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HIEROS KAI ASYLOS: Territoriale Asylie im Hellenismus in ihrem historischen Kontext 3515119922, 9783515119924

Die politische Landkarte der hellenistischen Welt veränderte sich im dritten Jahrhundert v. Chr. wiederholt und tiefgrei

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German Pages 348 [350] Year 2018

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Table of contents :
VORWORT
INHALTSVERZEICHNIS
1. EINLEITUNG
1.1 METHODISCHE VORBEMERKUNGEN
2. DIE WURZELN DER TERRITORIALEN ASYLIE. HIKESIE, PERSÖNLICHE ASYLIE UND DIE NEUTRALITÄT SAKRALER RÄUME
2.1 FORSCHUNGSSITUATION
2.2 DAS WORTFELD ASYLIE: FORMEN UND INHALTE
2.1.1 Das sylan(-Recht) und seine Eindämmung
2.2.2 Die persönliche Asylie
2.3 DAS WORTFELD HIKESIE: ENTWICKLUNG DER SCHUTZGEWÄHRUNG IM SAKRALEN RAUM VON DER ARCHAISCHEN BIS IN DIE HELLENISTISCHE ZEIT
2.3.1 Ausdifferenzierung der Hikesie bei Homer
2.3.2 Hikesieentwicklung in der attischen Tragödie und der Historiographie
2.3.3 Hikesie im Spiegel epigraphischer Überlieferung
2.3.4 Archäologischer Befund zur Hikesie
2.4 SAKRALE RÄUME ALS SCHUTZZONEN
2.5 STRATEGIEN DER GEWALTEINDÄMMUNG UND KONFLIKTDEESKALATION IM ANTIKEN GRIECHENLAND
3. TERRITORIALE ASYLIE DES DRITTEN UND ZWEITEN JAHRHUNDERTS IN EPIGRAPHISCHEN UND LITERARISCHEN QUELLEN
3.1 FORSCHUNGSSITUATION
3.2 QUELLENSITUATION
3.3 DIE ASYLIEGESUCHE
3.3.1 Einheit und Vielfalt. Verortung und Prozedere der Asyliegesuche
3.3.2 Die Begründung der Asyliegesuche
3.4 DIE ASYLIEVERLEIHUNGEN
3.4.1 Poleis, Bünde, Könige als Asylieverleiher
3.4.2 Die Begründung der Asylieverleihungen
3.5 DIE TERRITORIALE ASYLIE ALS MITTEL POLITISCHER INTERAKTION
4. TERRITORIALE ASYLIE DES ERSTEN JAHRHUNDERTS UND DER FRÜHEN KAISERZEIT IN LITERARISCHEN UND EPIGRAPHISCHEN QUELLEN. KONTINUITÄTEN, EVOLUTIONEN, BRÜCHE
4.1 QUELLENSITUATION
4.2 ASYLIEZEUGNISSE – VERORTUNG UND CHARAKTERISIERUNG
4.3 DAS ENDE DER TERRITORIALEN ASYLIE IN DER PAX ROMANA
5. SCHLUSSBETRACHTUNG
ANHANG
1. NEUE ASYLIEDOKUMENTE AUS KOS
2. ASYLIEDOKUMENTE AUS MILET
3. ASYLIEDOKUMENTE AUS DION
4. POTENTIELLE ASYLIEANERKENNUNG FÜR SAMOS AUS GORTYN
5. ZEUGNISSE ZUR POTENTIELLEN ASYLIE AMYZONS
6. POTENTIELLES ASYLIEGESUCH DER INSEL DELOS AN ROM
7. EHRENDEKRET DER STADT APHRODISIAS FÜR SOLON, S. D. DEMETRIOS(?)
8. TABELLARISCHE AUFLISTUNG DER GESANDTSCHAFTEN
9. TABELLARISCHE AUFLISTUNG DER VERÖFFENTLICHUNGSWEGE DER ASYLIE
BIBLIOGRAPHIE
EPIGRAPHISCHE UND NUMISMATISCHE QUELLEN
FORSCHUNGSLITERATUR
INDIZES
PERSONEN
MYTHOLOGISCHE/LITERARISCHE PERSONEN UND ORTE
GÖTTER
ORTE, LANDSCHAFTEN UND BÜNDE
SACHEN UND BEGRIFFE
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HIEROS KAI ASYLOS: Territoriale Asylie im Hellenismus in ihrem historischen Kontext
 3515119922, 9783515119924

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Katharina Knäpper

HIEROS KAI ASYLOS Territoriale Asylie im Hellenismus in ihrem historischen Kontext

Alte Geschichte Franz Steiner Verlag

Historia – Einzelschriften 250

Katharina Knäpper HIEROS KAI ASYLOS

historia

Zeitschrift für Alte Geschichte | Revue d’histoire ancienne |

Journal of Ancient History | Rivista di storia antica

einzelschriften

Herausgegeben von Kai Brodersen, Erfurt |

Mortimer Chambers, Los Angeles | Mischa Meier, Tübingen | Bernhard Linke, Bochum | Walter Scheidel, Stanford Band 250

Katharina Knäpper

HIEROS KAI ASYLOS Territoriale Asylie im Hellenismus in ihrem historischen Kontext

Franz Steiner Verlag

Umschlagabbildung: Kos, Asklepieion, Brief Ptolemaios’ III. über die Asylie des Asklepieions in Kos (IG XII 4, 1, 212) Photo: Prof. Dr. Klaus Hallof, Inscriptiones Graecae (BBAW)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2018 zgl. Diss. Westfälische Wilhelms-Universität Münster, 2014 Druck: Hubert & Co., Göttingen Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-11992-4 (Print) ISBN 978-3-515-12004-3 (E-Book)

VORWORT Die vorliegende Untersuchung stellt eine überarbeitete Fassung meiner im September 2013 von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster angenommenen Dissertation dar. Später erschienene Forschungsliteratur wurde weitestgehend eingearbeitet. Nun, da die Arbeit abgeschlossen ist, verbleibt mir die Freude, all Jenen meinen tiefsten Dank auszusprechen, die zum Fortgang dieser Arbeit beigetragen haben. An erster Stelle gilt mein Dank meinem Doktorvater, Peter Funke (Münster), der meine Vorliebe für Krieg und Frieden erkannt und die Beschäftigung mit der territorialen Asylie angeregt hat. Er hat die im Entstehen begriffene Arbeit stets mit wertvollen Hinweisen und Kommentaren begleitet und mir wissenschaftlich wie persönlich mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Auch Klaus Zimmermann (Münster), der zum Gelingen der Arbeit weitaus mehr als ein Zweitgutachten beigetragen hat, gebührt mein Dank. Seine inhaltlichen und stilistischen Korrekturen haben mich vor manchem Fehler bewahrt. Zudem bin ich Thomas Corsten (Wien) zu Dank verpflichtet, da er mir – trotz neuer Aufgaben in Wien – Freiräume eröffnet hat, die Drucklegung der Arbeit abzuschließen. Für die Aufnahme meines Buches in die Reihe Historia Einzelschriften danke ich Kai Brodersen (Erfurt) und dem anonymen Fachgutachter, der darüber hinaus wertvolle Hinweise beigetragen hat. Klaus Hallof (Berlin) bin ich für die stetige Hilfsbereitschaft und die überaus freundliche Zurverfügungstellung jedweder Materialien aus Kos, wie auch der Titelabbildung, dankbar. Matthias Haake (Münster) und Sebastian Scharff (Mannheim) haben Kapitel der Arbeit gelesen und mit mir diskutiert. Für die zahlreichen Bemerkungen und treffenden Kommentare in diesem Zusammenhang wie auch anlässlich manch einer Diskussion danke ich beiden sehr. Auch Rüdiger Schmitt (Münster) gebührt Dank für die Lektüre verschiedener Kapitel und interdisziplinäre Anregungen. Katarina Nebelin (Rostock) danke ich für den theoretisch-methodischen Austausch, von dem ich sicher stärker profitiert habe als sie. Ann-Cathrin Harders (Bielefeld) verdanke ich manch neue Perspektive hinsichtlich der Rolle hellenistischer Herrscherinnen. Andrew Lepke (Münster) und Vera Hofmann (Wien) gilt mein Dank für die Diskussion zahlreicher Probleme des Materials und der Zugänge zum selbigen. Alle übrigen Fehler verbleiben selbstverständlich meine. Mein Mann, Titus Knäpper, hat diese Arbeit in allen Phasen gelesen, gewissenhaft lektoriert und kommentiert. Sein philologischer Blick und unser Austausch haben meine Arbeit bereichert. Sein Einsatz in familiären Belangen hat die Entstehung dieses Buches überhaupt erst ermöglicht. Dafür und für die mir stets entgegengebrachte Geduld gebührt mein kaum in Worte zu fassender Dank ihm und unseren Kindern Mila, Maxim und Frieda.

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Vorwort

Gewidmet sei dieses Buch meinen Eltern, Nikolai und Hilde Reiswich, die mich immer großzügig und vorbehaltlos gefördert und gefordert haben. Wien, im November 2017

Katharina Knäpper

INHALTSVERZEICHNIS Vorwort..............................................................................................................

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1. Einleitung .................................................................................................... 1.1 Methodische Vorbemerkungen ............................................................

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2. Die Wurzeln der territorialen Asylie. Hikesie, persönliche Asylie und die Neutralität sakraler Räume ............................................................. 2.1 Forschungssituation ............................................................................. 2.2 Das Wortfeld Asylie: Formen und Inhalte ........................................... 2.1.1 Das sylan(-Recht) und seine Eindämmung ............................... 2.2.2 Die persönliche Asylie ............................................................... 2.3 Das Wortfeld Hikesie: Entwicklung der Schutzgewährung im sakralen Raum von der archaischen bis in die hellenistische Zeit ...... 2.3.1 Ausdifferenzierung der Hikesie bei Homer ............................... 2.3.2 Hikesieentwicklung in der attischen Tragödie und der Historiographie ............................................................. 2.3.3 Hikesie im Spiegel epigraphischer Überlieferung ..................... 2.3.4 Archäologischer Befund zur Hikesie......................................... 2.4 Sakrale Räume als Schutzzonen .......................................................... 2.5 Strategien der Gewalteindämmung und Konfliktdeeskalation im antiken Griechenland...................................................................... 3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts in epigraphischen und literarischen Quellen............................................................................. 3.1 Forschungssituation ............................................................................. 3.2 Quellensituation ................................................................................... 3.3 Die Asyliegesuche ............................................................................... 3.3.1 Einheit und Vielfalt. Verortung und Prozedere der Asyliegesuche ...................................................................... a. Koroneia, Heiligtum der Athene Itonia ................................ b. Smyrna, Polis und Heiligtum der Aphrodite Stratonikis...... c. Kos, Heiligtum des Asklepios .............................................. d. Akraiphia, Heiligtum des Apollon Ptoios ............................ e. Theben, Heiligtum des Dionysos Kadmeios ........................ f. Lusi....................................................................................... g. Kalchedon, Heiligtum des Apollon Pythaios und die Polis im Namen des Apollon Chresterios ..................................... h. Magnesia am Mäander ......................................................... i. Milet, Polis und Heiligtum des Apollon in Didyma.............

22 22 26 32 38 42 43 45 52 66 68 73 75 75 78 81 82 82 84 87 104 106 108 110 113 131

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Inhaltsverzeichnis

j. k. l. m. n. o. p.

Anaphe, Polis und Heiligtum des Apollon Asgelatas .......... Teos ...................................................................................... Antiocheia-Alabanda ........................................................... Tenos, Heiligtum des Poseidon und der Amphitrite ............ Kolophon, Heiligtum des Apollon in Klaros ....................... Mylasa .................................................................................. Pergamon, Heiligtum der Athene Nikephoros und Heiligtum des Asklepios ...................................................... q. Kyzikos ................................................................................ r. Incerta................................................................................... 3.3.2 Die Begründung der Asyliegesuche .......................................... a. Kanonische Argumente ........................................................ b. Exzeptionelle und situationsgebundene Argumente ............ c. Argumentative Möglichkeiten kurzer Asylieanerkennungen. 3.4 Die Asylieverleihungen ....................................................................... 3.4.1 Poleis, Bünde, Könige als Asylieverleiher ................................ a. Poleis .................................................................................... b. Rom ...................................................................................... c. Dionysische Techniten ......................................................... d. Delphische Amphiktyonie .................................................... e. Bünde ................................................................................... f. Hellenistische Herrscher ...................................................... 3.4.2 Die Begründung der Asylieverleihungen .................................. c. Kanonische Argumente ........................................................ d. Exzeptionelle und situationsgebundene Argumente ............ 3.5 Die territoriale Asylie als Mittel politischer Interaktion...................... 4. Territoriale Asylie des ersten Jahrhunderts und der frühen Kaiserzeit in literarischen und epigraphischen Quellen. Kontinuitäten, Evolutionen, Brüche ......................................................................................................... 4.1 Quellensituation ................................................................................... 4.2 Asyliezeugnisse – Verortung und Charakterisierung........................... a. Nysa, Heiligtum des Poseidon und der Kore ....................... b. Mopsuestia, Heiligtum der Isis und des Sarapis .................. c. Oropos, Heiligtum des Amphiaraos ..................................... d. Stratonikeia, Heiligtum der Hekate in Lagina und Heiligtum des Zeus in Panamara .................................. e. Magnesia am Mäander ......................................................... f. Tenos, Heiligtum des Poseidon ............................................ g. Pergamon, Heiligtum des Asklepios .................................... h. Milet, Heiligtum des Apollon in Didyma............................. i. Ephesos, Heiligtum der Artemis .......................................... j. Aphrodisias, Heiligtum der Aphrodite ................................. k. Sardeis, Heiligtum der Artemis ............................................

135 136 146 148 153 155 156 161 163 173 174 199 201 205 206 206 211 214 214 216 219 224 224 240 243

249 249 249 250 251 253 254 256 257 258 260 261 262 264

Inhaltsverzeichnis

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l. Hiera Kome .......................................................................... 264 4.3 Das Ende der territorialen Asylie in der Pax Romana ......................... 266 5. Schlussbetrachtung ...................................................................................... 270 Anhang .............................................................................................................. 1. Asyliedokumente aus Kos ................................................................... 2. Asyliedokumente aus Milet ................................................................. 3. Asyliedokumente aus Dion.................................................................. 4. Potentielle Asylieanerkennung für Samos aus Gortyn ........................ 5. Zeugnisse zur potentiellen Asylie Amyzons........................................ 6. Potentielles Asyliegesuch der Insel Delos an Rom ............................. 7. Ehrendekret der Stadt Aphrodisias für Solon, S. d. Demetrios(?) ................................................................................ 8. Tabellarische Auflistung der Gesandtschaften ..................................... 9. Tabellarische Auflistung der Veröffentlichungswege der Asylie .........

277 277 289 294 295 295 296 297 298 312

Bibliographie..................................................................................................... 315 Epigraphische und numismatische Quellen ................................................ 315 Forschungsliteratur ...................................................................................... 318 Indizes ............................................................................................................... Personen ...................................................................................................... Mythologische/literarische Personen und Orte ........................................... Götter ........................................................................................................... Orte, Landschaften und Bünde .................................................................... Sachen und Begriffe ....................................................................................

