››ȠțȡȐIJȘȢ/Hippokrates (Ed. Adler: Leipzig 1928/38, II 662/663) ǺȓȕȜȠȢ i‘ıIJȠȡȚȦ̐Ȟ [Chiliaden] (Ed. Kießling: Leipzig, 1826, VII 155ff.)

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2.1 Der historische Hippokrates M: Dugand J.E.: Essai sur la vie d’ Hippocrate. Nice, 1987 A: Barrow M.V.: Portraits of Hippocrates. Med. Hist. 1972; 16: 85–88 Benedum J.: Griechische Arztinschriften aus Kos. ZPE 1977; 25: 272–274 Benedum J.: Inscriptions grecques de Cos relatives à des médecins hippocratiques et Cos Astypalaia. In: Hippocratica. Paris, 1980: 35–43 Jouanna J.: Ippocrate e il sacro. Koinonia 1988; 12: 91–113

Hippokrates ist im Jahr 460 vor Christus auf Kos geboren; zu dieser Zeit hat der sonst nicht weiter bekannte Abriadas die Alleinherrschaft über die Insel. Der Vater heißt Herakleides, die Mutter Phainarete. Hippokrates entstammt einer Ärztefamilie, die seit langem auf Kos ansässig und in schwer fassbarer Weise genealogisch mit Herakles und Asklepios verbunden ist. Man hat sie deshalb auch als Asklepiadenfamilie bezeichnet (s. Kasten). Dieses Prädikat ist insofern irreführend, als im 5. und 4. Jahrhundert alle Ärzte, die somatische Medizin betreiben, und nicht nur jene, die wie Hippokrates angeblich von Asklepios abstammen, so genannt werden. Es eignete sich aber dazu, diese Gruppe von den Priestern und Wunderheilern abzugrenzen (Plat.symp.186e, rep.405d). Was Hippokrates nicht bei seinem Vater und Großvater lernt, soll ihm Herodikos beigebracht, in Rhetorik und Philosophie sollen ihn Prodikos, Gorgias und Demokrit (Cels. prooem.8) unterrichtet haben. Bei dieser Mitteilung bleibt offen, ob es sich um den Gymnastiklehrer Herodikos von Selymbria, den Hippokrates in Epid.VI 3.18 kritisiert, oder um Herodikos von Knidos, einen Schüler des Euryphon handelt. Einer Notiz des Aristoteles (pol.VII 4 1326a14–16) zufolge ist Hippokrates klein und äußerlich unscheinbar gewesen. Zunächst bleibt das Fachwissen in der Familie. Hippokrates gibt es an seine Söhne Thessalos (später Leibarzt von König Archelaos von Makedonien) und Drakon I. sowie den Schwiegersohn Polybos weiter. Später wird die Schule für andere angehende Ärzte geöffnet.

Hippokrates: Träger des Namens in der griechischen Medizin Hippokrates I: Hippokrates II: Hippokrates III: Hippokrates IV:

Sohn des Gnosidikos. Großvater von Hippokrates II Begründer der Medizin als Wissenschaft Sohn des Thessalos. Enkel von Hippokrates II Sohn des Drakon. Enkel von Hippokrates II. Leibarzt der Roxane (Witwe Alexanders des Großen) Hippokrates V und VI: Söhne des Thymbraios, der von Hippokrates II unterrichtet worden ist Hippokrates VII: Sohn des Asklepiaden Praxianax

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Als Hippokrates VIII wird ein Arzt (Sohn eines anderen Thessalos als Hippokrates III) des 3./2. Jht. v.Chr. bezeichnet, dessen Existenz durch das Fragment einer Ehreninschrift aus Kos (Benedum J., ZPE 1977; 25: 272–274) belegt ist. Der Name Hippokrates wird in der späten Antike und im Mittelalter vielfach verballhornt (z.B. als Hippokras, Hipocras, Yppocratis, Epocratis, Ypogrates, Ypocrates). Die arabischen Versionen des Namens lauten: HƯfnjqrƗĠƯs, ’ƮfnjqrƗĠƯs, ’IbuqrƗĠƯs, ’AbuqrƗĠƯs, BuqrƗĠƯs, AbuqrƗĠ und BuqrƗĠ. Die Hippokratiker sind als BuqrƗĠnjn bezeichnet worden. Ein reizendes Spiel mit Worten, das zeigt, dass man auch in der Spätantike den Namen Hippokrates etymologisch richtig zu deuten verstanden hat, bietet Anth.Pal. XVI 271: Dort werden ein Pferdedoktor namens Sosandros (wörtlich: Retter der Männer) und der Humanmediziner Hippokrates (wörtlich: Herr der Pferde) aufgefordert, entweder die Anrede oder den Beruf zu tauschen, damit ihre Profession am Namen zu erkennen sei.

Nach dem Tod seiner Eltern (um 420 v.Chr.) verlässt Hippokrates Kos und geht nach Makedonien, Thessalien und Thrakien, um dort zu lehren und praktisch ärztlich tätig zu sein. Er folgt damit dem Beispiel von Kollegen, die als Wanderärzte (›İȡȚȠįİȣIJĮȓ/periodeutaí) ihr Auskommen suchen (Gal.XII 844). Im ganzen C.H. findet sich lediglich ein einziger Patient (Didymarchos, Prorrh.I 34), der den Textangaben nach von Kos stammt. Längere Aufenthalte sind für Abdera, Larissa, Krannon, Kyzikos, Meliboia und die Insel Thasos belegt. Auf den Reisen lernt Hippokrates die geographischen und klimatischen Verhältnisse in Nordgriechenland und die dort herrschenden natürlichen Bedingungen für Gesundheit und Krankheit kennen. Der Entschluss zur beruflichen Tätigkeit außerhalb von Kos ist mehrfach gehässig kommentiert worden. Nach Soran hat man Hippokrates beschuldigt, die Heimat deshalb verlassen zu haben, weil er das Archiv von Knidos in Brand gesteckt habe, nicht ohne vorher dessen medizinische Berichte in seine Lehre aufzunehmen. Einen ähnlichen Vorwurf des Plagiats hat er sich gefallen lassen müssen, nachdem die Bibliothek von Kos in Flammen aufgegangen war (Plin.nat. XXIX 4). In diesen Zusammenhang passt auch die Bemerkung Strabons (XIV 2,19), Hippokrates habe die Medizin aus der Lektüre der Genesungsberichte gelernt, die auf den Stelen im Heiligtum des Asklepios von Kos eingemeißelt waren. Hippokrates ist nach 380 v.Chr.in Larissa gestorben. Er ist auf halbem Wege zwischen der Stadt, in der er lange gearbeitet hat, und dem nördlich benachbarten Gyrton begraben worden. Der Epitaph (Anth. Pal. VII 135) fasst die Biographie prägnant zusammen: ĬİııĮȜòȢ ‘ǿʌʌȠțȡȐIJȘȢ, ȀþȠȢ ȖȑȞȠȢ, ™ȞșȐįİ țİȚ̏IJĮȚ,/ Thessalòs Hippokrátês, Kôos génos, entháde keîtai, ĭȠȓȕȠȣ ¢ʌò r‘ȓȗȘȢ ¢șĮȞȐIJȠȣ ȖİȖĮȫȢ,/ Phoíbou apò rhízês athanátou gegaôs, ʌȜİȚ̘ıIJĮ IJȡȩʌĮȚĮ ȞȩıȦȞ ıIJȒıĮȢ Ò‘ ʌȜȠȚȢ ‘ȊȖȚİȓȘȢ,/ pleîsta trópaia nósôn stêsas hóplois Hygieiês, įȩȟĮȞ e¨ȜȦ̈Ȟ ʌȠȜȜȦ̐Ȟ oÙ IJȪȤü,¢ȜȜĮ̈ IJȑȤȞü./ dóxan helôn pollôn ou týchê allà téchnê.

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[Hier ruht der Thessalier Hippokrates, Koer von Geburt, aus dem Stamm des unsterblichen Phoibos entsprungen. Zahllose Krankheiten hat er besiegt mit den Waffen der Hygieia und bei vielen Ruhm erworben, nicht durch Glück, sondern durch seine Kunst.] Soran (CMG IV 77) trägt die zu der Inschrift passende rührselige Anekdote bei. Er erzählt, daß ein Schwarm von Bienen das Grab aufgesucht und sich dort niedergelassen habe. Der Honig, den man später aus ihrem Stock gewonnen habe, sei von Ammen zur Behandlung der Mundfäule verwendet worden und habe erkrankten Säuglingen rasch geholfen.

2.2 Hippokrates im Urteil der Zeitgenossen A: Bourgey L.: Hippocrate et Aristote. L’origine, chez le philosophe, de la doctrine concernant la nature. In: Coll. Hipp. III Paris 1978 (Paris 1980): 59–64 Herter H.: The problematic mention of Hippocrates in Plato’s Phaedrus. ICS 1976; 1: 22–42 Joly R.: La question hippocratique et le témoignage de Phèdre. REG 1961; 74: 69–92 Jouanna J.: La Collection hippocratique et Platon (Phèdre, 269c–272a). REG 1977; 90: 15–28 Kucharski P.: La „Méthode d’Hippocrate“ dans le Phèdre. REG 1939; 52: 301– 357 Manetti D.: Hos de autos Hippokrates legei. In: Coll.Hipp.VIII Kloster Banz/Staffelstein 1993 (Hildesheim 1996): 295–310 Mansfeld J.: Plato and the Method of Hippocrates. GRBS 1980; 21: 341–362 Steckerl F.: Plato, Hippocrates and the Menon Papyrus. CPh 1945; 40: 166–180

Ebenso wie das Leben und die ärztliche Tätigkeit des Hippokrates ist auch das Urteil der Zeitgenossen über den Koer kaum dokumentiert worden. Nur Platon (Phaidr.270 b–d, Prot. 311 a–d) und Aristoteles (pol.VII 4 1326a 14–16) erwähnen ihn. Aber die Notizen sind kurz und haben kaum mehr als illustrativen Charakter. Eine grundsätzliche Beschäftigung mit den Lehrmeinungen des Hippokrates lassen sie nicht erkennen. Die Literatur des 5. und 4. Jahrhunderts enthält kein einziges mit seinem Namen gekennzeichnetes Werkzitat; auch in der Hippokrates-Passage der medizinischen Doxographie des Menon wird der Autor nicht zitiert. Die beiden Darstellungen der Anatomie der Gefäße, die Aristoteles (hist.an. III 3 511b23–512b11, 512b12–513a7) aus Oss.9, Nat.Hom.11 und Loc. Hom.3 anführt, werden ausdrücklich dem Syennesis von Kypros bzw. Diogenes von Apollonia und dem Polybos, aber nicht Hippokrates zugeschrieben. Trotz ihres geringen heuristischen Werts ist vor allem die Bemerkung über Hippokrates im Phaidros vielfach analysiert worden. Im Mittelpunkt der Kontroverse steht die Frage, wie der Präpositionalausdruck ÁȞİȣ IJȘ̘Ȣ IJȠȣ̏ Ò‘ ȜȠȣ ijȪıİȦȢ/áneu tês tou hólou phýseôs [ohne die Natur des Ganzen] zu verstehen ist, und zwar sowohl im unmittelbaren inhaltlichen Zusammenhang wie für die hippokratische Lehre insgesamt.

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In Phaidr.270 b–d wird die Redekunst mit der ärztlichen Kunst verglichen. Sokrates sieht in der Erforschung der Natur der Seele bzw. des Körpers eine Voraussetzung für die Beherrschung beider Disziplinen und erhält dafür Zustimmung von seinem Gesprächspartner. Dann fragt er ihn, ob er es für möglich halte, von der Natur der Seele gründliche Erkenntnis zu gewinnen, ohne die Natur des Ganzen zu kennen. Phaidros entgegnet, diesen methodischen Ansatz habe doch schon Hippokrates bei der Suche nach der Natur des Körpers verfolgt. Sokrates pflichtet ihm bei, fordert ihn aber auf, zusätzlich zu prüfen, was der wahre Verstand über die Natur sagt. Nach Platon ist es also sowohl für den Redner wie für den Arzt notwendig, die Natur des Ganzen zu kennen. Keine der beiden Disziplinen hat dabei Modellcharakter für die jeweils andere. Der platonische und der hippokratische Prüfer sondieren ein- und dasselbe Ganze. Damit kann sowohl die unbelebte und belebte Umwelt des Menschen wie das Individuum in all seinen stofflichen und nicht-stofflichen Anteilen gemeint sein. Für beide Deutungen des Terminus gibt es bei Platon (Gorg.580a, leg.857 c-d) und Hippokrates (Vict.1 2, Vet.med. 20) Belege. Eine klare und überzeugend begründete Entscheidung zugunsten einer der beiden Alternativen oder eine anerkannte Kompromisslösung existiert trotz aller Bemühungen nicht. Eine weniger tiefsinnige Parallele zwischen Rhetorik und Medizin wird in Prot.311a–d gezogen. Sie verbindet sich ausdrücklich mit dem Namen des Koers. Hippokrates heißt nämlich auch der naive jugendliche Gesprächspartner des Sokrates, der den Wunsch hat, von Protagoras unterrichtet zu werden. Sokrates, der dem jungen Mann erstens auf den Zahn fühlen und ihn zweitens davon abbringen will, Lektionen bei einem Sophisten zu nehmen, fragt, ob er bereit sei, dem Protagoras ebenso Lehrgeld zu zahlen wie jemand, von dem er einen anständigen Beruf erlernen könne. An dieser Stelle werden der Bildhauer Polyklet, der Maler Phidias und Hippokrates von Kos genannt. Näher kommentiert wird die Erwerbstätigkeit der Ärzte aber nicht. Nach Galen (Gal.X 15) hat Aristoteles die Traktate des Hippokrates über die Natur interpretiert; im Corpus Aristotelicum findet sich indes keine entsprechende Passage. Nur über eine Schrift seines Schülers Menon ist eine Verbindung zwischen beiden herzustellen. Menon sichtet im Auftrag seines Lehrers die Medizinliteratur und bringt den gesammelten Stoff in ein Werk mit dem Titel ’ǿĮIJȡȚțȘ̈ ıȣȞĮȖȦȖȒ [Sammlung medizinischer Lehrmeinungen] ein (Gal.XV 25– 26). Im Papyrus Anonymus Londinensis (2. Jht. n.Chr.) ist davon ein überarbeitetes Exzerpt (1. Jht. n.Chr.) erhalten. Von Hippokrates handelt der Abschnitt 5.35 – 7.40. Dort werden die Gase, die sich aus den Residuen zu reichlicher, zu verschiedenartiger oder zu schwer verdaulicher Nahrung bilden, als Krankheitsursache bezeichnet. Folgerichtig wird eine vorwiegend diätetisch orientierte Therapie empfohlen. Diese Empfehlung ist durch viele Texte des C.H. gedeckt. Das monistische Kausalprinzip ist hingegen unvereinbar mit der Vielfalt der ätiopathogenetischen Erklärungsversuche des hippokratischen Autors. Nicht

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eine einzige Schrift stützt diese Theorie – auch nicht Flat., der Text, in dem explizit die von außen in den Körper gelangende Luft und nicht die dort produzierten Gase (vgl. Vet.med. 22 über die Bedeutung der Darmgase für abdominelle Symptome) zum universalen Wirkprinzip erklärt wird.

2.3 Der Hippokrates der Legenden M: Pinault J.R.: Hippocratic Lives and Legends. Leiden, New York, Köln, 1992 Salem J.: La légende de Démocrite. Paris, 1996 A: Gourevitch D.: La légende hippocratique dans le monde romain antique. In: Hippocrate et son héritage: colloque franco-hellenique d’ histoire de la médecine. Lyon, 1987: 57–63 Maisano M.R.: Ippocrate e Perdicca II: esame storico di un topos medicoletterario. ASNP 1992; 22: 71–83

Die meisten Legenden, die von Hippokrates erzählt worden sind, entstammen unechten Teilen des C.H.; einige werden durch unabhängige Mitteilungen griechischer und römischer Autoren bestätigt. Die nur von den Biographen tradierte und nicht durch Hinweise im Werk belegte Perdikkas-Episode ist die Ausnahme. Manchen Geschichten mag eine wahre Begebenheit zugrunde liegen. Andere können sich allein aus chronologischen Gründen gar nicht zugetragen haben. Die Verfasser der Legenden haben aber unverkennbar allesamt die Absicht, den Ruhm des großen Arztes zu mehren und ihn als glühenden Patrioten darzustellen. • Hippokrates und Artaxerxes (Epist.1–9) Noch während der auf Kos verbrachten Zeit soll Hippokrates von einem Hilferuf des Artaxerxes erreicht worden sein. Der persische Großkönig habe um medizinischen Beistand im Kampf gegen eine Seuche gebeten und dafür eine hohe Belohnung versprochen. Hippokrates soll aber das Ansuchen des Artaxerxes unter Hinweis auf die Kriegsfeindschaft zwischen Griechen und Persern abgelehnt haben. Die Verweigerung der humanitären Hilfe wird später von Cato als Argument gegen die Anwendung hippokratischer Medizin in Rom benutzt (Plut. Cato 23, 4). • Hippokrates und die von einer Seuche bedrohten Griechen (Decr.Ath., Thess.orat., Varro rust. I 5, Plin.nat. VII 123) Anders als auf die Bitte des Artaxerxes habe Hippokrates sofort und umfassend reagiert, als die Thessalier von einer ähnlichen, aus dem Norden vordringenden Seuche bedroht wurden. Er habe nämlich nicht nur selbst Hilfe geleistet und seine Söhne und Schüler in die verschiedenen Landesteile ausgesandt, sondern

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außerdem die Ausbreitung der Krankheit nach Attika richtig prognostiziert. Zum Dank dafür habe man ihn in Athen bekränzt, im Prytaneion speisen lassen und in die Mysterien von Eleusis eingeweiht. Falls die Erzählung überhaupt einen wahren Kern hat, so bezieht sie sich jedenfalls nicht auf die von Thukydides (II 48–54) beschriebene Athener Pest von 430 v.Chr. Die wurde nämlich aus Vorderasien und nicht aus Nordgriechenland eingeschleppt und der Historiker berichtet an keiner Stelle von einer erfolgreichen Intervention des Hippokrates. • Hippokrates als Vermittler zwischen Athen und Kos (Orat.ar., Thess.orat.) Während des Peloponnesischen Krieges sollen sich sowohl Hippokrates als auch sein Sohn Thessalos für die Heimat engagiert haben. Ersterer habe die Einwohner einer namentlich nicht bekannten Stadt um Hilfe in der Auseinandersetzung mit Athen gebeten, letzterer sei selbst dorthin gereist und habe eine Bittrede gehalten, in der er auf die Verdienste hinwies, die sich sein Vater bei der Bekämpfung der Seuche erworben habe. • Hippokrates und Perdikkas (Soran, Suda, Tzetzes) Hippokrates soll sich eine Weile am Hofe von Makedonenkönig Perdikkas II. aufgehalten haben. In dieser Zeit soll er bei seinem Gastgeber die Liebesleidenschaft zu Phile, der Nebenfrau dessen Vaters, diagnostiziert haben; auf die richtige Spur brachten ihn leicht erkennbare vegetative Zeichen wie die Rötung der Wangen und die Beschleunigung des Pulses. Eine ähnliche Leistung wird von Kleombrotos von Keos bzw. dessen Sohn Erasistratos berichtet, der bei dem syrischen Prinzen Antiochos I. dieselben Symptome entdeckte (Gal.XVIII B 18). • Hippokrates und Demokrit (Epist. 10, 11, 13–21, 23) Die Einwohner von Abdera sollen Hippokrates gebeten haben, den Philosophen Demokrit, der sich in ihrer Stadt aufhielt, vom unstillbaren Lachen zu befreien. So gründlich er sich auf das Gespräch mit dem Weisen vorbereitet, so unbefriedigend verläuft es. Hippokrates erkennt zwar, dass die Heiterkeit seines Gesprächspartners, der gerade ein Buch über den Wahnsinn schreibt, von den Abderiten missdeutet wird und nicht krankhaft ist. Trotz dieser Überzeugung und trotz eines Traums, der ihn in dieser Ansicht bestätigt, schlägt er eine Behandlung vor. Demokrit lehnt indes ab und Hippokrates muss schließlich erkennen, dass seine Empfehlung ein Irrtum war. Über eine andere Begegnung zwischen Hippokrates und Demokrit, bei der der Philosoph über der Betrachtung der Milch einer schwarzen Ziege, die erstmals Junge geboren hat, eine Probe seines Scharfsinns abgegeben hat, berichtet Diogenes Laertios (IX 42).

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Dass Hippokrates zur gleichen Zeit, als sich um ihn heroisierende Legenden bilden, auch zum Objekt professioneller Spötter wird, zeigen zwei Bemerkungen des Lukian von Samosata (2. Jht. n.Chr.). In der einen (Philops. 21) berichtet ein Arzt namens Antigonos von einer aus Erz gegossenen Statuette des Hippokrates, die im Haus herumgeistert und alles in Unordnung bringt, wenn das jährliche Opfer ausbleibt. Die andere (Verae Historiae 2,7) legt dem Rhadamanthys die kuriose Entscheidung in den Mund, Aiax wieder zur Vernunft zu bringen, indem man ihn Nieswurz trinken lasse und dem Arzt Hippokrates von Kos übergebe.

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3 Hippokrates: Die Schriften (3.1–3.73) Im folgenden Abschnitt werden die Schriften des C.H. in der Reihenfolge nach Littré bzw., wenn sie in der Edition von Littré nicht enthalten sind, in der Reihenfolge nach Fichtner vorgestellt. Die Werkporträts setzen sich aus einer kurzen gegliederten Bibliographie, der stichwortartigen Charakterisierung der Schrift, Angaben zur Entstehungszeit, der Gliederung und einer knappen inhaltlichen und sprachlichen Analyse des Textes zusammen. 3.1 Über die alte Heilkunst [Ȇİȡì ¢ȡȤĮȓȘȢ „ȘIJȡȚțȘ̏Ȣ, Vet.med.] M: Festugière A.J.: L’ancienne médecine. Paris 1948 (Repr. New York 1979) Schiefsky M.J.: Hippocrates. On Ancient Medicine. Transl. with introd. and commentary. Leiden, Boston, 2005 A: Dihle A.: Kritisch-exegetische Bemerkungen zur Schrift Über die alte Heilkunst. MH 1963; 20: 135–150 Diller H.: Hippokratische Medizin und attische Philosophie. Hermes 1952; 80: 385–409 Herter H.: Die kultur-historische Theorie der hippocratischen Schrift Von der alten Medizin. Maia 1963; 15: 464–483

Format: Geschichte der Entwicklung der Heilkunde im Spannungsfeld zwischen Naturphilosophie und Empirie. Plädoyer für diätetisch orientierte Individualmedizin. Entstehungszeit: Letztes Viertel des 5 Jhts. v.Chr. Diller datiert die Schrift unter Hinweis auf den weit entwickelten Prosastil in die Mitte des 4. Jahrhunderts. Gliederung: Der Attacke gegen die spekulative Heilkunst im Prolog (1–2) schließen sich drei inhaltlich unvollständig voneinander getrennte Sektionen an: 1 Archäologie der Medizin und Entwicklung der Diätetik (3–12), 2 Negatives Urteil über die neuen Krankheitslehren (13–19) und 3 Wie man Medizin lernt (20–24). 1: Medizin kann nicht auf Hypothesen und Postulate reduziert werden, sondern ist eine Kunst, in der man jedes Mal aufs neue seine Leistungsfähigkeit beweisen muss 2: Lange Tradition der medizinischen Forschung. Der Laie muss die Entscheidungen des Arztes verstehen 1 3–4: Kontinuierliche Verfeinerung der Ernährung des Menschen 5: Entwicklung der Krankendiät 6–8: Falsche Diät unterhält Krankheiten 9: Behandlungsfehler wirken sich bei schweren Leiden viel stärker aus als bei Bagatellerkrankungen 10–11: Lästige Folgen unregelmäßiger Ernährung 12: Die alte Medizin ist kein Auslaufmodell 2 13 Die vier Grundqualitäten (Warm, Kalt, Trocken, Feucht) eignen sich nicht als theoretische Basis der Diättherapie 14: Lob der alten Ernährungsforscher 15: Moderne Ernährungstheorien sind nur schwer in die Praxis umzusetzen 16: Mögliche negative Folgen des Wechsels vom Warmen zum Kalten und vom Kalten zum Warmen 17: Kalt und

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Warm sind keine primären Krankheitsursachen 18: Beispiel: Der Schnupfen 19: Das Mischungsverhältnis der Säfte determiniert die menschlichen Leiden 3 20: Naturphilosophie ist keine geeignete Voraussetzung für Erfolg in der angewandten Medizin 21: Individuelle Unterschiede der Pathogenese 22: Unterschiedliche Bedeutung von Funktion und äußerer Gestalt der Organe für die Pathogenese 23: Grundsätzliche Bedeutung konstitutioneller Unterschiede für die Pathogenese 24: Der Mensch kann seine Gesundheit am besten erhalten, wenn er von außen die richtigen Säfte zuführt.

Inhalt: In Vet.med. nimmt der hippokratische Autor die Haltung des polemisierenden Konservativen ein. Um in dieser Rolle glaubwürdig zu sein, trifft er die stark vereinfachende und historisch nicht gerechtfertigte Unterscheidung zwischen der so genannten alten und der neuen Medizin. Er verteidigt die Heilkunde – ähnlich wie in De Arte 1–2 – gegen den grundsätzlichen Vorwurf, ihre Erfolge seien Zufall und sie selbst deshalb entbehrlich. Eng mit der Apologie für die Autonomie der Medizin verbunden ist die Ablehnung aller Tendenzen, die Medizin in philosophische Schemata einzupassen. Derartige Mutmaßungen hält der Verfasser aus zwei Gründen für falsch. Zum einen seien die Vorstellungen der Philosophen von der Zusammensetzung der Welt und der Menschen und der Ätiologie der Krankheiten zu formal; in einer solchen Art dürfe man nur über jenseitige Dinge spekulieren. Zum anderen berücksichtige die philosophische Doktrin die individuellen Besonderheiten jedes einzelnen Krankheitsfalles zu wenig. Konkret wendet sich der Verfasser gegen die Versuche, die Therapie des Arztes von Faktoren wie Hitze, Kälte, Trockenheit und Feuchtigkeit abhängig zu machen. Er wiederholt damit in Nat.Hom.1 geäußerte Bedenken, setzt sich aber mit der Geringschätzung des physiologischen Basiswissens auch in Gegensatz zu eigenen wissenschaftsphilosophischen Maximen (Vict.I 2). Von den kritisierten Naturphilosophen wird nur Empedokles namentlich genannt (Kap. 20); die Attacke richtete sich aber auch gegen Alkmaion von Kroton [DK 24 B 4] und Anaxagoras [z.B. DK 59 B 6]. Der Tadel an den Theoretikern wird verbunden mit einem Plädoyer für Diät als tragende Säule der Therapie. Von der Ernährung in gesunden Tagen ausgehend, wirbt der Verfasser für den Ersatz schwerer durch leichte Speisen und die krankheitsadaptierte Verfeinerung der Nahrung. Leben nach Diät bedeutet nicht nur die richtigen Speisen auszuwählen und sie so zuzubereiten, dass sie leicht verdaulich sind, sondern dabei auch einen passenden Rhythmus zu wählen, d.h. etwa statt einer täglich zwei Mahlzeiten einzunehmen (Kap. 10, vgl. Acut.9). Die Diätküche wird damit zu einer Kunst stilisiert, ein Prädikat, das ihr Sokrates im Gespräch mit Polos trotz unverhohlener Sympathie für gutes Essen nicht zuerkennt (Plat.Gorg. 462d). Sprache und Textgeschichte: Das glänzende Werk war an ein großes Publikum von Fachleuten und gebildeten Laien gerichtet, ist aber im Altertum wenig beachtet worden. Vet.med. wurde weder ins Lateinische noch ins Arabische übersetzt. Der Autor hält sein Plädoyer für die empirische Medizin der Alten aus

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persönlicher Überzeugung (Kap. 3: œȖȦȖİ įȠțȑȦ/égôge dokéô [meiner Ansicht nach]) und läßt nur vereinzelt Skepsis (Kap. 3: e„țȩȢ/eikós [wahrscheinlich]) anklingen. Die Überlegenheit seiner Darstellung fußt auf der Wahl des richtigen Ausgangspunkts und Kurses (Kap. 2: ¢ȡȤȘ̈ țĮì o‘įȩȢ/archê kaì hodós [Anfang und Weg]) und der sorgfältigen Beobachtung und kritischen Prüfung (Kap. 12, 14: ȜȠȖȚıȝȩȢ/logismós [Überlegung]). Die Mittel der Kunstprosa werden sparsam eingesetzt (z.B. emphatischer Pleonasmus in Kap. 2: ȞȠıȑȠȣıȓ IJİ țĮȚ̈ ›ȠȞȑȠȣıȚ/ noséousí te kai ponéousi [sie sind krank und sie leiden], Kap. 9: Bild vom Steuermann, Kap. 15: Spott über die Argumentationsnot der Theoretiker). 3.2 Über die natürliche Umwelt [Ȇİȡì ¢ȑȡȦȞ, u‘įȐIJȦȞ, IJȩ›ȦȞ, Aer.] M: Diller H.: Wanderarzt und Aitiologe. Leipzig, 1934 Diller H.: Die Überlieferung der hippokratischen Schrift aeron, hydaton, topon. Philologus 1932; Suppl. 23, fasc. 3 Edelstein L.: Ȇİȡì ¢ȑȡȦȞ und die Sammlung der hippokratischen Schriften. Berlin, 1931 A: Backhaus W.: Der Hellenen-Barbaren-Gegensatz und die Hippokratische Schrift Ȇİȡì ¢ȑȡȦȞ, Ød£twȞ, IJȩpȦȞ. Historia 1976; 25: 170–185 Lenfant D.: Milieu naturel et différences ethniques dans la pensée grecque classique. In: Nature et paysage dans la pensée et l’environment des civilisations antiques: actes du colloque de Strasbourg, 11–12 juin 1992. Siebert G (ed.).Paris, 1996: 109–120 Triebel-Schubert Ch.: Anthropologie und Norm: der Skythenabschnitt in der hippokratischen Schrift Über die Umwelt. MHJ 1990; 25: 90–103 West S.: Hippocrates’ Scythian sketches. Eirene 1999; 35: 14–32

Format: Wissenschaftshistorisch erste geschlossene Abhandlung über medizinische Klimatologie und Ethnographie. Berühmter Exkurs über die Skythen. Entstehungszeit: Letztes Viertel des 5 Jhts. v.Chr. Gliederung: Das Werk besteht aus zwei (1–2) Abschnitten. Im ersten (1–11) werden die Grundzüge der Bioklimatologie dargestellt, der zweite (12–24) ist dem Einfluß der Umwelt auf Physis und Moral der Völker Europas und Asiens gewidmet. 1 1: Thema: Der Arzt muss den Einfluss der Jahreszeiten, des Wassers, der Winde und der Lebensweise auf Gesundheit und Krankheit kennen 2: Bedeutung von Meteorologie und Astronomie für die angewandte Medizin 3–6: Einfluss der Exposition einer Stadt gegenüber kalten und heißen Winden auf das Spektrum der Erkrankungen 7–9: Einfluss der Qualität des Trinkwassers auf das Spektrum der Erkrankungen 10–11: Jahreszeitliche Häufung und Prägung von Erkrankungen. Einfluss der Gestirne 2 12: Konstitutionelle Unterschiede zwischen Asien und Europa und der dort lebenden Völker 13: Physis der Anwohner des Maeotis-Sees (Asow’sches Meer) 14: Natürliche Veranlagungen und Gewohnheiten der Makrokephalen 15: Physis der Anrainer des Phasis (Fluss im Kaukasus) 16: Moral der Völker Asiens 17: Die Frauen der Sauromaten 18: Lebensweise der Skythen 19–20: Physis der Skythen 21–22: Unfruchtbarkeit der Skythen 23–24: Physis und Charakter der übrigen europäischen Völker.

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Inhalt: Im ersten Teil der Schrift benennt und analysiert der Autor die Umweltfaktoren, die der Wanderarzt bei der Therapie und Prognose regional und saisonal gehäufter Erkrankungen in den Städten, die er aufsucht, zu berücksichtigen hat, im zweiten Teil vergleicht er die Völker der beiden großen Kontinente nach konstitutionellen Kriterien und bezieht in diese Gegenüberstellung auch soziokulturelle und politische Aspekte ein. Die Grenze zwischen den beiden Erdteilen wird dabei am nordöstlichen Rand des Schwarzen Meeres gezogen. Trotz ihrer thematischen Verwandtschaft bestehen zwischen den beiden Abschnitten nur lockere Beziehungen. Der zweite Abschnitt bietet keine schlüssigen ethnologischen Belege für die im ersten Abschnitt dargestellten bioklimatischen Beziehungen, sondern liefert vereinzelt sogar gegenteilige Argumente. Beispielsweise werden die den trockenen Nordwinden ausgesetzten Skythen entgegen der Darstellung in Kap. 4 als Paradigma der feuchten Natur bezeichnet (Kap. 20). Der Verfasser hat es also vermieden, die Verbindungen zwischen Krankheit und Umweltfaktoren zu dogmatisieren, und räumt ein, dass auch individuelle Merkmale für die Funktion einzelner Organe, für die Entwicklung bestimmter Krankheiten und für die Lebenserwartung Bedeutung haben. Beim Vergleich zwischen den Völkern Europas und den Völkern Asiens werden auch der Stand der kulturellen Entwicklung und die Art des politischen Systems berücksichtigt und als Faktoren genannt, die die Prägung des Menschen durch die natürliche Umgebung, insbesondere das Klima modifizieren. Die Beschreibung der Makrokephalen ist sowohl aus ethnologischer wie aus genetischer Sicht bedeutungsvoll. Der Autor schildert nicht nur die Manipulationen, die zur gewünschten Verformung der Kinderschädel führen, sondern auch die sich später einstellende Erblichkeit dieser konstitutionellen Variante. Die Details, die der Autor über die Lebensweise der Skythen mitteilt, entstammen wahrscheinlich nicht eigener Beobachtung, sondern fremden Mitteilungen und der Literatur. Welche Quelle(n) er benutzt hat, ist nicht geklärt. Auch Herodot ist, obwohl er sich mit den Skythen ausführlich befasst hat, nicht der Hauptgewährsmann. Über die Zeugungsunfähigkeit der Skythen, denen zwei Kapitel von Aer. gewidmet sind, findet man in den Historien lediglich eine kurze Notiz (I 105). Sprache und Textgeschichte: Am Ende von Kap. 12 fehlt die Beschreibung der Ägypter und Libyer; die Passage war schon zu Galens Zeit verloren (Gal.IV 799). Der Werkkommentar Galens (Scr.min.II 112) ist nur in arabischer Übersetzung (9. Jht.) erhalten.

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3.3 Buch der Prognosen [ȆȡȠȖȞȦıIJȚțȩȞ, Progn.] M: Alexanderson B.: Die hippokratische Schrift Prognostikon. Überlieferung und Text. Stockholm, 1963 Alexanderson B.: Textkritischer Kommentar zum hippokratischen Prognostikon und Bemerkungen zu Galens Prognostikonkommentar. Stockholm, 1968 A: Roselli A.: I rapporti tra Prognostico e Epidemie I e III. ASNP 1972; 2: 473–478

Format: Normative Schrift über das wichtigste Element der hippokratischen Medizin. Entstehungszeit: Ende 5. Jht. v.Chr. Gliederung: 1: Bedeutung der Prognostik für die Tätigkeit des Arztes 2: Das Gesicht des Kranken 3: Die Körperhaltung des Kranken 4: Krankhafte Bewegungen der Arme 5: Formen krankhafter Atmung 6: Schweiß 7: Abdominelle Symptome 8: Schwellungen 9: Verfärbung und Verkrampfung 10: Schlaf 11: Stuhl und Stuhlgang 12: Prüfung des Urins 13: Prüfung des Erbrochenen 14: Sputum 15: Prognose des Empyems 16: Entwicklung des Empyems 17: Verlaufsformen des Empyems 18: Prognostisch günstige und ungünstige Absiedelungen der Pneumonie 19: Prognostisch ungünstige schmerzhafte Verhärtungen der Leisten und der Blase 20: Kritische Tage fieberhafter Erkrankungen 21: Langanhaltende Kopfschmerzen 22: Akute Otitis. Zerebrale Komplikationen 23: Komplikationen der Angina 24: Zerebrale Komplikationen fieberhafter Erkrankungen 25: Um eine zuverlässige Prognose stellen zu können, müssen alle Symptome berücksichtigt werden.

Inhalt: Die Prognostik ist jene Form der Heilkunst, die den, der sie beherrscht, nicht nur vor den Laien, sondern auch vor den rein pragmatisch orientierten Ärzten, z.B. den Verfassern der so genannten Knidischen Sentenzen (Acut.1/2), auszeichnet. Der Autor schildert und analysiert die vegetativen Symptome, die der Arzt bei akut Kranken zu beachten hat, um – unabhängig von den anamnestischen Angaben – eine möglichst treffende Aussage über Entwicklung und Ausgang der Erkrankung zu treffen. Er gibt präzise und emotionslos an, wann ein Krankheitszeichen, z.B. das Schwitzen, als prognostisch günstig oder ungünstig, d.h. als Hinweis auf den nahen Tod einzuschätzen ist. Derart dezidierte Aussagen konnte nur ein Praktiker mit langjähriger Erfahrung im Umgang mit Schwerkranken machen. Sprache und Textgeschichte: Die im Proömium formulierte Begründung der Prognostik wird, wenn auch weniger stringent, in Prorrh.II 1 wieder aufgenommen. Die Periodizität der Fieber und anderer Erkrankungen (Kap. 20) ist ein wichtiges Thema der zweiten Katastasis des ersten Buches der Epidemien (Epid.I 6,8).

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3.4 Über die Diät bei akuten Erkrankungen [Ȇİȡì įȚĮȓIJȘȢ ÑȟȑȦȞ, Acut.] A: Jouanna J.: Le problème de l’unité du traité du Régime dans les maladies aiguës. In: Coll.Hipp.II Mons 1975 (Mons 1977): 291–312 Lonie I.M.: The Hippocratic Treatise peri diaites oxeon. Sudh Arch 1965; 49: 50–79

Format: Intelligente Kombination aus Kritik an der knidischen Medizin und dem Entwurf einer allgemeinen Diätlehre. Leitmotiv: Gerstengrütze. Entstehungszeit: Ende 5. Jht. v.Chr. Gliederung: 1: Kritik an den Verfassern der Knidischen Lehrsätze und den alten Schriften über die richtige Lebensführung 2: Die akuten Krankheiten sind eine besondere Herausforderung für den Arzt 3: Meinungsstreitigkeiten unter Ärzten 4: Zubereitung und Anwendung der Gerstengrütze 5: Risiken der Therapie mit Gerstengrütze 6: Dosierungsempfehlungen 7: Schmerzbehandlung 8: Warnung vor zu intensiver Initialtherapie 9: Ernährungsgewohnheiten in gesunden und in kranken Tagen 10: Risiken, die mit dem Genuss verschiedener Nahrungsmittel und Getränke verbunden sind 11: Diät und Fasten bei akuten Erkrankungen 12: Warnung vor abruptem Wechsel der Ernährungsgewohnheiten 13: Eindringliche Aufforderung zur Beachtung der Diätempfehlungen 14–17: Diätetische Eigenschaften von Wein, Honigtrank, Oxymel und Wasser 18: Bäder.

Inhalt: Die Invektive gegen die Verfasser und Redakteure der so genannten Knidischen Sentenzen eignet sich gut als Vorwort zu einer Darstellung der therapeutischen Wirksamkeit der Gerstengrütze (›IJȚıȐȞȘ/ptisánê) bei akuten schweren Erkrankungen. Allerdings geht die Kritik des Autors weit über den Bereich der Ernährung hinaus. Er verlangt Abkehr vom Schematismus der knidischen Medizin und legt den Ärzten die sorgfältige Beobachtung der Krankheitsentwicklung und die Individualisierung der Therapie nahe (Kap. 4, vgl. Nat.Hom. 8). Vor jeder brüsken Änderung der Ernährungsweise wird dringend gewarnt. Als akute schwere Erkrankungen werden die Pleuritis, die Peripleumonie, die Phrenitis, der Lethargos, der Kausos und andere Formen des Fiebers erwähnt (Kap. 2). Der Autor unterscheidet zwei Formen der Gerstengrütze: Den schwer verdaulichen Brei (Ò‘ ȜȘ/hólƝ, ›ĮȤİȚ̘Į/pacheîa, r‘ȩijȘȝĮ/rhóphêma), der alle Samenkörner der Gerste enthält, und den gefilterten Sirup bzw. Saft (ȤȣȜȩȢ/chylós). Er zieht es vor, die Grütze von Beginn der Erkrankung an zu geben, d.h. ohne vorher komplette Nahrungsabstinenz zu verordnen, setzt die Einnahme aber in krisenhaften Situationen aus. In den anderen rein diätetischen Schriften des C.H. spielt die Gerstengrütze keine Rolle. Der nosologisch orientierte Traktat Morb.II erwähnt sie hingegen sogar noch etwas häufiger als Acut. Sprache und Textgeschichte: Das Werk war in der Antike unter zwei weiteren Titeln bekannt, nämlich ȆȡòȢ IJàȢ ȀȞȓįȚĮȢ ȖȞȦ̐ȝĮȢ [Gegen die Knidischen Senten-

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zen] (Gal.XIX 195) und Ȇİȡì ›IJȚıȐȞȘȢ [Über die Gerstengrütze] (Gal.V 762). Der erste bezieht sich auf die polemisierende Einleitung, der zweite auf das Hauptmotiv der daran anschließenden Diätlehre. Unter letzterem Titel wird die Schrift auch in Epist. 21 erwähnt. Galen hat einen Kommentar in vier Büchern verfasst (Gal.XV 418–919). Acut. teilt mit Vet.med. neben inhaltlichen Parallelen (z.B. Acut. 9 – Vet.Med. 10–12 zum Thema Frühstück) den Ich-Stil. 3.5 Über die Diät bei akuten Erkrankungen. Unecht [Ȇİȡì įȚĮȓIJȘȢ ÑȟȑȦȞ. ȃȩșĮ, Acut.spur] A: Thivel A.: La composition de l’Appendice R.M.A. In: Coll. Hipp. III Paris 1978 (Paris 1980): 449–467

Format: Kurzlehrbuch der Diagnostik und diätetischen Behandlung akuter Erkrankungen. Gleiche Zielrichtung, aber niedrigeres fachliches Niveau als Acut. Entstehungszeit: Mitte 4. Jht.v.Chr. Gliederung: 1: Kausos (zwei Typen) 2–5: Aderlass (Indikationen und Technik) 6: Angina 7–8: Begleitsymptome des Fiebers 9: Inspektion des Kranken 10: Prognostisch ungünstige Fieberkrankheiten 11: Peripleumonie und Pleuritis 12,31: Dysenterie 13: Ikterus 14: Behandlung des Tetanos 15: Auf welchen Wegen verlassen Krankheiten den Körper ? 16,25: Behandlung mit Nieswurz 17: Marschbeschwerden 18: Der tägliche Speiseplan 19: Therapeutisch wirksame Getränke 20: Zwei Formen des Hydrops 21: Diätetische Therapie von Unterbauchbeschwerden 22: Fieber und Ernährung 23: Verzicht auf Diät, wenn äußere Krankheitsursachen erkennbar sind 24: Nulldiät 26: Heilendes Getränk bei Hydrops 27: Hämostyptika 28: Sesamartiges Mittel 29: Therapie des Entropium 30: Therapie von Empyemen 32–34: Ophthalmika 35: Dyspnoe und Frauenleiden 36–39: Rezepte und Ernährungstipps.

Inhalt: Die Gerstengrütze hat für den Verfasser von Acut.spur. eine weitaus geringere Bedeutung als für den Autor von Acut.; sie wird gerade drei Mal und dabei jeweils nur am Rande erwähnt. Dafür wird die Regulierung des Flüssigkeitshaushalts z.B. bei Brennfieber (Kap. 1) wesentlich detaillierter dargestellt als in Acut. Die Folgen des in den Kapiteln 2 und 4 (ebenso wie in Acut.7) empfohlenen ausgiebigen Aderlasses werden in Epid.V 6 beschrieben. Sprache und Textgeschichte: Acut.spur. ist eine weniger geschlossene und stilistisch weniger ausgefeilte Schrift als Acut. Der Autor präsentiert ohne erkennbare Systematik teils allgemein gehaltene, teils sehr spezielle Bemerkungen zu Ätiologie, Symptomatik, Therapie und Prognose von mehr als 20 verschiedenen Leiden. Krankheitsbeschreibungen, die den Charakter von Handbuchbeiträgen haben, stehen neben knappen Anwendungshinweisen zu einzelnen Pharmaka.

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Wahrscheinlich handelt es sich um eine Sammlung von Notizen des Autors oder eines seiner Schüler, die in die Fortsetzung des Werkes aufgenommen werden sollten. Epidemien I–VII [’Ǽ›ȚįȘȝȚȦ̏Ȟ I–VII : 3.6 – 3.16 – 3.7 – 3.17 – 3.18 – 3.19 – 3.20] M: Deichgräber K.: Die Epidemien und das Corpus Hippocraticum. Voruntersuchungen zu einer Geschichte der Koischen Ärzteschule. Berlin, 1971 Deichgräber K.: Die Patienten des Hippokrates. Historisch-prosopographische Beiträge zu den Epidemien des Corpus Hippocraticum. Wiesbaden, 1982 Langholf V.: Medical theories in Hippocrates. Early Texts and the “Epidemics”. Berlin, New York, 1990

Epid.I–VII sind das Resultat vieler monate- bzw. jahrelanger Aufenthalte einer Gruppe von Wanderärzten in Nordgriechenland; die umfangreichsten Berichte liegen aus Thasos, Abdera und Perinth vor. In anderen Landesteilen gelegene Orte, auch Athen, spielen kaum eine Rolle. Die Reisen der Ärzte – ™›ȚįȘȝȓĮ/epidêmía bezeichnet in erster Linie den Aufenthalt in der Fremde, der epidemiologische Kontext tritt dagegen in den Hintergrund – haben dem Werk seinen Namen gegeben. Die Epidemien, über die berichtet wird, sind zwar die bekanntesten Teile des Opus. Weitaus mehr Raum nimmt aber die Beschreibung sporadischer Erkrankungen ein. Die ärztlichen Berichterstatter haben die klimatischen Verhältnisse vor Ort und den Leidensweg der von ihnen betreuten Patienten exakt beobachtet und minuziös aufgezeichnet. Die aus diesen Details gebildeten țĮIJıIJȐıİȚȢ/katastáseis [Konstitutionen, Klimaberichte] beziehen sich entweder auf ein Jahr (Epid.I und III) oder eine Saison (Epid.II, IV und VI). Die Fallbeschreibungen verteilen sich auf zwei Gruppen: In der ersten wird der Verlauf der Erkrankung von Tag zu Tag geschildert (überwiegend in Epid.I und III), in der anderen werden Anamnese und Klinik zeitlich weniger differenziert dargestellt (Epid.II, IV-VII). Zwingende kausale Verbindungen zwischen den Konstitutionen und den Kasuistiken stellen die Autoren nicht her. Die Kranken werden durch den Namen und/oder ihre verwandtschaftlichen Beziehungen und/oder den Beruf und/oder die Adresse identifiziert. Bei der Gruppierung der Kasuistiken ist keine Rücksicht auf ätiologische und pathogenetische Zusammenhänge und Ähnlichkeiten genommen worden. Die Patienten werden in der ungeordneten Folge beschrieben, wie sie für die allgemeinärztliche Praxis charakteristisch ist. Die Autoren begnügen sich über weite Strecken mit der Beschreibung der Symptome und schildern die Therapie nur am Rande. Die Beschränkung auf die Darstellung des natürlichen Verlaufs spiegelt die Hilflosigkeit der Ärzte gegenüber den Krankheiten, mit denen sie konfrontiert werden, wieder. Von den in Epid.I und Epid.III dargestellten Patienten erliegt jeder zweite der beschriebenen Erkrankung.

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Die sieben Bücher bilden keine geschlossene Einheit. Nach stilistischen und historischen Kriterien werden seit Galen (Gal.VII 825, 854, 890) drei Gruppen unterschieden: • Epid.I und Epid.III • Epid.II, Epid.IV und Epid.VI • Epid.V und Epid.VII. Epid.I und Epid.III bieten das beste Material (Galen bezeichnet es als ıȣȖȖȡȐȝμĮIJĮ/ syngrámmata [Abhandlungen], Gal.XV 424) und die am stärksten verdichtete Darstellung. Wahrscheinlich handelt es sich um eine primär zur Veröffentlichung bestimmte Auswahl von Kasuistiken. Ihre zeitliche Einordnung basiert auf zwei historisch sicher datierbaren Ereignissen. Die in Epid.III 1.2 erwähnte „Neue Mauer“ wurde um 411 v.Chr. von den thasischen Oligarchen errichtet und der in Epid.I 15 erwähnte Antiphon, Sohn des Kritoboulos, wird mit einem Träger des gleichen Namens auf der Liste der Aufseher (șİȦȡȠȓ/ theôroí) von Thasos (Inscriptiones Graecae XII, 8, 277,1. 81) identifiziert. Die Listen gelten für die Jahre 411/410 und 408/407 v.Chr. Freilich kann Antiphon sowohl vor als auch nach dieser Zeit erkrankt und vom hippokratischen Arzt behandelt worden sein. Epid.II, IV und VI enthalten die privaten Aufzeichnungen eines Wanderarztes aus dem frühen 4. Jht. v.Chr. Galen nennt sie u‘›ȠȝȞȒȝĮIJĮ/hypomnêmata [Erwähnungen] (Gal.XVI 532, Scr.min.II 80,91) und nimmt an, dass sie Thessalos, einer der beiden Söhne des Hippokrates, aus eigenen und Aufzeichnungen des Vaters zusammengestellt habe. Das Material befindet sich in einem so rohen Zustand, dass es für die Publikation nicht geeignet war. Der Text bietet zwei historische Bezugspunkte: Die Epidemie von Perinth (399–395 v.Chr.) und die in Epid.IV 21 erwähnte von einem Erdbeben gefolgte Erscheinung eines großen Kometen zur Wintersonnenwende 373/372 v.Chr. (Arist. meteor. I 6,8.10.7,10). Epid.V und Epid.VII gehören, wie die Koinzidenz von knapp der Hälfte der Krankengeschichten zeigt, eng zusammen. Die Fallbeschreibungen sind präzise und z.T. dramatisch zugespitzt, so dass sie für eine Veröffentlichung in Frage gekommen sind. Galen (Gal.XVII 579) hält von ihnen allerdings nichts. Die Bücher sind durch die sowohl in Epid.V 95 wie in Epid.VII 121 erwähnte Belagerung von Daton (durch Philipp von Makedonien, 358/357 v.Chr.) sicher datierbar und damit rund vier Jahrzehnte jünger als Epid.II, IV und VI. Da insgesamt vier Kranke beschrieben werden, die in Olynth lebten, gilt das Datum der Zerstörung der Stadt (im August 348 v.Chr.) als Terminus ante quem für die Materialsammlung von Epid.V und Epid.VII.

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3.6 Epidemien I [’Ǽ›ȚįȘȝȚȦ̏Ȟ IJò ›ȡȦ̏IJȠȞ, Epid.I] M: Hellweg R.: Stilistische Untersuchungen zu den Krankengeschichten der Epidemienbücher I und III des Corpus Hippocraticum. Bonn, 1985 A: López Férez J.A.: La Médecine météorologique et les Epidémies. In: Coll.Hipp.V Berlin 1984 (Stuttgart 1989): 52–59

Format: Klimaberichte und Krankengeschichten aus Thasos (s. Kasten S. 34–35) Entstehungszeit: Etwa 410 v.Chr. Gliederung: Die Schrift setzt sich aus drei (1–3) Klimaberichten (1–3, 4–10, 13–22) und vierzehn Fallbeschreibungen (ohne Kapitelnummern) zusammen. 1 1: Typische Erkrankungen des Frühjahrs (Mumps) 2: Schwere Krankheiten (Phthisis) in Sommer und Winter 3: Gutartige, aber protrahiert verlaufende Erkrankungen im Herbst 2 4: Das Wetter im Winter 5: Saisonale Verteilung von Entzündungen und fieberhaften Erkrankungen 6: Protrahiertes Fieber 7: Fieber mit Organkomplikationen 8: Ausgeprägte Störung des Allgemeinbefindens 9: Manifestationen an Darm und Gelenken 10: Prognostisch günstiges Symptom: Dysurie 11: Das Arzt-Patienten-Verhältnis 12: Kopf-Hals-Schmerzen 3 13: Kalter feuchter Winter, heißer regenloser Sommer 14: Fieber und Lähmungen 15: Prognostisch günstiges Zeichen: Nasenbluten 16: Niedrigere Letalität bei Frauen 17: Spätsymptom: Dysenterie 18: Wechselhafter Verlauf der Phrenitis 19: Hohe Letalität unter Kindern 20–22: Krisen und Rezidive 23: Kategorien der klinischen Beobachtung 24–25: Schweregrade und Verlaufsformen des Fiebers 26: Exazerbationen und Krisen Vierzehn Fallbeschreibungen (Name des Kranken, Beobachtungszeitraum, Schicksal) Philiskos 5 Tage Tod Silenos 11 Tage Tod Herophon 17 Tage Genesung nach zwei Krisen Frau des Philinos 20 Tage Tod Frau des Epikrates 80 Tage Vollständige Erholung Kleanaktides 80 Tage Vollständige Erholung Meton 5 Tage Erholung. Nachblutungen aus der Nase Erasinos 5 Tage Tod Kroton 2 Tage Tod Mann aus Klazomenai 40 Tage Erholung Frau des Dromeades 6 Tage Tod Anonymus 11 Tage Tod Anonyma 11 Tage Genesung Melidia 11 Tage Vollkommene Genesung

Inhalt und Sprache: Die beiden ersten Klimaberichte sind ähnlich knapp und präzise geschrieben wie die Kasuistiken. Der dritte ist breiter angelegt und verliert sich – wie auch die sonst ähnliche Schrift Hum. – gegen Ende in allgemeinen

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Bemerkungen. Allerdings werden nur dort eine Reihe von Patienten beim Namen genannt und ihre Leiden mehr oder weniger ausführlich beschrieben; 23 sind es insgesamt. Zwei von ihnen kehren in den Fallbeschreibungen wieder, nämlich Philiskos (Kap. 14, 21 und Fall 1) und Hermippos von Klazomenai (Kap. 20 und Fall 10). Der in Kap. 14 und 21 genannte Silenos ist auf Grund des unterschiedlichen Krankheitsverlaufs nicht identisch mit dem gleichnamigen Patienten der zweiten Kasuistik.

3.7 Epidemien III [’Ǽ›ȚįȘȝȚȦ̏Ȟ IJò IJȡȓIJȠȞ, Epid.III] A: Banu I.: Le rapport science-philosophie dans Épidémies I, III et les écrits connexes du C.H. In: Coll.Hipp.V Berlin 1984 (Stuttgart 1989): 244–260 Comiti V.-P.: Étiologies et responsabilités causales dans les Épidémies. In: Coll.Hipp.V Berlin 1984 (Stuttgart 1989): 105–108 Dugand J-E.: Les Adresses de malades d’ Épidémies I et III et les preuves, tant archéologiques qu’épigraphiques du séjour d’Hippocrate à Thasos, capitale del île de ce nom. Ann Fac Lettre Sc Hum Nice 1979; 35: 131–156 Jouanna J.: Place des Épidémies dans la Collection hippocratique: le critère de la terminologie. In: Coll.Hipp.V Berlin 1984 (Stuttgart 1989): 60–87 Langholf V.: Symptombeschreibungen in Epidemien I und III und die Struktur des Prognostikon. In: Coll.Hipp.IV Lausanne 1981 (Genève 1983): 109–120 Langholf V.: Generalisationen und Aphorismen in den Epidemienbüchern. In: Coll.Hipp.V Berlin 1984 (Stuttgart 1989): 131–143 Nollé J.: Die „ Charaktere“ im 3. Epidemienbuch des Hippokrates und Mnemon von Side. ’ǼijȘȝİȡìȢ ’ǹȡȤĮȚȠȜȠȖȚțȒ 1983; 2: 85–98 Potter P.: Epidemien I/III: Form und Absicht der zweiundvierzig Fallbeschreibungen. In: Coll.Hipp.V Berlin 1984 (Stuttgart 1989): 9–19

Format: Weiterer Klimabericht aus Thasos und neue Krankengeschichten aus nordgriechischen Städten. Fortsetzung von Epid.I. Entstehungszeit: Etwa 410 v.Chr. Gliederung: Die Schrift setzt sich aus zwei Gruppen von Kasuistiken (1, 17) und einem Klimabericht (2–16) zusammen. 1: Zwölf Fallbeschreibungen (Name des Kranken, Beobachtungszeitraum, Schicksal) Pythion 10/50 Tage Krise/Empyem am Gesäß Hermokrates 27 Tage Tod Anonymus 40 Tage Vollständige Erholung Philistes 5 Tage Tod Chairion 20 Tage Vollständige Erholung Tochter des Euryanax 7 Tage Tod Anonyma 5 Tage Tod Junger Mann 7 Tage Tod Anonyma Keine Zeitangabe Tod Anonyma 7 Tage Tod Frau des Hiketas 7 Tage Tod Junge Mutter 14 Tage Tod

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2: Gutes Wetter. Niedriger Krankenstand. Ausnahme: Phthisis 3: Epidemische Häufung von Erysipelas im Frühjahr 4: Schwere Verstümmelungen der Gliedmaßen 5: Abszesse im HNO-Bereich 6: Kausos und Phrenitis 7: Andere Formen des Fiebers 8: Intestinale Symptome 9: Inappetenz 10: Polyurie 11: Koma 12: Weitere Formen des Fiebers 13–14: Phthisis 15: Häufung von Erkrankungen und Todesfällen im Frühjahr 16: Aufforderung zum Studium der Wetterhistorie und der Krankengeschichten 17: Sechzehn Fallbeschreibungen (Name des Kranken, Beobachtungszeitraum, Schicksal) Parier auf Thasos 120 Tage Tod Frau von Thasos 80 Tage Tod Pythion von Thasos 20 Tage Tod Anonymus 4 Tage Tod Kahlkopf in Larissa 4 Tage Tod Perikles von Abdera 4 Tage Genesung, kein Rezidiv Mädchen von Abdera 27 Tage Nahezu komplette Erholung Anaxion von Abdera 34 Tage Genesung Heropythos von Abdera 120 Tage Vollständige Genesung Nikodemos von Abdera 24 Tage Genesung Frau von Thasos 3 Tage Genesung Mädchen in Larissa 6 Tage Vollständige Genesung Apollonios von Abdera 34 Tage Tod Frau aus Kyzikos 17 Tage Tod Gattin des Delearkes 21 Tage Tod Junger Mann aus 24 Tage Tod Meliboia

Inhalt: Von den Patienten der ersten Gruppe wird nur Philistes (Fall 4) ausdrücklich mit Thasos in Verbindung gebracht; man kann jedoch annehmen, dass auch die anderen von der Insel stammten. Allerdings sind die in einigen Adressen genannten Gebäude (z.B. das Heiligtum der Erdgöttin, Fall 1) archäologisch nicht nachgewiesen. Die Patienten der zweiten Gruppe verteilen sich auf fünf Orte (Abdera, Thasos, Larissa, Kyzikos, Meliboia); bei einem Patienten (Fall 4) fehlt die entsprechende Angabe. Wahrscheinlich bezieht sich auch der Klimabericht der Kap. 2–15 auf eine der genannten Städte. Anders als in den Kasuistiken von Epid.I, die den Autor nur als Beobachter und nicht als aktiv tätigen Arzt zeigen, berichtet er in Epid.III zumindest bei einem Patienten (Anaxion von Abdera) von Behandlungsversuchen (warme Umschläge, Aderlass). Kap. 16 passt inhaltlich nicht in den Zusammenhang; der Text kehrt nahezu wörtlich in Dieb.Judic.1 wieder. Sprache und Textgeschichte: In 24 der 28 Kauistiken findet sich jeweils am Ende des Texts eine Signatur (ȤĮȡĮțIJȒȡ/charaktêr), die ausschließlich aus Majuskeln besteht (z.B. ȆǿȀǻȅǻȂȊ/PIKDODMY, Serie 1, Fall 3). Diese Kürzel bergen die wesentlichen Inhalte der Krankengeschichten in stark komprimierter und verschlüsselter Form und leisteten dem Leser Hilfe bei der Auswahl der Lektüre. Wie Galen (Gal.XVII A 611–613) unter Berufung auf den Empiriker Zeuxis (2. Jht. v.Chr.) berichtet, gehen die Signaturen auf Mnemon von Side (3. Jht.

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v.Chr.) zurück. Der Arzt und Anhänger der Schule des Kleophantos soll sie entweder in das Exemplar von Epid.III, das sich in der Bibliothek von Alexandria befunden hat, eingetragen oder eine Kopie mitgebracht haben, in der sie bereits vorhanden waren. Trotz der Erklärungsversuche, die Galen anschließend unternimmt, bleiben Lesart und Interpretation der Kürzel umstritten. Die Unsicherheit ist vor allem dadurch bedingt, dass manche Buchstaben mehrere Bedeutungen haben (z.B. kann Ȃ sowohl ȝĮȞȓĮ/manía [Wahnsinn] wie ȝȒIJȡĮ/mêtra [Gebärmutter] bedeuten). So viel aber steht fest: Der erste Buchstabe ist immer ein Ȇ/P (für ›ȚșĮȞȩȞ/pithanón [wahrscheinlich], der letzte entweder ein Ĭ/Th (für șȐȞĮIJȠȢ/thánatos [Tod]) oder ein Ȋ/Y (für u‘ȖȓİȚĮ/hygíeia [Genesung]), der vorletzte gibt die Zahl der Krankheitstage an und die restlichen Buchstaben symbolisieren Symptome und andere klinische Phänomene. Nollé hat die Vermutung geäußert, dass die stenographischen Glossen des Mnemon von Side (Pamphylien) einen Kommentar in der Muttersprache ihres Urhebers darstellen.

3.8 Über die Kopfverletzungen [Ȇİȡì IJȦ̎Ȟ ™Ȟ țİijĮȜñ IJȡȦȝȐIJȦȞ, VC] A: Lara Nava D.: Elementos de composición en el escrito hipocrático Heridas en la cabeza. In: VIII congreso español de estudios clásicos 1994; 2: 243–249

Format: Wissenschaftlich mustergültige Monographie über die Pathogenese, Diagnose und Therapie der Schädelverletzungen. Entstehungszeit: 5./4. Jht. v.Chr. Gliederung: 1–2: Schädelnähte und Schädelknochen 3: Weichteilverletzungen des Schädels. 4–8: Frakturtypen 9: Indikation zur Trepanation 10: Untersuchung des Schädelverletzten 11: Unfälle und Kriegswunden 12: Differenzierung zwischen Sutur und Fraktur 13–14: Konservative und operative Behandlung der Schädelverletzungen 15: Behandlung der Weichteilverletzungen 16–17: Ausräumung nekrotischer Knochenfragmente 18: Pädiatrische Neurotraumatologie 19: Letale Verläufe 20: Erysipelas des Gesichts 21: Technische Details der Trepanation. Inhalt: Die Schrift enthält eine Reihe scharfsinniger Beobachtungen und praktisch wertvoller Empfehlungen, die nur von einem auf Neurotraumatologie spezialisierten Arzt stammen können. Die Nähte des knöchernen Schädels werden differenziert beschrieben (die Darstellung des hippokratischen Autors ist der des Aristoteles in hist.an.I 7 zum gleichen Thema überlegen), die Möglichkeit der Verwechslung von Fraktur und Sutur wird treffend beschrieben (Kap. 1, 2, 12). Die Schädelverletzungen werden nicht nur nach Art und Umfang des Knochenund Weichteildefekts, sondern auch nach ballistischen Gesichtspunkten (Kap. 11) eingeteilt. Als š‘ įȡĮ/hédra bzw. įȚĮțȠ›Ȓ/diakopê wird die klaffende Verletzung der Kopfschwarte in Kombination mit einer umschriebenen Läsion

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der Kalotte durch ein Wurfgeschoss bezeichnet (Kap. 7, 9, 12). Am dritten Tag nach der Verletzung muss der Arzt entscheiden, ob er trepaniert oder nicht. Wenn die Wundverhältnisse unübersichtlich sind, soll man inzidieren, und zwar längliche Wunden einfach und rundliche Wunden mit einem longitudinalen Doppelschnitt (Kap. 13). Die Differenzialdiagnose zwischen Fraktur und Kontusion wird erleichtert, wenn man eine dunkle Markierungsflüssigkeit (ȝȑȜĮȞ ijȐȡȝĮțȠȞ/ mélan phármakon, vgl. Mul.I 96) aufträufelt, die in den Bruchspalt eindringt und die Fragmente färbt, während man sie vom gesunden Knochen abwaschen kann. Vor Trepanationen an der Schläfe warnt der Verfasser ausdrücklich, da er nach solchen Eingriffen bei Patienten kontralaterale Krämpfe beobachtet hat (Kap. 13). Damit gibt der Autor – ähnlich wie in Kap. 19 – indirekt einen Hinweis auf die Kreuzung der großen kortikospinalen Bahnen. Dass die in VC beschriebenen Eingriffe am Schädel auch in Friedenszeiten durchgeführt worden sind, belegen die Berichte über drei trepanierte Zivilisten in Epid.V 16, 27, 28. Sprache und Textgeschichte: Stil und Wortwahl des Traktats sind der Bedeutung des Sujets angepasst. Die große Zahl von Wiederholungen steigert den didaktischen Wert des Texts. Galens Kommentar (Gal.XIX 95) ist nur fragmentarisch erhalten. 3.9 In der Praxis des Arztes [ȀĮIJ’ „ȘIJȡİȚ̘ȠȞ, Off.] A: Amneris R.: I commenti di Galeno ai trattati chirurgici (fratture/articolazioni ed officina del medico): Problemi di tradizione ippocratica e galenica. SCO 1991; 41: 467–475

Format: Praxisbroschüre für Chirurgen. Entstehungszeit: Wende 5./4. Jht. v.Chr. Gliederung: 1: Forderung nach umfassender physikalischer Untersuchung des Patienten 2: Ausstattung der chirurgischen Praxis 3: Optimale Position von Operateur und Patient. Natürliche und künstliche Beleuchtung 4: Nagelpflege. Beidhändiges Operieren 5: Lage der Instrumente 6: Begleitpersonen 7: Tipps zum richtigen Anlegen von Verbänden 8: Dosierte Kompression 9: Fixierung von Verbänden 10: Eigenschaften des Verbandmaterials 11: Funktion der verschiedenen Formen von Verbänden 12: Frakturbehandlung mit Verbänden 13: Wasseranwendung 14: Schienenverbände 15: Ruhigstellung in natürlicher Position 16: Extensionsbehandlung 17: Wundscheuern 18: Kontrolle und Pflege von Verbänden 19: Suspensionsbehandlung 20: Übungen im Verband 21: Ruhigstellung ohne Druck 22: Ruhigstellung blutender Frakturen im Verband 23: Verbände bei dislozierten Frakturen 24: Verbände an atrophischen Körperteilen 25: Thorax- und Kopfverbände.

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Inhalt: Der hippokratische Autor stellt hohe Anforderungen an die Zeitplanung (ȤȡȩȞȠȢ/chrónos), die Ausstattung (IJȡȩ›ȠȢ/trópos) und die Lokalisation (IJȩ›ȠȢ/tópos) der chirurgischen Praxis (Kap. 2). Er fordert peinliche Beachtung der Hygienevorschriften und Verhaltensmaßregeln während der Interventionen und schreckt nicht vor kleinlichen Empfehlungen zur Maniküre zurück. Die Ratschläge für die optimale Beleuchtung des Operationsfelds sind aus Medic. 2 bekannt, Details der Verbandlehre stammen aus Fract. Dabei sind dem Verfasser jedoch Übertragungsfehler unterlaufen. So zieht er (in Kap. 16) aus einer in Fract. 4 geschilderten pädiatrischen Kasuistik die irrige Schlussfolgerung, dass die Hyperextension bei der Frakturbehandlung im Kindesalter generell unschädlich sei. Die Trainingsempfehlung in Kap. 20 ist eine extreme Verkürzung der entsprechenden Passage in Artic.58. Sprache und Textgeschichte: Der Text ist ähnlich stark verdichtet wie jener von Alim. und vor allem in den ersten und den letzten sechs Kapiteln auf Stichwörter und Merksätze reduziert. Galens Kommentar (Gal.XVIII B 629–825) ist mehr als drei Mal so umfangreich wie das Original. Die chirurgischen Werke [ 3.9 – 3.10 – 3.11 – 3.12 – 3.63] A: H. Grensemann: Hypothesen zur ursprünglich geplanten Ordnung der hippokratischen Schriften De fracturis und De articulis. Med. Hist. Journal 1970; 5: 217–235

Die chirurgischen Traktate des C.H. sind in vielfältiger Weise miteinander verbunden. Schon in der Antike hat man sich die Frage gestellt, ob sie ursprünglich ein geschlossenes Opus gebildet haben. Galen (Gal.XVIII B 324) gehörte zu den Anhängern der Einheitstheorie und glaubte, dass das Werk bald nach seinem Abschluß in Fract. und Artic. zerfallen sei. Die Querverweise (z.B. Artic. 67 auf Fract. 31) und die wechselseitigen Ergänzungen (z.B. findet sich die in Fract. 9 fehlende Darstellung der Luxationen des Handskeletts in Artic. 26 und 27) sind starke Indizien für die ursprüngliche Einheit der beiden Traktate. Auch die Ankündigung in Fract. 1, dass Verrenkungen und Brüche gemeinsam und nicht separat behandelt werden, spricht für diese Annahme. Als Verfasser nahm Galen entweder Hippokrates selbst (Gal.XVIII A 577) oder dessen gleichnamigen Großvater an (Gal.XV 456). Auch Littré glaubte an ein großes chirurgisches Werk des Koers und vermutete die Reste des Originals in Fract. Von Off. nahm er an, dass es entweder dessen Einleitung oder ein später angefertigtes Exzerpt war. Für erstere Variante spricht die Ankündigung in Kap. 5, die detaillierte Darstellung der chirurgischen Instrumente werde noch folgen, für letztere die Notiz in Kap. 7, die Praxis der Verbandtechnik sei bereits besprochen worden.

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Die Beziehungen von Mochl. zu anderen Schriften des C.H. reichen über die chirurgischen Werke hinaus. Der Traktat ist zwar weitgehend eine Kompilation von Textbausteinen aus Artic.; dabei stehen (nahezu) wörtliche Wiederholungen (Mochl. 7–19 entspricht Artic. 17–29, Mochl. 26–31 entspricht Artic. 82–87) neben kurzen Exzerpten (z.B. Mochl. 2–3 aus Artic. 35–45). Außerdem findet man in einigen wenigen Kapiteln Notizen, die aus Fract. stammen (z.B. Mochl. 27 aus Fract. 13). Folgt man den Glossen in den Wörterbüchern Erotians und Galens, so hat ursprünglich auch noch eine enge Beziehung zwischen Mochl. und Oss. bestanden. Möglicherweise folgte Oss. sogar direkt auf Mochl. Schließlich besteht eine lockere Verbindung zwischen Mochl. und Epid.II,IV und V. Der Anfang von Kap. 39 stimmt nahezu wörtlich mit Epid.II 5.4 und Epid.VI 1.3 überein.

3.10 Über die Knochenbrüche [Ȇİȡì ˜ȖȝȦ̐Ȟ, Fract.] M: Irmer D.: Palladius’ Kommentar zu Hippokrates «De fracturis» und seine Parallelversion unter dem Namen des Stephanus von Alexandria. Kritische Ausgabe und Übersetzung. Hamburg, 1977 Knutzen G.J.: Technologie in den hippokratischen Schriften, Wiesbaden, 1963

Format: Monographie über die Behandlung der Frakturen des Extremitätenskeletts. Entstehungszeit: Ende 5. Jht. v.Chr. Gliederung: Der Text verteilt sich auf drei (1–3) Hauptabschnitte: Unkomplizierte Frakturen und Verrenkungen der oberen und unteren Extremität (4–23), Komplikationen der Frakturbehandlung (24–36) und Frakturen und Verrenkungen von Knie und Ellenbogen (37–48). 1: Fehler bei der Frakturbehandlung in der Allgemeinpraxis 2–3: Fehler bei der Behandlung von Frakturen der oberen Extremität 1 4–7: Behandlung der Frakturen des Unterarms 8: Behandlung der Oberarmfraktur 9: Behandlung der Frakturen der Fußknochen 10: Talusdislokation 11: Kalkaneusfraktur und deren Komplikationen 12: Knöcherne Anatomie des Unterschenkels 13–14: Sprunggelenksluxation 15–18: Frakturen des Unterschenkels 19–23: Frakturen des Oberschenkels 2 24–29: Luxationsfrakturen, offene Frakturen, verzögerte Wundheilung 30–35: Reposition. Nachbehandlung des reponierten Gelenks 36: Diätetik in der Traumatologie 3 37: Vergleichende Anatomie von Knie und Ellenbogen 38/ 40–44: Luxationen des Ellenbogens 39: Dislokation der Speiche 45: Olekranonfrakturen 46: Distale Humerusfraktur 47: Konsolidierung in Fehlstellung 48: Schienenverbände.

Inhalt: Der Autor widmet lange Passagen der Schrift ausschließlich der anatomisch exakten und biomechanisch günstigen Reposition und Stabilisierung der

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Frakturen. Er versäumt es aber auch nicht, auf begleitende Blutungen, entzündliche Komplikationen sowie die möglichen Spätfolgen (Nekrose, Atrophie) von Skelettverletzungen im Detail (z.B. Kap. 11, 25, 29, 30) einzugehen. Vielfach werden genaue Zeitangaben über die mittlere Dauer der Frakturheilung gemacht (z.B. 40 Tage für die distale Unterschenkelfraktur, Kap. 14). Die Beschreibung der Anatomie der Unterschenkelknochen ist mit einer Ausnahme exakt. In den Kap. 12 und 37 wird die Fibula irrig als der längere der beiden Knochen bezeichnet. Kap. 13 enthält eine sozialmedizinisch wichtige Notiz. Der Autor weist dort darauf hin, dass die Versorgung verletzter Patienten in Großstädten dadurch begünstigt werde, dass dort ein Gerät zur Verfügung stehe, mit dem alle Arten von Frakturen und die Luxationen aller Gelenke behandelt werden können. Sprache und Textgeschichte: Die Einleitung von Fract. ist verloren; nur so ist der unvermittelte Beginn der fachlichen Darstellung in Kap. 1 zu erklären (s. Kasten S. 41–42). Der Stil der Monographie ist dem Sujet entsprechend nüchtern. Die Schrift wurde u.a. von Galen (Gal.XVIII B 318–628) kommentiert.

3.11 Über die Gelenke. Über die Einrenkung der Gelenke [Ȇİȡì ÁȡșȡȦȞ. Ȇİȡì ÁȡșȡȦȞ ™ȝȕȠȜȘ̘Ȣ, Artic.] M: Michler M.: Die Klumpfußlehre der Hippokratiker. Eine Untersuchung von De articulis Cap. 62 mit Übersetzung des Textes und des galenischen Kommentars. Wiesbaden, 1963 A: Roselli A.: Problemi relativi ai trattati chirurgici De Fracturis e De Articulis. In: Coll. Hipp. I Strasbourg 1972 (Leiden 1975): 229–234

Format: Wissenschaftliche Monographie über die Behandlung der Luxationen des Extremitätenskeletts und der Wirbelsäule. Zugleich vorbildlicher Ratgeber für die Praxis. Entstehungszeit: Ende 5. Jht. v.Chr. Gliederung: Am Text lassen sich zwölf (1–12) Abschnitte unterscheiden, die folgenden Themen gewidmet sind: Schulterluxation (1–12), Klavikulafraktur (13–16), Luxationen von Ellenbogen, Hand- und Fingergelenken (17–29), Frakturen und Luxationen des Unterkiefers (30–34), Behandlung der Nasenbrüche (35–39), Frakturen des Ohrs, entzündliche Komplikationen (40), Orthopädie der Wirbelsäule (41–48), Frakturen des knöchernen Thorax (49–50), Hüftluxation (51–61), Klumpfuß (62), Verschiedene Verletzungen (63–69) und Reposition der Hüfte (70–78). 1 1: Anteroinferiore Schulterluxation 2–9: Repositionsverfahren 10: Klinische Zeichen 11–12: Behandlung der habituellen Schulterluxation 2 13: Akromionabriß 14–16: Behandlung der verschiedenen Formen der Klavikulaschaftfraktur

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3 17: Subluxation des Radius 18–20: Vollständige Ellenbogenluxation 21: Posttraumatische Ankylose 22–25: Extensionsbehandlung 26: Luxation des Handgelenks 27: Extensionsbehandlung 28: Angeborene Dislokation des Handgelenks 29: Diagnose und Therapie der Fingerluxation 4 30–34: Frakturen und Luxationen des Unterkiefers 5 35–36: Nicht-deformierende Frakturen 37–39: Deformierende Frakturen 6 40: Frakturen des Ohrs, entzündliche Komplikationen 7 41: Nicht-traumatische Verkrümmung der Wirbelsäule 42–44: Apparative Möglichkeiten der Behandlung der frisch verletzten Wirbelsäule 45: Anatomie der Wirbelsäule 46: Fehler bei der Behandlung der Wirbelluxation 47: Traktionsbehandlung der verletzten Wirbelsäule 48: Anteriore Wirbelluxation 8 49–50: Frakturen des knöchernen Thorax 9 51: Vordere Hüftluxation 52: Folgen der unbehandelten Hüftluxation 53: Artefizielle Knie- und Hüftluxation (Anekdote aus der Mythologie) 54: Luxation des Hüftkopfs nach lateral 55: Hüftluxation beim Erwachsenen 56: Doppelseitige Hüftluxation 57: Luxation der Hüfte nach dorsal 58: Folgen der unterlassenen Reposition des luxierten Hüftkopfs 59: Luxation der Hüfte nach ventral 60: Hüftluxation beim Erwachsenen 61: Allgemeine Luxationslehre 10 62 Klumpfuß 11 63: Offene verschobene Unterschenkelfraktur 64: Verschobene Unterarmfraktur 65: Offene Femurfraktur 66: Dislozierte Ober- und Unterarmfrakturen 67: Reposition von Frakturen der Finger und Zehen 68: Amputationsfrakturen 69: Gangrän 12 70–73: Instrumentelle Reposition der vorderen Hüftluxation 74: Behandlung der lateralen Hüftluxation 75: Behandlung der dorsalen Hüftluxation 76: Behandlung der anterioren Hüftluxation 77: Reposition mit Weinschlauch 78: Alternative Repositionsverfahren Anhang: 79: Jede Luxation muß reponiert werden 80: Reposition der Finger 81: Allgemeinbehandlung nach Reposition 82: Reposition des Kniegelenks 83: Verrenkung der Fußwurzel 84: Dislokation der Knochen des Mittelfußes 85: Sprunggelenksluxation 86: Posttraumatische Sepsis 87: Verrenkungen des Fußes.

Inhalt: Der Vergleich von Kap. 11 mit Aer. 20 zeigt, wie unspezifisch selbst am gleichen Organ der therapeutische Einsatz der Kauterisation war. Während nach der dortigen Schilderung die Skythen die Schultern kauterisierten, um die angeborene Feuchtigkeit und Weichheit ihres Körpers zu bekämpfen, empfiehlt der hippokratische Arzt die gleiche Maßnahme für die Rezidivprophylaxe der habituellen Schulterluxation. In Kap. 53 unternimmt der Autor einen Exkurs in die Mythologie. Er referiert dort die bekannte Sage, nach der die Amazonen die Glieder ihrer Söhne verrenkten, so dass sie für den Kriegsdienst untauglich wurden und nur noch sitzende Tätigkeiten ausüben konnten. Diese Parallele zur Klinik der angeborenen Hüftluxation erschien ihm offensichtlich so illustrativ, dass er bei aller Wissenschaftlichkeit des Diskurses darauf nicht verzichten wollte. Sprache und Textgeschichte: Der unvermittelte Beginn der Darstellung ist ähnlich wie bei Fract. wahrscheinlich dadurch zu erklären, dass entweder die Einlei-

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tung verloren gegangen oder der Text aus einem größeren Zusammenhang gerissen ist. In den Kodizes B und M trägt die Schrift den – treffenderen – zweiten Titel. Kap. 80 (und nicht das inhaltlich unterlegene Kap. 29) ist mutmaßlich der genuin hippokratische Beitrag zum Thema der Fingerverrenkungen.

3.12 Hebelkraft [ȂȠȤȜȚțȩȢ, Mochl.] Format: Kurzlehrbuch der Traumatologie. Entstehungszeit: Erste Hälfte 4. Jht. v.Chr. Gliederung: 1: Skelettanatomie 2: Bruch der Nase 3: Bruch der Ohrmuschel 4: Luxation und Reposition des Kiefergelenks 5: Vordere Schulterluxation 6: Absprengung des Akromion 7–19: Wiederholung von Artic. 17–29 20–24: Hüftluxation 25: Extensionsbehandlung der Hüfte 26–31: Wiederholung von Artic. 82–87 32: Klumpfuß 33: Der optimale Zeitpunkt für die Reposition 34: Amputation 35: Gangrän 36: Verkrümmung der Wirbelsäule, Rippenfrakturen 37: Polypragmasie in der Traumatologie 38: Instrumentarium und Techniken der Reposition 39: Gesichtsschädel- und Schädelbasisfraktur 40: Symptome der Luxation und Subluxation 41–42: Komplikationen der Knochen- und Wundbehandlung. Inhalt: In Kap. 1 wird die Forderung nach gründlichen Kenntnissen in der Skelettanatomie als Voraussetzung für eine erfolgreiche Tätigkeit in der Traumatologie erhoben. Die Darstellung des Stoffs und die Kommentare (z.B. am Ende von Kap. 25) sprechen dafür, dass der Autor ein Mediziner mit langer Berufspraxis war. Der Hebel (ȝȠȤȜȩȢ/mochlós, ȝȠȤȜȚțȩȢ/mochlikós, ȝȠȤȜȓıțȠȢ/mochlískos), das Repositionsinstrument, das der Schrift den Namen gegeben hat, wird in den Kap. 25, 33 und 38 beschrieben. Sprache: Der heute geläufige Titel der Schrift stammt von Littré; in den Handschriften findet man alternativ das sonst nicht belegte ȂȠȤȜȚțȩȞ [Mochlikon].

3.13 Aphorismen [’ǹijȠȡȚıȝȠȓ, Aph.] A: Nachmanson E.: Zum Nachleben der Aphorismen. Quellen Stud. Gesch. Naturwiss. Med. 1933; 3,4: 92–107

Format: Trotz großer thematischer Vielfalt einheitliche Sammlung medizinischer Merksätze. Berühmtestes Werk des C.H. Entstehungszeit: Ende 5. Jht. v.Chr.

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Gliederung: Das Werk wird in sieben (1–7) Abschnitte eingeteilt. 1 (1–25): Entleerungen, Diätetische Therapie 2 (1–54): Semiotik und Prognose (Schlaf, plötzliche Ermüdung, Leistungsabfall, plötzlicher Tod) 3 (1–31): Einfluß von Witterung, Jahreszeiten und Lebensalter auf die Disposition für Krankheiten 4 (1–83): Emetika und Laxanzien. Diagnose und Prognose fieberhafter Erkrankungen 5 (1–72): Einfluß von Hitze und Kälte auf chirurgische und gynäkologische Erkrankungen. Nieren- und Lungenleiden 6 (1–60): Symptomatik und Prognose innerer, chirurgischer und urologischer Erkrankungen. Traumatologie 7 (1–87): Semiotik. Komplikationen und Folgewirkungen. Prognose. Inhalt: Die beiden ersten Abschnitte sind vorwiegend therapeutisch, die folgenden überwiegend prognostisch orientiert. Das Material ist nicht neu, sondern stammt zu einem großen Teil aus anderen Texten des C.H. Besonders intensiv wurden Epid. (z.B. Aph.3,8 – Epid.II 1.5) und Coac. (68 Parallelstellen) benutzt. Die in Aph.1,3 formulierte Kritik an übertriebener Körperkultur findet man auch bei Platon (rep. 403d). Die außerordentliche Popularität des Werkes beruht auf der mnemotechnisch überzeugenden Präsentation der Lehrsätze. Dadurch ist Aph. zu einem sowohl bei jungen Ärzten wie bei erfahrenen Kollegen überaus beliebten Merkbuch bzw. Manual geworden. Die in dem Werk versammelten 412 Leitgedanken und Leitlinien konnten und sollten nicht die Handbücher ersetzen. Dass Aph. dennoch zu kanonischer Bedeutung kamen, verdanken sie der ihnen eigenen undogmatischen Form, die die Sachdarstellungen und Empfehlungen vom klinischen Umfeld löst, ohne dem Leser gleichzeitig eine Systematik bzw. Generalisierung aufzudrängen. Einige Aphorismen (z.B. 1,1; 2,22; 2,50; 7,87) werden auch außerhalb der Medizin tradiert und sind als geflügelte Worte bekannt. Galen lobt an Aph. die Verbindung von Kürze und Aussagekraft (Gal.XV 763), die Suda im Text zum Stichwort Hippokrates (Adler II 662/663) deren schier übermenschliches intellektuelles Format (¢ȞșȡȦ›ȓȞȘȞ u‘›İȡȕĮȓȞȠȣıȚ ıȪȞİıȚȞ/anthrôpínên hyperbaínousi sýnesin [mehr als der Mensch fassen kann]). Sprache und Textgeschichte: Das Werk ist nach und nach gewachsen, die Zusätze hat man mutmaßlich mehrfach überarbeitet. Die ersten drei Abschnitte sind am besten redigiert, machen einen homogenen Eindruck und bilden den Kern der Aph. Die Einteilung in sieben Abschnitte geht auf die Gliederung in Galens Kommentar (Gal. XVIIB 345–887, XVIIIA 1–195) zurück. In zwei Handschriften (C´,V) folgt auf 7,87 noch ein Absatz, in dem die Todeszeichen beschrieben werden; er gehört nach Littré zu Hebd.