341 341 343 343 344 346

There is no single, simple key to […] peace – no grand or magic formula to be adopted by one or two powers. Genuine peace must be the product of many nations, the sum of many acts. It must be dynamic, not static, changing to meet the challenge of each new generation. For peace is a process – a way of solving problems. John F. Kennedy1

1. EINLEITUNG „Die Asylie kann kurz abgetan werden, da sie in der hellenistischen Zeit weit mehr politische als religiöse Bedeutung hatte.“2 Diese Worte aus Martin P. Nilssons epochemachender Geschichte der Griechischen Religion verweisen gleich auf mehrere Problemfelder der Erforschung der hellenistischen Asylieverleihungen. Zum einen wird in den weiteren Ausführungen Nilssons deutlich, dass Asylie3 und Hikesie4 abhängig voneinander konzeptualisiert werden, zum anderen wird auf die Verwurzelung dieser weitergefassten ‚Asylie‘ irgendwo zwischen Religion und Politik rekurriert. Unterschiedliche historische Phänomene sowie moderne Interpretationszugänge zu selbigen bilden im Falle von Asylie und Hikesie ein stark verflochtenes Ganzes, was nicht selten nur skizzenhaft und wenig systematisch wiedergegeben wird. Diese Verflechtungen lassen sich auf verschiedene Ursachen zurückführen. Einerseits entwickelt sich Asylrecht – im Sinne der grundsätzlichen Minimaldefinition des Rechtshistorikers Johannes Theler „Asyl ist Schutz vor Verfolgung“5 – in der Moderne zu einem Faszinosum für Gelehrte mannigfaltiger Disziplinen.6 Dass 1 2 3

4 5 6

Ausschnitt aus einer Rede vor der American University in Washington, D. C. am 10. Juni 1963. Nilsson 1988, 88. Seit dem 5. Jahrhundert verleihen griechische Poleis einzelnen Fremden das Privileg der ἀσυλία, der ‚Unverletzlichkeit‘ von Leben und Gut; zur historischen Einordnung, Quellen und Literatur s. Kap. 2.2. In hellenistischer Zeit können Poleis oder Heiligtümer für ‚heilig und unverletzlich‘ erklärt werden; zur historischen Einordnung, Quellen und Literatur s. Kap. 3. Die ἱκεσία/ἱκετεία stellt das ‚Schutzflehen‘ aus verschiedenen Gründen Verfolgter an einem heiligen Ort dar, das sich aus der Schutzwirkung der sakralen Sphäre begründet; zur historischen Einordnung, Quellen und Literatur s. Kap. 2.3. Theler 1995, 7. Vgl. etwa Wilda 1842, 156–313, zum Kirchenasyl 537–543; Fallati 1850, bes. 177–182; 193–217; Post 1880, 137–223; Kohler/Wenger 1914, bes. 31 f.; 41–43; 69–71; 80. Diese Tatsache scheint nicht zuletzt mit dem Konfliktreichtum der Frühen Neuzeit sowie der verstärkten Wahrnehmung der Notwendigkeit und Anwendungssphäre des Asylrechts zusammenzuhängen. Denn das im Mittelalter etablierte Kirchenasyl wurde im Rahmen der konfessionellen Ausdifferenzierung zunächst in protestantischen Gegenden weitestgehend abgeschafft und im Folgenden auch in katholischen Regionen zunehmend beschränkt, vgl. Härter 2003,

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1. Einleitung

dabei im Rahmen historischer Rückblicke allein schon der etymologischen Herleitung wegen auf griechische Verhältnisse Bezug genommen wurde, verwundert nicht; ebenso wie die Tatsache, dass ob dieser scheinbaren Kontinuität nicht selten auf inhaltliche Kongruenzen rückgeschlossen wurde.7 Andererseits scheint auch in der Antike eine gewisse Nähe von Hikesie und Asylie feststellbar. Martin Dreher formuliert in seiner Definition des ‚antiken Asyls‘, dem Thelerschen Dictum sehr ähnlich, dass die Wortstämme asyl- und hiket-/hikesalle einen religiös oder politisch motivierten Anspruch auf Schutz oder Zuflucht aus[drückten], der insbesondere bei Bedrohung und Verfolgung Bedeutung erlangte.8

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sollen aber – unter differenzierter Betrachtung der modernen Interpretationszugänge – gerade die Funktionen der sogenannten ‚territorialen‘9 hellenistischen Asylie, wie sie in epigraphischen Urkunden überliefert ist, in den Fokus gerückt werden. Bei dieser Form der Asylie wird die Unverletzlichkeit des Territoriums eines Heiligtums oder einer Polis proklamiert und zwar in Form ihrer formalen Anerkennung als ἱερὸς bzw. ἱερὰ καὶ ἄσυλος, also als ‚heilig und unverletzlich‘, durch politische Akteure wie hellenistische Könige, Poleis oder Bünde. Die Initiative geht dabei meist von Vertretern einzelner Poleis aus, die für die gesamte Polis oder ein zu ihr gehöriges Heiligtum um Asylieverleihung ersuchen. Da sie beurkundet wurden, sind die Gesuche um und Verleihungen von Asylie noch heute in epigraphischer Form greif- und lokalisierbar.10 Inschriften aus der Ägäis sowie Westkleinasien dokumentieren etwa seit der Mitte des dritten Jahrhunderts11 bis in die beiden ersten Dekaden des zweiten Jahrhunderts den Vorgang der jeweiligen Asyliegesuche und -anerkennungen ausführlich: Die in den Asyliegesuchen vorgebrachten Argumentationsmuster werden in den Urkunden der Verleiher häufig zusammenfassend wiederholt, es werden Gesandte benannt, die die Bitte um Asylieverleihung vorgetragen haben, des Weiteren werden auch Gründe für die positive Aufnahme des Anliegens angegeben.

7 8 9

10 11

307–309; vgl. ferner von Pollern 1980, 36–40; Kimminich 1983, 18–23; Turner 2005, 108–112. Die Entwicklung staatlich reglementierter Formen des Rechts auf Asyl vollzog sich unter dieser Einwirkung allerdings nicht allerorts gleichermaßen, sondern hing stark von regionalen Begebenheiten ab; zum Asylrecht in der frühen Neuzeit vgl. Härter 2003, bes. 301– 304, mit einem Verzeichnis der älteren Literatur. So auch Näf 2003, 339 f. Dreher 2003a, 1. Den Begriff der ‚territorialen‘ Asylie für hellenistische Asylieverleihungen prägt Schlesinger in Abgrenzung zur ‚persönlichen‘ Asylie, vgl. Schlesinger 1933, bes. 4, 47; problematisiert, jedoch verwendet bei Dreher 2003. Von Woess 1926, 32–38, verwendet den Begriff der ‚persönlichen‘ Asylie, um sie von der ‚örtlichen‘ Abzugrenzen, womit er jedoch Hikesie meint. Der Terminus ‚territoriale‘ Asylie stimmt nicht mit dem modernen Begriff des territorialen (externen) Asyls überein, vgl. dazu Beitz/Wollenschläger 1980, 66 f., 73–77; von Pollern 1980, 91; Traulsen 2004, 1. Rigsby 1996 stellt ein recht vollständiges Corpus der Asylieinschriften dar. Sofern nicht anders angegeben, beziehen sich die Jahreszahlen auf die vorchristliche Zeit.

1. Einleitung

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Als weniger ergiebig für eine Untersuchung des Hergangs sowie der Begründung der Asylieverleihungen erweisen sich die Münz- sowie Ehrenstatuenbeischriften aus Syrien, Palästina und dem östlichen Kleinasien, die seit dem ausgehenden ersten Jahrhundert bis in die spätere Kaiserzeit und gelegentlich in die Spätantike Asylie zumindest benennen.12 Diese großteils numismatischen oder knappen epigraphischen Zeugnisse liefern ihrer Kürze wegen nur wenige Informationen über das Prozedere der Asylieverleihungen. Zudem ist mit der frühen Kaiserzeit ein Status an Veränderung des Phänomens territorialer Asylie erreicht, der im Regelfall keine Vergleichbarkeit mehr zu den hellenistischen Dokumenten erlaubt. Um die späten Belege des Terminus Asylie gebührend zu analysieren, bedarf es eines Ansatzes, der die Eigenheiten der jeweiligen Zeugnisse vermittels einer synchronen Betrachtung im Vergleich mit anderen Phänomenen der betreffenden Zeit herauszuarbeiten vermag. Daher werden diese sowohl zeitlich als auch geographisch vom Gros der Dokumente abweichenden Zeugnisse aus der detaillierten Betrachtung ausgenommen. Aus der Quellensituation und nicht etwa aus Begünstigung „des Dogmas hellenistischer Herkunft aller Asylieanerkennungen“13 erklärt sich auch die zeitliche Beschränkung des Untersuchungsgegenstandes auf den Hellenismus.14 Der zeitliche Rahmen dieser Arbeit soll also nicht unhinterfragt bis zu Tacitus’ berühmter Auflistung der im Jahre 22/23 n. Chr. vom römischen Senat anerkannten Asyle15 gezogen werden, sondern vielmehr auf den inschriftlich gesicherten Zeitraum beschränkt werden. Die Kernfrage des Unterfangens ist dabei, wie und zu welchem Zweck die Poleis und Tempel um Asylie ersuchten und warum andere Städte, Bünde und Herrscher auf diese Gesuche eingingen. Die Funktionsweisen der Asylieverleihungen sowie ihre Hintergründe stehen also einerseits im Fokus; andererseits sollen aber auch die Absichten sowohl der erbittenden als auch der anerkennenden Partner untersucht werden. Denn, um es mit den Worten Drehers zu präzisieren: Die Frage, warum eigentlich andere Staaten solchen Bitten um Asylieverleihung entsprachen – und im Fall von Magnesia haben wir immerhin 69 zustimmende Antworten inschriftlich erhalten –, ist bisher viel zu selten gestellt worden.16

Das Ersuchen um Asylie und das Gewähren derselben können folglich nicht losgelöst von historischen Prozessen betrachtet, sondern müssen zwingend systematisch kontextualisiert und auf ihre Funktionen innerhalb der so entwickelten Gefüge geprüft werden. 12

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Eine Quellensammlung solcher Asyliefälle liefert Rigsby 1996, 442–539. Engels 2013, bes. 82–99 mit Quellensammlung und Literatur (auf lat. asylum rekurrierender Asylie-Begriff); Traulsen 2004, 237; für syrische Münzbeischriften vgl. ferner Kushnir-Stein 2005; für Judäa nach literarischen Quellen vgl. Ritter 2015, bes. 263–271; zu später kaiserzeitlicher Rezeption vgl. Dahmen 2007, 29, Anm. 214. Bringmann 2000a, 31. Zu möglichen Vorläufern der territorialen Asylie vgl. Kap. 2. Tac. Ann. 3, 60–63; 4, 14; zu späthellenistischen und römerzeitlichen Entwicklungen vgl. Kap. 2.1, Kap. 4; zur historischen Interpretation der Tacitusstelle vgl. Belloni 1984; Dreher 2005b; Guzmán Armario 2009; Gibson 2014, bes. 128–134. Dreher 1996, 90.

14

1. Einleitung

Bislang wurde in der Forschung, wie eingangs zitiert, in erster Linie auf den Aspekt abgehoben, ob mit den hellenistischen Asylieverleihungen nun religiöse oder politische Ziele verfolgt wurden. Kent J. Rigsby, der Herausgeber eines regional geordneten Corpus der Asylieverleihungen, interpretiert die untersuchten Fälle territorialer Asylie als „first and foremost a religious gesture, increasing the honor of the god“.17 Der Autor negiert also – in völligem Gegensatz zur eingangs zitierten Einschätzung Nilssons – über die religiöse Ehrerhöhung der göttlichen Patrone hinausgehende Funktionen von Asylieverleihungen für die bittstellenden Poleis. Zur Absicherung gegen Krieg und Piraterie hätten den Städten bessere Mittel zur Verfügung gestanden. Auch den Verleihern habe die Asylie keine entscheidend neuen Handlungswerkzeuge an die Hand gegeben.18 Diese auf „Entpolitisierung oder zumindest […] gewaltige Abwertung des politischen Charakters der Asylie“19 zielenden Thesen Rigsbys sind nicht ohne Widerspruch geblieben. Gestützt auf Fallstudien betont Kostas Buraselis in zwei Aufsätzen20 gerade die außenpolitische Funktion von Asyliebestrebungen und -verleihungen sowie ihre Gebundenheit an spezifische historische Konstellationen. Der Autor unterstreicht die Tatsache, dass die Bemühungen griechischer Poleis um Asylieverleihungen, gerade in politisch unsicheren Zeiten, neben der religiösen Komponente auch eine diplomatische enthielten.21 Sie garantierten den einzelnen Poleis zwar keinen absoluten Schutz vor kriegerischen Auseinandersetzungen, lieferten jedoch die Möglichkeit für das eigene Territorium die den Umständen angemessene Absicherung zu schaffen.22 Für die Seite der Verleiher von Asylie nimmt der Autor besonders die hellenistischen Könige in seine Betrachtung auf und formuliert, diese hätten die Asylie durchaus als Mittel zur Bindung und Stabilisierung wohlgesonnener Regionen verwendet.23 Dreher sieht Parallelen zwischen Asylieverleihungen und der Eleutheria – diese sei auch „ein Ehrentitel, hatte aber darüber hinaus durchaus konkrete historische Bedeutung“.24 Martin Flashar beurteilt die Asylie als ein kultisch-politisches Programm in Zeiten „allgemeiner außenpolitischer Unsicherheit“; er präzisiert: Überhaupt stand ja Asylie in ihrer traditionellen Form als uni- oder bilaterale Sicherheitsgarantie insbesondere dann auf der Tagesordnung, wenn sie auch für nötig erachtet wurde; zwischenstaatliche Nichtangriffspakte wurden auch in späteren Zeiten zum politischen Werkzeug, wenn Kriegsgefahr zumindest latent drohte. Und die territorialen Auseinandersetzungen zwischen den Monarchen während des dritten Jahrhunderts hatten konkret gerade auch in Kleinasien den Nährboden für die beschriebene Situation der Stadtstaaten zu genüge gelegt.25

17 18 19 20 21 22 23 24 25

Rigsby 1996, 14. Rigsby 1996, 16 f.; 24. Buraselis 2003, 145. Buraselis 2003; Buraselis 2004. Vgl. auch Dreher 1998, 486. Buraselis 2003, 149; 157 f. Buraselis 2003, 146 f. Dreher 1998, 488. Flashar 1999, 419.

1. Einleitung

15

Klaus Bringmann betont in seiner Diskussion von Rigsbys Werk einen seiner Meinung nach bedenkenswerten, aber bislang nicht ausreichend beachteten Aspekt der hellenistischen Asyliedeklarationen. Er hält fest, dass die Frage nach der rechtlichen Natur der Asylieverleihungen auch im Zusammenhang mit der Verschiedenheit der staatlichen Organisationsformen der Verleiher stärker in den Vordergrund zu stellen sei.26 Auch Peter Funke beurteilt die Asylieurkunden als „ein eigenständiges Instrument zur Gestaltung der Außenpolitik“27 der hellenistischen Zeit, dessen Bedeutung über die Abwehr von Piraterie hinausginge. Boris Dreyer hingegen fokussiert in diesem Zusammenhang auf die Anwendung der Asylieanerkennungen als Mittel zur Sicherung territorialer Ansprüche seitens der Großmächte.28 Jüngst betont auch Péter Kató die Bedeutung der Asylieabkommen als Sicherheitskatalysator in – auch für hellenistische Verhältnisse – politisch instabilen Zeiten.29 Diese von mehreren Forschern dargebrachten Kritikpunkte an der Einschätzung der Funktionsweisen von Asylie durch Rigsby, die sich auch um einzelne historische Detailanalysen erweitern ließen, verweisen allesamt in Richtung einer stärkeren Gewichtung der (außen)politischen Komponente. Daher scheint es zielführend, die Argumentation innerhalb der Asylieurkunden und die realen Begebenheiten zu vergleichen sowie im Hinblick auf Motive und Funktionsweisen systematisch zu untersuchen. Dabei sind Fragen nach diachronen Veränderungen sowie regionalen Besonderheiten nicht außer Acht zu lassen. Ziel der Arbeit ist somit, die Asylieurkunden zu verorten, also die mit der jeweiligen historischen Situation zusammenhängenden Gründe für die Bitte um Verleihung der Asylie seitens der entsprechenden Poleis und Heiligtümer zu untersuchen. Um die hellenistischen Asylieanerkennungen historisch einzuordnen, ist es notwendig, einleitend einige methodische Erwägungen zur religiösen und politischen Sphäre, speziell im hellenistischen Griechenland, vorzuschalten. Dabei soll nicht nur der Frage nachgegangen werden, wie sich selbige zueinander verhalten, sondern auch die Anwendbarkeit moderner Termini wie Staat, Politik, Religion auf antike Verhältnisse der Prüfung unterzogen werden. Sodann gilt es das heterogene Feld antiker Schutzgewährungsphänomene30 in möglichst knapper Form zu systematisieren. Denn obwohl die Unterschiede zwischen der griechischen Asylie und Hikesie längst herausgearbeitet wurden,31 werden die Phänomene weiterhin mit denselben Begrifflichkeiten be- und gedacht. 26 27 28 29 30 31

Bringmann 2000, 32. Funke 2008, 256. Dreyer 2010; Dreyer 2011. Kató 2014, bes. 106. Turner 2005, 21 f.; vgl. auch Theler 1995, 7; Dreher 2003a, 1; Traulsen 2004, 1. Schlesinger 1933, 5; Sinn 1993, 90; Rigsby 1996, 30–33; Dreher 1996; in Grundzügen auch Dreher 2003a, 3; Traulsen 2004, 177–179; Turner 2005, 65 f. mit weiterer Literatur; s. auch 22–26.

16

1. Einleitung

Auch noch in der jüngsten Forschung werden in der altertumswissenschaftlichen Forschung unter Bezeichnungen wie ‚antikes Asyl‘, ‚Asylwesen‘ oder ‚Asylrecht in der Antike‘32 Begriffsfelder von der griechischen Asylie und Hikesie bis hin zum römischen Statuenasyl und dem spätantiken Kirchenasyl subsumiert, obwohl die betreffenden Phänomene sowohl inhaltlich als auch zeitlich und geographisch differieren. Die jeweiligen termini technici werden auch in der neuesten Forschung oft parallel benutzt oder lediglich oberflächlich geschieden.33 Nicht selten wird eine normative Trennung vorgenommen, während auf deskriptiver Ebene keinerlei Adaption dieser Definitionen zu erkennen ist. Zudem wird wegen der von der Klassik bis in die Moderne vermeintlich konstanten Terminologie,34 nicht selten intentional,35 auf einen modernen juristischen oder ethnologischen Asylbegriff Bezug genommen,36 um antike Ereignisse zu charakterisieren.37 Dabei sind der antike und der moderne Asylbegriff weder terminologisch noch de facto deckungsgleich.38 Andererseits handelt es sich auch bei dem 32

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Juristisch korrekt differenziert Traulsen 2004, 2: „Bezieht sich also der Begriff ‚Asyl‘ auf die Institution als solche, so soll von ‚Asylrecht‘ nur dort die Rede sein, wo der in Frage stehende Schutz eine positivrechtliche Anerkennung gefunden hat, sei es als subjektives Recht einzelner heiliger Stätten, sei es als objektiver Bestandteil der Rechtsordnung.“ von Woess 1923, 75–122, bes. 75 (großteils mit Bezug auf das ptolemäische Ägypten); Altheim 1951, 180 f.; Ducrey 1968, 295–311; de Vaulx 1979, Sp. 1485; Auffarth 1992, 202– 205; Gödde 1998, 554 f.; Babo 2003, 43–54 sucht nach Asylie und Hikesie in Rom; Grethlein 2003, 7–9; Derlien 2003, bes. 6–8; Burckhardt/Seybold/Ungern-Sternberg 2007, IX; Dreyer 2011, 141–145; einen Sonderfall bilden Chaniotis 1996a, 66 sowie Chaniotis 1997 – der Autor benennt die Eigenheiten von Hikesie und Asylie zwar sehr klar, differenziert dennoch nicht in seiner Terminologie. Dabei wird häufig konstatiert, griechische Schutzgewährungsphänomene seien partiell oder im Allgemeinen als das zu fassen, was durch lat. asylum ausgedrückt wird, vgl. Bravo 1980, 676; Babo 2003, 43 f.; Dreher 2003, 4; Naiden 2006, bes. 17 und ferner 29–104, wo er ‚Supplikation‘ als gesamtantikes Phänomen zu rekonstruieren scheint, da er unkommentiert archaisch griechische Belege mit kaiserzeitlichen römischen vergleicht; Naiden 2014; Nevin 2016, 111–132, die überdies eine Kontinuität des Phänomens von der archaischen bis in die hellenistische Zeit suggeriert. Die Autorin nimmt ferner an (111, mit Anm. 3), dieses Phänomen hieße ἀσυλία ιἑρά (sic!), wofür sie allerdings keine Quellenbelege liefert, sondern ohne erklärbaren Bezug allegemein auf Sinn 1993 und Chaniotis 1996a verweist; vgl. dazu auch Dreher 2017. Grundsätzlich gegen die Wahrnehmung griechischer Phänomene aus dezidiert römischer Sicht, vgl. Ager 1998, 169 f.; s. 29–32. So erläutert Dreher 1996, 79 f., dass ihn gerade die politischen Umstände zur Beschäftigung mit Asyl(recht) führten und vermutet Ähnliches für seine Vorgänger; vgl. auch Dreher 2003a, 1, 11; vgl. ferner von Woess 1926, 33 f.; Derlien 2003, 1–6, der zudem methodisch vom modernen Asylbegriff ausgeht. Die Grenzen zwischen rechtshistorischer und ethnologischer Herangehensweise sind vor allem in der älteren Literatur nicht immer genau zu ziehen: zum juristischen Asylbegriff vgl. maßgeblich Beitz/Wollenschläger 1980; vgl. ferner Dann 1840; Bulmerincq 1853; Wollenschläger 1971; von Pollern 1980; Kimminich 1983; Flor 1988; Theler 1995; Traulsen 2004. Zum ethnologischen Asylbegriff vgl. maßgeblich Turner 2005, 21–29; vgl. ferner Hellwig 1903; Thurnwald 1924; Westermarck 1926; Wissmann 1979; Henssler 1954; Mühlmann 1962; Elsas 1990; Traulsen 2004. Dieser Ansatz wird bereits bei Rittershausen 1624, bes. 6–8, eingeführt. So auch Grethlein 2003, 7; vgl. auch Traulsen 2004, 131.

1. Einleitung

17

modernen Asylbegriff, ob er nun aus der Rechtswissenschaft, Soziologie oder Ethnologie entliehen wird, nicht um eine undifferenzierbare Kategorie, sondern um ein veränderbares und gesellschaftlichen sowie politischen Aushandlungsprozessen unterworfenes Konstrukt.39 Es scheint also aus vielerlei Gründen methodisch problematisch, einen modernen Asylbegriff zur Grundlage altertumswissenschaftlicher Erörterungen zu machen – zum einen liegt das an den Verallgemeinerungen und Fehlannahmen über antike Verhältnisse, die nicht selten den Begriff konstituieren; zum anderen sei auf die Veränderlichkeit des modernen Asylbegriffs sowie die große Bandbreite der Definitionen aus unterschiedlichen Disziplinen verwiesen. So setzt Traulsen die in der ethnologischen Forschung als religiöse oder philosophische Grundlagen von Asyl ausgemachten Anschauungen mit dem Interessensfokus des Rechtshistorikers und Soziologen folgendermaßen in Beziehung: […] nicht umsonst gab und gibt es sakrales Asyl […] in vielerlei Religionen, Kulturen und Epochen. Dergleichen – vielleicht gar als allgemein-menschlich anzusprechende – Gegebenheiten gehen der rechtlichen Verfaßtheit des sakralen Asyls notwendigerweise voraus. Gleichzeitig sind sie aber auch nicht mehr als Voraussetzungen derselben; erst im Rechtlichen prägen sie sich aus und werden greifbar, so wie sie erst in der gesellschaftlichen Realität wirksam werden.40

Um an dieser Stelle das gewählte Vorgehen hinsichtlich der Behandlung der Institutionen der Schutzgewährung konzise zu fassen, möchte ich festhalten: Da in dieser Untersuchung eine präzise Beurteilung des Verhältnisses zwischen den hellenistischen Asylieverleihungen, dem συλᾶν-Recht, der persönlichen Asylie, der Hikesie wie der Schutzwirkung sakraler Orte angestrebt wird, scheint es mir – auch aus Gründen einer systematischen Erfassung des Gegenstandes – vertretbar, die in Einzelheiten bereits in der Forschung herausgearbeiteten Spezifika von Schutzgewährungsphänomenen im antiken Griechenland im Rahmen eines eigenen Kapitels nachzuzeichnen; auch wenn das heißt, zumindest zum Teil deskriptiv zu arbeiten. Der Mehrwert, den nur eine akkurate Verwendung der Fachterminologie ohne Kohärenz vortäuschende Begriffe gewährleistet, scheint mir bedeutsamer, als gelegentliche Wiederholung von Bekanntem. Auf Grundlage dieser Überlegungen sollen sodann die territorialen Asylieverleihungen hellenistischer Zeit in den Blickpunkt gerückt werden, wie sie in den epigraphischen Zeugnissen erhalten sind. Dabei werden die Untersuchungen der bittstellenden und anerkennenden Seite zunächst getrennt voneinander vollzogen, um strukturierter nach den Inhalten der Dokumente fragen zu können. Zunächst gilt es also die Asyliegesuche, wie sie in den anerkennenden Dokumenten häufig zusammenfassend wiederholt werden, in Hinblick auf die Rolle der Poleis und Heiligtümer als Initiatoren der Asylieverleihungen zu beleuchten. Dabei ist so39

40

Um nur ein Beispiel zu geben, halten Beitz/Wollenschläger 1980, 65 f. im Rahmen der Klassifizierung der Formen des deutschen Asylrechts fest, der Leitgedanke desselben habe sich im vergangenen Jahrhundert vom garantierten Auslieferungsschutz zur festgeschriebenen Aufnahmebereitschaft gewandelt, da die prinzipielle Freiheit zur Immigration beschränkt worden sei. Traulsen 2004, 3.

18

1. Einleitung

wohl die praktische Organisation der Gesuche von Bedeutung – also die Funktionen von Gesandten, die Auswahl der Adressaten, die Reiserouten, die Finanzierung der Vorhaben – als auch die Frage inwiefern Poleis und Heiligtümer dabei gleichen Mustern folgten oder ob es verschiedene Modelle gab. Natürlich ist auch die geographische sowie diachrone Verteilung der angewendeten Modelle einzubeziehen. Das Hauptaugenmerk der Analyse liegt jedoch auf der Interpretation der in den Dokumenten vorgebrachten Argumente der Asyliebewerber. Diese sollen sowohl auf ihre Motivation untersucht werden als auch darauf, inwiefern sie politische oder religiöse Funktionen erfüllen. Prinzipiell beachtenswert ist aber auch, ob bestimmte historische Voraussetzungen – wie sie aus Quellen literarischer, epigraphischer sowie archäologischer Natur ersichtlich werden – zur Verwendung verschiedener Argumentationskategorien führen. In einem zweiten Schritt sind auch die asylieverleihenden Körperschaften, seien es Poleis, Bünde oder Herrscher, näher zu charakterisieren. Die Gründe für die Anerkennung der Asylie spielen in diesem Zusammenhang ebenso eine Rolle wie die Tatsache, ob die Gewährung des Privilegs aus eigenem Antrieb oder aus wie auch immer gearteten Sachzwängen heraus geschah. Auch in Bezug auf Asylieverleiher ist auf geographische sowie diachrone Streuung zu achten. Zudem darf nicht unberücksichtigt bleiben, ob und inwiefern die Asylieanerkennungen der Poleis, Bünde und Herrscher unterschiedlichen Mustern folgen. Parallel zur Betrachtung der argumentativen Gestaltung der Asyliegesuche sollen auch die Dokumente der Asylieverleiher in Hinblick auf die verwendeten Motive und auch auf die in Zusammenhang mit den historischen Umständen zu erwartenden Funktionen der Asylie einer Prüfung unterzogen werden. Die gewonnenen Erkenntnisse über die Argumentationsstrukturen sowie realweltliche Verortung der an den Asylieverhandlungen beteiligten Parteien soll eine bessere Einordnung der territorialen Asylie innerhalb der Schutzgewährungsphänomene hellenistischer Zeit erlauben. Abschließend werden die Ergebnisse der Einzeluntersuchungen zur territorialen Asylie im Hellenismus – zusammen mit den die Hikesie und Asylie in Archaik und Klassik betreffenden – in den größeren Kontext von Gewalteindämmungs- sowie Deeskalationsstrategien eingeordnet. Dabei geht es weniger um die Dekonstruktion oder Neuaufstellung von Großkategorien – wie etwa der des Asyl(recht)s – sondern vielmehr um die quellenberücksichtigende Verortung der jeweiligen Phänomene. 1.1 METHODISCHE VORBEMERKUNGEN Bei dem Versuch die religiösen und politischen Aspekte der in den Asylieurkunden beschriebenen Aktivitäten herauszuarbeiten, gelangt man schnell an methodische Grenzen. Genau dieser Tatsache ist es vermutlich zu verdanken, dass die territorialen Asylieverleihungen in der Forschung so unterschiedlich eingeschätzt werden41 41