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3.14 Der Eid [‘ǯȅȡțȠȢ, Jusj.] M: Deichgräber K.: Der hippokratische Eid. Stuttgart, 1955 Edelstein L.: Der hippokratische Eid, mit einem forschungsgeschichtlichen Nachwort von Hans Diller. Zürich, 1969 Lichtenthaeler C.: Der Eid des Hippokrates. Köln, 1984 Steinmann K.: Der Eid des Hippokrates. Von der heiligen Krankheit. Neu aus dem Griechischen und herausgegeben von Kurt Steinmann. Frankfurt am Main, 1996 A: Ducatillon J.: Le „Serment“ d’ Hippocrate: problèmes et interprétations. BAGB 2001: 34–61 Rosenthal F.: An ancient commentary on the Hippocratic oath. Bull Hist Med 1956; 30: 52–87

Format: Eidesformel des angehenden Arztes, in der die Verpflichtungen gegenüber dem Lehrer und den künftigen Patienten artikuliert werden. Kein religiöser oder Gesetzes-Text. Pythagoräischer Einfluss. Zur Rezeption vgl. 8.5. Entstehungszeit: Um 400 v.Chr. (Deichgräber). 2.Hälfte 4. Jht. v.Chr. (Edelstein). Gliederung: Der Eid, der bei Apollon (in dessen Rolle als Arzt), Asklepios, Hygieia (vielleicht Anspielung auf Athene, die Hygieia als Beinamen trägt), Panakeia (Tochter des Asklepios) und allen anderen Göttern und Göttinnen abgelegt wurde, ist in einen standesrechtlichen und einen berufsethischen Teil gegliedert. Im ersten Teil verpflichtet sich der junge Arzt, den Lehrer zeit seines Lebens zu ehren, ihm in finanziellen Schwierigkeiten zur Seite zu stehen, die Familie des Lehrers wie seine Geschwister zu behandeln und sie ohne Entgelt zu unterrichten. Die schriftliche und mündliche Weitergabe des Wissens wird ausdrücklich auf die eingeschriebenen und vereidigten Mitglieder der Ärzteschule beschränkt. Der zweite Teil enthält über die allgemeine Verpflichtung zu ärztlichem Handeln nach bestem Wissen und Gewissen hinaus die Versprechen, einem Kranken niemals Gift zu geben, keine Beihilfe zur Abtreibung zu leisten, den Steinschnitt anderen zu überlassen, Patienten nicht zu missbrauchen und die ärztliche Schweigepflicht zu wahren. Im letzten Satz wird die Hoffnung ausgesprochen, dass die Erfüllung der Eidespflichten zu beruflichem Erfolg führe, und zugleich die Bereitschaft erklärt, im Falle eines Verstoßes das Gegenteil in Kauf zu nehmen. Inhalt: Die Öffnung der Ausbildungsstätte der Asklepiaden für auswärtige Schüler führte auf der einen Seite dazu, dass die medizinische Tradition von Kos auf breiterer Basis fortgeführt wurde, rührte aber andererseits an die Privilegien und finanziellen Interessen der Familie. Dieser soziale Kontext erklärt die im ersten Teil der Eidesformel zusammengestellten Gebote. Er macht auch klar, dass der Eid erst am Ende der Ausbildung abgelegt wurde und dass ihn die Mitglieder der Asklepiadenfamilie nicht zu leisten hatten. Zumindest der erste Teil der Eidesformel war also kein generelles Gelübde der Mitglieder der koischen Ärzteschule, sondern Ausdruck profaner ökonomischer Verpflichtungen.

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Das Verbot der Beihilfe zum Selbstmord durch Gift (ijȐȡȝĮțȠȞ șĮȞȐıȚȝȠȞ/ phármakon thanásimon) war für das 4. Jahrhundert von aktueller Bedeutung, da es zu dieser Zeit Pharmazeuten und Ärzte wie Thrasyas von Mantineia und dessen Schüler Alexias (Theophr. h. plant. IX 16, 8) gab, die hochwirksame Gifte zubereiteten. Von dem im Eid erwähnten Abtreibungszäpfchen (›İııȠ̈Ȟ ijșȩȡȚȠȞ/pessòn phthórion) ist im C.H. sonst nicht mehr die Rede; andere Abortiva beschreiben Mul.I 68 und Superf. 27. Das Verbot des Steinschnitts (ȜȚșȠIJȠȝİȚ̘Ȟ/lithotomeîn) ist mutmaßlich Folge der Angst vor Komplikationen (z.B. Zeugungsunfähigkeit), die die akademisch ausgebildeten Ärzte bei einem derartigen Eingriff hatten; auch die Ärzte der Schule von Salerno und die italienischen Chirurgen des 15. Jahrhunderts überließen riskante Interventionen wie den Steinschnitt den manuell besonders geschickten Wundärzten. Die im Eid als Operateure empfohlenen ™ȡȖȐIJĮȚ ÁȞįȡİȢ/ergátai ándres [handwerklich geschickte Männer] werden im C.H. sonst nicht mehr erwähnt. Zurückhaltung beim Umgang mit den Kranken wird vor allem in den gynäkologischen Schriften des C.H., die ärztliche Schweigepflicht auch in anderen deontologischen Schriften (z.B. Decent.) gefordert. Die Elemente des berufethischen Segments des Hippokratischen Eides sind von der pythagoräischen Philosophie [z.B. DK 58 D1] geprägt worden (Edelstein). Sprache und Textgeschichte: Die Charakterisierung der Medizin als Kunst (IJȑȤȞȘȞ IJĮȪIJȘȞ/ téchnên taútên) kann als Hinweis darauf angesehen werden, dass zumindest ein Teil der Eidesformel ursprünglich auch für andere Künste oder Wissenschaften gegolten hat und erst später auf die Medizin übertragen wurde. Zu dieser Deutung passt die Mitteilung Galens in seinem nur in arabischer Sprache überlieferten und überdies nur fragmentarisch erhaltenen Kommentar, Hippokrates habe den Eid im Zusammenhang mit der Öffnung der Medizinschule von Kos redigiert. Möglicherweise ist der Text von anderen formuliert und später Hippokrates zugeschrieben worden. Die kurze Passage aus einem Gespräch zwischen Euripides und Mnesilochos (Aristoph. Thesm. 273), in der im Zusammenhang mit einem Schwur der familiäre Umkreis des Hippokrates erwähnt wird (IJȘ̈Ȟ ‘ǿ››ȠțȡȐIJȠȣȢ ȟȣȞȠȣıȓĮȞ/ tên Hippokrátous xynousían), ist kaum auf den hippokratischen Eid zu beziehen.

3.15 Das Gesetz [ȃȩȝȠȢ, Lex] A: Müller F.: Der hippokratische ȃȩȝȠȢ. Hermes 1940; 75: 93–105

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Format: Inventar sophistischer Idealvorstellungen von einem guten Arzt. Entstehungszeit: 4. Jht. v.Chr. Gliederung: 1: Die Medizin ist durch unfähige Ärzte in Verruf geraten. 2: Natürliche und erworbene Eigenschaften des guten Arztes 3: Vergleich zwischen der Ausbildung von Ärzten und der Kultivierung von Pflanzen 4: Voraussetzungen für erfolgreiche Tätigkeit als Wanderarzt 5: Die Geheimnisse der Wissenschaft ähneln religiösen Mysterien.

Inhalt: Mutmaßlich ist das kleine Werk nicht mit dem ärztlichen Gesetz (Ȟȩȝö „ȘIJȡȚț˜ö/nómô iêtrikô) zu identifizieren, von dem im hippokratischen Eid die Rede ist. Dennoch ergänzen sich die beiden Texte. Der Autor nimmt die Kritik an den Scharlatanen in der Medizin zum Anlass, die natürlichen Voraussetzungen und die Ausbildung sowie die persönliche Integrität und Leistungsbereitschaft (ijȚȜȠ›ȠȞȓȘ/philoponíê) des guten Arztes zu skizzieren. Sprache: Die Emphase des Plädoyers wird durch drei hübsche Vergleiche (Bühne, Flora, Ritus) gemildert.

3.16 Epidemien II [’Ǽ›ȚįȘȝȚȦ̏Ȟ IJò įİȪIJİȡȠȞ, Epid.II] A: Di Benedetto V.: Principi metodici di Ep. II, IV, VI. In: Coll.Hipp.II Mons 1975 (Mons 1977): 246–263 Licciardi C.: Tendance et probabilité dans les Épidémies II. IV. VI. In: Coll.Hipp.V Berlin 1984 (Stuttgart 1989): 117–130

Format: Ärztliche Mitteilungen aus Nordgriechenland. Entstehungszeit: Anfang 4. Jht. v.Chr. Gliederung: Der Text verteilt sich auf sechs (1–6) Abschnitte. 1 (1–12) 1–5: Katastasen von Krannon und Perinth 6: Symptome im Krankheitsverlauf 7: Abszesse 8: Erworbene somatische Stigmata 9–12: Klinische Erfahrungen 2 (1–24) Kurze Fallbeschreibungen (überwiegend weibliche Patienten) 3 (1–18) 1,12: Sommerliche Brennfieberepidemie in Perinth 2: Allgemeine Pharmakologie 3–4/11/13: Kasuistiken 5–10/14–16: Symptome 17–18: Aphorismen 4 (1–5) 1: Anatomie der Gefäße 2: Eingeweidenerven 3: Epidemiologische Beobachtung in Ainos 4: Psychische Betreuung des Kranken 5: Kasuistik 5 (1–25) Therapeutisch orientierte Aphorismen 6 (1–25) Therapeutisch orientierte Aphorismen.

Inhalt und Sprache: Epid.II wird seinem Titel nur mit Einschränkungen gerecht. Der vergleichsweise kurzen Darstellung der bioklimatischen Verhältnisse und der Epidemie in Perinth stehen eine große Zahl unverbundener Notizen und Merksätze gegenüber. Die namentlich genannten Kranken spielen nur eine

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Statistenrolle. Der Autor beobachtet jedoch sehr genau (z.B. 1.6: Beziehungen zwischen Atmungs- und Fortpflanzungsorganen, 1.7: Lokalisationen von Abszessen) und empfiehlt eine differenzierte Therapie.

3.17 Epidemien IV [’Ǽ›ȚįȘȝȚȦ̎Ȟ IJò IJȑIJĮȡIJȠȞ, Epid.IV] A: Robert F.: Les adresses des malades dans les Épidémies II, IV et VI. In: Coll.Hipp.I Strasbourg 1972 (Leiden 1975): 173–194 Smith W.D.: Generic forms in Epidemics I to VII: In: Coll.Hipp.V Berlin 1984 (Stuttgart 1989): 144–158

Format: Klinisches Tagebuch aus Nordgriechenland. Literarischer Anspruch nicht erkennbar. Entstehungszeit: Anfang 4. Jht. v.Chr. Gliederung: Krankengeschichten: 14,37 (Krannon) 21 (Perinth) 48 (Ainos) 30,31,35,45 (verschiedene Dörfer), 1–4,6,8–13,15–19,20c-20h,22–27,29,32–34,36,38– 42,47–58 (ohne Ortsangabe). Fragmente von Klimaberichten: 7,20 Merksätze: 5, 28,43,44,46,59–61.

Inhalt: Nur bei einem Teil (z.B. multimorbide Frau in Kap. 35) der etwa hundert in Epid.IV erwähnten Patienten steht das Einzelschicksal so im Vordergrund wie bei den Kranken, von denen man in Epid.I und Epid.III erfährt. Häufig wird der Ausgang des Leidens verschwiegen. Viele Kasuistiken dienen nur der Illustration eines Symptoms (z.B. Fieber und Nasenbluten, Kap. 35) oder pathologischen Prozesses (z.B. der Apostasis, Kap. 41). Kap. 25 beschreibt nicht weniger als 14 Patienten mit ähnlichen Symptomen (Durchfall, Augenentzündung, Blutungen, Extremitätenschmerz, Milzschwellung); den kritischen Vergleich bleibt der Autor jedoch schuldig. Vielfach fehlen die Adressen der Kranken. Mit einer Ausnahme (Korinth, Kap. 40) liegen alle genannten Orte in Nordgriechenland. Aus dem durch die Hustenepidemie (Epid.II 3.1, Epid.VI 6.10) bekannt gewordenen Perinth wird exemplarisch eine an Atemnot leidende Frau vorgestellt (Kap. 21). Außerdem berichtet der Verfasser über den praktischen Einsatz einer Reihe z.T. eingreifender therapeutischer Optionen (Kap. 1: Trepanation, Kap. 4: Kauterisation, Kap. 23: Purgation, Kap. 40: Drainage der Nase). Die Katastasen enthalten keine Ortsangaben.

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3.18 Epidemien V [’Ǽ›ȚįȘȝȚȦ̎Ȟ IJò ›ȑȝ›IJȠȞ, Epid.V] A: Koelbing H.M.: Therapeutischer Optimismus und therapeutische Zurückhaltung in der hippokratischen Medizin: In: Coll.Hipp.V Berlin 1984 (Stuttgart 1989): 338– 346 Langholf V.: Die parallelen Texte in Epidemien V und VII. In: Coll.Hipp.II Mons 1975 (Mons 1977): 264–274 Robert F.: Médecine d’équipe dans les Épidémies V. In: Coll.Hipp.V Berlin 1984 (Stuttgart 1989): 20–27

Format: Kurze Aufzeichnungen über mehr als 100 Patienten aus vielen Teilen Griechenlands. Entstehungszeit: Mitte 4. Jht. v.Chr. Gliederung: Krankengeschichten: 1–2 (Elis), 3–8 (Oiniadai), 9–10 (Athen), 11/13–25 (Larissa), 12 (Pherae), 26 (Malia), 27–31 (Omilos), 32 (Salamis), 61 (Delos), 95–99 (vor Daton), 100 (Kardia), 101 (Abdera), 106 (Olynth), 33–53,55,59–60,62–63,65–69,71– 72,74–76,79–93,102–105 (ohne Ortsangabe). Fragmente von Klimaberichten: 73,78,94 Merksätze: 54,57,58,64,70,77 Mitteilung: 56.

Inhalt: Der Autor von Epid.V beschreibt viele Patienten mit unfall- (z.B. der Mann aus Malia, Kap. 26) oder kriegsbedingten (z.B. Tychon von Daton, Kap. 95) Verletzungen von Kopf, Thorax und Extremitäten. Drei von ihnen (Patienten der Kap. 16, 27 und 28) sind trepaniert worden. Die Operationsberichte enthalten kaum methodische Details, sondern konzentrieren sich auf das klinische Resultat. In Kap. 74 berichtet der Verfasser von der Vorhersage einer neurologischen Komplikation (Opisthotonus), die nach wenigen Tagen eintritt. Sprache: Epid.V ist eine Fallsammlung ohne Gliederungskonzept. Da auch Einleitung und verbindende Passagen fehlen, wirkt die Schrift halbfertig. Die Kasuistiken 51–106 (mit Ausnahme von 86) kehren, wenn auch in anderer Reihenfolge, in Epid.VII wieder. In Kap. 95 gibt sich der Verfasser nur als Beobachter, nicht als behandelnder Arzt zu erkennen. Die Trennung der beiden Funktionen hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass die Wanderärzte zumindest zeitweise in Gruppen unterwegs waren und sich die Arbeit geteilt haben. 3.19 Epidemien VI [’Ǽ›ȚįȘȝȚȦ̎Ȟ IJò š‘ țIJȠȞ, Epid.VI] M: Manetti D., Roselli A.: Ippocrate. Epidemie Libro sesto. Firenze, 1982 A: Kollesch J.: Die diätetischen Aphorismen des sechsten Epidemienbuches und Herodikos von Selymbria. In: Coll.Hipp.V Berlin 1984 (Stuttgart 1989): 191–197

Format: Weitere Krankengeschichten und Praxistipps aus Nordgriechenland.

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Entstehungszeit: Anfang 4. Jht. v.Chr. Gliederung: Der Text verteilt sich auf acht (1–8) Abschnitte. 1 (1–15) Klinische Merksätze (7 auf Krannon bezogen) 2 (1–25) 1–17/ 20–25: Praxistipps und Aphorismen 18: Frau beim Heroon 19: Mann aus Perinth 3 (1–24) 1/3–4/6–8/10–13/15–24: Klinische Merksätze 2: Frau aus Krannon 5/14: Damnagoras und Arkesilaos 9: Gehbehinderter Mann an der Brücke 4 (1–23) 1/7–23: Merksätze und Aphorismen 2–6: Kasuistiken (Antigenes, Mann mit Darmproblemen, Frau des Agasis, Mann mit Kopfverletzung, anatomisch auffälliger Patient) 5 (1–15) Aphorismen und Merksätze 6 (1–15) 1–3/6–8/11–12/14: Klinische Merksätze 4–5/9–10/13/15: Kasuistiken (Mann mit Beschwerden nach einer Reise, Chaerion, Mann auf dem Platz, Dexippos, Hegesippos, Lykinos) 7 (1–11) 1: Katastasis (ohne explizite Ortsangabe, dem Zusammenhang nach von Perinth) 2/5: Kasuistiken (Poseidonia, Xenarchos) 3–4/6–9/11–15: Klinische Merksätze 10 Winterliche Hustenepidemie in Perinth 8 (1–32) 1–2/4–9/11–17/19/21–26/31: Klinische Merksätze 3/10/18/20/27–30/32: Kasuistiken (Patient mit Schmerzen in den Lenden, Sklave des Hippothoos, Pharsalos und Polymedes, melancholischer Adamantos, Mann mit äußerer Fistel, Mann mit gefalteter Leber, Satyros von Thasos, Ringertrainer aus Abdera, Phaethousa aus Abdera und Nanno aus Thasos).

Inhalt: Die in der Schrift genannten Orte sind ohne Ausnahme aus Epid.I und Epid.III (Abdera, Thasos) bzw. Epid.II und Epid.IV (Ainos, Krannon, Perinth) bekannt. Von der in Epid.II 3.1 beschriebenen Brennfieberepidemie wurde Perinth jedoch im Sommer ergriffen, während die hier geschilderte Hustenepidemie im Winter ausbrach. In Epid.VI 4.11 wiederholt der Autor die aus Epid.II 4.3 bekannte epidemiologische Beobachtung aus Ainos (lähmende Wirkung der einseitigen Ernährung mit Hülsenfrüchten). In Epid.VI 3.18 tadelt er einen Mann namens Herodikos dafür, dass er fiebernden Patienten sportliche Übungen verordne und sie damit umbringe. Möglicherweise richtet sich diese Invektive gegen den Gymnastiklehrer Herodikos von Selymbria; Selymbria lag unweit östlich von Perinth an der Küste der Propontis. Das letzte Kapitel des achten Abschnitts stellt zwei Frauen aus verschiedenen Städten vor, die Kinder hatten und später eine Amenorrhoe und ausgeprägte Zeichen der Virilisierung entwickelten. Da beide Patientinnen ihrem Leiden rasch erlagen, kann man annehmen, dass sie an einem hormonbildenden Tumor erkrankt waren. Sprache: Der weitgehende Verzicht auf die Nennung der Namen der Kranken zeigt die Tendenz des Autors von Epid.VI, die medizinische Aussage vom individuellen Schicksal zu trennen.

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3.20 Epidemien VII [’Ǽ›ȚįȘȝȚȦ̏Ȟ IJò š‘ ȕįȠȝȠȞ, Epid.VII] A: Grmek M., Robert F.: Dialogue d’un médecin et d’un philologue sur quelques passages des Épidémies VII. In: Coll.Hipp.II Mons 1975 (Mons 1977): 275–290 Smith W.D.: Implicit Fever Theory in Epidemics 5 and 7. Med. Hist. Suppl. 1981; 1: 1–18

Format: Fortsetzung der Krankenberichterstattung aus Nordgriechenland. Entstehungszeit: Mitte 4. Jht. v.Chr. Gliederung: Krankengeschichten: 1–55: u.a. aus Baloion und Ainos, 57: Echekrates, 59: Chares, 61–71: u.a.aus Akanthos 74–75/77–80: u.a. aus Syros und Olynth 83–124: u.a. aus Olynth, Doriskos, Abdera, Thasos, Kardia, Pella und Daton Allgemeine Bemerkungen: 56: Kopfweh 58: Husten 60: Purgation 67b: Hydrops 72: Chronischer Augenfluss 73: Sturzverletzungen von Schwangeren 76a–d: Therapeutische Notizen 81: Berufskrankheit der Tuchwalker 82: Choleriker.

Inhalt: Epid.VII enthält neben vielen knappen Vermerken eine Reihe detaillierter und lehrreicher Kasuistiken (z.B. 2,3,5,11,25,39,43,84,120); einen ähnlich tiefen Eindruck wie die Fallbeschreibungen von Epid.I und Epid.III hinterlassen sie aber beim Leser nicht. Zu den aus Epid.I–VI bekannten Orten Nordgriechenlands kommen in Epid.VII noch vier weitere (Akanthos, Baloion, Doriskos, Pella). Außerdem werden die Inseln Delos (33, vgl. Epid.V 61) und Syros (79) erwähnt. In Kap. 52 beschreibt der Autor die für exsikkierte Säuglinge charakteristische tief eingesunkene Fontanelle. Sprache: 54 der 124 Kapitel sind Reprisen aus Epid.V; vielfach stimmen die Paralleltexte fast wörtlich überein. Einige Krankengeschichten sind jedoch deutlich erweitert worden. So berichtet der Autor, der die Depression des Parmeniskos zunächst (Epid.V 84) nur mit wenigen Worten anspricht, in Epid.VII 89 Einzelheiten über die Stimmungsschwankungen des Kranken und in Epid.VII 35 ergänzt er den ersten Bericht (Epid.V 97) über drei Kinder mit Knochen- und Weichteilinfektionen um vier weitere Patienten mit derartigen Leiden. In einem Fall (Epid.V 88 – Epid.VII 92) widersprechen sich die Aussagen jedoch grundsätzlich. Obwohl es sich unzweifelhaft um den gleichen Patienten (Sohn des Nikolaos) und die gleichen Symptome (Fieber und Erbrechen zur Zeit der Wintersonnenwende) handelt, tritt in Epid.V Heilung, in Epid.VII dagegen nach sieben Tagen der Tod ein.

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3.21 Über die Säfte [Ȇİȡì ȤȣȝȦ̐Ȟ, Hum.] M: Deichgräber K.: Hippokrates’ De humoribus in der Geschichte der griechischen Medizin. AAWM 1972, 14. Wiesbaden, 1972

Format: Konglomerat von Zitaten und Notizen zu medizinischen Problemen, die nichts mit dem Titelthema zu tun haben. Stenographischer Stil. Entstehungszeit: Wahrscheinlich 4. Jht. v.Chr. Gliederung: 1: Bewegung von Säften und Flüssigkeiten im Körper und deren Folgen 2–4: Allgemeine Symptomatologie 5: Prinzipien der Therapie 6: Regeln für die Anwendung von Purgativa 7: Abszesse 8: Krankheit und Konstitution 9: Psychische Symptome 10: Äußerlich wirksame Heilmittel 11: Die Erde und der Magen 12: Angeborene und erworbene Erkrankungen 13–19: Einfluss von Klima und Jahreszeiten auf Inzidenz und Prävalenz wichtiger Erkrankungen 20: Kasuistische Notizen.

Inhalt: Die Schrift hält für den Leser mehr Fragen als Antworten bereit, bietet aber dennoch nützliche Informationen. Das Kernstück der einleitenden Kapitel (2–5,9) bilden Stichwortlisten, die sowohl für Lehrende als auch für Lernende wertvoll gewesen sein dürften. Es werden nur Behandlung und Vorbeugung diskutiert; prognostische Faktoren erwähnt der Autor nicht. In Kap. 7 wird der in Epid.VI 7.1 beschriebene Husten von Perinth aus humoralpathologischer Sicht diskutiert. Der Vergleich von Mensch und Baum in Kap. 11 erinnert an botanische Passagen in anderen Werken (z.B. Nat Puer. 22–27). Kap. 20 ist nahezu identisch mit Epid.VI 3,23–4,3. Der Text enthält zahlreiche weitere wörtliche Anleihen und Paraphrasen aus anderen Schriften des C.H. (v.a. Epid.I, Aph., Epid.II, IV und VI). Sprache und Textgeschichte: Obwohl die Schrift literarisch wenig bedeutend ist, hat man ihr in der Antike Beachtung geschenkt. Zeuxis und Herakleides von Tarent sollen sie dem Hippokrates abgesprochen haben (Gal.XVI 1, XVIII B 631). Galen glaubte in Hum. sowohl echte Partien als auch Zusätze von fremder Hand zu erkennen, war sich aber nicht schlüssig, ob Hippokrates, Thessalos, Polybos oder jemand anders der Verfasser sei (Gal.XVII A 332, B 116,122; XIX 103); sein Kommentar umfasst drei Bücher (Gal.XVI A 488). Diogenes Laertios (IX 47) führt ein gleichnamiges Werk unter den naturwissenschaftlichen Schriften Demokrits an. 3.22 Vorhersagungen I [ȆȡȠȡȡȘIJȚțȩȢ a’, Prorrh.I] Format: Anwendungsorientierte Sammlung von 170 auf präzise klinische Beobachtung gestützten prognostischen Aussagen. Schwerpunkt: Neurologie.

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Entstehungszeit: Mitte 4. Jht. v.Chr. Gliederung: Die Sentenzen sind auf fünf (1–5) thematisch gewichtete Sektionen verteilt. 1 (1–38) Phrenitis 2 (39–98) Prognostisch ungünstige Zeichen und Todeszeichen 3 (99–124) Spasmen und Konvulsionen 4 (125–152) Blutungen 5 (153–170) Ohrnahe Schwellungen.

Inhalt: Die Schrift unterscheidet sich von den anderen aphoristischen Werken des C.H. durch ihren Reichtum an originärer klinischer Erfahrung und Prognostik. Ihr praktischer Wert für den Wanderarzt dürfte deshalb besonders groß gewesen sein. In elf Aphorismen wird, ähnlich wie in Epid., der Name des Patienten mitgeteilt, in zwei Fällen auch der Wohnort (34: Didymarchos von Kos, 72: Lysis von Odessos). Sprache und Textgeschichte: Im Unterschied zu Aph. und Coac. sind viele Sentenzen (z.B. 25,30) als Fragen formuliert. Man kann in der Wahl dieses Stilmittels einen Hinweis darauf sehen, dass dem Werk an diesen Stellen noch nicht der letzte Schliff gegeben worden ist. Galen, der die Schrift trotz Bedenken des Hippokrates für würdig hielt, glaubte darin eine Mischung von Material aus verschiedenen Quellen zu erkennen und kritisierte die seiner Meinung nach vorschnelle Generalisierung von Einzelbeobachtungen (Gal.XIV 620, XVI 202).

3.23 Koische Prognosen [ȀöĮțĮì ›ȡȠȖȞȫıİȚȢ, Coac.] M: Pöppel O.: Die hippokratische Schrift ȀöĮțĮì ›ȡȠȖȞȫıİȚȢ und ihre Überlieferung. Kiel, 1959

Format: Umfangreiche, nach wechselnden Gesichtspunkten geordnete Kompilation prognostischer Aphorismen aus zahlreichen Werken des C.H. Die Schrift ist weniger bedeutend als Progn. und Aph.. Entstehungszeit: Ende 4. Jht. v.Chr. Gliederung: 640 Sentenzen in vier (1–4) großen Sektionen. Zwischen der zweiten und dritten Sektion sind 36 thematisch isolierte Sentenzen (320–340: Blutungen 341–356: Krämpfe) eingeschoben. 1 (1–155) Fieber, Schüttelfrost, Erkältung 2 (156–319) 156–236: Kopf 240–254: Stimme 256–272: Hals 273–297: Hypochondrium 298–319: Lendenregion

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3 (357–465) 357–372: Angina 373–425: Pleuritis, Peripleumonie, Empyem 426–436: Phthisis 437–465: Leber, Hydrops, Magen- und Blasenkrankheiten 466–476: Neuropsychiatrische Leiden 488–500: Verletzungen 503–544: Frauenkrankheiten 4 (545–640) 545–64: Erbrechen 561–588: Schweiß und Urin 589–640: Stuhl.

Inhalt: Die vier Sektionen sind von unterschiedlichen Ordnungsgedanken geprägt. Die erste ist einem einzigen Thema, nämlich dem Fieber gewidmet und weist die größte Homogenität auf. In der zweiten dienen die Körperteile als Richtschnur für die Anordnung der Sentenzen, in der dritten die Erkrankungen und in der letzten die Ausscheidungen. Dabei folgt die Gliederung jeweils der Richtung a capite ad calcem. Etwa ein Viertel der koischen Prognosen stammt ganz oder zum Teil aus Prorrh.I, jede zehnte aus Aph. Außerdem hat der Kompilator VC, Epid.II, IV, VI, VII, Morb. I–III und Hebd. benutzt. Allein diese vielfältigen Beziehungen zu anderen Werken des C.H. sprechen gegen den im Hellenismus geäußerten Verdacht, der Verfasser habe dabei aus den im Asklepieion von Kos gesammelten Krankenberichten geschöpft. Mindestens ebenso wichtig ist das Argument, dass auf den entsprechenden Tafeln nur die Behandlungen verzeichnet waren (Strabon VIII 6,15), aber keine – ärztlichen – Angaben zur Prognose gemacht wurden. Textgeschichte: Das Werk ist von Galen (Gal.XVII A 578) für unecht gehalten worden. Theodorus Priscianus (Eupor.53.75) betrachtete es hingegen als authentisch.

3.24 Über die Kunst [Ȇİȡì IJȑȤȞȘȢ, De Arte] M: Jori A.: Medicina e medici nell’antica Grecia: saggio sul “Perì téchnes” ippocratico. Bologna, 1996 A: Ducatillon J.: Qui est l’auteur du traité hippocratique De l’Art? In: Coll.Hipp.I Strasbourg 1972 (Leiden 1975): 148–158 Jori A.: Note per un’attribuzione del Perì technes pseudoippocratico. AIV 1984–1985; 143: 237–267

Format: Klar gegliederte, in der Einleitung polemische, später witzige und intelligente Rede eines Sophisten über die Existenzberechtigung der Medizin. Wichtiger Beitrag zur Selbstdarstellung des Arztes (im Anschluß an Lex). Entstehungszeit: Letztes Viertel des 5. Jahrhunderts. Die Zuweisungen des Werkes an Protagoras, Hippias oder einen Anhänger der eleatischen Schule sind spekulativ. Gliederung: 1–2: Natur und sichtbare Realität beweisen die Existenz der Künste im allgemeinen und die der Medizin im besonderen 3–6: Kranke können zwar gesund werden, ohne dass ein Arzt eingreift. Aber auch in diesem Fall ist ihre Genesung der Medizin zu

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verdanken 7: Wenn die ärztliche Kunst versagt, tragen die Patienten selbst Schuld. 8: Die Weigerung der Ärzte, so genannte hoffnungslose Fälle zu behandeln, wird mit der Einsicht in die begrenzten Mittel der Medizin gerechtfertigt 9–12: Um den unterschiedlichen Schwierigkeitsgrad von Behandlungen zu begründen, differenziert der Autor zwischen den leicht erkennbaren äußerlichen und den nur schwer fassbaren inneren Erkrankungen. Der Therapieerfolg wird vom Instrumentarium bestimmt. Die Medizin ist entwicklungsfähig und beweist sich durch ihre Leistungen stets aufs neue.

Inhalt: Vier Vorwürfe sind es, gegen die der Redner die Medizin zu verteidigen hat. Erstens: Heilungen sind Glückssache. Zweitens: Die Kranken erholen sich oft ohne medizinische Hilfe. Drittens: Einige Patienten sterben trotz der ärztlichen Hilfe. Viertens: Die Ärzte verweigern bei bestimmten Krankheiten die Behandlung und gestehen so ihre Ohnmacht ein. Kernpunkte der Replik sind das Plädoyer für eine rationale Medizin, die realistische Darstellung ihrer Möglichkeiten und Grenzen und der Hinweis auf die Fortschritte, die die medizinische Wissenschaft verspricht. Die Rede verteidigt ebenso wie Vet.med.1–2 die Autonomie der Heilkunde gegen die Zweifel an der wissenschaftlichen Medizin und gibt so hippokratisches Denken wieder. Sprache: Wortspiele und rhetorische Zuspitzung können die fehlenden Fachkenntnisse des Verfassers und den Mangel an gedanklicher Bewältigung des Themas nicht kompensieren. Dieses Missverhältnis überrascht aber nicht, da der Autor selbst einräumt, weder über ausreichende medizinische Kenntnisse noch über ärztliche Praxis zu verfügen (Kap. 10, 14), und überdies ankündigt, eine ähnliche Apologie auch für die anderen Künste zu verfassen (Kap. 9). 3.25 Über die Natur des Menschen [Ȇİȡì ijȪıȚȠȢ ¢ȞșȡȫʌȠȣ, Nat.Hom.] A: Amneris R.: Hippocrates, De natura hominis. 1. Osservazioni sulla tecnica argomentativa. AFLS 1985; 6: 1–11

Format: Programmtext der Viersäftelehre und Humoralpathologie. Entstehungszeit: Ende 5. Jht. v.Chr. Gliederung: Der Text verteilt sich auf zwei (1–2) Abschnitte: Allgemeine Pathologie und Pathophysiologie (1–8) und Grundsätze der Therapie (9–15). 1 1: Kritik an den Philosophen, die behaupten, dass der Mensch aus einem einzigen Grundstoff besteht 2: Kritik an den Ärzten, die behaupten, dass der Mensch nur aus Blut, Galle oder Schleim besteht 3: Der Mensch entsteht durch Mischung der vier Grundqualitäten (feucht, trocken, warm, kalt) und zerfällt auch wieder in sie 4: Der Körper des Menschen besteht aus vier Säften. Ihr Mischungsverhältnis bestimmt über Gesundheit und Krankheit 5–6: Die Existenz von vier verschiedenen Säften wird durch ihre unterschiedliche pharmakologische Beeinflussbarkeit belegt 7–8: Die saisonale Zu-

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und Abnahme der Körpersäfte erklärt die periodischen Schwankungen der Inzidenz von Krankheiten 2 9: Zur Therapie soll der Arzt Maßnahmen ergreifen, die eine dem auslösenden Faktor entgegengesetzte Wirkung hervorrufen. Führende Krankheitsursachen: Lebensweise als Ursache sporadischer Erkrankungen und Luft als Ursache epidemischer Erkrankungen. Therapeutische Empfehlungen: Reduktionskost bzw. Ortswechsel 10: Die Erkrankung eines starken Körperteils ist gefährlicher als die eines schwachen 11: Die vier großen Venenpaare des Körpers. Prädilektionsstellen für den Aderlass 12: Eiterabsonderungen. Pathogenetische Bedeutung der Körpertemperatur 13: Bekräftigung des allopathischen Prinzips 14: Urologische Erkrankungen 15: Ätiologie und Klassifizierung des Fiebers.

Inhalt: Die Entwicklung der Viersäftelehre ist eine Reaktion auf die Spekulationen der Theoretiker. Die Polemik des Autors richtet sich gegen die Befürworter des Monismus sowohl unter den Philosophen wie unter den Ärzten. Allerdings wird nur Melissos von Samos (um 440 v.Chr.) namentlich erwähnt (am Ende von Kap. 1); von ihm stammt der in wesentlichen Teilen erhaltene Traktat Ȇİȡì ijȪıİȦȢ Ç ›İȡì IJȠȣ̏ ÓȞIJȠȢ [Über die Natur oder über das Seiende], in dem er Parmenides gegen die Mischungslehre des Empedokles und die Atomistik verteidigt. Mit Kap. 7 bringt sich der Autor in Gegensatz zu Aer. 2–3. Während dort Hitze und Feuchtigkeit die schleimigen und Kälte und Trockenheit die galligen Temperaturen anregen, ist es in Nat.Hom. genau umgekehrt: Der im Körper dominierende Saft ist der Qualität, die die Jahreszeit beherrscht, nicht mehr entgegengesetzt, sondern stimmt mit ihr überein. Also vermehrt sich beim Menschen im Winter der Schleim, im Frühjahr das Blut, im Sommer die gelbe und im Herbst die schwarze Galle. Die Beschreibung der Anatomie des venösen Systems (Kap. 11) ist weniger differenziert als z.B. jene in Oss.; der Autor will an dieser Stelle aber auch keine systematische, sondern lediglich eine anwendungsorientierte Darstellung der Gefäße geben. Sprache und Textgeschichte: Nat.Hom. war im Altertum eine viel beachtete Schrift; Galen (Gal.XV 1–223) hat sie umfangreich kommentiert. Man hat jedoch sowohl die Echtheit wie die Einheit der Schrift bezweifelt; im zweiten nachchristlichen Jahrhundert wollten manche dem Hippokrates das Werk ganz absprechen. Zu auffällig waren der epideiktische Charakter und das sophistische Vokabular. Galen hielt zumindest die Kap. 1–8 für hippokratisch und begründete seine Ansicht mit der engen Beziehung zu Platon (Phaidr.270c-e). Den zweiten Teil sah allerdings auch er wegen der mangelhaften Komposition und der unorthodoxen Beschreibung der Gefäße als Fälschung an. Möglicherweise stammen Nat.Hom. und Salubr., das sich in den antiken Handschriften unmittelbar an Nat.Hom. anschließt, von ein- und demselben Verfasser.

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3.26 Über die gesunde Lebensführung [Ȇİȡì įȚĮȓIJȘȢ u‘ ȖȚİȚȞȘ̘Ȣ, Salubr.] Format: Unvollendeter Ratgeber für gesunde Ernährung und Lebensweise. Entstehungszeit: Anfang 4. Jht. v.Chr. Gliederung: 1: Ernährungstipps für die verschiedenen Jahreszeiten 2: Abhängigkeit der richtigen Ernährung von Konstitution und Lebensalter 3: Spaziergänge und Bäder 4: Abmagerungs- und Mastkur 5: Brech- und Abführmittel 6: Ratschläge für Kinder und Frauen 7: Ratschläge für Athleten 8: Erkrankungen des Gehirns 9: Der Weise muß lernen, sich in Krankheiten selbst zu helfen. Inhalt: Die meisten Empfehlungen sind für den Durchschnittsbürger („įȚȫIJĮȢ/ idiôtas, Kap. 1) gedacht. Es werden aber auch gesundheitliche Probleme des Kindesalters und des Wettkampfsports behandelt. Kap. 5 zeigt, dass Emetika und Klistiere zur Erhaltung der Gesundheit in regelmäßigen Abständen prophylaktisch verwendet worden sind. Textgeschichte: Salubr. wurde von Littré aus dem Kontext mit Nat.Hom. gelöst und separat ediert. Kap. 8 ist Morb.II 12, Kap. 9 ist Aff.1 entnommen.

3.27 Über die Lüfte [Ȇİȡì ijȣıȦ̐Ȟ, Flat.] A: Blass F.: Die pseudohippokratische Schrift Peri Physon und der Anonymus Londinensis. Hermes 1901; 36: 405–410 Ducatillon J.: Le traité des vents et la question hippocratique. In: Coll. Hipp. IV Lausanne 1981 (Genève 1983): 263–276 Redondo J.: Sprachlich-stilistische Bemerkungen zu den rhetorisierenden Schriften des Hippokratischen Corpus. In: Coll.Hipp.VIII Kloster Banz/Staffelstein 1993 (Hildesheim 1996): 343–370

Format: Iatrosophistischer Vortrag über die Luft als Ursache von Leben und Krankheit. Mit dieser Theorie stellt sich der Autor in Gegensatz zur Viersäftelehre von Nat.Hom. Entstehungszeit: Spätes 5. Jht. v.Chr. Gliederung: Der Text verteilt sich auf die Einleitung (1), die Darstellung der allgemeinen (2–5) und der speziellen Pathophysiologie (6–14) und das Nachwort (15). 1: Definition von Medizin und Krankheit und der Prinzipien der Therapie 2: These: Alle Krankheiten haben eine gemeinsame Ursache. 3: Die Macht der Luft im Universum und in der belebten Welt 4: Permanente Atmung als Voraussetzung der menschlichen Existenz 5: Quantitative und qualitative Veränderungen der Luft als Krankheitsursache 6–8: Fieber und fieberassoziierte Symptome durch Verunreinigungen der Luft und Ernährungsfehler 9: Luft und Bauchschmerz 10–11: Luft als Ursache von Blutungen

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12: Luft und Hydrops 13: Luft und Lähmungen 14: Ein Übermaß an Luft behindert die gleichmäßige Verteilung des Blutes im Körper und führt so zu den Symptomen der Heiligen Krankheit 15: Auch die übrigen Erkrankungen lassen sich auf schädliche Wirkungen der Luft zurückführen.

Inhalt: Die Ansicht, dass von außen (durch Atmung, bei der Nahrungsaufnahme, durch Wunden) in den Körper eindringende Luft für eine Vielzahl von Erkrankungen verantwortlich sei, ist in der vorsokratischen Philosophie mehrfach (z.B. Anaximenes [DK 13 B 2], Diogenes von Apollonia [DK 64 A 16, B 5]) belegt. In Flat. erhält die Luft aber das kausale Monopol. Für den Verfasser von Nat.Hom. ist sie dagegen nur die Ursache der epidemischen Erkrankungen. Auch die in Kap. 14 vertretene Überzeugung, dass das Blut Ernährungsfunktion für die Seele habe und der Sitz des Verstandes sei, ist vorsokratisch geprägt (Empedokles [DK 31 B 105, 3]). Neu an der in Flat. aufgestellten pathophysiologischen Theorie ist die Konkurrenz von Luft und Blut um Raum in den Adern und anderen Organen des Körpers. Wenn zu viel Luft in die Gefäße eindringt und dort verweilt, wird der Blutstrom behindert und die verschiedenen Teile des Körpers werden uneinheitlich versorgt (Kap. 8,14). Darin sieht der Autor auch den Grund für die verschiedenen Begleitsymptome des Krampfanfalls. Der Schaum des Anfallskranken vor dem Mund wird damit erklärt, dass Luft aus den Gefäßen des Pharynx austritt, Serum entzieht, sich mit ihm vermischt und dabei feine Membranen entstehen, durch die man die Bläschen sieht. Sprache und Textgeschichte: Flat. gehört zu den am wenigsten fachkundigen und dem medizinischen Fortschritt verpflichteten Werken des C.H. Der Verfasser war mehr Redner und Naturphilosoph als praktizierender Arzt und lässt mehr Neigung zu ausgesuchten Formulierungen (in Kap. 3 wird die äußere Luft als įȣȞȐıIJȘȢ/dynástês [Herrscher] personifiziert) als Vertrautheit mit der medizinischen Ätiologie und Pathogenese erkennen. Für diese Vermutung sprechen auch die wissenschaftlich z.T. mangelhafte Diktion, das monistische Prinzip der Krankheitserklärung und die inhaltlich bescheidene Nosologie. Das Werk fand kurzfristig Beachtung, als Ende des 19. Jahrhunderts der Papyrus Anonymus Londinensis veröffentlicht wurde und man dort bei Menon las, dass nach Hippokrates die Ursache aller Krankheiten in den Lüften zu suchen sei. Da ijȣ̏ıĮȚ/phǔsai aber nicht mit ›Ȟİȣ̏ȝĮ/pneûma identisch sind, sondern den intrakorporalen Anteil der Luft bezeichnen, war es trotz des in dieser Beziehung suggestiven Titels der Schrift nicht gerechtfertigt, die Notiz aus der Schrift des Aristoteles-Schülers auf Flat. zu beziehen. Ein derart einseitiger Erklärungsversuch hätte angesichts der großen Zahl von Zeugnissen für die Humoralpathologie des Hippokrates auch überrascht. Gegen die Authentizität des Werkes spricht außerdem die von der Beschreibung in Morb.Sacr. abweichende ätiopathogenetische Deutung der Epilepsie.

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3.28 Über den Gebrauch von Flüssigkeiten [Ȇİȡì u‘ ȖȡȦ̏Ȟ ȤȡȒıȚȠȢ, Liqu.] Format: Halbfertige Sammlung von Sprüchen und Notizen (aus einem größeren Werk zum gleichen Thema) über die therapeutische Anwendung von Wasser und anderen Flüssigkeiten. Entstehungszeit: 4. Jht. v.Chr. Gliederung: 1: Süß- und Salzwasser. Nutzen der äußerlichen Anwendung von kaltem und warmem Wasser 2: Wirkungen warmen und kalten Wassers auf die Organe 3: Heilende Wirkung des Meerwassers 4: Essig als Heilmittel 5: Äußerliche Anwendung von Weiß- und Rotwein 6: Differenzialindikation kalter und warmer feuchter Externa in Dermatologie, Traumatologie, Neurologie und Ophthalmologie 7: Güsse, Salben, Umschläge. Inhalt: Die Schrift ist für den praktizierenden Arzt verfasst und gibt eine Reihe nützlicher Ratschläge für die Behandlung verschiedener Erkrankungen mit flüssigen Externa. Ihr Wert wird durch die stilistischen Mängel nicht eingeschränkt. Besonderen Wert legt der Autor auf die richtige Wahl der Temperatur des Wassers bei der Differenzialindikation der äußerlichen Applikation. In Kap. 1 werden warme Duschen ausdrücklich empfohlen (ähnlich wie in Loc.Hom.47). Die innerliche bzw. diätetisch gezielte Anwendung von Wasser und Wein wird nicht erörtert. Sprache und Textgeschichte: Die Schrift ist ähnlich wie Mochl. ein unvollendetes Exzerpt aus einem umfangreicheren Werk. Von Mochl. ist die Quelle, nämlich Artic., allerdings gesichert, von Liqu. kennt man sie nicht. In den Kapiteln 1, 2 und 6 finden sich zahlreiche Anleihen aus Aph. 5,16–25. Erotian kennt die Schrift unter dem weniger treffenden Titel Ȇİȡì u‘ įȐIJȦȞ [Über die Wasser]. Die Krankheiten I – IV [Ȇİȡì ȞȠȪıȦȞ Į – į, 3.29 – 3.40 – 3.41 – 3.47] Die vier unter dem Titel Ȇİȡì ȞȠȪıȦȞ [Über die Krankheiten] überlieferten Schriften des C.H. bilden keine Einheit. Weder die Zahl und Reihenfolge der Bücher noch der Inhalt und der (die) Verfasser sind verlässlich überliefert. Galen kennt nicht nur vier, sondern fünf Werke des hippokratischen Autors mit diesem Titel (Gal.XIX 77,85), Caelius Aurelianus (5. Jht. n.Chr.) dagegen nur zwei. Viele Zitate späterer Medizinschriftsteller sind in den vier erhaltenen Büchern gar nicht (wie die des Caelius Aurelianus) oder an anderer Stelle zu finden (wie die Glosse Galens [Gal.XIX 80], die sich nicht auf eine Passage in Morb.I, sondern in Hebd. bezieht). Nach Dioskurides (Gal XVII A 888) stammen die vier Bücher von einem gleichnamigen Enkel des Hippokrates. Wahrscheinlich sind sie aber mehreren Verfassern zuzuschreiben. Der Autor von Morb.I steht dem von Aff., der Autor von Morb.II dem von Int., der Autor von Morb.III dem von

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Hebd. und der Autor von Morb.IV dem von Nat.Puer. nahe (die beiden Schriften gehören nach Littré zusammen). Die drei ersten Bände bilden insofern eine Einheit, als sie für die Zweisäftelehre plädieren. Der Verfasser von Morb.IV vertritt dagegen die Viersäftelehre. Das Fehlen einer übergeordneten Gliederung führt zu Wiederholungen und Widersprüchen (gut zu erkennen z.B. beim Vergleich von Morb.I 18 und Morb.II 55 in bezug auf die Prognose des Erysipelas der Lunge).

3.29 Über die Krankheiten I [Ȇİȡì ȞȠȪıȦȞ IJò ›ȡȦ̏IJȠȞ, Morb.I] M: Wittern, R.: Die hippokratische Schrift De morbis I. Hildesheim, New York, 1974

Format: Kombination aus allgemeiner Krankheitslehre und einer anspruchsvollen Darstellung der Ätiologie und Pathogenese innerer Krankheiten (s. Kasten S. 61–62). Entstehungszeit: Wende 5./4. Jht. v.Chr. Gliederung: Der Text verteilt sich auf zwei (1–2) Abschnitte: Nosologie (1–10) und Spezielle Pathophysiologie (11–34) 1 1: Ratschläge zur Gestaltung des ärztlichen Gesprächs 2: Die wesentlichen Krankheitsursachen 3: Letale und nicht-letale Erkrankungen 4: Komplikationen schwerer Erkrankungen 5: Wahl des richtigen Behandlungszeitpunkts 6: Prinzipien des sachgerechten ärztlichen Handelns 7–9: Spontane Entwicklungen. Unwägbarkeiten der Therapie 10: Die so genannte glückliche Hand 2 11–14: Empyem der Lunge 15: Empyem des Oberbauchs 16: Unvorhersehbarer Verlauf 17: Empyem des Unterbauchs 18: Erysipelas der Lunge 19: Geschwulst in der Lunge 20: Geschwülste in der Flanke 21: Traumatische Empyeme 22: Das Lebensalter beeinflusst den Verlauf vieler Krankheiten 23: Fieber 24: Schüttelfrost 25: Schweiß 26–28/31–32: Pleuritis, Peripleumonie 29/33: Kausos 30/34: Phrenitis. Inhalt: Morb.I hat als Quelle für Aph. gedient. Die Passage über den zerebral bedingten Stimmverlust (Kap. 4: ÁijȦȞȠȞ/áphônon [stimmlos]) kehrt fast wörtlich in Aph. 7,58, die Aussage zum wechselhaften Verlauf von Erkrankungen (Kap. 7: aÙIJȠȝȐIJȠȣ țĮì ™›ȚIJȣȤȓȘȢ/ automátou kaì epitychíês [ganz von selbst]) in Anwendung auf den Durchfall in Aph. 6,15 und die häufige Beobachtung, dass alte Menschen aufgrund ihres reduzierten Allgemeinzustands subjektiv weniger unter den Folgen von Krankheiten leiden, in Aph. 1,14 und 2,39 wieder. In der Beschreibung der manuellen Geschicklichkeit des Arztes (Kap. 10) findet man die aus Off. 4 bekannten Anweisungen zur Pflege der Fingernägel in verkürzter Form.

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Sprache und Textgeschichte: Die beiden Teile der Schrift sind in sich geschlossene Einheiten und nicht aufeinander abgestimmt. Der Übergang ist abrupt. In Stil und Vokabular bestehen jedoch Ähnlichkeiten. Galen (Gal.XIX 76) hat die Schrift auch unter dem Titel Ȇİȡì ™ȝ›ȪȦȞ [Über Empyeme] gekannt.

3.30 Über die Leiden [Ȇİȡì ›ĮșȦ̏Ȟ, Aff.] M: Wittenzellner J.: Untersuchungen zu der pseudohippokratischen Schrift Ȇİȡì ›ĮșȦҋȞ. Erlangen-Nürnberg, 1969

Format: Für Ärzte und Laien gleichermaßen geeignetes Nachschlagewerk der allgemeinen Nosologie und Diätetik. Entstehungszeit: 1.Viertel des 4. Jht. v.Chr. Gliederung: Der Text verteilt sich auf zwei (1–2) thematisch verschiedene Abschnitte: Nosologie (2–38) und Diätetik (39–61) 1 Vorwort (an die medizinischen Laien adressierte Rechtfertigung des Werkes) 1 2: Kopfschmerzen 3: Bedeutung der Früherkennung von Krankheiten für die Behandlung 4: Ohren- und Halsschmerzen 5: Polyp in der Nase 6–11: Erkrankungen des Respirationstrakts 12: Fieberhafte Erkrankungen im Winter 13: Akute lebensbedrohliche Erkrankungen 14–17: Fieberhafte Erkrankungen im Sommer 18: Tertiana, Quartana 19: Anasarka 20: Splenomegalie 21: Ileus 22: Hydrops 23–27: Erkrankungen des Darms 28: Dysurie 29: Ischialgie 30: Arthritis 31: Podagra 32: Ikterus 33: Allgemeine Gesundheitstipps für Laien 34–35: Hauterkrankungen 36: Prinzipien der Pharmakotherapie 37: Plädoyer für eine kausale Therapie 38: Wundbehandlung 2 39: Essen und Trinken in Gesundheit und Krankheit 40–41: Getreideschleim und Getränke 42: Salbungen 43: Nahrungsmittel, die den Körper feucht machen bzw. austrocknen 44: Plädoyer für eine liberale Diättherapie 45: Diätetik in den Händen von Ärzten und Laien 46: Ganzheitliche Therapie 47: Allgemeine Diätlehre 48: Weine 49: Fleisch 50: Nur bestimmte Nahrungsmittel eignen sich zur Diättherapie 51: Trockene Diät 52: Grundnahrungsmittel 53: Heißes Bad 54: Gemüse 55: Wie die Zubereitung die Wirkung der Speisen auf die Körpersäfte beeinflusst 56: Gekochtes Gemüse 57: Zuckermelonen 58: Honig 59–61: Wirkungen der Lebensmittel auf das Vegetativum.

Inhalt und Sprache: Das rhetorisch geprägte Proömium dient einem doppelten Zweck: Es sucht den medizinischen Laien für die Lektüre zu gewinnen und weist ihn gleichzeitig auf die engen Grenzen der Therapie hin. Ähnlich wie in Int. werden die beschriebenen Erkrankungen einheitlich auf die Dyskrasie von zwei Flüssigkeiten des Körpers, nämlich Galle und Schleim (Kap. 1: £‘ ›ĮȞIJĮ u‘ ›Ƞ̈ ȤȠȜȘ̏Ȣ țĮȚ̈ ijȜȑȖȝĮIJȠȢ/hápanta hypò cholês kaì phlégmatos [alles durch Galle und Schleim]) zurückgeführt. Die im ersten Abschnitt aufgelisteten Leiden sind – ebenso wie in Int. – a capite ad calcem angeordnet, ihre Beschreibung gliedert

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sich mehr oder weniger streng in fünf Paragraphen (Name bzw. Leitsymptom, Krankheitszeichen und Verlauf, Ätiologie, Prognose, Behandlung). Im zweiten Teil ist kein Ordnungsprinzip zu erkennen.

3.31 Über die Stellen am Menschen [Ȇİȡì IJȩʌȦȞ IJȦ̏Ȟ țĮIJĮ̈ ÁȞșȡȦʌȠȞ, Loc.Hom.] M: Craik E.M.: Places in man. Oxford, 1998 Schubring K.: Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte der hippokratischen Schrift „ De locis in homine“. Neue deutsche Forschungen. Abt. klass. Philol. 12. Berlin, 1941

Format: An den Basiswissenschaften orientierter Abriss der Inneren Medizin. Darstellung der Theorie der enzephalofugalen Flüsse. Entstehungszeit: Ende 5. Jht. v.Chr. Gliederung: Am Text werden vier (1–4) Sektionen unterschieden: Grundlagenwissenschaften (1–8), Lehre von den Flüssen (9–15), Spezielle Pathogenese und Therapie (16–40) und Propädeutik (41–47) 1 1: Solidarpathologie 2: Sinnesphysiologie 3: Gefäßanatomie 4–5: Sehnen 6: Suturen und Gelenke 7: Arthropathien 8: Weg der Nahrung 2 9: Fluss entlang des Temperaturgefälles 10: Sieben enzephalofugale Flüsse 11: Verflüssigung des Nasenschleims 12: Flussbedingte Erkrankungen der Ohren 13: Flussbedingte Erkrankungen der Augen 14: Flussbedingte Erkrankungen des Thorax 15: Phthisis der Wirbelsäule 3 16: Gallebedingte Erkrankungen 17–19: Therapie der Pleuritis, des Empyems und der Lungenphthisis 20–23: Normale und krankhafte Flüsse im Bauchraum 24–30 Organerkrankungen 31: Plädoyer für kausale Therapie 32–33: Kopfverletzungen 34: Allgemeine Behandlungsgrundsätze 35: Gymnastik und Medizin 36–39: Therapie akuter und chronischer Erkrankungen 40: Kauterisation 4 41/44/46: Ärztliche Kunst 42: Schmerz 43: Körperliche Schwäche 45: Kleine Pharmakologie 47: Kleine Gynäkologie.

Inhalt und Sprache: Für die Kommunikation der Organe untereinander und die Möglichkeit der Ausbreitung von Erkrankungen im Körper entwirft der Verfasser das eindrucksvolle Bild des geschlossenen Kreises (Kap. 1). Platon hat es in rep.462 c-d aufgenommen und am Beispiel einer banalen Verletzung (Wunde am Finger) ausgemalt. In der Darstellung der Gefäßanatomie stehen sich Loc.Hom.3 und Nat.Hom.11 nahe. Anders als dort wird aber auch das Phänomen des Gefäßpulses beschrieben und durch den Zusammenprall entgegengerichteter Blutströme erklärt. In Kap. 6 weist der Verfasser auf numerische Anomalien der Wirbelsäule hin; die maximale Zahl der Wirbel wird mit 18 allerdings falsch zu niedrig angesetzt.

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Die enzephalofugalen Flüsse setzen ein, wenn sich das Fleisch abkühlt oder erhitzt, sie bewegen sich teils aktiv, teils werden sie von den Zielorganen angezogen und lösen dort, wohin sie gelangen, Krankheiten aus. Der Therapeut muß daher bemüht sein, die Flüsse zu unterbrechen oder abzuleiten. In Gland. 11 ziehen drei der sieben Flüsse zu anderen Organen als in Loc.Hom. Die im gynäkologischen Kapitel erwähnten Flüsse (r‘ ȩȠȚ/rhóoi) haben mit den im Gehirn entspringenden Fließbewegungen von Kap. 9 nichts zu tun und werden in Mul. II 3–13 näher ausgeführt. In Kap. 35 beschreibt der Autor Gymnastik und Medizin als natürliches Gegensatzpaar und begründet diese Meinung damit, dass erstere im Vergleich zu letzterer keine Veränderungen hervorrufen müsse. Er fügt aber hinzu, dass sich diese Aussage nur auf den Gesunden und nicht auf den schmerzgeplagten Kranken beziehe. Eine ähnlich kritische Haltung gegenüber der Gymnastik formuliert Platon in Gorg.464b und rep.406a–b. Der hippokratische Autor kann mit seinem Diktum nur die Gymnastik als Sport und nicht die Krankengymnastik gemeint haben. Die fachlich anspruchsvolle, wenngleich nicht in allen Abschnitten gleich hochwertige Schrift ist weniger konsequent gegliedert als die inhaltlich nahestehenden Werke Morb.I, Aff., Morb.II, Morb.III und Int. 3.32 Über die heilige Krankheit [Ȇİȡì i‘ İȡȘ̘Ȣ ȞȩıȠȣ, Morb.Sacr.] M: Grensemann H.: Die hippokratische Schrift Über die heilige Krankheit. Berlin, 1968 Laskaris J.: The Art is long. On the sacred disease and the scientific tradition. Leiden, Boston, Köln, 2002 Nörenberg H.W.: Das Göttliche und die Natur in der Schrift Über die Heilige Krankheit. Frankfurt, Bonn, 1968 Steinmann K. Der Eid des Hippokrates. Von der heiligen Krankheit. Neu aus dem Griechischen und herausgegeben von Kurt Steinmann. Frankfurt am Main, 1996

Format: Einzige monographische Darstellung einer Krankheit im C.H. Rationalistische Streitschrift. Versuch einer geschlossenen pathophysiologischen Deutung der Epilepsie. Entstehungszeit: Ende 5. Jht. v.Chr. Gliederung: 1: Die Epilepsie ist ebenso wenig göttlichen Ursprungs wie andere Krankheiten. Die Dämonisierung der Krankheit ist das Werk von Scharlatanen, die die Gottheit zum Vorwand für ihre therapeutische Ohnmacht nehmen 2: Die Krankheit wird vererbt, betroffen sind aber nur Schleimsüchtige 3: Die Krankheit geht vom Gehirn aus. Anatomie der zum und vom Kopf führenden Gefäße 4: Die Gefäße transportieren Luft 5: Mangelhafte Reinigung des embryonalen Gehirns von Schleim disponiert zum Anfallsleiden 6: Folgen des Schleimstroms in Herz und Lungen 7: Der Schleim dringt ins Blut ein und behindert den Luftstrom. Symptomatik der Epilepsie 8: Besonderheiten der Epilepsie im Kindesalter 9: Besonderheiten der Epilepsie im hohen Alter 10: Jahreszeitliche Einflüsse 11: Je länger die Krankheit besteht, desto geringer sind die Aussichten auf

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Heilung 12: Die Aura und ihre Folgen für das Sozialverhalten 13: Einflüsse der Winde 14: Alle Emotionen entstehen im Gehirn 15: Die Gallsucht führt zum agitierten, die Schleimsucht zu ruhigem Irresein 16–17: Das Gehirn als Sitz des Denkvermögens und der intellektuellen Erkenntnis 18: Rechtzeitig eingeleitete diätetische Therapie kann die Krankheit heilen.

Inhalt: Der hippokratische Autor setzt dem Aberglauben, der die Epilepsie zu seiner Zeit umgibt, ein Erklärungskonzept entgegen, das sowohl endogene als auch exogene Ursachen umfasst. Damit wird unredlichen Behandlungsversuchen der Boden entzogen und der Weg zu einer kausalen Therapie frei gemacht. Für seine Theorie macht er wichtige Anleihen bei der vorsokratischen Naturphilosophie. In Übereinstimmung mit Alkmaion von Kroton [DK 24 A 8] und Anaxagoras [DK 59 A 108] hält er das Gehirn für das führende Organ (Kap. 3, 14–17), in Anlehnung an Anaximenes [DK 13 A7, B 2] und Diogenes von Apollonia [DK 64 A 16] vermutet er, dass die Atemluft den ganzen Organismus durchdringt (Kap. 7). Folgerichtig verwirft er die u.a. von Empedokles [DK 31 A 97, B 105] vertretene These, dass das Herz das führende Organ sei – freilich ohne es zu nennen (Kap. 17). Die für die Pathogenese so wichtigen enzephalofugalen Flüsse (țĮIJȐȡȡȠȠȚ/katárrhooi) werden in Loc.Hom.10 detailliert beschrieben. Die inhaltlichen Übereinstimmungen zwischen Morb.Sacr. und Aer. (z.B. Morb.Sacr. 12 und Aer.3–4 über die Winde) sind so groß, dass man zeitweilig angenommen hat, die beiden Traktate könnten vom gleichen Autor stammen. Sprache: Die Schrift war mehr an Laien als an die ärztlichen Kollegen des Verfassers gerichtet. Der Ich-Stil verschärft die Polemik des leidenschaftlichen Textes. 3.33 Über die Wunden [Ȇİȡì e‘ȜțȦ̏Ȟ, Ulc.] Format: Manual für die chirurgische und pharmakologische Therapie oberflächlicher Verletzungen. Entstehungszeit: 5./4. Jht. v.Chr. Gliederung: Die Schrift besteht aus drei (1–3) klar voneinander getrennten Abschnitten: Allgemeine Pathologie traumatischer Läsionen der Weichteile (1–9), Pharmakotherapie der verzögerten Wundheilung (10–17) und ausgewählte Kapitel der Traumatologie (18–24) 1 1 Grundzüge der Wundbehandlung 2 Unterschiede bei der Behandlung frischer und alter Verletzungen 3 Abführende Maßnahmen 4 Lokale Pharmakotherapie 5 Im Sommer heilen Wunden besser als im Winter 6 Wundreinigung 7 Offene Knochenverletzungen 8/9 Entzündliche Komplikationen der Wundheilung 2 10–12,15/16 Lokale Pharmakotherapie 13,17 Trockene Behandlung 14 Hämostyptika (z.B. aus Ägypten)

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3 18 Behandlung von tiefen Ulzera 19 Therapie chronischer Wunden 20 Behandlung traumatischer Sehnenverletzungen 21 Lokale Pharmakotherapie 22 Verletzungen des Rückens 23 Schwellung der Füße 24 Krampfadern. Phlebotomie.

Inhalt und Sprache: Der Traktat stellt die so genannte Kleine Chirurgie der hippokratischen Ärzte dar. Als pathophysiologisches Grundprinzip der lokalen Entzündung gilt die verletzungsbedingte Hyperämie. Je trockener die Wunde gehalten wird, desto schwächer ist die Entzündung und um so weniger lang hält sie an. Daher heilen Verletzungen (mit Ausnahme der Kopf- und Bauchwunden) in der warmen Jahreszeit schneller. Für die örtliche Behandlung gibt der praxiserfahrene Autor die Empfehlung, das Heilmittel nicht nur direkt an der Wunde, sondern auch in deren Umgebung anzuwenden, um den Eiter abzuleiten (Kap. 10). Abführende Maßnahmen (u‘ ›ȠțȐșĮȡıȚȢ/hypokátharsis) werden für nahezu alle Arten von Verletzungsfolgen, vor allem für veraltete und verschwärende Wunden, aber auch für solche am Kopf empfohlen (Kap. 3). Der Autor macht zwar keine Aussagen zur Prognose, warnt aber in Kap. 7 vor den tiefen Narben, die durch Kauterisation entstehen können (vgl. Aph. 6,45). Der Text weist eine Reihe von Parallelen zu VC auf (z.B.Ulc.1 – VC 15). 3.34 Über die Hämorrhoiden [Ȇİȡì ai‘ȝȠȡȡȠȓįȦȞ, Haem.] Format: Wertvolle Übersicht über die Pathogenese und Therapie von Erkrankungen der rektoanalen Übergangsregion. Entstehungszeit: 4. Jht. v.Chr. Gliederung: 1: Ätiologie des Hämorrhoidalleidens 2/6: Kauterisation 3: Exzision 4: Äußere Kondylome 5: Innere Kondylome 7: Konservative Therapie 8: Zäpfchen 9: Hämorrhoiden bei der Frau.

Inhalt: Der in Theorie und Praxis gleichermaßen kundige Verfasser beschreibt kurz und prägnant die Behandlung von Hämorrhoiden und Kondylomen. Die Schrift ist für die ärztlichen Kollegen bestimmt. Hämorrhoiden entstehen dadurch, dass sich Galle und Schleim am After sammeln und das Blut anziehen. Zur Inspektion des Mastdarms wird ein Spekulum (țĮIJȠ›IJȒȡ/katoptêr, Kap. 5) verwendet. Der chirurgischen Therapie wird der Vorzug gegenüber den konservativen Maßnahmen gegeben. Textgeschichte: Die Schrift wird stets zusammen mit Fist. überliefert und genannt und ist von Cels.VII 30 benutzt worden.

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3.35 Über die Fisteln [Ȇİȡì ıȣȡȓȖȖȦȞ, Fist.] Format: Für Ärzte bestimmte Fachschrift über Ursachen und Behandlung von Analfisteln und deren Komplikationen. Entstehungszeit: 4. Jht. v.Chr. Gliederung: 1: Pathogenese der Analfisteln (Verletzungen, Geschwülste, Sport, z.B. Rudern und Reiten) 2: Rechtzeitige Inzision erforderlich 3: Behandlung mit Knoblauch 4–5: Sondierung und Fadenbehandlung 6: Spülbehandlung 7: Therapie der perianalen Phlegmone 8: Dysurie (als Komplikation der Fistel) 9: Analprolaps 10: Nichtentzündlicher Schmerz am Anus.

Inhalt: Detailreiche Darstellung der konservativen und interventionellen Therapie von Analfisteln. Zur Diagnostik wird das aus Haem. bekannte Spekulum (Kap. 3) verwendet. Besonderer Nachdruck liegt auf der adäquaten Therapie ausgedehnter chronifizierter Befunde. Die Behandlung der Fisteln ist anspruchsvoller als die von Hämorrhoiden. Das Werk stammt von dem gleichen erfahrenen Proktologen wie Haem. Über die Lebensführung I–IV [Ȇİȡì įȚĮȓIJȘȢ Į – į, 3.36 – 3.37 – 3.38 – 3.39] In den vier Büchern über die Lebensführung hat der hippokratische Autor versucht, das Sujet systematisch darzustellen. Eine Gesamtdarstellung ist daraus jedoch nicht geworden; in den anderen Diätschriften des C.H., vor allem Acut. und Salubr., finden sich viele weitere Details. Offensichtlich ging es dem Autor vor allem darum, eine von ihm selbst als sensationell empfundene Entdeckung auf dem Gebiet der Ernährungslehre nicht beziehungslos vorzustellen, sondern in eine mehrteilige Abhandlung einzubinden. Bei der Innovation handelt es sich um die Präventivdiät. Ihr hat er ein eigenes Buch mit 15 virtuellen Kasuistiken (Vict.III) gewidmet. In Vict.I beschreibt er zunächst die Physiologie und Pathophysiologie der Ernährung unter Rückgriff auf Elemente der Kosmologie, Anthropologie und Biologie der Naturphilosophen. Mit seinem Plädoyer für die Kombination von Feuer und Wasser als Lebensprinzip stellt er sich dabei in Gegensatz zur Viersäftelehre von Nat.Hom. In Vict.II werden die wichtigsten diätetischen Maßnahmen aufgezählt und die Eigenschaften der Nahrungsmittel katalogisiert. Mit Vict.IV (= Insomn.) wird zwar ein der Ernährungslehre scheinbar fernes Thema aus der Psychologie aufgegriffen, nämlich die Träume. Da ihnen aber eine ähnlich große Bedeutung für die Früherkennung von Krankheiten und deren diätetische Prävention zugeschrieben wird wie den in Vict.III geschilderten klinischen Symptomen, bildet das letzte Buch einen sinnvollen Abschluss des Werkes.

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Galen hat für zwei seiner Schriften, nämlich Ȇİȡì IJȡȠijȦ̐Ȟ įȣȞȐȝİȦȢ [Über die Kraft der Nahrungsmittel] und Ȇİȡì Ȝİ›IJȣȞȠȪıȘȢ įȚĮȓIJȘȢ [Über die Schlankheitskost], aus Vict. geschöpft, die vier Bücher sonst aber wenig beachtet. Nur das zweite war seiner Meinung nach des Hippokrates würdig (Gal.XV 455); das erste hielt er für antiquiert (Gal.VI 473). Die Kapitel der vier Bücher sind durchnummeriert.

3.36 Über die Lebensführung I [Ȇİȡì įȚĮȓIJȘȢ IJò ›ȡȦ̏IJȠȞ, Vict.I] M: Joly R.: Recherches sur le traité pseudo-hippocratique du régime. Paris, 1960 A: Diller H.: Der innere Zusammenhang der Hippokratischen Schrift De victu. Hermes 1959; 87: 39–56

Format: Darstellung der kosmologischen, anthropologischen und biologischen Grundlagen der Diätetik. Kompilation von Forschungsergebnissen vorsokratischer Philosophen (s. Kasten S. 68–69). Entstehungszeit: Wende 5./4. Jht. v.Chr. Gliederung: Die Themenschwerpunkte der Schrift werden in fünf (1–5) Sektionen behandelt: Kosmologie I (4), Kosmologie II (5), Embryologie I (7–10), Embryologie II (26–31), Kunst und Handwerk als Kopien des Universums und der Natur des Menschen (11–24) 1: Vorwort: Kritik an der Diätschriftstellerei und Darstellung der eigenen Arbeitsweise 2: Hinweis auf die eigenen Beiträge zur Diätforschung (Ernährung versus körperliche Aktivität, Prävention) 3: Anthropologie (alle Lebewesen sind aus Feuer und Wasser zusammengesetzt) 1 4: Attribute von Feuer und Wasser 2 5: Sowohl die Welt der Götter als auch die der Menschen wandelt sich beständig 6: Natürliche Ordnung von Körper und Seele des Menschen 3 7: Embryogenese und Ernährung 8: Abstimmung der Ernährung auf die Entwicklung des Ungeborenen 9: Organogenese 10: Das Feuer organisiert die Kreisläufe im Körper nach dem Vorbild des Universums 4 11: Gegensatz zwischen Natur und Gesetz 12: Weissagekunst 13: Metallbearbeitung 14: Gerberei 15: Schuhmacherei 16: Schreinerei 17: Architektur 18: Musik und Kochkunst 19: Gerberei und Korbflechterei 20: Goldschmiedekunst 21: Bildhauerei 22: Töpferei 23: Die Kunst des Schreibens 24: Gymnastik 25: Seele und Körper 5 26: Wachstum des Feten 27: Äußere Bedingungen der geschlechtlichen Differenzierung des Embryo 28: Warum sind Männer unterschiedlich? 29: Warum sind Frauen unterschiedlich? 30: Zeugung von Zwillingen 31: Überschwängerung 32: Die Qualitäten von Feuer und Wasser bestimmen den Konstitutionstypus des Menschen 33: Typische Kombinationen der Grundqualitäten in den vier Lebensaltern 34: Typische Kombinationen der Grundqualitäten bei den beiden Geschlechtern 35: Auch die Intelligenz wird von der Mischung der Grundqualitäten bestimmt 36: Durch Diät nicht beeinfluss-

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bare Charaktereigenschaften (Jähzorn, Trägheit, Schlauheit, Einfalt, Boshaftigkeit, Wohlwollen).

Inhalt: Der hippokratische Autor geht in Vict.I einen Weg, den er an anderer Stelle (Vet.med. 20, Nat.Hom.1ff.) kritisiert: Er entwirft unter Berufung auf wichtige Vertreter der Naturphilosophie (s. Kasten) eine Theorie von Gesundheit und Krankheit, leitet daraus eine neue Diätlehre ab und versucht sie durch die Praxis zu bestätigen. Doch dieser Entwurf trägt nicht weit. Die Gleichset-

Vict I und die Vorsokratiker Vict.I 2 – Pythagoräer [DK 58 D 1] Kritik an der Konzeption einer idealen Diät Vict.I 3 – Heraklit [DK 22 A5] Feuer (und Wasser) als Urelemente aller Lebewesen Vict.I 4 – Anaxagoras [DK 59 A 46, B 17] Theorie von Entstehung und Wandel Vict.I 5 – Heraklit [DK 22 A 6] Theorie des permanenten Wandels Vict.I 6 – Anaxagoras [DK 59 B 9] Schnelligkeit des Wandels Vict.I 7 – Anaxagoras [DK 59 B 10] Replikation der Materie Vict.I 8 – Pythagoräer [DK 58 B 1] Harmonielehre Vict.I 11 – Anaxagoras [DK 59 B 21a] Erkennung des Unsichtbaren aus dem Sichtbaren (ÓȥȚȢ IJȦ̏Ȟ ¢įȒȜȦȞ IJĮ̈ ijĮȚȞȩȝİȞĮ/ópsis tôn adêlôn tà phainómena) Vict.I 18 – Pythagoräer [DK 44 B 10] Individueller Erfolg in Musik und Diätetik Vict.I 19 – Heraklit [DK 22 B 103], Alkmaion [DK 24 B 2] Über die Notwendigkeit physiologischer Kreisläufe Vict.I 27 – Anaxagoras [DK 59 A 111] Mann und Frau tragen zur Bestimmung des Geschlechts der Kinder bei Vict.I 35–36 – Empedokles [DK 31 A 87, B 109a] Anspielung auf die Wahrnehmungstheorie des Empedokles zung des Feuers mit körperlicher Aktivität und die des Wassers mit der Nahrungsaufnahme führt nicht zu einer allgemein gültigen Beantwortung der Frage, ob ein Symptom durch die Dominanz von Feuer oder Wasser hervorgerufen wird. In Kap. 23 werden neben den fünf Sinnen der Körper als Ganzes und seine Ein- und Austrittspforten als Formen (ıȤȒȝĮIJĮ/schêmata) der Interaktion (a„ıșȒıİȚȢ/aisthêseis) zwischen dem Menschen und seiner Umwelt bezeichnet.

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Diese Aufzählung ähnelt der Darstellung der sieben Instrumente, mit denen der Kopf dem Menschen den Zugang zum Leben ermöglicht (in Hebd.8). In Kap. 33 ordnet der Verfasser den vier Lebensaltern (Kindheit, Adoleszenz, Reife, Alter) je ein Paar der vier Grundqualitäten (warm-kalt, trocken-feucht) zu. Die Schrift endet mit dem überraschenden Eingeständnis, dass die geschilderte Diät auf einige wesentliche Charaktereigenschaften des Menschen keinen Einfluss habe. Den Ausweg aus der Erklärungsnot bietet die Wahrnehmungstheorie des Empedokles (vgl. Vict.III 70) Textgeschichte: Eine mehr oder weniger freie Übersetzung von Kap. 11,1 –13,2 findet sich – ohne Nennung der Quelle bzw. des Verfassers – in Goethes „Maximen und Reflexionen“ (86–97).

3.37 Über die Lebensführung II [Ȇİȡì įȚĮȓIJȘȢ IJò įİȪIJİȡȠȞ, Vict.II] M: Debru A.: Hippocrate. La consultation. Paris, 1986 A: Boncompagni R.: Empirismo e osservazione diretta nel ȆǼȇǿ ǻǿǹǿȉǾȈ del Corpus Hippocraticum. Physis 1970; 12: 109–132

Format: Gegenstandskatalog der angewandten Diätetik. Entstehungszeit: Wende 5./4. Jht. v.Chr. Gliederung: Im Mittelpunkt der Darstellung steht eine Liste von Speisen und Getränken (39–56). 37: Regionale Klimakunde 38: Die Winde 39: Nur die detaillierte Darstellung ist dem Sujet angemessen 40: Gerste 41: Kaltschale, Milch 42: Weizen 43: Dinkel, Hafer 44: Frisches und altbackenes Brot 45: Stärkehaltige Nahrungsmittel, Samen 46: Fleischsorten 47: Geflügel 48: Fische und Schalentiere 49: Die Qualität des Fleisches 50: Eier 51: Käse 52: Getränke 53: Honig und süßer Wein 54: Gemüse 55: Früchte 56: Einfluß der Zubereitung auf die Qualität der Nahrungsmittel 57: Bäder 58: Salbung, Sonnenbad, Kälte, Beischlaf 59: Provoziertes Erbrechen 60: Schlaf, Schlaflosigkeit, Aktivität und Muße, Sättigung 61: Natürliche Sinnesempfindungen 62: Spaziergänge 63: Laufsport 64: Gymnastische Bewegungsformen 65: Soll man im Staub oder mit eingeöltem Körper trainieren? 66: Glieder- und Muskelschmerzen. Inhalt: Die beiden einleitenden meteorologisch orientierten Kapitel wirken zwar in einem der Diätetik gewidmeten Werk wie ein Fremdkörper. Ihr Inhalt ist jedoch originell und sie ergänzen die wesentlich umfangreichere Darstellung der Umweltmedizin in Aer. punktuell. In Kap. 39 wendet sich der hippokratische Autor – ähnlich wie in Vet.med.15 – gegen die Tendenz, die Nahrungsmittel nur grob nach Aussehen und Geschmack zu klassifizieren, und rechtfertigt auf diese

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Weise den nachfolgenden detaillierten Katalog der Speisen und Getränke. Außerdem weist er auf die Veränderungen hin, die die Lebensmittel durch die Zubereitung (įȚĮ̈ IJȑȤȞȘȢ /dià téchnês) erfahren (ähnlich in Aff.55). Sprache: Trotz der langen Aufzählungen und der Fülle an Details bewahrt der Verfasser auch im Mittelteil der Schrift den von Vict.I bekannten gepflegten Prosastil.

3.38 Über die Lebensführung III [Ȇİȡì įȚĮȓIJȘȢ IJò IJȡȓIJȠȞ, Vict.III] A: Ducatillon J.: Collection hippocratique, Du Régime, Livre III. Les deux publics. REG 1969; 389/390: 33–42

Format: Patentschrift für eine neue Anwendung der Diätlehre. Entstehungszeit: Wende 5./4. Jht. v.Chr. Gliederung: 67: Einheitliche Diätempfehlungen sind eine Illusion 68: An den Durchschnittsbürger gerichtete Empfehlung zu jahreszeitlich wechselnder Ernährung und Lebensweise 69: An die Elite gerichtete Empfehlung, auf die Balance zwischen Ernährung und körperlicher Aktivität zu achten 70–78: Neun Symptomenkomplexe, die auf Überernährung zurückzuführen sind, und deren Behandlung 79–84: Sechs Symptomenkomplexe, die auf Mangel- bzw. Fehlernährung zurückzuführen sind, und deren Behandlung 85: Auch wenn nicht immer alle Symptome vorliegen, ist eine einheitliche Therapie angezeigt.

Inhalt: Die beiden ersten Kapitel der Schrift sind unergiebig. In Kap. 67 beklagt der Autor ähnlich wie in Aph. 1,1 und wie vor ihm Protagoras [DK 80 B 4] die Limitationen der wissenschaftlichen Erkenntnisfähigkeit, Kap. 68 ist eine Reprise der aus Salubr.1 bekannten Empfehlungen zur saisonal angepassten Ernährung. Danach bietet der Text aber eine Reihe von Überraschungen. Der Autor stellt eine als großartig bezeichnete Entdeckung (IJȩįİ IJò ™ȟİȪȡȘȝĮ țĮȜȩȞ/tóde tò exeúrêma kalón) in der Diätetik vor, er führt dazu einen neuen Terminus ein, er empfiehlt das neue Verfahren einer ausgewählten Klientel und er dokumentiert dessen Leistungsfähigkeit an 15 exemplarischen Fällen. Die Neuerung besteht darin, dass die Warnsymptome von Krankheiten gesetzmäßig auf ein Ungleichgewicht zwischen Nahrungsaufnahme und physischer Aktivität zurückgeführt werden. Diese Form der vorgezogenen Diagnose wird als ›ȡȠįȚȐȖȞȦıȚȢ/ prodiágnôsis bezeichnet und ist der körperlich nicht schwer arbeitenden Minorität der Bevölkerung vorbehalten. Bei den 15 Fallbeschreibungen handelt es sich nicht um klinische Kasuistiken, sondern um Kombinationen von Symptomen bei sonst gesunden Individuen, die sich entweder zu üppig ernährt oder zu wenig

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bewegt haben. Der Verfasser beschreibt also nicht einen Praxistest, sondern nur das Studiendesign. Im Schlusskapitel weicht er auf die Wiederholung von Therapieempfehlungen aus, anstatt die Resultate seiner virtuellen Studie zu resümieren. Sprache: Den klinischen Szenarien von Vict.III fehlt die Lebendigkeit, die die Kasuistiken in Epid. aufweisen.

3.39 Über die Lebensführung IV – Träume [Ȇİȡì įȚĮȓIJȘȢ IJò IJȑIJĮȡIJȠȞ, Insomn.] A: Cambiano G.: Une interprétation “matérialiste” des rêves: Du Régime IV. In: Coll. Hipp.III Paris 1978 (Paris 1980): 87–96 Jouanna J.: Notes sur l’histoire de la subdivision du traité hippocratique du Régime en livres et sur l’existence de l’ Ygieinon dans la Collection hippocratique. SCO 1989; 39: 13–19

Format: Traktat über die prognostische und diagnostische Bedeutung der Träume. Entstehungszeit: Wende 5./4. Jht. v.Chr. Gliederung: 86: Die Seele wacht im Schlaf über den Körper 87: Göttliche Träume und die Träume der Seele 88: Die guten und die schlechten Träume vom vergangenen Tag 89: Die Bedeutung der Himmelskörper für Gesundheit und Krankheit 90: Die Bedeutung terrestrischer Zeichen für Gesundheit und Krankheit 91: Die Bedeutung der Kleidergröße 92: Die Bedeutung der Träume von den Toten 93: Andere Traumbilder (fremdartige Gegenstände, Nahrungsmittel, kleine und große Aktionen) und ihre Bedeutung für die Art und Weise der Ernährung.

Inhalt: Mit Insomn. greift der hippokratische Autor nicht auf die vorwissenschaftliche Auslegung von Traumbildern zurück. Zum einen berücksichtigt er nur die so genannten biologischen Träume, also jene, in denen körperliche Leiden (›ĮșȒȝĮIJĮ/pathêmata) dargestellt werden. Zum anderen macht er deren Exegese zu einer Angelegenheit der Ärzte und leitet daraus konkrete prognostische Schlüsse und Ratschläge für die Lebensführung ab. Auf diese Weise werden direkte Brücken zwischen bestimmten Traumerscheinungen und Diätempfehlungen geschlagen. Meistens rät er zu provoziertem Erbrechen, mehrtägigem Fasten und vorsichtigem Nahrungsaufbau. Ähnliche Maßnahmen legt der Verfasser seinen Lesern auch als Reaktion auf Beobachtungen an Sonne, Mond und Sternen sowie in der unbelebten Natur nahe. Derartige Empfehlungen sind durch die in Vict.I 10 postulierte strukturelle Analogie zwischen Mensch und Universum und insbesondere die Ansicht legitimiert, dass die Bahnen der Him-

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melskörper und die Kreisläufe (›İȡȚijȠȡĮȓ/periphoraí) im Körper korrespondieren. Textgeschichte: Das vierte Buch trägt in den Handschriften oft einen eigenen Titel (Ȇİȡì ™Ȟȣ›ȞȓȦȞ [Über die Träume]), folgt aber stets unmittelbar auf Vict.I– III.

3.40 Über die Krankheiten II [Ȇİȡì ȞȠȪıȦȞ IJò įİȪIJİȡȠȞ, Morb.II] A: Demont P.: La description des maladies dans les passages parallèles de Maladies II et des Aphorismes. In: Coll.Hipp.VI Québec 1987 (Québec 1990): 171–185 Jouanna J.: La structure du traité hippocratique “Maladies II” et l’evolution de l’école de Cnide. REG 1969; 82: 12–17 Roselli A.: On Symptoms of Diseases: Some Remarks About the Account of Symptoms in Diseases II and Internal Affections. In: Coll.Hipp.VI Québec 1987 (Québec 1990): 159–170 Sigurdarson E.S.: Against fundamentalism in Hippocratic hermeneutics. A study of ‘peri nouson b”. C & M 1997; 48: 149–166

Format: Aus zwei inhaltlich z.T. identischen Sektionen zusammengesetztes Lehrbuch der speziellen Krankheitslehre. Entstehungszeit: Wende 5./4. Jht. v.Chr. Gliederung: Die Schrift ist in zwei (1–2) große Abschnitte eingeteilt: Darstellung der Erkrankungen von Kopf und Hals (1–11) und Darstellung von Erkrankungen a capite ad calcem (12–75). 1 1: Überhitzung des Kopfes 2: Geschwüre an Kopf und Stamm 3: Syndrom aus Kopfschmerz, galligem Erbrechen, Dysurie und Delir 4: Zerebrales Syndrom durch lokale Hyperämie 5: Sphakelismos des Gehirns 6: Plötzlicher Kopfschmerz, Aphonie und Bewusstseinsverlust 7: Osteolyse am Schädel 8: Schlaganfall 9: Angina 10: Pharyngitis 11: Tonsillitis 2 12: Vom Kopf ausgehende Erkrankungen 13: Geschwüre am Kopf und Extremitätenödeme 14: Syndrom aus Kopfschmerz, galligem Erbrechen, gelegentlicher Dysurie und Delir 15: Syndrom aus Schläfenkopfschmerz, Fieber und Störungen der Augenmotilität 16: Ähnliches Syndrom wie 15, jedoch auch mit Symptomen an Ohren und Nase 17: Ähnliches Syndrom wie 15, jedoch mit erheblicher motorischer Unruhe 18: Ähnliches Syndrom wie 17, jedoch ohne Fieber 19: Fieberhafte Erkrankung mit z.T. halbseitigem Kopfschmerz 20: Sphakelismos des Gehirns 21: Plötzlicher Kopfschmerz, Aphasie, Bewusstseinsverlust und Polyurie 22: Aphonie, die durch eine Erkrankung des Thorax verursacht wird. Begleitendes Fieber prognostisch günstig 23: Sphakelismos des Gehirns 24: Osteolyse 25: Schlaganfall 26–28: Drei Formen der Angina 29: Pharyngitis 30: Tonsillitis 31: Mundbodenphlegmone 32: Schwellung des Gaumens 33–37: Nasenpolypen 38–39: Ikterus 40–43: Verschiedene Fieber 44–46: Pleuritis 47–48: Peripleumonie 49: Phthisis 50: Aphthöse Tracheitis 51: Phthisis des Rückenmarks 52: Nicht näher bestimmbares Lungenleiden 53: Verletzung der Luftröhre 54: Ruptur eines Lungenlappens 55: Erysipelas der Lunge 56: Erkrankung des Rückenmarks

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57: Geschwulst in der Lunge 58: Zerreißung der Lunge 59: Prolaps der Lunge in die Flanke 60: Geschwulst der seitlichen Thoraxwand 61: Lungenhydrops 62: Schwere Verletzung des Brustkorbs oder des Rückens 63: Brennfieber 64: Fieber und Schluckauf 65: Lethargos 66: Marasmus 67: Das so genannte Mordfieber 68: Die so genannte bleiche Krankheit 69: Unstillbares Rülpsen 70–71: Schleimbedingte Erkrankungen 72: Hypochondrie 73–74: Magen-/ Darmblutungen 75: Magen-/ Darmblutungen und Ausscheidungen von Gallethromben.