S. 11 f.; 14 f.

1.1 Methodische Vorbemerkungen

19

– teils jenseits politischer Wirklichkeiten, im Sinne von l’art pour l’art, teils krass gegensätzlich im Politischen. Die Entscheidung, ob die Asylie politischen oder eben religiösen Charakter habe, fällt häufig in Randbemerkungen ohne weitere Begründung.42 Die Vermutung, dass dieses antithetische Muster sich nicht aus Zufälligkeit ergibt, sondern zumindest partiell quellenimmanent ist, beziehungsweise unserem Verständnis von Religion und Politik entstammt, liegt nahe. Daher scheint notwendig, vermittels eines theoretisch gefestigten und methodisch sauberen Konzepts von religiöser und politischer Sphäre auf eine weniger schematische, aber vielleicht realitätsnähere Deutung der Dokumente abzuzielen. Der Blick in die moderne Forschungsliteratur zeigt die weitverbreitete Annahme, dass die religiöse und politische Sphäre in der Antike generell nicht scharf voneinander zu trennen waren. Meist scheint auszureichen, diese Tatsache zu erwähnen. Wenn jedoch Fragestellungen auf die Verflechtungen von Religion und Politik zielen, ergeben sich beträchtliche Schwierigkeiten. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ist es von fundamentaler Bedeutung, genau zu fassen, welche antiken Begebenheiten mit den modernen Begriffen ‚religiös‘ und ‚politisch‘ beschrieben werden. Methodisch zielführend scheint daher, die Grenzziehungen zwischen dem religiösen und politischen Bereich im Hellenismus nachzuvollziehen, um verlässliche Aussagen zum in den Asyliedokumenten deutlich werdenden Spannungsgefüge zwischen Religion und Politik jenseits intuitiver Zuordnungen treffen zu können. Anderenfalls kann in Analyse und Beurteilung der Asyliedokumente nicht mit den entsprechenden Termini operiert werden, denn jede Aussage müsste zwangsläufig in schwammigem sowie undefinierbarem Grau enden. Wie ich bereits an anderer Stelle dargelegt habe,43 bietet das Habitus-FeldKonzept Pierre Bourdieus44 einen guten und quellenkonformen Ansatz zur Kennzeichnung des religiösen und politischen Feldes im antiken Griechenland (spätestens seit klassischer Zeit). Dieser Zugriff erschwert zwar die Formulierung von Religions- und Religiösitätsbegründungen, erweist sich aber hinsichtlich einer akteursbasierten Analyse als ergiebig – es geht dabei nicht darum, was den Menschen zum Religiösen treibt, sondern darum, wie Religion in der Gesellschaft wirkt. Unter Rekurs auf die Feldtheorie lassen sich für Griechenland ein religiöses und ein politisches Feld proklamieren, in denen die jeweiligen Akteure um die Vorherrschaft, d. h. um die Bestimmung der Feldgrenzen, um Positionen, um das, was

42

43 44

Zur Betonung des religiösen Charakters vgl.: Radet 1890, 225–228; von Woess 126, 39; Rigsby 1996, bes. 14–17, 24; Burkert 22011, 374; zur Betonung des politischen Charakters: Nilson 41988, 88 f.; Dreher 1998, 486; Flashar 1999, 419; Bringmann 2000, 32; Buraselis 2003, bes. 145, 157 f.; Buraselis 2004; Funke 2008, 256; zum Zusammenspiel beider Elemente vgl. Traulsen 2004, 163; Dunand 2003, 103. Knäpper 2014. Zur Habitus-Feld-Theorie vgl. bes. Bourdieu 1983a; Bourdieu 1983b; Bourdieu 1987, bes. 171–195, 206; 278–286; Bourdieu 2000; Bourdieu 2001; Bourdieu/Beister/Schwibs 2001; Müller 1992; vgl. ferner Hillebrandt 1999; Krais/Gebauer 2002; Müller 2005 mit Literatursammlung.

20

1. Einleitung

im Feld verhandelt wird, konkurrieren.45 Mit anderen Worten heißt das, dass die Ge- und Inhalte der Felder von den Verhandlungen der beteiligten Akteure abhängen. Denn Felder sind im Rahmen der Habitus-Feld-Theorie nicht unabänderlich, sondern Ergebnisse von Aushandlungsprozessen sowie weiteren Aushandlungsprozessen ausgesetzt. Dabei ist zu bedenken, dass Akteure in verschiedenen Feldern aktiv werden können und unterschiedliche Felder auch unterschiedliche Zusammensetzungen wie Gewichtungen von Akteuren aufweisen. Auf Grund der gesellschaftlichen und politischen Struktur Griechenlands verlangen das religiöse und politische Feld den Akteuren einen vergleichsweise niedrigen Professionalisierungsgrad ab.46 Die niedrigen Zugangsbeschränkungen führen also zu relativ weitgefassten Feldern mit stark im Aushandlungsprozess befindlichen Grenzen. Die Grenzziehung zwischen dem, was noch, und dem, was nicht mehr zu einem Feld, wie etwa dem religiösen oder dem politischen, gehört, beeinflussen also die partizipierenden Akteure. Zudem teilen sich das religiöse und das politische Feld in Griechenland den Anlass zum Agon – nämlich die Formulierung als zutreffend empfundener Normen und Wertvorstellungen. Diese strukturelle Ähnlichkeit der inhaltlichen Ausrichtung der beiden Felder weist auf eine erste Schnittmenge hin: In ihren Grenzbereichen greifen die Felder ähnliche Aspekte auf, auch wenn sie nicht deckungsgleich sind. Dies dient sodann als Katalysator der Verflechtung der religiösen und politischen Sphäre in der modernen Wahrnehmung.47 Das politische Feld ist darüber hinaus Träger griechischer Staatlichkeit, wobei der Staatsbegriff hier nicht im Sinne der Allgemeinen Staatslehre Georg Jellineks48 als Dreiheit von Staatsgebiet, Staatsvolk, Staatsgewalt ad absolutum gesetzt, sondern in Anlehnung an Uwe Walter als Bürgerverbandsstaat konzipiert wird.49 Der Bürger eines solchen auf aktive Partizipation setzenden Bürgerverbandsstaates ist aber Akteur des politischen Feldes par excellence – er nimmt an der Konkurrenz um Ämter Teil, die die Aushandlung weiterer Inhalte des politischen Feldes zu bestimmen versprechen. Dafür setzt der Bürger das ihm zur Verfügung stehende Kapital,50 das auch in anderen Feldern erworben werden kann, ein. Die Bestimmung dessen, was zur Norm eines am politischen Feld partizipierenden Bürgers erhoben wird, handeln die am Feld teilnehmenden Akteure aus. Diese Selbst45 46 47 48 49

50

Bourdieu 2001, 34 f. und 49; Bourdieu/Beister/Schwibs 2001, 110. Zu Details und Quellenbelegen vgl. Knäpper 2014, 33–37. Vgl. Bourdieu 2001, 41–50; ferner Knäpper 2014, 33 f. Zu den Unterschieden zwischen dem religiösen und politischen Feld vgl. Knäpper 2014, 36. Jellinek 1976. Vgl. Walter 1993, bes. 17–27; vgl. ferner Blok 2005, 28–31, 36; vgl. ferner Blok 2013, bes. 167–171; Funke 2010, 482; Gschnitzer 2003b, 272; Winterling 1995, 313–315. Zum Staatsbegriff und seine Anwendbarkeit auf die Antike bzw. vormoderne Gesellschaften sowie Modellen von Staatlichkeit vgl. Koselleck 1990, 5 f.; Walter 1998, 24–26; Hansen 2002; Baltrusch 2008, 2 f., 17–20, 78–82; Lundgreen 2014, 49–51; Seelentag 2015, 61–69. Gegen die Ausweitung des Staatsbegriffs und für einen problem- wie quellenorientierten Zugriff auf antike politische Gemeinschaften vgl. Winterling 2014, bes. 256. Bourdieu 1983a; Bourdieu 2001, 100–107.

1.1 Methodische Vorbemerkungen

21

beschreibung kann auch auf die Partizipation an anderen Feldern abzielen – womit natürlich keine Übereinstimmung der Felder zu postulieren wäre, sondern ihre Überschneidung. Im Falle des religiösen und politischen Feldes in Griechenland lässt sich hier eine zweite bedeutsame Schnittmenge feststellen: Einen Teil der idealen bürgerlichen Identität bildet das positiv konnotierte beziehungsweise als richtig wahrgenommene Verhalten in religiosis,51 wobei zu betonen ist, dass die normative Ausgestaltung des religiösen Feldes ein Ergebnis der Ausdifferenzierung innerhalb desselben bleibt. Die normative Beschreibung des Politischen und der idealen Akteure des politischen Feldes resultiert aus im politischen Feld vollzogenen Prozessen, beeinflusst von den an diesem Feld teilnehmenden Akteuren. Analoges gilt für das religiöse Feld. Die Akteurgruppen stimmen dabei nicht (zwingend) überein,52 auch die inhaltliche Gestaltung variiert. Im Rahmen des Habitus-Feld-Modells lassen sich also die Interferenzen zwischen der religiösen und politischen Sphäre als inhaltliche, an den Grenzen der jeweiligen Felder ausdifferenzierte Schnittmengen identifizieren. Sie können ineinanader greifen, sind allerdings nicht deckungsgleich und unentwirrbar. Die bestimmenden Faktoren der Ausbildung politischer und religiöser Identität in den entsprechenden Feldern gelten allerdings nicht nur auf der Ebene einer politischen Gemeinschaft. Vielmehr scheinen die aufgestellten Spielregeln auf den zwischenstaatlichen Raum ausgeweitet zu werden.53 Die Schnittmengen bleiben bei einer solchen Übertragung erhalten: So betont Funke in diesem Zusammenhang, dass gerade der religiöse Rekurs einen Absicherungsmechanismus der politischen Kommunikation darstellt54 – im religiösen Feld diskursiv erarbeitete Werte als Pfand, oder im Sinne der Habitus-Feld-Theorie als Kapital, im politischen eingesetzt werden können. Die gegenseitige Beeinflussung zwischen religiösem und politischem Feld in der griechischen Antike scheint strukturell bedingt. Um die Argumentation innerhalb der Asyliedokumente hinsichtlich ihrer Verwurzelung in der religiösen oder politischen Sphäre zu beurteilen, steht folglich an, von plakativen Zuschreibungen Abstand zu nehmen. Vielmehr gilt es die beschriebenen Phänomene mit Hilfe der formulierten methodischen Leitgedanken zu analysieren und so in ihrem durchaus vorhandenen Faccettenreichtum zu fassen.

51 52 53 54

Vgl. dazu Briut Zaidmann/Schmitt Pantel / Cartledge 1992, 15; vgl. ferner Knäpper 2016. So partizipierten etwa Frauen und unter bestimmten Voraussetzungen auch Metöken am Kult, vgl. dazu Blok 2007; Blok 2009; vgl. ferner Knäpper 2014, 36. Vgl. Knäpper 2014, 37 f. mit Literatur. Funke 2009, 299.

2. DIE WURZELN DER TERRITORIALEN ASYLIE. HIKESIE, PERSÖNLICHE ASYLIE UND DIE NEUTRALITÄT SAKRALER RÄUME Als antikes Asyl, häufiger noch Asylrecht – droit d’asile, diritto di asilo, right of asylum – werden in der altertumswissenschaftlichen Literatur, wie erwähnt, häufig verschiedene Phänomene von den ältesten Bezeugungen der Hikesie oder Asylie in Griechenland bis zum römischen Statuenasyl zusammengefasst. Solche Sammelbegriffe – so notwendig und berechtigt sie vor allem im interkulturellen oder historischen Vergleich auch sind – können jedoch auf Grund ihres verallgemeinernden Charakters und der starken modernen Implikationen in dieser Untersuchung keine Anwendung erfahren. Vielmehr scheint es in Anbetracht der Diversität der ‚Institutionen der Schutzgewährung‘1 in der Antike dringend notwendig, die für die griechische Geschichte bis zum Hellenismus bedeutsamen Einzelaspekte im Detail zu fassen. Als Hauptkonstituenten des antiken Asyl(recht)s werden gemeinhin die Begriffsfelder um Hikesie und Asylie herangezogen. Neben dem modernen Zugriff auf antike Schutzgewährungsphänomene rechtfertigt auch eine bereits in der Antike assoziierte Nähe beider Felder, diese Termini auf gegenseitige Einflussnahme zu untersuchen.2 2.1 FORSCHUNGSSITUATION Um den Forschungsstand für die Vorstellungen von Hikesie, (persönlicher) Asylie sowie der Neutralität sakraler Orte von der archaischen bis in die hellenistische Zeit zu umreißen, kann die in dieser Arbeit intendierte genaue Trennung der Begriffe nur bedingt berücksichtigt werden. Denn vor allem in der älteren Forschung ist eine strenge Unterscheidung der Darstellungen der zum antiken Asyl subsummierten Inhalte nicht möglich. Zudem muss der Besonderheit Rechnung getragen werden, dass die antiken Begebenheiten häufig im Rahmen einer Gesamtdarstellung der Asylgeschichte, im Sinne einer linearen Entwicklung eines konstanten Asylbegriffs, zusammenfassend und bisweilen verkürzend sowie verfälschend umrissen werden. Solche Darstellungen werden, soweit sie sich nicht als besonders relevant erweisen, in dieser Skizze des Forschungsstandes ausgenommen. Natürlich ist bei einem derartigen Gegenstand nicht zu unterschätzen, dass gewisse Erkenntnisse erst mit der Erschließung der Quellen getroffen werden konnten. Auch wenn im Falle der Asylie und Hikesie in archaischer und klassischer Zeit 1 2

Turner 2005, 21 f.; vgl. auch Dreher 2003a, 1. S. dazu 12.

2.1 Forschungssituation

23

ein großer Teil der Quellen literarischer Natur ist und somit bereits früh vergleichsweise gut zugänglich war, muss im Hinblick auf epigraphische Quellen konstatiert werden, dass ein nicht geringer Teil des Materials erst in jüngerer Zeit publiziert wurde. Im 19. Jahrhundert rückt das spärlich untersuchte Gebiet der griechischen Asylie- und Hikesievorstellungen in den Mittelpunkt einiger Forschungsarbeiten. Paulus Foerster untersucht in den 1840er Jahren im Rahmen seiner mit De Graecorum asylis überschriebenen Dissertation3 die griechischen Asylorte. Wobei ‚Asyl‘ an dieser Stelle durchaus im Sinne anerkannter Zufluchtstätten zu verstehen ist, was auch sein programmatischer Beginn mit der von Tacitus beschriebenen Reform des griechischen Asylwesens unter Tiberius erahnen lässt. Foerster skizziert zwar in aller Kürze, dass zum einen Asylie sowohl Einzelpersonen als auch Orten zu Teil werden konnte und charakterisiert diese Formen und nimmt eine Abgrenzung der Asylie von der Asphalie vor;4 eine genaue Bestimmung des Verhältnisses zwischen Asylie und Hikesie an Hand des in den Texten überlieferten Wortguts nimmt er jedoch nicht vor. Julius Jänisch konzentriert sich in seiner zwanzig Jahre später verfassten gleichnamigen Dissertation hingegen auf die Frage, wie die griechischen Asylorte zu beurteilen seien.5 In seinen Ausführungen nimmt die Trennung von Asylie und Hikesie eine bedeutsame Rolle ein, wobei zu betonen ist, dass sein Verständnis von diesen beiden Institutionen nicht in Gänze mit dem der modernen Forschung übereinstimmt. Er formuliert, dass Hikesie das Recht auf Schutzgewährung gewesen sei, dass allen griechischen Tempeln zugestanden habe, während Asylie wenigen Tempeln erlaubt habe, selbst Schuldige aufnehmen zu können.6 Das Asylwesen Ägyptens in der Ptolemäerzeit und die spätere Entwicklung hat in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts Friedrich von Woess thematisiert.7 Von Woess grenzt bereits die Formen der (in Ägypten auftretenden) Asylie untereinander und von der Hikesie ab. Wobei er die Hikesie aber als religiöse, außerhalb des kodifizierten Rechts stehende Grundlage der Asylie, die er mit dem Sinngehalt des römischen Begriffs asylum verbindet, charakterisiert.8 Obwohl seine Themenstellung eine Konzentration auf Ägypten erfordert, bezieht er auch außerägyptische Dokumente in seine Betrachtung ein, sofern sie in einem Verhältnis zu dem ägyptisch-ptolemäischen Herrschergeschlecht stehen. Die Dissertation Eilhard Schlesingers aus dem Jahre 1933 mit dem Titel Die griechische Asylie besticht sowohl durch Prägnanz als auch durch ihren systematischen Ansatz. In seiner quellenorientierten Arbeit definiert Schlesinger die Begriffe der ‚persönlichen‘ und ‚territorialen‘ Asylie sowie der Hikesie, und zwar bewusst ohne eine moderne Definition von Asyl zum Ausgangspunkt zu machen.9 Er 3 4 5 6 7 8 9

Foerster 1847. Foerster 1847, 6–11. Jaenisch 1868. Jaenisch 1868, 13. Von Woess 1923. Von Woess 1923, 75 f.; 104–112. Schlesinger 1933, 5.

24

2. Die Wurzeln der territorialen Asylie

verweist zudem auf die Veränderbarkeit von Bedeutungsinhalten im Laufe der historischen Entwicklung, statt anzunehmen, Asylie habe von der archaischen bis in die römische Zeit dasselbe bedeutet. In den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde die Asylie in zwei zunächst unabhängig voneinander entstandenen Arbeiten erneut untersucht, wobei die Thesen Schlesingers in den Details des Verhältnisses zwischen Hikesie und Asylie eine Modifikation erfahren haben. Philippe Gauthier präzisiert in seinem Werk Symbola. Les étrangers et la justice dans les cités grecques die Vorstellung von Asylieverleihungen, indem er die von Schlesinger eingeführte Dichotomie von pesönlicher und territorialer Asylie erweitert. Die persönliche Asylie sei ihrerseits in ‚individuelle‘ und ‚kollektive‘ Asylie zu scheiden; im ersten Fall gewährte eine Polis einem Fremden Sicherheit vor dem Recht zur Beschlagnahme, im zweiten Fall garantierten sich zwei Poleis gegenseitig die Asylie.10 Unterdessen untersucht Wulfhart Ziegler in seiner Dissertation Symbolai und Asylia die in Zusammenhang mit Asylieverleihungen und συλᾶν-Verboten stehenden Vertragstexte. Im Zentrum seiner Arbeit steht die Analyse des ältesten, ein συλᾶν-Verbot übermittelnden Texts, des Vertrags zwischen den beiden ostlokrischen Poleis Chaleion und Oiantheia.11 An dieser Stelle darf auch Silvio Cataldis Band Symbolai e relazioni tra le città greche nel V secolo A. C. nicht ungenannt bleiben, der neben einer Fülle von für die vorliegende Untersuchung relevanten Einzelbeobachtungen den erwähnten Vertrag im Rahmen eines Schwerpunktkapitels behandelt.12 In einem materialreichen Aufsatz mit dem Titel Sulân. Représsailles et justice privée contre des étrangers dans les cités grecques trägt Benedetto Bravo im Jahre 1980 sowohl die bis dahin eher summarischen Nebenbemerkungen der Forschung zum Wortfeld συλᾶν, συλή, σῦλον als auch die einschlägigen antiken Textstellen zusammen. Er interpretiert das συλᾶν als ein Mittel der Selbstjustiz, welche er wiederum als eine Rechtsform begreift, das sogar als ein vom Krieg verschiedenes Mittel zwischenstaatlicher Kommunikation auftreten kann.13 Angelos Chaniotis berührt seit den 1990er Jahren in einer Vielzahl von Aufsätzen und Monographien die verschiedensten Aspekte von Asylie und Hikesie. An dieser Stelle sind zwei Aufsätze hervorzuheben, weil ihnen für das Verständnis von Asylie und Hikesie in der griechischen Antike ein besonders hoher Stellenwert beizumessen ist. In Conflicting Authorities. Asylia between Secular and Divine Law in the Classical and Hellenistic Poleis stellt Chaniotis die These auf, Hikesie habe sich im Wechselspiel mit der in der Archaik aufkommenden Vorstellung von Miasma gewandelt. Beschränkungen des Asylanspruchs seien als notwendig empfunden und nach und nach durchgeführt worden. Dies geschah jedoch ohne äußerste Konsequenz, da sich auch die ältere, aus dem göttlichen Recht legitimierte Vorstellung vom universellen Asylanspruch hielt. In diesem Aufsatz erfasst Chaniotis zudem die beschriebenen Schwierigkeiten der wissenschaftlichen Terminologie, 10 11 12 13

Gauthier 1972, 282–284. Ziegler 1975. Cataldi 1983, hier v. a. 53–86. Bravo 1980, v. a. 844 f., 960–968.

2.1 Forschungssituation

25

die Asylie und Hikesie häufig weder voneinander noch vom modernen Asylbegriff trennt, sehr genau. Er führt aus: Divine law recognizes no limits in the protection of suppliants. For the shake [sic!] of convenience I will call this protection asylia, although this term can be used in a variety of meanings in the ancient sources, from the inviolability of every sanctuary and the personal inviolability of an individual guaranteed by a foreign city, to the prohibition of reprisals agreed upon by two communities, or the inviolability of certain sanctuaries recognized by kings, cities and confederations.14

Die Entscheidung gegen eine an den antiken Quellen angelehnte Terminologie scheint für das Leseverständnis jedoch abträglich. In einem neueren Aufsatz mit dem Titel Die Entwicklung der griechischen Asylie: Ritualdynamik und die Grenzen des Rechtsvergleichs fragt Chaniotis nach gesetzgeberischen Einflussnahmen auf Asylie und Hikesie. Unter Rekurs auf die relevanten Quellen konstatiert er, dass im Gegensatz zu Israel in Griechenland der gesetzgeberische Einfluss auf die genannten Phänomene nicht, oder zumindest nicht in direkter Form, nachweisbar ist. Auch Gerhard Thür befasst sich – in Auseinandersetzung mit Chaniotis – mit der Gerichtliche[n] Kontrolle des Asylanspruchs. Er modifiziert die Thesen Chaniotis’ dahingehend, dass er eine eventuelle gerichtliche Kontrolle des Asylanspruchs auf Sklaven limitiert. Der Archäologe Ulrich Sinn beschäftigt sich in Aufsätzen en detail mit der griechischen Hikesie, wobei die Begrifflichkeiten Hikesie, Asylie und Asylrecht nicht immer klar getrennt werden. An Hand von baulichen Veränderungen zeichnet er für mehrere Heiligtümer die Entwicklung zur ‚Asylstätte‘ nach.15 Martin Dreher, ebenfalls seit den 1990er Jahren am Themenbereich Asyl in der Antike16 interessiert, hat maßgeblich das Augenmerk der Forschung auf diesen Sachverhalt konzentriert, und zwar als Initiator einer interdisziplinären Tagung zum Thema Das antike Asyl sowie als Leiter der Sektion mit dem Titel Das Asyl. Theoretische Begründung, rechtliche Ausgestaltung und politische Funktion von der Antike bis zur Neuzeit17 auf dem 43. Historikertag in Aachen. Auch in vielen weiteren, hier nur summarisch zu erwähnenden Aufsätzen18 legt Dreher seine Analyse der griechischen Verhältnisse vor. Kennzeichnend ist, dass er durchaus einen an den modernen Asylbegriff angelehnten terminus technicus ‚antikes Asyl‘ für besonders geeignet hält, um die Phänomene der Asylie und Hikesie zu umschreiben. Dabei fokussiert er auf die sakrale Legitimiation von Schutzgewährungsmechanismen als als tertium comparationis der Ideen.19

14 15 16 17 18 19

Chaniotis 1996a, 66; ähnlich verfährt der Autor auch im von ihm verfassten DNP-Artikel (Chaniotis 1997), wo er unter dem Schlagwort ‚Asylon‘ sowohl die Hikesie als auch die Asylie ohne weitere begriffliche Differenzierung abhandelt. Vgl. Sinn 1990; Sinn 1993; Sinn 2003. Dreher 1996. Dreher 2001. Vgl. z. B. Dreher 2003b; Dreher 2005a; Dreher 2006. Vgl. z. B. Dreher 2003a, 1, 4.

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2. Die Wurzeln der territorialen Asylie

Zwei philologische Dissertationen – Susanne Göddes Das Drama der Hikesie. Ritual und Rhetorik in Aischylos’ Hiketiden20 und Jonas Grethleins Asyl und Athen. Die Konstruktion kollektiver Identität in der griechischen Tragödie21 – bearbeiten schwerpunktmäßig das Feld der Hikesie im klassischen griechischen Drama. Beide Arbeiten verhelfen auf Grundlage von intensiver Textdarstellung und Erläuterung zu einem tieferen Verständnis der Institution der Hikesie und ihrer Grenzen. Ebenfalls philologischem Zugriff folgt die Dissertation Asyl. Die religiöse und rechtliche Begründung der Flucht zu sakralen Orten in der griechisch-römischen Antike Jochen Derliens. Einem modernen Asylbegriff folgend versucht er die Asylie in der gesamten Antike aufzufinden und zu erklären. Die Verwendung der Begrifflichkeiten ‚Asylie‘ und ‚Hikesie‘ gerät in diesem materialreichen Werk leider stark durcheinander. Eine breite Quellenbasis sowie einen geographisch wie zeitlich weitgefächerten Horizont weist die vergleichend angelegte juristische Dissertation Das sakrale Asyl in der Alten Welt. Zur Schutzfunktion des Heiligen von König Salomo bis zum Codex Theodosianus Christian Traulsens22 auf. Diese Arbeit rekurriert – dem Dreherschen Ansatz ähnlich – auf den Aspekt der mit der sakralen Sphäre verbundenen Schutzgewährung in antiken Gesellschaften. Traulsens Umgang mit der Terminologie innerhalb dessen, was er zum ‚sakralen Asyl‘ zusammenfasst, ist – auch wenn einige Details aus historischer Perspektive anders zu gewichten sind – akkurat und vorsichtig. Jedem Kapitel, das neue historische Begebenheiten reflektiert, wird eine Untersuchung der Begrifflichkeiten vorangestellt. Die entsprechenden Termini werden im Folgenden konsequent im Rahmen ihrer historischen Bedeutung verwendet. Zuletzt sei an dieser Stelle mit Bertram Turners Asyl und Konflikt von der Antike bis heute23 ein epochenübergreifendes Werk genannt. Das ethnologischen Methoden folgende Handbuch liefert neben theoretischen Konzepten einen konzisen Abriss des gegenwärtigen Wissens zur Hikesie und Asylie in der antiken Welt. Auch wenn einzelne Beurteilungen aus der Perspektive des Historikers anders ausfallen, erweist sich die Monographie Turners als gewinnbringend. 2.2 DAS WORTFELD ASYLIE: FORMEN UND INHALTE Bei der Beschäftigung mit einem antiken Gegenstand, der zuvorderst aus schriftlicher Überlieferung bekannt ist, erscheint es hilfreich zunächst die Begriffsgeschichte nachzuvollziehen. Der terminologischen Entwicklung und Ausdifferenzierung ist aber umso mehr Bedeutung beizumessen, je seltener ein Wort beziehungsweise je mannigfaltiger und umstrittener sein Bedeutungsinhalt ist. Im Falle der antiken griechischen Asylie verhält es sich so, dass mehrere, bis zu einem gewissen 20 21 22 23

Gödde 2000; vgl. auch Gödde 2003. Grethlein 2003. Traulsen 2004. Turner 2005.

2.2 Das Wortfeld Asylie: Formen und Inhalte

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Grad ähnliche Vorstellungen unter diesem Begriff subsumiert werden, zum anderen aber auch genuin von der Asylie unabhängige Wortfelder ihr terminologisch beigeordnet werden. Es scheint also durchaus lohnend, die Begriffsgeschichte an dieser Stelle nachzuzeichnen. Das Substantiv ἀσυλία24 bedeutet – so die communis opinio – ‚Unverletzlichkeit‘ und ist seit dem fünften Jahrhundert literarisch und epigraphisch bezeugt. Das Adjektiv ἄσυλος, das Adverb ἀσυλεί sowie das eher selten verwendete, aber durchaus schon im fünften Jahrhundert belegte Adjektiv ἀσύλητος, alle mit der Bedeutung ‚unverletzlich‘, gehören zur selben Ableitungsgrundlage.25 Auch das inschriftlich in Pamphylien in Zusammenhang mit einem Turm (πύργος) belegte ἀσύλωτος26 bedeutet ‚unverletzlich‘. Die genannten Begriffe sind folglich als Zusammensetzung aus α-privativum und der auch συλᾶν, συλή und σῦλον zugrundeliegenden Wurzel συλ- mit der Grundbedeutung ‚sich von etwas gewaltsam/energisch bemächtigen‘ zu interpretieren;27 es liegt also ein Begriffsfeld vor, das das Negativum zur gewaltsamen Aneignung, eben ‚Unverletzlichkeit‘, kennzeichnet. Eine etymologische Herleitung28 der Wurzel συλ- kann bislang nicht als gesichert angesehen werden. Bei initialem s- wäre natürlich ein vorgriechischer Stamm denkbar.29 Auch eine gewisse semantische wie lautliche Nähe zu σκύλλω ‚zerfleischen, zerreißen, schinden‘30 und den damit verwandten Nomina ist längst beobachtet und in den 1980er Jahren von Bravo prominent vertreten, jedoch bis heute nicht gesichert worden.31 Naheliegend scheint, dass das Verbum συλάω, nach dem 24 25 26 27