Inhalt: Der zweite Teil der Schrift ist der Wahl der Themen wie dem Umfang der Darstellung nach die Langform des ersten: Der Wahl der Themen nach, weil er in den Kap. 12–30 die Besprechung der Erkrankungen von Kopf und Hals wiederholt, und dem Umfang der Darstellung nach, weil er – anders als der erste – nicht nur die Ätiologie, Pathogenese und Symptomatik beschreibt, sondern auch ausführlich auf Therapie und Prognose eingeht. Jouanna glaubt, dass der zweite Teil mehrere Jahrzehnte nach dem ersten und von einem anderen Autor als dem des ersten geschrieben wurde. Er vermutet außerdem, dass Morb.II gleichsam die zweite Auflage der so genannten Knidischen Sentenzen bildet. Zur Begründung verweist er u.a. auf die Ähnlichkeit der Darstellung der so genannten bleichen Krankheit (›İȜȓȘ ȞȠȣ̐ıȠȢ/pelíê noûsos) in Kap. 68 und in einem bei Galen (Gal.XV 136, XVII A 888) erhaltenen Fragment des Euryphon von Knidos. Sprache: Dem Werk fehlen Einleitung und Schluss. Die Darstellung ist präzise und verzichtet auf Schnörkel. Am Kopf jedes Kapitels findet man entweder explizit den Namen der Krankheit bzw. Krankheitsvariante oder den Verweis auf das nächste Thema (z.B. e‘IJȑȡȘ ȞȠȣ̏ıȠȢ/hetérê noûsos). Diese Formulierungen unterstreichen den lexikalischen Charakter der Schrift.

3.41 Über die Krankheiten III [Ȇİȡì ȞȠȪıȦȞ IJò IJȡȓIJȠȞ, Morb.III] M: Potter P.: Die hippokratische Schrift Ȇİȡì ȞȠȪıȦȞ Ȗ, de morbis III. Kiel, 1974

Format: Unprätentiöse und benutzerfreundliche Darstellung häufiger Erkrankungen für den praktisch tätigen Arzt. Schwerpunkte: Neurologie und Pneumologie. Entstehungszeit: 4. Jht. v.Chr. Gliederung: 1: Ödem des Gehirns 2: Kopfschmerz 3: Schlaganfall 4: Trockene Gangrän des Gehirns 5: Lethargos 6: Kausos 7: Phlegmasie der Lungen 8: Akute Aphasie 9: Phrenitis 10: Angina 11: Ikterus 12: Tetanos 13: Opisthotonus 14: Ileus 15: Peripleumonie 16: Pleuritis 17: Liste von 25 erfrischenden Getränken zur symptomatischen Behandlung des Brennfiebers.

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Inhalt: Die Schrift ist dank ihrer klaren Gliederung und einfachen Sprache gut lesbar, die diagnostischen Hinweise und therapeutischen Empfehlungen sind frei von theoretischem Ballast. Jedes der 16 nosologischen Kapitel beginnt mit dem Namen bzw. Leitsymptom der Krankheit und führt den Leser in einheitlicher Folge von der Symptomatik über den Verlauf und die Prognose zur Therapie. Sieben Kapitel (1–4, 8, 12–13) sind neurologischen, die beiden längsten (15, 16) sind pneumologischen Erkrankungen gewidmet. Es lassen sich zwar zahlreiche inhaltliche Parallelen zu Morb.II nachweisen (z.B. Morb.III 3 – Morb.II 15.18.25 über Inzisionen bei Apoplexie, Morb.III 5 – Morb.II 65 über den Lethargos). Sonst unterscheiden sich die beiden Schriften aber so stark, dass sie kaum vom gleichen Verfasser stammen. In Kap. 3 führt der Autor die uni- oder bilaterale Okulomotoriuslähmung als Symptom jener Krankheit an, an der die ȕȜȘIJȠȓ/blêtoí [vom Schlag Getroffene] leiden. Man kann daraus schließen, dass es sich um eine Läsion schädelbasisnaher Organe gehandelt hat. Die Beschreibung der Begleitsymptome (Schreien, Aphonie) des Opisthotonus (in Kap. 13) kehrt in Coac. 355 – allerdings in umgekehrter Reihenfolge – wieder, die prognostische Bedeutung der an der Zunge erkennbaren Zeichen für die Hämoptoe bei Pleuritis in Coac. 378. Sprache: Der Einleitungssatz von Morb.III ist identisch mit dem Schlusssatz von Hebd. Die beiden Schriften unterscheiden sich inhaltlich jedoch grundlegend und gehören trotz der Wiederholung nicht zusammen. Littré hat aus dem übereinstimmenden Wortlaut der beiden Sätze gefolgert, dass Morb.III das Fragment eines verloren gegangenen Werkes über die Fieber sei, und seine These damit begründet, dass in Morb.II Fieber nicht das beherrschende Thema sei, sondern nur beiläufig erwähnt werde. Diese Begründung ist jedoch ebenso unsicher wie die Annahme, dass das dem Werk inhaltsfremde letzte Kapitel ein Bruchstück der verlorenen Schrift ĭĮȡȝĮțȚ̘IJȚȢ [Arzneimittellehre] sei. 3.42 Über die inneren Leiden [Ȇİȡì IJȦ̏Ȟ ™ȞIJòȢ ›ĮșȦ̏Ȟ, Int.] A: Lami A.: [Ippocrate], Affezioni interne I e dintorni. FAM 1996; 11: 89–100

Format: Manual der Inneren Medizin und Neurologie. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt auf den schweren Erkrankungen. Entstehungszeit: Anfang 4. Jht. v.Chr. Gliederung: 1–9: Erkrankungen der Thoraxorgane 10–12: Drei Typen der Phthisis 13: Absteigende Lähmung 14–17: Vier Typen von Nierenerkrankungen 18–19: Abund aufsteigende Rücken-, Bein- und Kopfschmerzen 20: Der Schleim als krankmachendes Prinzip 21: Durch weißen Schleim hervorgerufene Symptome 22–26: Die verschiedenen Formen des Hydrops 27–29: Erkrankungen der Leber 30–34: Erkrankungen der

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Milz 35–38: Formen des Ikterus 39–43: Formen des typhösen Fiebers 44: Ileus 45: Ikterischer Ileus 46: Blutiger Ileus 47–50: Die so genannten dicken Krankheiten 51: Ischias 52–53: Formen des Tetanos.

Inhalt: Ähnlich wie in Aff. werden Schleim und Galle auch in Int. als Kausalfaktoren vieler innerer Erkrankungen betrachtet. Etwa jedes zweite Kapitel enthält im letzten Satz einen Hinweis auf den Ernst der Erkrankung (z.B. Kap. 19: h‘ ȖĮ̈ȡ ȞȠȣ̏ıȠȢ ȤĮȜİ›Ȓ/hê gar noûsos chalepê [denn die Krankheit verläuft schwer]. Das Werk weist eine Reihe von Parallelen mit Morb.II (z.B. Int.1 – Morb.II 53 über Hämoptysen) und Morb.III auf. Die in Kap. 8 beschriebene, durch körperliche Anstrengung hervorgerufene Erkrankung der Brust und des Rückens kehrt in Prorrh.II 7 wieder. Bei den in den Kap. 47–50 geschilderten mutmaßlich systemischen Infektionen kombinieren sich neurologisch-psychiatrische Symptome (z.B. Halluzinationen) mit verschiedenen Krankheitszeichen an anderen Organen (z.B. Hodenschwellung). Sprache: Die Schrift sollte als Nachschlagewerk dienen. Dieser Intention dienen die Anordnung der nosologischen Entitäten a capite ad calcem und die Gliederung der Krankheitsbeschreibungen in jeweils vier Sektionen (Ätiologie, Symptomatologie, Therapie, Prognose). Galen hat die Schrift mehrfach genannt und trotz grundsätzlicher Bedenken (Gal.XV 537) einen Kommentar dazu verfasst (Scr.min.II 112).

3.43 Über die Natur der Frau [Ȇİȡì ȖȣȞĮȚțİȓȘȢ ijȪıİȦȢ, Nat.Mul.] M: Andò V.: Ippocrate. Natura della Donna. Introduzione, traduzione e note. Milano, 2000

Format: Unsystematischer, aber didaktisch brauchbarer Auszug aus Mul.I–III. Thematischer Schwerpunkt: Therapie. Entstehungszeit: Anfang 4. Jht. v.Chr. Gliederung: Die Schrift setzt sich aus fünf (1–5) Sektionen zusammen. 1: Vorwort (Kriterien für die Klassifizierung der Frauenleiden) 1 Erkrankungen der Gebärmutter: Hydrops (2,35) Prolaps (4,5,81) Innere Dislokation (3,6,8,14,25,30,38,40,44,47–49,54,58,62,73,75,79,87) Torsion (43) Schmerzen (50,80,85) Fluor (15,82,90) Entzündung (10–12,55,57,78) Verhärtung (28, 31,36,37) Erweichung (46) Anschwellung durch Luft (41,64) Blutung (42) Iatrogene Geschwüre an Uterus und äußerem Genitale (108) 2 Geburtshilfe: Regelstörungen (18,22,23,59,71,72,74,77,106) Mechanische Probleme bei der Konzeption (7,13,20,21,24,26,45,53,67) Abort (16,17,19,63) Probleme bei der Entbindung (52,56,69, 76,88) Probleme im Wochenbett (9,27,29,51,84)

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3 Erkrankungen des äußeren Genitale: Aphthen (60,86,100) Geschwüre (66,83) Kondylome (65) 4 Internistische Symptome der Frau: Dysurie (61) Atemnot (68) Flankenschmerz (70) Galle im Uterus als Ursache von Kopf- und Bauchweh (89) Steinleiden bei Jungfrauen (101) 5 Rezepturen: Allgemeine gynäkologische Pharmakotherapie (32) Vaginalspülungen (33,104) Räucherungen (34,103) Kathartika (91,109) Mittel gegen Schmerzen des Uterus (92) Laktagoga (93) Empfängnisfördernde Mittel (94,96) Abortiva (95) Pessare (97) Kontrazeptiva (98) Schwangerschaftstest (99) Umschläge (102) Dampfbäder (105,107).

Inhalt: Der Traktat beschreibt – anders als sein Titel vermuten läßt – nicht die spezielle Physiologie der Frau, sondern ist ein vorwiegend therapeutisch orientierter Leitfaden der Gynäkologie und Geburtshilfe (s. Kasten S. 82). Ätiologie (z.B. Kap. 5 über die Ursachen des Uterusprolaps) und Prognose (z.B. Kap. 40 über die Chronizität der Schräglage des Uterus) werden nur gestreift. Beziehungen zwischen der Pathologie der Säfte und ungewollter Kinderlosigkeit werden in den Kap. 22 und 106 hergestellt. In Kap. 15 postuliert der Verfasser einen kausalen Zusammenhang zwischen einer schmerzhaften Unterleibserkrankung und dem phlegmatischen Charakter einer Frau bzw. der Stase der Galle. Dazu passt auch die in Kap. 89 beschriebene Galleretention im Uterus als Ursache von Kopf- und Bauchschmerzen. Kap. 54 schildert drastisch die Defäkationsprobleme, die durch eine den Prolaps begleitende Rektozele entstehen können. Die Kap. 32–34 stellen eine lange Aufzählung von Purgativa, Emmenagoga, Spülund Räuchermitteln dar. In Kap. 32 (aus Mul.II 92) wird die Heilpflanze ijȚȜȓıIJȚȠȞ/philístion (vielleicht identisch mit dem klebrigen Labkraut) erwähnt, deren Namen man früher irrtümlich auf den Arzt Philistion von Lokroi (4. Jht. v.Chr.) bezogen hat. Sprache und Textgeschichte: Der größte Teil – etwa neun Zehntel – des Texts ist Mul.I–III entlehnt und gegenüber dem Original verkürzt und vereinfacht worden. Zu dem Vorwort, das man als originären Beitrag des Epitomators angesehen hat, existiert eine Parallele in Mul.II 2. Auch der Text selbst weist zahlreiche Wiederholungen (z.B. Kap. 2 und 35, beide aus Mul.I 59–61) auf. 3.44 Über das Siebenmonatskind [Ȇİȡì e‘ ›IJĮȝȒȞȠȣ, Septim.] Über das Achtmonatskind [Ȇİȡì ÑțIJĮȝȒȞȠȣ, Oct.] M: Grensemann H.: Die hippokratische Schrift ›İȡì ÑțIJĮȝȒȞȦȞ (De octimestri partu). Ausgabe und kritische Bemerkungen. Kiel, 1960

Format: Prognostisch orientierte zweiteilige (Kap. 1–9: Siebenmonatskind, Kap. 10–13: Achtmonatskind) Monographie über die letzten Monate der

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Schwangerschaft und die Geburt, in der dem Achtmonatskind die Lebensfähigkeit abgesprochen wird. Frühes Beispiel einfühlsamer Schwangerenberatung. Entstehungszeit: Wende 5./4. Jht. v.Chr. Gliederung: 1: Der sieben Monate alte Fetus 2: Perinatale Sterblichkeit 3: Vierzig gefährliche Tage 4: Erfahrungen der Frauen 5: Krankheiten des achten Monats 6–7: Entbindung im neunten Monat 8: Leiden des achten Monats 9: Kritische Tage für Aborte 10: Geburt im achten Monat 11: Gefahren der unkomplizierten Geburt 12: Versorgung des Neugeborenen 13: Spekulationen über den Zeitpunkt der Konzeption.

Inhalt: Der Autor, ein mutmaßlich ausgewiesener praktischer Geburtshelfer und hervorragender Beobachter, beschreibt den Verlauf des letzten Trimenons unter Nutzung von Elementen der pythagoräischen Zahlensymbolik. Die Ereignisse der Schwangerschaft werden nach bestimmten Perioden berechnet; dabei kommt neben Monat und Jahr dem Intervall von 40 Tagen besondere Bedeutung zu. In den ersten 40 Tagen der Gravidität ist die Gefahr der Fehlgeburt am größten und in den ersten 40 Tagen nach der Geburt die Säuglingssterblichkeit am höchsten. Das Ungeborene wird ab dem siebten Monat für lebensfähig gehalten. Auch Kinder, die im neunten und zehnten Monat auf die Welt kommen, haben eine gute Überlebenschance. Die Prognose des Achtmonatskinds ist hingegen schlecht, und zwar deshalb, weil es zwei kritische Situationen gleichzeitig zu bestehen hat, nämlich die Geburt und die Wechselfälle und Leiden (ȝİIJĮȕȠȜĮì țĮì țĮțȠ›ȐșİȚĮȚ/metabolaì kaì kakopátheiai), die jedes Kind im achten Monat durchmacht, sei es innerhalb oder außerhalb der Gebärmutter. Textgeschichte: Die beiden Teile werden in den antiken Ausgaben separat und in wechselnder Reihenfolge überliefert, bilden aber eine Einheit. Zwischen den Kapiteln 9 und 10 scheint ein Stück zu fehlen. 3.45 Über den Samen [Ȇİȡì ȖȠȞȘ̘Ȣ, Genit.] M: Lonie I.M.: The Hippocratic treatises On generations, On the nature of the child, Diseases IV. A commentary. Berlin, 1981

Format: Erster Teil eines Lehrbuchs der Embryologie, das viele Berührungspunkte mit der vorsokratischen Philosophie aufweist. Entstehungszeit: 5. Jht. v.Chr. Gliederung: 1/3: Bildung und Wanderung des Samens 2: Zeugungsunfähigkeit 4–5: Beischlaf und Empfängnis 6–7: Männlicher und weiblicher Samen 8: Ähnlichkeit von Kindern und Eltern 9–11: Schwangerschaftsassoziierte und erbliche Fehlbildungen.

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Inhalt: In den Kap. 1 und 3 wird ausgeführt, dass der Samen in allen Partien des Körpers entsteht, in Kap. 6, dass sowohl der Mann als auch die Frau Samen bildet. Beide Thesen stammen von Demokrit [DK 68 A 141, A 146], werden aber auch von anderen Vorsokratikern, z.B. Empedokles [DK 31 A 81] vertreten. Der stärkere Samen bestimmt das Geschlecht des Kindes. Auf Alkmaion [DK 24 A 13] und Pythagoras [DK 14 B 1a] bezieht sich der Autor, wenn er behauptet, dass der Samen aus dem Gehirn durch das Rückenmark in die Geschlechtsorgane absteigt (Kap. 1). Im letzten Kapitel streift der Verfasser die Frage, weshalb verstümmelte Menschen (›İ›ȘȡȦȝȑȞȦȞ ¢Ȟșȡȫ›ȦȞ/pepêrôménôn anthrôpôn) vielfach gesunde Kinder haben. Die Antwort lautet kurz: Weil auch sie über alle Anlagen vollzählig verfügen. Nur wenn eine Krankheit hinzu kommt, die die Produktion des Samens aus dem Feuchten reduziert, sind auch die Kinder der Behinderten von der Deformierung betroffen. Sprache: Das Werk bildet die Einleitung zu dem mehr als doppelt so langen Traktat Nat. Puer. und steht letzterem auch stilistisch nahe; die Identität der Verfasser ist daher so gut wie sicher. 3.46 Über die Natur des Kindes [Ȇİȡì ijȪıȚȠȢ ›ĮȚįȓȠȣ, Nat.Puer.] M: Lonie I.M.: The Hippocratic treatises On generations, On the nature of the child, Diseases IV. A commentary. Berlin, 1981 A: Lonie I.M.: On the botanical excursus in de natura pueri. Hermes 1969; 97: 391–411

Format: Zweiter Teil des Lehrbuchs der Embryologie, der die Entwicklung des Kindes von der Empfängnis bis zur Geburt auch unter dem Gesichtspunkt der vergleichenden Physiologie beschreibt. Entstehungszeit: 5./4. Jht. v.Chr. Gliederung: 12: Verschmelzung der Samen. Das Produkt umgibt sich mit einer Membran 13: Beschreibung eines sechs Tage alten Embryo 15: Nabelschnur 16: Bildung des Chorion 17–20: Wachstum und Differenzierung des Embryo 21: Erste Kindsbewegungen. Bildung der Milch 22–27: Botanischer Exkurs 28: Lage des Kindes in der Gebärmutter 29: Vergleich mit der Entwicklung des Hühnereis 30: Entbindung 31: Zwillinge.

Inhalt: Der Traktat besticht durch seine präzisen Beobachtungen an Mensch, Tier und Pflanze. Jungen wachsen schneller als Mädchen (in 30 gegenüber 42 Tagen) und bewegen sich früher als jene (nach drei gegenüber vier Monaten) im Mutterleib. In der Entwicklung der Organe bilden Nägel und Haare den Abschluss. Die Schwangerschaft geht dann zu Ende, wenn das Kind von der Mutter nicht mehr ausreichend ernährt werden kann, sich bewegt, die Häute zer-

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reißt und zu wandern beginnt. Der Autor empfiehlt dem Leser, selbst ein einfaches, aber äußerst instruktives Tierexperiment durchzuführen, nämlich die Entwicklung des bebrüteten Hühnereis am Beispiel von 20 oder mehr Eiern Tag für Tag mit eigenen Augen zu verfolgen. Schließlich erweitert der Verfasser die Analogie der Embryogenese von Menschen und Tieren um Parallelen der Entwicklung von Menschen und Pflanzen. Die Mutter wird dabei mit der Sonne und die Kinder werden mit den Pflanzen verglichen. Textgeschichte: Der Verfasser ist wohl mit dem von Mul.I (Hinweis in Kap. 73) identisch.

3.47 Über die Krankheiten IV [Ȇİȡì ȞȠȪıȦȞ IJò IJȑIJĮȡIJȠȞ, Morb.IV] M: Lonie I.M.: The Hippocratic treatises On generations, On the nature of the child, Diseases IV. A commentary. Berlin, 1981 A: Joly R.: Indices lexicaux pour la datation de Génération – Nature de l’enfant – Maladies IV. In: Coll Hipp.II Mons 1975 (Mons 1977): 136–147 Kahlenberg W.: Die zeitliche Reihenfolge der Schriften ›İȡì ȖȠȞȘҊȢ, ›İȡì ijȪıȚȠȢ ›ĮȚįȓȠȣ und ›İȡì ȞȠȪıȦȞ 4 und ihre Zusammengehörigkeit. Hermes 1954; 83: 252–256

Format: Für Ärzte und Laien gleichermaßen geeignetes Lehrbuch der Pathophysiologie auf dem Boden der Viersäftelehre. Die schwarze Galle ist dabei durch das Wasser ersetzt. Entstehungszeit: Wende 5./4. Jht. v.Chr. Gliederung: 1 (32): Die Mischung der Säfte bestimmt sowohl im Neugeborenen- wie im Erwachsenenalter über Gesundheit und Krankheit 2 (33): Der Magen ist die Quelle der Säfte, die aus den Nahrungsmitteln und Getränken stammen 3 (34): Vergleich mit der Pflanzenwelt 4–7 (35–38): Ursachen der Vermehrung von Schleim, Galle, Wasser und Blut 8–9 (39–40): Kreislauf der Säfte zwischen Körper und Bildungsstätte nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhren 10 (41): Ausscheidungswege für die Säfte 11–13 (42–44): Voraussetzungen für Gesundheit (u.a. Entleerung am 3. Tage) 14–15 (45–46): Fieber durch Ungleichgewicht der Säfte 16 (47): Der Tod tritt an ungeraden Tagen ein 17 (48): Auch Wunden entzünden sich an ungeraden Tagen 18 (49): Jede durch Störung der Säfte bedingte Krankheit hat sieben Zeichen 19–21 (50–52): Drei Hauptursachen von Krankheit (mangelhafte Entleerung, ungünstige Klima- bzw. Lebensverhältnisse, Verletzungen und körperliche Anstrengungen) 22 (53): Ursache des Fiebers 23–26 (54–57): Varia (Bandwurm, Steinleiden, Hydrops).

Inhalt: Die Darstellung der Humoralpathologie in Morb.IV ist weniger bekannt als die in Nat.Hom. Sie enthält jedoch wichtige zusätzliche Detailinformationen (z.B. Bildungsstätten und Ausscheidungswege der Säfte in Kap. 2 und 10, Sonderstellung der Gallenblase in Kap. 9). In Kap. 25 wird die als knidisch überlie-

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ferte Ansicht, dass ein Teil der Flüssigkeit, die der Mensch zu sich nimmt, in die Lungen gelange, zurecht verworfen; Platon (Tim. 70c) hält dagegen an der irrigen Auffassung fest. Textgeschichte: Der Verfasser ist identisch mit dem von Genit. und Nat.Puer. und der so genannten Schicht C der gynäkologischen Schriften. Littré hat die Kapitel der drei Traktate durchnummeriert (Zahlen in Klammern). Die großen gynäkologischen Traktate [3.43 – 3.48 – 3.49 – 3.50] M: Countouris N.: Hippokratische Gynäkologie. Die gynäkologischen Texte des Autors B nach den pseudo-hippokratischen Schriften De muliebribus I und II. Diss. Hamburg, 1985 Grensemann H.: Knidische Medizin, I: Die Testimonien zur ältesten knidischen Lehre und Analysen knidischer Schriften im Corpus hippocraticum. Berlin, 1975 Grensemann H.: Hippokratische Gynäkologie. Die gynäkologischen Texte des Autors C nach den pseuodohippokratischen Schriften De muliebribus I, II und De sterilibus. Wiesbaden, 1982 Grensemann H.: Knidische Medizin, II: Versuch einer weiteren Analyse der Schicht A in den pseudohippokratischen Schriften De natura muliebri und De muliebribus I und II. Stuttgart, 1987 Jouanna J.: Hippocrate. Pour une archéologie de l’ école de Cnide. Paris, 1974 Trapp H.: Die hippokratische Schrift „ De natura muliebri“. Ausgabe und textkritischer Kommentar. Diss. Hamburg, 1967

Ähnlich wie für die großen chirurgischen Werke postuliert man auch für die großen gynäkologischen Traktate ein Quellenwerk, aus dem die Schriften hervorgegangen sind. Darauf weisen sowohl inhaltliche (z.B. identische Therapieempfehlungen) wie stilistische Kriterien (z.B. identische Erklärungsschemata) hin. Diesem Opus wird eine ähnliche Bedeutung zugeschrieben wie den so genannten Knidischen Sentenzen. Es dürfte den Titel īȣȞĮȚțİȚ̘ĮȚ ȞȠȣ̐ıȠȚ oder īȣȞĮȚțİȚ̘Į ȞȠıȒȝĮIJĮ [Frauenleiden] getragen haben und nach Genit. (Ankündigung in Kap. 4) bzw. Nat.Puer. (Ankündigung in Kap. 15) und vor Morb.IV (Bemerkung in Kap. 26) verfasst worden sein. Am besten scheint es in Mul.II und Nat.Mul. erhalten zu sein. Grensemann und Countouris unterscheiden innerhalb der großen gynäkologischen Schriften drei verschieden alte Schichten (A,B,C). Diese Differenzierung basiert sowohl auf Analysen der medizinischen Aussagen wie des Sprachgebrauchs. Die Texte der Schicht A sind überwiegend aus der Erfahrung gewonnene Schilderungen von Krankheiten und deren Behandlung, die der Schicht B (z.B. Nat.Mul.1) bieten pathophysiologische Erklärungsversuche und jene der Schicht C (z.B. Mul.III 1) beschränken sich auf die Darstellung von Ätiologie und Symptomatik, klammern also die Therapie aus. Zusätzlich werden innerhalb von Schicht A zwei Serien (A1 und A2) unterschieden. A1 ist die ältere; sie ist ganz an der Anwendungspraxis orientiert. In A2 werden dagegen auch übergeordnete kausale Verknüpfungen (z.B. die Zweisäftelehre) diskutiert. Nat.Mul. 35–109 werden der Serie A1, Nat.Mul. 2–34 der Serie A2 zugeordnet. Auch in Mul.I und II können Texte der Serien A1 und A2 differenziert werden.

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3.48 Über die Frauenkrankheiten I [īȣȞĮȚțİȓȦȞ IJò ›ȡȦ̏IJȠȞ, Mul.I] Format: Umfangreiche Darstellung der Frauenkrankheiten. Schwerpunkt: Fortpflanzungsmedizin. Plädoyer für ganzheitliche Medizin. Entstehungszeit: Wende 5./4. Jht. v.Chr. Gliederung: 1: Vorteile der Mutterschaft für die Gesundheit der Frau. Physiologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern 2: Pathomechanismus der A- und Dysmenorrhoe 3: Therapie der Amenorrhoe 4–5 Hypo-/ Hypermenorrhoe 6/11: Menstruationshygiene 7/53: Krampf der Gebärmutter 8/57: Gallige Menstruation 9: Schleimige Menstruation 10: Ausbleibende Empfängnis 12–16/18: Richtiges Verhalten nach der Empfängnis 17: Ganzheitliche Gynäkologie 19: Lange unerfüllter Kinderwunsch 20: Jungfernhäutchen 21: Frühabort 22–24: Förderung der Fruchtbarkeit 25: Erkrankungen in der Schwangerschaft 26: Galliger Ausfluss 27–28: Drohender Verlust des Kindes 29: Schleimbedingte Probleme der Schwangerschaft 30: Von der Milz ausgehende Probleme der Schwangerschaft 31: Schwangerschaftsödeme 32: Dyspnoe der Schwangeren 33: Fehllagen des Kindes 34: Ikterus zum Termin 35–42: Lochien 43: Postpartale Hämatemesis 44: Probleme beim Stillen 45–46: Nachgeburt 47: Retention des Frühaborts 48: Retention der Nachgeburt 49: Verletzung des Uterus intra partum 50: Entzündung des Uterus post partum 51: Medikamentöse Therapie der Erkrankungen des Uterus 52–54: Wochenbettfieber 56: Zu schnelle Geburt 58: Abort durch schleimgefüllte Plazenta 59–60: Hydrops uteri 61: Generalisiertes Ödem. Milzschwellung 62: Das besondere Verhältnis des Arztes zu den Frauen 63–66: Geschwüre des Uterus 67: Schwere Verletzung des Uterus bei Fehlgeburt 68: Probleme der Fehlgeburt 69: Zwillingsentbindung 70: Bergung von Totgeburten 71: Blasenmole 72: Erkrankungen durch die Lochien 73: Stillunfähigkeit 74–91: Rezeptsammlung (u.a. Emmenagoga, konzeptionsfördernde Mittel, Kontrazeptiva, wehenfördernde Mittel, Choleretika, Kathartika, Abortiva) 92–109: Varia (u.a. Husten im Kindesalter, Antiseptika, Salbe bei Rektumprolaps, Enthaarungsmittel). Inhalt: Die Schrift stellt die Frauenheilkunde auf der Basis einer überzeugenden Synthese von Organ- und Humoralpathologie dar. Dabei fällt allerdings nur der Galle und dem Schleim pathogenetische Bedeutung zu. Der Verfasser weist in den Kap. 1, 44 und 73 auf sein Werk Nat.Puer. und in Kap. 2 auf seine Schrift Virg. hin. Die Angaben zu den ersten Kindsbewegungen (Kap. 71) stimmen zwar mit jenen in Nat.Puer. 21 überein, stehen aber in Widerspruch zur entsprechenden Aussage in Alim. 42 (erste Bewegungen am 70. Tag der Schwangerschaft!). Mehrfach wird – ebenso wie in Mul.II – mit jeweils eindringlichen Worten (z.B. Kap. 36: œ›İȚIJĮ ¢›ȩȜȘIJĮȚ ™ȟĮ›ȓȞȘȢ/épeita apólêtai exapínês [dann stirbt sie plötzlich]) auf die z.T. schlechte Prognose der schwangerschaftsassoziierten Erkrankungen hingewiesen. Textgeschichte: Das Kernstück der Schrift endet mit Kap. 73. Die Kap. 74–91 enthalten ausschließlich Hinweise zur Herstellung und Anwendung von bei

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Frauenleiden wirksamen Pharmaka, die Kap. 92–109 (ȃȩșĮ [Anhang]) stammen wohl aus der in Aff. 9 erwähnten ĭĮȡȝĮțȚ̘IJȚȢ [Arzneimittelkunde]. 3.49 Über die Frauenkrankheiten II [īȣȞĮȚțİȓȦȞ IJò įİȪIJİȡȠȞ, Mul.II] Format: Umfangreiche Darstellung der Frauenkrankheiten. Schwerpunkt: Gynäkologie. Plädoyer für ganzheitliche Medizin. Entstehungszeit: Wende 5./4. Jht. v.Chr. Gliederung: 1/6–13: Fluor und begleitende Allgemeinsymptome 2: Die Bedeutung der Konstitution für die Erkrankungen der Frau 3–4: Gynäkologische Blutungen 5: Gelenkblutungen nach Fehlgeburt 14–18/20–27/30–38/40–41/43/94–95: Dislokation des Uterus 19/60–62: Entzündung des Uterus 28: Überblick über die Erkrankungen des Uterus 29: Allgemeinsymptome bei gynäkologischen Erkrankungen 39: Krampf des äußeren Genitale 42: Aphonie bei Erkrankungen des Uterus 44: Ausstoßung der Nachgeburt 45: Irritation des Uterus 46–48/50–54: Verhärtung des Uterus 49/72: Konzeptionsunfähigkeit 55: Verschluß des Uterus 56: Blutgerinnsel im Uterus 57–59: Klaffender Muttermund 63: Instillation bei Schmerzen im Uterus 64: Blasen am Muttermund während der Monatsblutung 65–65bis: Erysipelas uteri 66–67: Hydrops uteri 68/70/93/102: Luft im Uterus 69: Verhärtung nach der Konzeption 71: Bildung fleischartigen Fettgewebes 73–74: Schwarze Galle im Uterus. Zentralnervöse Symptome 75: Kälte und Erstarrung des Uterus 76: Übler Mundgeruch und Gingivitis 77: Verhärtung der Mamillen 78: Askariden 79: Mittel zur Gesichtspflege und Glättung von Falten 80–82: Mittel gegen Haarausfall, Sommersprossen und Flechten 83–88: Lokale Pharmakotherapie des Fluor 89: Mittel gegen Bauchschmerzen bei Fluor 91–92: Uteruskrampf und Allgemeinsymptome 96–97: Mittel zur Erweichung und Reinigung des Uterus 98: Zur Blase ziehender Uterusschmerz 99: Allheilmittel bei Erkrankungen des Uterus 100: Mittel gegen Schmerzen des Uterus nach Reinigung 101: Mittel gegen Aphthen am äußeren Genitale 103: Kondylome am äußeren Genitale.

Inhalt: Der Traktat beschreibt die Symptomatik und Therapie der Erkrankungen des Uterus und des äußeren Genitale auf dem Boden von Solidar- und Humoralpathologie. Die Behandlung wird vom Konstitutionstyp der Frau abhängig gemacht (Kap. 9). Der Autor schildert nicht nur die gynäkologischen Leitsymptome, sondern auch lokale Komplikationen (z.B. Harnstauung, Kap. 22) und die teilweise beträchtlichen Allgemeinsymptome gynäkologischer Erkrankungen (z.B. Gesichtsschwellung und Sehverschlechterung, Kap. 7). Kap. 65bis ist eine dramatisierte Version von Kap. 65. Das in den Kap. 68 und 70 beschriebene schwere Krankheitsbild, das durch das Eindringen von Luft in den Uterus ausgelöst wird, kann z.B. als Hinweis auf eine enterale Fistel oder eine Anaerobierinfektion gedeutet werden. Der in Kap. 76 zur Mundpflege empfohlene Pfeffer („ȞįȚțòȞ ijȐȡȝĮțȠȞ/ indikòn phármakon) ist nach Mul.I 81 auch in der Augenheilkunde verwendet worden.

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3.50 Über die unfruchtbaren Frauen [Ȇİȡì ¢ijȩȡȦȞ, Mul.III] Format: Kompendium der Reproduktionsmedizin. Entstehungszeit: Wende 5./4. Jht. v.Chr. Gliederung: 1: Pathophysiologie der Sterilität 2–3: Schwangerschaftstests 4: Bestimmung des Geschlechts 5: Maßnahmen zur Förderung der Erst- und wiederholter Schwangerschaften 6: Ratschläge für den Mann 7–9: Empfehlungen für die Frau (Empfängnis, Diät, Körperpflege) 10: Wenn die Frau keine weiteren Kinder bekommt 11–14: Konzeptionsfördernde Maßnahmen 15–18: Organische Ursachen der Kinderlosigkeit (Dyspareunie, Amenorrhoe, Enge des Muttermunds, Fettleibigkeit) 19: Therapeutische Empfehlung: Schwarzer Kümmel 20: Blutiger Fluor 21: Blasenmole 22: Reinigung der Gebärmutter 23: Verschluss des Muttermunds 24: Verhärtung des Muttermunds 25: Frühabort 26: Wiederholter Abort im 2. oder 3. Monat 27: Insufflation von Luft in den Uterus 28: Habitueller Abort 29: Nach Konzeption ausbleibende Schwangerschaft 30: Unfähigkeit zur Austreibung der Frucht 31: Wenn die Gebärmutter das Sperma verliert 32: Steinleiden des Uterus 33: Monatsblutung in der Schwangerschaft 34: Postkoitaler Schmerz und Blutungen 35–36: Uterusprolaps 37: Bergung der Totgeburt. Inhalt: Die Schrift behandelt, obwohl ihr eine systematische Gliederung fehlt, alle Aspekte der Sterilität. Den therapeutischen Empfehlungen sind knappe, aber treffende theoretische Bemerkungen vorangestellt (z.B. Kap. 17 über Adipositas als Konzeptionshindernis). In Kap. 11 wird eine mit dem Finger tastbare Membran (ȝȘ̏ȞȚȖȟ/mêninx) erwähnt, die die Penetration des Samens verhindert und wahrscheinlich dem Hymen entspricht (ähnlich in Mul.I 20 und Nat.Mul. 67). In Kap. 14 bezieht der Autor die Humoralpathologie in seine Überlegungen zur Pathogenese der Unfruchtbarkeit ein. Er gibt dort die Empfehlung, bei ausbleibender Schwangerschaft zu prüfen, ob die Regelblutung gallig oder schleimig ist. Andere Säfte werden dabei nicht berücksichtigt (ähnlich in Mul.I 22 und Nat.Mul.106). In Kap. 32 werden Verkalkungen im Cavum uteri (nach Kap. 10 verkalktes entzündliches Sekret, nicht (!) verkalkte Myome) als Konzeptionshindernis bezeichnet. 3.51 Über die Krankheiten der Jungfrauen [Ȇİȡì ›ĮȡșİȞȓȦȞ, Virg.] A: Andò V.: La verginità come follia: il Peri parthenion ippocratico. QS 1990; 25: 715–737

Format: Trotz der fragmentarischen Erhaltung des Texts instruktive Darstellung eines Themas aus der Kinder- und Jugendlichenpsychiatrie. Entstehungszeit: 4. Jht. v.Chr.

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Gliederung: Der Text besteht aus einem einzigen Block. Konvulsionen, Bewusstlosigkeit, Ängste und Selbstmordgedanken werden bei jungen Frauen durch den Rückstrom von Blut aus der Gebärmutter zum Herzen und Zwerchfell hervorgerufen. Als Kausaltherapie werden Kohabitation und Schwangerschaft empfohlen.

Inhalt: Bei dem Opusculum handelt es sich wohl um den Auszug aus einem größeren Werk. In der kurzen Einleitung wird ähnlich wie in Nat.Mul.1 das Ewige bzw. Göttliche als Ursache gynäkologischer Erkrankungen genannt; gegen Ende werden indes die damit begründbaren Opferungen an Artemis zur Befreiung von derartigen Leiden kritisiert. Die Schilderung der Pathogenese der Epilepsie unterscheidet sich klar von der allgemein als maßgeblich anerkannten Darstellung in Morb.Sacr. Die Diskrepanz ist vielleicht darauf zurückzuführen, dass der Autor für junge Frauen eine andere Ätiologie postulieren will als für Erwachsene. Sprache: Der Verfasser ist wohl mit dem von Mul. II (Anspielung auf das Werk in Kap. 2) identisch. Er scheint ein erfahrener praktizierender Arzt gewesen zu sein, war aber dem Altertum unbekannt. 3.52 Von der Überschwängerung [Ȇİȡì ™pȚțȣȒıȚȠȢ, Superf.] Format: Aus den großen gynäkologischen Traktaten exzerpierte mangelhaft konzipierte Schrift, deren Titelthema nur im ersten Kapitel behandelt wird. Entstehungszeit: Wahrscheinlich 4. Jht. v.Chr. Gliederung: 1: Ursachen und Symptome der Überschwängerung 2–15: Komplikationen bei der Entbindung 16–43: Weibliche Unfruchtbarkeit (Tests, Behandlungsverfahren, Rezepte).

Inhalt: Als Ursachen für Überschwängerung werden Hyperämie, die sich an postkonzeptioneller Menstruation zu erkennen gibt und den zweiten Keimling ernährt, und der insuffiziente Verschluss des Muttermunds diskutiert. Der Superfetus wird jedoch nicht für lebensfähig gehalten; von der Ausstoßung eines entstellten zweiten Keimlings Tage nach der Geburt eines gesunden Mädchens berichtet der hippokratische Autor in Epid.V 11. Die thematisch naheliegende Diskussion über Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Superfetation und Zwillingsschwangerschaft eröffnet der Autor des Traktats nicht; Zwillinge werden nur an einer Stelle, nämlich in Kap. 14, und auch dort nur kurz erwähnt. Sprache: Die allgemeinen Ausführungen zu Schwangerschaft und Fortpflanzung lehnen sich eng, teilweise sogar wörtlich an die Schrift über die Unfruchtbarkeit

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der Frau an (z.B. Superfet.29/30 ~ Mul.III 5/6). Aristoteles behandelt das Phänomen der Superfetation ausführlich in gen.an. IV 5 773a 32–774b 4.

3.53 Über die Zerstückelung des Kindes im Mutterleib [Ȇİȡì ™ȖțĮIJĮIJȠȝȘ̏Ȣ ™ȝȕȡȪȠȣ, Foet.Exsect.] Format: Anleitung zur Behandlung von Komplikationen vor, während und nach der Entbindung. Entstehungszeit: 4. Jht. v.Chr. Gliederung: 1: Zerstückelung und Extraktion des Feten bei Gefahr für das Leben der Mutter 2: Wendung des Kindes bei Querlage 3: Lochien 4: Sukkussion der Gebärenden 5: Therapie des postpartalen Uterusprolaps. Inhalt: Die in Foet.Exsect. beschriebenen geburtshilflichen Interventionen werden – methodisch z.T. unterschiedlich – auch in Mul.I (Kap. 68: Sukkussion, Kap. 70: Fetotomie), Mul.II (Kap. 35: Prolapstherapie) und Mul.III (Kap. 35– 36: Prolapstherapie, Kap. 37: Fetotomie) dargestellt. In Mul.I 70 werden außerdem die zur Fetotomie erforderlichen Instrumente genannt: Knochensäge (ÑıIJİȠȜȩȖȠȢ/osteológos) und Quetsche (›ȓİıIJȡȠȞ/píestron). Der Autor fordert den als Geburtshelfer tätigen Kollegen ausdrücklich dazu auf, den Kopf der Schwangeren vor dem Eingriff zu verhüllen, damit ihr der Anblick des zerstückelten Kindes erspart bleibt. Die Rüttelung wurde mit der Assistenz von zwei Frauen durchgeführt. 3.54 Über die Anatomie [Ȇİȡì ¢ȞĮIJȠȝȘ̘Ȣ, Anat.] A: Craik E. M.: The Hippocratic treatise On anatomy. CQ 1998; N. S. 48: 135–167

Format: Skizzierung einer Anatomie des Körperstamms. Entstehungszeit: 4. Jht. v.Chr. Gliederung: 1: Atmungsorgane 2: Herz und große Gefäße 3: Leber 4: Nieren und Harnblase 5: Speiseröhre, Magen und Darm.

Inhalt: Der Text bietet eine kurze, aber in den wenigen geschilderten Einzelheiten exakte Beschreibung der großen Organe des Brust- und Bauchraums. Die Lunge wird in fünf Lappen eingeteilt. Von der Leber wird zutreffend gesagt, dass sie blutreich ist (so auch Empedokles [DK 31 B 150]) und eine Pforte besitzt, von der ein Gefäß nach kaudal verläuft. Der proximale Teil des Ösophagus wird

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korrekt beschrieben, die Kontinuität der Speiseröhre mit dem Magen ist aber nicht richtig erkannt worden. Über die grobe Gliederung des Darms und seine Funktion als Organ für den Transport der Nahrung weiß der Autor Bescheid. Textgeschichte: Das Werk wird in der antiken Literatur nicht erwähnt. 3.55 Über das Zahnen [Ȇİȡì ÑįȠȞIJȠijȣȓȘȢ, Dent.] Format: Vademecum der Zahn- und HNO-Heilkunde des Säuglingsalters in 32 Aphorismen. Entstehungszeit: 5./4. Jht. v.Chr. Gliederung: 1–17: Dentition, Stillen und Abstillen 18–32: Erkrankungen, v.a. Ulzerationen von Rachen, Mandeln und Gaumenzäpfchen.

Inhalt: Die praxisnahe Schrift ist einem Teilgebiet der sonst im C.H.vernachlässigten Pädiatrie gewidmet und mehr prognostisch als therapeutisch ausgerichtet. Das Titelthema behandeln nur die Sentenzen 6–12. Sprache und Textgeschichte: Der fachkundige Autor pflegt eine schlichte und allgemein verständliche Sprache. Weder die Schrift noch ihr Verfasser werden in der Antike erwähnt. 3.56 Über die Drüsen [Ȇİȡì ¢įȑȞȦȞ, Gland.] Format: Forschungsgeschichtlich wertvolle Monographie über die Anatomie, Physiologie und Pathologie sekretorischer Organe. Entstehungszeit: 5./4. Jht. Littré hält das Werk für jünger, weil dem Autor der Puls und das aristotelische Blutgefäßsystem vertraut gewesen seien. Gliederung: Der Verfasser beschreibt Lage und Funktion der Organe, die er für Drüsen hält. 1–4: Allgemeine topographische Anatomie der Drüsen 5: Eingeweidedrüsen 6: Die Nieren als drüsige Organe 7: Drüsen am Hals 8: Drüsen in den Achselhöhlen und Leisten 10–15: Das Gehirn als Drüse. Austausch der Säfte zwischen dem Gehirn und anderen Organen 16–17: Erkrankungen der Brustdrüsen.

Inhalt: Im Unterschied zur modernen Endokrinologie sieht die Schrift die Bedeutung der Drüsen für den Körper mehr in ihrer Drainagefunktion und damit ihrem Beitrag zur Homöostase als in der Produktion von Sekreten. Zu dieser Auffassung passt die Einbeziehung der Lymphknoten in das Thema gut. Mundspeicheldrüsen, Leber, Bauchspeicheldrüse und Hoden werden nicht zu

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den Drüsen gerechnet, hingegen das Gehirn und die Nieren. Vom Gehirn nahm man an, dass es überschüssige Flüssigkeit (Schleim, Galle) aus der Körperperipherie anzieht und später wieder dorthin abgibt (vgl. Loc.Hom.10–22, Int. 10, Carn.16). Wenn dieser Pumpmechanismus ausfällt, erkrankt es und mit ihm andere Teile des Körpers. Vom Gehirn gehen sieben Abflüsse (țĮIJȐȡȡȠȣȢ/ katárrhous) aus, die schwere Krankheiten hervorrufen. Einer von ihnen zieht zur Lunge und löst Schwindsucht aus (vgl. Coac. 430). Außerdem wird ein Flüssigkeitstransport aus den Gefäßen über die Eingeweide und das Netz zu den Drüsen postuliert. Textgeschichte: Nach Galens Ansicht (Gal.XVIII B 379) repräsentiert die Schrift nicht die in Artic. 11 angekündigte Arbeit mit dem Titel Ȇİȡì ¢įȑȞȦȞ ȠÙȜȠȝİȜȓȘȢ [Über die allgemeine Natur der Drüsen]. Erotian nennt die Schrift zwar nicht, dürfte sie aber gekannt haben, weil er eine Vokabel (Ȝȣ̐ȝĮ/lǔma [katarrhalische Absonderung], Kap. 12), die sonst im C.H. nicht vorkommt, in seinem Glossar anführt.

3.57 Über das Fleisch [Ȇİȡì ıĮȡțȦ̎Ȟ, Carn.] Format: Von einem ebenso selbstbewussten wie klugen medizinischen Beobachter verfasster Abriss der Embryologie und Physiologie des Menschen. Zahlreiche Anleihen aus der Naturphilosophie. Der Titel gibt den reichen Inhalt der Schrift nicht adäquat wieder. Entstehungszeit: Zweite Hälfte 4. Jht. v.Chr. Gliederung: An dem auf 19 Kapitel verteilten Text lassen sich thematisch vier (1–4) mehr oder minder geschlossene Sektionen unterscheiden: Kosmologie und Anthropologie (1–3), Systematik der Organogenese (4–14), Sinnesphysiologie (15–18) und die Bedeutung der Zahl Sieben (19). 1 1–3: Vier Elemente: Das Warme, die Erde, die Luft, das Wasser. Bildung der verschiedenen Teile des Körpers aus dem Fetten (ȜȚ›ĮȡȩȞ/liparón) und dem Leimartigen (țȠȜȜȦ̐įİȢ/kollôdes) unter der Einwirkung der Hitze nach physikalisch-chemischen Prinzipien 2 4–14: Gehirn, Herz und Gefäße, Lunge, Leber, Milz, Nieren und Muskulatur, Gelenke, Nägel, Zähne, Haare 3 15–18: Hören, Riechen, Sehen, Sprechen 4 19: Die Zahl Sieben regiert die Biologie des Menschen (Wachstum des Feten, Geburt, Bildung der Zähne, Verlauf akuter Krankheiten). Inhalt: Die Schrift enthält trotz der Anlehnung an die ionische Naturphilosophie (s. Kasten S. 90) eine Reihe bemerkenswerter eigener Beobachtungen und Ideen. Besonders originell sind einige Ausführungen über die Funktion der Sinnesorgane. Das Riechen wird auf die Erkennung der trockenen Düfte durch das

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feuchte Gehirn zurückgeführt (Kap. 16), am Auge werden die Hornhaut, der Glaskörper und die stielartigen Verbindungen zum Gehirn (Kap. 17) beschrieben und das Sprechen wird als Gemeinschaftsleistung von Gaumen, Zunge und Zähnen bezeichnet (Kap. 18). Der Autor gründet seine Darstellung der Phonation auf Beobachtungen an Taubstummen, Sängern und Patienten mit operativ erfolgreich behandelten Kehlkopfverletzungen. Er berichtet auch von eigenen Untersuchungen an abgetriebenen Embryonen (Kap. 19). Die von ihm vertretene Ansicht, dass schon am siebten Tag der intrauterinen Entwicklung alle Körperteile zu differenzieren seien, ist falsch.

Carn. und die Vorsokratiker Carn. 2 – Diogenes von Apollonia [DK 64 B 5] Das Warme und die Luft Carn. 15 – Empedokles [DK 31 A 86,9], Diogenes von Apollonia [DK 64 A 19, § 40] Theorie des Hörens Carn. 16 – Alkmaion [DK 24 A5] Theorie des Riechens Mit der meteorologischen Theorie von Kap. 2, die Platon (Phaidr.96b) aufgreift, steht der Autor in krassem Widerspruch zu den anthropozentrischen Vorbemerkungen von Vet.med. und Nat.Hom. 3.58 Über die Siebenzahl [Ȇİȡì e‘ȕįȠȝȐįȦȞ, Hebd.] M: Mansfeld J.: The Pseudo-Hippocratic tract Ȇİȡì e‘ȕįȠȝȐįȦȞ ch. I-XI and Greek philosophy. Assen, 1971 Roscher W.H.: Die Hippokratische Schrift von der Siebenzahl in ihrer vierfachen Überlieferung. Paderborn, 1913 (Nachdruck New York 1967)

Format: Kosmologisch orientierte Biologie und medizinische Zahlenkunde. Analogie zwischen Universum und Mensch auf der Basis der Zahl Sieben. An den fieberhaften Erkrankungen orientierte Nosologie und Prognostik. Entstehungszeit: 6./5. Jht. v.Chr. (Roscher). 2. Hälfte des 4. Jht. v.Chr. (KAKTOS 10). 1. Jht. n.Chr. (Mansfeld). Roscher begründet seine außergewöhnlich frühe Datierung des Werkes u.a. mit der zentralen Bedeutung, die Ionien bei der Schilderung des anthropomorphen Bilds der Erde einnimmt (Kap. 11), hält es aber für möglich, dass der nosologische Teil wesentlich später abgefasst worden ist als der kosmologische.

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Gliederung: Die Schrift setzt sich aus fünf (1–5) Abschnitten zusammen: Kosmologie (1–11), Kosmologie und Biologie (12), Ätiologie der Fieber (13–23), Therapie der Fieber (24–39), Semiologie und Prognostik (40–52) 1 1–11: Idee des Kosmos. Die Zahl Sieben als Ordnungselement (Gestirne, Winde, Jahreszeiten, Lebensalter). Anthropomorphe Einteilung der Erde. Sieben Teile des Körpers, des Kopfes, der Stimme, der Seele 2 12: Kenntnisse der Kosmologie und Biologie als Grundlage der Nosologie 3 13–23: Die angeborene Wärme. Das Feuchte im Menschen. Wechselwirkungen zwischen den Qualitäten. Ursachen der Fieberkrankheiten. Der Kosmos und die Qualitäten der Natur. Akute Erkrankungen setzen im Sommer ein 4 24–39: Ungleichgewicht zwischen dem Kalten und dem Warmen führt zu Fieberkrankheiten. Sonnenhitze und Fieberhitze. Kritische Tage des Fieberkranken. Therapie der Fieberkrankheiten. Symptomatologie, Traumdeutung, Tod 5 40–52: Klinische Zeichen (Gliederung nach Organen) der fieberhaften Krankheiten. Günstige und ungünstige prognostische Zeichen. Beurteilung der Krise. Todeszeichen. Definition des Todes.

Inhalt: Die Krankheitslehre von Hebd. ruht auf zwei Säulen, der Zahl Sieben und der Seele. Nicht nur der Kosmos und mit ihm die natürliche Umwelt des Menschen (vgl. Pythagoras [DK 58 B 27]), sondern auch die Entwicklung des menschlichen Lebens (vgl. Empedokles [DK 31 B 153a] und Hippon [DK 38 A 16]) und der Verlauf der Krankheiten werden von der Zahl Sieben regiert. Der menschliche Körper besteht aus sieben konstituierenden Teilen (Kap. 7: Kopf, Hände, innere Organe und Zwerchfell, Ausscheidungstrakt, Genitaltrakt, Darm, Füße), der Kopf besitzt sieben lebensnotwendige Organe (Kap. 8: Zur Einatmung der kalten Luft, zur Ausatmung der warmen Luft, zum Sehen, zum Hören, zum Riechen, zum Essen und Trinken und zum Schmecken), die Fieber treten – mit zwei Ausnahmen – in Sieben-Tages-Intervallen auf (Kap. 26). Wie alles Leben ist auch die Seele durch die Grundqualitäten mit dem Kosmos verbunden. Das Warme ist ein Teil der Sonne, das Feuchte stammt aus dem Wasser, das Kalte aus der Luft und das Knochige und Fleischige aus der Erde (Kap. 18). In der Seele sind die elementare Wärme (vgl. ÉȝijȣIJȠȞ șİȡȝóȞ/émphyton thermón des Empedokles [DK 31 A 74] und Diogenes von Apollonia [DK 64 B 5]) und die elementare Kälte vermischt. Wenn das Gleichgewicht der beiden Qualitäten gestört ist, setzt Fieber ein. Je nachdem, ob das Warme oder das Kalte der Auslöser ist, kommt es zu Schüttelfrost oder Schweißausbruch und den entsprechenden Gegenreaktionen. Die Gegenüberstellung von Makro- und Mikrokosmos (Kap. 6, 11) kehrt in Vict.I 10, die Kanonisierung der Zahl Sieben in Vict.I 23 und die Theorie von der Zusammensetzung der menschlichen Seele und der inneren Wärme in Vict.I 25 und Vict.II 38 wieder. Textgeschichte: Das griechische Original ist verloren; die Schrift ist nur in verstümmeltem Latein (vgl. 3.73) und in arabischer Übersetzung erhalten. Das Werk ist auch unter dem wenig bekannten Zweittitel ȉò ›ȡȦ̐IJȠȞ ›İȡì ȞȠȪıȦȞ IJò

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ȝȚțȡȩIJİȡȠȞ [Das kleinere erste Buch über die Krankheiten] überliefert. Der letzte Satz von Hebd. ist identisch mit dem einleitenden Satz von Morb.III.

3.59 Vorhersagungen II [ȆȡȠȡȡȘIJȚțóȢ ȕ´, Prorrh.II] A: García Novo E.: Structure and style in the Hippocratic treatise “Prorrheticon” 2. CM 1995; 28: 537–554 Sierra de Grado C.: Composición del tratado Prorrheticon II. In: Coll. Hipp. X Nice 1999 (Nice, Paris 2002): 591–610

Format: Fundierte, auch für Laien geeignete Darstellung der Symptomatik, Diagnose, Differenzialdiagnose und Prognose chronischer Erkrankungen. Trotz desselben Titels keine Fortsetzung von Prorrh.I. Entstehungszeit: 4. Jht. v.Chr. Gliederung: Das Werk gliedert sich in eine standeskritische Präambel (1–4) und eine nosologisch orientierte Prognostik (5–28), die anders als z.B. in Aff. nicht der Leitlinie a capite ad calcem folgt. 1–4: Polemik gegen spektakuläre Prognosen. Ratschläge für die Beurteilung der prognostisch wichtigen Zeichen. Erkennung von Therapieverstößen 5–7: Hydrops, Phthisis 8: Podagra 9–10: Epilepsie 11–13: Geschwüre, Wunden, flächenhafte Ulzerationen 14: Kopfwunden 15: Gelenkverletzungen 16: Erkrankungen des Rückenmarks 17: Hämoptoe 18–21: Augenleiden 22–23: Durchfall, Erbrechen 24–28: Frauenleiden 29–43: Varia (u.a. Ikterus, Splenomegalie, Zuckungen im Gesicht, Rückenschmerz, Impotenz, Dermatosen).

Inhalt: Der Autor gibt eine ungeschminkte Schilderung der Möglichkeiten und Grenzen medizinischer Prognostik und konzediert, dass Krankheiten oft einen anderen als den prognostizierten Verlauf nehmen. Er weist aber auch darauf hin, dass die Patienten durch ihre Lebensweise (Bewegungsarmut versus regelmäßiges körperliches Training) und durch Verstöße gegen die ärztlichen Verordnungen eine an sich richtige Prognose ins Wanken bringen können, und gibt Tipps, wie man z.B. Diätfehler erkennen kann. Sprache: Neben Progn. ist Prorrh.II die wichtigste prognostische Schrift des C.H. Ob beide Werke von demselben Verfasser stammen, ist unsicher. Die Schlüssigkeit der Argumentation wird durch den gezielten Einsatz geeigneter Stilmittel (Ringkomposition, Wiederholungen, Wechsel zwischen Kolloquialstil und wissenschaftlicher Diktion) akzentuiert (García Novo).

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3.60 Über das Herz [Ȇİȡì țĮȡįȓȘȢ, Cord.] A: Dönt H.: Die pseudohippokratische Schrift Über das Herz. WHB 1984; 26: 31–38

Format: Anatomisch präzise, physiologisch jedoch spekulative Studie über das Herz, deren Resultate nur durch Sektionen gewonnen werden konnten. Entstehungszeit: Nicht vor Mitte/Ende 4. Jht. Gliederung: 1. Äußerer Aspekt des Herzens. Perikard und Perikardflüssigkeit 2–3: Ein kleiner Teil der Flüssigkeit, die wir trinken, gelangt zusammen mit der Luft in die Lunge 4: Das Herz ist ein Muskel und hat zwei verschiedene Kammern 5–6: Das Herz wird durch die Lungen gekühlt. Das angeborene Feuer sitzt im linken Ventrikel 7: Den Kammern entspringen zwei große Gefäße (Aorta und Pulmonalarterie) 8: Die Herzohren enthalten kein Blut, sondern Luft, für deren Transport sie sorgen 9: Lufttransport in den großen Gefäßen. Die Kühlung durch Luft steigert die Schlagkraft des Herzens 10: Bau und Funktion der Herzklappen 11: Ernährung des Herzens aus dem Serum. Transport des Blutes in der Aorta 12: Blutfuß aus der rechten Herzkammer in die Lungen.

Inhalt: Die morphologischen Kenntnisse des Autors vom Herzen gehen weit über den allgemeinen Stand des anatomischen Wissens der hippokratischen Epoche hinaus. Das Organ und seine Höhlen werden in der Reihenfolge beschrieben, die sich dem Pathologen bietet. Die Erkenntnisse sind an gezielt (Kap. 11) getöteten und sezierten Tieren, in erster Linie Schweinen gewonnen worden. Außerdem wurden einfache physiologische Versuche (Instillation gefärbten Wassers zur Markierung des Wegs, den die Flüssigkeit nimmt, Kap. 2) durchgeführt. Die Übertragbarkeit der tierexperimentell erhobenen Befunde auf den Menschen wird gewissenhaft diskutiert. So beschreibt der Verfasser den Wechsel zwischen In- und Exspiration und erklärt überzeugend, warum der Mensch bei der Aspiration von Flüssigkeit hustet. Die Funktion der Herzohren (d.h. der Vorhöfe) wird falsch, die der Herzklappen nur teilweise richtig dargestellt. Dass der Autor trotz der guten morphologischen Kenntnisse die Funktion des Herzens nicht richtig deutet, liegt vor allem daran, dass er die Transportwege für Blut und Luft mangelhaft differenziert. Die vereinzelten naturphilosophischen Bemerkungen wirken in der Nachbarschaft streng wissenschaftlicher Passagen wie Fremdkörper. Die am Ende von Kap. 10 geäußerte Ansicht, dass der Verstand (ȖȞȫȝȘ/gnômê) beim Menschen in der linken Herzkammer angelegt sei und von dort aus die anderen nicht-somatischen Phänomene regiere, ist in ähnlicher Weise von Empedokles [DK 31 A 97] und Diogenes von Apollonia [DK 64 A 209] für das von ihnen so bezeichnete leitende Prinzip (h‘ȖİȝȠȞȚțȩȞ/ hêgemonikón) vertreten worden.

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3.61 Über die Nahrung [Ȇİȡì IJȡȠijȘ̎Ȣ, Alim.] M: Deichgräber K.: Pseudhippokrates Über die Nahrung. Text, Kommentar und Würdigung einer stoisch-heraklitisierenden Schrift aus der Zeit um Christi Geburt. Wiesbaden, 1973 A: Diller H.: Eine stoisch-pneumatische Schrift im Corpus hippocraticum. Arch.Gesch.Med. 1936; 29: 178–195 Joly R.: Remarques sur le De alimento pseudohippocratique. In: Le monde grec. Hommages à Claire Préaux. Brüssel, 1975: 271– 276 Tsouyopoulos N.: Die hippokratische Schrift Ȇİȡì IJȡȠijȘҋȢ: Physiologie zwischen Aristoteles und Heraklit. In: Coll.Hipp.VIII Kloster Banz/Staffelstein 1993 (Hildesheim 1996): 77–85

Format: Sammlung naturphilosophisch orientierter Sentenzen über Nahrung, Ernährung und Stoffwechsel. Text von geringem medizinischem Wert. Entstehungszeit: Um 400 v.Chr. (Galen. Aretaios. Jones unter Hinweis auf die prä-aristotelische Auffassung von įȪȞĮȝȚȢ/dýnamis). 3./2. Jht. v.Chr. (Diller und Joly unter Hinweis auf den Einfluss der Stoa). 1. Jht. v.Chr. (Deichgräber unter Hinweis auf die Abhängigkeit des Autors von Athenaios von Attaleia). Gliederung: 55 unsystematisch angeordnete z.T. extrem kurze Absätze, in denen Themen der Physiologie, Nosologie und Therapie unter diätetischen Aspekten behandelt werden. 1: Arten von Nahrung; aristotelische Unterscheidung zwischen ursprünglicher Art (ȖȑȞȠȢ/génos) und Beschaffenheit (eÎįȠȢ/eîdos) 2: Wachstumsförderung durch Nahrung 10–15: Nahrungssäfte 22–24: Diffusion der Nahrung 36–41: Milch und Blut 42–43: Das Wachstum des Ungeborenen 48: Altersabhängigkeit von Puls und Atmung 49–50: Stoffwechsel 55: Feuchtigkeit und Nahrung. Inhalt: Der Autor geht mit seiner Analyse des Terminus IJȡȠijȒ/trophê [Nahrung] über die vegetativen Aspekte des Themas weit hinaus und entwickelt eine kleine Philosophie der Ernährung. Die Nahrungsmittel lösen sich in Feuchtigkeit auf und und werden in diesem Zustand in alle Körperteile gebracht, wo sie sich mit Knochen und Fleisch verbinden. Die Nahrung hat also das Potenzial (įȪȞĮȝȚȢ/dýnamis), in verschiedene Substrate überzugehen. Die Luft (›Ȟİȣ̎ȝĮ/ pneûma) gilt ebenfalls als Bestandteil der Nahrung. Sie strömt vom Herzen aus durch die Arterien, während das Blut von der Leber aus durch die Venen fließt. Mit diesen und weiteren Thesen wendet der Verfasser die Thesen Heraklits [DK 22 C 2] vom Gegensatz und dauerhaften Wandel auf das Schicksal der Nahrung im lebenden Organismus an. Nur in Vict.I–III ist die Anlehnung an den Vorsokratiker noch stärker ausgeprägt. In Sentenz 48 werden der Puls (ijȜİȕȦ̐Ȟ įȚĮıijȪȟȚİȢ/phlebôn diasphýxies) und die Atmung (¢ȞĮ›ȞȠȘ̈ ›ȞİȪȝĮIJȠȢ/anapnoê pneúmatos) zueinander in Beziehung gesetzt. Die Beziehung der Perfusion zum Gasaustausch in den Lungen bleibt dem Verfasser aber verborgen.

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Sprache: Die Darstellung der Gegensatzpaare wird durch geeignete Stilmittel (Antithese, Chiasmus) und extreme Kürze des Ausdrucks sublimiert. Am leichtesten verständlich sind die Abschnitte, in denen die Spruchweisheit mit einem erklärenden Nachsatz kombiniert ist.

3.62 Über das Sehen [Ȇİȡì ÓȥȚȠȢ, Vid.Ac.] A: Rodríguez Alfageme I.: La atribución de Hipp. De Visu. CFC(G) 1993; 3; 57–65

Format: An Standeskollegen gerichteter Fachtext eines anonymen Medizinautors über die Therapie von Augenkrankheiten. Entstehungszeit: Am ehesten 4. Jht. v.Chr. Gliederung: Neun lose verknüpfte Kapitel mit sachkundigen Ausführungen über Therapie und Prognose häufiger Augenleiden 1: Linsentrübung 4–6: Erkrankungen der Lider 7: Nachtblindheit 9: Erkrankungen der Bindehaut. In den Kapiteln 2, 3 und 8 werden z.T. eingreifende therapeutische Maßnahmen (Skarifikation, Kauterisation, Trepanation) dargestellt.

Inhalt: Der kurze und (z.B. am Beginn von Kap. 3) lückenhafte Text beschreibt Behandlungsmaßnahmen bei Erkrankungen des vorderen Augenabschnitts. Die überwiegend schlechte Prognose der angeführten Leiden spiegelt sich im selbstkritischen Unterton der therapeutischen Empfehlungen wider. Aus moderner Sicht sind die Verbindungen zwischen Ophthalmologie und Innerer Medizin bemerkenswert. Die Refraktionsanomalien werden nicht erwähnt. Textgeschichte: Mutmaßlich handelt es sich nicht um das in Aff.5 angekündigte große Werk über die Augen. Die Schrift wird von antiken Autoren nicht erwähnt. 3.63 Über die Natur der Knochen [Ȇİȡì ÑıIJȑȦȞ ijȪıȚȠȢ, Oss.] Format: Ebenso umfangreiche wie uneinheitliche Darstellung der Anatomie der großen Gefäße. Die Überschrift ist irreführend; das Titelthema wird nur im ersten Kapitel behandelt. Entstehungszeit: 4. Jht. v.Chr. Gliederung: 1: Abriss der topographischen Anatomie des Skeletts 2: Große vom Herzen ausgehende Gefäße 3: Sehnen 4: Die Nieren und ihre Gefäße 5–6: Gefäße an der

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Thoraxwand und oberen Thoraxapertur 7: Zwei große Gefäße des Körperstamms 8: Zwei kraniokaudal verlaufende gekreuzte Gefäße 9: Vier Gefäßpaare 10: Zwei große Gefäße 11–19: Kommunizierendes, vielfach verzweigtes kraniokaudal orientiertes Gefäßsystem. Verbindung zur Lunge. Die Gefäße führen je nach Lokalisation Blut, Luft oder Samen.

Inhalt: Der Traktat enthält sechs unterschiedliche Entwürfe der Angioarchitektur des Menschen. Zwei von ihnen finden sich in ähnlicher Form in anderen Schriften des C.H. (Kap. 9 in Nat.Hom.11, Kap. 10 in Epid.II 4.1). Die fortschrittlichste und detaillierteste Variante steht in den Kapiteln 11–19; ihr Urheber ist nicht bekannt. Allen Entwürfen sind die fundamentalen Irrtümer gemeinsam, die die Entdeckung des vom Herzen angetriebenen Blutkreislaufs und des pulmonalen Gasaustauschs verhindert haben. In Teilbereichen sind jedoch beachtliche Erkenntnisse gewonnen worden. So werden in Kap. 19 ein Zusammenhang zwischen der mechanischen Herzarbeit bzw. Gefäßkontraktion und – dilatation und Farbänderungen (der Haut) beschrieben und in Kap. 15 eine Theorie der Erektion aufgestellt. Sprache und Textgeschichte: Die Schrift ist eine Sammlung von Exzerpten, Notizen und eigenen Beobachtungen (Kap. 1) mehrerer Autoren der präaristotelischen Zeit. Der Kompilator hat das vergleichsweise spröde Material logisch angeordnet und lesefreundlich aufbereitet. Der verfehlte Titel erklärt sich wahrscheinlich dadurch, dass die Schrift ursprünglich mit Mochl. in Zusammenhang stand (Gal.XIX 114). 3.64 Über den Arzt [Ȇİȡì „ȘIJȡȠȣ̐, Medic.] M: Fleischer U.: Untersuchungen zu den pseudohippokratischen Schriften ›ĮȡĮȖȖİȜȓĮȚ, ›İȡì „ȘIJȡȠȣҊ und ›İȡì eÙıȤȘȝȠıȪȞȘȢ. Neue deutsche Forschungen, Bd. 240. Abt. Klassische Philologie, Bd. 10. Berlin, 1939 A: Kudlien F.: Mutmaßungen über die Schrift Ȇİȡì „ȘIJȡȠȣҊ . Hermes 1966; 94: 54–59 Mendoza J.: Aportaciones del estudio de la lengua a la determinación de la cronologia de dos tratados del Corpus Hippocraticum. Emerita 1976; 44: 171–188

Format: Technikorientierter Praxisleitfaden für den angehenden Chirurgen. Entstehungszeit: Spätes 4. Jht. v.Chr. Gliederung: 1: Erscheinungsbild und Verhalten des guten Arztes 2: Technische Ausstattung und Ordnung im Sprechzimmer 3–4: Allgemeine Verbandlehre 5: Praktische Tipps für das operative Vorgehen 6: Instandhaltung der Instrumente 7–8: Schröpfköpfe, Aderlass 9: Zangen für die HNO- und Zahnheilkunde 10–11: Wucherungen und Geschwüre 12: Umschläge 13: Ausdrücklicher Hinweis auf den handwerklichen Cha-

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rakter der Schrift 14: Kriegschirurgie. Aufforderung an den angehenden Arzt, sich Söldnerheeren anzuschließen, um möglichst viel praktische Erfahrung zu sammeln.

Inhalt: Medic. ist eine der wichtigsten deontologischen Schriften des C.H. Sowohl die Auswahl der Themen als auch die Art ihrer Darstellung zeigen, dass der Autor für die Aufgabe, ein Porträt des physisch und moralisch idealen Arztes zu entwerfen, hervorragend geeignet ist. Details der Praxisausrüstung (Beleuchtung, Sitzgelegenheiten) werden ebenso liebevoll beschrieben wie Umgangsformen (Diskretion gegenüber Frauen und Mädchen) und chirurgische Taktiken (IJĮȤȑȦȢ Ç̈ ȕȡĮįȑȦȢ/tachéôs ê bradéôs [flink oder bedächtig], Kap. 5). Der Rat, als Truppenarzt tätig zu werden, um möglichst viel operieren zu können, findet sich in keiner anderen erhaltenen traumatologischen Schrift des C.H. In den Kap. 11 und 15 teilt der Autor mit, dass er zwei weitere Bücher zum Thema verfasst habe; bei letzterem handelt es sich wahrscheinlich um das verlorene Werk Ȇİȡì ȕİȜȑȦȞ țĮì IJȡȦȝȐIJȦȞ [Über Geschosse und Verletzungen]. 3.65 Über den Anstand [Ȇİȡì eÙıȤȘȝȠıȪȞȘȢ, Decent.] M: Fleischer U.: Untersuchungen zu den pseudohippokratischen Schriften ›ĮȡĮȖȖİȜȓĮȚ, ›İȡì „ȘIJȡȠȣҊ und ›İȡì eÙıȤȘȝȠıȪȞȘȢ. Neue deutsche Forschungen, Bd. 240. Abt. Klassische Philologie, Bd. 10. Berlin, 1939

Format: Verhaltenskodex für den praktizierenden Arzt. Viele Berührungspunkte mit Medic. und Praec. Entstehungszeit: 4./3. Jht. v.Chr. Nach Fleischer gehört die Schrift dem 1./2.nachchristlichen Jahrhundert an. Gliederung: 1–4: Wahre und falsche Wissenschaft und deren Vertreter 5–6: Natürliche Nähe der Ärzte zu den Philosophen und Göttern 7–8: Anstands- und Verhaltensregeln 9: Forderung nach umfassenden Kenntnissen 10: Vorratshaltung 11–16: Kontakt mit dem Kranken 17: Lehrer und Assistent 18: Gute Karrierechancen für den Arzt.

Inhalt: Der Verfasser resümiert die Verhaltensempfehlungen an seine ärztlichen Kollegen unter philosophischen Aspekten. Er prognostiziert dem guten Arzt nicht nur Erfolg im Beruf, sondern sogar den Status der Gottähnlichkeit („ȘIJȡòȢ ȖĮ̈ȡ ijȚȜȩıȠijȠȢ „ıȩșİȠȢ/iêtròs gàr philósophos isótheos, Kap. 5). In dieser Interpretation des Arztberufs, in der Ablehnung des Aberglaubens (¢įİȚıȚįĮȚȝȠȞȓȘ/ adeisidaimoníê, Kap. 5) und in der leidenschaftlichen Betonung der Führungsrolle der Natur (h‘ȖİȝȠȞȚțòȞ... h‘ ijȪıȚȢ/hêgemonikòn... hê phýsis, Kap. 4) steckt das Denken der Stoa. In Kap. 8 wird dem Mediziner empfohlen, mit doppelten Instrumenten – die zweite Garnitur allerdings in einfacherer Ausführung – auf Reisen zu gehen; in keiner anderen Schrift des C.H. erhält der Wanderarzt diesen

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wichtigen Rat. Weder der Status praesens noch die Prognose, so warnt der Verfasser, dürfen den Kranken mitgeteilt werden, weil sich dadurch schon bei vielen der Zustand verschlimmert habe. Sprache und Textgeschichte: Der Text von Decent. ist nicht nur an vielen Stellen mangelhaft überliefert, sondern enthält auch zahlreiche ungewöhnliche Vokabeln (z.B. e‡įȘıȚȢ/eídêsis [Wissenschaft], Kap. 5/6). Jones hat deshalb und wegen der Anspielung auf die Götter in Kap. 6 vermutet, der Text könne zum Vortrag vor einer Geheimgesellschaft von Ärzten bestimmt gewesen sein.

3.66 Vorschriften [ȆĮȡĮȖȖİȜȓĮȚ, Praec.] M: Fleischer U.: Untersuchungen zu den pseudohippokratischen Schriften ›ĮȡĮȖȖİȜȓĮȚ, ›İȡì „ȘIJȡȠȣҊ und ›İȡì ™ȣıȤȘȝȠıȪȞȘȢ. Neue deutsche Forschungen, Bd. 240. Abt. Klassische Philologie, Bd. 10. Berlin, 1939

Format: Ärztliche Standeslehre in Form eines langen Essays. Medizinische Erkenntnistheorie in der Nachfolge Epikurs. Entstehungszeit: Mitte 4. Jht. v.Chr. Für den frühen Ansatz spricht die durch Scholien belegte Kommentierung der Schrift durch den Stoiker Chrysipp (3. Jht. v.Chr.). Nach Fleischer gehört der Verfasser dem 1./2. nachchristlichen Jahrhundert an. Gliederung: 1: Medizin geht von Beobachtungen, nicht von Hypothesen aus 2: Fakten und Verallgemeinerungen 3: Rechtzeitiger Behandlungsbeginn 4–6: Das Honorar des Arztes 7: Quacksalber 8: Das ärztliche Konsil 9: Psychische Betreuung der Schwerkranken 10–11: Äußeres Erscheinungsbild des Arztes 12: Öffentliche Vorträge von Ärzten 13: Die Fehler von Ärzten, die spät in den Beruf einsteigen, sind unverzeihlich. 14: Aphorismen zu verschiedenen Themen. Inhalt: Praec. ist von allen deontologischen Schriften jene, die am wenigsten überzeugt. Der Autor bezeichnet zwar zu Recht Menschenliebe (ijȚȜĮȞșȡȦ›ȓȘ/ philanthrôpíê) als Voraussetzung der Begeisterung für die ärztliche Kunst (ijȚȜȠIJİȤȞȓȘ/philotechníê), wirbt zu Recht für das Gespräch unter Kollegen und dafür, Patienten, die sich anscheinend aufgegeben haben, besonders intensiv zu betreuen. Der Tadel an Kurpfuschern, geltungssüchtigen und spätberufenen Kollegen wirkt jedoch trotz Wiederholung platt und der Ton, in dem er vorgetragen wird, blasiert. Die Bemerkungen zur Methodik der Medizin (Kap. 1, 2) reflektieren epikuräische Lehren (Diog.Laert. X 32,33,75).

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3.67 Über die Krisen [Ȇİȡì țȡȚıȓȦȞ, Judic.] M: Preiser G.: Die hippokratischen Schriften De iudicationibus et diebus iudicatoriis. Ausgaben und kritische Bemerkungen. Kiel, 1957

Format: Blütenlese von Aphorismen über Krisis und ärztliche Prognose. Entstehungszeit: Wahrscheinlich spätes 4. Jht. v.Chr. Gliederung: Ungeordnete Sammlung von 64 Sentenzen bzw. Notizen über die Prognose von subjektiven (z.B. Kopfschmerz, 16) und objektiven (z.B. Diarrhö, 54) Symptomen sowie wichtiger Krankheiten (z.B. Kausos, 45). Sentenz 39 handelt etwas ausführlicher von Rezidiven. Inhalt: Die prognostischen Aussagen orientieren sich entgegen dem Titel der Schrift nicht ausnahmslos, aber doch zu einem großen Teil an den Krisen und kritischen Tagen. Neben Fieber und Schweiß wird besonders ausführlich das Aussehen der Exkremente diskutiert. Sprache: Die versammelten Merksätze finden sich mehr oder weniger wörtlich und z.T. mehrfach in Progn., Acut., Acut.spur., Aph., Epid.II, IV und VI, Coac. und Morb.I.

3.68 Über die kritischen Tage [Ȇİȡì țȡȚıȓȝȦȞ, Dieb.Judic.] Format: Mit Judic. thematisch verbundene, aber weniger aphoristische Schrift über die Prognose häufiger Erkrankungen. Entstehungszeit: Wahrscheinlich spätes 4. Jht. v.Chr. Gliederung: 1: Bedeutung des Literaturstudiums für die ärztliche Prognose 2: Zeichen der bevorstehenden Genesung 3: Akute gallebedingte Erkrankungen 4/6: Tetanos 5: Opisthotonus 7: Kausos 8: Ischialgie 9: Ikterus 10: Pneumonie 11: Hinweis des Autors auf eine andere eigene Schrift über die kritischen Tage bei Fieberkranken. Inhalt: Die prognostischen Zahlenangaben sind, anders als der Titel erwarten läßt, spärlich und reflektieren nur die klinische Beobachtung. Pythagoräische Zahlensymbolik ist darin nicht zu erkennen. Sprache: Das Werk ist aus Epid.III 16, Morb.III 6, 11, 15 und Int. 48, 51–54 kompiliert und hat deshalb kaum eigenständigen literarischen Wert. Umgekehrt trägt sein zweites Kapitel zur Rekonstruktion des griechischen Texts von Hebd. 46 teil.

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3.69 Briefe [’Ǽ›ȚıIJȠȜĮȓ, Epist.] M: Smith W.D.: Pseudepigraphic writings. Letters-Embassy-Speech from the altarDecree. Leiden, New York, Kopenhagen, Köln, 1990 A: Opsomer C, Halleux R.: La Lettre d’Hippocrate à Antiochus et la Lettre d’Hippocrate à Mécène. In: I testi di medicina latini antichi. Problemi filologici e storici. Atti del I Convegno internazionale, Macerata – S. Severino M., 26–28 apr 1984. A cura di Mazzini I., Fusco F. Roma, 1985: 339–364 Philippson R.: Verfasser und Abfassungszeit der sogenannten Hippokratesbriefe. RhM 1928; 77: 298–328 Sakalis D.T.: Beiträge zu den pseudo-hippokratischen Briefen. In: Coll.Hipp.IV Lausanne 1981(Genève 1983): 499–514

Format: Fiktiver Briefwechsel zwischen Hippokrates und Prominenten. Beitrag zur Heroisierung des Koers. Erster Briefroman der Literaturgeschichte. Entstehungszeit: Zwischen 1. Jht. v.Chr. und 2. Jht. n.Chr. Gliederung: Die 24 Briefe gliedern sich in drei (1–3) Gruppen. Die erste Gruppe (1–9) enthält den Briefwechsel über einen Hilferuf der Perser an Hippokrates, die zweite Gruppe (10–21, 23) die Korrespondenz über die Krankheit des Demokrit und die dritte Gruppe (22, 24) zwei thematisch eigenständige Briefe. 1 Epist. 1 Artaxerxes an Paitos (Satrap): Bitte um medizinische Hilfe im Kampf gegen eine Seuche Epist. 2 Paitos an Artaxerxes: Empfehlung, den Rat des Hippokrates in Anspruch zu nehmen Epist. 3 Artaxerxes an Hystanes (Unterstatthalter am Hellespont): Aufforderung, den Hippokrates oder eine andere medizinische Kapazität zu schicken Epist. 4 Hystanes an Hippokrates: Übermittlung der Bitte des Großkönigs. Ankündigung einer hohen Belohnung Epist. 5 Hippokrates an Hystanes: Ablehnung des Hilfeersuchens Epist. 6 Hippokrates an Demetrios: Begründung für die Ablehnung Epist. 7 Hystanes an Artaxerxes: Information über die Weigerung des Hippokrates Epist. 8 Artaxerxes an die Koer: Forderung nach Auslieferung des Hippokrates. Drohung mit Militäraktionen Epist. 9 Die Koer an Artaxerxes: Ablehnung des Auslieferungsgesuchs unter Hinweis auf historische Parallelen 2 Epist. 10 Die Abderiten an Hippokrates: Bitte, den Demokrit von krankhafter Euphorie zu befreien Epist. 11 Hippokrates an die Abderiten: Das Verhalten Demokrits ist nicht krankhaft Epist. 12 Hippokrates an Philopoimen (achäischer Politiker und Feldherr, um 200 v.Chr.): Diskurs über die Vereinsamung der Seele Epist. 13 Hippokrates an Dionysios (von Halikarnassos): Nicht Demokrit, sondern die Abderiten sind krank Epist. 14 Hippokrates an Damagetos (Epigrammdichter, Ende 3. Jht. v.Chr.): Demokrits Verhalten wird von den Abderiten falsch bewertet Epist. 15 Hippokrates an Philopoimen: Bericht über einen Traum, der Hippokrates zu der Einsicht führt, dass Demokrit keinen Arzt braucht und dass Heilkunde und Weissagung eng miteinander verknüpft sind Epist. 16 Hippokrates an Krateuas (wohl Urenkel des gleichnamigen Botanikers, Ende 1. Jht. v.Chr.): Das wirksamste Mittel gegen Demokrits Leiden ist die Weisheit Epist. 17 Hippokrates an Damagetos: Langer Bericht über das Treffen mit Demokrit, bei dem sich zeigt, dass der Weise völlig gesund ist und sein Verhalten von den Abderiten missdeutet wird Epist. 18 Demokrit an Hippokrates: Kritik am Versuch der Behandlung seines Leidens mit Nieswurz (unter Hinweis auf die unerwünschten Wirkungen des Mittels beim Gesunden) Epist. 19 Vortrag über die Manie: Darstellung der Pathogenese, klinischen

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Symptomatik und Therapie des Leidens Epist. 20 Hippokrates an Demokrit: Entschuldigung für die Empfehlung an den Weisen, Nieswurz zu verwenden Epist. 21 Hippokrates an Demokrit über die Nieswurzbehandlung: Indikationen, Durchführung und Kontraindikationen dieser Form der Therapie Epist. 23 Demokrit an Hippokrates über die Natur des Menschen: Die Bedeutung der menschlichen Organe für Anatomie und Philosophie 3 Epist. 22 Hippokrates an seinen Sohn Thessalos: Empfehlung zum Studium von Geometrie und Arithmetik als Basiswissenschaften der angewandten Medizin Epist. 24 Hippokrates an König Demetrios (Poliorketes von Makedonien): Kleine Auswahl guter Ratschläge zur Erhaltung der Gesundheit.

Inhalt: Die Briefsammlung will Hippokrates als griechischen Patrioten verklären und die Erfolge und Probleme der Medizin in der Person des Koers exemplarisch darstellen. Die in Epist. 2 enthaltene Information, dass Hippokrates bereits vor dem Hilferuf der Perser in Athen eine Seuche erfolgreich bekämpft hatte, steht in Widerspruch zur Begründung von Decr.Ath. Dort heißt es nämlich, dass die Hilfeleistung in Athen einer Absage an die Perser folgte. Die wissenschaftliche Lehre des Hippokrates war dem anonymen Briefautor gut bekannt. In den beiden Fachmitteilungen (Epist.19, 21) werden die Quellenschriften (Epid. und Morb.Sacr. bzw. Progn., Prorrh. und Acut.) ausdrücklich genannt. In Epist. 21 finden sich außerdem zwei Wendungen aus Aph. (1,2: İÙijȩȡȦȢ ijȑȡȠȣıȚȞ/ euphórôs phérousin [es geht ihnen gut], 7,25: ı›ĮıȝȩȢ, șĮȞĮIJȦ̏įİȢ/spasmós, thanatôdes [Krampf, Todeszeichen]). Über die Lachkrankheit des Demokrit hat später (3. Jht.) Hippolytos, Presbyter in Rom, berichtet [DK 68 A 40].

3.70 Beschluss der Athener [ǻȩȖȝĮ ’ǹșȘȞĮȓȦȞ, Decr.Ath.] A: Roesch P.: Un faux historique à la gloire d’ Hippocrate. In: Hippocrate et son héritage: colloque franco-hellenique d’histoire de la médecine. Lyon, 1987: 43–49

Format: Historisch wahrscheinlich nicht authentischer Beschluss der Athener, Hippokrates für seine panhellenischen Verdienste auszuzeichnen. Entstehungszeit: Wohl um 350 v.Chr. Spätestens 2. Jht. v.Chr. Aufbau: Rat und Volk von Athen verkünden ihren Beschluss, dem Koer Hippokrates für seine patriotische Haltung und die medizinischen Leistungen bei der Bekämpfung einer alle Griechen bedrohenden Seuche eine Reihe von Ehren zu erweisen. Dabei handelt es sich um die Einweihung in die Großen Mysterien, die Verleihung des goldenen Kranzes bei den Großen Panathenäen, die Aufnahme junger Koer in athenische Gymnasien, das Bürgerrecht der Stadt für den Arzt und die lebenslange Speisung im Prytaneion.

Inhalt: Die in dem Dekret genannte Seuche ist dieselbe, die der Sohn des Hippokrates in Thess.orat. erwähnt. Da das ganze Land von ihr ergriffen war, kann nicht die in Athen während des Peloponnesischen Krieges wütende Pest gemeint

101

sein. Die Vielzahl der angekündigten Ehrungen macht den Beschluss unglaubwürdig und weist ihn als Beitrag zur Legendenbildung um Hippokrates aus.