28 29 30 31

Im Boiotischen ist die Graphie ἀσουλία belegt, vgl. dazu Schlesinger 1933, 7. Vgl. Liddell/Scott 1996, s. v. ἀσυλία, ἄσυλος, ἀσυλεί, ἀσύλητος. Vgl. Ormerod/Robinson, 1910–1911, 231; vgl. auch Liddell/Scott 1996, s. v. ἀσύλωτος. Zur Bedeutung der Wurzel vgl. Frisk 1960–1972, s. v. συλάω; Chantraine 1968, s. v. συλάω; Beekes 2010, s. v. συλάω; zu den Belegen der Termini συλᾶν, συλή und σῦλον vgl. grundlegend Bravo 1980, v. a. 705–750; vgl. ferner Latte 1931; Schlesinger 1933, 7–28; Gauthier 1972, 210–219; Ziegler 1975, 66–88; knapp Derlien 2003, 39; Traulsen 2004, 164. Grundsätzlich zu Etymologie und historischer Verbreitung der einzelnen Bildungen sowie weiteren Wortformen, vgl. Frisk 1960–1972, s. v. συλάω sowie Chantraine 1968, s. v. συλάω. Vgl. dazu Schlesinger 1933, 7, der zudem einen Stamm σϜυλ- nicht ausschließt. Für eine solche Lautung sind jedoch keine Belege vorzufinden; Burkert 1996, 23. Frisk 1960–1972, s. v. σκύλλω sowie Chantraine 1968, s. v. σκύλλω. Bereits Schwyzer 1939, 329 schlägt eine vor- oder frühgriechische Entwicklung σκ- > ξ- > σ- vor, was jedoch in den etymologischen Wörterbüchern von Frisk (1960–1972, s. v. συλάω), Chantraine (1968, s. v. συλάω) und Beekes (2010, s. v. συλάω) und in der Bearbeitung des Begriffs bei Santiago Álvarez 2010 nur mit Bedenken wiedergegeben wird. Dagegen argumentiert jedoch Bravo 1980, 706–710; er nimmt an, σκύλλω (σκυλεύω, σκῦλον) und συλάω (συλή, σῦλον) hätten denselben Ursprung, aber sich seit homerischer Zeit immer weiter spezialisiert. Ausschlaggebend für die Argumentation ist folgender Gedankengang: σκῦλον bedeute ‚Balg, abgezogene Haut‘, womit auch σκύλος ‚abgezogene Tierhaut‘ und σκῦτος ‚Haut‘ korrespondiere. Dies decke sich mit der Bedeutung von συλᾶν ‚abziehen‘ und σκῦλα ‚Beute, dem Feind genommene Waffen‘ – beide Ausdrücke müssten auf ein Verbum/Nomen mit der Bedeutung ‚häuten‘, ‚abgezogene (Tier)haut‘ zurückgehen. Neben der Tatsache, dass diese These äußerst voraussetzungsreich ist, scheint eine Etymologie auf Basis semantischer Entsprechungen ohne fundierte lauthistorische Analyse generell ungünstig. In diesem Fall jedoch muss zudem darauf verwiesen werden, dass die scheinbare semantische Entsprechung zwischen

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2. Die Wurzeln der territorialen Asylie

Muster von τιμή : τιμάω : ἄτιμος : ἀτίμητος, denominativ von den Nomina συλή und σῦλον gebildet wurde und seinerseits die Ableitungsgrundlage für ἄσυλος, ἀσύλητος und auch ἀσυλία lieferte. Jedoch ist die Beleglage für diese Annahme durchaus problematisch – während συλάω samt der epischen Nebenform συλέω bereits bei Homer Verwendung findet, sind die Nomina συλή und σῦλον im Singular erst spät geläufig32 und lediglich pluralisch bereits seit klassischer Zeit vertreten.33 Auch für das Benennungsmotiv der Wurzel συλ-, ob sie im Ursprung nun als nominal oder verbal zu deuten ist, können keine stichhaltigen Aussagen getroffen werden. Die mit ἀ-συλ- gebildeten Worte verbleiben während der gesamten archaischen, klassischen und hellenistischen Periode in der Bedeutungssphäre von ‚Unverletzlichkeit‘. Ein τὸ ἄσυλον, was in lat. asylum, einem Lehnwort aus dem Griechischen, fassbar wird, und dem der bis in die Moderne prägende Bedeutungsinhalt ‚Asyl‘ innewohnt, kann im Griechischen außerhalb Ägyptens nicht nachgewiesen werden.34 Dennoch lässt ein Blick in die gängigen Nachschlagewerke Gegenteiliges vermuten: Paul Stengels mit „Asylon“35 überschriebener RE-Artikel zum in der Forschung meist mit antikes Asyl, antikes Asylrecht oder ähnlichen Syntagmen gefassten Themenfeld, steht in der im 19. Jahrhundert beliebten Tradition die komplizierten griechischen Verhältnisse aus einer von den Römern übernommenen Warte zu betrachten.36 Auch im Neuen Pauly setzt sich diese Tradition fort. Chaniotis’ inhaltlich überzeugender Artikel zum besagten Thema ist ebenfalls mit „Asylon“ überschrieben.37 Zwar wird in der Klammer auf ἱερὸν ἄσυλον verwiesen, der grundsätzliche Eindruck, ein substantiviertes neutrales Asylon sei im Griechischen geläufig, bleibt jedoch erhalten. Im griechischen Wörterbuch von Henry G. Liddel und Robert Scott wird sowohl die Bedeutung ‚Asyl‘ (engl. refuge oder sanctuary) als auch die Form τὸ ἄσυλον generell angenommen.38

32 33 34 35 36 37 38

σκῦλον ‚Balg, abgezogene Haut‘ und συλᾶν ‚abziehen‘ einem großen Missverständnis der Etymologie von σκῦλον geschuldet und daher unhaltbar ist. Die Verbalwurzel *(s)keu̯-, von der σκῦλον letztendlich eine -lo-Ableitung darstellt, bedeutet ‚bedecken, umhüllen‘ und ist in den indogermanischen Sprachen sehr gut bezeugt. Idg. *skū-lo- steht primär für ‚das, was versteckt ist‘ beziehungsweise ‚das Mittel zum bedecken/umhüllen/verstecken‘ und im Falle von gr. σκῦλον wird die semantische Entwicklung gemeinhin so erklärt, dass die abgezogene Tierhaut, das Leder also, als Kleidung den Menschen ‚bedeckt‘. Analoges gilt für den Balg, der mit Leder bespannt ist. Zur Wurzel *(s)keu̯- und den einzelsprachlichen Fortsetzern vgl. grundlegend Pokorny 52005, s. v. 2.(s)keu-; LIV2, s. v. *(s)keu̯-. Einzigartig ist die singularische Verwendung von συλή in einer um 500 datierten samischen Weihinschrift (IG XII 6, 2, 561); inhaltlich vgl. dazu auch Schlesinger 1933, 20 f.; Ziegler 1975, 67; Santiago Álvarez 2010, 628; dagegen Bravo 1980, 732. Bravo 1980, 705 teilt diese Bedenken nicht. Schlesinger 1933, 7; Dreher 1996, 80. Stengel 1896. Vgl. dazu auch Ager 1998, 169. Chaniotis 1997, Sp. 143. Liddell/Scott 1996, s. v. ἄσυλος. Auch Beekes 2010, s. v. συλάω, führt die betreffende Form, wobei der Eindruck erweckt wird, die Beleglage sei deutlich besser; für die ägyptischen Belege vgl. Preisigke 1925, s. v. ἄσυλον.

2.2 Das Wortfeld Asylie: Formen und Inhalte

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Der dabei maßgebliche Beleg ist in einer von Friedrich Bechtel in der Sammlung der Griechischen Dialektinschriften publizierten Inschrift zu finden.39 Darin wird ein aus dem zweiten Jahrhundert stammender Freundschaftsvertrag zwischen der kretischen Polis Allaria und Paros dokumentiert. Nach der üblichen Grußformel werden zunächst – in der Bechtelschen Interpretation – Gesandte περὶ τὠσύλω ‚bezüglich des Asylons‘ ernannt. Auch die Inscriptiones Creticae übernehmen Bechtels Lesart.40 Gerade ob der Einmaligkeit eines substantivierten Neutrums τὸ ἄσυλον und der Häufigkeit des im Folgenden noch näher zu erläuternden Ausdrucks τὸ σῦλον mit der Grundbedeutung ‚gewaltsame Selbsthilfe‘ besonders auf Kreta, ist der Lesart τῶ σύλω41 ‚bezüglich des Sylon‘ Vorzug zu gewähren – einer Lesart im Übrigen, die bereits Schlesinger nach mündlicher Mitteilung Rudolf Herzogs präferiert.42 Der betreffende Abschnitt der allarischen Inschrift lautet somit: Ἀλλαριωτᾶν οἱ κόσμοι καὶ ἁ πόλις Παρίων τᾶι βουλᾶι καὶ τῶι δάμωι χαίρεμ. παραγενομένων τῶν πρεσβευτᾶν ποτ’ ἀμέ, Φάνιός τε καὶ Δόρκω, οὓς ἀπεστείλατε πρεσβεύσοντας περὶ τῶ σύλω ποθ’ ἁμέ […]. Die Kosmoi der Allarioten und die Polis der Parier grüßen den Rat und das Volk. Von den unter uns anwesenden Gesandten, Phanios und Dorkos, die Ihr zu uns geschickt habt, als Gesandte zu fungieren, bezüglich des Sylons […].

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass nur wenige Jahre zuvor die Allarioten die Polis Teos und ihr Umland unter einer zur Gänze gewöhnlichen Verwendung des Adjektivs ἄσυλος für ‚heilig und unverletzlich‘ erklärten: […] καὶ Τηίων τάν τε πόλιν καὶ τὰν χώραν ἀνίεμεν ἱερὰν καὶ ἄσυλον νῦν τε καὶ εἰς τὸν ἄλλον χρόνον πάντα […]. […] und die Polis der Teier und ihr Umland sei geweiht als heilig und unverletzlich jetzt und für alle Zeit […].

Es lässt sich daher festhalten, dass dieser Beleg für ein substantivisches neutrales τὸ ἄσυλον in hellenistischer Zeit zu Gunsten einer stimmigeren Lesart aufgegeben werden muss. Andere vorrömerzeitliche Belege von ἄσυλον – sowohl in der Literatur, als auch in Inschriften oder Papyri – sind ebenfalls nicht als substantivierte Neutra zu identifizieren. Die Herkunft von lat. asylum, der Bezeichnung für ein Heiligtum, das als Asyl fungiert, ist also in zweierlei Hinsicht problematisch. Zum einen existiert ein entsprechendes substantiviertes Neutrum im Griechischen nicht; zum anderen ist auch das Signifiée des lateinischen Ausdrucks nicht mit dem der griechischen Begriffe ἀσυλία, ἄσυλος, ἀσυλεί sowie ἀσύλητος gänzlich übereinstimmend. Um die Entlehnungsgrundlage für lat. asylum zu ermitteln, ist daher zunächst herauszustellen, warum ein neutrales Substantiv bei der Übernahme formal geeignet 39 40 41 42

Bechtel, GDI 4940, 14. ICret II, I 2, Frg. B, Z. 4. SEG 19, 598 (2); SEG 30, 1109. Schlesinger 1933, 7.

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2. Die Wurzeln der territorialen Asylie

erschien, das griechische Phänomen zu bezeichnen. Ein Blick in die Quellen offenbart eine für das behandelte Problem sehr prominente, beinahe schon syntagmatische Verbindung: für unverletzlich erklärte oder auch einfach betonterweise unverletzliche Heiligtümer werden τὸ ἱερὸν ἄσυλον genannt. Auch Römer bedienten sich nachweislich dieser Formulierung, wie ein senatus consultum unter Sullas Beteiligung aus den 80er Jahren des ersten Jahrhunderts an die Polis Stratonikeia demonstriert.43 Es ist nachvollziehbar, dass aus der sehr eingängigen Verbindung eines neutralen Substantivs und eines näher charakterisierenden Adjektivs durch Ellipse des Nomens leicht ein substantivisch wahrgenommenes Adjektiv hervorgehen konnte.44 Denn das Adjektiv ist in diesem Fall Träger des spezialisierenden Moments, das das unverletzliche Heiligtum gegenüber anderen Heiligtümern hervorhebt.45 Vor allem für fremde Ohren erschien so das Adjektiv möglicherweise dringender memorierbedürftig. An dieser Stelle darf aber auch die Frage nach der inhaltlichen Verschiedenheit zwischen lat. asylum und den im Griechischen mit ἀ-συλ- gebildeten Begriffen nicht ausgeblendet werden. Zuerst belegt ist lat. asylum in den 70er Jahren des ersten Jahrhunderts in Ciceros Orationes in Verrem. Der Autor berichtet beiläufig von der Flucht eines Sklaven in das ephesische Artemision, das er bei dieser Gelegenheit „illud asylum“ nennt.46 Was mit lat. asylum tatsächlich gemeint ist, beschreibt zuerst Livius: Templum est Apollinis Delium, imminens mari; quinque milia passuum ab Tanagra abest; minus quattuor milium inde in proxima Euboeae est mari traiectus. Ubi est in fano lucoque ea religione et eo iure sancto47, quo sunt templa, quae asyla Graeci appellant […]. Delion ist ein Heiligtum des Apollon unmittelbar am Meer; es ist fünf Meilen von Tanagra entfernt. Von dort beträgt die Überfahrt zu der nächsten Stelle auf Euböa weniger als vier Meilen. Hier befanden sich in einem Heiligtum und in einem Hain, der durch religiöse Scheu und das Recht unverletzlich war, wie es die Heiligtümer sind, die die Griechen Asyle nennen […].48

Wenige Jahre später überliefert Tacitus in seinen Annalen die Revision der griechischen asyla unter Tiberius im Jahre 22/23 n. Chr.49 Eine Maßnahme, die nötig wurde, weil – so Tacitus – „crebrescebat enim Graecas per urbes licentia atque impunitas asyla statuendi“,50 und die Poleis des griechischen Ostens veranlasste ihre Ansprüche auf die römische Anerkennung als Asylstätte vorzutragen. 43 I.Startonikeia 505, Z. 57–59 (= OGIS 441, Z. 57–59, 113; RDGE 18, Z. 57–59, 113). 44 So auch Derlien 2003, 40. 45 Zur Problematik der generellen Unverletzlichkeit von Heiligtümern und der Hierosylie, vgl. Trampedach 2005, v. a. 144. 46 Cic. Verr. 2, 1, 85; Zu lat. asylum vgl. auch Derlien 2003, 40–43, der allerdings irrtümlich Cic. Verr. 2, 1, 33 angibt. 47 Zu lat. sanctus als parallelem Begriff zu ἄσυλος, vgl. Derlien 2003, 63. 48 Liv. 35, 51, 1–2; Übers. nach: Titus Livius, Römische Geschichte. Lateinisch-deutsch, hg. von Hans Jürgen Hillen und Josef Feix, Darmstadt 1987–2000. 49 Tac. Ann. 3, 60–63; Vgl. dazu generell Rigsby 1996, 580–586; Belloni 1984; Dreher 1996, 91–94; Dreher 2005b. 50 Tac. Ann. 3, 60, 1.