3.71 Altarrede [’Ǽ›ȚȕȫȝȚȠȢ, Orat.ar.] Format: Aufruf des prominenten Arztes zur Hilfe für seine Heimat. Unechte Schrift. Entstehungszeit: 3. Jht. v.Chr. Aufbau: Hippokrates, der in einer nicht näher bezeichneten Stadt Thessaliens mit seiner Familie zu einem Altar der Athene geflüchtet ist, bittet die Einwohner um Hilfe für den Kampf seiner Heimat gegen Athen. Inhalt: Kos wurde während des Peloponnesischen Krieges drei Mal (411, 410, 407 v.Chr.) angegriffen. Orat. ar. hängt inhaltlich eng mit Thess. orat. zusammen.

3.72 Gesandtenrede [ȆȡİıȕİȣIJȚțȩȢ, Thess.orat.] A: Bousquet J.: Inscriptions de Delphes. BCH 1956; 80: 579–593 Pomtow H.: Delphische Neufunde III. Hippokrates und die Asklepiaden in Delphi. Klio 1918; 15: 303–338

Format: Unverbürgte Bittrede des Thessalos, eines der beiden Söhne des Hippokrates, in Athen. Beziehungsreiche Hinweise auf Leistungen der Asklepiaden von Kos. Mutmaßlich unechte Schrift. Entstehungszeit: 4./3. Jht. v.Chr. Dem historischen Kontext nach wurde die Rede vor der ersten Attacke Athens gegen Kos (411 v.Chr.) gehalten. Aufbau: Thessalos bittet die Athener, ihre Meinungsverschiedenheiten mit den Koern auf dem Verhandlungswege beizulegen und keine Gewalt anzuwenden. Er verbindet diesen Appell mit der Erinnerung an Vorleistungen, die einige seiner Vorfahren (unter der Regierung von Nebros und Chrysos stützte Kos im Ersten Heiligen Krieg die thessalischathenische Streitmacht bei der Belagerung von Krisa in der Landschaft Phokis; unter der Führung von Kadmos und Hippolochos weigerte sich Kos, an der Expedition des Perserkönigs gegen Griechenland teilzunehmen), sein Vater (Hippokrates leistete bei der Abwehr einer Seuche in Thessalien nur den Griechen, nicht aber den davon gleichfalls bedrohten Barbaren Hilfe) und er selbst (Teilnahme als öffentlicher Arzt an der sizilischen Expedition) erbrachten. Am Ende der Rede weist er auf die Verpflichtungen der Koer gegenüber Verbündeten wie den Thessaliern hin. Inhalt: Der Redner erwähnt auch, dass die Asklepiaden männlichen Ursprungs (’ǹıțȜȘ›ȚȐįĮȚ țĮIJ` ¢ȞįȡȠȖȑȞİȚĮȞ/Asklêpiádai kat` androgéneian) für ihren militä-

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rischen Einsatz vor Krisa mit Privilegien in Delphi belohnt wurden. Sobald sich die Mitglieder des Gemeinschaft (țȠȚȞȩȞ/koinón) der koischen und knidischen Asklepiaden mit ihrem Eid identifiziert hatten, durften sie das Orakel mit der gleichen Priorität (›ȡȠȝȣșȓȘ ›ȡòȢ ȝĮȞIJİȓȘȞ/ promythíê pros manteíên) befragen wie die Verwaltungsbeamten des Heiligtums. Dieselbe Bestimmung findet man auf einer Inschrift aus Delphi. Die beiden Texte sind sich nicht nur inhaltlich, sondern auch dem Wortlaut nach so ähnlich, dass Bousquet vermutete, Thess.orat. sei wenigstens teilweise historisch authentisch. 3.73 Anfang: Über die Siebenzahl. Kapitel 1 [’ǹȡȤȘ̈ ›İȡì e‘ȕįȠȝȐįȦȞ. ȁȩȖȠȢ 1, Init.Hebd.] A: Mras K.: Sprachliche und textkritische Bemerkungen zur spätlateinischen Übersetzung der hippokratischen Schrift von der Siebenzahl. WS 1919; 41: 61–74, 182–192

Die Übersetzung von Hebd. ins Lateinische ist in zwei Handschriften (BN 7027, Paris, und MS Milan Ambros. G. 108 Inf., Mailand) erhalten. Beide sind mangelund lückenhaft, letztere etwas weniger als die erste. Der bei Littré reproduzierte Text basiert auf der Mailänder Handschrift. Zum Inhalt s. 3.58. Pseudohippokratische Schriften der Antike. Verlorene und nicht ausgeführte Werke Über die in den Gesamtausgaben vereinigten Schriften des C.H. hinaus sind etwa 80 Texte bekannt, deren Überlieferung mit dem Namen des Hippokrates verbunden ist, die aber stets als nicht-authentisch betrachtet worden sind. Darunter sind eine große Zahl von Briefen (z.B. ’Ǽ›ȚıIJȠȜȘ̈ ›ȡòȢ ȆIJȠȜİȝĮȚ̘ȠȞ ȕĮıȚȜȑĮ ›İȡì țĮIJĮıțİȣȘ̏Ȣ ¢Ȟșȡȫ›Ƞȣ [Brief an König Ptolemaios über die Beschaffenheit des Menschen], Kompilationen (z.B. Ȇİȡì e‘ ȜȜİȕȠȡȚıȝȠȣ̏ [Über den Helleborismus]), Einzeldarstellungen von Organen (z.B. Ȇİȡì »‘ ›ĮIJȠȢ [Über die Leber]), Symptomen (z.B. Ȇİȡì i‘ įȡȫIJȦȞ [Über den Schweiß]), Krankheiten (z.B. Ȇİȡì țȣȞȐȖȤȘȢ ȞȩıȠȣ [Über die Rachenentzündung]) und Pharmaka (z.B. Ȇİȡì ¢ȜȠȘ̘Ȣ [Über die Aloe]) und deontologische Schriften (z.B. das so genannte Testament des Hippokrates, 1./2. Jht. n.Chr.). Manche von ihnen sind nur aus der arabischen Übersetzung (z.B. R.fƯ Ma ‘rifat fuünjl as-sana [Über die geographische Lage und die Ordnung der Jahreszeiten]) oder in lateinischer Version (z.B. De specie atrae bilis [Über die schwarze Galle], Übersetzer: Fabius Calvus) bekannt. Teile der in Aff. 9, 15, 18, 23, 28, 40 erwähnten Schrift ĭĮȡȝĮțȚ̘IJȚȢ [Arzneimittellehre] sind mutmaßlich in Mul.II 92–109, das von Erotian (p.9,13), Galen (Gal.XIX 116) und Paulus von Aegina (VI 30) genannte chirurgische Werk mit dem Titel Ȇİȡì belšwn țĮì IJȡȦȝȐIJȦȞ [Über Geschosse und Wunden] ist nur in Bruchstücken (gesammelt bei Littré I 422ff.) erhalten.

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In den Texten des C.H. findet sich eine Reihe von Hinweisen auf weitere eigene Werke, die weder innerhalb noch außerhalb der offiziellen Überlieferung bewahrt sind. Teils nimmt der Autor auf sie unmittelbar Bezug, teils kündigt er ihr Entstehen erst an. Aus letzterer Gruppe sind einige womöglich nicht fertiggestellt worden. Folgende Themen sind nach Notizen im C.H. (s. Angabe in Klammern) in Schriften behandelt worden, die nicht überliefert sind: • • • • •

Peripleumonie (Morb.IV 25) Fieber bei akuten Erkrankungen (Prorrh.II 14) Ätiologisch unklare Fieber (Prorrh.II 14) Unterschiede zwischen den Augen (Prorrh.II 21) Wundchirurgie (Medic. 10, 11, 14).

Zu folgenden Themen waren nach Notizen im C.H. (s. Angabe in Klammern) Einzeldarstellungen geplant: • • • • • • •

Massage (Artic.9) Aufbau der Drüsen (Artic.11) Chirurgie wässeriger und schleimiger Tumoren des Ohres (Artic.40) Gemeinsamkeiten von Arterien und Venen (Artic.45) Vergleichende Physiologie der Muskulatur (Artic.57) Zum Selbstverständnis anderer Wissenschaften als der Medizin (De Arte 9) Pädiatrische Symptomenlehre (Septim.9).

104

4 Das Corpus Hippocraticum Das C.H. hat die Medizin dauerhaft geprägt. Es hat den Ärzten als Referenzwerk für Theorie und Praxis ihres Berufs gedient und dem interessierten Publikum eine Einführung in viele Bereiche des Fachs geboten. Der großen Bedeutung und Spannweite steht die inhaltliche und formale Uneinheitlichkeit der unter dem Namen des Hippokrates von Kos überlieferten Schriften gegenüber. Manche Divergenz kann durch die Entwicklung der Medizin in dem Zeitraum, den das C.H. umfasst, erklärt werden. Für die meisten Widersprüche taugt dieser Deutungsversuch aber nicht. Sie lassen sich nur mit der Annahme begründen, dass das C.H. nicht von einem einzelnen Verfasser stammt, sondern eine mehr oder weniger große Gruppe von schreibenden Ärzten dazu beigetragen hat. Wer dazu gehört, das ist der Inhalt der hippokratischen Frage.

4.1 Echtheit und Echtheitskritik M: Grensemann H.: Der Arzt Polybos als Verfasser hippokratischer Schriften. Mainz, 1968 Ilberg J.: Das Hippokrates-Glossar des Erotian und seine ursprüngliche Gestalt. Leipzig, 1893 Nachmanson E.: Erotiani vocum hippocraticarum collectio. Uppsala, 1918 A: Althoff J.: Die aphoristisch stilisierten Schriften des Corpus Hippocraticum. In: Gattungen wissenschaftlicher Literatur in der Antike. Kullmann W., Althoff J., Asper M. (Hrsg.). Tübingen, 1998: 37–63 Grensemann H.: Weitere Bemerkungen zu den Hippokrates-Glossaren des Erotian und Galen. Hermes 1968; 96: 177–190 Lloyd G.E.R.: The Hippocratic question. CQ 1975; 25: 171–192 Kollesch J.: Darstellungsformen der medizinischen Literatur im 5. und 4. Jahrhundert v.Chr. Philologus 1991; 135: 177– 183 Irigoin J.: Le rôle des recentiores dans l’établissement du texte hippocratique. In: Coll.Hipp.II Mons 1975 (Mons 1977): 9–17 Pfaff F.: Die Überlieferung des Corpus Hippocraticum in der nachalexandrinischen Zeit. WS 1932; 50: 67–82 Wittern R.: Gattungen im Corpus Hippocraticum. In: Gattungen wissenschaftlicher Literatur in der Antike. Kullmann W., Althoff J., Asper M. (Hrsg.). Tübingen, 1998: 17–36

Die Prüfung der Echtheit der im C.H. versammelten Schriften ist eine Rechnung mit mehreren unbekannten bzw. unbestimmten Größen. Keiner der Traktate ist zweifelsfrei dem Hippokrates zuzuweisen. Es ist nicht einmal sicher, dass der Koer überhaupt einen der Texte selbst verfasst hat. Keine der Schriften ist so gut bezeugt und so unumstritten, dass sie als Basis für die Beurteilung der Authentizität der anderen dienen könnte. Daher ist es auch nicht ohne weiteres gerechtfertigt, Schriften, deren Inhalt mit dem als kanonisch betrachteten Lehrstoff nicht übereinstimmt, für unecht zu erklären. Kein Sujet, das für die Medizin im Griechenland des 5. und 4. vorchristlichen Jahrhunderts bedeutsam war, ist im C.H. ausgeklammert worden. Theorie und Praxis des

105

Faches, allgemeine und spezielle Nosologie, Ethik und Standeslehre werden teilweise mehrfach und mehr oder minder ausführlich dargestellt. Keine der damals bekannten Gattungen wissenschaftlicher Prosa fehlt im C.H. Der hippokratische Autor hat für den medizinischen Laien bestimmte Texte und an die Fachkollegen gerichtete Abhandlungen, er hat Reden und er hat Spruchsammlungen geschrieben und dies alles, obwohl er ständig auf Reisen war und seinen Beruf intensiv ausübte. Freilich bestehen zum Teil beträchtliche Unterschiede in der literarischen Qualität der Werke. Sorgfältig ausgearbeiteten Schriften stehen schlecht redigierte Texte und viele anspruchslose Kompilationen und Notizensammlungen gegenüber. Die Qualitätsunterschiede sind gerade in umfangreichen und/oder mehrteiligen Werken wie Epid.I–VII besonders deutlich zu erkennen. Themenvielfalt, Wandlung von Ansichten und Interpretationen, Formenreichtum und unterschiedliches literarisches Niveau können auch im Werk eines einzelnen Schriftstellers angetroffen werden. Die im C.H. beobachtete Ballung dieser Phänomene macht es jedoch wahrscheinlich, dass die Traktate von einer großen Zahl von Autoren stammen, die überdies zu unterschiedlichen Zeiten gelebt haben (s. Kasten). Dabei spielen die Söhne, andere Mitglieder der Familie und die Schüler des Hippokrates die Hauptrolle (Gal.VII 855. 890. 960, XV 110). Die antiken Zuweisungen sind freilich sehr heterogen; einige Schriften (z.B. Salubr.) werden mehreren Verfassern zugeschrieben. Möglicherweise sind auch Werke (oder Teile von Werken) von Vertretern anderer medizinischer Schulen und von Autoren, die keine Ärzte waren, ins C.H. gelangt. Schließlich sind an einer Reihe von Traktaten mehr oder weniger ausgeprägte Spuren späterer redaktioneller Bearbeitung zu erkennen. Koautoren des Corpus Hippocraticum (nach den antiken Quellen) Möglicher Verfasser

Traktat

Quelle

Hippokrates I (Großvater von Hippokrates II)

Off. Fract. Artic.

Gal.XVIII B 324 Gal.XV 456 Gal.XV 456

Herakleides Progn., Aph. (Vater von Hippokrates II)

Gal.XVII A 678

Thessalos (Sohn von Hippokrates II)

Gal.XVIII B 666 Gal.VII 890, XVII A 796

Off. Epid.II, IV, VI Epid. V, VII Hum.

106

Gal.VII 854–855. 890, IX 859, X 556 Gal.XVI 3

Prorrh. Morb.

Gal.XVI 625 Gal.XVIII A 888 (nach Dioskurides)

Hippokrates IV (Enkel von Hippokrates II)

Epid. V

Gal.VII 854

Drakon I. (Sohn von Hippokrates II)

Prorrh.

Gal.XVI 625

Drakon II. (Sohn von Drakon I.) Polybos (Schwiegersohn von Hippokrates II)

Epid.V

Gal.VII 854

Hum. Nat.Hom.

Gal.XVI 3 Arist.hist.an.III 3, 512b12– 513a7, Menon XIX 2, Gal.XV 11 Gal.XVIII A 8 Clem.Al.strom.VI 16, Aët.V 18,5 Gal.IV 653

Aff. Septim. Nat.Puer. Euryphon von Knidos (Arzt, 5. Jht.v.Chr., Leiter der Ärzteschule von Knidos)

Salubr. Vict.II Morb.II (in Teilen)

Gal.XV 455 Gal.VI 473 Gal.VII 960,XVI 3

Ariston (Arzt, 5. Jht. v.Chr.)

Salubr.

Gal.XV 455,XVIII A 9

Philistion von Lokroi (Arzt, 4. Jht.v.Chr.)

Salubr. Vict.

Gal.XVIII A 9 Gal.VI 473,XVIII A 8

4.2 Sammlung und Kommentierung M: Nachmanson E.: Erotianstudien. Uppsala, 1917 A: Kollesch J. Kudlien F.: Bemerkungen zum Ȇİȡì ¥ȡșȡȦȞ – Kommentar des Apollonios von Kition. Hermes 1961; 89: 322–332 Kudlien F.: Hippokrates-Rezension im Hellenismus. In: Coll.Hipp.V Berlin 1984 (Stuttgart 1989): 355–376 Pfaff F.: Die Überlieferung des Corpus Hippocraticum in der nachalexandrinischen Zeit. WS 1932; 50: 67– 82 Staden von H.: Lexicography in the third century B.C.: Bacchius of Tanagra, Erotian, and Hippocrates. In: Tratados hipocráticos (estudios acerca de su contenido, forma y influencia). Actas del VIIe colloque international hippocratique. Madrid, 1992: 549–

107

569 Torraca L. Diocle di Caristo, il Corpus Hippocraticum ed Aristotele. Sophia 1965; 33: 105–115

Die Mehrzahl der Traktate des C.H. ist im letzten Viertel des 5. und in der ersten Hälfte des 4. Jhts. v.Chr. geschrieben worden. Einige Schriften (z.B. Hebd.) können noch etwas früher entstanden sein. Für Epid.I und III steht ein absolutes Datum (410 v.Chr.) fest. Mehrere weniger bedeutende Texte (z.B. Cord. und Medic.) dürften erst im späten 4. oder im 3. Jht. v.Chr. verfasst worden sein. Sicher erst aus nachchristlicher Zeit stammt ein Teil der Briefe. Einer beliebten Theorie zufolge kommen viele Texte des C.H. aus der Bibliothek, die der koischen Ärzteschule zur Verfügung stand. Einen Beweis für diese Vermutung gibt es nicht. Allerdings wäre dadurch elegant erklärt, dass die Sammlung sowohl Schriften des Hippokrates und weiterer koischer Ärzte als auch ältere Werke und solche anderer Schulen enthalten hat. Nach einer anderen Theorie gelangten die Schriften Anfang des 3. Jhts. v.Chr. anonym in die Bibliothek von Alexandria. Dort sollen sie bearbeitet und wegen des wachsenden Interesses an Hippokrates unter dessen Namen zusammengestellt worden sein. Die Tatsache, dass es damals noch zu keiner festen Anordnung der Bücher und definitiven Konstitution des Textes kam, lässt aber am Erfolg der so genannten alexandrinischen Redaktion zweifeln. In den folgenden Jahrhunderten sind zusätzlich einige wenige, ausnahmslos unbedeutende Schriften in die Sammlung aufgenommen worden. Ihre Verfasser erwarteten mutmaßlich von der Verbreitung der Werke unter dem Dach des C.H. größere Popularität. Galen (Gal.XVII A 606) hat jedenfalls angenommen, dass Mnemon von Side mit dem Eintrag der Signaturen in das Bibliotheksexemplar von Epid.III eine derartige Absicht verfolgte. Die Werktitel sind nicht original, sondern wurden später geprägt. Dabei ist man nicht immer konsequent verfahren. Manche Texte (z.B. Acut.) haben zwei Titel und die Titel einiger Schriften (z.B. Oss.) geben deren Inhalt nicht adäquat wieder. Gegen Ende des 3. Jhts. v.Chr. wurde die redaktionelle Arbeit am C.H. erstmals um Glossare und Kommentare erweitert (s. Kasten S. 109–113). Den Beginn der Hippokrates-Exegese markiert das Werk des Herophilos von Chalkedon. Viele andere Ärzte und viele Philologen und Grammatiker folgten seinem Beispiel. Das große Glossar, das Bakcheios von Tanagra verfasste, trug den Titel ȁȑȟİȚȢ ‘ǿ››ȠțȡȐIJȠȣȢ [Das Vokabular des Hippokrates] und hatte drei Bücher. Der Schüler des Herophilos erklärt darin die Bedeutung seltener und schwieriger Wörter jener 21 Schriften des C.H., die er für authentisch hielt (Erot.p.10,5; 13,2;19,2). Unterstützt wurde er bei seiner Arbeit von dem alexandrinischen Grammatiker Aristophanes von Byzantion (~ 257 bis 180), der zum Vergleich geeignete Stellen aus der Dichtung zusammengetragen hat. Sowohl Erotian als auch Galen (Gal.XIX 65f.) nutzten das Werk für ihre eigenen Arbeiten zum

108

C.H. Bakcheios gab außerdem Epid.III heraus und kommentierte u.a. Off., Aph. und Epid.VI. Herausgeber und Kommentatoren des C.H. (3. Jht. v. bis 2. Jht. n.Chr.) [Die Liste basiert auf den Mitteilungen Erotians und Galens über die Quellen ihrer Werke] 3. Jht. v.Chr. Herophilos von Chalkedon Schüler des Praxagoras, Anatom

Wörterbuch (īȜȦııȦ̐Ȟ ™ȟȒȖȘıȚȢ [Worterklärungen], Gal.XIX 64) Teilweise polemischer Kommentar zu Progn. (Gal.XVIII B 15ff., Cael.Aurel. morb.chron. 4,8,113) Kommentar zu Aph. (Gal.XVIII A 186)

Bakcheios von Tanagra Arzt, Schüler des Herophilos

Glossar und Kommentare (Gal.XVIII B 631)

Mnemon von Side Arzt unter Ptolemaios III.

Urheber der Signaturen in Epid.III (Gal.XVII A 603,605,606,617–618)

Philinos von Kos Empiriker

Hippokratesglossar (in 6 Büchern). Mehrere Bruchstücke bei Erotian (p.5,4;10,17;23,9;108,17) erhalten. Kritik an der Interpretation des Bakcheios von Tanagra

Xenokritos von Kos Grammatiker

Erster Glossograph (Erot. p.4,24) Nur ein Lemma (¢ȜȜȠijȐııİȚȞ / allophássein [delirieren], Progn. 20, Mul.I 41) erhalten (Erot. p.12,7)

Euphorion von Chalkis Bibliothekar in Alexandria, Epylliendichter

Glossar in 6 Büchern (Erot. p.5,16)

Nikander von Kolophon Verfasser von Lehrgedichten

Schrieb eine Versfassung von Progn. mit dem Titel: ȆȡȠȖȞȦıIJȚțȠ̈Ȟ įȚ ̈ ™›Ȧ̎Ȟ [Prognostik in Versen]

109

2. Jht. v.Chr.

Diagoras von Kypern

Worterklärungen zum C.H. (Erot. p.71,20)

Kallimachos Herophileer

Verfasser eines Wörterbuchs zu den Werken des Hippokrates (Erot. p.4,26;108,17)

Glaukias von Tarent Empiriker

Umfangreiches alphabetisches Lexikon (Erot.p.5,0;8,5;15,21;18,12;20,9). Kommentare zu Epid.II, Epid.VI (Gal. XVII A 794) und Hum. (Gal. XVI 324)

Lysimachos von Kos Wohl empirischer Arzt

Polemik gegen die HippokratesInterpretationen des Kydias und des Epikureers Demetrios (Erot. p.5,12; 28,13; 85,10). Wegen seiner Erklärungen schwer verständlicher Vokabeln o‘ ‘ǿ››ȠțȡȐIJİȚȠȢ/ho Hippokráteios [Der Hippokrateer] genannt (Schol.Nik.Alex.376)

Zeuxis Empiriker

Kommentare zu sämtlichen von ihm für echt gehaltenen Schriften (Erot.p.51,5.19, Gal.XVI 636,XIX 108). Hielt Hum. für unecht (Gal.XVI 1). Darstellung der Geschichte der Signaturen in Epid.III

Zenon Herophileer

Glossograph (Gal.XIX 108). Abhandlung über die Signaturen in Epid.III. Geriet dadurch in Streit mit dem Empiriker Apollonios von Kition

Lykos von Neapolis Empiriker

Kommentar zu Loc.Hom. (Erot. p.19,3. 51,9,22.52,9) in (mindestens) zwei Bänden

Asklepiades von Prusa

Kommentare zu Off. und Aph.

1. Jht. v.Chr.

110

(Erot.p.78,15, Gal.XVIII B 660.666, XIX 158, Cael. Aurel.morb.ac.III 1) Herakleides von Tarent Empiriker

Verfasste wie Zeuxis Kommentare zu sämtlichen von ihm für echt gehaltenen Schriften des C.H. (Erot. p.77,9, Gal.XVI A 196, XVIII B 631) sowie eine Streit-Schrift gegen Bakcheios von Tanagra (Erot.p.5,9)

Apollonios von Kition Chirurg

Kommentar (Erot.p.23,17) zu Artic. (drei Bücher, 31 Schautafeln, Codex B 64,7). Polemik gegen Hegetor, der Artic. in seinem Werk Ȇİȡì a„IJȚȦ̎Ȟ [Über die Ursachen] kritisierte, sowie am Bakcheios-kritischen Hippokrates-Kommentar des Herakleides von Tarent (Erot.p.4,26;5,8;48,5)

Epikles Kretischer Arzt

Verfasste einen Auszug aus dem Glossar des Bakcheios von Tanagra und fügte umstrittene Änderungen ein (Erot.p.5,5;7,23; 10,17;13,3;19,3; 20,2;21,10)

Apollonios Ophis

Verfasste einen Auszug aus dem Glossar des Bakcheios von Tanagra (Erot.p.23,17)

Herakleides Erythraios

Verfasste Kommentare zu Epid.III und Epid.VI (Gal.XVII A 793, XVII B 208) und vielleicht auch zu Epid.II (Gal.XVII A 794). Bewies, dass die Signaturen in Epid. III von Mnemon von Side stammten (Gal.XVII A 608)

Dioskurides Phakas

Glossar in 7 Büchern (Erot. p.5,7; 91,4). Kritische Haltung gegenüber Bakcheios von Tanagra und anderen Erklärern

111

1. Jht. n.Chr. Erotian

Glossar und Echtheitskritik

Thessalos von Tralles Methodiker

Abwertender Kommentar zu Aph. (Gal. IX 658,X 10,XI 163,XVIII A 247–248)

Artemidoros Kapiton

Neue Edition

Dioskurides der Jüngere Grammatiker

Neue Edition (Gal.XVI 837, XVII B 104). Glossar (Gal.XIX 63)

Rufus von Ephesos

Kommentare zu Aer., Aph., Prorrh.I und Hum. (Gal.XVI 196, Scr. min. II 87). Von Galen (Gal.XVI 196) für seine Selbständigkeit gelobt

Sabinus

Verfasste Kommentare zu Epid.III (Gal. XVII A 518), Aph. (Gal XVII A 255), Epid.VI (Gal.XVII B 288), Hum. (Gal. XVI 186), Nat.Hom. (Gal.XV 25) und Alim. (Gal.XV 409). Von Galen (Gal.XV 161, XVI 196, XVII B 288) und Gellius (III 16,8) trotz Mängeln bei der Beantwortung von Einzelfragen gelobt

Marinus Anatom

Kommentar zu Aph. (Gal.XVIII A 113)

Numesianus Anatom, Lehrer Galens

Kommentar zu Aph. (Gal.XVI 197)

Julian Methodiker, Lehrer Galens

Kommentar (48 Bücher) zu Aph. (Gal. XVIII A 248). Von Galen (Gal.XVIII A 246–299) wegen Unverständnis für die Denkweise des Hippokrates scharf kritisiert

Lykos der Makedonier Arzt und Anatom

Kommentar zu Epid.III und Aph. (Gal. VI 197). Von Galen

2. Jht. n.Chr.

112

(Gal.XVIII A 196–245) scharf kritisiert Pelops Lehrer Galens

Verfasste Einführung in das C.H. (Gal. XVIII B 926, XIX 57) und Kommentar zu Aph. (Scr.min.II 86)

Satyros Lehrer Galens in Pergamon

Kommentar u.a. zu Epid.III (Gal.XVI 524, XVII A 575, XIX 58)

Asklepios Arzt

Kommentar zu Aph. (Gal.VI 869)

Das Hippokrates-Glossar des griechischen Grammatikers Erotian (’ǼȡȦIJȚĮȞȠȣ̐ IJȦ̐Ȟ ›Įȡ` ‘ǿ››ȠțȡȐIJİȚ ȜȑȟİȦȞ ıȣȞĮȖȦȖȒ [Erotians Sammlung hippokratischer Vokabeln]) weist viele Ähnlichkeiten mit dem des Bakcheios auf und fußt auch zum Teil auf dem Werk des großen Vorgängers. Erotian hat, wie er im Vorwort erläutert, die hippokratischen Schriften der Reihe nach bearbeitet und auf die Alphabetisierung der Lemmata verzichtet (überliefert ist allerdings eine durch spätere Bearbeitung entstandene teilweise alphabetisierte Version). Er hat aber zusätzlich die Texte des C.H. klassifiziert und ein Verzeichnis der von ihm für echt gehaltenen Schriften (29 Werke in 38 Büchern) erstellt. Nach dieser so genannten dogmatischen Einteilung werden drei Hauptgruppen – semiotische Schriften (ıȘȝİȚȦIJȚțȐ/ sêmeiôtiká), ätiologische und naturwissenschaftliche Schriften (a„IJȚȠȜȠȖȚțĮ̈ țĮì ijȣıȚțȐ/ aitiologikà kaì physiká) und therapeutische Schriften (șİȡĮ›İȣIJȚțȐ/therapeutiká) – unterschieden. Je eine weitere Gruppe wird von Aph. und Epid.VI bzw. den standeskundlichen Schriften gebildet (s. Kasten). Von Erotian für echt gehaltene Schriften des C.H. Semiotische Schriften: Progn., Hum., Prorrh.I (dagegen nicht Prorrh.II) Ätiologische und naturwissenschaftliche Schriften: Nat. Hom., Flat., Morb. Sacr., Nat. Puer., Ȇİȡì IJȩ›ȦȞ țĮì w‘ ȡȦ̎Ȟ [Über Orte und Zeiten] Therapeutische Schriften: – Abteilung Chirurgie: VC, Off., Fract., Artic., Mochl., Ulc., Haem., Fist. Ȇİȡì belšwn țĮì IJȡȦȝȐIJȦȞ [Über Geschosse und Wunden] – Abteilung Diätetik: Morb.I, Loc.Hom., Morb.II, Mul.I, Mul.II, Mul.III, Alim., Ȇİȡì ›IJȚıȐȞȘȢ [Über die Gerstengrütze], Ȇİȡì u‘ įȐIJȦȞ [Über die Wasser]

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Gemischte Gruppe: Aph., Epid. VI Standeskundliche Schriften: Vet.med., Jusj., Lex, de Arte. Orat.ar. und Thess.orat. werden Hippokrates mehr in seiner Rolle als Patriot (ijȚȜȩ›ĮIJȡȚȢ/ philópatris) denn als Arzt zugeschrieben. Über die genannten Werke hinaus hat Erotian folgende Werke bei der Abfassung seines Glossars berücksichtigt: Aer., Acut., Epid.I, Epid.II, Epid.III, Epid.IV, Epid.V, Hum., Salubr., Liqu., Morb.III, Int., Nat. Mul., Hebd. und möglicherweise Vict.I–IV. Zu Beginn des 2. nachchristlichen Jahrhunderts wird das C.H. von neuem ediert und umfassend bearbeitet, und zwar von dem Grammatiker Dioskurides der Jüngere und dem Arzt Artemidoros Kapiton. Beide Ausgaben sind verloren. Was heute darüber bekannt ist, hat Galen mitgeteilt (Gal.I 24f., XVI B 485, 837, XVII A 793ff., XVII B 104, XIX 63). Beide haben die zirkulierenden Textversionen neu geordnet, allerdings mit unterschiedlich großer philologischer Sorgfalt. Dioskurides verzeichnet die Varianten und Änderungen am Rande des Texts, während Artemidoros Zusätze, auch wenn sie mangelhaft belegt sind, kommentarlos in den Text aufnimmt und andere Lesarten nicht mitteilt. Dioskurides verfasst außerdem ein umfangreiches naturwissenschaftlich orientiertes Glossar zu sämtlichen Schriften des C.H., das Galen ausgiebig verwendet hat. Auch die Version des C.H., die Galen benutzt, ist noch nicht endgültig. Galen bezeichnet die Konstitution des Texts als willkürlich (Gal.XV 359, XIX 83), er beklagt die Schwierigkeiten, die ihm die Auswahl zwischen verschiedenen handschriftlichen Überlieferungen bereitet, und weist darauf hin, dass die antike Kritik in fast allen Büchern unechte Zusätze aufgespürt und ausgesondert hat (Gal.XVII A 732). Die textkritische Arbeit Galens am C.H. gipfelt in einem verlorenen Werk (Gal.V 529, XV 9, XVI 3), das den Titel ȆİȡȚ̈ IJȦ̐Ȟ ȖȞȘıȓȦȞ IJİ țĮì ȞȩșȦȞ ‘ǿ››ȠțȡȐIJȠȣȢ ıȣȖȖȡĮȝȝȐIJȦȞ [Die echten und unechten Abhandlungen des Hippokrates] trägt. Darin werden 12 Schriften für echt und 21 für unecht erklärt (s. Kasten). Letztere schreibt Galen z.T. mehreren Autoren zu. Von Galen für echt erklärte Schriften des C.H. Aer. (Gal.VII 891) Progn. (Gal.XVII A 577) Acut. (Gal.XVII A 577) Epid.I (Gal.VII 825) Epid.III (Gal.VII 825) VC (Gal.XVII A 577)

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Off. (Scr.min. II 112) Fract. (Gal.XVII A 577) Artic. (Gal.XVII A 577) Aph. (Gal.XVII A 577) Ulc.(Gal.XVII A 577) Alim. (Scr.min. II 112)

Die erklärenden Schriften zu den Traktaten des C.H. bilden einen wichtigen Teil der literarischen Arbeit Galens (s. Kasten). Entstanden sind sie während seines so genannten zweiten römischen Aufenthalts, also nach dem Jahre 170. Das Wörterbuch mit dem Titel ȉȦ̐Ȟ IJȠȣ̎ ‘ǿ››ȠțȡȐIJȠȣȢ ȖȜȦııȦ̏Ȟ ™ȟȒȖȘıȚȢ [Erklärung der von Hippokrates verwendeten Wörter] (Gal. XIX 62–157) ist etwa 189 erschienen, die Kommentare zwischen 175 und 189. In ȆİȡȚ̈ IJȦ̏Ȟ „įȓȦȞ ȕȚȕȜȓȦȞ [Über die eigenen Bücher] (Gal.XIX 35) teilt Galen mit, er habe die Erläuterungen vornehmlich zu Übungszwecken geschrieben und erst später für die Publikation bearbeitet. Schriften Galens zu Traktaten des C.H. Werkkommentar zu:

Fundort

Progn. Acut.

Gal.XVIII B 1–317 Gal.XV 418–919, XIX 182–221 Gal.XVII A 1–344 Gal.XVIII B 629–925 Gal.XVIII B 318–628 Gal.XVIII A 300–767 Gal.XVII B 345–887 Gal.XVIII A 1–195 Gal.XVI 1–488 Gal.XVI 488–840 Gal.XV 1–173 Gal.XV 174–223 Gal.XV 224–417 Gal.IX 550–768 Gal.IX 769–941

Epid.I,II,III,VI Off. Fract. Artic. Aph. Hum. Prorrh.I Nat. Hom. Salubr. Alim. Judic. Dieb.Judic. Streitschriften ȆȡȠ̈Ȣ ȁȪțȠȞ [Gegen Lykos]: Schrift gegen den Kommentar des Lykos zu Aph. ȆȡȠ̈Ȣ IJĮ̈ ¢ȞIJİȚȡȘȝȑȞĮ IJȠȚ̘Ȣ ‘ǿ››ȠțȡȐIJȠȣȢ ¢ijȠȡȚıȝȠȚ̘Ȣ u‘ ›Ƞ̈ ’ǿȠȣȜȚĮȞȠȣ̐ [Gegen den Kommentar des Julian zu den Aphorismen des Hippokrates]: Schrift gegen den Kommentar des Methodikers Julian zu Aph.

Gal.XVIII A 196–245 Gal.XVIII A 246–299

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Kleine Studien ȆİȡȚ̈ IJȠȣ̐ ›Įȡ` ‘ǿ››ȠțȡȐIJİȚ țȫȝĮIJȠȢ [Über das Koma Gal.VII 643–665 bei Hippokrates]: Anmerkung zu Prorrh.I ȆİȡȚ̈ IJȦ̏Ȟ ȠÙȤ e‘ ȦȡĮȝȑȞȦȞ ‘ǿ››ȠțȡȐIJİȚ ™ț›IJȫıİȦȞ Gal.XVIII A 346ff. [Über die Luxationen, die Hippokrates nicht beobachtet hat]: Ergänzung zur Luxationslehre des Hippokrates Die Suda erkennt dem Hippokrates die 60 Bücher des Codex M (‘ǼȟȘțȠȞIJȐȕȚȕȜȠȢ/Hexêkontábiblos) sowie Progn., Epid. und Aph. zu.

4.3 Die Schulen von Kos und Knidos M: Grensemann H.: Knidische Medizin, I: Die Testimonien zur ältesten knidischen Lehre und Analysen knidischer Schriften im Corpus hippocraticum. Berlin, 1975 Ilberg J.: Die Ärzteschule von Knidos. Leipzig, 1925 Jouanna J.: Hippocrate. Pour une archéologie de l’école de Cnide. Paris, 1974 Langholf V.: Medical theories in Hippocrates: early texts and the “Epidemics”. Berlin, 1990 Thivel A.: Cnide et Cos ? Essai sur les doctrines médicales dans la collection hippocratique. Paris, 1981 A: Boncompagni U.: Concezione della malattia e senso dell’ individualità nei testi cnidi del Corpus Hippocraticum. PP 1972; 27: 209–238 Gask G.E.: Early Medical Schools. The cult of Aesculapius and the origin of Hippocratic medicine. Ann.Med.Hist.1939; 1: 128–157 Joly R.: Sur une chronologie des traités cnidiens du corpus hippocratique. Episteme 1972; 6: 3–11 Joly R.: Le système cnidien des humeurs. In: Coll.Hipp.II Mons 1975 (Mons 1977): 107–127 Lonie I.M.: The Cnidian Treatises of the Corpus Hippocraticum. CQ 1965; 15: 1–30

Als sicher koisch gelten Progn. und Acut., die Epidemien, die großen chirurgischen Traktate und die Spruchsammlungen. Andere Texte oder Textabschnitte hat man Mitgliedern der konkurrierenden Ärzteschule von Knidos (Gal.X 6) zuzuschreiben versucht. Anlass zu derartigen Zuweisungen haben einzelne Bemerkungen und manche Passagen in den hippokratischen Schriften und die entsprechenden Hinweise Galens gegeben. Das nur wenige Seemeilen von Kos entfernte kleinasiatische Knidos besaß ebenso wie sein Inselnachbar einen Asklepiostempel und eine Schule für Ärzte, an der im 5. und 4. Jahrhundert u.a. Euryphon, Herodikos und Ktesias wirkten. Die koische und die knidische Doktrin unterschieden sich sowohl in theoretischer Hinsicht wie in einer Reihe von Aspekten der angewandten Medizin (s. Kasten).

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Die Lehren der Ärzteschulen von Kos und Knidos im Vergleich [nach Gal.X 6, XVII A 886, 888, XVIII A 149]

Kos

Knidos

Patient wichtiger als Erkrankung

Erkrankung wichtiger als Patient

Rationalismus

Empirismus

Ausgereifte Symptomenlehre

Mangelhafte Symptomenlehre. Nosologischer Schematismus

Dominanz der Humoralpathologie Dominanz der Solidarpathologie Vier Säfte Zwei Säfte (Schleim und Galle) Pflege der Prognostik

Vernachlässigung der Prognostik

Große Bedeutung von UmweltMedizin nicht an den Erfordernissen faktoren und Lebensgewohnheiten des Wanderarztes orientiert Therapie: Differenzierte Diät, Purgation

Therapie: Standarddiät, intensive Purgation, Schneiden, Brennen

Prophylaxe: Ausgewogene Prophylaxe: Kaum bekannt Ernährung, körperliche Aktivität, Wechsel zwischen Arbeit und Ruhe Im Zentrum der Spekulationen stehen Euryphon und die ihm zugeschriebenen so genannten Knidischen Sentenzen (ȀȞȓįȚĮȚ ȖȞȦ̐ȝĮȚ/Knídiai gnômai, Gal.XVII A 886). Die Schrift wird vom Verfasser von Acut. (Kap. 1) heftig attackiert. Andererseits teilt Galen (Gal.VII 960, XVI 3) mit, dass Euryphon im C.H. als Autor vertreten sei. Bei der Suche nach Schriften, die knidische Elemente enthalten, ist man früh auf Morb.II und Int. gestoßen. In Morb.II werden die Eingießung (œȖȤȣȝĮ/énchyma) in die Lunge (Kap. 47) und die bleiche Krankheit (›İȜȓȘ ȞȠȣ̐ıȠȢ/pelíê noûsos, Kap. 68) erwähnt. Beide Termini haben nach Galen (Gal.I 128–129, XV 136, XVIII A 188) ihren Ursprung in Knidos. In Int.10–54 werden drei Formen von Phthisis, vier verschiedene Nierenerkrankungen, vier Arten von Ikterus und drei Typen von Tetanos beschrieben. In seinem Kommentar zu Acut. bezeichnet Galen diese und andere Klassifizierungen häufiger Erkrankungen als typisch knidisch. Es ist dennoch nicht sicher, dass die entsprechenden Passagen aus den so genannten Knidischen Sentenzen oder einem anderen Werk der Schule von Knidos stammen. Noch weniger wahrscheinlich stammt ein Traktat vollständig von einem knidischen Autor. Entsprechende Zuweisungsver-

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suche – außer Morb.II und Int. wurden u.a. auch Aff., Morb.I und Morb.III für knidisch gehalten – sind zu Recht angezweifelt worden.

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5 Theorie und Grundlagenfächer 5.1 Auseinandersetzung mit der religiösen Medizin A: Brunn W., von: Hippokrates und die meteorologische Medizin. Gesnerus 1946; 3: 151–173 – 1947; 4: 1–18, 65–85 Gallego Pérez M.T.: Las estaciones del año en el „Corpus hippocraticum“. In: Actas del VIII congreso español de estudios clásicos (Madrid, 23–28 de sept de 1991). Madrid, 1994: 101–108

Die hippokratische Medizin ist eine rationale Wissenschaft, aber ihre Vertreter leugnen nicht, dass das Göttliche Einfluß auf Gesundheit und Krankheit nimmt und dass man übergeordnete Faktoren (oˆoȞ ›İȡȚ̈ IJȦ̏Ȟ ȝİIJİȫȡȦȞ Ç IJȦ̏Ȟ u‘ ›Ƞ̈ ȖȘ̏Ȣ/hoîon perì tôn meteôrôn ê tôn hypò gês [über- oder unterirdische Dinge], Vet.med.1) bei Prognose und Therapie zu berücksichtigen hat. Nat.Mul.1 misst dem Göttlichen als Kausalfaktor für gynäkologische Erkrankungen größere Bedeutung bei als der Natur der Frau. In Decent.6 werden die Götter als Urheber der Heilung und die Ärzte als deren Vermittler dargestellt. Meist bleibt die dem hippokratischen Arzt bewusste Unterordnung der Medizin unter das letztlich Göttliche unausgesprochen oder sie wird nur angedeutet, etwa wenn wie in Insomn.87 das Beten im Krankheitsfall als angemessen und gut bezeichnet wird. Der Widerstand gegen Scharlatanerie und Tempelmedizin wird hingegen klar artikuliert. Die Epilepsie ist für Hippokrates das Paradebeispiel der Erkrankungen, die, da man ihre Ursachen nicht ausreichend kennt, sakralisiert und skandalisiert werden (Morb.Sacr.1–2). Die so genannte Heilige Krankheit scheint ihm um nichts göttlicher zu sein als andere Leiden. Die Berufung auf die Gottheit dient seiner Meinung nach nur dazu, die eigene therapeutische Ohnmacht zu verschleiern und sich gegenüber dem Patienten aus der Verantwortung zu ziehen. Daher vergleicht er jene, die das Krampfleiden durch Reinigungsopfer und Beschwörungen zu heilen versuchen, mit Zauberern, Priestern und Schwindlern. In Lex1 werden solche Kollegen mit Statisten, die auf einer Bühne agieren, verglichen. Wenn dann die Schuld an bestimmten Symptomen der Krankheit auch noch verschiedenen Göttern angelastet werde, so seien dies lächerliche Lügengespinste. In diesem Zusammenhang fallen u.a. der Name der Göttermutter Hera sowie die von Poseidon und Apollon. Die Olympier werden sonst im C.H. nur noch an einigen wenigen Stellen erwähnt, so in Insomn.89–90 (Traummitteilungen). Andere Relikte der religiösen Medizin sind in den gynäkologischen Schriften verstreut (Mul.I 72: Vergleich der Lochien mit dem Blut von Opfertieren, Virg.1: Opfer für Artemis in ihrer Rolle als Beschützerin der Frauen). Nicht nur Vet.med., sondern auch Aer., Hum.13–19 und Vict.II 37–38 enthalten Plädoyers für die Beschäftigung mit der Meteorologie im engeren Sinn, d.h. mit dem Klima, den Jahreszeiten, den Winden und anderen natürlichen Bedingungen einer Region und deren Einfluß auf Konstitution, Gesundheit und

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Krankheit der dort ansässigen Bevölkerung. In Aer.2 wird diese Beziehung sogar bis zu den Sternen ausgedehnt. Mutmaßlich kann man auch die Bemerkung in Progn.1, dass die Krankheiten ein göttliches Element enthalten können, mit den Umweltbedingungen in Verbindung bringen. Die praktischen Konsequenzen dieser Position waren jedenfalls beträchtlich, wie die Charakterisierung von Personen, Städten und ganzen Erdteilen (Europa, Asien) in Aer. und die Aufzeichnungen über den Zusammenhang zwischen Klima und Krankheit in Epid. zeigen (s. Kasten). Meteorologische Phänomene in den Epidemien Epid.I 1 Epid.I 4 Epid.I 13 Epid.II 1.1 Epid.II 1.3 Epid.II 1.4 Epid.II 1.5 Epid.II 3.2 Epid.III 2 Epid.III 6 Epid.IV 7 Epid.VI 7.1 Epid.VI 7.9 Epid.VII 105

Erste Katastasis von Thasos (Herbst) Zweite Katastasis von Thasos (Frühherbst) Dritte Katastasis von Thasos (Sternenhimmel) Anthrax in regenreichem Sommer Wurmkrankheiten im Herbst Besonders schwere Krankheitsverläufe im Herbst Schwere Krankheitsverläufe in Perinth durch starken Regen, Wind und hohe Temperaturen Wetterabhängigkeit der Wirkungen von Pharmaka Katastasis: Niedriger Krankenstand bei gutem Wetter Fieber und Phrenitis im Frühjahr Schwere Gelbsucht zur Wintersonnenwende Schwere epidemische Atemwegserkrankungen zur Wintersonnenwende Exazerbation der Phthisis im Herbst Mumps (?) und Hundsstern

5.2 Beziehungen zu Naturphilosophie und Kosmologie M: Longrigg J.: Greek rational medicine: philosophy and medicine from Alcmaeon to the Alexandrians. London, New York, 1993: 82–103 López Férez J.A.: La médecine météorologique dans la Collection hippocratique: Le miracle grec. In: Le miracle grec: actes du IIe colloque sur la pensée antique organisée par le C.R.H.I. Thivel A. Nice, Paris 1992: 207–222 A: Jouanna J.: Présence d’Empédocle dans la Collection hippocratique. BAGB 1961: 452– 463 Pigeaud J.: Remarques sur l’inné et l’acquis dans le Corpus Hippocratique. In: Coll.Hipp. IV Lausanne 1981 (Genève 1983): 41–56

Die hippokratischen Ärzte artikulieren ihre ablehnende Haltung gegenüber den medizinischen Ansichten der Naturphilosophie und Kosmologie klar und unmissverständlich. In Vet.med.1 werden jene, die versuchen, die Ursachen von

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Krankheit und Tod des Menschen auf einige wenige physikalische Prinzipien zu beschränken, attackiert, in Vet.med.20 plädiert der Autor für die Loslösung der empirischen Individualmedizin aus der Umklammerung durch die naturphilosophischen Spekulationen. In diesem Zusammenhang muss sich Empedokles die sarkastische Bemerkung gefallen lassen, dass das, was er über die Natur geschrieben habe, mehr in den Bereich der Kunst als den der Medizin gehöre. Dennoch finden sich zahlreiche Spuren der vorsokratischen Philosophie im C.H. Man führt die Anleihen und deren Häufung in einzelnen Schriften (v.a. Flat., Vict.I, Carn. und Hebd.) darauf zurück, dass deren Verfasser die naturphilosophischen Schriften mehr benützt haben als andere. Freilich handelt es sich in den meisten Fällen mehr um Reminiszenzen als um präzise Argumentationen. Man darf aber auch nicht verkennen, dass die magische und naturphilosophische Medizin Methoden und Ziele der empirischen Medizin – wenngleich nur in Ansätzen – vorweggenommen hat. Gleichzeitig stellte sie den naturwissenschaftlich orientierten Medizinern Deutungsmöglichkeiten für Phänomene von Gesundheit und Krankheit zur Verfügung, die sonst nicht ausreichend erklärt werden konnten. Ein gutes Beispiel für den Gestaltwandel der Elemente beim Übergang von der naturphilosophischen zur naturwissenschaftlichen Medizin ist die Luft. Die vorsokratischen Philosophen sehen in der Atemluft sowohl ein kosmisches (z.B. Anaximenes [DK 13 B 2]) als auch ein spirituelles Prinzip (z.B. Diogenes von Apollonia [DK 64 B 35]). Bei Hippokrates bleibt davon nur die Funktion als allgemeingültiges Prinzip des Lebens (Flat.4) erhalten. Der Verfasser merkt im gleichen Satz an, dass die Luft sogar Krankheiten verursachen könne. Grundlage für ihre Bedeutung in der allgemeinen Pathogenese ist die Tatsache, dass die Menschen die Luft ein- und ausatmen und dass sie in den Venen durch den Körper transportiert wird (Morb.Sacr.7). Die hippokratischen Ärzte haben auch erkannt, dass die – allen Menschen gemeinsame – Atemluft und nicht die – individuelle – Ernährung Hauptverursacher epidemischer Erkrankungen, z.B. des epidemischen Fiebers (Flat.6) ist. Umgekehrt fördert eڛȞȠȚĮ/eúpnoia [gute Luft] (Progn.5) die Rekonvaleszenz nach akuten Erkrankungen. Die große Bedeutung, die die hippokratischen Ärzte im Verlauf einer Krankheit der Krise (țȡȓıȚȢ/krísis) beigemessen haben, und die Beobachtung, dass vor allem die fieberhaften Erkrankungen in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen rezidivieren, mag Anlass gewesen sein, von den Vorsokratikern proklamierte biologische Rhythmen und Zeitmaße in die Krankheitslehre aufzunehmen. Empedokles [DK 31 B 153a] hatte angenommen, dass der Embryo in sieben mal sieben Tagen wächst, Hippon [DK 38 A 16] hatte geglaubt, dass für die Bildung des Embryo 60 Tage notwendig seien, und die Pythagoräer [DK 58 B 2] hatten gelehrt, dass die Krankheitskrisen an überzähligen Tagen eintreten. Diese Thesen lieferten mannigfache Ansatzpunkte für die Systematisierung der Krankheitsverläufe. Nach Progn.20 entscheidet sich am vierten Tag, ob der Patient eine Fieberkrankheit übersteht oder nicht. Aph. 2,24 erklärt den vierten Tag

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generell zum Termin der Vorentscheidung über den Verlauf, weist jedoch darauf hin, dass auch der elfte und der 17. Tag zu beachten seien. Noch weitaus umfangreichere Zahlenreihen liefern Epid.I 26 und Carn.19. Derlei numerische Spielereien hatten mit der Realität wenig zu tun. Daher erklärt der hippokratische Autor auch an anderer Stelle (Morb.I 16), dass die Entwicklung der Krankheiten keineswegs so starr sei, wie einige sagen, und erinnert in diesem Zusammenhang beispielhaft daran, dass der Verlauf auch von Altersunterschieden und der unterschiedlichen Konstitution der Kranken beeinflusst werde. Grundsätzlich galt aber die Ansicht, dass die Krankheit rezidivieren werde, wenn sie nicht an einem kritischen Tag zum Stillstand gekommen sei (Judic.39).

5.3 Elemente der wissenschaftlichen Medizin M: Joly R.: Le niveau de la science hippocratique. Paris, 1966 Pohlenz M.: Hippokrates und die Begründung der wissenschaftlichen Medizin. Berlin 1938 Rechenauer G.: Thukydides und die hippokratische Medizin. Naturwissenschaftliche Methodik als Modell für Geschichtsdeutung. Hildesheim, 1991 Smith W.D. Hippocratic Medicine. Ithaca and London, 1979 Weidauer K.: Thukydides und die Hippokratischen Schriften. Der Einfluß der Medizin auf Zielsetzung und Darstellungsweise des Geschichtswerks. Heidelberg, 1954 A: Demont P.: Notes sur le récit de la pestilence athénienne chez Thucydide et sur ses rapports avec la médecine grecque de l’époque classique. In: Coll.Hipp.IV Lausanne 1981 (Genève 1983): 341–353 Senn G.: Über Herkunft und Stil der Beschreibungen von Experimenten im Corpus Hippocraticum. Arch. Gesch. Med. 1929; 22: 217–289 Thivel A.: La valeur scientifique de la médecine hippocratique. In: Coll.Hipp.X Nice 1999 (Paris 2002): 399–427

Medizin ist für den hippokratischen Arzt eine Kunst (IJȑȤȞȘ/téchnƝ, Vet.med.3), in der sich praktische Fertigkeit und die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse verbinden. Der Arzt wird deshalb auch als IJİȤȞȓIJȘȢ/technítês [Künstler] (Vet.med.4,5) oder ȤİȚȡȠIJȑȤȞȘȢ/ cheirotéchnês (Vet.med.7) bzw. įȘȝȚȠȣȡȖȩȢ/ dêmiourgós [Handwerker] (Vet.med.1, De Arte 8) bezeichnet und damit vom medizinischen Laien („įȚȫIJȘȢ/idiôtês, Vet.med.1, Aff.33) abgegrenzt. Diese Unterscheidung gilt ungeachtet der Tatsache, dass es auf dem Gebiet der Medizin eigentlich gar keine Nichtfachleute gibt, weil alle Menschen sich mit Gesundheit und Krankheit befassen müssen. Die Kunst des Arztes wird sowohl mündlich als auch schriftlich weitergegeben (Vet.med.1, 20). Wissenschaft im allgemeinen und Medizin im besonderen streben danach, Neues, bisher Unausgesprochenes zu finden (De Arte 1) und Unvollendetes zu ergänzen. Der Fortschritt beruht auf der gezielten intellektuellen Suche (ȜȠȖȚıȝȩȢ/logismós, Vet.med.12) nach der Wahrheit, mag ihm auch manchmal der Zufall zu Hilfe kommen (Loc.Hom.46). Viele gleiche oder ähnliche Beobachtungen lassen sich auf gemeinsame Grundlagen zurückführen und erlauben eine

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Beispiele guter wissenschaftlicher Praxis im C.H. Aer.8

Experimentelle Prüfung der Unterschiede zwischen Wasser und Eis. Metrische Auswertung (¢ȞĮȝİIJȡİȚ̘Ȟ/anametreîn) des Versuchs

Artic.8

Vergleich der Anatomie des Hüftgelenks von Mensch und Tier (Rind) unter dem Aspekt der Neigung zur Luxation

Artic.13

Vergleich der Anatomie des Akromion von Mensch und Tier unter dem Aspekt der frakturbedingten Dislokation

Artic.38

Experimentelle Therapie der Nasenbeinfraktur mit einer Scheibe Schafslunge

Artic.46

Vorschlag zur Erprobung der offenen Reposition der Wirbelkörperluxation an der Leiche

Nat.Hom.7

Pharmakologisches Experiment: Jahreszeitliche Abhängigkeit der Wirkung eines Heilmittels auf die Körpersäfte

Morb.Sacr.7

Parästhesien der Extremitäten nach längerem Sitzen oder Stehen durch Kompression der Gefäße und Unterbrechung der Luftzufuhr

Morb.Sacr.11 Sektion des Gehirns epileptischer Ziegen Int.23

Beweis für die Annahme, dass Geschwülste (ijȪȝĮIJĮ/phýmata) zum Hydrops der menschlichen Lunge führen können, durch Vergleichsbeobachtungen an sezierten Rindern, Schweinen und Hunden

Nat.Puer.13

Beschreibung eines – angeblich – sechs Tage alten Embryo

Nat.Puer.17

Experimentelle Mischung von Erde, Sand, Blei und Wasser in einer Blase als Modell für die Gestaltung des Embryo

Nat.Puer.29

Experimentelle Beobachtung der Entwicklung des befruchteten Hühnereis zum Küken an einer großen Zahl von Proben

Cord.2

Tierversuch (Pharyngotomie des Schweins nach Instillation von verschieden gefärbtem Wasser) zur Differenzierung von Luftund Speisewegen

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Schlussfolgerung (țİijȐȜĮȚȠȞ/kephálaion, Epid.VI 3.12). Auf diese Weise wird das, was richtig ist, verifiziert, und das, was falsch ist, zurückgewiesen (s. Kasten S. 123). Wenn die eigenen Beobachtungen und Erfahrungen nicht ausreichen, werden die Aussagen entsprechend relativiert (Epid.I 20). Das wissenschaftliche Interesse soll nicht nur populären Themen wie der Ernährung (Vet.med.14) gelten, sondern auch seltenen und als inkurabel geltenden Erkrankungen (Artic.58). Die hippokratischen Ärzte haben allerdings Zweifel an Teilaspekten des wissenschaftlichen Fortschritts und mahnen zur Vorsicht bei der Einführung von Neuerungen. Innovationen gelten grundsätzlich nur dann als realisierbar, wenn man den aktuellen Stand der Wissenschaft kennt und die Forschungen von dort ihren Ausgang nehmen (Vet.med.2). Nicht alles, was außergewöhnlich erscheint, ist bei näherer Betrachtung auch nützlich oder sogar nützlicher als das, was man bereits kennt (Fract.1). Die Suche nach Verbindungen und Gemeinsamkeiten zwischen Thukydides und Hippokrates setzt da an, wo sie dasselbe Thema behandeln, nämlich die Seuche bzw. die Pest (ȜȠȚȝȩȢ/loimós). Aber damit beginnen auch schon die Schwierigkeiten. Weder berichten die beiden vom gleichen Ausbruch der Erkrankung noch ist sicher, ob sie dieselbe Seuche meinen. Thukydides (II 48–54) schildert die Pest, die 430/429 v.Chr. Athen heimsuchte, er war selbst betroffen und hat andere leiden sehen, er hat die äußeren Zeichen der Krankheit minuziös beschrieben und ihre Kontagiosität und die Immunität derer, die sie überlebten, erkannt, er hat die Hilflosigkeit der Ärzte beobachtet und gesehen, dass sich die Bevölkerung in ihrer Not von der rationalen Medizin abwandte und Zuflucht in Gebeten, Opfern und Orakeln suchte. Thukydides hat das medizinische Phänomen nicht anders behandelt als die nicht-medizinischen Ereignisse: Rational und skeptisch. Dagegen nehmen sich die entsprechenden Bemerkungen des Hippokrates dürftig aus. Die in Epid.III 3,7 beschriebene Erkrankung, deren Symptome jenen ähneln, die Thukydides aus Athen mitteilt, wird nicht einmal ausdrücklich als Seuche (ȜȠȚȝȩȢ/loimós) bezeichnet. In Acut. 2 wird zwar der epidemische Charakter der ȜȠȚȝȫįȘȢ ȞȠȣ̏ıȠȢ/loimôdês noûsos [pestähnliche Erkrankung] hervorgehoben. Es fehlt aber jeder weitere Hinweis darauf, dass damit die Pest gemeint ist. Ähnlich unsicher ist der Charakter der in Flat. 6 als allgemein bekannt bezeichneten Form des Fiebers. Die Erwähnungen der Pest in Epist.1, 2 und 11 sowie in Decr.Ath. und Thess.orat. sind allein auf Grund der großen zeitlichen Distanz zwischen dem thukydideischen Geschichtswerk und den pseudohippokratischen Texten ohne Bedeutung für die Beurteilung des Verhältnisses zwischen den Autoren. Aber auch andere Parallelen tragen nicht weit. Wohl verwenden Thukydides und Hippokrates Termini wie Natur (ijȪıȚȢ/phýsis), Kausalfaktor (›ȡȩijĮıȚȢ/ próphasis) und Gestalt (eÎįȠȢ/eîdos) in ähnlichem Sinn. Wohl erkennt Thukydides (VII 87) ebenso wie Hippokrates (z.B. Hum.15), dass widrige äußere Umstände den Ausbruch von Krankheiten fördern. Wohl haben die prognostischen Elemente, die Thukydides (z.B. I 10) in seine Darstellung einflicht, Ähnlichkeit

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mit dem zielgerichteten prognostischen Denken des Hippokrates (z.B. Progn. 25). Vielleicht hat Thukydides im Handeln des Politikers sogar Parallelen zur Tätigkeit des Arztes sehen wollen. Der direkte Einfluß hippokratischer Schriften auf den Geschichtsschreiber ist indes nicht zu beweisen. Umgekehrt ist es auch wenig wahrscheinlich, dass Teile des C.H. von Herodot abhängen. Weder wird seine Mitteilung über die bei den Ägyptern üblichen Purgationen (II 77) in einem der hippokratischen Traktate aufgegriffen noch hat Herodots Bemerkung zur Impotenz der Skythen (I 105) die Beschreibung der Krankheit in Aer. 22 beeinflusst. Während Herodot dafür eine rein übernatürliche Erklärung (Rache der Aphrodite für eine Tempelplünderung) gibt, lehnt Hippokrates den göttlichen Ursprung des Leidens ausdrücklich ab und läßt nur eine mechanische Erklärung, nämlich das lange Reiten zu.

5.4 Entwicklungsgeschichte und Anatomie Hauptfundstellen im C.H.: Loc.Hom.,Oct., Genit., Nat.Puer., Anat., Gland., Carn., Cord., Oss. M: Duminil M.-P.: Le sang, les vaisseaux, le cœur dans la Collection hippocratique; anatomie et physiologie. Paris, 1983 Oser-Grote C.M.: Aristoteles und das Corpus Hippocraticum. Die Anatomie und Physiologie des Menschen. Stuttgart, 2004 A: Abel K.: Die Lehre vom Blutkreislauf im Corpus Hippocraticum. In: Antike Medizin. Darmstadt, 1971: 121–164

Die Verschmelzung von Ei und Samen am Beginn des menschlichen Lebens ist dem hippokratischen Arzt nicht bekannt gewesen. Er hat vielmehr angenommen, dass sowohl Männer als auch Frauen männlichen und weiblichen Samen besitzen (Genit.6) und dass der Samen in allen Partien des Körpers gebildet wird (Morb.Sacr.2). Das Ungeborene ernährt sich aus der Gebärmutter, indem es von dort mit dem Mund (wie später an der Mutterbrust) Luft und Nahrung ansaugt (Nat.Puer.14). Damit folgt der hippokratische Autor einer schon von Diogenes von Apollonia [DK 64 A 25] und Hippon von Samos [DK 38 A 17] geäußerten Ansicht. Da das mütterliche Blut zum Wachstum des Kindes beiträgt, bleibt in der Schwangerschaft die Regelblutung aus (Nat.Puer.14). Der männliche Fet wächst schneller als der weibliche (Nat.Puer.18). Im Laufe der Zeit bekommt das Ungeborene menschliche Züge (ijȪıȚȢ ¢ȞșȡȦ›ȠİȚįȒȢ/phýsis anthrôpoeidês, Morb.IV 1). Die Placenta (ȤȩȡȚȠȞ/chórion) wird als eine Membran beschrieben, die den Fetus umhüllt, wenn das Fleisch gebildet ist, und in der sich das Blut sammelt, das von der Mutter stammt (Nat.Puer.16). Das C.H. vermittelt kein einheitliches Bild vom Körperbau des Menschen. Im Griechenland des 5. und der ersten Hälfte des 4. vorchristlichen Jahrhunderts wurde noch keine systematische anatomische Forschung betrieben. Für die hippokratischen Ärzte war die Anatomie weniger bedeutsam als die Physiologie. Eine wichtige Ausnahme macht die in Fract. und Artic. dokumentierte Anatomie

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der Knochen, Gelenke und Weichteile der Extremitäten. Aber auch die Traumatologen haben ihre speziellen Kenntnisse nicht durch gezielte Forschung, sondern durch die Beobachtungen an Opfern offener Verletzungen gewonnen. In Oss.1 werden ausdrücklich Beobachtungen an menschlichen Skelettelementen erwähnt. Manche anatomische Detailangaben (z.B. über Sehnen, Epid.IV 60) sind in klinisch orientierten Schilderungen versteckt. Die beiden rein anatomisch orientierten Schriften (Anat., Cord.) sind schmächtig und stammen mutmaßlich aus nachhippokratischer Zeit. Vereinzelt wurden aus Beobachtungen an Tieren Rückschlüsse auf den Menschen gezogen. In Morb.Sacr.7 wird das menschliche Gehirn mit dem der Tiere verglichen und dabei die Zweiteilung des Organs durch die Falx cerebri besonders hervorgehoben. Nach Epid.VI 4.6 ist der Dickdarm des Menschen länger als der des Hundes; außerdem wird seine Aufhängung am Mesenterium beschrieben. Carn.17 hebt die Ähnlichkeit zwischen Tier- und Menschenaugen hervor. Die in der makroskopischen Anatomie geläufige Bezeichnung eines Teils des Körpers als Organ wurde erst von Aristoteles geprägt (part.an. 642a11, 645b14, gen.an. 716a24). Die hippokratischen Ärzte verwenden dafür den Terminus ıȤȘ̏ȝĮ/schêma (z.B. Vet.med.22); mit ÓȡȖĮȞĮ/órgana werden ausschließlich Werkzeuge des Arztes (z.B. die Praxisinstrumente, Medic.9) bezeichnet. Die Form der Körperteile bestimmt nach Ansicht des hippokratischen Arztes ihre Funktion ebenso wie ihre Anfälligkeit für Erkrankungen (Vet.med.22–23). Große und hohle Organe (Blase, Kopf, Uterus) ziehen Flüssigkeiten aktiv an und sind immer gefüllt. Entfaltete Hohlorgane empfangen Flüssigkeiten passiv. Feste rundliche Organe weisen Flüssigkeiten ab und schwammige und schlaffe Organe (Milz, Lungen, Mammae) werden härter, wenn sie Flüssigkeit aufgenommen haben. Unter den Begriff ı›ȜȐȖȤȞĮ/splánchna (z.B. Int.47) fallen nicht nur Herz und Lungen, Leber, Nieren und Darm, sondern auch das Gehirn (™ȖțȑijĮȜȠȢ/ enképhalos, z.B. VC 2). Das Gehirn wird zu den Drüsen (¢įȑȞİȢ/adénes) gerechnet (Gland. 10,15). Man sah in ihm das Zentrum des Denkens, der Gefühle und der Sinneswahrnehmungen (Morb.Sacr.17). Allerdings wurden Teileigenschaften der Seele auch in das Zwerchfell (Acut.14) und den linken Unterbauch (Cord.10) lokalisiert. Die harte und die weiche Hirnhaut werden in Loc.Hom.2 erwähnt. Morb.II 5 und Carn.4 beschreiben den Ursprung des Rückenmarks (ȞȦIJȚĮȚ̘ȠȢ ȝȪİȜȠȢ/nôtiaîos mýelos) aus dem Gehirn, Artic.47 die enge räumliche Beziehung von Wirbelsäule und Rückenmark. Die Kreuzung der absteigenden Bahnen wird in VC 13 und Epid.V 28 (posttraumatische Krämpfe der Hand kontralateral zur Kopfwunde!) angedeutet. Am Schädeldach wurden die Nähte (r‘ȐijĮȚ/rháphai, n = 3 bzw. 4) und die Lamina diploe (įȚ›ȜȩȘ/diplóê) richtig erkannt (Loc. Hom.6). Die Spinalnerven (IJȩȞȠȚ ȞİȣȡȫįİİȢ/tónoi neurôdees) sind in Artic.45, Vagus und Sympathikus in Epid.II 4.2 beschrieben. Carn.17 (s. Kasten) benennt

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den Sehnerven und andere Details der Anatomie des Auges (ÑijșĮȜȝȩȢ/ ophthalmós, auch ÓȝȝĮ/ómma, z.B. Epid.VII 11 und ÓȥȚȢ /ópsis, z.B. Epid.VI 8.17). Anatomie des Auges im C.H. (Carn.17) ijȜȑȥ/phléps įȑȡȝĮ įȚĮijĮȞȑȢ/dérma diaphanés ıIJİijȐȞȘ/stephánê ȜİȣțȠ̈Ȟ țȡȑĮȢ/leukòn kréas, o‘ ¢ȝijȚ̈ IJȘ̈Ȟ ÓȥȚȞ ȤȚIJȫȞ/ ho amphì tên ópsin chitôn țȩȡȘ/kórê, ÑȝȝȐIJȦȞ ȝȑȜĮȞ/ommátôn mélan ȤȚIJȦ̏ȞİȢ ȝȑȜĮȞİȢ/chitônes mélanes u‘ ȖȡȠ̈Ȟ țȠȜȜȦ̏įİȢ/hygròn kollôdes

Sehnerv Hornhaut Lidrand Sklera Pupille Iris Glaskörper

Mit dem Terminus țĮȡįȓĮ/kardía werden sowohl das Herz als auch der Mageneingang und der Magen insgesamt bezeichnet (z.B. Coac.289). Man weiß, dass das Herz pulsiert (›ȐȜȜİIJĮȚ/pálletai, Morb.Sacr.6) und hält es für die Quelle des Blutes (Morb.IV 40). Dennoch wurde seine Funktion als Pumpe nicht erkannt. Man hielt das Herz vielmehr für ein Organ der Atmung (Carn.6). In Cord.4 wird allerdings richtig beschrieben, dass das Herz ein Muskel ist, zwei Kammern hat und von Perikard umgeben ist, und in Cord.10 werden der Aufbau und die Funktion der Taschenklappen dargestellt. Die Anatomie der Gefäße im C.H. ist geprägt von der Vorstellung, dass die Säfte eine umfassende Kommunikation zwischen den Körperteilen gewährleisten. In den Gefäßen werden unterschiedslos alle organischen Flüssigkeiten, nämlich Blut, Schleim, Galle und Serum („Ȥȫȡ/ichôr) sowie die Luft transportiert. Nur der Anteil der einzelnen Komponenten an der intravasalen Strömung ist variabel. Außerdem können die Säfte innerhalb der Gefäße grundsätzlich in beide Richtungen fließen. Als ai‘ ȝȩȡȡȠȣȢ/haimórrhous werden große blutreiche Gefäße bezeichnet (z.B. Fract.11). Da die hippokratischen Ärzte den physiologischen Unterschied zwischen Arterien und Venen nicht kennen, werden die beiden Gefäßtypen auch terminologisch nicht entsprechend unterschieden (s. Kasten S. 128). Freilich ist das Begriffspaar Vene-Arterie durchaus gebräuchlich (Artic.45). In Alim.31 wird die Leber als Ursprungsort der Venen und das Herz als Ausgangspunkt der Arterien bezeichnet. Epid.V 46 stellt ausdrücklich fest, dass ein Pfeil, der in der Leistenregion steckt, weder die Vene noch die Arterie verletzt hat. Mit ijȜȑȥ/phléps wird jede Art von Gefäß, also nicht nur die Vene bezeichnet (ein nur in Liqu.2 verwendetes Synonym ist Ȟİȣ̏ȡȠȞ œȞĮȚȝȠȞ/neûron énhaimon), mit ¢ȡIJȘȡȓĮ/artêría sowohl die Luftröhre als auch ein luftgefülltes Gefäß (Morb.I 22). Cord.10 nennt die aus dem Herzen entspringenden Gefäße ¢ȠȡIJĮȓ/aortaí (Plural!).

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Anatomisch definierbare Gefäße im C.H. Įi‘ ȝȩȡȡȠȣȢ ijȜȑȥ/haimórrhous phléps (Aff.29) țȠȓȜȘ ijȜȑȥ/koílê phléps (z.B. Carn.5) h‘›ĮIJȚ̘IJȚȢ/hêpatîtis (Morb.I 26) ı›ȜȘȞȚ̘IJȚȢ/splênîtis (Morb.I 28), ¢ȡȚıIJİȡ¾ ijȜȑȥ/ aristerê phléps (Morb.I 26) ıijĮȖȚ̘IJȚȢ/sphagîtis (Nat.Hom.1, Oss.9)

Vena cava inferior Vena cava inferior Lebervene DD Vena cava inferior (Epid.II 4.1) Milzvene (erstreckt sich bis in die linke Hand) Vena jugularis

Die topographische Anatomie der Gefäße wird in mehreren Schriften des C.H. beschrieben. Die Darstellungen sind jedoch sowohl in sich als auch untereinander widersprüchlich (s. Kasten). Topographische Anatomie der Gefäße im C.H. Epid.II 4.1 Nat.Hom.11 Morb.Sacr.6–7 Carn.5 Cord.10 Oss.1,7,11,19

Hauptgefäß: h‘›ĮIJȚ̘IJȚȢ/hêpatîtis Vier Venenpaare (IJȑııĮȡĮ ȗİȪȖİĮ/téssera zeúgea). Zahlreiche oberflächliche Gefäße Hauptvenen aus Leber und Milz. Die Gefäße ziehen zum Kopf Zwei Hohlvenen gehen vom Herzen aus. Verzweigung bis in die Peripherie des Körpers Ursprung der Arterien an den Taschenklappen Vier Venenpaare. Verbindung zu Nieren, Leber und Milz

Die Kenntnisse der Anatomie des Respirationstrakts sind trotz der großen klinischen Bedeutung von Atemwegserkrankungen für den hippokratischen Arzt lückenhaft (s. Kasten). Der Verschluss des Larynx durch die Epiglottis wird zwar richtig beschrieben (Morb.IV 25, Cord.2). Man erkennt jedoch die Bedeutung dieser Schließbewegung für die Trennung von Luft- und Speisewegen ebenso wenig wie jene des Zwerchfells für die Atemmechanik. Nach Anat.1 hat die Lunge fünf Ausläufer (u‘ ›İȡțȠȡȣijȫıȚĮȢ/hyperkoryphôsias). Am knöchernen Thorax werden je sieben wahre und mehrere falsche Rippen unterschieden (Loc.Hom.6). Die wahren Rippen artikulieren mit dem Sternum (ıIJȘ̏șȠȢ/stêthos, Mochl.1), die falschen sind mit ihm knorpelig verbunden (Epid.VII 3). Anatomie des Respirationstrakts im C.H. IJȡȐȤȘȜȠȢ/tráchêlos (Morb.IV 57) țȓȦȞ/kíôn (Epid.I 26.5) ™›ȚȖȜȦIJIJȓȢ/epiglôttís (z.B. Oss.13) ¢ȡIJȘȡȓȘ/artêríê (Oss.13), ıȪȡȚȖȟ IJȠȣ̏ ›ȜİȪȝȠȞȠȢ/ sýrinx toû pleúmonos (Morb.II 50)

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Hals Gaumenzäpfchen Kehldeckel Luftröhre

ȕȡȩȖȤȠȢ/brónchos (Aph. 6,37, Epid.V 63, Loc.Hom.3) Luftröhre – nicht Bronchus! ›ȜİȪȝȦȞ/pleúmôn (z.B. Morb.I 12), Lunge ȜȠȕȩȢ/lobós (Loc.Hom.14) ¢ȠȡIJȡȐ/aortrá (Loc.Hom.14) Lungenlappen ›ȜİȣȡȐ/pleurá (z.B. Epid.VII 40, Int. 47) Rippen, Flanke – nicht Rippenfell! įȚȐijȡĮȖȝĮ/diáphragma (z.B. Epid.V 95) Zwerchfell Thorax (șȫȡĮȟ/thôrax, z.B. Anat.42, ȤȑȜȣȢ/chélys, Anat.1) und Abdomen (ȜĮ›ȐȡȘ/lapárê, z.B. Morb.II 69, ȞȘįȪȢ/nêdýs, Aer.7) werden vielfach als ÁȞȦ țȠȚȜȓĮ/ánô koilía (z.B. Morb.I 15) bzw. țȐIJȦ țȠȚȜȓĮ/kátô koilía (z.B. Morb.I 17) bezeichnet und so voneinander topographisch abgegrenzt. Außerdem werden der Oberbauch (u‘ ›ȠȤȩȞįȡȚȠȞ/ hypochóndrion, z.B. Aph.6,40, ™›ȚȖȐıIJȡȚȠȞ/ epigástrion, Alim.30) und der Unterbauch (u‘ ›ȠȖȐıIJȡȚȠȞ/ hypogástrion, z.B. Epid.VII 55, ÊIJȡȠȞ/êtron, Epid.IV 23) unterschieden (s. Kasten). Mit țİȞİȫȞ/keneôn (Epid.V 45) bzw. ›ȜȐȖȚȠȞ/plágion (Artic.12, Morb.II 37) wird die Flanke, mit ȕȠȣȕȫȞ/boubôn bzw. ȕȠȣȕȦ̏ȞİȢ/boubônes werden die Leiste (Epid.V 7) bzw. die – geschwollenen – inguinalen Lymphknoten (Epid.VI 2.2, Epid.VII 97) bezeichnet. Organe des Gastrointestinaltrakts im C.H. ijȐȡȣȖȟ/phárynx (z.B. Epid.V 63), ıijĮȖȒ/sphagê (z.B. Int.18), ȜĮȚȝȩȢ/laimós (z.B. Epid.II 6.6) o„ıȩijĮȖȠȢ/oisóphagos (z.B. Anat.1) ȖĮıIJȒȡ/gastêr (z.B. Epid.IV 25), ȞȘįȪȢ/nêdýs (Carn.13), ıIJȩȝĮȤȠȢ/stómachos (z.B. Gland.11) œȞIJİȡĮ/éntera (Mul.I 70), ȞȘįȪȢ/nêdýs (Oss.18) ȞȘ̏ıIJȚȢ/nêstis (Carn.13) țȦ̏ȜȠȞ/kôlon (Epid.VI 4.6, Anat.1) ¢ȡȤȩȢ/archós (z.B. Fist.7) įĮțIJȪȜȚȠȢ/daktýlios (Haem.5) h‘^ ›Įȡ/hêpar (z.B. Alim.31) ıȪȡȚȖȟ IJȠȣ̐ »‘ ›ĮIJȠȢ/sǔrinx toû hêpatos (Mul.I 78) ı›ȜȒȞ/splên (z.B. Epid.II 2.22) ȝİıİȞIJȑȡȚȠȞ/mesentérion (Epid.II 4.2), ›İȡȚIJȩȞĮȚȠȞ/peritónaion (Epid.VII 20), įȑȡIJȡȠȞ/dértron (Epid.V 26) ȝİıȩțȦȜȠȞ/mesókôlon (Epid.VI 4.6) ÎȞİȢ/înes (Loc.Hom.8)

Rachen Speiseröhre Magen Darm Jejunum Dickdarm Mastdarm After Leber Gallengang Milz Bauchfell

Mesenteriale Fixation des Kolons Abdominelle Aufhängebänder

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Die Sammelbezeichnung für die männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane (s. Kasten) lautet ȖȠȞĮȓ/gonaí (Artic.45). In Nat.Puer.31 wird eine Kammerung der Gebärmutter beschrieben und diese Variante in Kausalbeziehung zur Zwillingsgeburt gebracht. Die Ductus deferentes sind ebenso wenig bekannt wie Ovarien und Tuben. Mul.II 95 erwähnt die Aufhängebänder des Uterus (IJĮ̈ Ȟİȣ̏ȡĮ IJĮ̈ țĮȜİȩȝİȞĮ ÓıȤȠȚ/tà neûra tà kaleómena óschoi). Organe des Urogenitaltrakts im C.H. ȞİijȡȩȢ/nephrós (z.B. Int.14) ÑȤİIJȠ̈Ȣ ıțĮȜȘȞȠİȚįȒȢ/ochetòs skalênoeidês (Artic.50, Anat.1) țȪıIJȚȢ/kýstis (z.B. Epid.IV 42) oÙȡȒșȡĮ/ourêthra (Mul.I 9), auch: oÙȡȘIJȒȡ/ourêtêr (Morb.I 8) ›İȡȓȞİȠȢ/períneos (Aph. 4,80), țȠȤȫȞȘ/kochônê (Epid.V 7)

Niere Harnleiter Harnblase Harnröhre Damm

ƃ ÓȡȤȚȢ/órchis (z.B. Epid.II 5.11) ÓıȤȘ/óschê (z.B. Morb.II 61) ›ȩıșȚȠȞ pósthion (Epid.V 17), țĮȣȜȩȢ/kaulós (Alim.17)

Hoden Scrotum Membrum virile

Ƃ ȝȒIJȡĮ/mêtra (z.B. Nat.Puer.13), ȝȘ̏IJȡĮȚ/ mêtrai (z.B. Nat.Mul.42), u‘ ıIJȑȡĮ/hystéra (z.B. Mul.I 24), u‘ ıIJȑȡĮȚ/hystérai (z.B. Mul.I 52), įİȜijȪȢ/delphýs (Mul.III 9) țȩȜ›ȠȢ/kólpos (Nat.Puer.31) ıIJȩȝĮ/stóma (z.B. Nat.Mul.45), ıIJȩȝĮIJĮ/ stómata (Mul.I 68), ıIJȩȝĮȤȠȢ/stómachos (Superfet.32), ¢ȝijȓįİĮ/amphídea (Mul.I 57), aÙȤȒȞ/auchên (Mul.II 36) a„įȠȚ̘ȠȞ/aidoîon (Mul.I 2), ȖȩȞȠȢ/gónos (Genit.7), ë‘ȕȘ/hêbê (Epid.III 4), ™›ȓıȚȠȞ/epísion (Mul.II 68), ™›ȚțIJȑȞȚȠȞ/epikténion (Mul.I 60) ȤİȓȜȘ/cheílê (Mul.I 40), țȡȘȝȞȠȓ/krêmnoí (Loc.Hom.47) ȞİȓĮȚȡĮ ȖĮıIJȒȡ/neíaira gastêr (Nat.Mul.2)

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Uterus

Cavum uteri Cervix uteri

Regio pubica

Labia majora Unterleib

ȝĮȗȩȢ/mazós (Nat.Mul.2), IJȚIJșȩȢ/titthós (Epid.II 6.15/16) șȘȜȒ/thêlê (Epid.VI 5.11)

Mamma Mamille

Die hippokratischen Ärzte beobachten an den Kiefern, dass für die Bewegung der Gelenke die Muskeln und die inserierenden Sehnen verantwortlich sind (Artic.30). Näher beschrieben werden folgende Muskeln bzw. Muskelgruppen: Mm. temporalis et masseter (oi‘ ȝȣ̏İȢ oi‘ țȡȠIJĮijȚ̘IJĮȚ țĮȚ̈ ȝĮıȘIJȘ̏ȡİȢ țĮȜȠȪȝİȞȠȚ/hoi mǔes hoi krotaphîtai kaì masêtêres kaloúmenoi, Artic.30), die Nackenmuskeln (oi‘ ȝȣ̏İȢ ¢›Ƞ̈ IJȠȣ̏ aÙȤȑȞȠȢ ¢ȡȟȐȝİȞȠȚ/hoi mǔes apò toû auchénos arxámenoi, Artic.45), die Schultermuskeln (o‘ ȝȣ̏Ȣ IJȠȣ̏ ȕȡĮȤȓȠȞȠȢ/ho mǔs toû brachíonos, Fract.8), die paravertebralen Muskeln (oi‘ ȝȣ̏İȢ ›ĮȡĮ›İijȪțĮıȚȞ ¢pÕ aÙȤȑȞȠȢ ™Ȣ Ñıijȣ̏Ȟ/hoi mǔes parapephýkasin apò auchénos es osphǔn, Mochl.1, ›İȡȚ̈ IJȠȣ̈Ȣ ȝȣ̏ĮȢ IJȠȣ̈Ȣ r‘ĮȤȚĮȓȠȣȢ/ perí toùs mǔas toùs rhachiaíous, Aph. 7,36), die Mm. psoas (›ĮȡĮijȪıȚĮȢ... ȝȣȦ̏Ȟ.. à‘Ȣ įȘ̈ țĮȜȑȠȣıȚȞ ȥȩĮȢ/paraphýsias... mǔôn..has dê kaléousin psóas, Artic.45), die Gesäßmuskeln (ȖȜȠȣIJȩȢ/gloutós, Oss.16) und die Hüftmuskeln (IJȠȣ̈Ȣ ȝȣ̏ĮȢ IJȘ̏Ȣ ÑıijȪȠȢ/toùs mǔas tês osphýos, Int.13,17). Mit Ȟİȣ̏ȡȠȞ/neûron (Artic.30) oder IJȑȞȦȞ/ténôn (Epid.VII 47) bezeichnet man die Sehnen, mit IJȩȞȠȢ/tónos die Bänder (z.B. an der Wirbelsäule, Artic.41). In Fract.11 wird die Insertion der Achillessehne (ћȓıșȚȠȢ/opísthios) am Fersenbein erwähnt. Die Gelenkflüssigkeit (ȝȪȟĮ/mýxa) ist nach Ansicht des hippokratischen Arztes eine Voraussetzung für die freie Beweglichkeit der Gelenke (Loc.Hom.7). An den Elementen des Extremitätenskeletts (s. Kasten) werden ¢›ȩijȣıȚȢ/ apóphysis (Mochl.1), d.h. der Ort des Sehnenansatzes, įȚȐijȣıȚȢ/diáphysis (Fract. 12), d.h. der Knochenfortsatz (nicht der Knochenschaft!) und ™›ȓijȣıȚȢ/epíphysis (Fract.46), d.h. der gelenknahe Abschnitt des Knochens unterschieden. Elemente des Extremitätenskeletts im C.H. Obere Extremität ›ȜȐIJȘ/plátê (Loc.Hom.6), çȝȠ›ȜȐIJȘ/ ômoplátê (Artic.13) țȜİȓȢ/kleís (Epid.VII 93, Oss.10) ȕȡĮȤȓȦȞ/brachíôn (Artic.22) ȝĮıȤȐȜȘ/maschálê (Morb.I 26) ¢ȖțȫȞ/ankôn (Fract.15), țȪȕȚIJȠȞ/ kýbiton (Loc.Hom.6), çȜȑțȡĮȞȠȞ/ôlékranon (Epid.VII 61) ›İȡȩȞȘ/perónê (Oss.3) ›Ș̏ȤȣȢ/pêchys (Epid.III 4)

Schulterblatt Schlüsselbein Oberarm Achselhöhle Ellbogen Ellenbogenspitze Speiche (auch Wadenbein) Unterarm

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țĮȡ›ȩȢ/karpós (Oss.17) șȑȞĮȡ/thénar (Fract.14)

Handgelenk Handfläche

Untere Extremität

„ıȤȓȠȞ/ischíon (Fract.20) țȠIJȪȜȘ/kotýlê (Mochl.1) ȝȘȡȩȢ/mêrós (Mochl.20) „ȖȞȪȢ/ignýs (Nat.Hom.11), „ȖȞȪĮ/ignýa (Fract.18) ȝȪȜȘ/mýlê (Off.9, Loc.Hom.6), ™›ȚȝȣȜȓȢ/ epimylís (Mochl.1) ȖĮıIJȡȠțȞȘȝȓĮ/gastroknêmía (Artic.60) țȞȒȝȘ/knêmê (Artic.52), ¢ȞIJȚțȞȒȝȚȠȞ/ antiknêmion (Fract.23), țİȡțȓȢ/kerkís (Oss.17) ›İȡȩȞȘ/perónê (Loc.Hom.6) IJĮȡıȩȢ/tarsós (Oss.2) ıijȣȡȩȞ/sphyrón (Artic.53) ›IJȑȡȞȘ/ptérnê (Mochl.1) șȑȞĮȡ/thénar (Mul.II 116)

Hüftgelenk, Hüfte Hüftpfanne Oberschenkel Kniekehle Kniescheibe Wade Schienbein Wadenbein (auch Speiche) Sprunggelenk Knöchel, Ferse Ferse Fußsohle

In Artic.45 wird der Aufbau der Wirbelsäule (r‘ȐȤȚȢ/rháchis) dargestellt. Im einzelnen werden der physiologische Wechsel zwischen Lordose (der Hals- und Lendenwirbelsäule) und Kyphose (der Brustwirbelsäule), die Krümmung des Kreuzbeins (i‘ İȡȠ̈Ȟ ÑıIJȑȠȞ/hieròn ostéon), die Bandscheiben (įİıȝþ ȝȣȟȫįİȚ țĮȚ̈ ȞİȣȡȫįİȚ/desmô mxyôdei kaì neurôdei), die intervertebralen gelenkigen Verbindungen und die Rippen-Wirbel-Gelenke erwähnt. Die Wirbelkörperfortsätze tragen einen Knorpelbelag (ȤȠȞįȡȓȦȞ ™›ȚijȪıȚİȢ/chondríôn epiphýsies, Artic.45). Die Größe des 7. Hals- und des 5. Lendenwirbelkörpers hebt der Autor besonders hervor. Epid.II 2.24 erwähnt den Dens axis (ÑįȠȪȢ/odoús) im Zusammenhang mit der pathologischen Inklination der Halswirbelsäule bei der Pharyngitis. Die Zahl der Wirbel (ıijȩȞįȣȜȠȢ/sphóndylos, z.B. Artic.46, ı›ȩȞįȣȜȠȢ/spóndylos, z.B. Artic.45) wird in Loc.Hom.6 mit 18 falsch zu niedrig, in Oss.1 hingegen korrekt mit 24 (7 Halswirbel, 12 Brustwirbel, 5 Lendenwirbel) angegeben.

5.5 Solidarpathologie Hauptfundstellen im C.H.: Epid.III, Fract., Artic., Epid.V, Epid.VII M: Dönt H.: Die Terminologie von Geschwür, Geschwulst und Anschwellung im Corpus Hippocraticum. Diss. Wien, 1968

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Zwischen Solidar- und Humoralpathologie besteht in den Schriften des C.H. ein ausgeprägtes Ungleichgewicht. Weil die Krankheiten auf Störungen im Mischungsverhältnis der Säfte und nicht auf Organläsionen zurückgeführt wurden, pflegte man die Makropathologie nur wenig. Ausnahme war die Traumatologie (s. Kasten). Allerdings hat man durchaus versucht, einzelne klinische Symptome der Erkrankung bestimmter Organe zuzuordnen. So werden Veränderungen des Urins in Progn.12 und Mul.I 2 unmittelbar auf Erkrankungen der Harnblase zurückgeführt. Sichtbar krankhaft verändertes Gewebe wird als ıĮ›ȡȩȢ/saprós, (z.B. Epid. VII 114) bezeichnet. Der Terminus gilt sowohl für Weichgewebe (ıȐȡȟ/sárx, Ulc.10) und Knochen (z.B. Kiefer, Epid.V 4, oder Fuß, Epid.V 41) als auch für parenchymatöse Organe (z.B. Lunge, Oss.13). Traumatologische Termini im C.H.

š‘ ȜțȠȢ/hélkos (z.B. Epid.V 4) š‘ ȜțȦıȚȢ/hélkôsis (z.B. Fract.15) š‘ ȜțȦȝĮ/hélkôma (Epid.III 7) ȥȓȜȦıȚȢ/psílôsis (Fract.6) r‘ Ș̏ȟȚȢ/rhêxis (z.B. VC 12) r‘ Ș̏ȖȝĮ/rhêgma (Flat.3) œțȡȘȖȝĮ/ékrêgma (Epid.VII 7) ȝȑȜĮıȝĮ/mélasma (Fract.11, Artic.86), ȝİȜĮıȝȩȢ/melasmós (Fract.21, Artic.69) ȖȐȖȖȡĮȚȞĮ/gángraina (Mochl.3), IJò ȖĮȖȖȡĮȚȞȦ̏įİȢ/tò gangrainôdes (Epid.VII 110) oÙȜȒ/oulê (Ulc.21) ™ıȤȐȡĮ/eschára (Epid.V 7)

Wunde, oberflächliche Verletzung Ulzeration (auch der Blase, Aph. 4,75) Wunde, offene Stelle Denudierung (des Knochens) Fraktur Weichteilzerreißung Decubitus Livide Stelle, Nekrose

Nekrose

Narbe (nach Trauma) Narbe (nach Kauterisation)

Die flüssigkeitsbedingte Schwellung wird als Ú‘ įİȡȠȢ/hýderos (Int.23) bzw. Ú‘ įȡȦȥ/ hýdrôps (Morb.IV 38) bezeichnet. Ihre Ursache wurde sowohl in bestimmten Organen (Milz, Leber) als auch in einzelnen Symptomen, z.B. Durchfall (įȣıİȞIJİȡȓȘ/dysenteríê, ȜİȚİȞIJİȡȓȘ/leienteríê) gesucht (Aff.22). Aber auch andere Auslöser werden genannt: Der weiße Schleim in Morb.II 71 und eine Blutung in Epid.VI 4.9. Von der Schwellung können einzelne Organe (Füße, Coac.443, Gelenke, Aff.22, Gebärmutter, Nat.Mul.2, Bauchhöhle, Aff.24, Magen, Aff.22, Lunge, Morb.II 61), aber auch der ganze Organismus (țĮșȠȜȚțȠ̈Ȣ Ú‘ įİȡȠȢ/ katholikòs hýderos, Int.26) betroffen sein. Als Sonderformen werden Ú‘ įȡȦȥ u‘›ȠıĮȡțȓįȚȠȢ/hýdrôps hyposarkídios (wohl Anasarka, Morb.I 3) und Ú‘ įȡȦȥ ȟȘȡȩȢ/ hýdrôps xêrós (vielleicht Meteorismus, Coac.298, 444, 449) genannt. Mit Ödem

133

(Ƞ‡įȘȝĮ/oídêma) hat der hippokratische Arzt die lokale Schwellung, z.B. der Füße (Epid.IV 42) bezeichnet. Die im weitesten Sinne entzündlichen Läsionen werden mit einer Reihe von Termini belegt, die sich nur zum Teil sicher voneinander unterscheiden lassen (s. Kasten). Als Quelle des Eiters (›ȪȠȞ/pýon) betrachtet man sowohl Flüssigkeiten wie faulenden Schleim (Morb.I 15), faulendes Blut (Flat.10, Morb.I 20) oder galliges Wasser (Morb.II 14) als auch zerfallendes Weichgewebe (Nat.Hom.12, Loc.Hom.14). Auch Tumoren (z.B. eine Schwellung an der Flanke, Int.9) können eitern. Die meisten Empyeme werden dem Thorax (Coac.396, Morb.I 11,12) und Unterbauch (Morb.I 11,17) zugeordnet. Entzündungsbedingte Nekrosen hat man an einer Reihe von Organen (Gehirn, Morb.II 5,20,23, Kiefer, Epid.V 100, Knochen, Epid.V 65, Rippen, Artic.50, Sehne, Prorrh.II 13) beobachtet. Auch die Wundrose kann sowohl lokalisiert (z.B. an der Lunge, Morb.I 18, Morb.II 55 oder am Uterus, Nat.Mul.12) wie generalisiert (Epid.III 4) vorkommen. Termini der Entzündung im C.H. ™ȝ›ȪȘȝĮ/empýêma (Epid.VI 2.21) ™ȝ›ȪȘıȚȢ/empýêsis (Epid.II 3.6), įȚĮ›ȪȘȝĮ/diapýêma (Progn.7), įȚĮ›ȪȘıȚȢ diapýêsis (Progn.7), ›ĮȜȚȖțȩIJȘıȚȢ/palinkótêsis (Fract. 31), ›ĮȜȚȖțȠIJȓĮ/palinkotía (Artic.67) ™ț›ȪȘȝĮ/ekpýêma (Coac.620), ™ț›ȪȘıȚȢ/ekpýêsis (Fract.27) ¢›ȩıIJȘȝĮ/apóstêma (Epid.VII 19) ijȜİȖȝȠȞȒ/phlegmonê (Epid.II 3.11) ijȜİȖȝĮıȓĮ/phlegmasía (Epid.V 74), ijȜȑȖȝĮȞıȚȢ/phlégmansis (Mul.I 40) ijȜȠȖȝȩȢ/phlogmós (Vet.med.19) ™›ȚijȜȩȖȚıȝĮ/epiphlógisma (Aph.5,23) ıȒȥ/sêps (Epid.VI 8.3) ıȘ›İįȫȞ/sêpedôn (Epid.V 26)

Lokalisierte Eiterung Eiterung

Eiternde Wunde Abszeß Entzündliche Organschwellung Entzündung, Schwellung Entzündung Oberflächliche Entzündung Faulende Wunde Eiterung, Nekrose (ȤȜȦȡȒ/chlôrê [grün], Prorrh.I 99, ȟȘȡȒ/xêrê [trocken], Epid.V 4) Tiefe Fleisch- und Knochenwunde

ıijȐțİȜȠȢ/sphákelos (Epid.VII 56), ıijĮțİȜȚıȝȩȢ/sphakelismós (Epid.V 100) ¢›ȠıijĮțȑȜȚıȚȢ/aposphakélisis Gangrän (Artic.69, Mochl.35) ™ȡȣıȓ›İȜĮȢ/erysípelas (Progn.23) Wundrose

134

Im C.H. werden eine Reihe von Organtumoren beschrieben. Epid.VII 55 berichtet von einem Tumor der Leber, der sich nach unten entwickelte, und einem weiteren Tumor in dessen Nachbarschaft, Epid.V 101 und Gland.17 jeweils von einem sezernierenden Mammatumor, Epid.VII 111 von einer Geschwulst des Pharynx und Mul.II 24 von einem Tumor des Uterus. Die Nomenklatur der Tumoren ist jedoch nicht einheitlich. Am häufigsten wird die Bezeichnung ijȣ̏ȝĮ/phǔma (z.B. Int.9) verwendet. So nennt der hippokratische Autor aber nicht nur solide Knoten, sondern auch gut abgrenzbare Schwellungen, die durch die Ansammlung von Schleim oder Galle (Morb.I 19,20) oder nach einem Sturz (Aff.34) entstehen. Ein ulzerierender Tumor wird als ijĮȖȑįĮȚȞĮ/phagédaina (Epid.VI 3.23, Ulc.10), eine Geschwulst, die vor allem durch ihre tastbare Härte auffällt, als ıțȜȒȡȣıȝĮ/sklêrysma (Epid.IV 38), ıțȜȘȡȣıȝȩȢ/sklêrysmós (Hum.4) oder ıțȓȡȡȠȢ/skírrhos (z.B. des Uterus, Mul.I 18) bezeichnet. Von Polyp (›ȫȜȣ›ȠȢ/pôlypos) spricht der Autor nur dann, wenn er Geschwülste der Nase meint (z.B. Aff.5, Morb.II 33). Krebs (țĮȡțȓȞȠȢ/karkínos) wird im C.H. als Terminus sowohl in der zoologischen (Krebs, Krabbe, z.B. Vict.III 82) wie in der medizinischen Bedeutung (z.B. țȡȣ›IJȠȚ̈ țĮȚ̈ ¢țȡȩ›ĮșȠȚ/kryptoì kaì akrópathoi [in tiefer und oberflächlicher Lage], Prorrh.II 11) verwendet. Die organbezogenen Geschwülste werden jedoch als țĮȡțȓȞȦȝĮ/karkínôma (Alim.17) bezeichnet. Das nur in Morb.II 37 nachgewiesene Wort țĮȡțȓȞȚȠȞ/karkínion bezeichnet eine Wucherung des Nasenknorpels. Mit ȝİIJȐıIJĮıȚȢ/metástasis wird die Ablagerung von Schleim und Galle in einem beliebigen Organ (z.B. Rippen, Zwerchfell, Lunge) bezeichnet (Aff.12); im Zusammenhang mit einem Organtumor taucht der Begriff nicht auf.

5.6 Humoralphysiologie Hauptfundstellen im C.H.: Nat.Hom., Aff., Vict.I, Int.

Die Vorstellung, dass der Körper vier Säfte enthält, die für die Homöostase verantwortlich sind, ist das zentrale Thema der hippokratischen Physiologie (s. Kasten S. 136). In dieses Schema wird die Erklärung für die Art und Weise vieler Funktionen des Körpers eingebunden. Darüberhinaus hat sie als Basis für eine weitreichende Systematisierung der somatischen Seite des menschlichen Lebens und die Deutung der Beziehungen des Menschen zu seiner Umwelt gedient. Das Säfteschema gilt zwar als klassisch hippokratisch. In einer Reihe von Schriften des C.H. wird es jedoch in einer z.T. stark gegenüber der orthodoxen Fassung veränderten Form tradiert. Die Patientenversorgung deckte nicht selten Widersprüche zwischen der Säftetheorie und ihrer Anwendung in der Praxis auf. In Epid.V 26 bemerkt der Autor, dass man einem Unfallverletzten die gallige Natur des Körpers äußerlich gar nicht anmerkte, und in Epid.VI 8.26 wundert er sich,

135

dass auch junge Leute, die voll schwarzer Galle sind, ein mehr oder weniger normales Leben führen können. Das klassische Viererschema der Säfte Körpersaft

Elementarqualität Jahreszeit

(Nat.Hom.4)

(Nat.Hom.4)

(Nat.Hom.4) (Vict.I 33)

Lebensalter

Blut

Warm und feucht

Frühling

Gelbe Galle

Warm und trocken Sommer

Kindheit Jugend

Schwarze Galle Kalt und trocken

Herbst

Mannesalter

Schleim

Winter

Greisenalter

Kalt und feucht

Geschlecht

(Vict.I 34)

Männlich

Weiblich

Varianten des Viererschemas der Säfte

Aer. 10 Progn. 17 Hum. 13–14 Salubr. 5 Morb.I 30 Aff. 1 Aff. 36 Morb.Sacr. 5 Vict.I 4 Genit. 3 Carn. 2

Drei Säfte: Blut, Galle, Schleim Drei Säfte: Blut, Galle, Schleim Vier Säfte (nur Blut und Galle werden explizit genannt) Zwei Säfte: Galle, Schleim Drei Säfte: Blut, Galle, Schleim Zwei Säfte: Galle, Schleim Vier Säfte (Wasser statt gelber Galle) Drei Säfte: Blut, Galle, Schleim Zwei Säfte: Galle, Schleim – Zwei Elemente: Feuer, Wasser Vier Säfte (Wasser statt gelber Galle) Säfte nicht genannt, nur vier Elemente: Feuer, Wasser, Erde, Luft.

Die Säfte des menschlichen Körpers werden als „țȝȐįİȢ/ikmádes (z.B. Morb.IV 33) oder – seltener – als ȤȣȝȠȓ/chymoí (z.B. Epid.IV 43) bezeichnet. Nach Nat.Hom.4, der kanonischen Quelle der humoralphysiologischen Theorie, unterscheidet man vier Elemente, die die Natur des Körpers bestimmen: Blut (a^i‘ ȝĮ/haîma), Schleim (ijȜȑȖȝĮ/phlégma), gelbe Galle (ȤȠȜȘ̈ ȟĮȞșȒ/cholê xanthê) und schwarze Galle (ȤȠȜȘ̈ ȝȑȜĮȚȞĮ/cholê mélaina). Mit den vier Säften korrespondieren die vier Elementarqualitäten, die vier Jahreszeiten und die vier Lebensalter. In Morb.IV 2,5–9 werden die Bildungsstätten (›ȘȖĮȓ/pêgaí) der vier Säfte, nämlich Herz (für das Blut), Kopf (für den Schleim), Leber bzw. Gallenblase (für die gelbe Galle) und Milz (für das Wasser, das an dieser Stelle die schwarze Galle ersetzt) genannt. Wenn der Körper von einem der vier Säfte zu viel hat, scheidet er ihn aus, und zwar über den Mund, die Nase, den Darm oder mit dem Urin (Morb.IV 10).

136

Die Säfte korrelieren eng mit den Konstitutionstypen (Vict.I 32). Sowohl der Schleimsüchtige (ijȜİȖȝĮIJȫįȘȢ/phlegmatôdƝs, z.B. Morb.II 5) als auch der Gallesüchtige (ȤȠȜȫįȘȢ/cholôdƝs, Aer.5) werden überwiegend nach somatischen Kriterien charakterisiert. Der Bittergallige (›ȚțȡȩȤȠȜȠȢ/pikrócholos) und der Schwarzgallige (ȝİȜĮȖȤȠȜȚțȩȢ/ melancholikós) neigen zu Durchfallerkrankungen (Epid.III 14); für den Melancholiker sind außerdem fieberassoziierte neurologische Symptome typisch (Epid.III 17.2). Eine klare Beziehung zwischen den Säften und den Temperamenten stellt der hippokratische Autor nicht her. Die richtige Mischung (țȡĮ̏ıȚȢ/krâsis) der Säfte entscheidet darüber, ob das Individuum gesund oder krank ist (Vet.med.19, Nat.Hom.1, Vict.I 32,35). Das optimale Mischungsverhältnis ist nicht fix, sondern es variiert in Abhängigkeit von der Natur des Menschen und den Jahreszeiten. Im Winter sinkt der Anteil der Galle, im Sommer der des Schleims. Gallebedingte Erkrankungen sind daher im Sommer, schleimbedingte Erkrankungen im Winter häufiger. Zu keiner Zeit verschwindet aber einer der Säfte ganz aus dem Blut. Das Volumen von Galle, Wasser, Blut und Schleim hängt von der Art der Ernährung ab (Morb.IV 2). Speisen und Getränke enthalten unterschiedlich viel Säfte. Wenn der Mensch gegessen oder getrunken hat, holt sich der Körper aus dem Bauch so viel Saft, wie er jeweils braucht, und verteilt ihn über die Gefäße auf die Organe. Wenn er also z.B. Käse oder andere schleimreiche Kost zu sich nimmt, dann wird der zugeführte Schleim zum Gehirn transportiert und ersetzt den dort bereits vorhandenen Schleim. Im Idealfall gelangt der Schleim, der das Gehirn verlassen hat, in den Bauch und wird von dort mit dem Stuhl ausgeschieden. Die Ingesta erhalten die natürliche Wärme des Körpers (Aph. 1,14). Die Säfte werden von der Natur aus dem Rohzustand durch Kochung (›ȑȥȚȢ/pépsis, Vet.med. 18,19) zur Reife gebracht, d.h. in eine dem Organismus zuträgliche Mischung verwandelt. Von Kochung (›İ›ĮıȝȩȢ/pepasmós) spricht der hippokratische Arzt allerdings auch im Zusammenhang mit der Bildung von Sputum (Epid.III 17.2) und Urin (Epid.III 10). Folgerichtig kann auch der Urin unverdaut sein (oÛȡĮ Á›İ›IJĮ/oûra ápepta, Acut.42). Solange der Urin dünn und gelblich ist, nimmt der Arzt auch an, dass die Krankheit selbst noch nicht verdaut ist (Á›İ›IJȠȞ ȞȩıȘȝĮ/ápepton nósêma, Progn.12), die Krise also noch bevorsteht. Die letzte Phase der Nahrungsverwertung wird als ıȘ̐ȥȚȢ/sêpsis bezeichnet (Epid.II 2.2). Wenn der Körper die Nahrung nicht ausgenutzt hat, dann wird der Stuhl (įȚĮȤȫȡȘȝĮ/diachôrêma) als ÁıȘ›IJȠȞ/ásêpton bezeichnet (Vict.III 80).

5.7 Humoralpathologie Hauptfundstellen im C.H.: Epid.I, Aff. M: Schöner E.: Das Viererschema in der antiken Humoralpathologie. Wiesbaden, 1964

137

Krankheit entsteht nach der Lehre der Humoralpathologie durch abnorme Mischung der Körpersäfte; der zur Beschreibung dieses Zustands mitunter verwendete Begriff der Dyskrasie fehlt allerdings im C.H. Man postulierte, dass die externen Kausalfaktoren die Menge und/oder Temperatur der Körpersäfte so weit verändern, dass ihr Mischungsverhältnis in krankmachender Weise gestört ist. Wenn das Volumen eines oder mehrerer Säfte zu groß ist, wird der sonst regelmäßige Fluss des Blutes und der Luft behindert. Gelingt es dem Körper nicht, das Ungleichgewicht durch natürliche Ausscheidungen zu beseitigen, so läuft der Betroffene Gefahr, Krankheitssymptome zu entwickeln. Dazu kommt es aber nur dann, wenn zwei weitere Voraussetzungen erfüllt sind. Zum einen muss der krankmachende Saft in Bewegung geraten und sich vom Blut absetzen. Zum anderen muss er auf ein z.B. durch Austrocknung entsprechend disponiertes Organ oder einen anderen Körperteil treffen, in dem er sich festsetzen kann. Über diesen Mechanismus ist die Humoralpathologie mit der Solidarpathologie verbunden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der hippokratische Arzt auch so eindeutige makropathologische Läsionen wie Hämorrhoiden auf ein Ungleichgewicht der Säfte zurückführt (Haem.1). Die vier Körpersäfte unterscheiden sich in ihrer krankmachenden Wirkung voneinander wesentlich. Das geringste pathogene Potenzial hat das Blut. Es wird – als Kofaktor des Schleims – nur für die Bildung von Geschwülsten verantwortlich gemacht (Aff.34). Viel aggressiver sind der Schleim und die Galle und die Kombination von Schleim und Galle (s. Kasten). Körpersäfte und Krankheiten/Symptome im C.H. Galle

Phrenitis (Aff.10) Kausos (Aff.11) Ikterus (Aff.32)

Schleim

Kopfschmerz (Aff.2) Peripleumonie (Aff.9)

Schleim + Blut

Geschwülste (Aff.34) Epilepsie (Morb.Sacr.8)

Galle + Schleim

Winterfieber (Aff.12) Plötzlicher Schmerz (Aff.16) Dysenterie (Aff.23) Arthritis (Aff.30) Podagra (Aff.31)

Die Verteilung der Säfte im Körper wird vom Gehirn geregelt. Es zieht überschüssige Säfte an und verteilt sie, um sich zu reinigen, auf die verschiedenen

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Körperteile (Loc.Hom.1,10–15, Gland.11, Carn.16). Dafür sind sieben Abflusswege (r‘ ȩȠȢ/rhóos, Loc.Hom.10, r‘İȣ̏ȝĮ/rheûma, Loc.Hom.13) vorgesehen. Sie führen zur Nase, zu den Ohren, zu den Augen, zum Thorax, zum Mark, zu den Wirbeln, zum Fleisch und zu den Hüften und in den Rachen und Magen. Wenn der krankmachende Saft bzw. die krankmachende Saftmischung am Zielorgan angekommen ist, werden dort die charakteristischen Symptome ausgelöst. Den sieben enzephalofugalen Flüssen steht eine enzephalopetale Strömung, nämlich die der Lochien (Mul.I 41) gegenüber. Am Beispiel der Epilepsie wird besonders gut deutlich, wie sich der hippokratische Arzt den Zusammenhang zwischen dem Strom der Säfte und den Symptomen der Krankheit vorstellt (Morb.Sacr.5–11). Das Leiden befällt generell die Schleimsüchtigen und verschont die Gallesüchtigen. Der kalte Schleim entströmt dem Kopf und vermischt sich mit dem warmen Blut, das daraufhin abkühlt und erstarrt (¢›ȠȥȪȤİIJĮȚ țĮȚ̈ ›ȒȖȞȣIJĮȚ/apopsýchetai kaì pêgnytai, Morb.Sacr.11). Wenn sich dieser Vorgang in großen Gefäßen abspielt, tritt der Tod ein. Sind nur kleinere Gefäße betroffen oder kann sich das Blut wieder erwärmen, dann kehrt das zunächst verlorene Bewusstsein zurück. Entscheidend ist, ob die Atmung behindert ist oder nicht. Wenn so viel Schleim durch die Adern fließt, dass die Luft weder ins Gehirn noch in andere Körperteile vordringen kann, verliert der Kranke die Sprache, seine Hände verkrampfen sich, er verdreht die Augen, Schaum tritt vor den Mund und er lässt unter sich. Je länger die Krankheit besteht, desto feuchter wird das Gehirn durch den Überschuss an Phlegma. Der abfließende Schleim ist aber dann sehr dünn und kann rasch vom Blut erwärmt werden. Daher werden die Kranken leichter und öfter von Anfällen heimgesucht. Als Apostase (¢›ȩıIJĮıȚȢ/apóstasis) wird die Verlagerung eines krankmachenden Saftdepots von einem Ort an einen anderen bezeichnet (Epid.II 1.7). Der Weg führt dabei nicht nur über die Gefäße, sondern auch über die Nerven, Knochen, Sehnen und die Haut. Je weiter der neue Manifestationsort vom alten entfernt ist und je weniger groß seine funktionelle Bedeutung ist, desto besser ist es für den Kranken. Noch vorteilhafter ist es, wenn die Depots mit Blut aus der Nase, mit Eiter aus den Ohren, über den Auswurf oder mit dem Urin ausgeschieden werden (țĮIJ` œțȡȠȣȞ/kat’ ékroun, Epid.II 1.7). Die Apostase eröffnet also die Möglichkeit der Genesung. Sie kann aber auch Chronifizierung und Verschlechterung bedeuten. Dies ist dann der Fall, wenn die neue Lokalisation zu klein und unbedeutend und daher der Krankheit nicht gewachsen ist. In Epid.IV 26 wird dafür beispielhaft die rechte Großzehe angeführt, in die sich eine Entzündung aus der Lunge und dem Darm verlagert hatte.

139

6 Klinische Medizin 6.1 Hippokratische Terminologie A: Aguilar R.M.: El concepto de normalidad en el «Corpus Hippocraticum. In: Coll.Hipp.X Nice 1999 (Nice, Paris 2002): 123–148 Andò V.: La ijȪıȚȢ tra normale e patologico. In: Coll.Hipp.X Nice 1999 (Nice, Paris 2002): 97–122 Byl S.: Néologismes et premières attestations de noms de maladies, symptomes et syndromes dans le Corpus Hippocraticum. In: Maladie et maladies. Histoire et conceptualisation: mélanges en l’ honneur de Mirko Grmek. Éd. Gourevitch D. Genève, 1992: 77–94 Gallego Pérez M.T.: Physis dans la Collection hippocratique. In: Coll. Hipp. VIII Kloster Banz/Staffelstein 1993 (Hildesheim 1996): 419–436 Joly R.. Indices lexicaux pour la datation de Génération, Nature de l’enfant et Maladies IV. In: Coll.Hipp.II Mons 1975 (Mons 1977): 136– 147 López Férez J.A.: Eufemismos y vocabulario técnico en el Corpus Hippocraticum: estudio de algunos términos escatológicos y anatómicos. In: Studi sull’ eufemismo. A cura di De Martino F., Sommerstein A.H. Bari, 1999: 219–257 Manetti D.: Valore semantico e risonanze culturali della parola ijȪıȚȢ. PP 1973; 153: 426–444. Vegetti M.: Tra passioni e malattia: pathos nel pensiero medico antico. Elenchos 1995; 16: 217–230

Die Terminologie des C.H. (s. Kasten S. 142) basiert auf dem Vokabular der ionischen Naturphilosophie. Viele Begriffe. z.B. der für Lungenentzündung (›İȡȚ›ȜİȣȝȠȞȓĮ/peripleumonía [DK 68 C 7]) sind unverändert oder mit nur geringem Bedeutungswandel übernommen worden. Andere haben mit der Weiterentwicklung der medizinischen Fachsprache neue Inhalte und Aussagen gewonnen. Besonders groß ist die Bedeutungsvielfalt von Termini aus dem Grenzbereich zwischen Philosophie, Naturwissenschaften und Medizin. Der im C.H. am häufigsten verwendete Begriff für Krankheit ist ȞȩıȠȢ/ nósos bzw. ȞȠȣ̏ıȠȢ/noûsos (z.B. Aph. 4,39). Damit werden sowohl der Zustand des Krankseins als auch einzelne Krankheiten bezeichnet. Der Terminus ȞȩıȘȝĮ/nósêma (z.B. Morb.IV 57) wird vor allem für innere Erkrankungen benutzt. Mit ›ȐșȠȢ/páthos (z.B. Progn.1) wird das krankheitsbedingte Leiden, mit ›ȐșȘȝĮ/páthêma werden die Symptome (z.B. der angeborenen beidseitigen Hüftluxation, Artic.56) bezeichnet. Seltener verwendete Synonyma sind ¢ȡȡȦıIJȓĮ/arrhôstía (z.B. Aph.7,32) bzw. ¢ȡȡȫıIJȘȝĮ/arrhôstêma (z.B. Epid.VII 93) und ¢ıșȑȞİȚĮ/asthéneia (z.B. Nat.Mul.12).

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Im C.H. verwendete biologische Grundbegriffe mit wechselnder Bedeutung įȪȞĮȝȚȢ/

dýnamis

– Körperkraft (z.B. Nat.Hom.1) – Durchsetzungsfähigkeit (z.B. Vet.med. 15) – Potenzial (z.B. Alim.7: įȪȞĮȝȚȢ IJȡȠijȘ̏Ȣ/dýnamis trophês [Kraft der Nahrung]) – Besondere Qualität (z.B. Vict.I 35: h‘ IJȠȣ̐ Ú‘ įĮIJȠȢ įȪȞĮȝȚȢ/hê toû hýdatos dýnamis [Kraft des Wassers]) – Elementarqualität (z.B. Epid.II 6.15) – Summe der Eigenschaften (z.B. Vict.II 61: ÓȥȚȠȢ įȪȞĮȝȚȢ/ópsios dýnamis [Sehkraft])

eÎįȠȢ/ eîdos

– Äußeres Erscheinungsbild (z.B. Nat.Hom.9, Epid.II 3,2) – Konstitution, Typ, ~ ijȪıȚȢ/phýsis [Natur] (z.B. Hum.1: ıȣȖȖİȞİ̈Ȣ eÎįȠȢ/syngenès eidos [Konstitution], Salubr.2: eÎįȠȢ ıĮȡțȦ̐įİȢ, ȝĮȜșĮțȩȞ, ™ȡȣșȡȩȞ/eidos sarkôdes, malthakón, erythrón [fleischiger, weichlicher, rötlicher Typ])

ijȪıȚȢ/

– Göttliche Ordnung der Natur (z.B. Aer. 22) – Natur als Gegensatz zu Kultur und Zivilisation (z.B. Morb.Sacr.1) – Heilende Kraft der Natur (z.B. Epid.VI 5.1) – Menschliche Natur (z.B. Vict.III 67: ai‘ ijȪıȚİȢ IJȦ̏Ȟ ¢Ȟșȡȫ›ȦȞ įȚȐijȠȡĮȚ ™Ƞȣ̏ıĮȚ/hai phýsies tôn anthrôpôn diáphorai eousai [in Anbetracht der Unterschiede der menschlichen Naturen]) – Natürliche Widerstandskraft (z.B. De Arte 11: h‘ ijȪıȚȢ h‘ IJİ IJȠȣ̏ ȞȠıȑȠȞIJȠȢ/hê phýsis hê te toû noséontos [Abwehrkraft des Kranken]) – Natürliche, d.h. physiologische Anordnung (z.B. Fract.1: aÚ‘ IJȘ ȖĮ̈ȡ h‘ įȚțĮȚȠIJȐIJȘ ijȪıȚȢ/hautê gàr hê diakiotátê phýsis [dies ist die natürlichste Haltung]) – Natürliche Entwicklung (z.B. Aer.14 über die Makrokephalen) – Charakter einer Erkrankung (z.B. Aff. 25)

phýsis

142

6.2 Allgemeine Krankheitslehre Hauptfundstellen im C.H.: Epid I–VII, Morb.I, Aff., Morb.II, Morb.III, Int. M: Kühn J.H.: System- und Methodenprobleme im Corpus Hippocraticum. Wiesbaden, 1956 Preiser G.: Allgemeine Krankheitsbezeichnungen im Corpus Hippocraticum. Gebrauch und Bedeutung von Nousos und Nosema. Berlin, 1976 Vintró E.: Hipócrates y la nosología hippocrática. Barcelona, 1972 A: Potter P.: Some principles of Hippocratic nosology. In: Coll.Hipp.VI Québec 1987 (Québec 1990): 237–253

Der hippokratische Arzt kennt eine Vielzahl von Faktoren, die Krankheiten auslösen bzw. dazu disponieren, und unterscheidet zwischen äußeren und inneren Ursachen (Hum.12, Morb.I 16, Prorrh.II 39). In der ersten Gruppe wird zusätzlich zwischen Einflussgrößen der Umwelt und teils schicksalhaften, teils beeinflussbaren individuellen Größen differenziert (s. Kasten S. 144). Die wichtigsten Umweltfaktoren sind die geographische Lage des Wohnorts (ȤȫȡȘ/ chôrƝ) des Kranken, das dort herrschende Klima, die Wasserqualität ‘ ȡȘ œIJİȠȢ/hôrê éteos, Epid.II 3.2). Richtung und (Aer.7) sowie die Jahreszeit (è Temperatur der Winde und die davon abhängige Qualität der Atemluft bestimmen wesentlich die Disposition der Bevölkerung für Erkrankungen verschiedener Organsysteme (Aer.3–6). Die saisonale Häufung von Erkrankungen, z.B. der Melancholie im Frühjahr und Herbst und des Lethargos im Winter, wird in Aph.3,20–23 beschrieben. Leiden, die in einer bestimmten Region gehäuft auftreten, bezeichnet der hippokratische Arzt als ™›ȚȤȫȡȚȠȢ/epichôrios (Aer.3). Von ihnen werden die sporadischen (ı›ȠȡȐȢ/sporás, Acut.5) und die ubiquitären (›ȐȖțȠȚȞȠȢ/pánkoinos, Aer.3) Erkrankungen abgegrenzt. Die bei weitem häufigste Krankheit bzw. das Leitsymptom vieler Erkrankungen ist das Fieber (Flat.6). Für Arzt und Patient gleichermaßen unmittelbar einsichtig ist die pathogene Wirkung äußerer Gewalt. Zu den Auslösern gehören Verletzungen durch Geschosse (VC 11, Morb.I 21), Schläge (Int.1), Stürze (Artic.48), Zusammenprall (¢ȞIJȑȡİȚıȚȢ/antéreisis, Artic.50) oder die Begegnung mit einer Schlange (Epid.V 86). Aber auch körperliche Belastung (›ȩȞȠȢ/pónos, Morb.I 2, IJĮȜĮȚ›ȦȡȓĮ/talaipôría, Int.11, ȖȣȝȞĮıȓĮ/gymnasía, Morb.I 15) fällt in diese Kategorie. Die externen Krankheitsursachen beherrschen die pathophysiologischen Überlegungen der Traumatologen, sind aber auch für die Innere Medizin, z.B. für Erkrankungen der Lungen, von Bedeutung (Int.1).

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Nosologische Grundbegriffe im C.H.

ÑȟȪȢ/oxýs (Progn.2,5,8) ›ȠȜȣȤȡȩȞȚȠȢ/polychrónios (Progn.12) ȤȡȩȞȚȠȢ/chrónios (Epid.II 1.6) ›ĮȡȠȟȣıȝȩȢ/paroxysmós (Epid.V 64) ¢ȡĮȓȦıȚȢ/araíôsis (Epid.VI 5.3) „ıȤȪȢ/ischýs (Acut.38) o‘ȝȠİșȞȓĮ/homoethnía (Loc.Hom.1)

u‘ ›ȠıIJȡȠijȒ/hypostrophê (Epid.IV 17), u‘ ›ȠIJȡȠ›ȚĮıȝȩȢ/ hypotropiasmós (Aph. 4,36), ›ĮȜȚȞįȡȠȝȓĮ/palindromía (Epid.IV 42) ¢țȝȒ/akmê (Acut.38) țȡȓıȚȢ/krísis (Epid.IV 22)

ȜȪıȚȢ/lýsis (Epid.II 5.11–12, 6.14)

akut protrahiert chronisch Verschlimmerung Linderung Schweregrad Mitbeteiligung anderer Körperteile bei Erkrankung eines Organs (z.B. bei Erysipelas des Uterus, Mul.II 65) Rezidiv

Entwicklung zur Krise Kritischer Punkt im Krankheitsverlauf. Entscheidung über weitere Entwicklung (Heilung, Exazerbation, Tod). In Praec.14 wird țȡȓıȚȢ als ¢›ȩȜȣıȚȢ ȞȠȪıȠȣ/apólysis noúsou [Befreiung von der Krankheit] definiert Remission

Das Spektrum der inneren Ursachen umfasst Alter und Geschlecht, kongenitale somatische Faktoren und die Lebensgewohnheiten (œșȠȢ/éthos, Hum.1). Aph. 3,24–31 beschreibt die wichtigsten Krankheiten des Säuglings- und Kindesalters, der Pubertät, der Erwachsenen und der Alten. Nach Morb.I 22 nehmen sowohl traumatische als auch nicht-traumatische Erkrankungen bei Männern einen anderen Verlauf als bei Frauen. Die individuelle Disposition zu einer Erkrankung wird ausdrücklich als angeborene Eigenschaft (ıȣȖȖİȞȚțȠ̈Ȟ eÎįȠȢ/syngenikòn eîdos, Hum.1) bezeichnet. Der hippokratische Autor postuliert sowohl für Allgemeinerkrankungen (Phthisis, Hydrops, Podagra) wie für Erkrankungen einzelner Organe (z.B. Epilepsie) eine genetische Komponente (Prorrh.II 5). In Epid.III 1.6 wird einer schwerkranken Frau die angeborene Tendenz zum körperlichen Verfall (ıȣȖȖİȞȚțȠ̈Ȟ ijșȚȞȦ̏įİȢ/syngenikòn phthinôdes) attestiert. Salubr.2 stellt zwei Konstitutionstypen (Athletiker, Astheniker) vor und leitet daraus Empfehlungen für die Diätbehandlung ab. Nach Epid.II 1.8 unterscheiden sich auch einzelne Körperteile

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(Gefäße, Darm, Skelett) und bestimmte Funktionen (z.B. die Stimme) konstitutionell. Von welchen Lebensgewohnheiten Gesundheit und Krankheit beeinflusst werden, berichtet der hippokratische Autor in Epid.VI 8.23. Er nennt dabei die Kleidung, den Schlaf, das Geschlechtsleben und die geistige Aktivität. An erster Stelle aber steht die Ernährung. Die Art der Speisen und Getränke, die man zu sich nimmt, gilt als entscheidender Kausalfaktor für sonst nicht erklärbare sporadische Erkrankungen (Nat.Hom.9). Hat man diesen Zusammenhang einmal richtig erkannt, gilt es herauszufinden, welche Bestandteile der Nahrung die Krankheit verursachen, und die entsprechenden diätetischen Konsequenzen zu ziehen.

6.3 Spezielle Krankheitslehre M: Graumann L.A.: Die Krankengeschichten der Epidemienbücher des Corpus Hippocraticum: medizinhistorische Bedeutung und Möglichkeiten der retrospektiven Diagnose. Aachen, 2000 Grmek M.: Le diagnostic rétrospectif de quelques cas cliniques des Épidémies V et VII. In: Hippocrate et sa postérité. Sous la dir. de S. Byl. Bruxelles, 2001: 23– 37

Die hippokratische Medizin ist eine ganzheitlich orientierte Allgemeinmedizin. Der Wanderarzt diagnostiziert und behandelt Erkrankungen aller Organe. Es gibt zwar auf Teilbereiche spezialisierte Ärzte, aber keine Gliederung der Medizin in organ- oder krankheitsassoziierte Fachgebiete. Daher ist es nicht gerechtfertigt, z.B. von einer hippokratischen Neurologie zu sprechen. Dennoch erscheint die Zuordnung der im C.H. genannten Symptome (s. Kasten S 146) und Erkrankungen zu den modernen medizinischen Fachrichtungen als Gliederungsgrundlage für die Darstellung der speziellen Krankheitslehre geeignet. Viele im C.H. erwähnte Krankheiten können nicht oder nicht sicher mit modernen nosologischen Entitäten identifiziert werden, weil das pathomorphologische Substrat und/oder Ätiologie, Pathogenese und Pathophysiologie nicht ausreichend beschrieben wird. Bei manchen inneren Erkrankungen ist nicht einmal sicher, welche(s) Organ(e) betroffen ist (sind). Hinter unterschiedlichen Krankheitsbezeichnungen verbergen sich gleiche oder ähnliche Symptome oder Kombinationen von Symptomen. Umgekehrt können einer im C.H. einheitlichen Erkrankung (z.B. dem Kausos) mehrere Krankheitsbilder zugeordnet werden. Aus den Symptomen lassen sich jedoch manchmal Schlüsse ziehen, die eine mehr oder weniger sichere Identifizierung des Leidens oder zumindest eine Verdachtsdiagnose zulassen. Am besten eignen sich die in Epid. beschriebenen Krankheiten und Kranken für den Versuch der retrospektiven Diagnose.

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Allgemeinsymptome im C.H.

ÑįȪȞȘ/odýnê (z.B. Loc.Hom.42), ›ȩȞȠȢ/pónos (z.B. Morb.IV 44), ÁȜȖȠȢ/álgos (z.B. Epid.V 6), ¢ȜȖȘįȫȞ/algêdôn (z.B. Int.47), ÁȜȖȘȝĮ/álgêma (z.B. Epid.VII 59) țȩ›ȠȢ/kópos (Epid.VII 44) ȝȫȡȦıȚȢ/môrôsis (Virg.1) țĮȡȘȕĮȡȓĮ/karêbaría (Epid.IV 37, Prorrh.I 147) œȡȡȚȥȚȢ/érrhipsis (Epid.VI 1.15) țĮIJȐțȜĮıȚȢ/katáklasis (Epid.VI 1.15) țȡĮȚ›ȐȜȘ/kraipálê (Aer.3) țȞȘıȝȩȢ/knêsmós (Int.7) ÑįĮȟȘıȝȩȢ/odaxêsmós (Aph. 3,25) IJȡȩȝȠȢ/ trómos (Epid.IV 43b) țȜĮȣșȝȩȢ/klauthmós (Epid.VII 11,90)

ÑȡijȞȦ̏įİȢ/orphnôdes (Progn.24) ›IJȣĮȜȚıȝȩȢ/ptyalismós (Coac.396) ȟȘȡĮıȓĮ/xêrasía (Aff.37) țĮȤİȟȓĮ/kachexía (Aph.3,31), IJȘ̏ȟȚȢ/ têxis (Epid.IV 51), ıȫȝĮIJȠȢ ȟȪȞIJȘȟȚȢ/ sômatos xýntêxis (Epid.VII 7) șȡȩȝȕȠȢ/thrómbos (Ulc.26)

Körperlicher Schmerz

Müdigkeit Schlaffheit Kopfschmerz, schwerer Kopf Erschöpfung Erschlaffung der Glieder Kopfschmerz, „Kater“ Jucken Juckreiz, Irritation Zittern Schrilles Schreien (vor allem von Kindern) Schwarzwerden vor den Augen Hypersalivation Exsikkose Kräfteverfall

Gerinnsel (von Blut, Epid.V 11, von Galle, Morb.II 75)

Innere Medizin Hauptfundstellen im C.H.: Epid., Aff., Int.

Für die Innere Medizin der hippokratischen Ärzte waren Pneumologie und Infektiologie die wichtigsten Teilbereiche (s. Kasten S. 147). Infektionen der Atmungsorgane waren die Erkrankungen, die sie am häufigsten sahen. Neben dem Husten ist daher das Fieber (›ȣ̏ȡ/pǔr, z.B. Epid.III 1.5, ›ȣȡİIJȩȢ/pyretós, z.B. Progn.18, ›ȣȡİIJȠȓ/pyretoí, z.B. Epid.VII 71, ›ȣȡȑIJȚȠȞ/pyrétion, z.B. Epid.VII 16, șȑȡȝȘ/thérmê, z.B. Epid.VII 48, º›ȓĮȜȠȢ/êpíalos [kaltes Fieber], z.B. Aer.3) das Leitsymptom der hippokratischen Patienten. Der Fieberkranke wird als ȤȜȚĮȚȞȩȝİȞȠȢ/chliainómenos (Epid.II 2.6) bezeichnet.

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Atemwegssymptome im C.H. ȕȒȟ/bêx (Epid.VI 7.1) Husten ȕȒȤȚȠȞ/bêchion (Epid.VII 50) Leichter Husten ÑȡșȠ›ȞȠȓĮ/orthopnoía (Morb.III 7) Atmen in aufrechter Körperhaltung įȣı›ȞȠȓĮ/dyspnoía (Progn.17) Atemnot ÁıșȝĮ/ásthma (Epid.VII 9) Schwere Atemnot ¢›ȩȤȡİȝȥȚȢ/apóchrempsis (Epid.VII 7) Auswurf r‘ ȑȖȤȠȢ/rhénchos (Epid.VII 77), Röcheln r‘ ȑȖțȠȢ/rhénkos (Epid.V 55) u‘ ›ȠțİȡȤȐȜİȠȞ/hypokercháleon Rasselgeräusche (Epid.VII 12), ijȩijȠȚ/psóphoi (Epid.VII 51) Für die Typisierung des Fiebers (s. Kasten) war der Verlauf der Körpertemperatur der entscheidende Parameter (Progn.24, Nat.Hom.15). Die Continua galt als besonders gefährlich (Epid.I 24–25). Von der Tertiana unterschied man zwei Typen, je nachdem, ob die Temperatur sich vor dem nächsten Anstieg ganz oder nur teilweise normalisiert hatte. Als echtes Dreitagefieber sah man jene Form an, bei der der Kranke vorübergehend vollkommen entfieberte. Unabhängig davon hielt man die Tertiana für eine selbstlimitierte (IJĮȤȣțȡȓıȚȝȠȢ/tachykrísimos, Epid.I 24) nichttödliche Erkrankung. Auch bei der Quartana stellte man eine günstige Prognose. Fieber, die nicht in bestimmten Zeitintervallen wiederkehrten, wurden als ›ȜȐȞȘȢ/plánês (Epid.I 6) oder ›ȜĮȞȫįȘȢ/planôdƝs (Epid.IV 20) bezeichnet. Typisierung des Fiebers im C.H. ıȪȞȠȤȠȢ/sýnochos (Nat.Hom.15), ıȣȞİȤȒȢ/synechês (Epid.VII 2) ¢ȝijȘȝİȡȚȞȩȢ/amphêmerinós (Morb.Sacr.1) IJȡȚIJĮȚ̘oȢ/tritaîos (Aff. 18, Morb.II 42) h‘ȝȚIJȡȚIJĮȚ̘ȠȢ/hêmitritaîos (Epid.VII 43) IJİIJĮȡIJĮȚ̘ȠȢ/tetartaîos (Epid.VI 6.5) ›İȝ›IJĮȚ̘ȠȢ/pemptaîos (Aff. 10) ™ȞĮIJĮȚ̘ȠȢ/enataîos (Epid.VII 39) e‘ȞįİțĮIJĮȚ̘ȠȢ/hendekataîos (Morb.II 14)

Continua Quotidiana Tertiana Halbdreitagefieber Quartana Fünftagefieber Neuntagefieber Elftagefieber

Das Fieber kann mit Kältegefühl (ȥȣ̏ȟȚȢ/psǔxis, Epid.VI 5.15, r‘Ț̘ȖȠȢ/rhîgos, Int.37, ȕȡȣȖȝȩȢ/brygmós, Morb.II 46), Schüttelfrost (ijȡȓțȘ/phríkê, Epid.VII 98, ijȡȓȟ/phríx, Morb.II 68) und Schwitzen (i‘ įȡȫȢ/hidrôs, Epid.VII 13) kombiniert und von einem Schluckauf (›ȣȡİIJȠ̈Ȣ ȜȣȖȖȫįȘȢ/pyretòs lyngôdês, Morb.II 64) begleitet sein. In Epid.VII 51 wird eine fiebernde Patientin mit beidseitiger entwe-

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der septischer oder rheumatischer Arthritis der Knie und Unterschenkel vorgestellt. Die Periodizität der Fieber weist darauf hin, dass viele der davon betroffenen Kranken an Malaria erkrankt waren. Die Bemerkung in Aer.3, dass die Quartana dann gehäuft auftritt, wenn das Trinkwasser aus Sümpfen geschöpft wird, ist als weiteres Indiz für diese Hypothese zu werten. Zudem wird von zwei Fieberkranken, nämlich Philiskos (Epid.I 26.1) und Pythion (Epid.III 17.3) berichtet, die schwarzen bzw. schwärzlichen Urin entleert haben. Bei ihnen ist es im Rahmen einer Malaria tropica mutmaßlich zu intravasaler Hämolyse und Hämoglobinurie gekommen. Auf andere Erreger des endemischen Fiebers als das Plasmodium malariae gibt es keine derart stringenten Hinweise. Auch die Ursache der winterlichen Hustenepidemie (Epid.VI 7.10, Hum.7) und der sommerlichen Brennfieberepidemie (Epid.II 3.1) von Perinth sind nicht bekannt. Von drei wichtigen, im C.H. vielfach erwähnten Erkrankungen der Atemwege, nämlich dem Brennfieber (țĮȣ̏ıȠȢ/kaûsos), der Pleuritis (›ȜİȣȡȚ̘IJȚȢ/ pleurîtis) und der Peripleumonie (›İȡȚ›ȜİȣȝȠȞȓȘ/peripleumoníê) bzw. Peripneumonie (›İȡȚ›nİȣȝȠȞȓȘ/ peripneumoníê), ist nicht nur die Ätiologie unbekannt, sondern sie lassen sich auch klinisch nicht ausreichend voneinander trennen. Erschwerend kommt für die Differenzialdiagnose hinzu, dass sie teilweise ineinander übergehen (z.B. der Kausos in die Peripleumonie, Morb.I 29) oder eine Krankheit die Komplikation der anderen ist (z.B. die Peripleumonie die Komplikation der Pleuritis, Aph. 7,11). Außerdem bestehen Ähnlichkeiten zwischen den drei Krankheiten und der Phrenitis bzw. der Phthisis (Epid.III 5) und zumindest sowohl die Pleuritis als auch die Peripleumonie können in ein Empyem übergehen (Aph. 5,8, Morb.I 12). Typisch für den Kausos sind remittierendes Fieber (›ȣȡİIJȠ̈Ȣ țĮȣıȫįȘȢ/ pyretòs kausôdês, Morb.II 63), Schwellung des Rachens, Entzündung der Zunge, Abszesse an den Zähnen und starke Expektoration (Acut.spur.2). Aber auch gastrointestinale (z.B. gelber wässeriger Durchfall) und neurologische Symptome (z.B. Bewusstseinsstörungen) und Polydipsie werden beobachtet (Acut. spur.1). Die Krankheit kann durch Exsikkose zum Tod führen (Morb.I 33). In Epid.VII 10 wird ein mit dem Tode des Kranken endender Fall von Kausos beschrieben, bei dem die zentralnervösen Symptome dominieren. Bei der Pleuritis, wie sie im C.H. dargestellt wird, war mutmaßlich nicht nur das Rippenfell, sondern die ganze Brustwand betroffen (Aff.10). Die Kranken klagten über starke uni- oder bilaterale Thoraxschmerzen, Dyspnoe, Husten und Auswurf. Dazu kamen Schluckauf und Hämoptysen (Morb.I 31, Morb.III 16). Es wird ausdrücklich festgestellt, dass sich die Krankheit auch in den Rücken und in die Bauchhöhle ausbreiten kann (Morb.I 7). Wer an Peripleumonie leidet, hat auf beiden Seiten des Thorax Schmerzen (Loc.Hom.14). Der Schmerz kann in den Rücken sowie die Schulterblätter und Schlüsselbeine ausstrahlen (Morb.III 15). In Morb.I 28 wird eine Sonderform der

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Erkrankung beschrieben, bei der die Patienten zwar Husten und Fieber hatten, aber keinen schleimigen Auswurf produzierten. Phthisis (ijșȓıȚȢ/phthísis, z.B. Morb.II 50) bzw. Phthoe (ijșȩȘ/phthóê, z.B. Morb.II 49), wie sie das C.H. beschreibt, ist mehr als Schwindsucht. Der Terminus charakterisiert die Terminalphase einer Reihe von konsumierenden Erkrankungen (Epid.I 2). Daher ist die Letalität hoch (Epid.I 3). Die frühen Symptome (Husten, Schüttelfrost, Auswurf, Brust- und Rückenschmerzen) ähneln denen der Pleuritis und Peripleumonie. Später magert der Phthisiker ab (Epid.III 14), er entwickelt Uhrglasnägel (Morb.II 48), bekommt chronischen Durchfall und starken Durst (Int.10) und zeigt die Symptome der Phrenitis. Die Erkrankung setzt im Alter zwischen 18 und 35 Jahren ein (Aph. 7,88). In Städten, die den kalten Winden ausgesetzt sind, wird eine Sonderform der Phthisis bei jungen Müttern beobachtet (Aer. 4). Organbezogene Manifestationen der Phthisis sind an Rückenmark (Int.12) und Nieren (Int.15) beschrieben. Im C.H. werden zwar eine Reihe gastrointestinaler Erkrankungen geschildert und kasuistisch dargestellt (s. Kasten). Zumeist handelt es sich dabei aber um ein oder mehrere Symptome oder unzureichend definierte Erkrankungen von Magen, Darm und anderen Bauchorganen. Sicher mit der Krankheit im modernen Sinne identisch ist allerdings die vom hippokratischen Autor beschriebene Gelbsucht (‡țIJİȡȠȢ/íkteros, z.B. Aph.4,62). In Morb.II 38/39 ist die Gelbfärbung von Haut und Augen, in Morb.III 11 der den Ikterus begleitende Juckreiz (™ȞȓȠIJİ įİ̈ țĮȚ̈ IJȠ̈ i‘ ȝȐIJȚȠȞ oÙk ¢ȞȑȤİIJĮȚ œȤȦȞ, ¢ȜȜĮ̈ įȐțȞİIJĮȚ/eníote dè kaì tò himátion ouk anéchetai échôn, allà dáknetai [manchmal hält er auch den Mantel, den er anhat, nicht aus, sondern er kratzt sich]) treffend beschrieben. Man nahm an, dass die Verfärbung durch die Ablagerung von Galle unter der Haut hervorgerufen wird (Aff.32). In Abhängigkeit von der jahreszeitlichen Häufung der Manifestation unterschied man vier Typen des Ikterus (Int.35–38). Leitsymptom von Erkrankungen der Milz ist die Vergrößerung und Verhärtung des Organs (Aff. 20). In Int.30–34 werden auf Grund pathophysiologischer und klinischer Kriterien fünf Milzleiden unterschieden; für eines von ihnen macht der Autor den Genuss von rohem Gemüse und Wasser verantwortlich. Als typisch für Erkrankungen der Leber werden Schmerzen im rechten Oberbauch und die Verfärbung der Haut angesehen. In Int.27–29 unterscheidet der Verfasser drei Formen der Hepatopathie; letztere ist von ausgeprägten neurologischen Symptomen begleitet und lässt an die hepatische Enzephalopathie denken. Gastrointestinale Symptome im C.H. ÁıȘ/ásê (Epid.VII 94) œȝİıȚȢ/émesis (Morb.II 74), œȝİIJȠȢ/ émetos (Epid.IV 24) ȞĮȣıȓȘ/nausíê (Epid.IV 41)

Übelkeit, Erbrechen Erbrechen Übelkeit

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įȚȐȡȡȠȚĮ/diárrhoia (Aff.25) įȣıİȞIJİȡȓȘ/dysenteríê (Epid.II 6.26)

ȜİȚİȞIJİȡȓȘ/leienteríê (Epid.II 2.21)

ıIJȡȩijȠȢ/stróphos (Aff.47)

țĮȡįȚĮȜȖȓĮ/kardialgía (Epid.II 1.3) țĮȡįȚȦȖȝȩȢ/kardiôgmós (Aph. 4,17) ÑȟȣȡİȖȝȓȘ/oxyrhegmíê (Aph.6,1, Epid.II 2.21) IJİȚȞİıȝȩȢ/teinesmós (Epid.I 2.5)

™ȝijȪıȘȝĮ/emphýsêma (Acut.spur.52, Epid.III 17) ijȣ̏̏ıĮȚ/phǔsai (Epid.IV 31) œ›ĮȡıȚȢ/éparsis (Epid.II 3.6) œȞIJĮıȚȢ/éntasis (Epid.II 3.6) ȖĮıIJȡȠ̈Ȣ IJĮȡĮȤȒ/gastròs tarachê (Epid.II 6.22) țȠȚȜȓȘȢ IJĮȡĮȤȒ/koilíês tarachê (Epid.IV 38) įȚĮȤȦȡȒȝĮIJĮ ȝȑȜĮȞĮ/diachôrêmata mélana (Epid.III 13) ȤȠȜȑȡȘ/cholérê (Epid.V 10)

Durchfall (auch im Plural, z.B. Epid.I 2.5) Durchfall (wird in Aff.25 als der įȚȐȡȡȠȚĮ ähnlich bezeichnet), auch: galliges Erbrechen (Coac.454), diffuser Bauchschmerz (Aff.23) und blutiger Stuhl (Vict.III 74). Nach Coac.453 kann sich įȣıİȞIJİȡȓȘ an Rippen, Eingeweiden und Gelenken manifestieren Durchfall (wird in Aff.25 als der įȚȐȡȡȠȚĮ ähnlich bezeichnet), auch: Verlust unverdauter Nahrung (Aff.24). In Aph.7,77 wird ȜİȚİȞIJİȡȓȘ als Folgesymptom der įȣıİȞIJİȡȓȘ dargestellt Kolik. Auch Nabelkoliken (ıIJȡȩijȠȚ ›İȡȚ̈ IJȠ̈Ȟ ÑȝijĮȜȩȞ/stróphoi perì tòn ómphalon) waren bekannt (z.B. Epid.VI 8.19) Erbrechen (auch gallig, z.B. Epid.IV 16) Sodbrennen Aufstoßen, Sodbrennen Vergebliches Bemühen um Defäkation. In Aff.26 Kombination von schwarzem Blut, Schleim und Schmerzen im Unterbauch Meteorismus Flatulenz Schwellung des Bauches Anspannung des Bauches Leichte gutartige Erkrankung des Magens Leichte gutartige Erkrankung des Darms Blutstuhl

Schmerzhafte Entleerung der Säfte nach oben und unten ȤȠȜȑȡȘ ȟȘȡȒ/cholérê xêrê (Acut.spur.19) Obstipation e„ȜȑȠȢ/eiléos (z.B. Aph.3,22, Aff.21, Intestinale Obstruktion. Morb.III 14) e„ȜȑȠȢ „țIJİȡȫįȘȢ/eiléos ikterôdƝs ~ Ikterus (Int.45)

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Das C.H. erwähnt mehrere Wurmerkrankungen (șȘȡȚȦ̏įİȢ/thêriôdes, Epid.II 1,3), die auch heute noch Bedeutung haben. Der hippokratische Autor unterscheidet bei den Erregern der Helminthosen grundsätzlich zwischen Rundwürmern (š‘ ȜȝȚȞșİȢ ıIJȡȠȖȖȪȜĮȚ/hélminthes strongýlai, Aph.3,26) und Plattwürmern (š‘ ȜȝȚȞșȠȢ ›ȜĮIJȑȘȢ/hélminthos platéês, Morb.IV 54). Die Ausstoßung von Würmern galt als prognostisch günstig (Progn. 11, Prorrh.II 28, Judic. 2). In Epid.VII 17 berichtet der Verfasser von einem Jungen, der die Würmer über eine Gallefistel in der Bauchwand ausschied. Die saisonale Häufung von Wurmerkrankungen im Herbst wird in Epid.VI 1.11 hervorgehoben; dabei werden die Spulwürmer (¢ıțĮȡȓįİȢ/ askarídes) besonders erwähnt. Aph.7,55 beschreibt die Ruptur eines Echinokokkus der Leber, Int. 23 die eines Echinokokkus der Lunge. Nicht identifiziert sind die Würmer, die man bei einer stillenden Frau im Mund sah und deren Zunge ausgetrocknet und so hart geworden war wie Hagelkörner (Epid.IV 10). Epid.VII 52 teilt den Tod eines Jungen mit, der eine schleimige Masse erbrochen hatte, die wie der Embryo eines platten Wurms aussah. Bei den in Int.39–43 beschriebenen fünf Formen von Typhos (IJȣ̐ijȠȢ/tǔphos) sind die gastrointestinalen Beschwerden (Durchfall, Bauchschmerz) nur eines von mehreren Symptomen oder sie fehlen sogar ganz (Typ III). Es dominieren wechselweise Schwäche in Armen und Beinen, Atemnot und Husten, Schwellungen der Gelenke oder starke Abmagerung und Inkontinenz. Es ist daher nicht möglich, den hippokratischen Typhos einer modernen nosologischen Entität wie dem Typhus abdominalis oder einer anderen Form der infektiösen Enteropathie zuzuordnen. In den Epidemien werden zwei Patienten beschrieben, deren Symptomatik gut zu definierten modernen Krankheitsbildern passt. Ein Mann aus Oiniadai (Epid.V 6) litt unter Magenschmerzen, die im Nüchternzustand stärker waren als nach dem Essen. Außerdem magerte er stark ab. Man darf annehmen, dass er ein Ulkusleiden hatte. Epid.V 98 stellt einen Mann mit Namen Aristippos vor, der durch einen Pfeil am Bauch verletzt worden war. Er litt unter Durst und starken Bauchschmerzen, hatte Fieber und erbrach und konnte keinen Stuhl absetzen. Nach sieben Tagen trat – mutmaßlich wegen einer schweren Peritonitis – der Tod ein. Nur wenige im C.H. beschriebene Leiden sind zumindest einigermaßen sicher als hämatologische Erkrankungen zu identifizieren. Die in Coac.333 (ȖȘ̏Ȣ ™›ȚșȣȝȓȘ/gês epithymíê [Lust auf Erde]) und Prorrh.II 31 (ȜȓșȠȣȢ IJİ țĮȚ̈ ȖȘ̏Ȟ IJȡȫȖȠȣıȚ/líthous te kaì gên trôgousi [sie essen Steine und Erde]) geschilderte Geophagie ist auch als Pica-Syndrom oder Pikazismus bekannt und wird u.a. bei Eisenmangelanämie beobachtet. Die in Int.30–34 beschriebenen Erkrankungen der Milz dürften zumindest teilweise mit der Thalassämie in Verbindung stehen. Während eines Aufenthalts in Ainos machte der hippokratische Autor die Beobachtung, dass Männer und Frauen, die während einer Hungersnot viele Hülsenfrüchte aßen, Schwäche in den Beinen entwickelten (Epid.II 4.3, Epid.VI 4.11).

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Dieses Symptom ist wohl als Folge der einseitigen bzw. Mangelernährung zu deuten; gegen Favismus als Ursache der Symptomatik spricht der chronische Verlauf. Die in Epid.VI 7.2, Int. 46 und Prorrh.II 3–6 beschriebenen Symptome passen zum Skorbut.

Neurologie Hauptfundstellen im C.H.: Epid.I–VII, Aff., Morb.Sacr., Int.

Das C.H. beschreibt viele Patienten mit neurologischen Symptomen, z.B. Kopfschmerzen (Aff.2). In der Mehrzahl der Fälle liegt den Beschwerden aber ein nicht-neurologisches Grundleiden, vielfach eine fieberhafte Erkrankung zugrunde. Die primären neurologischen Erkrankungen (z.B. Epilepsie) treten der Zahl nach zurück. Die Differenzierung zwischen zentralen und peripheren Nervenleiden bzw. neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen ist noch kaum entwickelt (s. Kasten S. 153). Die Symptome der Epilepsie (Aura, Sprachverlust, rollende Augenbewegungen, Verkrampfungen der Hände, Schaum vor dem Mund, Bewusstlosigkeit, unwillkürlicher Stuhlabgang) werden in Morb.Sacr. ausführlich und treffend beschrieben. Die Krankheit gilt als hereditär (Morb.Sacr.5); je früher sie beginnt, desto schwerer ist der Verlauf (Prorrh.II 9). Mit ™›ȚȜȘȥȓĮ/epilêpsía (Alim.26) bezeichnete man die Krankheit, mit ™›ȓȜȘȥȚȢ/epílêpsis (Coac.587, Morb.Sacr.10) den epileptischen Anfall. Ein verbreitetes Synonym für Epilepsie war i‘ İȡȘ̈ ȞȠȣ̏ıȠȢ/hierê noûsos [Heilige Krankheit], Morb.Sacr.1, ein weniger geläufiges h‘ȡȐțȜİȚĮ ȞȠȣ̏ıȠȢ/hêrákleia noûsos [Herakleische Krankheit], Mul.I 7. Nach Aer.4 kannte man allerdings mehrere so genannte Heilige Krankheiten (i‘ İȡĮ̈ ȞȠıİȪȝĮIJĮ/hierà noseúmata]. Viele im C.H. beschriebene Krämpfe (ı›ĮıȝȠȓ/spasmoí) waren nicht Symptome einer Epilepsie, sondern fieberassoziiert (Epid.I 6). Mit IJȑIJĮȞȠȢ/tétanos kann sowohl ein z.B. in der Lumbalregion lokalisierter Krampf (Acut.spur.37) als auch der für den Tetanus typische Kieferkrampf (Morb.III 12) gemeint sein. In Epid.VII 37 und Int.52 wird ausdrücklich hervorgehoben, dass dem Tetanos eine offene Verletzung vorausgeht. Der Kieferkrampf kann mit Lähmungen und Aphasie kombiniert sein (Epid.VII 8). Mit Opisthotonus wird nicht nur das Symptom der krankhaften Reklination des Rumpfes bezeichnet (Epid.V 74), sondern auch eine eigenständige Erkrankung (Morb.III 13). In ihrem Rahmen kombinieren sich die typische verzerrte Körperhaltung mit Schreien und Verkrampfungen der Beine und Hände. Als Ursachen werden Angina, Tonsillitis und Verletzungen (Int.53) angegeben. Als Apoplexie (¢›Ƞ›ȜȘȟȓĮ/apoplêxía, Aph. 2,42 bzw. ¢›ȩ›ȜȘȟȚȢ/apóplêxis, Prorrh.II 14) wird sowohl die Lähmung des ganzen Körpers (Aph.6,56) als auch die einzelner Glieder, z.B. die des Arms (Coac. 353) bezeichnet. Das Verstum-

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men (¢ijȦȞȓĮ/aphônía, z.B. Mul.I 2 bzw. ¢ȞĮȣįȓĮ/anaudía, z.B. Mul.I 32), das z.B. im Zusammenhang mit Frauenleiden und fieberhaften Erkrankungen erwähnt wird, ist wohl nicht mit dem Verlust der Sprache (Aphasie) gleichzusetzen. Allerdings ist in Acut.spur.6 von plötzlicher Sprachlosigkeit bei bis dahin gesunden Individuen die Rede. Über Lähmungen (›ĮȡĮ›ȜȘȖȓĮȚ/paraplêgíai) im Rahmen epidemischer Erkrankungen berichtet der hippokratische Autor aus Thasos (Epid.I 14) und Perinth (Epid.II 3.1). Der Symptomenkomplex, der dazu führt, dass eine Person als ȕȜȘIJȩȢ/blêtós [vom Schlag getroffen] (Acut. 17) bezeichnet wird, besteht aus Stirnkopfschmerz, ein- oder beidseitigen Sehstörungen, Bewusstseinsverlust und leichtem Fieber. In Epid.V 83 wird ein männlicher Patient mit den Symptomen einer Migraine ophtalmique (Lichtblitze vor dem rechten Auge, Schläfenschmerz, später Nackenschmerz) vorgestellt. Neurologische und psychiatrische Symptome und Erkrankungen im C.H. țİijĮȜĮȜȖȓȘ/kephalalgíê (Epid.VII 5) țĮȡȘȕĮȡȓĮ/karêbaría (Epid.IV 37, Prorrh.I 147) įȚ̘ȞȠȢ/dînos (VC 11) ıțȠIJȠįȚȞȓĮ/skotodinía (Aff.2) ȜȚ›ȠșȣȝȓĮ/lipothymía (Aph.5,56, Epid.VI 7.2), ȜȚ›ȠȥȣȤȓĮ/lipopsychía (Epid.VII 10) ȕȜȘıIJȡȚıȝȩȢ/blêstrismós (Epid.III 17.5) r‘Ț›IJĮıȝȩȢ/rhiptasmós (Morb.III 15) ‡ȜȚȖȖȠȚ/ílingoi (Aph.3,23) ijȡȠȞIJȓȢ/phrontís (Morb.II 72) ¢șȣȝȓĮȚ/athymíai (Epid.V 84) eÙșȣȝȓȘ/euthymíê (Epid.V 84) ¢›ȠȞȐȡțȦıȚȢ/aponárkôsis (Artic. 46,48) „ıȤȚȐȢ/ischiás (Aer.22)

Kopfschmerz Kopfschmerz, schwerer Kopf Schwindel Schwindel, Schwindelanfall Ohnmacht

Motorische Unruhe (Chorea?) Schleuderbewegungen, Ballismus Schwindel Hypochondrie Depression, Todessehnsucht Manische Phase der Depression Sensibilitätsverlust Hexenschuss (in Aph.6,59/60: Hüftluxation)

Bei den so genannten dicken Krankheiten (›ĮȤȑĮ ȞȠıȒȝĮIJĮ/pachéa nosêmata, Int.47–50) treten zu Fieber, Schüttelfrost, Hepatomegalie und anderen somatischen Phänomenen folgende neurologische Symptome: Berührungsempfindlichkeit, schmerzhaftes Muskelzittern, Mydriasis, Sehstörungen, Unfähigkeit zu stehen und Halluzinationen. Das Leiden zieht sich über mehrere Jahre hin und rezidiviert nach Remissionen immer wieder. Es mag sich dabei um die Spätfolgen von Infektionen am Nervensystem oder chronische Vergiftungen gehandelt haben. Zur Beschreibung der geistigen Verwirrung bzw. des Delirs verwendet der hippokratische Autor eine Reihe von Termini (s. Kasten S. 154). Eine sichere

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Differenzierung bzw. Graduierung der Symptomatik lässt sich daraus aber nicht ableiten. Das delirante Reden wird als ȜȘ̏ȡȠȢ/lêros (Epid.VII 25, 56) oder ›ĮȡĮȜȒȡȘıȚȢ/paralêrêsis (Epid.VII 2,5,11) bezeichnet und gilt als prognostisch ungünstig. Terminologie des Wahnsinns im C.H.

¢ȜȣıȝȩȢ/alysmós (Epid.VII 10) ȖȞȫȝȘȢ ›ĮȡȐijȠȡȠȚ/gnômês paráphoroi (Epid.II 3.1) ›ĮȡĮȜȜȐȟȚİȢ ijȡİȞȦ̏Ȟ/paralláxies phrenôn (Acut.spur.1) ›ĮȡȐțȡȠȣıȚȢ/parákrousis (Prorrh.I 19) ›ĮȡĮijȡȩȞȘıȚȢ/paraphrónêsis (Morb.I 30) ›ĮȡĮijȡȠıȪȞȘ/paraphrosýnê (Progn.22) ›ĮȡĮțȠ›Ȓ/parakopê (Epid.III 17.5) țĮIJĮijȠȡȒ/kataphorê (Epid.IV 26) IJȣijȠȝĮȞȓĮ/typhomanía (Epid.IV 13) ›ĮȡȐȞȠȚĮ/paránoia (Morb.Sacr.1) ȝĮȞȓĮ/manía (Epid.II 5.2) ™țȝĮȞȘ̏ȞĮȚ/ekmanênai (Epid.IV 15) In vielen Fällen dürften die Betroffenen an einem Fieberdelir gelitten haben. Dabei wurden motorische Automatismen der oberen Extremitäten beobachtet. Der hippokratische Autor vergleicht sie mit den Bewegungen der Finger und Hände, die nötig sind, um Flocken von einer Bettdecke zu lesen (țȡȠțȣįȠȜȠȖȑȦ/ krokydologéô, Epid.VII 25) oder Haare zu zupfen (țĮȡijȠȜȠȖȑȦ/karphologéô, Progn.4). Man spricht auch heute noch gelegentlich von Krozidismus bzw. Karphologie, wenn man derartige Symptome charakterisieren will. Fieber und geistige Verwirrung sind auch die Leitsymptome der Phrenitis (ijȡİȞȚ̘IJȚȢ/ phrenîtis, z.B. Morb.I 30). Die Patienten haben einen starren Blick und wollen nicht angefasst werden (Morb.III 9). Sie verweigern die Nahrungsaufnahme und enden im Verfall (Morb.I 34). Der neurologische Charakter der Erkrankung wird jedoch dadurch relativiert, dass sie in einer Reihe mit Kausos, Pleuritis und Erysipelas genannt werden und außerdem festgestellt wird, dass sie sich zur Peripleumonie entwickeln kann (Morb.I 3). Ebenso wie die Phrenitis ist auch der Lethargos (ȜȒșĮȡȖȠȢ/lêthargos) eine eigenständige Erkrankung, die in einer Reihe mit Pleuritis, Peripleumonie und Kausos aufgezählt wird (Aph. 3,30). Das Leitsymptom ist Schläfrigkeit. Die Betroffenen leiden jedoch unter zahlreichen anderen Beschwerden wie Zittern, Schwitzen und Inkontinenz (Coac.136) sowie Husten und reichlichem Speichelfluss und haben einen schlechten Körpergeruch (Morb.II 65). Wenn die Erkrankung überlebt wird, kann sich ein Empyem entwickeln. Das Koma (țȦ̏ȝĮ/kôma, z.B. Morb.II 25) wird als Zustand definiert, aus dem ein Mensch nur schwer erweckt werden kann (Epid.VII 5). Insofern decken

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sich der antike und der moderne Inhalt des Begriffs. In Epid.III 6 werden jedoch zwei Formen des Koma unterschieden, die diese Deutung relativieren. Danach wird der eine Typ zwar als langanhaltender, dem Schlaf ähnlicher Zustand bezeichnet, vom anderen aber wird gesagt, dass die Betroffenen schlaflos seien und unter Schmerzen litten. In Epid.VII 109 wird auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Koma, das sich bei dem Sohne des Epicharmos am dritten Tag nach einem Zechgelage einstellte, nur von kurzer Dauer war. Ähnlich wie Phrenitis und Lethargos steht auch die Melancholie (ȝİȜĮȖȤȠȜȓĮ/ melancholía, z.B. Aph.3,14, auch im Plural, z.B. Aer.10) in Aufzählungen unmittelbar neben rein somatischen Erkrankungen. Morb.I 3 führt sie in einer Reihe mit Gelenkerkrankungen, Podagra und Ischias an. In Aph.6,23 wird sie jedoch unmissverständlich als Angst oder langanhaltende Verstimmung definiert. Nach Epid.VI 8.31 ähneln sich Melancholie und Epilepsie. Beiden liegt die gleiche Erkrankung zugrunde; die Melancholie ist deren psychisch betonte und die Epilepsie die somatisch betonte Variante. Die körperliche Symptomatik der Melancholie umfasst Lähmungen, Krämpfe und Blindheit (Aph.6,56). Lisplern und Schnellrednern, Kahlköpfen und zottigen Typen wird eine besondere Neigung zu melancholischen Affektionen nachgesagt (Epid.II 5.1,6.1). Eine Begründung dafür fehlt im Text. Wenn das Rückenmark erkrankt, verliert der Patient die Kontrolle über seine Beine, er hat Sensibilitätsstörungen und entwickelt Harn- und Stuhlretention (Prorrh.II 16). Die beiden Ursachen, die dem hippokratischen Arzt für diesen Zustand bekannt waren, sind der traumatische Querschnitt (Artic. 48) und die Phthisis des Rückenmarks (ijșȓıȚȢ ȞȦIJȚȐȢ/ phthísis nôtiás, Morb.II 51). Bei den Rückenmarksverletzten wird klar zwischen hohem und tiefem Querschnitt unterschieden. Außerdem berichtet der Autor, dass die Unfallopfer später die Sensibilität am ganzen Körper verlieren können (ȞİȞĮȡțȦȝȑȞȠȚıȚȞ/nenarkôménoisin, Liqu.1). Als typische Symptome der Rückenmarksphthisis werden Parästhesien (o i‘^ȠȞ ȝȪȡȝȘțĮȢ/hoîon mýrmêkas [wie Ameisenlaufen]) und nächtlicher Samenerguss genannt (Morb.II 51). Da von der Erkrankung vorwiegend jungverheiratete und andere sexuell aktive Männer betroffen sind, darf man annehmen, dass sich hinter der hippokratischen Phthisis des Rückenmarks die Neurolues verbirgt. Von den Läsionen der peripheren Nerven wird die Ulnarislähmung nach dorsaler Ellbogenluxation erwähnt (Artic.19).

Chirurgie und Orthopädie Hauptfundstellen im C.H.: VC, Fract., Artic., Mochl., Epid.V M: Debru A.: Hippocrate. La consultation. Paris,1986 Roselli A.: La chirurgia ippocratica. Saggio introduttivo e traduzioni. Firenze,1975

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Die hippokratischen Ärzte waren überwiegend in der Unfallchirurgie tätig (s. Kasten). Für mechanische Behandlungsmaßnahmen (ȝȘȤĮȞȠ›ȠȚİȚ̘Ȟ/mêchanopoieín, z.B. Fract.15, 30) standen ihnen eine Reihe von Hilfsmitteln zur Verfügung. Die meisten Geräte (țĮIJĮıțİȣȒ/kataskeuê, z.B. Artic.47, ȝȘȤĮȞȒȝĮ/ mêchánêma, z.B. Fract.30, Artic.42) dienten der Reposition, Extension und Ruhigstellung verletzter Gliedmaßen; dabei setzte man vielfach grobe körperliche Kraft (‡›ȦıȚȢ/ípôsis, Artic.47) ein. Zur Schädeltrepanation wurden speziell geformte Bohrer verwendet. Für die so genannte Bank des Hippokrates verwendet der hippokratische Autor die Termini ȟȪȜȠȞ/xýlon (Fract.13), ȟȪȜȠȞ IJİIJȡȐȖȦȞȠȞ/xýlon tetrágônon (Artic. 42,72) und IJİIJȡȐȖȦȞȠȚ ıIJȪȜȠȚ/tetrágônoi stýloi (Fract.13). Die dafür besser bekannte griechische Bezeichnung ȕȐșȡȠȞ/báthron stammt von Rufus von Ephesos (Orib. 49.26) und kommt in den hippokratischen Schriften nicht vor. Im C.H. wird die Vokabel ȕȐșȡȠȞ nur an einer Stelle (Flat.3) und dort ohne Bezug zur chirurgischen Therapie, sondern im Zusammenhang mit geophysikalischen Betrachtungen benutzt. Von anderen chirurgisch behandelbaren Erkrankungen wie Hernien (r‘Ș̏ȟȚȢ/rhêxis, Epid.II 1.9, țȒȜȘ/kêlê, Aer.7) oder Krampfadern (țȓȡıȠȢ/kírsos, Epid.VI 2.5) werden zwar die Symptome beschrieben; genaue Behandlungsanweisungen gibt der Autor aber nicht. Eine wichtige Ausnahme machen Hämorrhoiden und Analfisteln (Haem., Fist.). Chirurgische Instrumente im C.H. Für die Behandlung der Extremitäten ȞȐȡșȘȟ/nárthêx (Artic.27), ıȦȜȒȞ/sôlên (Fract. 16,22) ¢ıțȩȢ/askós (Artic.47,77) ıijĮȚ̘ȡĮȚ/sphaîrai (Fract.30) ȟȪȜȠȞ/xýlon (Fract.13), įȠțȓȢ/dokís [Planke] (Fract.13), ıĮȞȓȢ/sanís [Dachbalken] (Artic.47), ıIJȡȦIJȒȡ/strôtêr [Querbalken] (Artic.7) Ú‘ ›İȡȠȞ/hýperon (Artic.5), ȟȣȜȚȞȠ̈Ȣ ȝȠȤȜȩȢ/xylinòs mochlós (Artic.72) i‘ ȝȐȢ/himás (Fract.13) ›ȜȒȝȞȘ/plêmnê (Fract.13) țȜȚ̘ȝĮȟ/klîmax (Artic. 42–44), țȜȚȝȐțȚȠȞ/ klimákion (Artic. 6) Für die Trepanation des Schädels IJȡȪ›ĮȞȠȞ/trýpanon (VC 18,21, Int.23) ›ȡȓȦȞ/príôn (VC 21, Artic.12)

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Schiene Luftgefüllter Beutel „Fixateur externe“ Verschiedene Hölzer, die für Repositionsversuche eingesetzt wurden (Hölzerner) Hebel Lederriemen Radnabe [zur Fixation von Zugbändern] Leiter

Trepan, Drillbohrer Sägetrepan

ȟȣıIJȒȡ/xystêr (VC 14,19)

Schabeisen, Raspatorium

Für die Zahnbehandlung ÑįȠȞIJȐȖȡĮ/odontágra (Medic.9) ıIJĮijȣȜȐȖȡĮ/staphylágra (Medic.9) ȤȘȜȒ/chêlê (Morb.II 33.35)

Extraktionszange Haltezange für das Zäpfchen Geißfuß

Die meisten Schädelverletzungen wurden durch Geschosse (z.B. VC 12) verursacht. Es wird jedoch auch über andere Ursachen berichtet. Das am Kopf verletzte Unfallopfer von Epid.V 16 war von einem Pferd getreten und der Mann aus Omilos (Epid.V 27), der seiner Schädelverletzung am 16. Tag nach dem Unfall erlag, war von einem Stein getroffen worden. Man teilte die Schädelverletzungen in fünf Typen (Fraktur, Kontusion, Impressionsfraktur, Hedra, d.h. Fraktur plus Kontusion, Contre-coup Verletzung) ein (VC 4–8). Läsionen am Hinterkopf galten als bedrohlicher als solche an der Stirn (VC 13). Mit der Trepanation (›ȡȚ̘ıȚȢ/prîsis, VC 9,12,14,21) verfolgte man zwei Ziele: Die Drainage von Sekreten und die Reposition von knöchernen Fragmenten. In Mochl.39 wird möglicherweise eine posttraumatische Liquorrhoe beschrieben. Mit IJİȡȘįȫȞ/terêdôn (Morb.II 7,24) bezeichnet der Autor eine Osteolyse der Calvaria. Der in Epid.V 97 dargestellte Lokalbefund spricht für die Diagnose einer Schädeldachosteomyelitis. Traumata der Bauchorgane sind weniger gut dokumentiert. In Epid.V 62 wird von einem Mann berichtet, der von einem Speer in die Leber getroffen worden war und binnen Stunden verblutete. Äußere Blutungen (ai‘ȝȠȡȡĮȖȓĮ/ haimorrhagía, Artic.69, Morb.II 4,17–18, ai‘ ȝĮIJȠȢ r‘Ș̏ȟȚȢ/haímatos rhêxis, Progn.7, ™țȤȪȝȦıȚȢ/ekchýmôsis, Liqu.1, ™țȤȪȝȦȝĮ/ekchýmôma, Artic.50) versuchte man durch Adstringenzien (ıIJȣ›IJȚțȐ/styptiká, Aph.7,37) und/ oder durch Abbinden (¢›ȩıijȚȖȟȚȢ/apósphinxis, Fract.11, Artic.69) zum Stehen zu bringen. Mit ›İȜȓȦıȚȢ/pelíôsis wird ein livides Hämatom bezeichnet (Epid.VI 3.18). Dislozierte Frakturen (țȐIJĮȟȚȢ/kátaxis, Artic.14, țȐIJĮȖȝĮ/kátagma, Fract.31) hat der hippokratische Arzt reponiert (Artic.70) und im geschlossenen Verband (™›ȓįİıȚȢ/epídesis, Fract.11, ™›ȓįİıȝĮ/epídesma, Fract.5, ™›ȓįİıȝȠȢ/epídesmos, Artic.14,30) bzw. mit Bandagen (įİıȝȩȢ/desmós, Artic.70, ÑșȩȞȚȠȞ/othónion, Artic.14, IJĮȚȞȓĮ/tainía, Fract.8) ruhig gestellt. Offene Extremitätenfrakturen wurden wegen der sonst schlechten Prognose in ihrer Stellung belassen. Bei ungünstigem Verlauf hatte der Verletzte die posttraumatische Deformität (aÎıȤȠȢ/aîschos, Artic.14) in Kauf zu nehmen. Bei den Amputationsfrakturen (¢›ȩțȠȥȚȢ/apókopsis) unterschied man intra- und extraartikuläre Läsionen; an der Therapie änderte diese Differenzierung aber nichts (Artic.68). Der Pathophysiologie, Symptomatik und Therapie der Luxation (œț›IJȦμĮ/ékptôma, Artic.28, ÑȜȓıșȘȝĮ/olísthêma, Artic.61, ÑȜȓıșȘıȚȢ/olísthêsis, Artic.74) ist im C.H. mit Artic. eine eigene Schrift gewidmet. Ihr fachlicher Wert beruht auf der exakten Beobachtung und biomechanischen Deutung der normalen und

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krankhaften Artikulation. Die hippokratischen Ärzte unterschieden zwischen der kongenitalen (™ț ȖİȞİȘ̏Ȣ/ek geneês, Artic.28 [der Hand], Artic.56 [der Hüfte]), wachstumsbedingten (™Ȟ aÙȟȒıİȚ/en auxêsei, Artic.58), habituellen (›ȣțȞȐ/pykná, Artic.2) und traumatischen (ȕȓü/bíê, Artic.58) Luxation. Sie kannten die Luxationsrichtungen (z.B. an der Hüfte, Artic.51) und die zur Luxation disponierenden Faktoren (z.B. einen schmalen periartikulären Muskelmantel, Artic.8). So unterschiedlich die Therapie der Luxationen je nach Region und Situation war, so lag dem Eingriff doch immer das gleiche Prinzip zugrunde: Extension (țĮIJȐIJĮıȚȢ/katátasis) und Reposition (™ȝȕȠȜȒ/embolê, Artic.18). Unter den orthopädischen Leiden (s. Kasten) dominierten die Fehlstellungen und chronischen Arthropathien. Bei dem in Epid.V 52 beschriebenen țȪijȦȝĮ ™ț ijȡİȞȓIJȚįȠȢ/ kýphôma ek phrenítidos handelt es sich möglicherweise um den Folgezustand einer Spondylitis tuberculosa (so genannter Pott’scher Buckel). Der angeborene Klumpfuß wurde frühzeitig redressiert (¢›ȦșİȚ̘Ȟ țĮȚ̈ țĮIJȠȡșȠȣ̏Ȟ/apôtheîn kaì katorthoûn) und in einem geeigneten orthopädischen Schuh fixiert (™ȖțȜȓȞİȚȞ țĮȚ̈ ›İȡȚĮȞĮȖțȐȗİȚȞ/enklínein kaì perianankázein, Artic.62). Mit dem schon in der Antike viel kommentierten Terminus țȑįȝĮIJĮ/kédmata ist wahrscheinlich eine Arthropathie der Hüften gemeint (Aer.22, Epid.VI 5.15, Epid.VII 122, Loc.Hom.10). Orthopädische Symptome und Erkrankungen im C.H. țȣȜȜȩȢ/kyllós (Artic.40), țȪȜȜȦıȚȢ/kýllôsis (Artic.62) ȕȜĮȚıȩȢ/blaisós (Artic.53) ȖĮȣıȩȢ/gausós (Artic.77,82) țȪijȦȝĮ/kýphôma (Artic.41), țȪijȦıȚȢ/ kýphôsis (Artic.43), Ú‘ ȕȦȝĮ/hýbôma (Artic.47,48), Ú‘ ȕȦıȚȢ/hýbôsis (Mochl.36) ȜȩȡįȦıȚȢ/lórdôsis (Artic.48), ȜȩȡįȦȝĮ/lórdôma (z.B. Mochl.38) șȜȐıȚȢ/thlásis (VC 9,12), șȜȐıȝĮ/ thlásma (Fract.11) œȟĮȜıȚȢ ı›ȠȞįȪȜȠȣ/éxalsis spondýlou (Artic.46) įİıȝȩȢ/desmós (Fract.37) įȚĮțȓȞȘȝĮ/diakínêma (Fract.37) ›ĮȡȐȜȜĮȟȚȢ/parállaxis (Artic.15) ™›Ț›ȫȡȦıȚȢ/epipôrôsis (Artic.14,49) ¢ȡșȡȚ̘IJȚȢ ȞȠȣ̏ıȠȢ/arthrîtis noûsos (Aff.30–31) ›ȠįȐȖȡȘ/podágrê (Aff.31)

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Klumpfuß Pes valgus, Genu valgum Genu varum Buckel

Reklination Prellung Wirbelkörperdislokation Versteifung Dislokation Dislocatio cum contractione Kallus Chronische Gelenkerkrankung Chronische Gelenkerkrankung. Gicht?