2.2 Das Wortfeld Asylie: Formen und Inhalte

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Lat. asylum steht für ein Heiligtum, das gemäß griechischer Sitte einen gegenüber anderen Heiligtümern, die diese Bezeichnung nicht tragen, herausgehobenen Status der Unverletzlichkeit zu eigen hat, und zwar sowohl aus religiösen als auch aus rechtlichen Gründen. Dieses erstmals im ersten Jahrhundert belegte Wort referiert vermutlich auf ein in griechischen Quellen verwendetes Syntagma, beispielsweise τὸ ἱερὸν ἄσυλον, das bei der Übernahme durch Ellipse zum neutralen Substantivum asylum verkürzt wird und zugleich eine Bedeutungsvarianz erfährt. Denn der Bedeutungsinhalt dessen, was die Römer asylum nennen, deckt sich nicht mit dem des Begriffsfeldes um ἀσυλία und ἄσυλος.51 Gerade das Genus von lat. asylum, aber auch der semantische Wandel, der von gr. ἀσυλία/ἄσυλος zu lat. asylum vonstattengegangen sein muss, erlauben dabei eine Stelle aus Plutarchs Lebensbeschreibung des Romulus in den Vordergrund zu rücken. Der Autor formuliert im Rahmen der gemeinhin als asylum Romuli52 bezeichneten Episode, dass Romulus und Remus bei der Gründung der Stadt Rom ein dem „θεὸς Ἀσυλαῖος“ geweihtes „ἰερὸν τι φύξιμον“, also ein als Zufluchtsstätte fungierendes Heiligtum, angelegt hätten.53 Die Epiklese Gottes, Ἀσυλαῖος, die ihn als mit dem Asyl betraut kennzeichnet, setzt in diesem Kontext bereits die Vorstellung von dem mit lat. asylum Bezeichneten voraus. Es ist gerade die Benennung als Zufluchtstätte, die den größten Unterschied zwischen den unverletzlichen griechischen Heiligtümern – die zwar ob ihres sakralen Charakters für Hikesie offen waren, aber eben keine dezidierten Zufluchtheiligtümer – und den Asyla der Römerzeit darstellt. Τὸ φύξιμον könnte folglich im Entlehnungsvorgang von lat. asylum neben τὸ ἱερὸν sowohl für Genus als auch für einen Teil der prägenden Idee Pate gestanden haben. In diesem Zusammenhang ist des Weiteren bedeutend, dass „φύξιμον als terminus technicus […] wohl erst hellenistischen Ursprungs“54 sein dürfte und nach einer Herleitung Schlesingers eine Art Steuerungsmechanismus der Hikesie dargestellt habe. Die φύξιμα seien seitens der jeweiligen Staaten eingeführt worden, um Hikesie zu begrenzen und zu konzentrieren.55 Der Entwicklung dieser Kontrolle des – mit modernen Worten gesprochen – Asylanspruchs hat Chaniotis nachgespürt. Seine Kernthese ist, dass die Freiheit des Flüchtlings von Befleckung (μίασμα)56 seit der Archaik zuerst in Hinblick auf seine Taten und seit dem vierten Jahrhundert auch auf seine geistige Gesinnung, zum Unterscheidungskriterium für die Berechtigung zur Hikesie geworden sei. Die einzelnen Staaten hätten versucht, den uneingeschränkten, göttlich legitimierten 51 52 53 54 55 56

Babo 2003, 43–54 beschreibt römische Formen von Asylie und Hikesie (mit dieser Terminologie), wobei beide Begriffe stark durcheinandergeraten. Die Tradition des asylum Romuli ist zuerst bei Liv. 1, 8, 5 und Verg. Aen. 8, 342 auszumachen; vgl. dazu CoŞkun 2009, 13 f.; Guzmán Armario 2009; Fanizza 2012; Marcattili 2014; vgl. ferner Derlien 2003, 43. Plut. Rom. 9, 3. Vgl. dazu Schlesinger 1933, 38. Schlesinger 1933, 36–38. Vgl. dazu Parker 1983, bes. 1–17; Briut Zaidmann/Schmitt Pantel/Cartledge 1992, 9 f.

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2. Die Wurzeln der territorialen Asylie

Hikesieanspruch durch entgegenwirkende Maßnahmen zu minimieren, was jedoch ob der konkurrierenden Autoritäten der beiden Modelle nicht konsequent durchgesetzt werden konnte.57 Als der Einfluss Roms in der östlichen Mittelmeerwelt zu wachsen begann und die Römer sich des in dieser Untersuchung im Zentrum stehenden hellenistischen politischen Interaktionsmittels der Asylieverleihungen bedienten58 sowie das dazugehörige Vokabular lernten – zu dem auch der Ausdruck τὸ ἱερὸν ἄσυλον gehört – war die Diskussion um eine Steuerung und Konzentration der Hikesie bereits weit fortgeschritten. Asylie und Hikesie, die ohnehin nur schwerlich scharf differenziert werden können, wurden so weiter verschränkt. Auf griechischer Seite könnte sich das in der Entwicklung des Ausdrucks φύξιμον zur Bezeichnung eines mit gewissen Vorrechten ausgestatteten Heiligtums kristallisiert haben; auf römischer hingegen in der Fixierung des Adjektivs ἄσυλος im Neutrum, was zugleich auf τὸ ἱερόν als auch τὸ φύξιμον referieren könnte, seiner Substantivierung und seiner Entlehnung als lat. asylum. Einen Hinweis darauf, dass auch jüngere römische Asylieverleihungen auf ältere in Kommunikation mit den Griechen eingeübte Muster verweisen, liefert Strabon. In der Beschreibung Ephesosʼ erwähnt er die Asylie des Heiligtums der Artemis, wobei augenscheinlich bereits das asylum-Konzept gedacht wird, und betont, Mark Anton hätte den Geltungsbereich der Asylie des Artemisions erweitert sowie einen Teil der Stadt mithineingenommen.59 Wie auch immer man diese Stelle in Hinblick auf die Annhame territorialer hellenistischer Asylie des Artemisions beurteilen mag, der Konnex zwischen Heiligtum und Stadt reflektiert übliche Muster der Verleihungen territorialer Asylie. So wird noch einmal deutlich, dass die Römer die diplomatische Sprache der Asyliedokumente durchaus kannten und verwendeten, wenn auch im Verlaufe der Zeit das Bezeichnete variierte. Zusammenfassend sei festgehalten, dass für die archaische, klassische und hellenistische Zeit in Griechenland nicht mit einem aus lat. asylum erschlossenen τὸ ἄσυλον gerechnet werden kann. Damit entfällt die Rechtfertigung die mit ἀ-συλgebildeten griechischen Begriffe, die sämtlichst Unverletzlichkeit anzeigen, unterschiedslos zu Zeugnissen eines (antiken sakralen) Asyl(recht)s zu erklären und sie damit auf der Analyseebene begrifflich ersetzend für Hikesiephänomene zu verwenden. 2.1.1 Das sylan(-Recht) und seine Eindämmung Die Ausdrücke ἀσυλία, ἄσυλος, ἀσυλεί, ἀσύλητος sowie ἀσύλωτος stellen, wie erwähnt, Negativa zur Wurzel συλ- ‚sich von etwas gewaltsam/energisch bemächtigen‘ dar, von der die positiven Ausdrücke συλᾶν, συλή und σῦλον abgeleitet sind. Die Entwicklungen der Wortfelder sind von daher begriffsgeschichtlich ineinander 57 58 59

Chaniotis 1996a; Thür 2003; Chaniotis 2007. Eine Liste römischer Asyliedekrete findet sich bei Derlien 2003, 127–129. Für die Römer als Asylieverleiher im dritten und zweiten Jahrhundert, s. auch 211–214, 241 f.; für das erste Jahrhundert s. bes. 266–269. Strab. geogr. 14, 1, 23.

2.2 Das Wortfeld Asylie: Formen und Inhalte

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verwoben und müssen bei einer umfassenden Betrachtung gemeinsam untersucht werden. Aus chronologischen Gründen steht dabei der früher anzusetzende Begriffskreis um συλᾶν zuerst im Mittelpunkt. Bereits im mykenischen Griechisch gibt es Hinweise auf die Existenz des Verbums συλάω ‚sich von etwas gewaltsam bemächtigen‘. Während die verbalen Belegstellen verhältnismäßig unsicher der Wurzel συλ- beigeordnet werden, scheint die deverbale Bildung συλατήρ mit der Bedeutung ‚derjenige, der den Akt der Bemächtigung ausführt‘ verlässlicher.60 Die ältesten gesicherten Belege des Verbums συλάω und seiner Nebenformen συλέω und συλεύω stammen aus der Ilias Homers, wo die Grundbedeutung der Wurzel, etwa ‚sich von etwas gewaltsam/energisch bemächtigen‘, klar erkennbar ist.61 Die übrigen Ilias-Stellen weisen die Bedeutungsverschiebung in Richtung ‚(be)rauben‘ in Bezug auf Rüstung und Waffen des gefallenen Feindes auf.62 In den Homerischen Hymnen und der Odyssee hingegen kommen συλάω/ συλέω/συλεύω nicht vor,63 was sich möglicherweise aus der gegenüber der Ilias veränderten Thematik erklärt. Denn während die Ilias den Krieg zwischen den Achaiern und Trojanern mit allen seinen gewaltvollen Facetten zum Gegenstand hat, stehen in den Homerischen Hymnen die mit den Göttern und ihren Kulten verbundenen Geschichten und in der Odyssee die Reiseabenteuer des Odysseus im Vordergrund. Auch im Drama64 sowie in der Prosa der klassischen Zeit lässt sich eine Verwendung des Verbums συλάω im Sinne von ‚(be)rauben‘ nachweisen. Exemplarisch sei an dieser Stelle Herodot zitiert, der im 6. Buch seiner Historien von der Plünderung und Zerstörung der Tempel Eretrias berichtet: […] οἳ δὲ ἐσελθόντες ἐς τὴν πόλιν τοῦτο μὲν τὰ ἱρὰ συλήσαντες ἐνέπρησαν, ἀποτινύμενοι τῶν ἐν Σάρδισι κατακαυθέντων ἱρῶν […]. […] diese drangen in die Stadt, und nachdem sie den Tempel geplündert, steckten sie selben in Brand, als Vergeltung für die in Sardes verbrannten Tempel […].65

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62 63 64 65

Vgl. Aura Jorro/Advados 1993, s. v. su-ra-se; su-ra-te mit Literatur und Belegstellen. Hom. Il. 4, 105 f.; 116; Vgl. dazu Schlesinger 1933, 8. Auch Bravo 1980, 709, nimmt an, σύλα bedeute in der betreffenden Passage „prendre (avec energie)“, geht aber, von seiner irrtümlichen etymologischen Grundannahme (s. 27 f., Anm. 31) geleitet, von einer semantischen Veränderung von der erschlossenen Urbedeutung aus. In Anbetracht der großen Unsicherheiten der Etymologie scheint es jedoch ausreichend, lediglich die tatsächlich belegten Verwendungsweisen von συλάω/συλέω/συλεύω zu berücksichitgen. Ducrey 1968, 295 f. nimmt dagegen an, συλᾶν bedeute die Beeinträchtigung von Tempelgut und trennt die iliadischen Formen von restlichen Belegen; Pritchett 1991, 132, erläutert in seiner Analyse der Begriffe für ‚Beute‘, dass das betreffende Verbum durch seine häufige Verwendung im Zusammenhang mit Heiligtumsplünderungen eine assoziative Nähe zu sakralen Gegenständen bekäme und diese Tendenz im modernen Griechisch fortgesetzt sei. Hom. Il. 5, 48; 6, 28; 7, 78; 10, 343; 11, 110; 13, 641; 15, 428; 22, 258; zu den Belegen vgl. die Konkordanz Prendergast 1962. Vgl. Schlesinger 1933, 8; Bravo 1980, 708. Aus der Fülle der Belege möchte ich an dieser Stelle auf den Feuerraub des Prometheus (Aischyl. Prom. 83 f.) sowie Neoptolemosʼ Klage, Ajas hätte nicht zugelassen, dass er dergestalt ausgeraubt würde (Soph. Phil. 412 f.), verweisen. Hdt. 6, 101; Übers. nach: Herodot, Historien, übers. von Christian Bähr, Wiesbaden 22004.

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2. Die Wurzeln der territorialen Asylie

Herodot verbindet in diesem Abschnitt die beiden Ausdrücke ἱερόν und συλᾶν, die in komponierter Form, als Hierosylie, einen verwerflichen, aber realiter durchaus vorhandenen Sakralfrevel beschreiben.66 Schließlich lässt sich für die Verwendungsweise von συλάω/συλέω/συλεύω subsumieren, dass die Grundbedeutung ‚sich von etwas gewaltsam/energisch bemächtigen‘ in den literarischen Quellen der archaischen und klassischen Zeit durchaus haltbar zu sein scheint, weil so die verschiedenen Facetten des semantischen Gehalts betreffender Verba – vom energischen Herausreißen von Waffen bis zur Plünderung von Leichnamen oder Heiligtümern – problemlos reflektiert werden können. Etwa seit dem sechsten Jahrhundert ist συλᾶν auch aus epigraphischen Quellen bekannt, in klassischer und hellenistischer Zeit häufen sich die Belege.67 Substantivisch werden zuerst die pluralischen Formen σῦλαι (zu συλή) und σῦλα (zu σῦλον) verwendtet. Im vierten Jahrhundert setzt sich die singularische Konstruktion mit σῦλον durch.68 Συλή ist generell selten und zuerst um 500 belegt.69 Über die Nuancen der Bedeutung dieser Termini ist in der Forschung viel diskutiert worden, obwohl seit Louis-Jules Gernet feststeht, „συλᾶν a une riche variété dans ses emplois“70 und damit gewisse zeitlich und örtlich bedingte Bedeutungsschwankungen völlig problemlos angenommen werden können. Zuletzt wurde das Wortfeld 1980 von Bravo tiefergehend untersucht, wobei der Autor aus Gründen einer fehlgeleiteten etymologischen Erklärung71 diffizile Bedeutungsvariationen annimmt und selbige zur Abgrenzung des Verbums συλᾶν gegen andere semantisch verwandte Begriffe, wie ῥυσιάζειν, ἄγειν und φέρειν etc. verwendet.72 Diese äußerst scharfe Konturierung der Bedeutungsinhalte führt auf Grund ihrer nur bedingten Anwendbarkeit zu einer gewissen Schwammigkeit der betreffenden Quellenpassagen, so dass im Rahmen der vorliegenden Untersuchung auf die manchenteils vielleicht etwas schematische Darstellung Schlesingers,73 und im Anschluss auch die Gauthiers, Zieglers und Turners, zurückgegriffen und für σῦλαι/σῦλα/συλή/σῦλον eine Arbeitsdefinition im Sinne von ‚Recht zur/ Ergebnis von gewaltsamer, eigenmächtiger Selbsthilfe‘ vorausgesetzt wird.74 66 67 68 69 70 71 72 73 74