Urologie Hauptfundstellen im C.H.: Aph., Epid.I–VII, Int.

Der hippokratische Arzt unterscheidet zwischen Erkrankungen der Nieren, der Harnblase und der Harnröhre (s. Kasten). Mit dem Begriff der Nephritis (ȞİijȡȚ̘IJȚȢ/nephrîtis, z.B. Morb.I 3) werden im Unterschied zur Auffassung der modernen Nephrologie nicht nur entzündliche Erkrankungen der Nieren, sondern auch andere Nephropathien beschrieben. Mutmaßlich war dem hippokratischen Arzt auch die Differenzierung zwischen einem inneren und einem nach außen durchbrechenden Abszess der Nieren (Aph.7,36) nicht möglich. In Int.14–17 bietet der Autor vier Differenzialdiagnosen der Nephritis an, nämlich die schmerzhafte Urolithiasis, die Ausscheidung von Blut und Eiter mit dem Urin, eine durch schwarze Galle verursachte Nierenerkrankung und eine weitere Nephropathie, die durch Galle und Schleim ausgelöst wird. Die wesentlichen Symptome urologischer Erkrankungen werden in Aph.4,75–83 zusammengefasst. Der Autor kennt nicht nur Nykturie, Hämaturie und Pyurie, sondern beobachtet und analysiert auch das Urinsediment. Dabei fallen ihm u.a. fleischartige Haare (76), kleieartige Bestandteile (77), Sand (79) und Schuppen (81) auf. Zur Beschreibung von Miktionsschmerzen werden zwei Termini verwendet (Aph.3,31): Strangurie (ıIJȡĮȖȖȠȣȡȓĮ/ strangouría) und Dysurie (įȣıȠȣȡȓĮ/dysouría). Strangurie bezeichnet eine eigenständige, durch Schleim hervorgerufene gutartige Erkrankung, Dysurie sowohl die Erkrankung (Aph.3,5) als auch das Symptom (Coac. 463). Urologische Erkrankungen im C.H. ™Ȣ ÓȡȤȚĮȢ/es órchias (Epid.II 1.7) IJĮ̈ șȪȝȚĮ IJĮ̈ ¢›Ƞ̈ IJȠȣ̏ ›ȠıșȓȠȣ/tá thýmia tà apò toû posthíou (Ulc.14) ÓȡȤȚİȢ ...țĮȚ̈ a„įȠȚ̘ȠȞ ¢Ȟİı›ĮıȝȑȞĮ/órchies... kaì aidoîon anespasména (Progn.9) ™Ȝȑ›ȡĮ IJȘ̈Ȟ țȪıIJȚȞ/elépra tên kýstin (Epid.V 17), țȪıIJȚȢ ȥȦȡȚæ/kýstis psôriâ (Aph. 4,77)

Skrotalhernie (bei Husten) Spitze Kondylome Priapismus Rasch zum Tode führendes wohl infektiöses Blasenleiden

Treffende Aussagen über die Urolithiasis werden in Aer. 9 gemacht. Danach disponiert u.a. der Genuss von sedimentreichem Wasser zum Steinleiden. Die Retention von Grieß und Steinen in der Harnblase produziert Harnverhalt und Schmerzen. Frauen sind durch das Steinleiden weniger beeinträchtigt, weil die weibliche Harnröhre kürzer als die männliche ist.

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Gynäkologie Hauptfundstellen im C.H.: Aph.5,29–62, Nat.Mul., Mul.II M: King H.: Hippocrates’ Woman. Reading the female body in Ancient Greece. London, New York, 1998 A: Girard M.-C., Fournier S.: La notion d’homme, de femme et d’enfant dans quatre traités hippocratiques. CEA 1987; 20: 21–27

Für den hippokratischen Arzt besteht ein großer Unterschied in der Behandlung von Männern und Frauen (Mul.I 62). Das natürliche Schamgefühl und fehlende Erfahrungen und Kenntnisse vor allem der jungen Frauen bilden eine Barriere, die es dem Arzt schwer macht, das Vertrauen der Patientinnen zu gewinnen. Die körperliche Untersuchung wurde sowohl von Ärzten (Nat.Mul.13,35, Mul.II 19) als auch von weiblichen Hilfspersonen (e„ e‘IJȑȡȘ ȖȣȞȘ̈ ȥĮȪıİȚİ IJȦ̏Ȟ ȝȘIJȡȑȦȞ/ei hetérê gynê psaúseie tôn mêtréôn [wenn eine andere Frau die Gebärmutter berührt], Mul.I 21) vorgenommen. Die therapeutischen Maßnahmen (z.B. die lokale Applikation von Pharmaka, Nat.Mul.40) lagen ebenfalls in den Händen von Frauen; möglicherweise waren sie dafür speziell ausgebildet. Am Uterus werden die gleichen makropathologischen Phänomene beschrieben wie an anderen Organen, nämlich Hydrops (Ú‘ įȡȦȥ/hýdrôps, Nat.Mul.2, Mul.I 59–60, Mul.II 66–67), Erysipelas (™ȡȣıȓ›İȜĮȢ/erysípelas, Nat.Mul.12) und Szirrhus (Àn ıțȚȡȡȦșȑȦıȚȞ ai‘ ȝȘ̏IJȡĮȚ/ ên skirrhôthéôsin hai mêtrai, Nat.Mul.37). Vom Prolaps uteri war eine große Zahl von Varianten bekannt (Nat.Mul.3–8). Nach Mul.II 36 tritt das Leiden vorwiegend bei kinderlosen und körperlich schwer arbeitenden Frauen auf. Durch den Vorfall der Gebärmutter kommt es auch zu Dysurie (Mul.II 34). Bei therapieresistentem Rezidivprolaps band man die Patientin mit den Füßen an eine Leiter, stellte sie auf den Kopf und und führte dann die manuelle Reposition durch (Nat.Mul.5, Mul.II 35). Anschließend musste die Frau einen Tag und eine Nacht lang mit gekreuzt fixierten Beinen im Bett verbringen. Bevor sie mobilisiert wurde, legte man einen Schlingenverband (ıijİȞįȩȞȘ/sphendónê, Mul.II 35) an. Die Räucherung (u‘ ›ȠșȣȝȓĮȝĮ/hypothymíama, Mul.II 97, u‘ ›ȠșȣȝȓĮıȚȢ/ hypothymíasis, Nat.Mul.34) diente vor allem der symptomatischen Behandlung (z.B. von üblem Geruch, Mul.II 34). Pessare (›ȡȩıșİȝĮ/prósthema, Nat.Mul.88, ›ȡȩıșİIJȠȞ/próstheton, Mul.III 18) dienten als Träger für die Applikation pharmakologischer Substanzen. Man kann dabei fünf wichtige Indikationen unterscheiden: Reinigung (țĮșĮȡIJȒȡȚȠȞ/kathartêrion, Nat.Mul.109), Förderung der Blutung (įȡȚȝȑĮ ÁȖȠȞIJĮ a i^‘ ȝĮ/driméa ágonta haîma, Nat.Mul.32), Erweichung (ȝĮȜșĮțȩȞ/malthakón, Mul.I 74), Abtreibung (™țȕȐȜȜȠȞ ȤȩȡȚȠȞ... ™țȕȩȜȚȠȞ/ ekbállon chórion...ekbólion, Mul.I 78) und Empfängnisförderung (țȣȘIJȒȡȚȠȞ/kyêtêrion, Nat.Mul. 109). In Nat.Mul.65 wird die operative Abtragung eines Kondyloms (țȓȦȞ/kíôn) am äußeren Genitale beschrieben.

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Der Geschlechtsverkehr (ȜĮȖȞİȓĮ/lagneía, Epid.VI 5.15, ȜȐȖȞİȣȝĮ/lágneuma, Nat.Puer.31) wird wegen seiner kräftigenden, befeuchtenden und wärmenden Wirkung empfohlen (Vict.II 58). In Epid.VI 5.15 bescheinigt man ihm eine besondere Wirkung gegen schleimbedingte Erkrankungen. Der hippokratische Autor erwähnt ihn auch als therapeutische Zusatzmaßnahme nach Abschluss der ärztlichen Behandlung z.B. wegen einer Verlagerung der Gebärmutter (Nat.Mul.43).

Geburtshilfe Hauptfundstellen im C.H.: Nat.Mul., Genit., Nat.Puer., Mul.I, Mul.III, Superf., Foet.Exsect. A: Hanson A.E.: Conception, gestation, and the origin of female nature in the Corpus Hippocraticum. Helios 1992; 19: 31–71 Hanson A.E.: „ Paidopoiia“: metaphors for conception, abortion, and gestation in the “ Hippocratic Corpus”. CM 1995; 27: 291– 307 Thivel A.: Die Zeugungslehren bei Hippokrates und den Vorsokratikern. In: Coll.Hipp.VIII Kloster Banz/Staffelstein 1993 (Hildesheim 1996): 3–13

Die Konzeptionsfähigkeit (ıȪȜȜȘȥȚȢ/sýllêpsis, Epid.II 3.17) der Frau hängt von ihrer allgemeinen körperlichen Konstitution, dem Lokalbefund und der Regelblutung ab (Prorrh.II 24). Der Arzt will wissen, ob die Menses (™›ȚȝȒȞȚĮ/ epimênia, Epid.V 11, țĮIJĮȝȒȞȚĮ/katamênia, Nat.Puer.14, ȖȣȞĮȚțİȚ̘Į/gynaikeîa, Epid.I 4.14, IJĮ̈ țĮIJĮ̈ ijȪıȚȞ/tà katà phýsin, Mul.III.18, țȐșĮȡıȚȢ/kátharsis, Aph.5,60) regelmäßig und kräftig sind. Das Ausbleiben der Blutung wird durch mechanische Hindernisse (ıIJȩȝĮ IJȡȘȤȪ/stóma trêchý [verhärteter Muttermund]) erklärt (Nat.Mul.36). Fettleibigkeit wurde als Konzeptionshindernis betrachtet (Nat.Mul.20). Lokal applizierte Pharmaka dienten sowohl der Prüfung (›İȚȡȘIJȒȡȚȠȞ/peirêtêrion, Nat.Mul.96) wie der Förderung (țȣȘIJȒȡȚĮ/kyêtêria, Mul.I 75) der Konzeptionsfähigkeit. In Mul.I 17 deutet der Autor auf den Zusammenhang zwischen der Phase des Monatszyklus und der Empfängnis hin. Der Arzt wusste um die Möglichkeiten der zeitlich begrenzten Kontrazeption. Ein Getränk aus Wasser und Bohnen sollte ein Jahr lang die Schwangerschaft verhüten (Nat.Mul.98). In der Vorgeschichte einer Patientin (Epid.V 25) wird die Kombination von Dyspareunie und Kinderlosigkeit hervorgehoben. Als typisches äußeres Kennzeichen der Schwangerschaft werden Sommersprossen (™ijȘȜȓȢ/ephêlís, Mul.III 3–4) bezeichnet. Wenn die Mamillen der werdenden Mutter hoch stehen, wird es ein Junge, sonst ein Mädchen. Nach Aph. 5,41 bereitet der Genuss von Hydromel vor dem Schlafen der Schwangeren gürtelförmige Bauchschmerzen. In Nat.Mul.99 wird ein objektiver Schwangerschaftstest beschrieben. Wenn man der Frau die Augen mit rotem Stein (™ȡȣșȡæ Ȝȓșö/erythrâ líthô) bestreicht und beobachten kann, dass die Farbe eindringt, wird sie ein Kind bekommen. In Nat.Puer.18 hebt der Autor die Leiden der Primigravidae (›ȡȦIJȠIJȩțȠȚ/prôtotókoi) hervor.

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Die Dauer der normalen Schwangerschaft wird mit zehn Monaten angegeben (Nat.Mul.11, Nat.Puer.30). Achtmonatskinder wurden im Gegensatz zu Sieben- und Neunmonatskindern nicht für lebensfähig gehalten (Oct.12). Bei der Entbindung (¢›ȩȜȣıȚȢ/apólysis, Epid.V 13) arbeiteten Arzt und Hebamme („ȘIJȡİȪȠȣıĮ/iêtreúousa) sowie in Einzelfällen männliches Hilfspersonal (Mul.I 68) zusammen. Getränke mit pflanzlichen Inhaltsstoffen sollten die Wehentätigkeit steigern (™țȕȩȜȚȠȞ ™ȝȕȡȪȠȣ țĮȚ̈ u‘ ıIJȑȡȦȞ/ekbólion embrýou kaì hystérôn, Nat.Mul.95, ç țȠIJȩțȚĮ/ ôkotókia, Mul.I 77). Fehlgeburten (IJȡȦıȝȩȢ/ trôsmós, Oct.7, įȚĮijșȠȡȐ/diaphthorá, Mul.I 3) waren häufig. Um das im Mutterleib abgestorbene Kind (ȝȪȜȘ țȣȒıİȦȢ/mýlê kyêseôs, Mul.III 21) auszutreiben, griff man in verzweifelten Fällen zur Methode der Schüttelung (ıİȚıȝȠȓ/seismoí, Mul.I 68). Dazu wurde die Frau im Bett festgebunden, das Bett senkrecht gestellt und dann wiederholt abrupt angehoben und gesenkt. Das Verfahren war mit Komplikationen behaftet. Die Frau des Simos entwickelte nach einer derartigen Entbindung Brustschmerzen, Auswurf, Fieber und Durchfall und starb sieben Tagen später (Epid.V 103). Ähnliche Symptomenkonstellationen, die als Hinweis auf Puerperalsepsis zu deuten sind, werden aus Thasos (Epid.III 17.2) und Kyzikos (Epid.III 17.14) berichtet.

Pädiatrie Hauptfundstellen im C.H.: Artic., Epid.I–VII

Das C.H. enthält keine Schrift, die ganz oder zumindest überwiegend der Kinderheilkunde gewidmet ist. Nat.Puer. ist eine Darstellung der Embryologie und kein pädiatrischer Text. Die verstreuten Mitteilungen gelten vor allem Verletzungsfolgen sowie orthopädischen und neurologischen Erkrankungen (s. Kasten S. 163). Die Urolithiasis im Kindesalter wird auf zwei Ursachen zurückgeführt, nämlich die Aufnahme unreiner Milch (Morb.IV 24) und die natürliche Wärme der Harnblase (Nat.Hom.12). Nach Aer. 3 leiden Kinder aus Städten, die warmen Winden ausgesetzt sind, unter Konvulsionen und Atemnot, nach Morb.Sacr.11 nimmt die Epilepsie in der pädiatrischen Klientel einen schwereren Verlauf als im Erwachsenenalter, weil die Venen des Kindes zu dünn sind, um den Schleim aus dem Kopf abzutransportieren. In Epid.VI 1.12 wird ein Syndrom aus Husten, Beschwerden im Magen und Fieber beschrieben, dem etwa 20 Tage nach der Krise Schwellungen der Gelenke folgen. Für die zögerliche Heilung kindlicher Schädelverletzungen wird die Tatsache verantwortlich gemacht, dass die Knochen der Jugendlichen dünner, weicher, poröser und blutreicher sind als die von Erwachsenen (VC 18). In Epid.II 2.19 wird ein Kind mit einer komplexen Fehlbildung der unteren Extremitäten (›ĮȚįȓȠȞ, ıĮȡțȦ̐įİȢ...¢ȞȩıIJİȠȞ/paidíon, sarkôdes...anósteon [ein fleischiges... knochenloses Kind) beschrieben,

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Kinderkrankheiten im C.H. ı›ĮıȝȠȓ/spasmoí (Progn.24) ȥȓȜȦȝĮ ™Ȟ ȝİIJȫ›ö/psílôma en metôpô (Epid.V 97, VII 35) ȖĮȜȚȐȖțȦȞ/galiánkǀn (Artic.12,53,55, Epid.VI 1.12) ™ț ȖİȞİȘ̏Ȣ įİ̈ ȕȡĮȤȣIJȑȡȘ h‘ Ȥİȓȡ/ek geneês dè brachytérê hê cheír (Artic.28) o‘^i ıȚȞ ™Ȟ ȖĮıIJȡȚ̈ ™ȟĮȡșȡȒıü IJȠȣ̏IJȠ IJȠ̈ ÁȡșȡȠȞ/hoîsin en gastrì exarthrêsê toûto tò árthron (Artic.52)

Fieberkrämpfe Tiefe Verletzung der Kopfschwarte Kurzarmigkeit Kongenitale Verkürzung der Hand (Mikromelie) Angeborene Hüftluxation

Dermatologie Hauptfundstellen im C.H.: Epid.I–VII, Aff., Int.

Die Erkrankungen der Haut kommen nach Ansicht der hippokratischen Ärzte durch Ablagerung (¢›ȩıIJĮıȚȢ/apóstasis) von Krankheitsprodukten der Körpersäfte zustande (Epid. II 1.7). Sie werden also nicht als eigenständige Erkrankungen betrachtet. Diese pathophysiologische Sicht spiegelt sich in den verschiedenen Bezeichnungen für Effloreszenzen (™ȟȐȞșȘȝĮ/exánthêma, z.B. Prorrh.II 43, œțșȣȝĮ/ékthyma, z.B. Epid.III 7, ijȣ̏ȝĮ/phǔma, z.B. Nat.Puer.15) wieder. Die krankhaften Erscheinungen an der Haut werden nach Farbe (™ȡȪșȘȝĮ/erýthêma [Rötung], z.B. Epid.VII 114, ȜİȪțȘ/leúkê [ Depigmentierung], z.B. Prorrh.II 43) und Form (ȜİȚȤȒȞ/leichên [Flechte], z.B. Morb.I 3, Ȝȩ›ȠȚ/lópoi [Schälung], z.B. Epid.III 1, ÁȤȦȡ/áchôr [Schorf, Schuppen], z.B. Alim.20, IJȑȡȝȚȞșȠȢ/ términthos [pistazienartige Schwellung], z.B. Hum. 20) unterschieden. Aphthen (ÁijșĮȚ/ áphthai, z.B. Aph.3,42) sind bei Schwangeren und Kindern beobachtet worden. Die Erkrankung der Wangen und Lippen, die in Epid.V 4 bei zwei Brüdern und außerdem in Epid.V 19,44,100 sowie in Epid.VII 113 beschrieben wird, ist am ehesten mit einer akuten nekrotisierenden Mukositis zu identifizieren; flächenhafte Geschwüre (ȞȠȝĮȓ/nomaí) galten als lebensgefährliche Erkrankungen (Prorrh.II 13). Der hippokratische Herpes (š‘ ȡ›ȘȢ/hérpês, Epid.III 7, Nat.Mul. 104,105, Mul.I 74) entspricht wohl nicht dem Herpes zoster (Gürtelrose), sondern tiefen Geschwüren. Im weiteren Sinne zählen auch die im C.H. beschriebenen Abszesse, Phlegmonen und Lymphknotenschwellungen zu den Dermatosen (s. Kasten).

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Hautkrankheiten im C.H. Ȝȑ›ȡĮ/lépra (Aff. 35) țȘȡȓȠȞ/kêríon (Aff. 35) ijȜȪțIJĮȚȞĮ/phlýktaina (Nat.Puer. 20) įȠșȚȒȞ/dothiên (Aff.35) ÁȞșȡĮȟ/ánthrax (Epid.II 1.1, Epid.III 3) ȥȫȡĮ/psôra (Aff. 35) ¢ȜijȩȢ/alphós (Epid.II 5.24, Aff. 35, Alim. 20) ıțȜȘȡȣıȝȠ̈Ȣ įȑȡȝĮIJȠȢ/sklêrysmòs dérmatos (Hum.4) h‘ ȞȠȣ̏ıȠȢ h‘ ijȠȚȞȚțȘ̈ țĮȜ./hê noûsos hê phoinikê kal. (Prorrh.II 43) ȝĮįĮȡȩIJȘȢ/madarótês (Hum.1)

Ekzem, Schuppenflechte Kopfgrind Pustulose Furunkel Juckende Blase. Karbunkel? Krätze Vitiligo Form von Pachydermie Elephantiasis? Lepra? Haarausfall, Glatze

So genannte Uhrglasnägel (ÓȞȣȤİȢ ›ȜțȠȞIJĮȚ / ónyches hélkontai, Int.10, ÓȞȣȤİȢ IJȦ̏Ȟ ȤİȚȡȦ̏Ȟ Ȗȡȣ›Ƞȣ̏ȞIJĮȚ/ónyches tôn cheirôn grypoûntai, Morb.II 47) wurden bei Phthisis (Morb.II 48), Hydrops (Int.23), Empyem (Progn.17) und Aphthosis der Luftröhre (Morb.II 49) beobachtet.

Augenheilkunde Hauptfundstellen im C.H.: Acut.spur.29,32–34, Loc.Hom.13, Prorrh.II 18–21, Vid.Ac.

Die hippokratische Augenheilkunde war überwiegend an den Symptomen orientiert (s. Kasten S. 165). Zur objektiven Prüfung des Sehvermögens näherte man den Augen des Patienten einen Finger und achtete darauf, ob er zu blinzeln begann (Int.48). Schlechtes Sehen wird als ¢ȝȕȜȣȦȖȝȩȢ/amblyôgmós (Progn.24), ¢ȝȕȜȣȦıȝȩȢ/amblyôsmós (Prorrh.I 18) oder ¢ȝȕȜȣȦ›ȓĮ/amblyôpía (Aph.3,31), die Blindheit als ÑȝȝȐIJȦȞ ¢ȝĮȪȡȦıȚȢ/ ommátǀn amaúrôsis (Coac.221–222, 252) bezeichnet. Bei den Entzündungen (ÑijșĮȜȝȓĮ/ ophthalmía) wird zwischen der trockenen (Aer.10) und der feuchten (Epid.I 2.5, Aph.3,12) Form unterschieden. In Morb.II 12 wird eine Halbseitenblindheit (įȠțȑİȚ IJȠ̈ »‘ ȝȚıȣ IJȦ̏Ȟ ›ȡȠıȫ›ȦȞ o‘ȡĮ̘Ȟ/dokéei tò hêmisy tôn prosôpôn horân [er scheint die Hälfte der Gesichter zu sehen]) und in Loc.Hom.13 sowohl eine intraokulare Blutung wie eine Bulbusruptur beschrieben. Eines der Leitsymptome der winterlichen Hustenepidemie von Perinth war Tagblindheit (ȞȣțIJĮȜȦ›ȓĮ/nyktalôpía, Epid.VI 7.1); vor allem Kinder waren davon betroffen. Die Nachtblindheit wird im C.H. nicht erwähnt. Auch der Unterschied zwischen dem grauen und dem grünen Star war den hippokratischen Ärzten nicht bekannt. Bei den im C.H. geschilderten Fällen von ȖȜĮȪțȦıȚȢ/glaúkôsis (Epid.IV 30, Prorrh.II 20, Vid.ac.1) handelt es sich, anders

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als die Bezeichnung vermuten lässt, wahrscheinlich um die Katarakt und nicht um das Glaukom. Epid.V 49 berichtet von der erfolgreichen chirurgischen Versorgung einer schweren blutenden Lidverletzung. Ophthalmologische Symptome und Erkrankungen im C.H. ıțȩIJȠȢ/skótos (z.B. VC 14) ÁȡȖİȝȠȞ/árgemon (Loc.Hom.13, Mul.I 105) ıȣ̐țȠȞ/sǔkon (z.B. Epid.III 7) țȡȚșȒ/krithê (z.B. Epid.II 2.5)

„ȜȜĮȓȞȦ/illaínô (z.B. Epid.III 1.11, Morb.III 12) ȝĮȡȝĮȡȣȖȒ/marmarygê (z.B. Progn.24)

Sehverlust Leukom (der Hornhaut) Große Lidwarze Gerstenkorn (das Chalazion wird im C.H. nicht erwähnt) Strabismus Photopsien

Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kiefer- und Zahnheilkunde Hauptfundstellen im C.H.: Epid.I–VII, Artic.30–34, Carn.15–18

Die hippokratischen Ärzte haben Grundzüge der Sinnesfunktionen im HalsNasen-Ohren-Bereich richtig erkannt. Sie wussten, dass sich die Stimme durch die ausströmende Luft bildet, und schätzten die Bedeutung von Zunge, Zähnen, Rachen und Gaumen für Sprache und Gesang richtig ein (Carn.18). Einen Teil der Erkenntnisse gewannen sie durch Beobachtungen an Taubstummen, Sängern und Selbstmördern, die sich die Kehle durchschnitten hatten. Die Funktion der Stimmbänder blieb ihnen allerdings verborgen. Der Geruchssinn wurde auf die Fähigkeit des Gehirns bezogen, die mit der Luft durch die Nase aspirierten Düfte zu erkennen (Carn.16). Das Hören deutete man als Echo der Geräusche in einer Höhle im Inneren des Felsenbeins (Carn.15). Als Organ der Schallleitung war das Trommelfell (ȝȘ̏ȞȚȖȟ/mêninx, Loc.Hom.2, Ȝİ›IJȠ̈Ȟ è‘ ı›İȡ ¢ȡȐȤȞȚȠȞ/leptòn hôsper aráchnion [zart wie Spinngewebe], Carn.15) bekannt. Viele der vom hippokratischen Autor geschilderten Fälle von Laryngotracheitis und Pharyngitis (țȣȞȐȖȤȘ/kynánchê, Morb.II 26–28, țȪȞĮȖȤȠȢ/kýnanchos, Loc.Hom.30, ıȣȞȐȖȤȘ/synánchê, Vet.Med.19, ıȪȞĮȖȤȠȢ/sýnanchos, Acut.spur.3) nahmen einen schweren Verlauf. In Epid.VII 7 wird von einer Frau berichtet, die der Erkrankung nach schwerer Dys- und Orthopnoe erliegt. Wenn die Symptome der Angina teilweise nachlassen, wird die Erkrankung ›ĮȡĮțȣȞȐȖȤȘ/ parakynánchê (Morb.III 10) genannt. Der in Epid.III 17.3 erwähnte Verlust der Stimme (ÁȞĮȣįȠȢ/ánaudos, ÁijȦȞȠȢ/áphônos) geht auf eine langwierige fieberhafte Erkrankung zurück. Sonst wird die Aphonie mit neurologischen (z.B. chronisch rezidivierende Sensibilitätsstörungen, Epid.VII 85) und gynäkologischen Erkrankungen (z.B. nach schwerer Zwillingsgeburt, Epid.III 17.14, bei Verlagerung des Uterus, Nat.Mul.3) in Verbindung gebracht. Das Nasenbluten wird

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zwar vor allem in den Epidemien vielfach erwähnt. Der Terminus Epistaxis (™›ȓıIJĮȟȚȢ/epístaxis) fehlt jedoch im C.H.; nur das zugehörige Verb ™›ȚıIJȐȗȦ/ epistázô ist mehrfach, z.B. Coac.86, belegt. Eine letal verlaufende Otomastoiditis schildert der Autor in Epid.VII 5. Der dort vorgestellte Junge entwickelte mutmaßlich auf dem Boden einer entzündlichen Destruktion des Felsenbeins Meningismus und erlag den Folgen einer Sinusvenenthrombose (s. Kasten). HNO-Symptome und -Erkrankungen im C.H. ȕȡȐȖȤȠȢ/bránchos (Int.6) ȜȪȖȟ/lýnx (Epid.VI 5.1) u‘ ›ȠȖȜȦııȓȢ/hypoglôssís (Morb.II 31)

¢ȞIJȚȐȢ/antiás (Morb.II 11,30) ıIJĮijȣȜȒ/staphylê (Morb.II 10,29) ȖĮȡȖĮȡİȫȞ/gargareôn (Aff.4) ȖȠȖȖȡȫȞȘ/gongrônê (Epid.VI 3.6) ijȪȖİșȜĮ/phýgethla (Aff.35) ȤȠȚȡȐįİȢ/choirádes (Aph.3,26, Coac. 502), ijȪȝĮIJĮ ȤȠȚȡȫįİĮ/phýmata choirôdea (Prorrh.II 11) ›IJĮȡȝȩȢ/ptarmós (z.B. Epid.II 3.1), ›IJĮȡȝȩȚ/ptarmoí (z.B. Epid.VI 5.1) ›ȫȜȣ›ȠȢ... ™Ȟ IJñ r‘ȚȞȓ/pôlypos..en tê rhiní (Morb.II 33–37) țĮIJȐȡȡȠȠȢ/katárrhoos, țĮIJȐȡȡȠȣȢ/katárrhous (Epid.VII 107) țȩȡȣȗĮ/kóryza (Vet.med.19, Progn.14)

Heiserkeit Schluckauf Schwellung an der Unterseite der Zunge Tonsillitis Schwellung der Uvula Schwellung am Hals (v.a. der Uvula) vielleicht: Struma Lymphknotenschwellung Lymphknotenschwellung am Hals Niesen Nasenpolyp Schnupfen

Schleimabsonderung aus der Nase, Nasenkatarrh, Schnupfen ai‘ ȝȠȡȡĮȖȓĮȚ ™ț r‘ ȚȞȦ̐Ȟ/haimorrhagíai ek rhinôn Nasenbluten (Epid.II 3.1, vgl. Epid.I 2.12, Epid.IV 53), ıIJȐȟȚİȢ ™ț (¢›Ƞ̈) r‘ ȚȞȦ̐Ȟ/stáxies ek (apò) rhinôn (Coac. 223, 399) ™Ȣ IJĮ̈ ÔIJĮ Ñ įȪȞȘ/es tà ôta odýnê (Aff.4) Ohrenschmerzen çIJȠ̈Ȣ r‘ Ȫ›ȠȢ/ôtòs rhýpos (Epid.VI 5.1) Ohrenschmalz IJĮ̈ ›Įȡ’ ÔIJĮ/tà par ôta (Prorrh.I 160), Schwellung/Abszess in der ™›ȐȡȝĮIJĮ ›ĮȡĮ̈ IJĮ̈ ÔIJĮ/epármata parà Gegend der Ohren. Mumps? tà ôta (Epid.I 1) ȕĮȡȣȘțȠȓĮ/baryêkoía (Aph.3,31) Schwerhörigkeit

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Das wichtigste Dokument der Zahn-Mund-Kieferheilkunde im C.H. ist die Darstellung der Behandlung der Luxationen und Frakturen des Unterkiefers (Artic. 30–34). Der Autor stellt den therapeutischen Empfehlungen eine detaillierte Darstellung der Anatomie und Biomechanik des Kiefergelenks sowie der subjektiven und objektiven Symptome der Dislokation voran. Als typisch für die bilaterale Luxation wird die atypische Okklusion bezeichnet. Die Frakturen wurden manuell reponiert und und mit einem straffen Zügelverband ruhiggestellt. Ausgebrochene Zähne fixierte man mit Goldfäden oder Zwirn. Für die Reposition der an der ıȪȝijȣıȚȢ/sýmphysis, d.h. am Kinn frakturierten Mandibula wird der wichtige Hinweis gegeben, dass man zuerst die ineinander verkeilten Fragmente voneinander lösen müsse, um anschließend die Dislocatio ad latus zu korrigieren. Bei der Behandlung der Nasenfraktur (Artic.35–39) schenkte man ästhetischen Gesichtspunkten besondere Beachtung und mutete dem Patienten schmerzhafte Manöver zu, um ein kosmetisch befriedigendes Resultat zu erzielen.. Zur konservativen Behandlung von Zahnschmerzen und Kieferschwellung verordnete man z.B. Spülungen mit Bibergeil und Pfeffer (țĮıIJȩȡȚȠȞ țĮȚ̈ ›ȑ›İȡȚ/kastórion kaì péperi, Epid.V 67) und Mittel zum Kauen (įȚĮȝĮııȒȝĮIJĮ/ diamassêmata, Aff.4). Eitrige und wackelige Zähne wurden extrahiert (Aff.4). In Epid.IV 25 werden bei einem Mann namens Hegesistratios zwei durch Karies bis auf die Wurzeln zerstörte Molaren erwähnt, in Epid.IV 19 wird bei einem Kind mit mutilierendem Geschwür des Gesichts der Verlust fast aller Zähne im Detail geschildert und in Epid.V 100 sind Zahnfleischwucherungen (oÜȜȦȞ u‘ ›İȡıȐȡțȦıȚȢ/oúlôn hypersárkôsis) beschrieben.

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7 Praxis der hippokratischen Medizin Die anwendungsorientierten Traktate des C.H. geben Aufschluss über die Praxis der Medizin im Griechenland des 5. und 4. Jahrhunderts und stellen die Beziehung zwischen dem Arzt und seinen Patienten im Detail dar. Über den Alltag des Periodeuten und das soziale Umfeld der Kranken, die sich ihm anvertrauen, informieren vor allem die Epidemien. Die Ausstattung der Praxis wird in Off. beschrieben. Anamnese und körperliche Untersuchung werden durch einfache instrumentelle Tests ergänzt. Die Diagnose tritt gegenüber der Prognose in den Hintergrund. Aus der Prognose ergeben sich unmittelbare Konsequenzen für die Art und den Umfang der Behandlung. Die Therapie ist, wenn man von den chirurgischen Eingriffen absieht, wenig differenziert. Der Arzt setzt in erster Linie auf Purgation, Diät, Pharmaka und physikalische Maßnahmen. Die Vorsorgemedizin hat einen festen Platz in den Empfehlungen des hippokratischen Klinikers.

7.1 Arzt und Patient Der hippokratische Arzt stellt sich nach Ankunft an einem neuen Zielort zunächst öffentlich vor. Schon bei dieser Gelegenheit kann es zu einem Streitgespräch mit Kollegen kommen (Nat.Hom.1). Meinungsverschiedenheiten zwischen den somatisch orientierten Ärzten über die Wahl der Behandlung waren ebenso häufig wie die Auseinandersetzungen der Priesterärzte über die Deutung z.B. des Vogelflugs (Acut.8). Manche Periodeuten waren nicht nur allein, sondern auch in der Gruppe unterwegs (Epid.V 46); in Epid.V 95 sind Verfasser und behandelnder Arzt jedenfalls nicht identisch. Assistenten (Off. 5,6) wurden vor allem bei Interventionen in der Traumatologie benötigt (Fract.13, Artic.70). Für die Hilfestellung bei der Reposition der luxierten Hüfte war besonders kräftiges (w‘ Ȣ „ıȤȣȡȫIJĮIJȠȞ ¢›Ƞ̈ IJȦ̏Ȟ ȤİȚȡȦ̏Ȟ/hôs ischyrôtaton apò tôn cheîron) und gut ausgebildetes (w‘ Ȣ eٛĮȚįİȣIJȩIJĮIJȠȞ/hôs eupaideutótaton) Personal gefragt (Fract.76). In Epid.I–VII werden etwa 450 Patienten (țȐȝȞȠȞIJİȢ/kámnontes, z.B. Epid.III 3) vorgestellt. Die meisten dürften jünger als 35 Jahre alt gewesen sein (Nat.Hom.12). Nicht-Griechen sind die Ausnahme (įȠȪȜȘ...ȕȐȡȕĮȡȠȢ/doúlê... bárbaros [nicht-griechische Sklavin], Epid.V 35). Die Patienten des hippokratischen Arztes stammten aus allen sozialen Schichten. Behandelt wurden sowohl Selbstständige – sie werden in den Epidemien häufig namentlich genannt – und deren Familienmitglieder als auch das Hauspersonal. In Epid.VI 7.1 weist der Autor darauf hin, dass eine Halsentzündung als Komplikation von Husten bei Sklaven häufiger sei und einen schwereren Verlauf nehme als bei den Freien. Unter den Patienten waren Handwerker (z.B. Schuster, Epid.V 45), Angehörige landwirtschaftlicher Berufe (z.B. Winzer, Epid.IV 50) und Fachleute nicht-

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technischer Berufe (z.B. Aufseher einer Ringschule, Epid.VI 8.30). In Epid.VII 81 wird eine Berufskrankheit der Tuchwalker beschrieben. Zur Grundausstattung der chirurgisch ausgerichteten Arztpraxis (s. Kasten) gehörten gutes Licht (Off.3) und die richtigen Werkzeuge (ÓȡȖĮȞĮ/órgana, Off.2). Im C.H. erwähnte ärztliche Instrumente aÙȜȓıțȠȢ/aulískos (z.B. Nat.Puer.17) ȝȒȜȘ/mêlê (z.B.Fist. 4), ȝȠIJȩȢ/motós (z.B. Morb.II 60), r‘ ȐȕįȠȢ/rhábdos (Morb.II 35) ›IJİȡȩȞ/pterón (Fist.6) țĮIJȠ›IJȒȡ/katoptêr (Haem.5, Fist. 3) u‘ ›ĮȜİȚ›IJȡȓȢ/hypaleiptrís (Superf. 28), u‘ ›ȐȜİȚ›IJȡȠȞ/hypáleiptron (Artic. 37) ıȝȓȜȘ/smílê (Morb.II 36) ȝĮȤĮȓȡȚȠȞ/machaírion (Loc.Hom.25), ȝĮȤĮȚȡȓȢ/machairís (Morb.II 47) ™›ȓįİıȝȠȢ/epídesmos (z.B. Artic.30)

Röhrchen Sonde Federkiel Spekulum Spatel (für Salben) Skalpell Lanzette Verbandszeug

7.2 Anamnese und Untersuchung M: Bourgey L.: Observation et expérience chez les médecins de la collection hippocratique. Paris, 1953 A: Couch H.N.: The Hippocratean Patient and his Physician. TAPhA 1934; 65: 138– 162 Couch H.N.: The Medical Equipment of the Hippocratean Physician. ZAPhA 1936; 67: 191–207 Michler M.: Die Palpation im Corpus Hippocraticum. Janus 1970; 57: 261– 292 Siegel R.E.: Clinical Observations in Hippocrates: An Essay on the Evolution of the Diagnostic Art. J Mount Sinai Hosp 1964; 31: 285–303

Die Erhebung der Vorgeschichte (Epid.VI 2.24: ™Ȣ IJȘ̈Ȟ ȞȠȣ̏ıȠȞ ™ȡȫIJȘıȚȢ/es tên noûson erôtêsis [das Fragen nach der Krankheit]) war fester Bestandteil des ArztPatienten-Kontakts. Der hippokratische Arzt stellte dem Kranken sowohl allgemeine als auch gezielte Fragen. Er erkundigte sich nach Alter und Beruf (Epid. passim), nach den vegetativen Funktionen (Schlaf, Verdauung, Progn.2, Ess- und Trinkgewohnheiten, körperliche Betätigung, Aer. 1) und wollte wissen, ob der Kranke unter Kopfschmerzen und Sehstörungen leidet (Progn.7). Durch gezielte Fragen versuchte er z.B. herauszufinden, ob ein Empyem uni- oder bilateral und, wenn einseitig, auf welcher Seite es lokalisiert war (Progn.16). Auch Patienten mit Kopfverletzungen wurden befragt, und zwar vor allem dann, wenn die Wunde am Schädel nicht unmittelbar zu erkennen war (VC 10). In De Arte 11 gibt der Verfasser allerdings zu bedenken, dass die Äußerungen der Kranken subjek-

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tiv seien (įȠȟȐȗȠȞIJİȢ ȝĮ̏ȜȜȠȞ À e„įȩIJİȢ/doxázontes mâllon ê eidótes [sie mutmaßen mehr als sie wissen]) und deshalb zurückhaltend bewertet werden sollten. Anamnese (¢ȞȐȝȞȘıȚȢ/anámnêsis), der bei Platon (Phd. 72e, 92d) und Aristoteles (Mem. 451a21) nachgewiesene Terminus technicus für die Vorgeschichte einer Erkrankung, fehlt im C.H. Die exakte klinische Untersuchung war das einzige Mittel, eine innere Erkrankung zu erkennen (Progn. 25, Prorrh.II 1,3). Der Arzt, der dabei erfolgreich sein wollte, musste die Krankheitszeichen (ıȘȝİȚ̘Į/sêmeîa, z.B. Artic.51) kennen und hatte alle fünf Sinne einzusetzen (Off.1). Er registrierte das Aussehen, den Allgemein- und Ernährungszustand (Morb.II 59, Morb.III 7) und die Körperhaltung des Patienten (Epid.VI 8.17). Der erste Blick galt dem Gesicht und den Augen (Progn. 2). Die Kombination aus spitzer Nase, tief liegenden Augen, eingesunkenen Schläfen, kalten abstehenden Ohren, trockener und gespannter Gesichtshaut sowie gelber oder dunkler Gesichtsfarbe (so genannte Facies hippocratica, Coac.208, 214) wurde als prognostisch ungünstig angesehen. Die Zunge wurde nicht nur betrachtet, sondern, um Risse zu erkennen, auch berührt (Morb.III 15). Sie galt im allgemeinen (IJȘ̎Ȣ į` ¢ijȑıȚȠȢ ›ȐȞIJĮ IJĮȣ̎IJĮ h‘ ȖȜȦ̐ııĮ ıȘȝĮȓȞİȚ/tês d’aphésios pánta taûta hê glôssa sêmaínei [alle Anzeichen der Besserung sind an der Zunge zu sehen], Morb.III 6) wie im speziellen (ȖȜȦ̐ııĮ oÛȡȠȞ ıȘȝĮȓȞİȚ/glôssa oûron sêmaínei [Die Zunge zeigt, wie der Urin beschaffen ist], Epid.VI 5.8) als Spiegel des Körpers. Anschließend nahm der Untersucher andere Körperteile wie Hände und Nägel in Augenschein und untersuchte Körperflüssigkeiten, darunter ausgetretenes Blut (Epid.IV 43). Bei Schädelverletzten wurden die Haare in der Umgebung der Wunde entfernt, um Weichteile und Knochen besser beurteilen zu können (VC 10). Engmaschige Verlaufskontrollen waren die Regel, weil man wusste, wie rasch sich der Zustand des Kranken ändern kann (e„ıȚ̈ įİ̈ ÓȥȚİȢ ›ȠȜȜĮȚ̈ IJȦ̐Ȟ țĮȝȞȩȞIJȦȞ/eisì de ópsies pollaì tôn kamnóntôn [viele Gesichter haben die Kranken], Acut.spur.9). Bei zwei Patienten (Epid.I 1, Epid.III 15) wird die für eine Läsion des Atemzentrums typische Cheyne-Stokes-Atmung beschrieben. Der Puls (›ĮȜȝȩȢ/palmós, Epid.I 4, ıijȣȖȝȩȢ/sphygmós, Epid.VII 32) wurde vor allem am Kopf (oƒ țȡȩIJĮijȠȚ ›ȐȜȜȠȞIJĮȚ/hoi krótaphoi pállontai [die Schläfen pulsieren], Acut.30), aber auch an anderen Stellen des Körpers, z.B. in der Nabelregion (Epid.III 1.3) beobachtet. Man tastete ihn aber nicht. Erhöhter Puls wird ausnahmslos als Krankheitszeichen gewertet und in Ulc.1 ausdrücklich mit der floriden Entzündung von Wunden in Verbindung gebracht. Die Tastuntersuchung galt vor allem den Bauchorganen. Bei der Palpation des Hypochondrium achtete man gleichzeitig auf die Bewegungen der Augen (Progn. 7). Der hippokratische Arzt wusste, dass in ödematösem Gewebe Dellen, die man mit dem Finger setzt, bestehen bleiben (Int.44). Das Phänomen der Verschiebung von Flüssigkeiten in luftgefüllten Hohlräumen machte man sich vor allem für die Diagnostik des Pleuraempyems zunutze (Morb.I 15, Morb.II 47). Es war bekannt, dass abgekapselte Flüssigkeit zu schwappen beginnt und

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dabei ein Geräusch erzeugt, sobald man den Körper anstößt (Loc.Hom. 14). Wenn das dabei entstehende Geräusch laut war, schloss man auf wenig Eiter und deshalb einen günstigen klinischen Verlauf. Konnte man hingegen bei dem Schüttelversuch kein Poltern provozieren, dann glaubte man, dass sich viel Flüssigkeit im Pleuraraum befindet. Zwei weitere akustische Phänomene wurden diagnostisch genutzt: Das pleuritische Reiben (IJò oÛȢ ›ĮȡĮȜĮȕȦ̈Ȟ ›ȡòȢ IJĮ̈Ȣ ›ȜİȪȡĮȢ/ tò oûs paralabôn pròs tàs pleúras [indem man das Ohr an die Rippen legt], Morb.III 16) und das bei der schleimigen Expektoration entstehende Geräusch (Loc.Hom.16). Die meisten diagnostischen Aussagen waren rein qualitativ. Quantitative Angaben wurden nur ausnahmsweise und dann wohl nur wegen des ungewöhnlich ausgeprägten Befunds gemacht. In Epid.V 14 berichtet der hippokratische Autor jedenfalls von einem Patienten, der mehr als 1 Liter Blut aus der Nase verlor (Ò‘ ıȠȞ IJȑııĮȡİȢ țȠIJȪȜĮȚ/hóson téssares kotýlai), und in Epid.V 18 von einer Darmblutung mit mehr als 1,3 Liter Volumen (›ȑȞIJİ țȠIJȪȜĮȚ/pénte kotýlai). Die normalen und krankhaften Körperausscheidungen wurden nach Menge, Häufigkeit, Farbe und Konsistenz beurteilt. Den gesunden Harn (oÛȡȠȞ/oûron, oÛȡĮ/oûra, oÜȡȘıȚȢ/oûrêsis) bezeichnete man als ›ȑ›ȠȞ/pépon [reif] (Prorrh.I 102), den kranken als Á›İ›IJȠȞ/ápepton [unreif] (Acut. 42). Volumen und Farbe des Urins der Patienten wurden knapp charakterisiert (z.B. Epid.III 17.16: oÛȡĮ Ȝİ›IJȐ, ÑȜȓȖĮ, ÁȤȡȦ/oûra leptá, olíga, áchrô [wenig entfärbter Urin]). Am häufigsten beobachtete man im Urin Beimengungen von Blut und Eiter. Von zwei Kranken wird berichtet, dass sie schwarzen Urin ausgeschieden haben (Epid.I 1: ȝȑȜĮȞĮ oÜȡȘıİ/mélana oúrêse [er urinierte schwärzlich], Epid.I 3: oÛȡĮ ȝȑȜĮȞĮ Ȝİ›IJȐ/oûra mélana leptá [wenig schwarzer Urin]). In einem anderen Fall war der Urin ölartig (Epid.III 16.1: oÜȡȘıİ ™ȜĮȚȦ̐įİȢ/oúrêse elaiôdês [er urinierte ölig]). Den Auswurf bewertete man nach Menge und Feuchtigkeitsgrad (z.B. Morb.II 49). Das Ohrenschmalz (o‘ ™Ȟ IJȠȚ̘ıȚȞ çıì r‘ Ȫ›ȠȢ/ho en toîsin ôsì rhýpos) wurde auf seinen Geschmack getestet (Epid.VI 5.12).

7.3 Diagnose und Prognose Hauptfundstellen: Progn., Prorrh.I, Prorrh.II, Coac.

Anamnese, klinische Untersuchung und die gedankliche Verarbeitung der erhobenen Befunde machen es dem hippokratischen Arzt möglich, eine Diagnose zu stellen (įȚȐȖȞȦıȚȞ ›ȠȚİȚ̘ıșĮȚ/diágnosin poieîsthai, VC 10,19). Die Diagnose war für ihn jedoch weniger wichtig als die Prognose. Vielfach wurde auch nicht eine nosologische Entität, sondern es wurden ein oder mehrere Symptome oder morphologische, d.h. organbezogene Befunde als Diagnose angegeben (z.B. Epid.III 17.10).

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Als Prodiagnose wird die Früherkennung einer potenziell drohenden Erkrankung bezeichnet (Vict.III 69: œıIJȚ įİ̈ ›ȡȠįȚȐȖȞȦıȚȢ ȝİ̈Ȟ ›ȡȠ̈ IJȠȣ̏ țȐȝȞİȚȞ/ésti dè prodiágnosis mèn prò toû kámnein [die Früherkennung findet vor dem Kranksein statt]). Der Gedanke der Prävention entspringt der Erkenntnis, dass manche Krankheiten nicht plötzlich auftreten, sondern schleichend einsetzen und dass es deshalb für den Arzt sinnvoll ist, sich auch um diejenigen zu kümmern, denen es gesundheitlich noch gut geht (Vict.I 2). Die Vorhersage des Krankheitsverlaufs erscheint dem hippokratischen Arzt so wichtig, dass er den Kollegen, der diese Kunst beherrscht, für den besten hält: IJȠ̈Ȟ „ȘIJȡȠ̈Ȟ įȠțİȚ̘ ȝȠȚ ÁȡȚıIJȠȞ eÎȞĮȚ ›ȡȩȞȠȚĮȞ ™›ȚIJȘįİȪİȚȞ/tòn iêtròn dokeî moi áriston eînai prónoian epitêdeúein (Progn. 1). Die Prognose (›ȡȩȞȠȚĮ/prónoia, a.a.O, ›ȡȩȖȞȦıȚȢ/prógnôsis, z.B. Artic. 41, ›ȡȩȡȡȘıȚȢ/prórrhêsis, z.B. Epid.V 74, Prorrh.II 1) enthält Elemente von Anamnese und Diagnose und ist Grundlage der Therapieentscheidung (Epid.I 25, III 16). Sie wird aus der Distanz, d.h. vor dem Kontakt mit dem Kranken gestellt (VC 10). Der hippokratische Arzt kennt gute (z.B. örtliche und zeitliche Orientierung) und schlechte (z.B. Knirschen mit den Zähnen) prognostische Zeichen von allgemeiner Gültigkeit und solche, die bei bestimmten Erkrankungen (z.B. Empyem, Progn.14,15, Kopfschmerz, Epid.VII 56) zusätzlich zu berücksichtigen sind. Symptome, die Genesung versprechen, werden als ›İȡȚİıIJȚțȐ/periestiká (z.B. Progn.9), Krankheiten mit zweifelhafter Prognose quoad vitam, z.B. Peripleumonie oder Kausos, werden als ™ȞįȠȚĮıIJȐ/endoiastá (z.B. Morb.I 3) bezeichnet. Wenn die Vorhersage, die der Arzt trifft, schlecht ist, wird wegen der mangelhaften Erfolgsaussichten auf eine Behandlung verzichtet. Wenn die Prognose gut ist, stellt sich der Patient auf die vorgesehene Behandlung ein und fasst Vertrauen zu dem behandelnden Arzt. Dadurch wird die Mitarbeit entscheidend gefördert. Die Prognose ist nicht nur ein medizinisches, sondern auch ein soziologisches Phänomen (Prorrh.II 1–4). Die richtige Vorhersage des Krankheitsverlaufs macht beim Patienten und dessen Angehörigen und auch in der Nachbarschaft Eindruck und ist ein unmittelbares Zeichen der Fachkompetenz. Sie stellt auch den Arzt zufrieden (Artic.1, Epid.V 95) und befreit ihn gleichsam von der Verantwortung für das Schicksal des Kranken. Andererseits können unredliche Prognosen, Widersprüche und Auseinandersetzungen mit Kollegen, die anderer Auffassung sind, den Arzt in Schwierigkeiten bringen.

7.4 Konservative Therapie A: Demand N.: What is normal?: vomiting as a health measure in Hippocratic medicine. In: Coll.Hipp.X Nice 1999 (Nice, Paris 2002): 499–508

Die Verfahren der konservativen Therapie bilden eine Einheit. In der Mehrzahl der Fälle wurden diätetische, medikamentöse und physikalische Maßnahmen

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gleichzeitig veranlasst; nur ausnahmsweise setzte man die Modalitäten sukzessiv ein. Es war das übereinstimmende Ziel aller Bemühungen, den Körper von den krankmachenden Säften bzw. Saftüberschüssen zu befreien. Unter der großen Zahl von Behandlungsvorschlägen, die die Schriften des C.H. enthalten, finden sich viele Wiederholungen und Varianten. Die große Bedeutung der richtigen Ernährung für die hippokratische Therapie spiegelt sich im Detailreichtum der Diätschriften wider. Die Therapie der hippokratischen Ärzte war auf die Beseitigung der Krankheitsursache (›ȡȩijĮıȚȢ/próphasis, Morb.Sacr.1,10,18) ausgerichtet. Es dominiert daher das Prinzip der Allopathie (IJĮ̈ ™ȞĮȞIJȓĮ IJȦ̏Ȟ ™ȞĮȞIJȓȦȞ ™ıIJȚ̈Ȟ „ȒȝĮIJĮ/tà enantía tôn enantíôn estìn iêmata [das Heilmittel muß der Ursache entgegengerichtet sein], Flat.1). Wenn man die Ursache kennt und der Kranke sich ebenso wie der Arzt darum bemüht, sie zu beseitigen (™ȞĮȞIJȚȠȪȝİȞȠȞ IJñ ›ȡȠijȐıİȚ IJȘ̏Ȣ ȞȠȪıȠȣ/ enantioúmenon tê prophásei tês noúsou [die Ursache der Krankheit auszuschalten]), wird Heilung möglich (Nat.Hom.13). Krankheiten, die durch Überfüllung (›ȜȘıȝȠȞȒ/plêsmonê) entstehen, werden durch Entleerung (țȑȞȦıȚȢ/kénôsis) geheilt und umgekehrt, Krankheiten, die durch Anstrengung (IJĮȜĮȚ›ȦȡȓȘ/ talaipôríê) entstehen, werden durch Ruhe (¢ȞȐ›ĮȣıȚȢ/anápausis) geheilt und umgekehrt (Aph. 2,22, Nat.Hom.9). Was zu eng ist, muss man erweitern (eÙȡȣ̏ȞĮȚ/eurǔnai), was zu weit ist, muss man verengen (ıIJİȞȣȖȡȦ̏ıĮȚ/stenygrôsai, Epid.VI 2.1). Nichts zu tun ist besser als das Falsche zu tun und damit zu schaden. Wenn der Arzt eine abwartende Haltung einnimmt, darf man darin nicht ein Zeichen von Passivität sehen (Morb.I 5). Der Behandlungserfolg hängt in jedem Fall von der Wahl des richtigen Zeitpunkts (țĮȚȡȩȢ/kairós, z.B. Loc.Hom.44) ab. Ist eine Heilung nicht möglich, dann muss wenigstens versucht werden die Symptome zu lindern (IJȦ̏Ȟ ȞȠıȘȝȐIJȦȞ IJĮ̈Ȣ ıijȠįȡȩIJȘIJĮȢ ¢ȝȕȜȪȞİȚȞ/tôn nosêmátôn tàs sphodrótêtas amblýnein, De Arte 3). Der Gedanke der Palliation wird in Mul.II 7 klar artikuliert: Wenn die Behandlung des Fluor (r‘ ȩȠȢ ȜİȣțȩȢ/rhóos leukós) die Frauen auch nicht gesund macht, so fühlen sie sich danach doch zumindest besser (eٛİIJȑıIJİȡȠȞ įȚȐȖȠȣıȚȞ/eupetésteron diágousin). Der hippokratische Autor kennt die Besonderheiten der Behandlung chronischer Erkrankungen. Beschwerden, die seit langem bestehen, machen den Patienten, selbst wenn sie schwerwiegend sind, oft weniger zu schaffen als akute Symptome (Aph.2,50). Daher strebt man in solchen Fällen langfristig wirksame Therapieverfahren an, z.B. einen Orts- und Klimawechsel oder eine grundsätzliche Änderung des Lebensstils (ȝİIJĮȕȠȜĮȚ̈...IJȦ̏Ȟ ȕȓȦȞ/metabolaì...tôn bíôn, Aph.2,45). Es kann jedoch auch sinnvoll sein, eine chronische in eine akute Erkrankung umzuwandeln (ȞȠıȒȝĮIJĮ IJĮ̈ ›ĮȜĮȚĮ̈ ȞȑĮ ›ȡȦ̏IJȠȞ ›ȠȚİȚ̘Ȟ/nosêmata tà palaià néa prôton poieîn, Loc.Hom.38). Als Beispiel wird die medikamentöse Erweichung eines vernarbten Geschwürs angeführt, die es möglich macht, dass die Wunde später von den Rändern her zuheilt.

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Obligatorischer Bestandteil der konservativen Behandlung war die Purgation (țȐșĮȡıȚȢ/kátharsis, z.B. Acut.13). Sie wurde nicht nur therapeutisch, sondern auch prophylaktisch, und zwar bei nahezu allen Erkrankungen, also nicht nur denen des Gastrointestinaltrakts eingesetzt. Dabei strebte man die Entleerung sowohl nach oben wie nach unten an und setzte dazu Mittel ein, die teilweise ‘ ı›İȡ țȣ̎ȝĮ/ánô te drastische Wirkungen hervorriefen (ÁȞȦ IJİ țĮȚ̈ țȐIJȦ ¢ȞĮIJȡȑȤİȚ è kaì kátô anatréchei hôsper kyma [nach oben und nach unten geht es wie Wasser ab], Int.47). Die Entleerung des Mageninhalts wurde sowohl pharmakologisch (z.B. durch ıȣȡȝĮȚıȝȩȢ/syrmaismós, eine Mischung aus Rettich und Salzwasser, Artic.40) als auch mechanisch (›IJİȡȠȣ̏ įİ̈ țĮșȚİȝȑȞȠȣ/pteroû de kathieménou [indem man die Feder hineinsteckt], Epid.V 40) provoziert. Den Reinigungseinlauf (țȜȪıȝĮ/ klýsma, z.B. Epid.VII 1, țȜȣıȝȩȢ/klysmós, z.B. Epid.VII 62) führte man mit verschiedenen meist pflanzlichen Zusätzen (z.B. Honig, Wein, Öl und Soda, Int.20) durch.

Hippokratische Lebensführung A: Byl S.: Sommeil et insomnie dans le “ Corpus Hippocraticum”. RBPh 1998; 76: 31–36

Die hippokratischen Ärzte waren nicht nur kurativ, sondern auch präventiv tätig und sie kamen dieser Aufgabe nach, indem sie neben Ernährungstipps auch Ratschläge für die Regelung der gesamten Lebensweise (įȓĮȚIJĮ/díaita, z.B. Aer.2) gaben. Daher nahmen sie zu Themen wie dem Wechsel der Jahreszeiten, dem Schlaf-Wach-Rhythmus, der Sexualität sowie dem Sport und dessen Bedeutung für die Erhaltung der Gesundheit Stellung. In Salubr.1 gibt der Verfasser detaillierte Empfehlungen dafür, wie man die Ernährung beim Übergang von einer Jahreszeit in die andere umstellen soll. Regelmäßiger Nachtschlaf erschien dem hippokratischen Arzt als natürliches Zeichen von Gesundheit; die krankheitsbedingten Abweichungen von der Norm galten als prognostisch ungünstig (Progn.10). Wer aber zu lange schläft, erwärmt das Fleisch und schwächt so seinen Körper (Vict.II 60). Dem Geschlechtsverkehr wird roborierende Wirkung zugeschrieben. Bei konsumierenden Erkrankungen (ijșȩȘ/phthóê, Morb.II 49) und Blutungen (ȝȑȜĮȚȞĮ ȞȠȣ̎ıȠȢ/ mélaina noûsos, Morb.II 73) ist die sexuelle Enthaltsamkeit jedoch Teil des Behandlungskonzepts. Spaziergänge (›İȡȓ›ĮIJȠȚ/perípatoi) vor und nach dem Essen, auch einzelne scharfe Spurts (įȡȩȝȠȚıȚȞ... ÑȟȑıȚȞ/drómoisin...oxésin) werden ausdrücklich empfohlen (Vict.II 62). Zum Engagement in Kampfportarten wie dem Ringen (›ȐȜȘ/pálê) äußert sich der hippokratische Autor das eine Mal (Vict.III 68) zustimmend, das andere Mal (Vict.I 35) ablehnend.

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Diätbehandlung Hauptfundstellen: Acut., Salubr., Liqu., Aff.39–61, Vict.II, Vict.III

Der Erfolg der Diät hängt davon ab, wann man mit ihr beginnt, welche Nahrungsmittel man dafür auswählt, wie man sie zubereitet und wie streng sich der Patient an das verordnete Regime hält (Aph.1, 4–5). Der Arzt weiß, dass die Nahrungsmittel nicht nur grundsätzlich verschiedene Wirkung auf Gesundheit und Krankheit haben, sondern dass z.B. Käse oder Wein von dem einen gut, von dem anderen weniger gut vertragen wird. Vielfach wird die Ernährung im Krankheitsfall langsam umgestellt und dem Verlauf angepasst (Nat.Hom.9). Nulldiät (ȜȚȝȠțIJȠȞȓĮ/limoktonía, z.B. Acut.spur.24) wurde z.B. bei Ikterus (Int.24) und bösartigem Fieber (Morb.II 67) verordnet. In Vict.II 39–56 werden die Eigenschaften von Nahrungsmitteln und Getränken sowohl in ihrem Rohzustand (țĮIJĮ̈ ijȪıȚȞ/katà phýsin) als auch nach entsprechender Zubereitung (įȚĮ̈ IJȑȤȞȘȢ/dià téchnês) beschrieben. Besonders häufig sind dicke Suppen (r‘ ȩijȘȝĮ/rhóphêma, z.B. Acut.12) erwähnt. Neben Wasser, Wein, Milch und Molke wurden mehrere Mischgetränke zu therapeutischen Zwecken genutzt (s. Kasten). Arzneilich verwendete Mischgetränke im C.H. țȣțİȫȞ/kykeôn (z.B. Acut.39)

ȝİȜȓțȡȘIJȠȞ/melíkrêton (z.B. Acut.15) ÑȟȪȝİȜȚ/oxýmeli (z.B. Acut.50) o„ȞȩȝİȜȚ/oinómeli (Int.6) o„ȞȩȖĮȜĮ/oinógala (Epid.VII 82)

Mischgetränk aus Wasser, Wein, Käse, Milch, Salz, Gerstengraupen, Zwiebeln und Kräutern Melikrat, Hydromel: Honigaufguss mit Wasser Oxymel: Essighonig Met: Honigwein Weinmilch

Pharmakotherapie Hauptfundstellen: Hum., Nat.Mul., Mul.I 74–109, Mul.II 79–101 M: Dierbach J.H.: Die Arzneimittel des Hippokrates. Heidelberg, 1824 (Nachdr. mit einem Vorwort v. R. Schmitz. Hildesheim,1969) A: Harig G.: Anfänge der theoretischen Pharmakologie im Corpus Hippocraticum. In: Coll.Hipp.III Paris 1978 (Paris 1980): 223–245 Maurel A.M.: Les plantes médicinales dans le Corpus hippocratique. In: Antiquité classique: D’Hippocrate à Alcuin. Limoges, 1985: 33–45 Scarborough J.: Theoretical assumptions in Hippocratic pharmacology. In: Coll.Hipp.IV Lausanne 1981 (Genève 1983): 307–325 Stannard J.: Hippocratic Pharmacology. Bull. Hist. Med. 1961; 35: 497–518

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Im Unterschied zur Diätetik wird die Pharmakotherapie im C.H. nicht in geschlossener Form behandelt. Anmerkungen und Empfehlungen zur Arzneimitteltherapie finden sich in vielen Schriften (z.B. Int.). Die meisten Arzneimittel wurden in der Praxis zubereitet; der Arzt agierte also vielfach zugleich als Apotheker (Decent.8). Das C.H. beschreibt insgesamt etwa 260 arzneilich wirksame Stoffe. Die hippokratischen Ärzte nahmen an, dass Pharmaka jeweils vornehmlich auf einen der vier Körpersäfte wirken, die anderen aber nicht unbeeinflusst lassen (Nat.Hom. 6). Pharmaka entziehen dem Körper zunächst jenen Saft, dem sie selbst am nächsten verwandt sind, und danach die anderen. Ein Phlegmagogum führt also zuerst zum Erbrechen von Schleim, dann von gelber Galle, danach von schwarzer Galle und schließlich von Blut. Die später von Galen getroffene Einteilung der Arzneimittel in vier äußerlich unterscheidbare Gruppen (trockene, feuchte, warme und kalte) ist im C.H. nur ansatzweise zu erkennen (Vict.II 52,54). Die Kunst des Arztes bestand darin, die mangelhafte Wirkung anderer therapeutischer Maßnahmen auf die Regulierung der Körpersäfte durch den Einsatz von Pharmaka auszugleichen und den Organismus auf diese Weise zu reinigen (Aff. 36, Loc.Hom. 41). Vor dem allzu großzügigen Einsatz von Pharmaka wird aber gewarnt, da sie die natürliche Ordnung im Körper gewaltsam verändern (Vict.III 67). Die meisten Arzneimittel wurden aus Pflanzen gewonnen. Pharmaka tierischen (z.B. ȕȠȪ›ȡȘıIJȚȢ/boúprêstis [ giftiger Käfer], Nat.Mul.32) oder mineralischen Ursprungs (z.B. șİȚ̘ȠȞ/theîon [Schwefel], Nat.Mul. 34, ȜȚȞȩȗȦıIJȚȢ/linózôstis [Quecksilber], Epid.VII 5) wurden weniger häufig verwendet. Der Konsistenz nach unterschied man zwischen schleimigen, ölig-fettigen und balsamischharzigen, dem Geschmack nach zwischen süßen und scharfen Mitteln. Eine weitere Gruppe bildeten die aromatischen und ätherisch-öligen Zubereitungen. Wenn eine allgemeine, d.h. substratunspezifische Entleerung herbeigeführt werden sollte, setzte man Purgativa (z.B. țȞȓįȚȠȢ țȩțțȠȢ/knídios kókkos, die Frucht, und țȞȑȦȡȠȢ/knéôros, die Blätter eines Wolfsmilchgewächses, Int. 44,47) und Diuretika (z.B. IJò įȚȠȣȡȘIJȚțòȞ įȡȚȝȪ/tÕ diourêtikòn drimý [das starke harntreibende Mittel]), das der Sohn des Theophorbos in Larissa gegen ein Blasenleiden erhielt, Epid.V 17), in geringerem Umfang auch Expektorantien ein. Es waren aber auch selektiv wirksame Pharmaka bekannt. Als Cholagogum wurden z.B. die eingeweichten Wurzeln der wildwachsenden Wassermelone empfohlen (Loc.Hom. 28). Außerdem waren schmerzstillende, betäubende (z.B. Mohnsaft, Acut.spur 30,39) und roborierende Mittel in Gebrauch. Unter den lokal wirksamen Pharmaka wurden drei große Gruppen unterschieden: Erweichende, adstringierende und die Vernarbung fördernde Mittel. Maßangaben für die Zubereitung und zur Dosierung der Arzneimittel sind selten (Acut. 60,66); oft fehlen sie ganz oder sind unbestimmt (z.B. Nat.Mul. 32: Ò‘ ıȠȞ țȩȖȤȘȞ/hóson kónchên [eine Muschelschale voll]). Die vielfach mangelhafte Sorgfalt bei der

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Zubereitung der Arzneien barg ein Gefahrenpotenzial für den Kranken, da man oft große Substanzmengen applizierte (z.B. mit Klistieren, Nat.Mul.33). Die Nieswurz (e‘ȜȜȑȕȠȡȠȢ/helléboros) ist eines der bekanntesten Arzneimittel der Antike und wird auch im C.H. häufig erwähnt. Zwei Arten werden unterschieden: Die weiße Nieswurz (e‘ȜȜȑȕȠȡȠȢ ȜİȣțȩȢ/helléboros leukós, z.B. Morb.III 15) und die schwarze Nieswurz (e‘ȜȜȑȕȠȡȠȢ ȝȑȜĮȢ/helléboros mélas, z.B. Ulc.17). Beide Arten sind botanisch nicht sicher identifiziert, doch setzt man die weiße Nieswurz im allgemeinen mit Veratrum album und die schwarze Nieswurz mit Helleborus orientalis oder Veratrum nigrum gleich. Die weiße Nieswurz wurde entweder getrunken (z.B. Int.36) oder nasal appliziert (z.B. Epid.II 5.25) und diente vorwiegend als Brechmittel, die schwarze Nieswurz in erster Linie als Purgativum. Zur Geschmacksverbesserung verabreichte man sie zusammen mit süßem Wein (Mul.I 74). Man postulierte, dass Helleborus die enzephalofugalen Flüsse anrege, und verwendete ihn deshalb auch als Psychopharmakon (Vict.I 35). Außerdem wurde er u.a. in der Gynäkologie (z.B. Mul.I 82) und, um die Entleerung nach oben zu fördern, auch bei Durchfallerkrankungen eingesetzt (Coac.304). Als Kontraindikation galt das Empyem (Acut.spur.16). Nach Aph.4,14–15 wird die emetische Wirkung der Nieswurz durch körperliche Aktivität gesteigert. Trotz der vielfach drastischen Wirkung der HelleborusZubereitungen gab es Therapieversager (Epid.VII 68). Die Nieswurz galt als ausgesprochen gefährliches (™›ȚțȓȞįȣȞȠȢ/epikíndynos, Aph.4,6), potenziell zum Tode führendes Mittel (șĮȞȐıȚȝȠȞ/thanásimon, Aph.5,1). Besonders gefürchtet waren Krämpfe (Coac.556). In Epid.II 2.22 wird von einer Frau berichtet, die nach Einnahme eines helleborushaltigen Getränks schwere Organkomplikationen entwickelte und im Delir starb.

Physikalische Therapie Vor allem bei internistischen und gynäkologischen Erkrankungen leitete der hippokratische Arzt physikalische Behandlungsmaßnahmen (s. Kasten) ein. Die größte Bedeutung hatten Bäder. Acut.18 enthält ausführliche Anweisungen für die Vorbereitung und Durchführung therapeutischer Bäder. Besonderes Gewicht legt der Autor auf die richtige Kombination der physikalischen Therapie mit der Diätbehandlung. Formen der physikalischen Therapie im C.H. ȜȠȣIJȡȠ̈Ȟ șİȡȝȩȞ/loutròn thermón (z.B. Epid.VII 102) ȥȣȤȡĮ̈ ...ȜȠȣIJȡȐ/psychrà...loutrá (Vict.II 57)

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Warmes Bad (auch bei Fieber, Morb.II 43) Kaltes Bad (entzieht Feuchtigkeit)

a‘ȜȝȣȡȠ̈Ȟ ȜȠȣIJȡȩȞ/halmyròn loutrón (Vict.II 57) ›ȣȡȓĮ/pyría (z.B. Morb.II 14), ›ȣȡȓĮȝĮ/pyríama (z.B. Flat. 9) IJȡȚ̘ȥȚȢ/trîpsis (z.B. Vict.II 65), ¢ȞȐIJȡȚȥȚȢ/anátripsis (z.B. Epid.VI 3.18) Ȝȓ›ȠȢ/lípos (z.B. Vict.II 58) œȜĮȚȠȞ/élaion (z.B. Vict.II 65) ÁȜİȚijĮ/áleipha (z.B. Acut.spur.11, Mul.I 84) ȤȜȓĮıȝĮ/chlíasma (z.B. Mul.I 63, Morb.II 20) çȝȒȜȣıȚȢ/ômêlysis (Morb.II 31)

Salzbad (wärmt und trocknet) Dampfbad Massage Einfetten Einölen Salben Feuchtwarmer Umschlag Breiumschlag (țȡȚșȑȦȞ/ krithéôn [mit Gerste], Mul.II 83)

7.5 Invasive Therapie Hauptfundstellen: Off., Morb.II, Morb.III

Invasive Maßnahmen waren für den hippokratischen Arzt die ultima ratio seiner therapeutischen Bemühungen. Nur die Traumatologen wandten aggressive Behandlungsmethoden regelmäßig an. Die Zurückhaltung des Allgemeinarztes hatte mehrere Gründe. Zum einen hielt er es für ein Zeichen des eigenen Unvermögens, wenn die konservative Behandlung nicht zum Ziel führte und nur noch die Wahl zwischen Schneiden und Brennen (IJȐȝȞİȚȞ À țĮȓİȚȞ/támnein ê kaíein, Morb.I 10, auch: țĮȓİȚȞ À IJȐȝȞİȚȞ/kaíein ê támnein, Morb.III 16) offen stand. Die griffige Formulierung ist nicht original hippokratisch, sondern wurde schon von Heraklit [DK 22 B 58: IJȑȝȞȠȞIJİȢ țĮȚ̈ țĮȓȠȞIJİȢ/témnontes kaì kaíontes] gebraucht. Zum anderen fürchteten sie mögliche Komplikationen. Außerdem war es ihre Absicht, die Kranken durch die Therapie grundsätzlich so wenig wie möglich zusätzlich zu belasten (Medic. 8). Daher wurde den Schwangeren vor der Embryotomie der Kopf verhüllt (Foet.Exsect.1) und vor der Schüttelung wurden die Schamteile mit einem Tuch bedeckt (Foet.Exsect.4). Inzisionen sind bei Empyem (Morb.III 16), Nierenabszess (Int.14.17), paravertebralem Senkungsabszess (Int.15), am entzündlich geschwollenen Gaumenzäpfchen (Morb.II 29) und bei Hämorrhoiden (Haem.2) durchgeführt worden. In Morb.II 47 wird die wiederholte Inzision und Drainage eines Pleuraempyems geschildert. Epid.V 26 beschreibt einen Mann, bei dem die Haut wegen eines ausgedehnten Systems von Fisteln, die zu den Knochen und Nieren reichten, gespalten wurde (¢ȞĮIJȝȘșİ̈Ȟ IJȠ̈ įȑȡȝĮ/anatmêthèn tò dérma). Auch der Aderlass (ijȜİȕȠIJȠȝȓĮ/phlebotomía, z.B. Nat.Hom.1) wurde nur bei schweren Krankheiten bzw. bei einem besonders schweren Verlauf durchgeführt (IJĮ̈ į ̈ ÑȟȑĮ ›ȐșİĮ ijȜİȕȠIJȠȝȒıİȚȢ, ÀȞ „ ıȤȣȡȠ̈Ȟ ijĮȓȞȘIJĮȚ IJȠ̈ ȞȠȪıȘȝĮ/ta d` oxéa páthea

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phlebotomêseis, ên ischyròn phaínetai tò noúsêma, Acut.spur.2). So setzte man ihn bei starken Kopfschmerzen (Morb.II 18), bei der Kombination aus intraktablem Fieber, Husten und Schmerzen an der rechten Körperseite (Epid.III 17.8) und bei einem Magenleiden (Epid.V 80) ein. Die für den Eingriff verwendeten Schröpfköpfe (ıȚțȪĮ/sikýa, z.B. Epid.IV 20) wurden gewöhnlich am Ellbogen oder in der Kniekehle angesetzt (Nat.Hom.11); aber auch Hände (Morb.II 55) und Brust (Epid.II 6,16) waren mögliche Zielorgane. Für die Wahl des Applikationsortes ausschlaggebend war der vermutete Verlauf der Gefäße des erkrankten Organs bzw. der erkrankten Region. Man suchte grundsätzlich eine Stelle, die vom Schmerzpunkt möglichst weit entfernt war, und phlebotomierte stets auf der erkrankten Seite (Acut.spur.11). Details des Instrumentariums und der Technik werden in Medic.7–8 beschrieben. Nach dem Aderlass wurden die offenen Stellen hochgelagert und, wenn die Blutung nicht sistierte, verbunden (Ulc.26). Wie lange man den Patienten bluten ließ, richtete sich nach seinem Alter und Kräftezustand (Mul.I 77). Der Blutverlust konnte jedoch exzessiv sein (š‘ ȦȢ œȟĮȚȝȠȢ ™ȖȑȞİIJȠ/héôs éxhaimos egéneto [bis er ausgeblutet war], Epid.V 6). In Acut.spur.4 wird die Symptomatik des ausgiebigen Aderlasses (u.a. starrer Blick, Herzklopfen, kalte Akren) beschrieben. Die Kauterisation (kaûsij/kausis, z.B. Mochl. 3) wurde mit derselben Absicht eingesetzt wie die Phlebotomie. Man versuchte auf diese Weise den Fluss der schädlichen Säfte zu stoppen (IJĮ̈Ȣ ijȜȑȕĮȢ ¢›ȠțĮȓİȚȞ/ tas phlébas apokaíein [die Gefäße abbrennen], Loc.Hom.13). Ein Beispiel für die systematische Anwendung dieses Therapieprinzips ist der Brauch der Skythen, die sich wegen ihrer konstitutionellen Feuchtigkeit an mehreren Körperstellen (Schultern, Arme, Handgelenke, Brust, Lenden, Hüften) kauterisieren ließen (Aer. 20). Für den Eingriff wurden Glüheisen (ıȚįȒȡȚȠȞ/sidêrion, z.B. Morb.II 34, țĮȣIJȒȡȚȠȞ/kautêrion, Vid.Ac.3), Schuppen am verkohlten Kerzendocht (ȝȒțȘȢ/mêkês, Int.24) und in Öl getränkte Buchsbaumspindeln (›ȣȟȓȞȠȚ ÁIJȡĮțIJȠȚ/pyxínoi átraktoi, Int. 28) verwendet. Polypen der Nase kauterisierte man mit drei bis vier Glüheisen, die über ein Führungsröhrchen (ıȣ̏ȡȚȖȟ/sǔrinx) eingebracht wurden (Morb.II 34). Die Kauterisation wurde sowohl therapeutisch, z.B. bei Hämorrhoiden (Haem.2), Kopfschmerz (Morb.II 12), Entzündung des Gaumens (Morb.II 32), Pleuraempyem (Int. 9) und Lebererkrankungen (Int. 24,28), als auch prophylaktisch eingesetzt, z.B. um die Ausbreitung einer Nephritis zu begrenzen (Int.18). Außerdem setzte man diese Behandlungsform zur Rezidivprophylaxe bei Patienten mit habitueller Schulterluxation ein (Artic.11). Man glaubte durch die Kontraktion der nach örtlicher Verbrennung entstehenden Narben die Reluxation verhindern zu können. Manche Intervention war aber nicht korrekt indiziert. In Epid.V 7 wird ein Mann aus Oiniadai beschrieben, den man wegen zahlreicher Eiterherde an vielen Stellen kauterisiert und der davon ausgedehnte Narben behalten hatte. Ein oder zwei Schnitte, so merkt der Autor kritisch an, hätten für eine ausreichende Drainage ausgereicht und den Patienten mutmaßlich geheilt. So aber ist er wenige Tage später gestorben.

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8 Ethik der hippokratischen Medizin M: Beckmann D.: Hippokratisches Ethos und ärztliche Verantwortung: zur Genese eines anthropologischen Selbstverständnisses griechischer Heilkunst im Spannungsfeld zwischen ärztlichem Können und moralischer Verantwortung. Bern. Frankfurt am Main, 1995 Ducatillon J.: Polémiques dans la collection hippocratique. Paris, 1977 A: Lichtenthaeler C.: Zur Kontroverse über das șİȚҔȠȞ des Prognostikon. RhM 1992; 135: 382–383 Prioreschi P.: Supernatural elements in Hippocratic medicine. JHM 1992; 47: 389–404 Prioreschi P.: Did the Hippocratic physician treat hopeless cases? Gesnerus 1992; 49: 341–350

Der hippokratische Arzt ist standesbewusst und verteidigt die Medizin gegen ungerechtfertigte Angriffe. Er lebt von seiner Arbeit und verlangt dafür Honorar. In den deontologischen Schriften des C.H. wird das korrekte Verhalten des Arztes beschrieben. Aber auch in vielen wissenschaftlichen Traktaten werden ethische Themen behandelt. Hippokrates fordert Ehrlichkeit gegenüber dem Kranken, kollegiales Verhalten und weise Selbstbeschränkung. Bei den begrenzten therapeutischen Möglichkeiten, die zur Verfügung stehen, ist der hippokratische Arzt gegenüber vielen Erkrankungen machtlos und daher oft mit dem Tod konfrontiert.

8.1 Pflichten des hippokratischen Arztes Hauptfundstellen im C.H.: Epid.I–VII, Jusj., Lex, De Arte, Medic., Decent., Praec.

Die Autoren des C.H. legen den Ärzten einen umfassenden Pflichtenkatalog vor. Die Epidemien, aber auch andere Schriften zeigen, dass die Empfehlungen und Anweisungen in der Praxis beachtet worden sind (s. Kasten). Eigenschaften des vorbildlichen Arztes im C.H. Menschenliebe (ijȚȜĮȞșȡȦ›ȓȘ/philanthrôpíê, Praec.6): Epid.VI 4.7 beschreibt die Formen der umfassenden Zuwendung zum Kranken. Dabei ist im Einzelfall auch die gnädige Täuschung (¢›ȐIJȘ/apátê) erlaubt, die dem Kranken den Behandlungsfortschritt nur vorspiegelt. So legt der Arzt in Epid.VI 5.7 dem Patienten, der über Ohrenschmerzen klagt, mit warmem Öl getränkte Wolle auf und lässt es von dort abtropfen, damit der Eindruck entsteht, das Organ reinige sich. Anschließend wird die Wolle verbrannt.

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Gepflegte äußere Erscheinung (Medic.1, Decent.7, Praec.10–11): Anleitung zur Maniküre für den Chirurgen (Off.4) Wahrheit und Diskretion am Krankenbett (Decent.11–16, Praec.9): Das Recht und die Pflicht des Arztes, eine – möglicherweise ungünstige – Prognose zu stellen, wird allerdings nicht in Zweifel gezogen (Prorrh.II 3). Kein Missbrauch berufsbedingter Privilegien: Der Arzt hat das natürliche Schamgefühl der Frau zu beachten (Mul.I 62). Manuelle Geschicklichkeit (Medic.5): Beispiele für eÙȤİȚȡȓȘ/eucheiríê gibt Morb.I 10. Psychische Widerstandskraft (™ȖțȡȐIJİȚĮ/enkráteia, Medic.1): Flat.1 beschreibt treffend die Belastung des Arztes durch das menschliche Leid, das er zu sehen bekommt (o‘ ȝİ̈Ȟ ȖĮ̈ȡ „ĮIJȡòȢ o‘ ȡñ IJİ įİȚȞȐ/ho mèn gàr iatròs horê te deiná [denn der Arzt sieht Schreckliches]) Selbstkritik: Gefahr der Fehldeutung einer Sutur der Schädelkalotte als Fraktur (VC 12) Fortbildung: In Epid.III 16 wird das Studium der Fachliteratur (ıțȠ›İȚ̘Ȟ țĮì ›İȡì IJȦ̐Ȟ ȖİȖȡĮȝȝȑȞȦȞ ÑȡșȦ̐Ȣ/skopeîn kaì perì tôn gegramménôn orthôs) als unverzichtbar bezeichnet. Klare und überzeugende Sprache in der fachlichen Diskussion: Attacke gegen rhetorische Verbrämung von Nichtwissen (Nat.Hom.1)

8.2 Das ärztliche Honorar Hauptfundstellen im C.H.: Epid. I–VII, Praec.4–6

Der hippokratische Arzt behandelt viele Patienten der Oberschicht und wird für seine Leistungen großzügig bezahlt. Denn nur Reiche können sich Medizin leisten (Plat.rep.III 406c). Außerdem lässt er sich für den Unterricht, den er den Medizinstudenten erteilt, honorieren (Jusj.). In den Epidemien werden aber auch viele einfache Leute (Handwerker, Hauspersonal) erwähnt, um die sich die Wanderärzte gekümmert haben. Die Honorare wurden nach den Vermögensverhältnissen der Patienten gestaffelt, waren also vom Sozialstatus abhängig. Ausdrücklich werden auch reduzierte Tarife und im Einzelfall sogar eine kostenlose Behandlung empfohlen (Praec.6). Keinesfalls, so warnt der hippokratische Autor, solle man bereits zu

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Beginn des Arzt-Patienten-Kontakts die Honorarfrage aufwerfen, vor allem dann nicht, wenn es sich um einen akuten Fall handelt (Praec.4). Dass man vielen Ärzten in der Nachfolge des Hippokrates die in den Schriften empfohlene Barmherzigkeit und Großzügigkeit nicht zugetraut hat, zeigt ein Epigramm (Anth.Pal.XI 382) des Agathias Scholastikos (6. Jht.). Darin stellt Kallignotos, der als Doktor von Kos bezeichnet wird, nach hippokratischer Manier eine gelehrte, aber ungünstige Prognose und verlangt, so wie er es angeblich ebenfalls bei Hippokrates gelernt hat, dafür ein stattliches Honorar.

8.3 Der ärztliche Kunstfehler Hauptfundstellen im C.H.: Fract., Artic., Epid.V

Hippokrates teilt Behandlungsfehler (VC 12) offen mit und versucht auf diese Weise seine Kollegen vor deren Wiederholung zu bewahren. Dafür wird er von Celsus (VIII 4.4) ausdrücklich gelobt. Er versäumt es aber auch nicht, auf die Fehler, die er in der Arbeit von Kollegen festgestellt hat, hinzuweisen. In den chirurgischen Werken beschränkt er sich auf allgemein gehaltene Warnungen. Fract.1 und 2 zählen die Fehlermöglichkeiten bei der Behandlung von Frakturen und Luxationen der oberen Extremität auf, Artic.13 jene, die bei der Reposition des Akromion zu beachten sind, Artic. 36 kritisiert die Bandagierung der gebrochenen Nase. In zwei Büchern der Epidemien (Epid.V und VII) wird der Verfasser indes sehr konkret und weist schonungslos auf individuelle Fehldiagnosen (Peripleumonie, Epid.V 14), technisch insuffiziente Behandlung (Drainage, Epid.V 7, Trepanation, Epid.V 28, Exzision eines Geschosses, Epid.VII 121), inadäquate Verzögerung der Behandlung (Kauterisation, Epid.V 29,30) und Übermaßbehandlung (Epid.V 15,18) hin. In Mul.I 65 schildert der Autor die Intensivbehandlung eines Geschwürs der Gebärmuter, die zwar zur Heilung der Patientin, aber gleichzeitig zu Sterilität führte.

8.4 Verweigerung der Behandlung Hauptfundstellen im C.H.: Fract., Artic., De Arte

Die Verweigerung des Heilversuchs und die Beschränkung auf symptomatische Behandlung ist in der Antike weit verbreitet. Asklepios begeht einen Frevel, als er einen Todgeweihten aus Gewinnsucht ins Leben zurückholt (Pind.Pyth. III 155ff.). Auch im C.H. wird dem Arzt zu Bescheidenheit und Zurückhaltung im Angesicht inkurabler Leiden geraten (De Arte 3). Umgekehrt werden schwere Erkrankungen bzw. schwere Verlaufsformen von Erkrankungen als Bewährungsprobe für den Patienten betrachtet (Loc.Hom. 24). Nur an einer Stelle

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einer weniger bedeutenden Schrift (Acut.spur.10) fordert der Verfasser zur Maximaltherapie von Fieberkranken auf. Cicero nimmt den Appell der hippokratischen Ärzte – allerdings in übertragenem Sinne – auf, wenn er in Att. XVI 17(15)5 über seine Sorgen nachdenkt: sed desperatis etiam Hippocrates vetat adhibere medicinam [aber in hoffnungslosen Fällen verbietet auch Hippokrates eine Medizin zu geben]. Der Koer hat für die Warnung vor risikoreichen Formen der Therapie eine doppelte Begründung. Zum einen dienen seiner Meinung nach gefährliche Manöver mehr der Reputation des Arztes als dem Wohl der Kranken (Artic. 42: Staunen der Menge beim Versuch der instrumentellen Reposition der posttraumatischen Verkrümmung der Wirbelsäule an der Leiter), zum anderen soll man inkurable Leiden nicht angehen, um beim Patienten und dessen Familie nicht falsche Hoffnungen zu wecken und auch um den Ruf der Medizin nicht zu gefährden (Fract. 36: Aussichtslose Repositionsversuche an den Extremitäten, Jusj.: Verbot der Lithotomie mutmaßlich wegen Inkompetenz der akademischen Ärzte, Morb.II 48: Einstellung der Therapie in aussichtslosen Fällen von Pneumonie). Ausnahmsweise äußert eine Patientin wegen schwerer Krankheit selbst den Todeswunsch (șĮȞİȚ̘Ȟ ™ȡĮ̎IJĮȚ/thaneîn erâtai [sie wünscht zu sterben], Mul.II 68). Die Erkenntnis, dass es Krankheiten gibt, auf die der Arzt keinen Einfluss (mehr) nehmen kann, fordert zur Prognose heraus und macht sie zum integralen Element der hippokratischen Medizin (Progn.1). Der Tod wird im C.H. sowohl von der somatischen wie von der psychischen Seite dargestellt. Morb.I 3 zählt letale Krankheiten auf (z.B. Phthisis und Anasarka), das in den Handschriften C´ und V am Ende von Aph. enthaltene Fragment sowie Hebd. 50–52 beschreiben die Zeichen der Agonie (verzerrtes Gesicht, Zuckungen) und des Todes (Verfärbung, Starre, Aufblähung des Leibes). Mit letalen Erkrankungen von Frauen befassen sich Nat.Mul. 13 und Mul.II 68. Kranke, die vor Schmerz verstummen (¢ijȦȞȓĮȚ/aphôníai), sterben einen schweren Tod (įȣıșȐȞĮIJȠȚ/dysthánatoi, Prorrh.I 55, Coac. 244).

8.5 Der Eid des Hippokrates: Rezeption und Transformation Die Belege dafür, dass der hippokratische Eid von Ärzten in der Antike tatsächlich geleistet wurde, sind spärlich und stammen aus nachchristlicher Zeit. Scribonius Largus (1. Jht.), Arzt am Hof von Kaiser Claudius, teilt mit, dass Hippokrates seine Schüler bat, den Eid zu leisten, bevor er sie zur Ausbildung aufnahm (comp. praef. 2,3). Auch Hieronymus bestätigt in einem seiner Briefe (ep.52,15), dass Hippokrates den Eid schwören ließ. Gregor von Nazianz berichtet, dass sein Bruder Caesarius, der in Alexandria Medizin studierte, im Gegensatz zu den Kommilitonen den Eid verweigerte (or. 7,10). Galen erwähnt den Eid hingegen mit keinem einzigen Wort.

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In den Epochen und Gesellschaften, die das Griechische nicht oder nicht mehr verstanden haben, konnte der Eid nur dann ein Element der ärztlichen Ethik bleiben, wenn man ihn übersetzte. Wörtliche Übertragungen waren dazu aber nicht geeignet. Um den Text den Erfordernissen der Ausbildung und aktuellen sozialen Bedingungen anzupassen, wurden daher im Laufe der Zeit eine Reihe von Änderungen vorgenommen. In der arabischen Medizin diente der hippokratische Eid (arab.: K. al-ǯAhd) über Jahrhunderte hinweg als Vorlage für das von den Behörden geforderte Standesgelöbnis. Die Medizingeschichte des Ibn AbƯ Uüaibi´ah (1230–1270) zitiert eine Übersetzung, in der an Stelle von Apollon, Hygieia und Panakeia Allah, der Herr des Lebens und des Todes, genannt wird; nur die Anrufung des Asklepios blieb erhalten. In dem gleichen Werk finden sich eine Kurzversion von Lex sowie eine daran inhaltlich anschließende „ Anordnung der Medizin“, die auch als Testament des Hippokrates bekannt ist. Eine gegenüber dem Original mehrfach veränderte Version des Eides ist von dem in Spanien lebenden Augenarzt Mohammad ibn Qassoûm ibn Aslam al-GafƯqƯ (12. Jht.) überliefert. Darin ist der Abschnitt über die Verpflichtungen des Schülers gegenüber dem Lehrer und dessen Familie abgeschwächt. Dafür wurden die Bestimmungen über die Entlohnung des Arztes verschärft. Der Mediziner hatte gegenüber den Armen nicht nur barmherzig zu sein und auf ein Honorar zu verzichten, sondern er musste ihnen sogar die Medikamente aus eigener Tasche bezahlen. Das Gebot der unentgeltlichen Behandlung der Bedürftigen war auch in den Eidesformeln, die an den Medizinischen Schulen von Salerno (9. Jht.) und Montpellier (12. Jht.) gebraucht wurden, enthalten. Vom 14. Jahrhundert an wurde der hippokratische Eid in lateinischer Sprache geleistet. Die Übersetzungen stammten u.a. von Nicolaus von Reggio (~ 1280 bis ~ 1350), Lehrer der Medizin in Salerno und Neapel, dem Gelehrten und Erzieher Pietro Paolo Vergerio dem Älteren (1370 bis ~ 1444) und dem Grammatiker Niccolò Perotto (1429–1480). An den Universitäten von Leiden und Edinburgh leisteten die Studenten im 17. Jahrhundert den Eid auf eine der lateinischen Versionen. In den Schwurformeln von Wittenberg (1508) und Basel (1570) waren Teile des hippokratischen Eids enthalten. Die Absolventen der Heidelberger Medizinischen Fakultät wurden von 1558 an bis ins 19. Jahrhundert verpflichtet, sowohl auf die Eidesformel wie auf den Inhalt von Medic. zu schwören. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts an begann der hippokratische Eid rasch an offizieller Bedeutung zu verlieren. Dort, wo er – wie an manchen amerikanischen Universitäten – noch geleistet wurde, eliminierte man zunächst die beiden ersten Teile (Anrufung der Götter, wirtschaftliche Verpflichtungen der Schüler) komplett. Gleichzeitig wurde über die Aktualität einzelner Paragraphen diskutiert. Dabei standen die Bestimmungen zur Lithotomie und zur Abtreibung im Mittelpunkt. Andernorts versuchte man, den hippokratischen Eid als Vehikel für die Durchsetzung politischer Absichten zu benutzen. So enthält die „ Standes-

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ordnung für die deutschen Ärzte“ aus dem Jahre 1926 neben den Hauptbestimmungen des Eids die Verpflichtung zum medizinischen Dienst am deutschen Volke. Das Genfer Ärztegelöbnis von 1948 vermeidet derartige Entstellungen des Texts. Die moderne Medizinethik sieht in der Eidesformel des Hippokrates ein historisches Dokument von großer Langzeitwirkung, hat aber keinen Anlass, sie aufzugreifen und den Verhältnissen und Anforderungen der Gegenwart anzupassen.

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9 Das hippokratische Erbe M: Frederick S.: Hippocratic heritage. A history of ideas about weather and human health. New York, 1982 Smith W.D.: The Hippocratic Tradition. Ithaca and London, 1979 Temkin O.: Hippocrates in a World of Pagans and Christians. Baltimore, 1991 A: Beccaria A.: Sulle tracce di un antico canone latino di Ippocrate e di Galeno. IMU 1959; 2: 1–6 – 1961; 4: 1–75 – 1971; 14: 1–23 Ilberg J.: Zur Überlieferung des hippokratischen Corpus. RhM 1887; 42: 436–461 Mewaldt J., Nachmanson E.: Zur Technik der Hippokratesedition. SB Berlin 1931; 8: 455–460 Pfaff J.: Die Überlieferung des Corpus Hippocraticum in der nachalexandrinischen Zeit. WS 1932; 50: 67–82 Regenbogen O.: Hippokrates und die hippokratische Sammlung. NJAB 1921; 47: 185–197 = Kleine Schriften. München 1961, 125–140

Die Persönlichkeit und das Werk des Hippokrates prägten die Medizin mehr als zwei Jahrtausende lang. Danach ist die Lehre des Koers durch die Fortschritte der naturwissenschaftlich orientierten Medizin überwunden worden. Die Bewunderung für Hippokrates als Arzt und Lehrer und die Anerkennung für sein hohes Berufsethos haben unter dieser Entwicklung nicht gelitten und bestehen bis heute fort. Die außergewöhnlich lang anhaltende Rezeption und Wirkung der hippokratischen Schriften ist durch die Arbeit einer großen Zahl von Kommentatoren und Übersetzern gefördert worden.

9.1 Rezeption und Wirkung der hippokratischen Schriften in der Antike M: Dietz F.R.: Apollonii Citiensis, Stephani, Palladii, Theophili, Meletii, Damascii, Ioannis, aliorum scholia in Hippocratem et Galenum primum graece. Königsberg, 1834 Westerink L.G.: Stephanus of Athens: Commentary on Hippocrates’ Aphorisms. Berlin, 1992–1998 A: Alexanderson B.: Bemerkungen zu Galens Epidemienkommentaren. Eranos 1967; 65: 118–145 Diller H.: Zur Hippokratesauffassung des Galen. Hermes 1933; 68: 167– 181 Flashar H.: Beiträge zur spätantiken Hippokratesdeutung. Hermes 1962; 90: 402– 418 Grensemann H.: Zu den Hippokratesglossaren des Erotian und Galen. Hermes 1964; 92: 504–508 Harig K, Kollesch J.: Galen und Hippokrates. In: Coll.Hipp.I Strasbourg 1972 (Leiden 1975): 257–274 Manuli P.: Lo stilo del commento. Galeno e la tradizione ippocratica. In: Coll.Hipp.IV Lausanne 1981 (Genève 1983): 471–482 Mazzini I.: Le traduzioni latine di Ippocrate eseguite nei secoli V e VI. Limite e caratteristiche della sopravvivenza del Corpus ippocratico fra tardo antico ed alto medioevo. In: Coll. Hipp. IV Lausanne 1981 (Genève 1983): 483–492 Pfaff F.: Rufus aus Samaria. Hippokrateskommentator und Quelle Galens. Hermes 1932; 67: 356–359 Temkin O.: Geschichte des Hippokratismus im ausgehenden Altertum. Kap. II: Das dritte Jahrhundert und der lateinische Westen. In: Flashar H.: Antike Medizin. Darmstadt, 1971: 417–434 Torraca L.: Diocle di Caristo, il Corpus Hippocraticum ed Aristotele. Sophia 1965; 33: 105–115

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Die für die Rezeption des C.H. in der Antike wichtigste Persönlichkeit war Galen von Pergamon (130–200). Zugleich wurde durch ihn die Tradition der hippokratischen Lehre entscheidend geprägt. Es ist daher sinnvoll, die vorgalenische von der galenischen und nachgalenischen Phase der Wirkungsgeschichte des Koers zu unterscheiden. Die Bewunderung für die Leistungen des Hippokrates und die Verehrung für seine Person setzten frühzeitig ein und führten zu Glorifizierung und Vergöttlichung (Apollonios von Kition 1: o‘ șİȚȩIJĮIJȠȢ/ho theiótatos [der göttlichste], Athenaios von Naukratis IX 399 B: o‘ i‘ İȡȫIJĮIJȠȢ/ho hierôtatos [der heiligste]). Hippokrates wurde reichlich zitiert und umfangreich kommentiert; seine Lehre ist dabei allerdings in Teilen vereinfacht bzw. entstellt worden, weil das C.H. so reich an Themen und Variationen ist. Vereinzelt wurde auch fachliche Kritik vorgetragen.

Vorgalenische Hippokrates-Rezeption Die Heroisierung des Hippokrates war im 2. vorchristlichen Jahrhundert abgeschlossen. Von da an stand der Koer sowohl bei Kollegen wie bei Laien (z.B. Anth. Pal. VII 135: įȩȟĮȞ e‘ȜȦ̈Ȟ ›ȠȜȜȦ̎Ȟ oÙ IJȪȤü, ¢ȜȜĮ̈ IJȑȤȞü/dóxan helôn pollôn ou týchê, allà téchnê [bei vielen hat er sich Ruhm erworben nicht durch Glück, sondern durch seine Kunst]) in höchstem Ansehen (vgl. 2.1). Dennoch entwickelte sich kein profaner Kult, pflegte man keine obskuren Zeremonien und es entstand auf Kos auch kein Wallfahrtstourismus. In manchen Elogen klingen allerdings ironische Untertöne durch. So heißt es in einem fiktiven Grabepigramm (Anth. Pal. IX 53), Hippokrates, die Leuchte der Sterblichen, habe Scharen von Völkern gerettet, so dass der Hades sich entleerte. Sachkritik äußerte als erster Ktesias von Knidos (440–360 v.Chr.). Der ärztliche Kollege tadelte die Technik der Reposition der luxierten Schulter, die Hippokrates in Artic. 70 beschreibt (Gal.XVIII A 731). Ktesias missbilligte auch den Gebrauch der im C.H. vielfach erwähnten Nieswurz und begründete seine Warnung mit dem Hinweis, die Pflanze sei so giftig, dass durch ihre Anwendung als Pharmakon mehr Menschen sterben als geheilt werden (Orib. coll. med. VIII 8). Das C.H. wurde von den antiken Medizinschulen – mit Ausnahme der methodischen Schule – zur Rechtfertigung zumindest von Teilen ihrer Lehre herangezogen. Dabei kam es unweigerlich zu Rivalität und Kontroversen in Fragen der Interpretation. Eine grundsätzliche intellektuelle Auseinandersetzung über die hippokratischen Schriften hat aber in der Zeit vor Galen nicht stattgefunden. Unter den Ärzten der dogmatischen Schule stand Diokles von Karystos (Mitte 4. Jht. v.Chr.) Hippokrates am nächsten. Vindicianus (c.2) bezeichnet ihn ausdrücklich als sectator Hippocratis [Anhänger des Hippokrates]. Die Athener nannten ihn Hippokrates den Jüngeren (iuniorem Hippocratem, Vind. a.a.O.); Plinius (nat. XXVI 10) schätzte ihn ähnlich hoch ein (secundus aetate famaque [dem Alter und der Berühmtheit nach an zweiter Stelle]). Der Euböer arbeitete

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als Salonarzt und spezialisierte sich auf Diät und Verjüngungskuren. Überliefert sind u.a. die in dem Traktat ȆİȡȚ̈ ™›ȚįȑıȝȦȞ [Verbandlehre] enthaltene Paraphrase eines Satzes aus Fract. 43 (Gal.XVIII A 519) und ein Zitat des Diokles aus einer weiteren Schrift des C.H. (Gal.XVII A 222). Die Bewunderung für den Koer hinderte Diokles jedoch nicht daran, ihm in Details zu widersprechen. So kritisierte er Aph. 2,33 und die hippokratische (Nat.Hom.15) Einteilung des Fiebers in vier Typen (Gal.XVI 197). Die Empiriker, die die naturwissenschaftlichen Theorien ablehnten und ihr Wissen aus dem Studium der Literatur gewannen, betrachteten das C.H. als wertvolle, weil von den Dogmatikern unbeeinflusste Quelle und kommentierten und glossierten es immer wieder neu (z.B. Philinos von Kos, Glaukias von Tarent und Zeuxis). Zwei große, in Theorie und Praxis gleichermaßen erfolgreiche hellenistische Ärzte, nämlich Herophilos von Chalkedon (um 290 v.Chr.) und Erasistratos von Keos (um 250 v.Chr.) standen als engagierte Anatomen, Pathologen und Physiologen in prinzipiellem Gegensatz zu hippokratischen Lehren. Von Erasistratos ist Kritik an Hippokrates bei Galen (Scr.min. III 197) und Caelius Aurelianus (morb.ac. I 105–108) belegt. Die pneumatische Schule schöpfte aus vielen Quellen, erkannte das C.H. aber als Berufungsinstanz grundsätzlich an. Besonders eng ist die Beziehung des Gründers der Schule, Athenaios von Attaleia (1. Jht. v.Chr.), zu Hippokrates. Beide postulierten eine Verbindung zwischen der inneren Wärme des Menschen und dem Pneuma (Vict. II 62, Gal.VIII 936). Aretaios von Kappadokien (2. Jht. n.Chr.) benutzte das C.H. nicht nur als Quelle für sein theoretisches Hauptwerk mit dem Titel Ȇİȡì a„IJȚȦ̏Ȟ țĮì ıȘȝİȓȦȞ ÑȟȑȦȞ țĮì ȤȡȠȞȓȦȞ ›ĮșȦ̏Ȟ [Über die Ursachen und Symptome akuter und chronischer Erkrankungen], sondern schrieb wie Hippokrates ionisches Griechisch. Die methodische Schule stand der hippokratischen Lehre kritisch bis ablehnend gegenüber. Asklepiades von Prusa (1. Jht. v.Chr.) bezeichnete Hippokrates als Vertreter einer überholten Medizin (Erot.p.116,11), Thessalos von Tralles (1. Jht. n.Chr.) lehnte die hippokratische Säfte- und Qualitätenlehre grundsätzlich ab (Gal.XVIII A 288–289), berief sich allerdings im Einzelfall doch auf den Koer (Gal.I 205). Der Gynäkologe Soran (um 100 n.Chr.) übte vehemente Detailkritik an Aph. 5,42, Mul. I 15 und an der in Mul. III 4 und Superf. 19 beschriebenen vorgeburtlichen Geschlechtsbestimmung des Kindes (gynaec.I 15). Von den römischen Fachschriftstellern wurde Hippocrates ille Cous [jener Hippokrates von Kos] (Cic.de or. III 132) in den höchsten Tönen gepriesen. Die sachliche Auseinandersetzung mit dem C.H. blieb freilich aus; Kritik übte man nur vorsichtig und nur im Detail. Aulus Cornelius Celsus (1. Jht. n.Chr.), Medizinenzyklopädist (De medicina), bezeichnet Hippokrates als primus ex omnibus memoria dignus [von allen der erwähnenswerteste] und vir et arte et facundia [ ein gebildeter und fähiger Mann] (prooem. 8) sowie als vetustissimus auctor [der älteste Gewährsmann] (VI

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6.1). Ebenso respektvoll klingt die Charakterisierung des Koers als conditor nostrae professionis [Gründer unseres Berufsstands] durch Scribonius Largus (comp.ep.5). Celsus schreibt Hippokrates das Verdienst zu, die Heilkunde von der Philosophie getrennt zu haben (prooem. 8) und empfiehlt, sich bei der Beschreibung von Symptomen und in der Prognostik auf die Autorität des Hippokrates zu beziehen (II prooem. 1). Auf konkrete Themen der hippokratischen Heilkunde geht er an drei Stellen ein (II 1: Umweltmedizin, II 3–6: Prognostisch wichtige Zeichen, VIII 5–9: Frakturenlehre). Den Hinweis auf die in Aph. 6, 31 vorgeschlagenen Maßnahmen zur Therapie von Erkrankungen der Augen verbindet er mit der Rüge, dass der Zeitpunkt und die exakte Indikation für den Einsatz der verschiedenen Verfahren nicht genannt werden (VI 6.1). Einen ähnlichen Gesamttenor hat das Urteil Plinius des Älteren (23– 79 n.Chr.) über Hippokrates. Der Autor der Naturalis Historia [Naturgeschichte] preist den Koer als Begründer der Medizin (princeps medicinae, VII 171, qui princeps medendi praecepta clarissime condidit, XXVI 10), lobt seine gute Beobachtungsgabe (VII 171: Zeichen des nahenden Todes, XXVI 123: Ikterus als schlechtes prognostisches Zeichen) und erinnert an das patriotische Engagement bei der Bekämpfung einer Seuche (VII 123). Plinius sieht in Hippokrates also in erster Linie eine Persönlichkeit der Medizingeschichte. Ob die von den Hippokratikern gelehrte Medizin in Rom praktiziert worden ist, teilt er nicht mit. Ob und inwieweit das hippokratische Wissen für römische Ärzte nach mehr als 400 Jahren wenigstens in Teilen veraltet war, scheint ihm der Überprüfung und Mitteilung nicht wert gewesen zu sein. Von römischen Prosaschriftstellern des 1. und 2. nachchristlichen Jahrhunderts wird Hippokrates im gleichen enthusiastischen Ton und z.T. mit den gleichen Worten gewürdigt wie von den Fachautoren. Seneca (ep. 95,20) nennt ihn maximus ille medicorum et huius scientiae conditor [größer Arzt und Begründer der medizinischen Wissenschaft], Quintilian (inst.or. III 6, 64) charakterisiert ihn als clarus arte medicinae [berühmt für seine Beherrschung der Medizin] und Gellius (XIX 2, 8) bezeichnet ihn als divina vir scientia [ein göttlich begnadeter Mann].

Galen und Hippokrates Die Auseinandersetzung Galens mit den hippokratischen Schriften hat das Bild von der Medizin des Koers wesentlich beeinflusst und Galen zu einem Teil der hippokratischen Tradition gemacht. Man spricht daher vom galenischen Hippokratismus der nachgalenischen Zeit. Das Ansehen des Hippokrates im zweiten nachchristlichen Jahrhundert war so groß, dass selbst Galen es nicht mehr zu steigern vermochte. Er konnte ihn nur einmal mehr als ¢ȡȤȘȖȑIJȘȢ/archƝgétƝs [Urvater] der Medizin und medizinischen Philosophie und als vollendeten Arzt (z.B. Gal.IX 770, 823, 883, Scr.min.III 128) bezeichnen. Die Botschaft der

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Schrift mit dem Titel “ȅIJȚ o‘ ÁȡȚıIJȠȢ „ĮIJȡȠ̈Ȣ țĮì ijȚȜȩıȠijȠȢ [Von der Personaleinheit des besten Arztes und des Philosophen] (Gal.I 53–63) ist ganz und gar hippokratisch. Im ȆȡȠIJȡİ›IJȚțȠ̈Ȣ ȜȩȖȠȢ ™›Ț̈ IJĮ̈Ȣ IJȑȤȞĮȢ [Einführungsrede in die Künste] (Gal. I 8) versetzt Galen den Koer zusammen mit Homer, Sokrates und Platon in die Umgebung der Götter. Die Wahlverwandtschaft mit Hippokrates bot Galen Gelegenheit zu Kritik an Herophilos, Erasistratos und den Empirikern sowie an zwei Kollegen, nämlich Lykos (Gal.XVIII A 196–245) und Julian (Gal.XVIII A 246–299), die hippokrateskritische Kommentare geschrieben hatten. Galens eigene Kommentare (vgl. 4.2) zeigen, welche Schriften des C.H. er selbst für besonders wichtig hielt: Progn., Acut., Epid.I, Epid.III, Off., Fract., Artic., Aph., Epid.II, Epid.VI, Hum., Prorrh.I, Nat.Hom., Salubr. und Alim. Diese 15 Werke waren es auch, die in der Folgezeit am meisten gelesen und interpretiert worden sind. Galen kommentiert sachlich, aber nicht uneigennützig. Er versucht Lücken, die er in den hippokratischen Texten entdeckt, in seinem Sinn zu füllen (Gal.VII 880) und weist auf Fehler von Vorgängern (z.B. in Kommentaren zu Epid. III 14) hin, die er anschließend zugunsten der eigenen Auffassung korrigiert (Gal.XVII A 562–563). In der Pulslehre geht er über Hippokrates hinaus (Gal.VII 497). In zwei Werken hat Galen übergeordnete Themen der Hippokrates-Exegese behandelt. Der zeitlichen Reihenfolge nach sind dies: ȆİȡȚ̈ IJȦ̏Ȟ ‘ǿ››ȠțȡȐIJȠȣȢ țĮȚ̈ ȆȜȐIJȦȞȠȢ įȠȖȝȐIJȦȞ [Über die Lehren des Hippokrates und die Platons] (Gal.V 181–805) und ȆİȡȚ̈ IJȦ̏Ȟ țĮș’ ‘ǿ››ȠțȡȐIJȘȞ ıIJȠȚȤİȓȦȞ [Die hippokratische Lehre von den Elementen] (Gal.I 443–508). In dem neun Bücher umfassenden ersten Werk versucht Galen Übereinstimmungen zwischen Platon, vor allem dessen Dialog Timaios, und Hippokrates nachzuweisen und polemisiert dabei gegen die Stoa, Aristoteles und Erasistratos (Gal.V 187, 200ff., 647). Außerdem greift er das Viererschema der Kardinalsäfte aus Nat.Hom. auf und korreliert die Körperflüssigkeiten mit den Hauptfarben, den Hauptorganen, den Elementen und Elementarqualitäten, den Jahreszeiten, den Lebensaltern und den Fiebertypen. Auch in dem zweiteiligen anderen Werk steht das Kernstück der hippokratischen Physiologie und die Frage nach den Urbestandteilen und der Zusammensetzung des menschlichen Körpers im Zentrum der Darstellung. Außerdem gibt Galen einen historischen Überblick über die Ärzte und Philosophen, die sich mit den Elementen befasst haben.

Nachgalenische Hippokrates-Rezeption Die Ärzte der Spätantike erkannten das C.H. und die zugehörigen Kommentare Galens uneingeschränkt als theoretisches Fundament und Anweisung für das praktische Handeln in ihrem Beruf an. Sie zitierten und kommentierten Hippokrates, kamen aber über ihn nicht hinaus. Auch nichtärztliche Autoren nutzten

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und beriefen sich auf die Autorität des Koers. Die Stimmen des frühen Christentums zu Hippokrates waren ebenfalls überwiegend positiv, verzichteten aber nicht auf Kritik in Details. Vom Ende des 5. Jahrhunderts an wurde das C.H. fast nur noch in lateinischen Übersetzungen gelesen, weil den meisten Ärzten ausreichende Kenntnisse des Griechischen fehlten. Sextus Empiricus (2. Jht.), Arzt und skeptischer Philosoph, greift eine von Hippokrates empfohlene chirurgische Behandlungsmaßnahme (Hochlagerung des Fußes) auf und bezieht sie in eine philosophische Argumentation ein (ȆȣȡȡȫȞİȚȠȚ u‘ ›ȠIJȣ›ȫıİȚȢ [Grundzüge der Lehre Pyrrhons] 1.71). Avianus Vindicianus (4. Jht.), Arzt und Politiker, verfasst eine freie lateinische Übersetzung von Nat.Hom. (ex libris medicinalibus Hippocratis intima latinavi [ich habe den innersten Kern der medizinischen Bücher des Hippokrates ins Lateinische übertragen], c. 2) und sendet sie als Brief an seinen Enkel Pentadius. Theodorus Priscianus (400 n.Chr.), Arzt und Schüler des Vindicianus, nennt Hippocrates noster [unser Hippokrates] mehrfach (Eupor. I 7, II 7,34) als Gewährsmann. Cassius Felix (5. Jht.), Arzt aus Numidien, bezeichnet die Schriften des C.H. als eine der Hauptquellen für sein Kompendium der griechischen Medizin mit dem Titel De medicina ex Graecis logicae sectae auctoribus liber translatus sub Artaburo et Calepio consulibus [Darstellung der Medizin nach Übersetzungen griechischer Autoren der logischen Schule, verfasst unter dem Konsulat von Artaburus und Calepius] (447 n.Chr.), zitiert aber nur aus Progn. und Aph. Palladios (6. Jht. n.Chr.), Medizinschriftsteller in Alexandria, verfasst u.a. zu Fract. und Epid. VI Kommentare. Alexandros von Tralles (6. Jht. n.Chr.), vorwiegend in Rom tätiger Arzt, zitiert in seinem Hauptwerk ĬİȡĮ›İȣIJȚțȐ [Behandlungslehre] Hippokrates stets nur beipflichtend, während er Galen immer wieder kritisiert. Historisch nicht sicher fassbar ist Johannes von Alexandria, der in Handschriften als Verfasser von Hippokrates- und Galen-Scholien genannt wird. Er hat sowohl Epid.VI als auch Nat.Puer. kommentiert; beide Werke sind in Fragmenten erhalten. In Johannes von Alexandria hat man auch den Urheber eines Medizinkanons, der 16 Schriften Galens und zwölf Werke des Hippokrates umfasste, gesehen. Der sonst nicht zu Anleihen bei anderen Autoren geneigte Jurist Iulius Paulus (200 n.Chr.) beruft sich in der Begründung für seine Ansicht (Dig.1,5,16), dass Siebenmonatskinder aus gültigen Ehen rechtlich anerkannt werden sollten, ausdrücklich auf Hippokrates. Macrobius (400 n.Chr.), hoher römischer Beamter und Philologe, erwähnt Hippokrates in den Saturnalia an zwei Stellen. Zunächst (I 20) kommentiert er eine Passage aus Progn., danach (II 8,16) zitiert er einen schon von Gellius (XIX 2,8) dem Hippokrates zugeschriebenen, im C.H. aber nicht enthaltenen Satz über den Koitus (IJȘ̈Ȟ ıȣȞȠȣıȓĮȞ eÎȞĮȚ ȝȚțȡĮ̈Ȟ ™›ȚȜȘȥȓĮȞ/tên synousían eînai mikràn epilêpsían [der Beischlaf sei wie ein kleiner Krampfanfall]). Der alexandrinische Neuplatoniker Damaskios (6. Jht.) verfasst einen Kommentar zu Progn.

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Unter den christlichen Schriftstellern und Gelehrten sind Clemens von Alexandria (150–215) und Tertullian (150–230) die ersten, die Hippokrates und das C.H. erwähnen. Clemens von Alexandria zitiert Aph.1,2 und Epid.VI 4.18 (strom.2,126.4) und wirbt für die Askese von Leib und Seele nach dem Vorbild des Hippokrates (strom.2,20; 6,22,1). Tertullian weist in der gegen die gnostische Seelenlehre gerichteten Schrift De anima [Über die Seele] darauf hin, dass Hippokrates die Seele ins Gehirn lokalisiert (15.3.5) und verteidigt den Widerstand der Kirche gegen die Tötung des nicht spontan zu entbindenden Kindes, obwohl er sie wie Hippokrates (in Foet. Exsect.) im Einzelfall für unvermeidlich hält (25.4,6). Cyprianus (3. Jht.), Bischof von Karthago, berichtet in einem seiner Briefe (ep.69,13), die Sitte, Personen, die während einer Krankheit getauft werden, clinici [bettlägerige Kranke] und nicht Christen zu nennen, entspringe der allzu intensiven Lektüre des Hippokrates bzw. Sorans. Gregor von Nazianz (zweite Hälfte 3. Jht.) beschreibt in einer seiner Reden (or.7.20) das Studium der Werke des Hippokrates, Galens und von deren Gegnern an der Bibliothek von Alexandria. Hieronymus (348–420), Kirchenlehrer und Übersetzer der Bibel, bezeichnet in einer Streitschrift (Contra Ioann. hier. 38–39) Jesus als spiritualis Hippocrates [geistlicher Hippokrates]. Gemeint war aber nicht Jesus Christus, sondern der Presbyter Isidor. Dieser Vergleich hat Anlass zu vielen Missverständnissen gegeben. Prudentius (348–405) spricht von laniena Hippocratica [Gemetzel der Wundärzte], wenn er das Martyrium des heiligen Romanus beschreibt (Peristephanion Liber 10.498). Die Weigerung des hippokratischen Arztes, auch Schwerkranken Hilfe zu leisten (De Arte 3), wird sowohl von Johannes Chrysostomos (2.Hälfte 4. Jht.) wie von Isidor von Pelusium (gest. 435) thematisiert. Johannes Chrysostomos, Prediger und Patriarch von Konstantinopel, lehnt die Behandlung von Schwerkranken ab, wenn sie Häretiker sind (Tit.hom. 62). Isidor, Vorsteher des Klosters von Pelusium/Unterägypten, fordert dagegen auch für unheilbar Kranke ärztliche Betreuung (epist. 2.16,79). Augustinus (354–430) lobt die Echtheitskritik der hippokratischen Schriften (Contra Faustinum 6) und nimmt in De civitate Dei [Der Gottesstaat] zu verschiedenen im C.H. behandelten medizinischen Themen Stellung (5,2;2:140: Zwillinge, 22,8;7:120: Heilung bei Brustkrebs). Theodoret (1. Hälfte 5. Jht.), Bischof und Kirchenschriftsteller, attackiert Hippokrates (und Galen) wegen ihrer Rolle als Kronzeugen für die Lehre von der Harmonie des Körpers und der Weisheit der Seele (Affect.5,22). Cassiodor (490– 583), Schriftsteller, Staatsmann und Gründer des Klosters Vivarium/Kalabrien, empfiehlt den Mönchen die Lektüre lateinischer Übersetzungen des Hippokrates und des Galen (Institutiones divinarum et saecularium litterarum I,31,1–2: Post haec legite Hippocratem atque Galenum latina lingua conversos [Danach sollt ihr Hippokrates und Galen in lateinischer Übersetzung lesen].

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9.2 Rezeption und Wirkung der hippokratischen Schriften im Mittelalter M: Beccaria A.: I codici di medicina del periodo pre-Salernitano (secoli IX, X e XI). Roma, 1956 Czarnecki R.: Ein Aderlaßtraktat angeblich des Roger von Salerno samt einem lateinischen und einem griechischen Texte zur ‚Phlebotomia Hippocratis‘. Diss. Leipzig, 1919 Groenke F.-D.: Die frühmittelalterlichen lateinischen Monatskalendarien. Text, Übersetzung, Kommentar. Diss. Berlin, 1986 Morgenstern A.: Das Aderlassgedicht des Johannes von Aquila und seine Stellung in der Aderlasslehre des Mittelalters, samt dem Abdruck der lateinischen Übersetzung der Schrift Peri flebotomia Ypocratis nach den Handschriften in Brüssel und Dresden. Diss. Leipzig, 1917 Sezgin F.: Geschichte des arabischen Schrifttums. Leiden, 1970. III: 23–47 A: Baader G.: Die Tradition des Corpus Hippocraticum im europäischen Mittelalter. In: Coll.Hipp.V Berlin 1984 (Stuttgart 1989): 409–417 Beccaria A.: Sulle tracce di un antico canone latino di Ippocrate e di Galeno, I. IMU 1959; 2: 1–56 Beccaria A.: Gli Aforismi di Ippocrate nella versione e nei commenti del primo medioevo, II. IMU 1961; 4: 1–75 Cantarella R.: Una tradizione ippocratica nella scuola Salernitana: Il giuramento dei medici. Archeion 1933; 15: 305–320 Ellissen A.: Timarions und Mazaris Fahrten in den Hades. Analekten der mittel- und neugriechischen Literatur. Leipzig 1860; 4: 41–148 Jacquart D.: Quelques réflexions sur ce que le moyen âge occidental a retenu de la Collection hippocratique. In: Coll. Hipp. IV Lausanne 1981 (Genève 1983): 493–497 Kramer A.: Die Hippokrates-Rezeption des Constantinus Africanus. In: Coll.Hipp.X Nice 1999 (Paris 2002): 787–792 Laux R.: Ars medicinae. Ein frühmittelalterliches Kompendium der Medizin. Kyklos 1930; 3: 417–434 Mackinney L.C.: „Dynamidia“ in medieval medical literature. Isis 1935–36; 24: 400–414 Pfaff F.: Die nur arabisch erhaltenen Teile der Epidemienkommentare des Galen und die Überlieferung des Corpus Hippocrati҅cum. SB Berlin 1931; 49: 558–581 Pfaff F.: Die Überlieferung des Corpus Hippocraticum in der nachalexandrinischen Zeit. WS 1932; 50: 67–82 Riddle J.M.: The Pseudo-Hippocratic Dynamidia. In: Coll.Hipp.V Berlin 1984 (Stuttgart 1989): 283–311 Strohmaier G.: Der arabische Hippokrates. Sudh. Arch. 1980; 64: 34–249 Strohmaier G.: La tradition hippocratique en latin et en arabe. In: Le Latin Médical. StÉtienne, 1991: 27–39 Sudhoff K.: Die pseudohippokratische Krankheitsprognostik nach dem Auftreten von Hautausschlägen Secreta Hippocratis oder Capsula eburnea benannt. AGM 1916; 9: 79–116 Sudhoff K.: Antipocras, Streitschrift für mystische Heilkunde in Versen des Magisters Nikolaus von Polen. Sudh. Arch. 1916; 9: 31–52 Weisser U.: Das Corpus Hippocraticum in der arabischen Medizin. In: Coll.Hipp.V Berlin 1984 (Stuttgart 1989): 377–408

Überlieferung und Bewahrung des antiken Erbes waren in keiner Epoche der Hippokrates-Rezeption so ausgeprägt wie im Mittelalter. Die Verehrung für den legendären Begründer der Medizin zieht sich als einigendes Band durch die Zeitabschnitte und Institutionen der mittelalterlichen Medizin. Byzantinische Medizinschriftsteller, arabische Übersetzer, die europäischen Medizinschulen und viele gebildete Laien waren von der Autorität des Koers unerschütterlich überzeugt. Dabei rezipierte man Hippokrates allerdings weniger aus dem Original als aus den Kommentaren und Schriften Galens und beschränkte sich weitgehend auf die prognostischen und diätetischen Werke sowie die Aphorismen. Folge-

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richtig wurden Progn., Acut. und Aph. in den Kanon der mittelalterlichen medizinischen Fachliteratur aufgenommen. Andererseits zirkulierten unter dem Namen des Hippokrates eine Reihe von Schriften, die nicht zum C.H. gehören. Die Aphorismen wurden auch in Klöstern gelesen und studiert.

Rezeption durch die byzantinische Medizin Die Medizinautoren des 4. bis 7. Jahrhunderts nutzen das C.H. teils intensiv als Quellenmaterial, teils entnahmen sie ihm nur schmückende Zitate. Aph. steht unverändert im Zentrum des Interesses der Kommentatoren. Die Verherrlichung des Hippokrates durch medizinische Laien setzt sich bis ins 14. Jahrhundert fort. Kritik wird nur ausnahmsweise gewagt und dann in ironisierender Form (s. Kasten S. 196) vorgetragen. Oreibasios von Pergamon (4. Jht.), Leibarzt von Kaiser Julian, führt Hippokrates im Vorwort (1, praef.3) zu ’ǿĮIJȡȚțĮȚ̈ ıȣȞĮȖȦȖĮí [Abriss der Heilkunde] unter den Quellenautoren nach Galen und Dioskurides an dritter Stelle an. Unecht sind die unter dem Namen des Oreibasios überlieferten lateinischen Kommentare zu Progn. und Aph. Aetius von Amida (1.Hälfte 6. Jht.), Arzt am byzantinischen Hof, zitiert in ȉİIJȡȐȕȚȕȜȠȞ [Tetrabiblon] aus Progn. und Aph. und hat dort (V 83) eine Passage aus Hebd. im griechischen Original bewahrt, die sonst nur lateinisch überliefert ist. Paulus von Aegina (7. Jht.), Chirurg und Geburtshelfer, schätzt besonders die hippokratische Traumatologie und zitiert selbständig aus VC, Fract., Artic. und Fist. (z.B. in ȆȡĮȖȝĮIJİȓĮ [Praxislehre] VI 34,90,112). Stephanus von Athen (wohl Anfang 7. Jht.), in Alexandria ausgebildeter akademischer Arzt, erläutert Progn. (Dietz I 51–232) und Aph. (Dietz II 236–544). Im Vorwort zu seinem Kommentar zu Progn. stellt er eine Einteilung des C.H. in sechs Gruppen vor. Theophilos Protospatharios (wahrscheinlich 9. Jht.), Arzt und Beamter, verfasst Scholien (in sieben Büchern) zu Aph., die sich mit den Interpretationen des Damaskios und des Stephanus von Athen zu einem Kettenkommentar ergänzen. Er benutzt Hippokrates für den gynäkologischen Abschnitt seines Hauptwerks ȆİȡȚ̈ IJȘ̏Ȣ IJȠȣ̏ ¢Ȟșȡȫ›Ƞȣ țĮIJĮıțİȣȘ̏Ȣ [Über den Aufbau des Menschen] und zitiert ihn mehrfach in der Schrift ȆİȡȚ̈ įȚĮȤȦȡȘȝȐIJȦȞ [Über die Ausscheidungen]. Im fünften Buch des Hauptwerks (V 20) wird der Koer als o‘ IJȘ̏Ȣ „ĮIJȡȚțȘ̏Ȣ ȆȡȠȝȘșİȪȢ/ho tês iatrikês Promêtheús [Prometheus der Medizin] gerühmt. Die Suda (II 662f. Adler) bezeichnet die Bücher des Hippokrates als Stimmen, die nur von einem Gott (șİȠȣ̎ ijȦȞȐȢ/theoû phônás) und nicht aus dem Munde eines Menschen stammen können.

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Timarion vor Gericht oder: Hippokrates in der Unterwelt Was in Lukians Unterweltfahrt mit dem Titel ȂȑȞȚ››ȠȢ À ȞİțȣȠȝĮȞIJİȓĮ [Menippos oder die Totenbeschwörung] die beziehungsreiche Titelfigur des Menippos ist, das ist für das Werk ȉȚȝĮȡȓȦȞ À ›İȡȚ̈ IJȦ̏Ȟ țĮIJ` aÙIJȠ̈Ȟ ›ĮșȘȝȐIJȦȞ [Timarion oder sein Leidensweg] eines unbekannten byzantinischen Autors des 12. Jahrhunderts die Person des Timarion. Beide treten die Fahrt zu den Verstorbenen an und sollen sich dort verantworten – Menippos wegen einer Verlegenheit in ethischen Fragen, Timarion wegen einer schweren Lebererkrankung. Zwei Dämonen zerren ihn in den Hades und klagen ihn mit folgenden Worten an: „ Hier ist der Mann, der das vierte der Grundelemente verloren hat. Man kann ihm nicht erlauben, kraft der drei übrigen weiterzuleben. Denn ein Urteil ist von Asklepios und Hippokrates verfasst und im Hades angeschlagen worden. Danach darf kein Mensch leben, wenn ihm eines der vier Grundelemente fehlt, mag der Körper auch sonst in guter Verfassung sein“. Hippokrates wird nicht nur zitiert, sondern ist neben Asklepios auch als Sachverständiger anwesend und wird von dem Richterkollegium der Unterwelt zur Todesursache des Timarion befragt. Das Tribunal im Hades stützt sich also auf die Sachkunde großer Ärzte und setzt beim zeitgenössischen Leser Kenntnisse der medizinischen Literatur voraus. Nur mit diesem Wissen begreift er nämlich, welch kuriose Rolle der Verfasser dem Hippokrates zugedacht hat. Zugleich karikiert die Schilderung der Beobachtungen und Erlebnisse des Timarion in der Unterwelt den Ärztestand und das hippokratisch-galenische Lehrgebäude. Ein unbekannter byzantinischer Autor des 14. Jahrhunderts [Anm. zu Nikephoros Grégoras, Corp. Script. Hist. Byz. XIX 1256ff., ed. L. Schopen, Bonn 1830 = Anm. zu Hist. Byz. 12,2] instrumentalisiert Hippokrates für den Personenkult. Er verfasst einen Hymnus auf den Koer in jambischen Trimetern, um damit Alexios Apokallikos, dem medizinisch vorgebildeten Metropoliten von Naupaktos, ein Denkmal zu setzen. Als rechtmäßige Nachfolger des Hippokrates werden in diesem Zusammenhang Galen, Aetius von Amida, Aretaios von Kappadokien, Paulus von Aegina und Oreibasios von Pergamon genannt.

Rezeption durch die Araber Die arabische Überlieferung des C.H. dient als Vermittler zwischen dem griechischen Original und der lateinischen Tradition. Philosophie, Naturwissenschaften und Medizin der Griechen werden von den Arabern bewundert und als Herausforderung empfunden. Daher übersetzt man Hippokrates und Galen, aber auch Texte anderer Ärzte, z.B. des Oreibasios, ins Arabische und Syrische. Die Schriften des C.H. werden allerdings nicht aus dem Original übertragen, sondern man

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extrahiert den Text aus den Lemmata der Galenkommentare und übersetzt ihn dann zusammen mit den Erläuterungen. Die erste Übersetzung einer hippokratischen Schrift in eine semitische Sprache datiert aus dem 6. Jahrhundert. Der Monophysit Sergius von Resaina übertrug damals Genit./ Nat.puer. ins Syrische. Bei weitem die meisten und wichtigsten Übersetzungen hat Hunain ibn Ishaq (809/810 – 873/877) verfasst. Der aus al-Hirah am Euphrat stammende nestorianische Christ war im Westen auch als Johannitius bekannt. Er hat sowohl Hippokrates als auch Galen ins Arabische wie ins Syrische übersetzt. Der Anzahl der bearbeiteten Texte nach lag dabei Galen weit vorne. Aus dem C.H. hat Hunain 17 Schriften übersetzt. Die Versionen entstanden in der Absicht, den arabischen und syrischen Lesern den Sinn des griechischen Originals verständlich zu machen. Hunain wählte deshalb statt der wörtlichen Übersetzung vielfach die freie Wiedergabe. Die Übersetzungsarbeit wurde nach dem Tode Hunains von seinem Sohn Ishar und seinem Neffen Hubais kongenial fortgesetzt (s. Kasten). Hippokratische Schriften in Hunains Übersetzungen [A = Arabisch, S = Syrisch]

Aer. Progn. Acut. Epid. I–III, VI VC Off. Fract. Artic. Aph. Jusj. Nat.Hom. Ulc. Genit./ Nat.puer. Alim.

K. al-BuldƗn wa-`l-miyƗh wa-`l-ahwiya K. TaƷdimat al-ma’rifa K. al-AmrƗd al-hƗdda K. AbƯdhƯmiyƗ K. ShidjƗdj al-ra`s K. ƶƗĠƗĠiynjn K. al-Kasr K .al-MafƗsil K. al-Fuünjl K. al- ǯAhd K.TabƯǯat al-insƗn (K. Al-ArkƗn) K. al-Qurnjh K. al-DjanƯn K. al-GhidhƗ`

[A,S] [A,S] [A,S] [A,S] [S] [A,S] [A,S] [S] [A,S] [A,S] [A,S] [S] [A] [S]

Weniger bedeutend als die Übersetzungen sind die arabischen Imitationen und Kommentare zu den Werken des Koers. Rhazes (865–925) paraphrasiert in einer kleinen Schrift zu 33 Fällen der eigenen Praxis die hippokratischen Epidemien. Abu l-Hasan at-Tabari (10. Jht.) nimmt in den Titel eines medizinischen Lehrbuchs den Namen des Hippokrates auf, obwohl er im Text überwiegend Galen folgt. Maimonides (1135–1204) schreibt einen Kommentar zu Aph. und verfasst eigene Aphorismen. Der syrische Arzt Ibn al-Nafis (13. Jht.) kommentiert Progn.

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Rezeption an europäischen Universitäten Vom 11. Jahrhundert an werden die arabischen Übersetzungen der Hippokratestexte und zugehörigen Galenkommentare ins Lateinische übertragen und in dieser neuen Form für die Hippokratesrezeption in Europa wirksam (s. Kasten). Ausgangspunkt dieser Entwicklung ist die Medizinschule von Salerno, die den Titel einer Civitas Hippocratica [Hippokratische Gemeinde] erhält. Die medizinischen Fakultäten anderer großer europäischer Universitäten folgen ihrem Beispiel. Die populärsten Schriften des C.H. werden in die so genannte Articella, den spätmittelalterlichen Kanon der Medizinliteratur, aufgenommen. Die Kommentierungsarbeit setzt sich unvermindert fort. Daneben werden eine Reihe pseudohippokratischer Schriften tradiert. Wichtige mittelalterliche Übersetzer hippokratischer Schriften Constantinus Africanus (1015/18–1087) Beiname: Neuer glänzender Hippokrates

Salerno

Progn. Aph. Acut.

Gerhard von Cremona (1134–1187) Beiname: Hunain für die Lateiner

Toledo

Progn. Acut.

Marcus Diaconus (Ende 12. Jht.)

Toledo

Aer.

Nicolaus von Reggio (~1280 bis ~1350)

Salerno/ Neapel

Acut. Aph. Jusj. Lex

Simon von Genua (~1300)

Rouen

Epid.VI

Die Articella wird um 1200 von den Lehrern der Hochschule von Salerno zusammengestellt und später mehrfach modifiziert. Sie bleibt für Jahrhunderte nicht nur in Salerno und im übrigen Italien, sondern auch in Deutschland und Frankreich fester Bestandteil des Unterrichts- und Prüfungsstoffs. Hippokrates ist von der ersten Ausgabe an mit Progn., Acut. und Aph. sowie den entsprechenden Kommentaren vertreten. Später kommen Aer., Epid., Jusj. und Lex dazu. Verwendet werden sowohl Übersetzungen aus dem griechischen Original als auch aus dem Arabischen. Die Articella enthält außerdem die so genannte Isagoge Iohanniti, eine Einführung des Johannitius in das Studium Galens, die Ars medicinae Galens sowie je eine Schrift über den Urin (Autor: Theophilos Protospatharios) und den Puls (wohl pseudogalenisch, überliefert unter dem Namen eines Philaretos).

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Die spätmittelalterlichen Ärzte führen die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den hippokratischen Schriften in den überkommenen literarischen Formen (Kommentar, Kompilation, Imitation) fort. Gariopontus (1.Hälfte 11. Jht.), Arzt in Salerno, zieht für eine fünfbändige medizinische Enzyklopädie mit dem Titel Passionarius de aegritudinibus a capite usque ad pedes [Sammelschrift über die Krankheiten aller Körperteile vom Kopf bis zu den Füßen] neben Galen, Caelius Aurelianus und Theodorus Priscianus auch Hippokrates als Quellenautor heran. Petrus Musandinus (12. Jht.) gestaltet eine Fieberdiätlehre (Summula de cibis et potibus febricitantium) nach dem Vorbild von Acut. Bartholomäus von Messina (13. Jht.) gibt einem Lehrbuch (Practica) den Untertitel: Introductiones et experimenta in practicam Hippocratis, Galeni, Constantini, graecorum medicorum [Einführungen und Erfahrungen zur Praxis des Hippokrates, Galens, des Constantinus und anderer griechischer Ärzte]. Maurus von Salerno (gest. 1214), der zusammen mit seinem Kollegen Urso kosmo- und psychologische Elemente in das Denken der salernitanischen Medizin einführt, und Arnald von Villanova (1245–1315), experimentell tätiger Iatrochemiker, verfassen Glossen zu Aph. Thaddaeus Alderotti (~ 1223 bis 1303), Professor in Bologna und von Dante als Hippokratist bezeichnet, kommentiert nicht nur das Original von Aph., sondern glossiert zusätzlich den dazugehörigen Galenkommentar. Unter den zahlreichen medizinischen Handbüchern, die Johannes von St. Amand (gest. vor 1312) kompiliert, finden sich auch Abbreviationes Hippocratis et Galeni [Hippokrates und Galen in Kurzfassung], eine summarische Übersicht des Inhalts der Schriften beider Ärzte. Aus dem Mittelalter sind eine Reihe damals z.T. weit verbreiteter Schriften bekannt, die man dem Hippokrates zugeschrieben hat, obwohl sie keine oder nur eine geringe Beziehung zum C.H. besitzen. Die lateinischen Übersetzer benutzten teils griechische, teils arabische Vorlagen. Eine gewisse literaturgeschichtliche Bedeutung haben sechs Werke erlangt (s. Kasten). Pseudohippokratische Schriften des Mittelalters

Dynamidia (Dynamidia Hippocratis, Liber dynameus) Der anonyme Autor (wahrscheinlich 2.Hälfte 6. Jht.) hat eine lateinische Übersetzung von Vict.II bearbeitet und um Auszüge aus anderen Schriften (v.a. des Dioskurides und des Gargilius Martialis) bereichert. Dabei ist ein Werk über pflanzliche und tierische Nahrungs- und Arzneimittel entstanden. Von den 77 Lemmata sind die ersten 13 hippokratisch; danach verliert sich die Beziehung zum Original.

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Capsula eburnea (Secreta, Prognostica, Signa vitae et mortis, De pustulis, Analogium, Liber Praestantiae, Liber de veritate) Beschreibung prognostisch ungünstiger Krankheitszeichen (auch der so genannten Facies hippocratica). Dem lateinischen Text liegt ein spätgriechisches Original zugrunde, dessen Autor aus den prognostischen Schriften des C.H. schöpft. In der Einleitung wird Hippokrates zu einer Gestalt der Offenbarung umgedeutet. Der Titel erinnert an ein Kästchen aus Elfenbein, in dem der Koer vor dem Tode seine medizinischen Geheimnisse in Form eines Briefes verborgen haben soll. Übersetzung (aus dem Arabischen): Gerhard von Cremona (1134–1187).

Calendarium Dieteticum (De cibis, Diaeta) Aus Vet.med., Acut., Aph., Salubr. und Vict.I–III zusammengestellter Speise- und Diätplan. In den meisten Handschriften anonym überliefert, sonst dem Hippokrates zugeschrieben.

Astrologia medicorum (Astronomia, Astrologia Ypocratis) Schrift über astrologische Medizin. Wahrscheinlich Werk eines byzantinischen Gelehrten, evtl. auch arabischen Ursprungs. Lockere Beziehung zu Aer. Übersetzung (aus dem Griechischen): Petrus von Abano (~ 1250 bis 1315/18) und Wilhelm von Moerbeke (gest. vor 1286).

De elementis Galieni secundum Hippocratem Hippokratisch-galenische Lehre von den Elementen (12. Jht.). Fünf Textvarianten bekannt. Übersetzung (aus dem Arabischen): Gerhard von Cremona.

Regimen sanitatis (salutis) ad Caesarem Anleitung zu Diät und Gesundheitssport (Lauftraining). Lockere Beziehung zu Vict.I–IV. Lateinisches Original verloren; Text nur in Landessprachen (Englisch, Französisch) überliefert. Über die im C.H. enthaltenen 24 spätantiken Briefe hinaus sind 19 weitere unter dem Namen des Hippokrates zirkulierende Briefe überliefert, die aus der Zeit vor dem 9. bis zum 15. Jahrhundert stammen. In ihnen werden verschiedene Themen der Medizin und Medizingeschichte behandelt. Einige von ihnen sind an hellenistische Herrscher (Alexander, König Antiochos u.a.) adressiert. Im 9. Brief (Epistula de phlebotomia prior) wird das Thema Aderlass didaktisch geschickt in einem Spiel aus Fragen und Antworten behandelt.

200

In der geistlichen Literatur des Mittelalters setzt sich die aus dem frühen Christentum bekannte tiefe Verehrung für Hippokrates fast ungebrochen fort. Fulbert von Chartres (~ 960 bis 1028), Bischof von Chartres und bedeutendster Theologe seiner Zeit, bringt den Koer in seinem Hymnus auf den heiligen Pantaleon von Nikomedien (N. 1 col. 339C) in unmittelbare Nähe zu Gott (16,1: Hoc testatur ille vir Hippocrates, qui fuit hoc de caelo sublimatus vir Aesculapius, quibus nemo ventilatur maior esse medicus [Dies bestätigt jener große Hippokrates, der in den Himmel aufgenommen worden ist, ein Mann wie Aeskulap, der größte Arzt aller Zeiten], 17.1: At supernae medicinae Christus auctor emicat [Aber um die höhere Medizin zu begründen, schwingt sich Christus empor]). Bernhard von Clairvaux (um 1090 bis 1153), Mystiker und erster Abt des von ihm gegründeten Klosters Clairvaux, stellt die so genannte Sekte Christi und die so genannte Sekte des Hippokrates einander gegenüber und will damit zeigen, dass der Mensch sich zwischen Diesseits und Jenseits zu entscheiden hat. Honorius Augustodunensis (~ 1080 bis ~ 1137), Schüler des Anselm von Canterbury, erzählt in De animae exilio et patria [Von der Verbannung und der Heimat der Seele] von den Stationen der Wanderschaft des Menschen durch die Wissenschaften und trifft dabei an der achten Station auf Hippokrates, von dem er sagt: per medelam corporum deducit ad medelam animarum [durch die Heilung der Körper führte er zur Heilung der Seelen]. Der Franziskaner Roger Bacon (1215–1294) teilt die Auffassung der Araber, dass Hippokrates gleich Homer, Sokrates und Platon ein Engel und Prophet Gottes sei und in den Himmel aufgenommen worden ist (Opus maius V 272). Eine kuriose pseudo-religiöse Argumentation verfolgt der Dominikaner Nicolaus von Polen (13. Jht.) in seiner gegen die Schulmedizin und Hippokrates als deren Begründer gerichteten Streitschrift mit dem Titel Antipocras (Liber empiricorum) [Widerspruch gegen Hippokrates (Buch der Erfahrungswissenschaftler)]. Der Koer, so will der Verfasser weismachen, sei nicht fromm gewesen und deshalb habe ihm Gott die Weisheit nicht offenbaren können. Auf diese absurde These gründet Nicolaus sein Plädoyer für eine magisch-mystische Heilkunde.

9.3 Rezeption und Wirkung der hippokratischen Schriften in der Neuzeit M: Santander Rodriguez T.: Hipócrates en España (Siglo XVI). Madrid, 1971 A: Byl S., Vancamp B.: La survie d’Hippocrate chez les philosophes allemands de l’époque de Goethe. In: Coll. Hipp.VIII Kloster Banz/ Staffelstein 1993 (Hildesheim 1996): 611– 622 Duffin J.: L’ Hippocratisme de Laënnec. In: Coll.Hipp.VI Québec 1987 (Québec 1990): 433–461 Fortuna St.: Les traductions du Pronostic d’Hippocrate par les humanistes. In: Coll.Hipp.X Nice 1999 (Paris 2002): 793–813 Jouanna J.: Littré, éditeur et traducteur d’Hippocrate. RS 1982; 103: 285–301 Jouanna J.: Remarques sur la valeur relative des traductions latines pour l’ edition des textes hippocratiques. In: Le latin médical. Saint-Étienne, 1991: 11–26 Jouanna J.: Fernand Robert et la renaissance des études hippocratiques en France. BAGB 1992; 122–124 Leitner H.: Die Rezeption der hippokrati-

201

schen Epidemien im 18. Jh.: [Gerard] van Swietens [1700–1772] Kommentare zu den Aphorismen [Herman] Boerhaaves [1668–1738]. In: Coll.Hipp.V Berlin 1984 (Stuttgart 1989): 321–328 Leven K.H.: Hippokrates im 20. Jahrhundert: Ärztliches Selbstbild, Idealbild und Zerrbild. In: Leven K.H., Prüll C.R. (Hrsg.): Selbstbilder des Arztes im 20. Jahrhundert. Freiburg,1994: 9–91 Leven K.H.: Der hippokratische Eid im Zerrspiegel des 20. Jahrhunderts. In: Aspetti della terapia nel «Corpus Hippocraticum». Firenze, 1999: 629–645 Lindeboom G.A.: Boerhaave and the ancient Greek writers on Medicine. Janus 1961; 50: 75–87 Lonie I.M.: The «Paris Hippocrates». Teaching and Research in Paris in the second Half of the sixteenth Century. In: Wear A., French R.K., Lonie I.M. (eds.). The medical Renaissance of the sixteenth century. Cambridge, 1985: 155–174 Manoussakis M.: La contribution des Grecs à la copie, l’édition, la traduction et l’étude des textes hippocratiques après la chute de Constantinople (1453). In: Hippocrate et son héritage: colloque franco-hellenique d’histoire de la médecine. Lyon, 1987: 197– 206 Nutton V.: Hippocrates in the renaissance. In: Coll.Hipp.V Berlin 1984 (Stuttgart 1989): 418–439 Nutton V.: Hippocratic morality and modern medicine. In: Médecine et morale dans l’ antiquité. Entretiens 1997; 43: 31–63 Nutton V.: Hellenism postponed. Sudh Arch 1997; 81: 158–170 Palafox Marqués S.: El neohipocratismo. Asclepio 1973; 25: 139–164 Pigeaud J.: L’ Hippocratisme de Laënnec. BAGB 1975; 3: 357–363. Rey R.: Anamorphoses d’Hippocrate au XVIIIe siècle. In: Mélanges M. Grmek: 257–276 Robert F.: Littré et Hippocrate. Hist.Sc.Méd. 1981; 15: 221–226 Rütten Th.: Ärztliche Ethik in der Renaissancemedizin. Mechanismen der Neutextuierung des hippokratischen Eides in der späthumanistischen Kommentarliteratur zwischen 1540 und 1640. In: Aspetti della terapia nel «Corpus Hippocraticum». Firenze, 1999: 517–542 Santing C.: Nuremberg Renaissance medicine and Hippocrates’s “Aphorisms”. In: Coll.Hipp. VIII Kloster Banz/Staffelstein 1993 (Hildesheim 1996): 531–543 Ségal A.: Les éditions d’ Hippocrate d’ Anuce Foès et les «grecs du roi». HSMed 1988; 22: 125–131

Renaissance und Humanismus fördern die Rezeption des C.H. Doch dieses Wiederaufleben beschränkt sich auf die Arbeit mit den Texten und hat kaum Breiten- oder Langzeitwirkung. Der neue Hippokratismus des 16. Jahrhunderts ist weit mehr ein literarisches als ein medizinisches Phänomen. Die Autorität des Koers wird von vielen als Fortschrittshindernis empfunden. Zwar fordern fachwissenschaftlich orientierte Philologen, man solle die griechische Medizin wieder aus den Quellen lernen. Zwar edieren, übersetzen und kommentieren gräkophile Ärzte die Schriften des C.H. Zwar berufen sich auch einzelne dem naturwissenschaftlichen Fortschritt verpflichtete Mediziner wie der Iatrochemiker Friedrich Hoffmann (1660–1742) auf Passagen des C.H., um den Koer als Gewährsmann für ihre Theorien zu reklamieren. Mehr als vage Ansatzpunkte für neuzeitliche Medizin vermögen die hippokratischen Schriften freilich nicht zu liefern. Da das C.H. aber mehr Entwicklungs- und Interpretationsmöglichkeiten bietet als das vergleichsweise geschlossene Opus Galens und jenem in einigen Bereichen (z.B. Gynäkologie und Traumatologie) überlegen ist, wird Hippokrates vorübergehend mehr gelesen als Galen. Die hippokratische Physiologie und Pathophysiologie werden aber vom 16. Jahrhundert an kaum noch ernst genommen. Auch auf anderen Feldern nimmt die Autorität des Koers rasch ab. Nur als Philanth-

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rop, guter klinischer Beobachter und Autor einprägsamer Empfehlungen und Vorschriften wird Hippokrates weiterhin geehrt.

Beiträge der Philologie Die Renaissance-Philologen können aus einer reichen handschriftlichen Überlieferung schöpfen. Das C.H. ist in sechs mittelalterlichen Handschriften überliefert (s. Kasten). In den frühen Handschriften herrscht attisches Griechisch vor, in den späteren findet man reichlich pseudoionische Wortformen. Die Schreiber des 13. bis 15. Jahrhunderts ionisieren die Texte, weil sie von der falschen Annahme ausgehen, sie seien vorher attiziert worden, und weil sie dem Ionischen als der Sprache der wissenschaftlichen Kommunikation den Vorzug geben wollen. Das Ionische ist bis zur Ablösung durch das Attische die Sprache der Philosophie und der Naturwissenschaften gewesen und dominiert auch im C.H. Dorische Wortformen treten dagegen deutlich zurück; die meisten findet man in Fract., Artic., Loc.Hom., Vict. und der so genannten Schicht A der gynäkologischen Schriften. Die Mitteilung Aelians (var. IV 20), Hippokrates habe das Ionische aus Freundschaft mit Demokrit gebraucht, hat nur anekdotischen Wert. Die Analyse der verschiedenen griechischen Dialekte im C.H. ist ein Hilfsmittel bei der Klassifizierung der Schriften; zur Lösung der hippokratischen Frage trägt sie aber kaum bei. Handschriftliche Überlieferung des C.H. M: Diels H.: Die Handschriften der antiken Ärzte. Abh. Ak. Berlin, Phil-hist. Kl. 1905;1 – 1906;2 – Nachtrag in 1907/1908 A: Irigoin J.: Tradition manuscrite et histoire du texte. Quelques problèmes relatifs à la Collection hippocratique. In: Coll.Hipp.I Strasbourg 1972 (Leiden, 1975): 3–18

B M Ĭ C´ A V

LAURENTIANUS gr. 74,7 (9. Jht.) VENETUS MARCIANUS gr. 269 (10. Jht.) VINDOBONENSIS MEDICUS gr. 4 (10. Jht.) PARISINUS 446 suppl. (10. Jht.) PARISINUS gr. 2253 (11. Jht.) VATICANUS gr. 276 (12. Jht.)

Ĭ, C´ und A und die Kombination aus M und V besitzen die gleiche hohe Zuverlässigkeit. Die Handschriften aus dem 13. bis 15. Jahrhundert (PARISINUS gr. 2140, PARISINUS gr. 2141, PARISINUS gr. 2142 und LAURENTIANUS 74,1) ersetzen die in M fehlenden Seiten. Eine kanonische Ordnung ist nicht erkennbar.

Allein im 16. Jahrhundert erscheinen vier Gesamtausgaben und -übersetzungen (s. Kasten S. 204). Daneben werden auch Einzelschriften bearbeitet. François

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Rabelais (1483–1553), Dichter und Krankenhausarzt, gibt einen Sammelband (Hippocratis ac Galeni libri aliquot ex recognitione Fr. Rabelaisi [Auswahl der Bücher des Hippokrates und Galens von Fr. Rabelais], 1532) heraus, der den Text von Aph. sowie Übersetzungen von Progn., Acut., Aph. und Nat.Hom. enthält. Wichtige frühe Editionen des C.H. Asul. [Ald.] Corn. Merc.

Foës

Lind.

Omnia opera Hippocratis/

“ǹ›ĮȞIJĮ IJĮ̈ IJȠȣ̏ ‘ǿ››ȠțȡȐIJȠȣȢ In aedibus Aldi et Andreae Asulani Hippocratis Coi libri omnes, Froben, ed. Janus Cornarius (Hagenbut, Hanbut) Hippocratis Coi opera quae existunt, ed. Hieronymus Mercurialis (mit lateinischer Übersetzung) Magni Hippocratis opera omnia quae exstant, ed. Anutius Foesius Magni Hippocratis Coi opera omnia Graece et Latine, ed. Ioan. Anton. Van der Linden

Venedig 1526

Basel 1538 (15672, 15783) Venedig 1588 Frankfurt 1595 (16242), Genf 1657 Leiden 1665 Wien 1743

Anutius Foesius (eigentlich Foes, Metz) hat das gesamte C.H. nicht nur kritisch ediert, sondern außerdem eine lateinische Übersetzung und einen umfassenden Kommentar (Oeconomia Hippocratis) verfasst.

Parallel zur Editionsarbeit wird die Echtheitskritik am C.H. weiterentwickelt. Hieronymus Mercurialis (Giovanni Mercuriali, 1530–1606), Dermatologe und Gynäkologe, teilt die hippokratischen Schriften in vier Klassen unterschiedlich hoher Authentizität ein (Censura de Hippocratis operibus [Urteil über die Werke des Hippokrates], Venedig 1583, Censura et dispositio operum Hippocratis [Beurteilung und Anordnung der Werke des Hippokrates], Frankfurt 1585), Ludovicus Lemosius (Luis de Lemoes), berühmter spanischer Kliniker des 16. Jhts., erklärt 19 Traktate für echt (Iudicium operum magni Hippocratis [Urteil über die Werke des großen Hippokrates], Salamanca 1585). Kein Traktat wird so oft abgeschrieben und übersetzt wie die Aphorismen. Man kennt aus dem Mittelalter 140 griechische Handschriften und 230 lateinische sowie 70 arabische Übersetzungen. Nach 1500 hat man begonnen, die Aphorismen in europäische Landessprachen (Katalanisch, Englisch, Französisch, Irisch) zu übersetzen. Kein anderer Traktat wird auch so oft in Versform gebracht und hat so oft als Vorbild für gleichnamige Spruchsammlungen gedient wie Aph. (s. Kasten).

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Die Aphorismen als literarisches Muster Rhazes (Arzt, Alchimist und Philosoph, 864–925)

Liber Rasis de secretis in medicina, qui liber aphorismorum appellatur

Henri de Mondeville Chirurgia (Chirurg, ~ 1250 bis 1320)

Denisot Gérard (~1520 bis 1594)

Hippocratis Aphorismi

Louis de Fontenettes

Hippocrate dépaïsé

(Paris,1634 posthum)

(Paris,1654) Theodorus Janssonius de Almeloveen (1657–1712)

6 Teile. Teil 5: Paraphrasen aus Hippokrates

Chirurgischer Traktat in aphoristischen Lehrsätzen Übertragung in griechische und lateinische Verse Paraphrasierende Version

Hippocratis Aphorismi

Aphorismen mit (Amsterdam, 1756 posthum) Parallelen u.a. aus Celsus

Beiträge der Fachwissenschaften Trotz der Offensive der Philologen verschwindet das C.H. europaweit nach und nach aus dem Lehr-, Übungs- und Prüfungsstoff der medizinischen Fakultäten. Die kritischen Stimmen mehren sich, die Verteidigungsversuche erlahmen. Nur einige wenige Traktate werden noch neu kommentiert oder für aktuelle Handbücher exzerpiert. Versuche, die hippokratischen Lehren und die exakten Wissenschaften miteinander zu verbinden, scheitern, auch wenn sie mit dem Namen großer Kliniker wie dem Boerhaaves verbunden sind. Am schnellsten vollzieht sich diese Entwicklung in Italien. Am längsten bleibt man dem Hippokratismus in Frankreich verhaftet. Im Europa der frühen Neuzeit hat man einigen herausragenden Ärzten den Ehrennamen Hippokrates gegeben. Diese Auszeichnung galt ausschließlich der Person der Mediziner, sie wurde unabhängig von ihrer Haltung zum historischen Namensträger und dessen Lehre verliehen. Näher charakterisiert werden die Geehrten durch einen Hinweis auf das Land oder das Fach, in dem sie erfolgreich gearbeitet haben (s. Kasten S. 206).

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Hippocrates redivivus Italienischer H. (Eigentlich: Sizilianischer H.)

Giovanni Filippo Ingrassia (1510–1580), Palermo, Padua, Neapel Anhänger Galens. Erstbeschreiber des Stapes, der vorderen Siebbeinzellen sowie der Synostosen des Schädels

Holländischer H. Pieter van Foreest (1522–1597), Delft Pathologe. Exakte Beschreibung von Röteln, Pemphigus, Krätze und Psoriasis palmaris Englischer H.

Thomas Sydenham (1624–1689), Cambridge Erneuerer der Hippokratischen Theorien. Gegner Galens. Plädoyer für klinische Epidemiologie und sparsame Therapie. Sydenham-Chorea

H. Chimicus (chymicus)

Otto Tachen (Tachenius, Tackenius), gest. 1670 Chemiater

Deutscher H.

Samuel Thomas von Soemmerring (1755–1830), Frankfurt am Main Förderer der vergleichenden Anatomie. Mitentdecker der Macula lutea. Prägte die Bezeichnung „ Bauchspeicheldrüse“

Niccolò Leoniceno (1428–1524), Professor der Medizin in Ferrara, bedauert, dass die Texte der antiken Fachschriftsteller kaum gelesen bzw. missverstanden werden, weil zu wenig Ärzte das Griechische beherrschen und die Philologen nicht genug von der Medizin verstehen (Aphorismorum Hippocratis liber primus interprete Nicolao Leoniceno [Das erste Buch der Aphorismen des Hippokrates in der Interpretation von Nicolaus Leoniceno], Ferrara 1509). Andreas Turini (~ 1473 bis 1543) verteidigt Hippokrates’ und Galens Lehre von den kritischen Tagen (Hippocratis et Galeni defensio de causis dierum criticorum [Verteidigung der Ansichten des Hippokrates und des Galen zu den Ursachen der kritischen Tage], Rom 1542). Girolamo Cardano (1501–1576), Arzt, Mathematiker und Naturforscher, kommentiert Aer., Aph. und Coac (Basel, 1570). Von 1767 an wird Hippokrates aber in Padua weder gelehrt noch geprüft. An deutschen (Freiburg, Ingolstadt) und englischen (College of Physicians, London) Hochschulen verwendet man im Unterricht Texte des C.H. sowohl im Original wie in neuen Übersetzungen. Paracelsus (1493–1541) verfasst einen deutschsprachigen Kommentar zu Aph., verwirft aber die Viersäftelehre. Der Chemiker Andreas Libavius (1540–1616) versucht sich an einer aktualisierten Gesamtdarstellung der alten Medizin unter besonderer Berücksichtigung des Hippokrates (Novus de medicina veterum tam Hippocratica quam Hermetica trac-

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tatus [Neue Abhandlung über die alte Medizin der Hippokratischen und Hermetischen Schule], Frankfurt, 1599). Der Wundarzt Johannes Scultetus (1595– 1645) beschreibt in Armamentarium chirurgicum [Instrumentenlehre] (Erfurt, 1659 posthum) die so genannte Bank des Hippokrates. Conrad Victor Schneider (1614–1680) zeigt, dass der katarrhalische Schleim nicht aus dem Gehirn stammt, sondern von Schleimhäuten produziert wird (De catarrhis libri V [Fünf Bücher über die Abflüsse], Wittenberg, 1660) und widerlegt damit eine zentrale These von Loc.Hom. Eine Sonderstellung unter den Hippokratikern der Neuzeit nimmt Hermann Boerhaave (1668–1738), Professor in Leiden und Begründer des klinischen Unterrichts ein. Er nannte seine Art zu lehren eine hippokratische Schule und gab seiner Antrittsrede bei der Übernahme des Lehrstuhls für theoretische Medizin (1713) den Titel: Oratio de commendando studio Hippocratis [Empfehlungsrede für das Studium des Hippokrates]. Zwanzig Jahre später folgte die Schrift De studio Hippocratis [Über das Studium des Hippokrates] und posthum (1747, Nürnberg) erschienen Aphorismi de cognoscendis et curandis morbis in usum doctrinae domesticae digesti [Aphorismen über die Diagnose und Therapie von Erkrankungen zum häuslichen Gebrauch]. Dass die griechische Medizin in Frankreich länger und intensiver gepflegt wird als in den Nachbarländern, hat mit der Rivalität der medizinischen Fakultäten von Paris und Montpellier zu tun. Die Pariser Mediziner sind traditionell Galen zugewandt und beginnen erst um 1550 damit, anstelle des galenischen Materials hippokratische Texte zur Grundlage des Unterrichts zu machen. Dagegen ist Montpellier von Beginn an ein Zentrum des Hippokratismus. Damit wird Hippokrates im 16. und 17. Jahrhundert in begrenztem Umfang zum Streit- und Prestigeobjekt der Hochschulen. Pierre Brissot (1478–1522) führt bei Patienten mit Pleuritis Aderlässe durch und beruft sich für diesen Behandlungsversuch auf Hippokrates als Urheber. Der Chemiker Joseph Duchesne (Josephus Quercetanus, ~ 1544 bis 1609) unterzieht den Wahrheitsgehalt der hippokratischen Medizin einer wohlwollenden Prüfung (Ad veritatem Hermeticae medicinae ex Hippocratis veterumque decretis ac therapeusi...stabilendam [Beitrag der Theorie und Behandlungspraxis des Hippokrates und der alten Ärzte zur Bestätigung der Richtigkeit der hermetischen Medizin], Paris, 1604). Vidus Vidius (gest. 1569), Vermittler des griechischen Erbes für die französische Medizin des 16. Jahrhunderts, berücksichtigt VC in seinem großen Lehrbuch der Chirurgie. Als die Autorität der antiken Medizin durch die Beschreibung des großen Kreislaufs (William Harvey, 1628) erschüttert wird, versucht man wider besseres Wissen Hippokrates zum Vorläufer des britischen Entdeckers zu erklären. Jean Riolan (1580–1657), Professor in Paris, gibt einer seiner Streitschriften den Titel Tractatus de motu sanguinis ejusque circulatione vera ex doctrina Hippocratis [Abhandlung über die Bewegung des Blutes und seinen wahren Kreislauf nach der Lehre des Hippokrates], 1652). Aer. wird im Laufe des 18. Jahrhunderts noch einmal von drei Medizinautoren als Quelle genutzt, und zwar von dem

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Schotten Jean Arbuthnot (1658–1735) für Essay concerning the effects of air in human body (London, 1733), und zwei Franzosen, Paul Joseph Barthez (1734– 1806) für Nouveaux élements de la science de l’homme (Paris, 1778) und Pierre Jean Georges Cabanis (1757–1808) für Rapports du physique et du moral de l’homme (Paris, 1802). An der Universität von Montpellier nimmt man Hippokrates 1771 aus den Kursen. Der Lehrstuhl für hippokratische Medizin in Paris wird 1811 aufgehoben.

Traditionspflege im 19. und 20. Jahrhundert Im 19. und 20. Jahrhundert wird Hippokrates innerhalb und außerhalb der Medizin ganz auf die Rolle als der ideale Arzt reduziert. Die Schriften zu lesen verspricht nur noch Erbauung in gesunden und kranken Tagen, sie zu edieren und kommentieren bedeutet nur noch Traditionspflege (s. Kasten). Zwei Wissenschaftlern gelingt es jedoch, aus dem über 2000 Jahre alten Sujet nochmals Neues zu schaffen: Théophile René Hyacinthe Laënnec (1781–1826) und Émile Littré (1801–1881). Deutsche Übersetzungen des C.H. Grimm J.F.K. Upmann C.F. Merbach P.M. Fuchs R. Kapferer R. Capelle W. Diller H. Schubert Ch. (Hrsg.)

Altenburg 1781–1792, Glogau 1837 Berlin 1847 Dresden 1860 München, Lüneburg 1895–1900 (Bd. 1–3) Stuttgart, Leipzig 1934–1939 (Bd. 1–5) Zürich 1955 („Fünf auserlesene Schriften“) Hamburg 1962, Neudruck Stuttgart 1994 („Die Anfänge der abendländischen Medizin“) Düsseldorf, 2005 („Hippokrates. Ausgewählte Schriften“. Zweisprachige Ausgabe)

Der Bretone Laënnec wird 1804 in Paris mit einer 39seitigen Arbeit zum Thema Propositions sur la doctrine médicale d’Hippocrate relative à la médecine pratique zum Doktor der Medizin promoviert. Damit ist der Weg für die intelligente Umsetzung hippokratischer Mitteilungen in die klinische Praxis gebahnt. Laënnec macht die akustischen Phänomene innerer Erkrankungen, über die der Koer berichtet hat, zu seinem Forschungsgegenstand und entwickelt aus dieser Arbeit sowohl das Werkzeug – nämlich das Stethoskop – wie die Methode – nämlich die Auskultation – , um nicht-invasiv krankhafte Prozesse vor allem an Herz und

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Lungen zu erkennen. Die bahnbrechende Monographie zum Thema erscheint 1819 in Paris unter dem Titel De l’auscultation médiate ou traité du diagnostic des maladies des poumons et du cœur fondé principalement sur ce nouveau moyen d’exploration. Émile Littré ist der letzte Arzt und Hippokrates-Philologe, für den die mit dem Namen des Koers verbundene Medizin einen Rest von aktueller Bedeutung besitzt. Er ist allerdings in seinem Beruf nicht praktisch tätig, sondern betreibt die Medizin als Textwissenschaftler. Dabei setzt Littré bis heute gültige Maßstäbe und sich und dem Koer ein Denkmal. Er gibt nicht nur das gesamte C.H. auf der Basis einer sorgfältigen Kollationierung der Handschriften neu heraus und übersetzt es ins Französische, sondern er treibt auch Echtheitskritik und beeinflusst damit den Verlauf der Diskussion über die Hippokratische Frage. Nur der kombinierte historisch-philologische Zugang zum C.H., den Littré wählt, ist dem Sujet in der Folgezeit noch angemessen.

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10 Literatur Alte Ausgaben Littré É.

Œuvres complètes d’ Hippocrate. Traduction nouvelle avec le texte grec en regard. T. I–X. Paris, 1839–61. Nachdruck Amsterdam, 1973– 82

Daremberg Ch. V.

Le serment ; La loi; De l’art du médecin; Prorrhetiques; Le pronostic; Prénotions de Cos; Des airs, des eaux et des lieux; Épidémies, livres I et III; Du régime dans les maladies aigües; Aphorismes; fragments de plusieurs autres traités. Traduits du grec sur les textes manuscrits et imprimés; accompagnés d’introductions et de notes. Paris, 1843

Ermerins F.Z.

Hippocratis et aliorum veterum reliquiae. Vol. I–III. Traiecti ad Rhenum, 1859–1864

Pétrequin J.P.E.

Chirurgie d’ Ippocrate. Paris, 1877–78

Kuehlewein H. (ed.)

Hippocrates: Opera Omnia (Hippocratis opera quae feruntur omnia)

Vol. I:

Über die alte Medizin. Von der Umwelt. Prognostikon 1 und 2. Regimen acutorum. Regimen acutorum Suppl. Epidemien I. Epidemien III. Leipzig, 1884

Vol. II: Wunden am Kopfe. Arztpraxis. Stichwunden. Über Einrenkungen. Mochlikon. Leipzig, 1902

Moderne Ausgaben ȀǹȀȉȅȈ: ǹȇȋǹǿǹ ǼȁȁǾȃǿȀǾ īȇǹȂȂǹȉǼǿǹ ȅǿ ǼȁȁǾȃǼȈ 93–108: ǿȆȆȅȀȇǹȉǾȈ – ǹȆǹȃȉǹ KAKTOS: Einführung, Text, Übersetzung, Erläuterungen. Athen, 1992 – 1993 1

īǼȃǿȀǾ ǿǹȉȇǿȀǾ ‘ǯȅȡțȠȢ · ȃȩȝȠȢ · Ȇİȡì ¢ȡȤĮȓȘȢ „ȘIJȡȚțȘҌȢ · Ȇİȡì „ȘIJȡȠȣҌ · Ȇİȡì IJȑȤȞȘȢ · Ȇİȡì eÙıȤȘȝȠıȪȞȘȢ · ȆĮȡĮȖȖİȜȓĮȚ · ’ǹijȠȡȚıȝȠȓ

2

ȆȇȅȁǾȆȉǿȀǾ ǿǹȉȇǿȀǾ ȆȡȠȖȞȦıIJȚțȩȞ · ȆȡȠȡȡȘIJȚțóȢ A țĮȚ B · ȀöĮțĮì ›ȡȠȖȞȫıȚİȢ

211

3

ȆǹĬȅȁȅīǿǹ – ȅĭĬǹȁȂȅȁȅīǿǹ Ȇİȡì ¢ȑȡȦȞ, ØįȐIJȦȞ, IJȩ›ȦȞ · Ȇİȡì ȤȣȝȦҌȞ · Ȇİȡì ijȣıȦҌȞ · Ȇİȡì țȡȚıȓȦȞ · Ȇİȡì țȡȚıȓȝȦȞ · Ȇİȡì ÓȥȚȠȢ

4

ǹȃǹȉȅȂǿǹ – ĭȊȈǿȅȁȅīǿǹ Ȇİȡì ¢ȞĮIJȠȝȘҌȢ · Ȇİȡì țĮȡįíȘȢ · Ȇİȡì ¢įȑȞȦȞ · Ȇİȡì ıĮȡțȦҌȞ · Ȇİȡì ÑıIJȑȦȞ ijȪıȚȠȢ · Ȇİȡì ijȪıȚȠȢ ¢Ȟșȡȫ›Ƞȣ · Ȇİȡì ȖȠȞȘҌȢ · Ȇİȡì ijȪıȚȠȢ ›ĮȚįȓȠȣ

5

ǻǿǹǿȉǾȉȀǾ – ĬǼȇǹȆǼȊȉǿȀǾ 1 Ȇİȡì įȚĮȓIJȘȢ A · Ȇİȡì įȚĮȓIJȘȢ B · Ȇİȡì įȚĮȓIJȘȢ ī · Ȇİȡì įȚĮȓIJȘȢ ǻ À ›İȡì ™Ȟȣ›ȞȓȦȞ

6

ǻǿǹǿȉǾȉȀǾ – ĬǼȇǹȆǼȊȉǿȀǾ 2 Ȇİȡˆ įȚĮȓIJȘȢ ÑȟȑȦȞ · Ȇİȡì įȚĮȓIJȘȢ u‘ ȖȚİȚȞȘҌȢ · Ȇİȡì IJȡȠijȘҌȢ · Ȇİȡì u‘ ȖȡȦҌȞ ȤȡȒıȚȠȢ

7

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9

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10

ȂǹǿǼȊȉǿȀǾ – ǼȂǺȇȊȅȁȅīǿǹ Ȇİȡì ™›ȚțȣȒıİȦȢ · Ȇİȡì ™ȖțĮIJĮIJȠȝȘҌȢ ™ȝȕȡȪȠȣ · Ȇİȡì e‘›IJĮȝȒȞȠȣ · Ȇİȡì ÑțIJĮȝȒȞȠȣ · Ȇİȡì ÑįȠȞIJȠijȣȓȘȢ · Ȇİȡì e‘ȕįȠȝȐįȦȞ

11

ȋǼǿȇȅȊȇīǿȀǾ Ȇİȡì IJȦҌȞ ™Ȟ țİijĮȜñ IJȡȦȝȐIJȦȞ · ȀĮIJ` „ȘIJȡİȚҔȠȞ · Ȇİȡì ¢ȖȝȦҋȞ · Ȇİȡì e‘ȜțȦҋȞ · Ȇİȡì ai‘ȝȠȡȡȠȓįȦȞ · Ȇİȡì ıȣȡȓȖȖȦȞ

12

ȅȇĬȅȆǼǻǿȀǾ Ȇİȡì ÁȡșȡȦȞ · ȂȠȤȜȚțȩȢ

13

ǼȆǿǻǾȂǿǼȈ 1 Ȇİȡì ’Ǽ›ȚįȘȝȚȦҌȞ IJò ›ȡȦҌIJȠȞ · Ȇİȡì ’Ǽ›ȚįȘȝȚȦҌȞ IJò įİȪIJİȡȠȞ · Ȇİȡì ’Ǽ›ȚįȘȝȚȦҌȞ IJò IJȡȓIJȠȞ · Ȇİȡì ’Ǽ›ȚįȘȝȚȦҌȞ IJò IJȑIJĮȡIJȠȞ

212

14

ǼȆǿǻǾȂǿǼȈ 2 Ȇİȡì ’ǼʌȚįȘȝȚȦҌȞ IJò ʌȑȝʌIJȠȞ · Ȇİȡì ’ǼʌȚįȘȝȚȦҌȞ IJò e‘/ țIJȠȞ · Ȇİȡì ’ǼʌȚįȘȝȚȦҌȞ IJò e‘/bįȠȝȠȞ

15

ȆǼȇǿ ǹȈĬǼȃǼǿŸȃ Ȇİȡì ȃȠȪıȦȞ IJò ›ȡȦҌIJȠȞ · Ȇİȡì ȃȠȪıȦȞ IJò įİȪIJİȡȠȞ · Ȇİȡì ȃȠȪıȦȞ IJò IJȡȓIJȠȞ · Ȇİȡì ȃȠȪıȦȞ IJò IJȑIJĮȡIJȠȞ

16

ȆǹĬǾȈǼǿȈ – ǼȆǿȁǾȌǿǹ ȆİȡȚì ›ĮșȦҋȞ · Ȇİȡì IJȦҌȞ ™ȞIJòȢ ›ĮșȦҋȞ · Ȇİȡì i‘İȡȘҋȢ ȞȠȪıȠȣ · Ȇİȡì IJȩ›ȦȞ IJȦҌȞ țĮIJ¦ ÁȞșȡȦ›ȠȞ

17

ǼȆǿȈȉȅȁǼȈ ’Ǽ›ȚıIJȠȜĮȓ · ǻȩȖȝĮ ’ǹșȘȞĮȓȦȞ . ’Ǽ›ȚȕȫȝȚȠȢ · ȆȡİıȕİȣIJȚțȩȢ

ǹȡȤĮȓȠȚ ȈȣȖȖȡĮijİȓȢ Lypourlis D. Hippokrates: Originaltext, Übersetzung, Einführung, Erläuterungen Zitros. Thessaloniki 12

Ȇİȡì ¢ȡȤĮȓȘȢ „ȘIJȡȚțȘҋȢ; Ȇİȡì ¢ȑȡȦȞ, u‘įȐIJȦȞ, IJȩ›ȦȞ; ȆȡȠȖȞȦıIJȚțȩȞ; Ȇİȡì įȚĮȓIJȘȢ ÑȟȑȦȞ; Ȇİȡì i‘İȡȘҌȢ ȞȠȪıȠȣ. 2000

13

’Ǽ›ȚįȘȝȓĮȚ; ’ǹijȠȡȚıȝȠȓ; Ȇİȡì ȤȣȝȦҌȞ; Ȇİȡì IJȑȤȞȘȢ; Ȇİȡì ijȪıȚȠȢ ¢Ȟșȡȫ›Ƞȣ; Ȇİȡì įȚĮȓIJȘȢ u‘ ȖȚİȚȞȘҌȢ; Ȇİȡì țȡȚıȓȦȞ; Ȇİȡˆ țȡȚıȓȝȦȞ. 2000

15

’ǿĮIJȡȚțȒ įİȠȞIJȠȜȠȖȓĮ, ȞȠıȠȜȠȖȓĮ: ‘ǯȅȡțȠȢ; Ȇİȡì „ȘIJȡȠȣҌ; ȃȩȝȠȢ; Ȇİȡì eÙıȤȘȝȠıȪȞȘȢ; ȆĮȡĮȖȖİȜȓĮȚ; Ȇİȡì ›ĮșȦҋȞ; Ȇİȡì IJȦҌȞ ™ȞIJòȢ ›ĮșȦҋȞ; Ȇİȡì ȞȠȪıȦȞ; Ȇİȡì įȚĮȓIJȘȢ. 2001

19

ȋİȚȡȠȣȡȖȚțȒ: Ȇİȡì „ȘIJȡȠȣҋ; ȀĮIJ’ „ȘIJȡİȚҔȠȞ; Ȇİȡì ¢ȖȝȦҋȞ; Ȇİȡì ÁȡșȡȦȞ; ȂȠȤȜȚțȩȢ; Ȇİȡì IJȦҌȞ ™Ȟ țİijĮȜñ IJȡȦȝȐIJȦȞ. 2001

24

īȣȞĮȚțȠȜȠȖȓĮ: Ȇİȡì ȖȣȞĮȚțİȓȘȢ ijȪıȚȠȢ; Ȇİȡì ȖȣȞĮȚțİȓȦȞ; Ȇİȡì ¢ijȩȡȦȞ; Ȇİȡì ›ĮȡșİȞȓȦȞ; Ȇİȡì ȖȠȞȘҌȢ; Ȇİȡì ijȪıȚȠȢ ›ĮȚįȓȠȣ; Ȇİȡì e‘ ›IJĮȝȒȞȠȣ: Ȇİȡì ÑțIJĮȝȒȞȠȣ; Ȇİȡì ™ȖțĮIJĮIJȠȝȘҌȢ ™ȝȕȡȪȠȣ; Ȇİȡì ™›ȚțȣȒıİȦȢ. 2002

CORPUS MEDICORUM GRAECORUM (CMG) Texte I1

Hippocratis Indices librorum, Iusiurandum, Lex, De arte, De medico, De decente habitu, Praeceptiones, De prisca medicina, De aere aquis locis, De alimento, De liquidorum usu, De flatibus, edidit J. L. Heiberg. Leipzig et Berlin, 1927

213

I 1,2

Hippocrates De aere aquis locis, edidit et in linguam Germanicam vertit H. Diller. Berlin, 1970; editio altera lucis ope expressa. Berlin, 1999

I 1,3

Hippocratis De natura hominis edidit, in linguam Francogallicam vertit, commentatus est J. Jouanna. Berlin, 1975; editio altera lucis ope expressa addendis et corrigendis aucta. Berlin, 2002

I 2,1

Hippocratis De octimestri partu, De septimestri partu (spurium), edidit, in linguam Germanicam vertit, commentatus est H. Grensemann. Berlin, 1968

I 2,2

Hippocratis De superfetatione edidit, in linguam Germanicam vertit, commentatus est C. Lienau. Berlin, 1973

I 2,3

Hippocratis De morbis III, edidit, in linguam Germanicam vertit, commentatus est P. Potter. Berlin , 1980

I 2,4

Hippocratis De diaeta, edidit, in linguam Francogallicam vertit, commentatus est R. Joly adiuvante S. Byl. Berlin, 1984; editio altera lucis ope expressa addendis et corrigendis aucta curatis a S. Byl. Berlin, 2003

I 4,1

Hippocratis De capitis vulneribus, edidit, in linguam Anglicam vertit, commentatus est M. Hanson. Berlin, 1999

Kommentare, Vita IV

Sorani Gynaeciorum libri IV, De signis fracturarum, De fasciis, Vita Hippocratis secundum Soranum, edidit J. Ilberg. Leipzig et Berlin, 1927

V 1,2

Galeni De elementis ex Hippocratis sententia, edidit, in linguam Anglicam vertit, commentatus est Ph. De Lacy. Berlin, 1996

V 4 1,2

Galeni De placitis Hippocratis et Platonis, edidit, in linguam Anglicam vertit, commentatus est Ph. De Lacy, 3 vol. Berlin, 1978–1984

V 9,1

Galeni In Hippocratis De natura hominis commentaria III, edidit J. Mewaldt; In Hippocratis De victu acutorum commentaria IV, edidit G. Helmreich; De diaeta Hippocratis in morbis acutis, edidit J. Westenberger. Leipzig et Berlin, 1914

V 9,2

Galeni In Hippocratis Prorrheticum I commentaria III, edidit H. Diels; De comate secundum Hippocratem, edidit J. Mewaldt; In Hippocratis Prognosticum commentaria III, edidit J. Heeg. Leipzig et Berlin, 1915

214

V 10,1

Galeni In Hippocratis Epidemiarum librum I commentaria III, edidit E. Wenckebach; In Hippocratis Epidemiarum librum II commentaria V, in Germanicam linguam transtulit F. Pfaff. Leipzig et Berlin, 1934

V 10,2,1

Galeni In Hippocratis Epidemiarum librum III commentaria III, edidit E. Wenckebach. Leipzig et Berlin, 1936

V 10,2,2

Galeni In Hippocratis Epidemiarum librum VI commentaria I–VI, edidit E. Wenckebach; commentaria VI–VIII, in Germanicam linguam transtulit F. Pfaff, editio altera lucis ope expressa. Berlin, 1956

V 10,2,3

Galeni In Hippocratis Epidemiarum libros commentaria, Indices nominum et verborum Graecorum, composuerunt E. Wenckebach, K. Schubring. Berlin, 1955

V 10,2,4

Galens Kommentare zu den Epidemien des Hippokrates, Indizes der aus dem Arabischen übersetzten Namen und Wörter, verfasst v. F. Pfaff; Die als sogenannte Simulantenschrift griechisch überlieferten Stücke des 2. Kommentars zu Epidemien II, hrsg. v. K. Deichgräber u. F. Kudlien. Berlin, 1960

V 10,3

Galeni Adversus Lycum et Adversus Iulianum libelli, edidit E. Wenckebach. Berlin, 1951

XI 1,1

Apollonii Citiensis In Hippocratis De articulis commentarius, ediderunt J. Kollesch et F. Kudlien, in linguam Germanicam transtulerunt J. Kollesch et D. Nickel. Berlin, 1965

XI 1,2

Stephani Philosophi In Hippocratis Prognosticum commentaria III, edidit et in linguam Anglicam vertit J. M. Duffy. Berlin, 1983

XI 1,3,1

Stephani Atheniensis In Hippocratis Aphorismos commentaria I–II, edidit et in linguam Anglicam vertit L. G. Westerink. Berlin, 1985; editio altera lucis ope expressa. Berlin, 1998

XI 1,3,2

Stephani Atheniensis In Hippocratis Aphorismos commentaria III–IV, edidit et in linguam Anglicam vertit L. G. Westerink. Berlin, 1992

XI 1,3,3

Stephani Atheniensis In Hippocratis Aphorismos commentaria V-VI, edidit et in linguam Anglicam vertit L. G. Westerink; indices composuerunt J. Kollesch et D. Nickel. Berlin, 1995

XI 1,4

Ioannis Alexandrini In Hippocratis Epidemiarum librum VI commentarii fragmenta, Anonymi in Hippocratis Epidemiarum librum VI commentarii fragmenta, edidit, in linguam Anglicam vertit, commentatus est J. M. Duffy; Ioannis Alexandrini In Hippocratis De natura pueri commentarium, ediderunt et in linguam Anglicam verterunt T.A. Bell, D.P. Carpen-

215

ter, D.W. Schmidt, M.N. Sham, G.I. Vardon et L.G. Westerink. Berlin, 1997 XI 2,1

Pseudogaleni In Hippocratis De septimanis commentarium ab Hunaino q. f. Arabice versum, edidit et Germanice vertit G. Bergsträßer. Leipzig et Berlin, 1914

Suppl. Or. I

Galeni In Hippocratis De officina medici commentariorum versio Arabica et excerpta, quae ҁAlƯ ibn RidwƗn ex eis sumpsit, edidit et in linguam Anglicam vertit M. Lyons. Berlin, 1963

Suppl. Or. II

Galeni De partibus artis medicativae, De causis contentivis, De diaeta in morbis acutis secundum Hippocratem libellorum versiones Arabicae, edidit et in linguam Anglicam vertit M. Lyons; De partibus artis medicativae, De causis contentivis libellorum editiones alterius ab H. Schöne alterius a K. Kalbfleisch curatae, retractaverunt J. Kollesch, D. Nickel, G. Strohmaier. Berlin, 1969

Loeb Classical Library (Cambridge, London) Vol. I:

Ancient Medicine. Airs, Waters, Places. Epidemics I&III. The Oath. Precepts. Nutriment. Transl. by W. H. S. Jones. 1923, 8th Imp.

Vol. II:

Prognostic. Regimen in Acute Diseases. The Sacred Disease. The Art. Breaths. Law. Decorum. Physician (Ch.1.). Dentition. Transl. by W. H. S. Jones. 1923, 8th Imp.

Vol. III:

On Wounds in the Head. In the Surgery. On Fractures. On Joints. Mochlikon. Transl. by E. T. Withington. 1928, 7th Imp.

Vol. IV:

Nature of Man. Regimen in Health. Humours. Aphorisms. Regimen I. Regimen II. Regimen III. Dreams=Regimen IV. Transl. by W. H. S. Jones. 1931. 9th Imp.

Vol. V:

Affections. Diseases I. Diseases II. Transl. by P. Potter. 1988

Vol. VI:

Diseases III. Internal Affections. Regimen in Acute Diseases. Appendix . Transl. by P. Potter. 1988

Vol. VII:

Epidemics II. Epidemics IV. Epidemics V. Epidemics VI. Epidemics VII. Transl.by W. D. Smith. 1994

Vol. VIII:

Places in Man. Glands. Fleshes. Prorrhetic I. Prorrhetic II. Physician. Use of Liquids. Ulcers. Haemorrhoids. Fistulas. Transl. by P. Potter. 1995

216

Les Belles Lettres. Collection G. Budé (Paris): Hippocrate – Œuvres Complètes T. II, 1:

De l’ancienne médecine. Jouanna J., 1990

T. II, 2:

Airs, eaux, lieux. Jouanna J., 20032

T. II, 3

La maladie sacrée. Jouanna J., 2003

T. IV, 3:

Épidémies V et VII. Jouanna J., Grmek M., 20032

T. V, 1:

Des Vents. De l’art. Jouanna J., 1988

T. VI, 1:

Du Régime. Joly R., 1967

T. VI, 2:

Du Régime de maladies aiguës. Appendice. De l’aliment. De l’usage des liquides. Joly R., 1972

T. VIII:

Plaies. Nature des os. Cœur. Anatomie. Duminil M.-P., 20032

T. X, 2:

Maladies II. Jouanna J., 20032

T. XI:

De la génération. De la nature de l’enfant. Des maladies IV. Du fœtus de huit mois. Joly R., 1970

T. XIII:

Des lieux dans l’homme. Du système des glandes. Des fistules. Des hémorroïdes. De la vision. Des chairs. De la dentition. Joly R., 1978

Tratados hipocráticos: Bibl. clás. Gredos Madrid Gredos I:

Juramento, Ley, Sobre la ciencia médica, Sobre la medicina antigua, Sobre el médico, Sobre la decencia, Aforismos, Preceptos, El pronóstico, Sobre la dieta en las enfermedades agudas, Sobre la enfermedad sagrada, introd. general de García Gual C., introd., trad & notas de García Gual C., Lara Nava M.D., López Férez J.A. & Cabellos Álvarez B. No. 63, 1983

II:

Sobre los aires, aguas y lugares, Sobre los humores, Sobre los flatos, Predicciones I, Predicciones II, Prenociones de Cos, introd., trad. & notas de López Férez J.A . & García Novo E. No. 90, 1986

III:

Sobre la dieta, Sobre las afecciones, Apéndice a Sobre la dieta en las enfermedades agudas, Sobre el uso de los líquidos, Sobre el alimento, introd., trad. & notas de García Gual C., Lucas de Dios J.M, Cabellos Álvarez B. & Rodríguez Alfageme I. No. 91, 1986

IV:

Tratados ginecológicos (Sobre las enfermedades de las mujeres, Sobre las mujeres estériles, Sobre las enfermedades de las virgenes, Sobre la

217

superfetación, Sobre la excisión del feto, Sobre la naturaleza de la mujer), trad. & notas por Sanz Lingote L., introd. & indices por Ochoa Anadon J.A. No. 114, 1988 V:

Epidemias, trad., introd. & notas de Esteban A., García Novo E. & Cabellos Álvarez B. No. 126, 1989

VI:

Enfermedades [= De morbis, I–III; De affectionibus interioribus], trad., introd. & notas de Alamillo Sanz A. & Lara Nava M.D., introd. al volumen de Lara Nava M.D. No. 143, 1990

VII:

Tratados quirúrgicos (Sobre las heridas en la cabeza; Sobre el dispensario médico; Sobre las fracturas; Sobre las articulaciones; Instrumentos de reducción; Sobre las fístulas; Sobre las hemorroides; Sobre las úlceras) introd., trad. y notas por Lara Nava M.D., Torres H. & Cabellos Álvarez B. No. 175, 1993

VIII:

Sobre la naturaleza del hombre; Sobre los lugares en el hombre; Sobre las carnes; Sobre el corazón; Sobre la naturaleza de los huesos; Sobre la generación; Sobre la naturaleza del niño; Sobre las enfermedades IV; Sobre el parto de ocho meses; Sobre el parto de siete meses; Sobre la dentición; Sobre la visión; Sobre las glándulas; Sobre la anatomia; Sobre las semanas; Sobre las crisis; Sobre los dias críticos; Sobre los remedios purgantes; Juramento II, introd., trad. y notas por Jesús de la Villa Polo, Rodriguez Blanco M.E., Cano Cuenca J., Rodriguez Alfageme I. No. 307, 2003

Bibliographien, Konkordanzen und Lexikonbeiträge Anastassiou A., Irmer D. (Hrsg.): Testimonien zum Corpus Hippocraticum. 2, Galen 1, Hippokrateszitate in den Kommentaren und im Glossar. Göttingen, 1997. 2, Galen 2, Hippokrateszitate in den übrigen Werken Galens einschließlich der alten PseudoGalenica. Göttingen, 2001 Anastassiou A., Irmer D.: Index Hippocraticus I. Göttingen, 1999 Apostolidis P.D.: ‘ǼȡȝȘȞİȣIJȚțò ȜİȟȚțò ›ĮıȦҌȞ IJȦҌȞ ȜȑȟİȦȞ IJȠȣҋ ‘ǿ››ȠțȡȐIJȠȣȢ. Athen, 1997 Bruni Celli B.: Bibliographia Hipocrática. Caracas, 1984 Byl S.: Les dix dernières années (1983–1992) de la recherche hippocratique. In: Centre Jean-Palerne: Lettre d’ informations 1993;22: 1–39 Centre Jean-Palerne: Bibliographie des textes médicaux latins. Antiquité et haut moyen age. Sous la direction de G. Sabbah, P.-P. Corsetti, K.-D. Fischer. Saint-Étienne, 1987: 94–107

218

Fichtner G.: CORPUS HIPPOCRATICUM. Verzeichnis der hippokratischen und pseudohippokratischen Schriften. Tübingen, 1992 Kibre P.: Hippocrates Latinus. Repertorium of Hippocratic writings in the Latin Middle Ages. New York, 1985 Kühn J.H., Fleischer U: Index hippocraticus. Göttingen, 1989 Leitner H.: Bibliography to the ancient medical authors. Bern/Stuttgart/Wien, 1973 Maloney G., Frohn W. (eds.): Concordantia in Corpus Hippocraticum/ Concordance des Œuvres Hippocratiques. T. I–V. Hildesheim – Zürich – New York, 1986 Maloney G.: Index inverses du vocabulaire hippocratique. Hildesheim – Zürich – New York, 1987 Maloney G., Savoie R.: Cinq cent ans de bibliographie hippocratique: 1473–1982. Québec, 1982 Moisan M.: Lexique du vocabulaire botanique d’Hippocrate. Québec, 1990 RE Pauly-Wissowa

8 S III S VI S XII

(1913) (1918) (1935) (1970)

Sp. 1801–1852 Sp. 1154 Sp. 1290–1345 Sp. 486–496

H. Gossen H. Gossen L. Edelstein M. Michler

Der Neue Pauly

5

(1998)

Sp. 590–599

14

(2000)

Sp. 418–419, 419–421

P.Potter und B. Gundert Vivian Nutton

Die Vorsokratiker werden nach Diels-Kranz [DK] (Die Fragmente der Vorsokratiker. Griechisch und deutsch von Hermann Diels. Herausgegeben von Walther Kranz. I–III. Weidmann, Zürich,Hildesheim, 198918), Galen wird nach Kühn [I-XX] (Claudii Galeni opera omnia. Editionem curavit C[arl] G[ottlob] Kühn. T.1–20. Nachdruck d.Ausg. Leipzig 1821–1833. Hildesheim 1964–1965) und Marquardt [Scr.min.] (Marquardt I. Scripta Minora. 3 Bde. Leipzig, 1884–1893) zitiert.

Biographien, Werkbeschreibungen Ayache L.: Hippocrate. Paris, 1992 Di Benedetto V.: Il medico e la malattia. La scienza di Ippocrate. Torino, 1986 Joly R.: Hippocrate, médecine grecque. Paris, 1965 Jouanna J.: Hippocrate. Paris, 1992 Oser-Grote C.M.: Medizinische Schriftsteller. In: Die Philosophie der Antike. Band 2/1: Sophistik. Sokrates. Sokratik. Mathematik. Medizin. Hrsg. v .H. Flashar. Basel, 1998: 455–485 Potter P.: Short handbook of Hippocratic medicine. Quebec, 1988

219

Studienreihen und Kongressbände Projet Hippo. Documents: Dépt. Des Littér. Fac. Des Lettres Univ. Laval Québec – I: Répartition des œuvres hippocratiques par genres littéraires, par Maloney G., Potter P. & Frohn-Villeneuve W.: 1979 15 p. – II: Distribution des particules selon les genres littéraires chez Hippocrate, par Maloney G & M.P.: 1979 21 p. – III: Liste des œuvres attribuées à Hippocrate, par Maloney G. & Frohn W.: 1980 30 p. – IV – V: Codification d’analyse morphologique, par Maloney G. & Frohn W.: 1980 10 p. – VI: Analyse statistique de sept données stylistiques dans les œuvres hippocratiques, par Maloney G, Landry R. [et al.]: 1980 228 p. – VII: Classement des mots en catégories grammaticales, par Maloney G. & Frohn W.: 1980 30 p. – VIII: Le concept de ȤȠȜȒ, la bile, dans le Corpus hippocratique, par Roy L.: 1981 292 p.

Internationale Hippokrates-Kolloquien Tagungsort

Jahr

Organisator(en)

I II III IV V VI

Strasbourg Mons Paris Lausanne Berlin Québec

1972 1975 1978 1981 1984 1987

VII VIII

Madrid Kloster Banz/ Staffelstein Pisa Nice Newcastle upon Tyne Leiden

1990 1993

Bourgey L., Jouanna J. Joly R. Grmek M.D. Lasserre F., Mudry Ph. Baader G, Winau R. Potter P., Maloney G, Desautels J. López Férez J.A. Wittern R., Pellegrin P.

1996 1999 2002

Garofalo I. Thivel A., Zucker A. Van der Eijk, P.J.

2005

Horstmanshoff, H.F.J.

IX X XI XII I

II III IV

220

Tagungsband Ort Leiden Mons Paris Genf Stuttgart

Jahr 1975 1977 1980 1983 1989

Québec Madrid Hildesheim

1990 1992 1996

Firenze Paris Leiden

1999 2002 2005

La collection hippocratique et son rôle dans l’ histoire de la médecine. Colloque de Strasbourg (23–27 oct 1972). Leiden, 1975 = Coll.Hipp.I Strasbourg 1972 (Leiden 1975) Corpus Hippocraticum. Actes du Colloque hippocratique de Mons (22–26 sept 1975). Joly R. (ed.). Mons, 1977 = Coll.Hipp.II Mons 1975 (Mons 1977) Hippocratica. Actes du Colloque hippocratique de Paris (4–9 sept 1978). Grmek M.D. (ed.). Paris, 1980 = Coll.Hipp.III Paris 1978 (Paris 1980) Formes de pensée dans la collection hippocratique. Actes du IVe colloque international hippocratique. Lausanne (21–26 sept 1981). Lasserre F., Mudry Ph. (eds.). Genève, 1983 = Coll.Hipp.IV Lausanne 1981 (Genève 1983)

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V

Weitere Kolloquien Rapports du IIe Congrès International de Médecine Hippocratique. Journées médicales d’ Evien. Paris, 1953 Hippocrate et son héritage: colloque franco-hellenique d’ histoire de la médecine (Fondation Marcel Mérieux, Lyon, 9–12 oct 1985): Coll. Fondation Marcel Mérieux . Lyon, 1987 Actas del VIII congreso español de estúdios clásicos (Madrid, 23–28 de sept de 1991), II: 1994

221

Register 1–5 (1: Stellen aus dem C.H. 2: Sachen 3: Geographische Namen 4: Personen 5: Moderne Herausgeber und Autoren) [Die Hauptfundstellen sind durch Fettdruck gekennzeichnet]

1. Stellen aus dem C.H. Vet.med.

Progn.

Allgemein 27–29, 114, 119, 200 1 57, 119, 120, 122 2 57, 124 3 122 4 -5 122 7 122 12 122 14 124 15 71, 142 18 137 19 137, 165 20 70, 121, 122 22 126 23 126

Allgemein 31, 99, 101, 106, 109, 114, 115, 116, 191, 192, 195,197, 198, 204 1 120, 141, 144, 173, 184 2 170 4 154 5 121, 144 7 157, 170, 171 8 144 9 159, 173 10 175 11 151 12 133, 137, 144 14 166, 173 15 173 16 170 17 136, 147, 164 20 121 24 146, 147, 163, 164, 165 25 19, 125, 171

Aer. Allgemein 29–30, 71, 114, 119, 197, 198, 200, 206, 207 1 170 2 58, 120, 175 3 58, 66, 143, 146, 148, 162 4 66, 143, 149, 152 5 137, 143 6 143 7 129, 156 8 123 9 159 10 136, 155, 164 14 142 20 180 22 125, 142, 153, 180

Acut. Allgemein 32–33, 68, 99, 101, 108, 114, 116, 191, 197,198, 200 1 31 2 31, 124 5 143 8 169 9 28 12 176 13 175 14 126 15 176 17 153 18 178

223

30 38 39 42 50 60 66

171 144 176 137, 172 176 177 177

Acut.spur. Allgemein 33–34, 99 1 148, 154 2 148, 180 3 165 4 180 6 153 9 171 10 184 11 179, 180 19 150 24 176 30 177 39 177 37 152 52 150

Epid.I Allgemein 34, 35, 36–37, 54, 108, 191, 197 1 166, 171, 172 2 149 2.5 150, 164 2.12 166 3 149, 172 4 171 4.14 161 6 31, 147, 152 8 31 14 153 15 35 20 124 24 147 25 147, 173 26 122 26.1 148

Epid.III Allgemein 34, 35, 37–39, 108, 109, 111, 112, 191, 197

224

1 163 1.2 35 1.3 171 1.5 146 1.6 144 1.11 165 3 164, 169 3.7 124 4 134 5 148 6 155 7 133, 163, 165 10 137 13 150 14 137, 149, 191 15 171 16 99, 173, 182 16.1 172 17 150 17.2 137, 162 17.3 148, 165 17.5 153, 154 17.8 180 17.10 172 17.14 162, 165 17.16 172

VC Allgemein 39–40, 114, 195, 197, 207 2 126 4–8 157 9 157, 158 10 170, 171, 172, 173 11 143, 153 12 157, 158, 182, 183 13 126 14 157, 165 15 67 18 156, 162 19 157, 172 21 156, 157

Off. Allgemein 40–41, 106, 109, 169, 191, 197 1 171 2 170 3 170

4 5 6 7

62, 182 41, 169 169 41

Fract. Allgemein 41, 42–43, 106, 113, 114, 115, 125, 191, 192, 195, 197, 203 1 41, 124, 142, 183 2 183 4 41 5 157 8 131, 157 9 41 11 131, 133, 157, 158 12 131 13 42, 156, 169 14 132 15 131, 156 16 156 20 132 22 156 23 132 30 156 31 41, 157 36 184 37 158 43 189 46 131 76 169

Artic. Allgemein 41, 42, 43–45, 61, 106, 111, 113, 125, 157, 191, 195, 197, 203 1 173 2 158 5 156 6 156 7 156 8 123, 158 9 104 11 89, 104, 180 12 129, 156, 163 13 123, 131, 183 14 157, 158 15 158 17–29 42 18 158

19 155 22 131 26 41 27 41, 156 28 157, 158, 163 30 131, 157, 170 30–34 167 35–39 167 35–45 42 36 183 37 170 38 123 40 104, 158, 175 41 131, 158, 173 42 156, 184 42–44 156 43 158 45 104, 126, 127, 130, 131, 132 46 123, 132, 153, 158 47 126, 156, 158 48 143, 153, 155, 158 49 158 50 130, 143, 157 51 158, 171 52 132, 163 53 132, 158, 163 55 163 56 141, 158 57 104 58 41, 124, 158 60 132 61 157 62 158 67 41 68 157 69 157 70 157, 169, 188 72 156 74 157 77 156, 158 82 158 82–87 42

Mochl. Allgemein 42, 45, 61, 96, 114 1 131 2–3 42 7–19 42

225

26–31 42 36 158 38 158 39 42, 15

Aph. Allgemein 45–46, 54, 55, 62, 99, 106, 109, 110, 112, 113, 114, 115, 116, 184, 191, 192, 195, 197, 198, 199, 200, 204, 205, 206 1,1 72 1,2 101, 193 1,4–5 176 1,14 62, 137 2,22 174 2,24 121 2,33 189 2,39 62 2,42 152 2,45 174 2,50 174 3,5 159 3,12 164 3,14 155 3,20–23 143 3,22 150 3,23 153 3,24–31 144 3,25 146 3,26 151, 166 3,30 154 3,31 146, 159, 164, 166 4,6 178 4,14–15 178 4,17 150 4,36 144 4,39 141 4,62 149 4,75–83 159 4,77 159 4,80 130 5,1 178 5,8 148 5,16–25 61 5,41 161 5,42 189 5,56 153 5,60 161

226

6,1 150 6,15 62 6,23 155 6,31 190 6,40 129 6,45 67 6,56 152, 155 6,59–60 153 7,11 148 7,25 101 7,32 141 7,36 131, 159 7,37 157 7,55 151 7,58 62 7,77 150 7,88 149

Jusj. Allgemein 47–48, 114, 184, 197, 198

Lex Allgemein 48–49, 56, 114, 198 1 119

Epid.II Allgemein 34, 35, 49–50, 52, 54, 56, 99, 106, 110, 111, 114, 115, 191, 197 1.3 151 1.5 46 1.6 144 1.7 139, 159, 163 1.8 144 1.9 156 2.2 137 2.6 146 2.19 162 2.21 150 2.22 178 3.1 50, 52, 148, 153, 154, 166 3.2 142, 143 3.6 150 3.17 161 4.1 96, 128 4.2 126 4.3 52, 151 5.1 155 5.2 154

5.11–12 144 5.25 178 6.1 155 6.14 144 6.15 142 6.16 180 6.22 150 6.26 150

Epid.IV Allgemein 34, 35, 50, 54, 56. 99. 106, 114 10 151 13 154 15 154 16 150 17 144 19 167 20 147, 180 22 144 23 129 24 149 25 129, 167 26 139, 154 30 164 31 150 37 146, 153 38 135, 150 41 149 42 134, 144 43 136, 171 43b 146 50 169 51 146 53 166 60 126

16 40, 157 17 159, 177 18 172, 183 19 163 25 161 26 134, 179 27 40, 157 28 40, 126 29–30 183 35 169 40 175 41 133 44 163 45 129 46 127, 169 49 165 52 158 55 147 61 53 62 157 64 144 65 134 67 167 74 152, 173 80 180 83 153 84 53, 153 86 143 88 53 95 35, 169, 173 97 53, 157, 163 98 151 100 134, 163, 167 101 135 103 162

Epid.VI Epid.V Allgemein 34, 35, 51, 106, 107, 114, 183 4 133, 163 6 33, 135, 146, 151, 180 7 129, 180, 183 10 150 11 86, 146, 161 13 162 14 172, 183 15 183

Allgemein 34, 35, 51–52, 54, 99, 106, 109, 110, 111, 112, 113, 114, 115, 191, 192, 197 1.3 42 1.11 151 1.12 162, 163 1.15 146 2.1 174 2.2 129 2.5 156 2.24 170

227

3.6 166 3.12 124 3.18 20, 157, 159 3.23 135 3.23–4.3 54 4.6 126 4.7 181 4.9 133 4.11 152 4.18 193 5.1 142, 166 5.3 144 5.7 181 5.8 171 5.12 172 5.15 147, 158, 161 6.5 147 6.10 50 7.1 54, 147, 164, 169 7.2 152, 153 7.10 148 8.17 127, 171 8.19 150 8.23 145 8.26 135 8.30 170 8.31 155

43 147 44 146 47 131 48 146 50 147 51 147 52 151 55 129, 135 56 154, 173 59 146 62 175 68 178 77 147 81 170 82 176 85 165 90 146 93 141 97 129 98 147 102 178 107 166 109 155 111 135 113 163 114 133, 163 121 183 122 158

Epid.VII Allgemein 34, 35, 51, 53, 56, 106, 183 1 175 2 147, 154 3 128 5 153, 154, 166, 177 7 146, 147, 165 8 152 9 147 10 148, 153, 154 11 127, 146, 154 12 147 13 147 16 146 17 151 25 154 32 171 35 163 37 152 39 147

228

Hum. Allgemein 36, 54, 106, 107, 110, 112, 113, 114, 115, 191 1 142, 144, 164 4 135, 164 7 148 12 143 13 136 13–19 119 14 136 15 124 20 163

Prorrh.I Allgemein 54–55, 56, 112, 113, 115, 116, 191 18 164 19 154 34 21

55 184 99 134 102 172 147 146, 153 160 166

Coac. Allgemein 46, 55–56, 99, 206 86 166 136 154 208 171 214 171 221–222 164 223 166 244 184 252 164 289 127 298 133 304 178 333 151 353 152 378 76 396 134, 147 399 166 430 89 443 133 444 133 449 133 453 150 454 150 463 159 502 166 556 178 587 152

De Arte Allgemein 56–57, 114 1 122 1–2 28 3 174, 183, 193 8 122 9 104 11 142, 170

Nat.Hom. Allgemein 57–58, 59, 64, 81, 107, 112, 113, 115, 192, 197, 204 1 28, 137, 142, 169, 179, 182

1–2 70 4 136 6 177 7 123 8 32 9 142, 145, 174, 176 11 22, 64, 96, 128 12 134, 162, 169 13 174 15 147, 189

Salubr. Allgemein 58, 59, 68, 106, 107, 114, 115, 191, 200 1 72, 175 2 142 5 136

Flat. Allgemein 59–60, 113, 121 1 174, 182 3 133, 156 4 121 6 121, 124, 143 10 134

Liqu. Allgemein 61, 114 1 157 2 127

Morb.I Allgemein 56, 61, 62–63, 65, 99, 113, 118 2 143 3 133, 155, 159, 163, 173, 184 5 174 7 148 10 179, 182 11 134 12 134, 148 15 129, 134, 143, 171 16 122, 143 17 129, 134 18 62, 134 19 135 20 134, 135 21 143

229

22 26 28 29 30 31 33 34

127, 144 128 128, 148 148 136, 154 148 148 154, 155

Aff. Allgemein 62, 63–64, 65, 107, 118 1 59, 136 2 139, 152, 153 4 166 5 95, 135 9 84, 103, 138 10 138, 147, 148 11 138 12 135, 138 15 103 16 138 18 103, 147 20 149 21 150 22 133 23 103, 138, 150 24 133, 150 25 142, 150 26 150 28 103 30 138 30–31 158 31 138, 158 32 149 33 122 34 135, 138 35 164, 166 36 136, 177 37 146 40 103 47 150 55 72

6 126, 128 7 131 10 66, 139, 158 10–15 139 10–22 89 13 139, 164, 180 14 129, 148, 172 16 172 24 183 25 170 28 177 30 165 38 174 41 177 42 146 46 122 47 61

Morb. Sacr. Allgemein 60, 65–66, 101, 113, 152 1 19, 142, 147, 152, 154, 174 1–2 119 2 125 5 136, 152 5–11 139 6 127 6–7 128 7 121, 123, 126 8 138 10 152, 174 11 123, 139, 162 17 126 18 174

Ulc. Allgemein 66–67, 113, 114, 197 1 171 10 133 14 159 17 178 26 146, 180

Haem. Loc.Hom. Allgemein 64–65, 110, 113, 203, 207 1 139, 144 2 126, 165 3 22, 129

230

Allgemein 67, 68, 113, 156 1 138 2 179, 180 5 170

Fist. Allgemein 67, 68, 113, 156, 195 3 170 4 170 6 170

Vict.I Allgemein 68, 69–71, 94, 114, 121, 200 2 28, 173 4 136 10 73, 91 23 91 25 91 32 137 33 136 34 136 35 137, 142, 175, 178

Vict.II Allgemein 68, 71–72, 94, 107, 114, 200 37–38 119 38 91 39–56 176 52 177 54 177 57 178 58 161, 179 60 175 61 142 62 175, 189 65 179

Vict.III Allgemein 68, 72–73, 94, 114, 200 67 142, 177 68 175 69 173 74 150 80 137

Insomn. Allgemein 68, 73–74, 114, 200 87 119 88–90 119

Morb.II Allgemein 56, 62, 65, 74–75, 107, 113, 117, 118

4 157 5 126, 134 7 157 10 166 11 166 12 59, 164, 180 14 134, 147, 179 15 76 17–18 157, 180 18 76 20 134, 179 23 134 24 157 25 76, 154 26–28 165 29 166, 179 30 166 31 166, 179 32 180 33 135, 157 33–37 166 34 180 35 157. 170 36 170 37 129, 135 38–39 149 42 147 43 178 46 147 47 164, 170, 171, 179 48 149, 164,184 49 149, 164, 172, 175 50 128, 149 51 155 53 77 55 62, 134, 180 59 171 60 170 61 130, 133 63 148 64 147 65 76, 154 67 176 68 147 69 129, 147 71 133 72 153 73 175

231

74 149 75 146

Morb.III Allgemein 56, 62, 65, 75–76, 77, 92, 114, 118 6 99, 171 7 147, 171 9 154 10 165 11 99, 149 12 152, 165 13 152 14 150 15 99, 148, 153, 171, 178 16 148, 172, 179

Int. Allgemein 62, 63, 65, 76–77, 114, 117, 118, 177 1 143 6 166, 176 7 146 9 134, 180 10 89, 149, 164 11 143 12 149 13 131 14 179 14–17 159 15 149, 179 17 131, 159 18 180 20 175 23 123, 151, 156, 164 24 176, 180 26 133 27–29 149 28 180 30–34 149, 151 35–38 149 36 178 37 147 39–43 151 44 171, 177 45 150 47 126, 146, 175, 177 47–50 153

232

48 99, 164 51–54 99 52 152 53 152

Nat.Mul. Allgemein 77–78, 82, 114 1 86, 119 2 133, 160 3 165 3–8 160 5 160 11 162 12 134, 141, 160 13 160, 184 20 161 32 160, 177 33 178 34 160, 177 35 160 36 161 37 160 40 160 43 161 65 160 67 85 88 160 95 162 96 161 98 161 99 161 104 163 105 163 106 85 109 160

Septim./ Oct. Allgemein 78–79, 107 7 162 9 104 12 162

Genit. Allgemein 3 136 6 125

79–80, 82, 197

Nat.Puer. Allgemein 62, 80–81, 82, 83, 107, 113, 162, 192, 197 13 123 14 125, 161 15 163 16 125 17 123, 170 18 161 20 164 21 83 22–27 54 29 123 30 162 31 130, 161

63 65 68 70 72 74 75 77 78 81 82 84

179 183 48, 87, 162 87 119 160, 163, 178 161 162, 180 160 84 178 179

Mul.II

Allgemein 62, 81–82 1 125 2 136, 137 5–9 136 10 136 24 162 25 104, 128 26 82 33 136 38 133 40 127 44 146 54 151 57 151

Allgemein 77, 78,82, 83, 84, 86, 113 2 78 3–13 65 7 174 19 160 24 135 34 160 35 87, 160 36 160 65 144 66–67 160 68 184 83 179 92 78 92–109 103 95 130 97 160

Mul.I

Mul.III

Allgemein 77, 78, 81,83–84, 113 2 133, 153 3 162 7 152 15 189 17 161 18 135 20 85 21 160 22 85 32 153 41 139 59–60 160 59–61 78 62 160, 182

Allgemein 77, 78, 85, 113 3–4 161 4 189 5–6 87 18 160, 161 21 162 35–36 87 37 87

Morb.IV

Virg. Allgemein 83, 85–86 1 119, 146

Superf. Allgemein 86–87

233

19 189 27 48 28 170

Foet.Exsect. Allgemein 87, 193 1 179 4 179

Anat. Allgemein 87–88, 126 1 128, 129, 130 42 129

Dent.

3–6 152 5 144 7 77 9 152 11 135, 166 13 134, 163 14 104, 152 16 155 20 164 21 104 24 161 28 151 31 151 39 143 43 163, 164

Allgemein 88

Cord. Gland. Allgemein 88–89 10 126 11 65, 139 15 126 17 135

Carn. Allgemein 89–90 2 136 4 126 5 128 6 127 15 165 16 89, 139, 165 17 126 18 165 19 122

Hebd. Allgemein 46, 56, 61, 72, 76, 90–92, 103, 108, 114, 121, 195 8 71 46 99 50–52 184

Prorrh.II Allgemein 92, 113 1 171, 173 1–4 173 3 171, 182

234

Allgemein 93 2 108, 126 4 123, 128 10 126, 127, 128

Alim. Allgemein 41, 94–95, 112, 113, 114, 115, 191, 197 7 142 17 135 20 163 26 152 30 129 31 127 42 83

Vid.Ac. Allgemein 95 1 164 3 180

Oss. Allgemein 58, 95–96, 108 1 126, 128, 132 7 128 9 22, 128 11 128 13 128, 133 16 131 19 128

Medic.

Orat.ar.

Allgemein 96–97, 108, 185 1 182 2 41 5 182 7–8 180 8 179 9 126, 157 10 104 11 104 14 104

Allgemein 25, 102, 114

Thess.orat. Allgemein 24, 25, 101, 102–103, 114, 124

Init.Hebd. Allgemein 103

2. Sachen Decent. Allgemein 97–98 6 119 7 182 8 177 11–16 182

Praec. Allgemein 97, 98 4 183 6 181, 182 9 182 10–11 182 14 144

Judic. Allgemein 99, 115 2 151 39 122

Dieb.Judic. Allgemein 99, 115 1 38

Epist. Allgemein 24–25, 100 1 124 1–9 24 2 124 10 25 11 25, 124 13–21 25 23 25

Decr.Ath. Allgemein 24, 101, 124

Abbinden 157 Abdomen 129 Aberglaube 97 Abflusswege 139 Ablagerung 163 Abortiva 48 Abszess 134, 159, 163 Abtreibung 47, 160, 163 Abtreibungszäpfchen 48 Achillessehne 131 Achselhöhle 131 Achtmonatskind 78 Aderlass 33, 96, 179 Adipositas 85 Adstringenzien 157 After 129 Agonie 184 Ägypten 66 Akromion 123 Alexandrinische Redaktion 108 Allgemeinmedizin 145 Allopathie 58, 174, 177 Aloe 103 Alphabetisierung 113 Alter 144 Amenorrhoe 52 Amputationsfraktur 157 Anaerobierinfektion 84 Analfistel 68, 156 Analogium 200 Anasarka 133, 184 Anatomie 87–88, 125–132 Angeborene Hüftluxation 163 Angioarchitektur 96 Anomalien der Wirbelsäule 64

235

Anonymus Londinensis ( Papyrus) 60 Anthrax 120 Anthropologie 68, 89 Antithese 95 Aphasie 153 Aphonie 153, 165 Aphorismen 204, 205 Aphthen 163 Aphthosis der Luftröhre 164 Apophysis 131 Apoplexie 152 Apostasis 50, 139, 163 Apotheker 177 Araber 196–197, 201 Arithmetik 101 Arterie 104, 127 Arthritis 138 Arthropathie 158 Articella 198 Ärzteschule von Knidos 146–148 Ärzteschule von Kos 146–148 Asien 30, 120 Asklepieion 56 Asklepiostempel 116 Asow`sches Meer 29 Aspiration 93 Assistent 169 Astheniker 144 Atemluft 66, 121 Atemnot 147, 162 Athletiker 144 Atmung 60 Atomistik 58 Atrophie 43 Attisches Griechisch 203 Aufstoßen 150 Auge 104, 127, 139, 190 Augenkrankheiten 95 Aura 152 Auskultation 208 Auswurf 147, 148, 172 Bäder 178 Bänder 131 Ballismus 153 Bandage 157 Bandscheibe 132 Bank des Hippokrates 156, 207

236

Bauchfell 129 Bauchhöhle 133 Bauchschmerz 150, 151 Bauchspeicheldrüse 88, 206 Behandlungsfehler 183 Beleuchtung 97 Berührungsempfindlichkeit 153 Bestimmung des Geschlechts 85 Bewegungsarmut 92 Bewusstlosigkeit 152 Bewusstseinsstörung 148 Bewusstseinsverlust 153 Bibliothek von Alexandria 108 Bioklimatologie 30 Biologie 68, 90 Blase 126, 133 Bleiche Krankheit 117 Blindheit 155, 164 Blut 94, 127, 136, 137, 138, 139 Blutstuhl 150 Blutung 43, 157 Brechmittel 178 Breiumschlag 179 Brennfieber 33, 148 Brennfieberepidemie 49,52 Briefe 108, 200 Briefroman 100 Bronchus 103, 129 Brustdrüse 88 Brustkrebs 193 Brustwirbel 132 Buckel 158 Bulbusruptur 164 Calendarium dieteticum 260 Calvaria 157 Capsula eburnea 200 Cavum uteri 130 Cervix uteri 130 Chalazion 165 Charaktere (Kürzel) 38–39, 109–111 Cheyne-Stokes-Atmung 171 Chiasmus 95 Chirurgische Praxis 41 Cholagogum 177 Chorea 153 Chronischer Durchfall 149 Civitas Hippocratica 198

Continua 147 Contre-Coup 157 Corpus Hippocraticum passim Damm 130 Dampfbad 179 Darm 129, 136 Darmblutung 172 Darmgase 24 De cibis 200 De elementis Galieni secundum Hippocratem 200 De pustulis 200 Decubitus 133 Defäkation 150 Delir 153, 178 Dens axis 132 Dentition 88 Denudierung 133 Deontologische Schriften 181 Depigmentierung 163 Depression 53, 153 Diät 28, 176, 200 Diätfehler 92 Diätlehre 32, 63, 69, 70, 71, 72 Diaphysis 131 Dickdarm 126, 129 Dicke Krankheit 153 Diskretion 97 Dislokation 157, 158, 167, 182 Diuretikum 177 Dogmatische Schule 188 Dorische Wortformen 203 Drainage 157, 183 Drillbohrer 156 Drüsen 104, 126 Ductus deferens 130 Durchfall 62, 133, 137, 150, 151, 178 Dusche 61 Dynamidia Hippocratis 199 Dynamis 142 Dysenterie 138 Dyskrasie 63, 138 Dyspareunie 161 Dyspnoe 165 Dysurie 159, 160

Echinokokkus 151 Echtheitskritik 193, 204, 209 Editionen 203–204 Effloreszenz 163 Ehrlichkeit 181 Ei 125 Eid 47–48 Eidos 124, 142, 144 Eingießung 117 Einlauf 175 Einzelbeobachtung 55 Eisenmangelanämie 151 Eiter 134, 139 Eiterung 134 Ekzem 164 Elementarqualität 136 Elephantiasis 164 Ellbogen 131 Ellbogenspitze 131 Ellbogenluxation 155 Embryo 121, 123 Embryologie 79, 80, 89, 162 Embryotomie 179 Empfängnisförderung 160 Empiriker 189, 191 Empyem 31, 134, 148, 154, 164, 170, 173, 178, 179 Entbindung 162 Enterale Fistel 84 Entropium 33 Entzündung 134, 148, 164 Enzephalofugale Flüsse 64–65, 66, 139 Enzephalopetale Strömung 139 Epidemie 34 Epidemien 34–35, 36, 37, 38, 39, 49–53 Epiglottis 128 Epilepsie 60, 65, 86, 119, 139, 144, 152, 155, 162 Epileptische Ziege 123 Epileptischer Anfall 152 Epiphysis 131 Epistula de phlebotomia prior 200 Erbrechen 73, 149 Erektion 96 Erkenntnistheorie 98 Ernährung 68, 94, 121, 124, 137, 145 Erweichung 160 Erysipelas 62, 144, 154, 160

237

Essighonig 176 Ethik 181, 187 Ethos 144 Europa 30, 120 Exazerbation 144 Existenzberechtigung der Medizin 56 Exkremente 99 Expektorantien 177 Expektoration 148 Exspiration 93 Extension 156, 158 Extraktionszange 157 Exsikkose 146, 148 Exzision 183 Fachliteratur 182 Fachsprache 141 Facies hippocratica 171, 200 Falx cerebri 126 Fasten 73 Favismus 152 Fehldiagnose 183 Fehlgeburt 79, 162 Fehlstellung 158 Ferse 132 Fetotomie 87 Fettleibigkeit 161 Feuer 68, 70 Fibula 43 Fieber 56, 91, 99, 104, 120, 143, 146, 147, 148, 153, 154 Fieberdelir 154 Fieberkrämpfe 163 Fixateur externe 156 Flatulenz 150 Flechte 163 Fleisch 139 Förderung der Blutung 160 Fontanelle 53 Fortpflanzungsmedizin 83 Fraktur 39–40, 133, 157, 183 Frakturenlehre 190 Führungsröhrchen 180 Fünftagefieber 147 Furunkel 164 Fuß 133 Fußsohle 132

238

Galle 77, 83, 127, 136, 137, 146 Gallefistel 151 Gallenblase 136 Gallengang 129 Galliges Erbrechen 150 Gallsucht 137 Gangrän 134 Gase 23 Gaumen 90 Gaumenzäpfchen 128, 179 Gebärmutter 125, 130, 133, 161 Geburt 79 Geburtshilfe 87 Gefäß 65, 95, 127, 139 Gefäßanatomie 64, 128 Gehirn 66, 88, 126, 134 Geißfuß 157 Geistige Verwirrung 154 Gelbe Galle 136 Gelbsucht 120, 149 Gelenk 131–132, 133 Gelenkerkrankung 155 Gelenkflüssigkeit 131 Genetische Komponente 144 Genfer Ärztegelöbnis 186 Genu valgum 158 Genu varum 158 Geometrie 101 Geophagie 151 Gerinnsel 146 Gerste 179 Gerstengraupen 176 Gerstengrütze 32 Gerstenkorn 165 Geruchssinn 165 Gesäßmuskel 131 Geschicklichkeit 182 Geschlecht 144 Geschlechtsleben 145 Geschlechtsorgan 130 Geschlechtsverkehr 161 Geschoss 143, 157 Geschwulst 123, 135 Gesichtsschwellung 84 Gesundheitssport 200 Gewalt 143 Gicht 158 Glaskörper 90, 127

Glatze 164 Glaukom 165 Glüheisen 180 Gottheit 86 Gravidität 79, 125 Gymnastik 20, 65, 69 Gynäkologie 84, 160–161, 202 Gynäkologische Schriften 81–85 Habituelle Luxation 158 Hades 188, 196 Hämatologische Erkrankungen 151– 152 Hämatom 157 Hämaturie 159 Hämoglobinurie 148 Hämolyse 148 Hämoptoe, Hämoptyse 76, 77, 92 Hämorrhoiden 67, 68,138, 156, 179, 180 Halbdreitagefieber 147 Halbseitenblindheit 164 Halluzinationen 77, 153 Hals 128 Halswirbel 132 Haltezange 157 Handfläche 132 Handgelenk 132 Handschriften 203 Handwerker 169, 182 Harnblase 130, 133 Harnleiter 130 Harn- und Stuhlretention 155 Harnröhre 130 Harnstauung 84 Hauspersonal 182 Hebel 156 Hedra 157 Hegemonikon 93 Heilige Krankheit 60, 65–66, 119, 152 Heilung 144 Heiserkeit 166 Helleborismus 103 Helleborus 178 Helminthosen 151 Hepatische Enzephalopathie 149 Hepatomegalie 153 Herakleische Krankheit 152

Hernie 156 Heroisierung 100, 188 Herpes 163 Herz 65, 93, 126, 127, 136 Herzklappen 93 Herzohren 93 Hexenschuss 153 Himmelskörper 73–74 Hippokratische Frage 105 Hippokrates-Kolloquien 17, 220 Hirnhaut 126 Hoden 88, 130 Hodenschwellung 77 Hören 90, 165 Hohlvene 128 Homöostase 135 Honorar 23, 98, 181, 182–183 Hornhaut 90, 127, 165 Hüfte 132, 139 Hüftgelenk 123 Hüftluxation 153, 158, 163 Hüftmuskeln 131 Hüftpfanne 132 Hühnerei 81, 123 Hülsenfrüchte 52, 151 Humanismus 202 Humoralpathologie 57, 81, 84, 138 Hundsstern 120 Hungersnot 151 Husten 148, 149, 154 Hustenepidemie 50, 52, 54, 148, 164 Hydromel 161, 176 Hydrops 23, 133, 144, 160, 164 Hygienevorschriften 41 Hymen 85 Hypersalivation 146 Hypochondrie 153 Hypomnemata 35 Iatrosophistik 59 Ich-Stil 33, 66 Ikterus 117, 138, 149, 150, 176 Impotenz der Skythen 125 Impressionsfraktur 157 Individuelle Disposition 144 Infektiologie 146 Infektiöse Enteropathie 151 Ingesta 137

239

Inklination 132 Inkontinenz 154 Intraokulare Blutung 164 Inspiration 93 Instrumente 96 Inzision 179 Ionisches Griechisch 189, 203 Iris 127 Isagoge Johanniti 198 Ischias 155 Jahreszeiten 136, 143 Jejunum 129 Juckreiz 146, 149 Jungfrau 85–86 Käse 137, 176 Kairos 174 Kallus 158 Kampfsport 175 Karbunkel 164 Kardia 127 Karies 167 Karphologie 154 Katarakt 165 Katastasis 34, 49, 120 Kausalfaktor 124, 145 Kausos 32, 138, 145, 148, 154, 173 Kauterisation 44, 50, 67, 95. 180, 183 Kedmata 158 Kehldeckel 128 Kiefer 131, 133 Kiefergelenk 167 Kieferkrampf 152 Kind 59, 144, 162 Kinderheilkunde 162–163 Kinder- und Jugendlichenpsychiatrie 85 Kinderlosigkeit 78, 85, 161 Kinderschädel 30 Kindliche Schädelverletzungen 162 Kindsbewegungen 83 Kleidung 145 Kleine Chirurgie 67 Klima 143 Klimabericht 34, 36, 37, 50, 51, 52 Klinische Untersuchung 171–172 Klistier 175

240

Klumpfuß 158 Knidische Medizin 32, 167 Knidische Sentenzen 32–33, 75, 82,

117 Kniekehle 132 Kniescheibe 132 Knirschen mit den Zähnen 173 Knochen 134, 179 Knocheninfektion 153 Knochenschaft 131 Knöchel 132 Knorpelbelag 132 Kochung 137 Körpergeruch 154 Körperkultur 46 Körpersaft 135–136, 138 Koitus 192 Kolik 150 Kollegiales Verhalten 181 Koma 116, 154 Komet 35 Kompilation 103, 106 Komplikation 48, 179 Kondylom 67, 159, 160 Kongenitale Faktoren 144–145 Kongenitale Luxation 158 Konstitution 34 Konstitutionstyp 84, 137, 142 Kontusion 40, 157 Konvulsion 162 Konzeptionsfähigkeit 161 Konzeptionshindernis 85, 161 Kopf 126, 136 Kopfgrind 164 Kopfschmerz 138, 146, 152, 153, 170, 173, 180 Kopfschwarte 163 Kosmologie 68, 89, 90, 120 Krabbe 135 Krätze 164 Krampf 155, 178 Krampfadern 156 Krampfanfall 60 Krankenbett 182 Krankengymnastik 65 Krankheit 141 Krasis 137 Krebs 135

Kreuzbein 132 Kreuzung der absteigenden Bahnen 126 Kriegschirurgie 97 Krise 121, 144 Kritik 188, 195 Krozidismus 154 Kunstprosa 29 Kurzarmigkeit 163 Kyphose 132 Labien 130 Labkraut 78 Lähmung 155 Laie 66, 106, 122 Lamina diploe 126 Lanzette 170 Laryngotracheitis 165 Larynx 128 Lauftraining 200 Lebensalter 136 Lebensgewohnheiten 145 Leber 87, 88, 94, 103, 127, 128, 129, 133, 136, 149, 157 Lebererkrankung 180 Lebervene 128 Lederriemen 156 Legendenbildung 102 Leiste 129 Leiter 156 Lendenwirbel 132 Lepra 164 Lethargos 32, 143, 154, 155 Leukom 165 Lex 48–49, 185 Liber de veritate 200 Liber dynameus 199 Liber Praestantiae 200 Lidrand 127 Lidverletzung 165 Lidwarze 165 Linsentrübung 95 Liquorrhoe 157 Literaturstudium 99 Lithotomie 185 Lochien 87, 119, 139 Lordose 132 Luft 58, 60, 94, 121, 127

Luftröhre 127, 128, 129 Lunge 87, 129, 133 Lungenlappen 129 Luxation 123, 157–158, 167 Luxationslehre 43, 116, 167 Luxationsrichtung 158 Lymphknotenschwellung 129, 163, 166 Magen 127, 139, 144, 139, 149 Makrokephalie 29, 30, 142 Makrokosmos 91 Makropathologie 133 Malaria 148 Mamille 131 Mamma 126, 131 Mammatumor 135 Mangelernährung 152 Manie 100 Maniküre 182 Marasmus 75 Mark 139 Massage 104, 179 Mastdarm 129 „Maximen und Reflexionen“ 71 Melancholie 155 Melancholiker 137, 143 Melikrat 176 Membrum virile 130 Meningismus 166 Menschenliebe 98, 181 Menses 161 Mesenterium 126 Mesokolon 129 Met 176 Meteorismus 133, 150 Meteorologie 29, 119–120 Methodische Schule 188, 189 Migraine ophtalmique 153 Mikrokosmos 91 Mikromelie 163 Milch 176 Milz 126, 128, 129, 133, 136, 151 Milzvene 128 Mischung 137 Mohnsaft 177 Molke 176 Monismus 23, 58

241

Müdigkeit 146 Mumps 36, 120, 166 Mund 136 Mundpflege 84 Mundspeicheldrüse 88 Musculi psoas 131 Musculi temporalis et masseter 131 Muskel 104, 131 Muskelzittern 153 Mydriasis 153 Nabelregion 171 Nachschlagewerk 77 Nachtblindheit 95, 164 Nackenmuskulatur 131 Nahrung 94 Nahrungsmittel 68 Naht 126 Narbe 133 Nase 136, 139 Nasenbeinfraktur 123 Nasenbluten 50, 165 Nasenknorpel 135 Nasenpolyp 166 Natur 124 Naturphilosophie 68, 70, 89, 120–122, 141 Nekrose 43, 133 Nephritis 159 Nephropathie 159 Nerv 155 Neue Mauer ( Thasos) 35 Neunmonatskind 162 Neuntagefieber 147 Neurologie 54, 75, 76, 152–155 Neurolues 155 Niere 89, 130 Nierenabszess 179 Nierenerkrankung 117 Niesen 166 Nieswurz 26, 100, 101, 178, 188 Noma 163 Nosologie 90 Notizensammlung 106 Nulldiät 176 Nykturie 159 Oberarm 131

242

Oberbauch 129 Oberschenkel 132 Obstipation 150 Obstruktion 150 Oeconomia Hippocratis 204 Ödem 134 Oesophagus 87 Offene Extremitätenfraktur 157 Ohnmacht 153 Ohr 104, 139 Ohrenschmalz 166, 172 Ohrenschmerz 166 Okklusion 167 Okulomotoriuslähmung 76 Olisthesis 157 Opisthotonus 51, 75, 152 Organ 126 Organogenese 89 Organtumor 135 Orthopädische Leiden 158 Orthopnoe 165 Osteologos 87 Osteolyse 157 Otomastoiditis 166 Oxymel 176 Pachydermie 164 Pädiatrie 88 Palliation 174 Paravertebrale Muskeln 131 Parästhesien 123, 155 Pathophysiologie 81 Patient 117, 169 Patriot 114 Peloponnesischer Krieg 25, 102 Pemphigus 206 Perikard 127 Periodeut 21, 30, 169 Periodizität 148 Peripleumonie/ Peripneumonie 32, 33, 104, 138, 148, 154, 173, 183 Peritonitis 151 Pes valgum 158 Pessar 160 Pest 25, 124 Pfeffer 84 Pflanzenwelt 81 Pflichten 181–182

Pharmakitis 76, 84, 103 Pharmakotherapie 176–178 Pharyngitis 132, 165 Pharyngotomie 123 Phlebotomie 179, 180, 200 Phlegma 139 Phlegmagogum 177 Phlegmone 163 Phonation 90 Photopsien 165 Phrenitis 32, 120, 138, 148, 154, 155 Phthisis 36, 74, 117, 120, 144, 148, 149, 155, 164, 184 Phthoe 149 Phyma 135 Physiologie 89, 125 Physis 142 Pica-Syndrom 151 Piestron 87 Pikazismus 151 Placenta 125 Plasmodium malariae 148 Plattwurm 151 Pleonasmus 29 Pleuraempyem 171, 179, 180 Pleuritis 32, 33, 148, 154, 207 Pleuritisches Reiben 172 Pneumatische Schule 189 Pneumologie 75, 146 Podagra 138, 144, 155 Polydipsie 148 Posttraumatische Deformität 157 Potenzial 142 Pott`scher Buckel 158 Prävention 173 Präventivdiät 68 Praxisinstrumente 126 Prellung 158 Priapismus 159 Priesterarzt 169 Primigravida 161 Privilegien 182 Prodiagnose 72, 173 Prognose 31, 95, 99, 172–173 Prognostik 55, 90, 92 Prognostische Zeichen 190 Projet Hippo 17 Proktologie 67–68

Prolaps uteri 78, 87, 160 Prophylaxe 117 Pseudohippokratische Schriften 199 Pseudoionische Wortformen 203 Psoriasis palmaris 206 Psychopharmakon 178 Pubertät 144 Puerperalsepsis 162 Puls 64, 88, 94, 171 Pulslehre 191 Pupille 127 Purgation 50, 125, 175 Purgativum 177, 178 Pustulose 164 Pythagoräische Philosophie 47, 48, 79 Pyurie 159 Quacksalber 98 Quartana 147, 148 Quecksilber 177 Querschnitt 155 Quotidiana 147 Rachen 129, 139 Radnabe 156 Räucherung 160 Raspatorium 157 Rasselgeräusche 147 Rede 56 Regelblutung 85 Regio pubica 130 Reinigung 160 Reiten 125 Reklination 158 Rektozele 78 Religiöse Medizin 119–120 Remission 144 Renaissance 202 Reposition 42, 123, 156, 157, 158, 183 Reproduktionsmedizin 85 Respirationstrakt 128 Retrospektive Diagnose 145 Rezeption 184–185, 187–209 Rezidiv 144 Rezidivprophylaxe 180 Riechen 89–90 Ringen 175 Rippe 129. 134

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Rippenfell 129 Rippen-Wirbel-Gelenk 132 Röcheln 147 Röteln 206 Rötung 163 Rückenmark 126, 149, 155 Rückenmarksphthisis 155 Ruhigstellung 156 Rundwürmer 151 Säfte 127, 137, 138, 139 Säfteschema 136 Sägetrepan 156 Sänger 165 Säuglingsalter 88, 114 Säuglingssterblichkeit 79 Salbe 179 Salzbad 179 Samen 79–80, 125 Samenerguss 155 Scrotum 130 Seele 91, 126 Sehne 126, 131, 134 Sehnerv 127 Sehstörung 153 Sehverlust 165, 170 Sektion 93, 123 Selbstbeschränkung 181 Selbstdarstellung 56 Selbstkritik 182 Selbstmörder 165 Selbstmord 48 Senkungsabzsess 179 Sensibilitätsverlust 153, 165 Sepsis 137 Serum 127 Sexualität 175 Sexuelle Enthaltsamkeit 175 Siebbeinzellen 206 Siebenmonatskind 78, 162 Siebenzahl 89, 90–92, 103 Signa vitae et mortis 200 Sinnesorgane 89 Sinnesphysiologie 89 Sinusvenenthrombose 166 Sitzgelegenheit 97 Skalpell 170 Skarifikation 95

244

Sklera 127 Skorbut 152 Skrotalhernie 159 Sodbrennen 150 Solidarpathologie 83, 84, 117, 132–135, 138 Sommersprossen 161 Sonde 170 Sophist 56 Sozialstatus 182 Spatel 170 Spaziergang 175 Speiche 131, 132 Speichelfluss 154 Speiseröhre 129 Spekulum 67, 68, 170 Spinalnerv 126 Spondylitis tuberculosa 158 Sport 175 Sprachverlust 152 Sprechen 89, 90 Sprunggelenk 132 Spulwurm 151 Sputum 137 Suda 19, 25, 46, 116, 195 Sukkussion 87 Superfetation 86–87 Sutur 39 Sympathikus 126 Syngramma 35 Synostose 206 Szirrhus 160 Schabeisen 157 Schädel 157, 170 Schädeldach 157 Schädeldachosteomyelitis 157 Schädelnaht 39, 126 Schädeltrepanation 156 Schädelverletzung 39, 157, 171 Schallleitung 165 Schamgefühl 160, 181 Scharlatanerie 49, 119 Schaum vor dem Mund 152 Schienbein 132 Schiene 156 Schlaf 145 Schläfrigkeit 154

Schlag 143 Schlange 143 Schleim 77, 83, 117, 127, 135, 136, 137,

138 Schleimsüchtiger 139 Schleuderbewegung 153 Schlingenverband 160 Schluckauf 147, 148, 166 Schlüsselbein 131 Schmerz 138, 146 Schnupfen 166 Schorf 163 Schröpfkopf 96, 180 Schüttelfrost 147, 153 Schulterblatt 131 Schulterluxation 180 Schultermuskeln 131 Schulterreposition 188 Schuppen 163 Schuppenflechte 164 Schuster 169 Schwangerenberatung 79 Schwangerschaft 79, 80, 85, 161, 162 Schwangerschaftstest 78, 85, 161 Schwangerschaftsverhütung 161 Schwarze Galle 136 Schwarzer Urin 172 Schwefel 177 Schweigepflicht 48 Schwein 93 Schweiß 99, 103 Schwellung 133, 134 Schwerhörigkeit 166 Schwindel 153 Schwindelanfall 153 Schwitzen 147, 154 Standeslehre 98 Standesordnung für die Deutschen Ärzte 185–186 Stapes 206 Star 164 Steinleiden 159 Steinschnitt 48 Sterilität 85 Sternenhimmel 120 Sternum 128 Stethoskop 208

Stimmband 165 Stimme 165 Stimmverlust 62 Stirnkopfschmerz 153 Stoa 94, 97, 191 Stoffwechsel 94 Strabismus 165 Strangurie 159 Struma 166 Stuhl 137 Stuhlabgang 152 Sturz 135, 143 Tagblindheit 164 Taschenklappen 128 Tastuntersuchung 171 Taubstummer 165 Tempelmedizin 119 Temperament 137 Tertiana 147 Testament des Hippokrates 103, 185 Tetanos 117, 152 Tetragonon 156 Textkritik 108, 114 Thalassämie 151 Therapieversagen 178 Thorax 129, 134, 139, 148 Tod 144, 181, 184 Todessehnsucht 153 Tonsillitis 166 Training 92 Traum 68, 73, 119 Trauma 157 Traumatische Luxation 158 Traumatologie 45, 126, 133, 143, 169, 195, 202 Trepan 156 Trepanation 40,50, 95, 157, 183 Trommelfell 165 Tuchwalker 53, 170 Tumor 104, 135 Typhus abdominalis 151 Übelkeit 149 Übermaßbehandlung 183 Überschwängerung 86 Uhrglasnägel 149, 164 Ulkusleiden 151

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Ulnarislähmung 155 Ulzeration 133, 135 Umwelt 30, 143 Umweltmedizin 30, 143, 190 Unfallchirurgie 156 Unterarm 131 Unterbauch/Unterleib 126, 129, 134 Urin 136, 172 Urinsediment 159 Urolithiasis 159, 162 Uterus 126, 130, 134, 160 Vena cava inferior 128 Vena jugularis 128 Vene 104, 121, 127–128 Veratrum album 178 Veratrum nigrum 178 Verband 157 Verhaltenskodex 97 Verkrampfung 152 Verlagerung des Uterus 160, 165 Verletzung 67, 156–157 Verzögerte Behandlung 183 Viererschema 136, 191 Viersäftelehre 57, 58, 59, 62, 68, 81 Virilisierung 52 Vita Bruxellensis 19 Vitiligo 164 Vogelflug 169 Vorgeschichte 170–171 Vorsokratische Philosophie 70, 79, 90, 91, 120–122 Vorsorgemedizin 169 Wachstumsbedingte Luxation 158 Wade 132 Wadenbein 131 Wahrheit 182 Wanderarzt 21, 55, 97, 145, 182 Wanderjahre 21 Wasser 61, 68, 69, 176 Wassermelone 177 Wasserqualität 143 Wehentätigkeit 162 Weichgewebe 133 Weichteilinfektion 53 Weichteilzerreißung 133 Wein 176

246

Weinmilch 176 Wendung des Kindes 87 Werktitel 108 Wettkampfsport 59 Winde 143 Winterfieber 138 Wintersonnenwende 53, 120 Winzer 169 Wirbel 132, 139 Wirbelkörperdislokation 158 Wirbelkörperfortsatz 132 Wirbelsäule 132 Wissenschaft 98, 122–125 Wolfsmilchgewächs 177 Wundchirurgie 104 Wunde 33–34, 133 Wundrose 134 Wurmkrankheiten 120, 151 Zähne 90 Zahnfleischwucherung 167 Zahn-Mund-Kiefer-Heilkunde 167 Zahnschmerz 167 Zittern 146, 154 Zunge 90 Zusammenprall 143 Zweisäftelehre 62, 82 Zwerchfell 126, 135 Zwillinge 80, 86, 193 Zwillingsgeburt 165

3. Geographische Namen Abdera 21, 25, 34, 38, 51, 52, 53 Ainos 49, 50, 52, 53, 151 Akanthos 53 Alexandria 39, 108, 193, 195 Athen 25, 34, 51, 102, 124 Baloion 53 Basel 185 Daton 35, 51, 53 Delos 51, 53 Delphi 103 Doriskos 53

Edinburgh 185 Eleusis 25 Elis 51

Québec 17

Freiburg 206

Salamis 51 Salerno 148, 185, 198 Selymbria 52 Syros 52

Gyrton 21

Rouen 198

Heidelberg 185 Ingolstadt 206 Ionien 90 Kardia 51, 53 Knidos 116 Korinth 50 Kos 20, 47, 102 Krannon 21, 49, 50, 52 Krisa 103 Kyzikos 21, 38, 162 Larissa 21, 38, 51 Leiden 185 London 206 Maeotis-See 29 Makedonien 21 Meliboia 21, 38 Montpellier 185, 207, 208 Neapel 185, 198 Nordgriechenland 25, 49, 50, 51, 52, 53 Oiniadai 51, 151, 180 Olynth 35, 51, 53 Omilos 51, 157 Padua 206 Pamphylien 39 Paris 207, 208 Pella 53 Pergamon 113 Perinth 34, 35, 49, 50, 52, 54, 120, 148, 153, 164 Phasis 29 Pherae 51 Propontis 52

Thasos 21, 34–35, 36, 37, 38, 52, 53, 120, 153, 162 Thessalien 21, 102 Thrakien 21 Toledo 198 Wittenberg 185

4. Personen Abderiten 25, 100 Abriadas 20 Abu l-Hasan at-Tabari 197 Ägypter 30, 125 Aelian 203 Aetius von Amida 195, 196 Agathios Scholastikos 183 Aiax 26 Alderotti, Thaddäus 199 Alexander der Große 20, 200 Alexandros von Tralles 192 Alexias, Arzt 48 Alexios Apokallikos 196 Alkmaion von Kroton 28, 66, 70, 80, 90 Allah 185 Amazonen 44 Anaxagoras 28, 66, 70 Anaximenes 60, 66, 121 Anselm von Canterbury 201 Antigonos, Arzt 26 Antiochos I. 25, 200 Antiphon, Sohn des Kritoboulos 35 Aphrodite 125 Apollon 47, 119, 185 Apollonios Ophis 111 Apollonios von Kition 110, 111, 188 Arbuthnot, Jean 208

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Archelaos von Makedonien 20 Aretaios von Kappadokien 94, 189, 196 Ariston 106 Aristophanes von Byzantion 108 Aristoteles 20, 22, 23, 35, 39, 60, 87, 126, 171, 191 Arnold von Villanova 199 Artaxerxes 24 Artemidoros Kapiton 112, 114 Artemis 119 Asklepiaden 20, 47, 102 Asklepiades von Prusa 110, 189 Asklepios 20, 21, 183, 185, 196 Asklepios, Arzt 47, 113 Athenaios von Attaleia 94, 189 Athenaios von Naukratis 188 Athene 47 Athener 101, 188 Augustinus 193

Damagetos 100 Damaskios 192, 195 Dante 199 Demokrit 20, 25, 54, 80, 100, 101, 203 Demetrios 110 Demetrios Poliorketes 100, 101 Denisot, Gérard 205 Diagoras von Kypern 110 Didymarchos von Kos 21, 55 Diogenes von Apollonia 22, 60, 66, 90, 91, 93, 121, 125 Diogenes Laertios 25, 54, 98 Diokles von Karystos 188, 189 Dionysios von Halikarnassos 100 Dioskurides ( der Jüngere) 61, 112, 114, 196, 199 Dioskurides Phakas 111 Drakon I. 20, 106 Drakon II. 106 Duchesne, Joseph 207

Bacon, Roger 201 Bakcheios von Tanagra 108, 109, 111, 113 Barthez, Paul Joseph 208 Bartholomäus von Messina 199 Bernhard von Clairvaux 201 Boerhaave, Hermann 205, 207 Brissot, Pierre 207

Empedokles 28, 58, 60, 66 , 70, 80, 87, 90, 91, 93, 121 Epikles 111 Epikur 98 Erasistratos von Keos 25, 189, 191 Erotian 42, 61, 89, 103, 108, 109, 112, 113 Euphorion von Chalkis 109 Euripides, Gesprächspartner des Mnesilochos 48 Euryphon von Knidos 20, 75, 106, 116, 117

Cabanis, Pierre Jean George 208 Caelius Aurelianus 61, 189, 199 Caesarius 184 Cardano, Girolamo 206 Cassiodor 193 Cassius Felix 192 Cato 24 Celsus, Aulus Cornelius 67, 183, 189, 190, 205 Chrysipp 98 Chrysos 102 Cicero 184, 189 Claudius, Kaiser 184 Clemens von Alexandria 193 Constantinus Africanus 198 Cornarius Janus 204 Cyprianus 193

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Fabius Calvus 103 Foesius Anutius 204 Fontenettes, Louis, de 205 Foreest, van Pieter 206 Fulbert von Chartres 201 Galen von Pergamon passim Gargilius Martialis 199 Gariopontus 199 Gellius, Aulus Cornelius 112, 192 Gerhard von Cremona 198, 200 Glaukias von Tarent 110, 189 Gnosidikos 20, 41 Goethe 71

Gorgias 20 Gregor von Nazianz 184, 193 Hagenbut ( Hanbut) 204 Harvey, William 207 Hegetor 111 Hera 119 Herakleides Erythraios 111 Herakleides von Tarent 54, 111 Herakleides, Vater des Hippokrates 20, 106 Herakles 20 Heraklit 70, 94 Herodikos von Knidos 20, 116 Herodikos von Selymbria 20, 52 Herodot 30, 125 Herophilos von Chalkedon 108, 109, 189, 191 Hieronymus 184, 193 Hieronymus Mercurialis 204 Hippias 56 Hippokrates I 20, 106 Hippokrates II passim Hippokrates III 20, 21 Hippokrates IV 20, 106 Hippokrates V 20 Hippokrates VI 20 Hippokrates VII 20 Hippokrates VIII 21 Hippolochos 102 Hippolytos 101 Hippon von Samos 91, 121, 125 Hoffmann, Friedrich 202 Homer 191, 201 Honorius Augustodunensis 201 Hubais 197 Hunain ibn Ishaq 197 Hygieia 47, 185 Hystanes 100 Ibn AbƯ Uüaibi´ah 185 Ibn al-Nafis 197 Ingrassia, Giovanni Filippo 206 Ishar 197 Isidor von Pelusium 193 Iulius Paulus 192

Janssonius de Almeloveen, Theodorus 205 Jesus Christus 193 Johannes Chrysostomos 193 Johannes von Alexandria 192 Johannes von St Amand 199 Johannitius 197, 198 Julian 112, 115, 191 Kadmos 102 Kallignotos 110 Kallimachos 110 Kleombrotos von Keos 25 Kleophantos 39 Krateuas 100 Ktesias von Knidos 116, 188 Kydias 110 Laënnec, Théophile René Hyacinthe 208 Lemosius, Ludovicus 204 Leoniceno, Niccolò 206 Libavius, Andreas 206 Libyer 30 Littré, Émile 27, 41, 45, 46, 62, 76, 82, 88, 103, 208, 209 Lukian von Samosata 26, 196 Lykos, der Makedonier 112, 115, 191 Lykos von Neapolis 110 Lysimachos von Kos 110 Lysis von Odessos 55 Macrobius 192 Maimonides 197 Marcus Diaconus 198 Marinus 112 Maurus von Salerno 199 Melissos von Samos 58 Menippos 196 Menon 22, 23, 60 Mercuriali, Giovanni 204 Mnemon von Side 38, 39, 108, 109, 111 Mnesilochos, Gesprächspartner des Euripides 48 Moerbeke, Wilhelm, von 200 Mohammad ibn Qassoûm ibn Aslam alGafƯqƯ 185 Mondeville, Henri, de 205

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Nebros 102 Nicolaus von Polen 201 Nicolaus von Reggio 185, 198 Nikander von Kolophon 109 Numesianus 112 Olympier 119 Oreibasios von Pergamon 195, 196 Paitos 100 Palladios 192 Panakeia 47 Paracelsus 206 Parmenides 58 Paulus von Aegina 103, 195, 196 Pelops 113 Pentadius 192 Perdikkas 24, 25 Perotto, Niccolò 185 Perser 24 Petrus Muscandinus 199 Petrus von Abano 200 Phaidros 22, 23 Phainarete 20 Phidias 23 Philaretos 198 Phile 25 Philinos von Kos 109, 189 Philipp von Makedonien 35 Philistion von Lokroi 78, 106 Philopoimen 100 Phoibos 21 Pindar 193 Platon 22, 23, 46, 58, 64, 65, 82, 90, 171, 182, 191, 201 Plinius der Ältere 188, 190 Polos 28 Polybos 20, 22, 54, 106 Polyklet 23 Poseidon 119 Praxagoras 109 Praxianax 20 Priscianus 19 Prodikos 20 Prometheus 195 Protagoras 23, 56, 72 Prudentius 193 Ptolemaios 103, 109

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Pyrrhon 192 Pythagoräer 47, 48, 70, 121 Pythagoras 80, 91 Quercetanus, Josephus 207 Quintilian 190 Rabelais, François 203–204 Rhadamanthys 26 Rhazes 197, 205 Riolan, Jean 207 Romanus 193 Roxane 20 Rufus von Ephesos 112, 156 Sabinus 112 Satyros 113 Sauromaten 29 Scribonius Largus 184, 190 Scultetus, Johannes 207 Seneca 190 Sergius von Resaina 197 Sextus Empiricus 192 Simon von Genua 198 Skythen 29, 30, 44, 125, 180 Soemmering von, Samuel 206 Sokrates 23, 28, 191, 201 Soran 19, 21, 22, 25, 189, 193 Sosandros 21 Sydenham, Thomas 206 Syennesis von Kypros 22 Schneider, Conrad Victor 207 Stephanos von Athen 195 Strabon 21, 56 Tachen(ius), Tackenius, Otto 206 Tertullian 193 Theodoret 193 Theodorus Priscianus 56, 192, 199 Theophilos Protospatharios 195, 198 Thessalos 20, 21, 25, 35, 54, 101, 102, 106 Thessalos von Tralles 112, 189 Thrasyas von Mantineia 48 Thukydides 25, 124 Thymbraios 20

Timaios 191 Timarion 196 Turini, Andreas 206 Tychon von Daton 51 Tzetzes 19,25 Urso 199 Van der Linden, Iohannes Antonius 204 Vergerio, der Ältere, Pietro Paolo 185 Vidus Vidius 207 Vindicianus, Avianus 188, 192 Xenokritos von Kos 109 Zenon 110 Zeuxis 38, 54, 110, 111, 189

5. Moderne Autoren und Herausgeber Abel K. 125 Aguilar R.M. 141 Alamillo Sanz A. 218 Alexanderson B. 31, 187 Althoff J. 105 Amneris R. 40,57 Anastassiou A. 218 Andò V. 77, 85, 141 Apostolidis P.D. 218 Asper M. 105 Ayache L. 219 Baader G. 194, 220 Backhaus W. 29 Banu I. 37 Barrow M.V. 20 Beccaria A. 187, 194 Beckmann D. 181 Bell T.A. 215 Benedum J. 20 Bergsträßer G. 216 Blass F. 59 Boncampagni R. 71, 116 Bourgey L. 22, 170, 220 Bousquet J. 102

Bruni Celli B. 218 Brunn, von W. 119 Byl S. 141, 145, 175, 201, 214, 218 Cabellos Álvarez B. 217, 218 Cambiano G. 73 Cano Cuenca J. 218 Cantarella R. 194 Capelle W. 208 Carpenter D.P. 215 Comiti V.-P. 37 Corsetti P.-P. 218 Couch H.N. 170 Countouris N. 82 Craik E.M. 64, 87 Czarnecki R. 194 Debru A. 71, 155 Deichgräber K. 34, 47, 54, 94, 215 De Lacy Ph. 214 Demand N. 173 De Martino F. 141 Demont P. 74, 122 Desautels J. 220, 221 Di Benedetto V. 49, 219 Diels H. 214 Dierbach J.H. 176 Dietz F.R. 187 Dihle A. 27 Diller H. 9, 27, 29, 47, 69, 94, 187, 208 Dönt H. 93, 132 Ducatillon J. 47, 56, 59, 72, 181 Duffin J. 201 Duffy J.M. 215 Dugand J.E. 20, 37 Duminil M.-P. 9, 125, 217 Edelstein L. 29, 47, 219 Ellissen A. 194 Esteban A. 218 Festugière A.J. 27 Fichtner G. 27, 219 Fischer K.D. 218 Fleischer U. 96, 97, 98 Flashar H. 9, 187 Fortuna St. 201 Fournier S. 160

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Frederick S. 187 French R.K. 202 Frohn W. 219, 220 Frohn-Villeneuve W. 220 Fuchs R. 208 Fusco F. 100 Gallego Pérez M.T. 119, 141 Garcia Gual C. 217 García Novo E. 92, 217, 218 Garofalo I. 220, 221 Gask G.E. 116 Girard M.-C. 160 Gossen H. 219 Gourevitch D. 24, 141 Graumann L.A. 145 Grensemann H. 41, 65, 78, 82, 105, 116, 187, 214 Grimm J.F.K. 208 Grmek M. 53, 141, 145, 202, 217, 220 Groenke F.D. 194 Gundert B. 219 Halleux R. 100 Hanson A.E. 161 Hanson M. 214 Harig G. 9, 176, 187 Heeg J. 214 Heiberg J.L. 214 Hellweg R. 36 Helmreich G. 214 Herter H. 22, 27 Horstmannshoff H.F.J. 220 Ilberg J. 105, 116, 187, 214 Irigoin J. 105 Irmer D. 42, 218 Jacquart D. 194 Joly R. 22, 69, 81, 94, 116, 122, 141, 214, 217, 219, 220 Jones W.H.S. 216 Jori A. 56 Jouanna J. 20, 22, 32, 37, 73, 74, 82, 116, 120, 201, 214, 217, 219, 220 Kahlenberg W. 81 Kalbfleisch K. 216

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Kapferer R. 208 Kibre P. 219 King H. 160 Knutzen G.J. 42 Koelbing H.M. 51 Kollesch J. 9, 51, 105, 107, 187, 215, 216 Kramer A. 194 Kucharski P. 22 Kudlien F. 96, 107, 215 Kühn J.H. 143, 219 Kullmann W. 105 Lami A. 76, 221 Landry R. 220 Langholf V. 34, 37, 51, 116 Lara Nava M.D. 39, 217, 218 Laskaris J. 65 Lasserre F. 220 Laux R. 194 Leitner H. 201, 219 Lenfant D. 29 Leven K.H. 202 Licciardi C. 49 Lichtenthaeler C. 47, 181 Lienau C. 214 Lindeboom G.A. 202 Lloyd G.E.R. 105 Longrigg J. 120 Lonie I.M. 32, 79, 80, 81, 116, 202 López Férez J.A. 36, 120, 141, 217, 220, 221 Lucas de Dios J.M. 217 Lyons M. 216 Lypourlis D. 213 Mackinney L.C. 194 Maisano M.R. 24 Maloney G. 9, 219, 220, 221 Manetti D. 22, 51, 141, 221 Manoussakis M. 202 Mansfeld J. 22, 90 Manuli P. 187 Maurel A.M. 176 Mazzini I. 100, 187 Mendoza J. 96 Merbach P.M. 208 Mewaldt J. 187, 214

Michler M. 43, 170, 219 Moisan M. 219 Morgenstern A. 194 Mras K. 103 Mudry Ph. 220 Müller F. 48 Nachmanson E. 45, 105, 107, 187 Nickel D. 215, 216 Nörenberg H.W. 65 Nollé J. 37 Nutton V. 202, 219 Ochoa Anadon J.A. 218 Opsomer C. 100 Oser-Grote C.M. 125, 219 Palafox Marqués S. 202 Pellegrin P. 220, 221 Pfaff F. 105, 107, 187, 194, 215 Philippson R. 100 Pigeaud J. 120, 202 Pinault J.R. 24 Pöppel O. 55 Pohlenz M. 122 Pomtow H. 102 Potter P. 37, 75, 143, 214, 216, 219, 220, 221 Preiser G. 99, 143 Prioreschi P. 181 Prüll C.R. 202 Rechenauer G. 122 Redondo J. 59 Regenbogen O. 187 Rey R. 202 Riddle J.M. 194 Robert F. 50, 51, 53, 202 Rodriguez Alfageme I. 95, 217 Rodriguez Blanco M.E. 218 Roesch P. 101 Roscher W.H. 90 Rosenthal F. 47 Roselli A. 331, 43, 51, 74, 221 Roy L. 220 Rütten Th. 202 Sabbah G. 218

Sakalis D.T. 100 Salem J. 24 Santander Rodriguez T. 201 Santing C. 202 Sanz Lingote L. 218 Savoie R. 219 Scarborough J. 176 Ségal A. 202 Senn G. 122 Sezgin F. 194 Sham M.N. 216 Siebert G. 29 Siegel R.E. 170 Sierra de Grado C. 92 Sigurdarson E.S. 74 Smith W.D. 50, 53, 100, 122, 187, 216 Sommerstein A.H. 141 Sudhoff K. 194 Schiefsky M.J. 27 Schmidt D.W. 216 Schmitz R. 176 Schöne H. I. 19, 216 Schöner E. 137 Schubert Ch. 208 Schubring K. 64, 216 Staden von H. 107 Stannard J. 176 Steckerl F. 22 Steinmann K. 47, 65 Strohmaier G. 194, 216 Temkin O. 187 Thivel A. 33, 116, 120, 122, 161, 220 Torraca L. 108, 187 Torres H. 218 Trapp H. 82 Triebel-Schubert Ch. 29 Tsouyopoulos N. 94 Upmann, C.F. 208 Vancamp B. 201 Van der Eijk P.J. 220, 221 Vardon L.G. 216 Vegetti M. 141 Villa Polo, J., de la 218

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Vintró E. 143 Wear A. 202 Weidauer K. 122 Weisser U. 194 Wenckebach E. 215 West S. 29 Westenberger J. 214 Westerink L.G. 187, 215, 216 Winau R. 220 Withington E.T. 216 Wittenzellner J. 63 Wittern R. 62, 105, 220, 221 Zucker A. 220

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