Der Begriff ἱεροσυλία ist zum ersten Mal in Plat. leg. 854 b belegt; vgl. dazu Schlesinger 1933, 31. Zum Phänomen der Hierosylie, vgl. Trampedach 2005 mit einer Aufzählung der Hierosylien der klassischen Zeit. Gauthier 1972, 212. Während συλή einen frühen, jedoch singulären Beleg in der samischen Weihinschrift IG XII 6, 2, 561 hat. Inschriftlich auf Samos: IG XII 6, 2, 561; vgl. dazu Meiggs/Lewis 21988, 16; Schlesinger 1933, 20 f.; Ziegler 1975, 67; dagegen Bravo 1980, 732. Gernet 1904, 264. S. 27 f., Anm. 31. Vgl. dazu auch Pritchett 1991, 17–152, der im Rahmen der Untersuchung des Vokabulars für ‚Beute‘ sowohl die synonyme Verwendungsweise als auch die jeweiligen Unterschiede im Gebrauch strukturiert erläutert und Bravos Thesen mehrfach recht schroff zurückweist. Schlesinger 1933, 10–28; vgl. ferner Gauthier 1972, 212 f.; Ziegler 1975, 67 f.; Turner 2005, 66. Nach Schlesinger 1933, 13, 16, bedeutet συλᾶν in epigraphischen Quellen ‚gewaltsame, eigenmächtige Selbsthilfe (im zwischenstaatlichen Raum) auszuüben‘ – auch im Sinne der Piraterie –, da gerichtliche Verfahren nicht im erforderlichen Ausmaß greifbar beziehungsweise

2.2 Das Wortfeld Asylie: Formen und Inhalte

35

Dass dieser Art Selbstjustiz sich aber nicht im rechtsfreiem Raum abspielt, stellt einen erwähneneswerten Aspekt der Interpretation Bravos dar. Denn die „justice privée“ erfolge zwar ohne die Bemühung von Gerichten, jedoch im Rahmen eines als verbindlich empfundenen gewohnheitsmäßigen Repressalienrechts.75 Συλᾶν sei zwischen zwei Staaten, aber auch zwischen einem Staat und einem Individuum oder zwei Individuen möglich gewesen. Diese Interpretation verhilft zu einem besseren Verständnis von συλᾶν, da sie es aus der undefinierten beziehungsweise kaum zu definierenden Sphäre des „pseudo-judicaire, pre-judicaire, post-judicaire“76 hebt und es als eine Rechtsform versteht. Dieser Annahme Bravos liegt ein gegenüber seinen Vorgängern verändertes Verständnis griechischer zwischenstaatlicher Beziehungen zu Grunde, und zwar eines, das – trotz aller Modifikationen – den Frieden als ‚Normalzustand‘77 ansieht, und auch den Fremden oder Reisenden nicht im rechtfreien Raum ansetzt: pour fair la guerreil fallait toujours qu’il y eût une décision politique, alors que pour „mener la paix, pour „mener la tranquillité“ (εἰρήνην ou ἡσυχίαν ἄγειν), cette condition n’etaint pas toujoure requise. Autrement dit: si deux cités ne s’étainent jamais fait la guerre, elles étaient en état de paix l’une avec l’autre, sans qu’elles eussent conclu auparavant aucun traité.78

Der Autor negiert mit seinem Ansatz aber nicht die Allgegenwärtigkeit von Gewalt im antiken Griechenland,79 vielmehr verweist er auf divergente Friedenskonzepte. Er formuliert, neben Frieden und Krieg, habe es verschiedene Phänomene gegeben, die den Friedenszustand modifiziert hätten. Eines davon offenbare sich in mit συλᾶν

75 76 77 78 79

entwickelt waren. Dabei richte sich συλᾶν gegen die gesamte Rechtsgemeinschaft des Feindes und es würde nicht zwischen Privat- und Staatseigentum unterschieden. Vgl. dagegen Bravo 1980, der diese Annahme degeneralisiert. Für die Nomina hält Schlesinger 1933, 18, fest, συλή bedeute das ‚Recht zum συλᾶν‘, σῦλον sowohl das ‚Recht zum συλᾶν‘ als auch das ‚Ergebnis des συλᾶν‘, das ‚genommene Pfand‘. Vgl. dagegen Bravo 1980, 704, 720, 809, wo er trotz angeführter gegenteiliger Belege die Möglichkeit negiert, dass σῦλον jemals ‚Pfand‘ bedeuten könnte. Συλή im Singular bedeute abweichend von der Bedeutung der Pluralia ‚Beute‘ (Bravo 1980, 731). Σῦλαι/σῦλα/σῦλον seien als ‚gewohnheitsrechtliche Beschlagnahmungen zum Zwecke der Kompensation‘ oder ‚durch Poleis autorisierte Beschlagnahmungen zum Zwecke der Vergeltung‘ (Bravo 1980, 747) zu fassen. Zu Piraterie vgl. grundlegend Ormerod 1967; Pritchett 1991 mit Forschungsüberblick (312–320); de Souza 1999; Gabrielsen 2001; Wiemer 2002 mit Forschungsüberblick (111–113); Chaniotis 2005c, 133–140; Gabrielsen 2013; Bresson 2016, bes. 181–184; 280–285; 302–305; vgl. ferner Wendt 2016, 89– 91 mit grundsätzlichen terminologisch-methodischen Bedenken. Bravo 1980, 675. So bei Gauthier 1972, 210. Zu Bemühungen einen ‚Allgemeinen Frieden‘ zu installieren, vgl. jetzt Daverio Rocchi 2013; Low 128, bes. 128–131; vgl. ferner Wilker 2012. Bravo 1980, 989; vgl. auch 978–980, wo sich der Autor mit der These das Krieges als Naturzustand im 19. Jahrhundert auseinandersetzt. Da die Fülle von Forschungsbeiträgen zur Gewalt in der Antike seit einigen Jahren kontinuierlich zunimmt, sei an dieser Stelle auf einige Schlaglichter verwiesen, die Gewalt im zwischenstaatlichen Kontext besonders im Blick haben. Vgl. etwa die Sammelbände Fischer/Moraw 2005; Zimmermann 2009; Linder/Tausend 2011; Riess 2012; vgl. ferner Zimmermann 2013, bes. 165–196.

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2. Die Wurzeln der territorialen Asylie

bezeichneten Vorgängen. Denn in Zusammenhang mit συλᾶν geingen Individuen auf eigenes Risiko für ihr eigenes Interesse einen Konflikt ein, auch wenn sie dazu ermutigt und authorisiert wurden; dies sei eine Parallele zur Piraterie, denn solange zu den Poleis der Beraubten keine Isopolitie- oder Freundshaftsverträge bestanden hätten, wäre Piraterie von den Mitgliedern entsprechender Staaten als erlaubte Aktion angesehen worden, und zwar auch, wenn zwischen den beiden Gemeinschaften kein Krieg bestand. Das συλᾶν auf zwischenstaatlicher Ebene aber auch unter Beteiligung von Einzelpersonen wird mit Bravo zu einem politischen Mittel, Ansprüche durchzusetzen, ohne Krieg zu beginnen oder im Krieg befindlich zu sein.80 Dass das Recht zur eigenmächtigen und gewaltsamen Selbsthilfe nicht unangefochten blieb, wird schon allein in der Prägung des Adjektivs ἄσυλος offenbar. Darüber hinaus existieren bereits früh Verträge, die das συλᾶν-Recht einschränken. Eine ob ihres Alters und der Dichte der Verwendung von Ausdrücken zur Wurzel συλ- vieldiskutierte Inschrift bildet einen Vertrag zwischen den ostlokrischen Poleis Oiantheia und Chaleion aus der Mitte des fünften Jahrhunderts ab. A

⋮ τὸν ξένον μὲ ℎάγεν ⋮ ἐ(τ) τᾶς Χαλεΐδος ⋮ τὸν Οἰανθέα μεδὲ τὸν Χαλειέα ⋮ ἐ(τ) τᾶς Οἰανθίδος ⋮ μεδὲ χρέματα αἴ τι(ς) συλο̑ι ⋮ τὸν δὲ συλο̑ντα ἀνάτο(ς) συλε̑ν. τὰ ξενικὰ ἐ(θ) θαλάσας ℎάγεν ⋮ ἄσυλον ⋮ πλὰν ἐ(λ) λιμένος ⋮ το̑ κατὰ πόλιν ⋮ αἴ κ’ ἀδίκο(ς) συλο̑ι ⋮ τέ5 τορες δραχμαί ⋮ αἰ δὲ πλέον δέκ’ ἀμαρᾶν ἔχοι τὸ σῦλον, ℎεμιόλιον ὀφλέτο ότι συλάσαι ⋮ αἰ μεταϜοικέοι πλέον μενὸς ἒ ὀ Χαλειεὺς ἐν Οἰανθέαι ἒ Οἰανθεὺς ἐν Χαλειο̑ι, τᾶι ἐπιδαμίαι δίκαι χρέστο ⋮

Den Fremden soll der Oiantheier nicht aus dem Gebiet von Chaleion noch der Chaleier aus dem von Oiantheia wegführen, noch seine Habe, wenn er die Beschlagnahme vornimmt. Wer aber dennoch Beschlag nimmt, den darf man ungestraft mit Beschlagnahme belegen. Das Eigentum von Fremden darf man aus dem Meere fortnehmen, ohne der Beschlagnahme zu verfallen, außer aus dem Hafen der beiden Städte. Nimmt jemand mit Unrecht eine Pfändung vor, (so beträgt die Strafe) 4 Drachmen; behält er aber das Pfand länger als 10 Tage, so schuldet er den anderthalbfachen Betrag von dem, was er in Pfandbesitz genommen hat. Wenn sich der Chaleier länger als einen Monat lang in Oiantheia niederlässt, bzw. der Oiantheier in Chaleion, so soll er dem Recht seines Wohnorts unterstehen.81

Die Inschrift untersagt den Bürgern von Oiantheia und Chaleion sich gegenseitig zum Objekt von ἄγειν und συλᾶν zu machen, wobei das freie Meer von dieser Regelung ausgenommen bleibt. Dabei ist die Wortwahl von elementarer Bedeutung. In Z. 1 wird das Verbot Menschen wegzuführen durch μὲ ℎάγεν ausgedrückt, was fast schon syntagmatisch in der Formulierung ἄγειν καὶ φέρειν verwendet wird und dabei versklaven neben berauben bedeutet. Daraufhin wird in Z. 2–3 für das Verbot 80

81

Bravo 1980, 844 f.; zur legitim wahrgenommener Gewaltanwendung vgl. in diesem Zusammenhang Chaniotis 2005c, 134 f. Zur Piraterie vgl. grundlegend Ormerod 1967; Pritchett 1991 mit Forschungsüberblick (312–320); de Souza 1999; Gabrielsen 2001; Wiemer 2002 mit Forschungsüberblick (111–113); Gabrielsen 2013; Bresson 2016, bes. 181–184, 280– 285, 302–305. Mit Bedenken Wendt 2016, bes. 89–91. IG IX 12 3, 717 mit einem Verzeichnis älterer Editionen und Literatur; StV II 146 mit hier verwendeter Übersetzung; vgl. auch Schlesinger 1933, 61 f.; Gauthier 1972, 222–224; 242 f.; Ziegler 1975, 110–166; Bravo 1980, 726; Cataldi 1983, 53–86.

2.2 Das Wortfeld Asylie: Formen und Inhalte

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Gegenstände zu entwenden, συλᾶν benutzt. Derjenige, der als Sylontos die verbotene Aktion ausführt, soll selbst ohne Strafe dieser Aktion unterliegen. Diese Passage ist wirklich sehr anschaulich für die verschiedenen Facetten des Ausdrucks συλᾶν. Das Verb ist hier wohl am ehesten mit ‚sich von etwas gewaltsam bemächtigen‘ zu fassen, denn einen Anspruch auf Pfand oder einen Grund zur eigenmächtigen Selbsthilfe scheint es nicht zu geben. Gerade der Nachsatz „τὸν δὲ συλο̑ντα ἀνάτο(ς) συλε̑ν“ lässt jedoch vermuten, dass vor Vertragsabschluss eine gewisse gewohnheitsmäßige Legitimität des συλᾶν bestanden habe. Dieser Eindruck wird vor allem dadurch verstärkt, dass auf dem Meer, wohlgemerkt außerhalb der beiden Häfen, das Entwenden des Eigentums Fremder erlaubt bleiben soll. Wäre die Verteilung von ἄγειν und συλᾶν regelmäßig, bliebe an dieser Stelle – es sind Gegenstände und nicht Menschen gemeint – συλᾶν zu erwarten. Es wird jedoch auf ἄγειν zurückgegriffen.82 Es ist also eine gewisse Parallelität der Verwendung beider Termini zu konstatieren, wenn der tatsächliche Akt des Beraubens/ Entwendens ausgedrückt werden soll. Des Weiteren wird für den Fall, dass jemand gegen die Bestimmungen handelt (συλᾶν), eine Strafe verhängt. Diese Strafe steigt, wenn er innerhalb einer gewissen Frist, das Entwendete, τὸ σῦλον, nicht zurückgegeben wird. Die Verwendung des Verbums συλᾶν in diesem Satz erläutert ganz klar, dass σῦλον das Ergebnis mit συλᾶν umschriebener Handlungen darstellt. In dieser Inschrift wird somit ein Beschluss dokumentiert, der den Bürgern von Oiantheia und Chaleion ein zuvor übliches Vorgehen gegen einander deutlich einschränkt, wenngleich nicht völlig unterbindet. Dazu passt der abschließende Satz der Inschrift, der besagt, dass ein jeder Bürger, sofern er in der jeweilig anderen Polis ansässig wird, dortiges Bürgerrecht bekommt. Solche Einschränkungen des συλᾶν-Rechts gehören aber keineswegs einer Zeit an, der man die Ermangelung anderer Mittel zur Erhaltung regionalen Friedens unterstellen könnte. Vielmehr treten sie seit dem vierten Jahrhundert vermehrt und im Hellenismus gehäuft auf. Diese Einschränkungsbestrebungen verweisen vermutlich auf eine veränderte Sichtweise auf Gewalt und ein erhöhtes Bedürfnis nach Sicherheit. Die Aussage des Thukydides, nach der die noch nach traditionellem Muster lebenden Völker, worunter er auch die Lokrer zählt, den Seeraub tollerierten und praktizierten, ist nur wenige Jahrzehnte jünger als die zitierte Inschrift. Während vor allem die neugegründeten Kolonien wegen des Handels ohne die Sorge vor Überfällen an das Meer gut angebunden seien.83 Aus dieser Aussage wird zweierlei deutlich. Zum einen nimmt Thukydides an, der teilweise noch praktizierte Seeraub hätte früher weitaus höhere Verbreitung genossen, zum anderen scheint bei ihm die Bedeutung des Handels und der dafür benötigten Sicherheit auf dem Meer hoch und diese Errungenschaft recht neu. Die Verantwortung für die Wahrung der Sicherheit auf dem Meer oblag dabei – wie Alain Bresson in seinem Buch über die Entwicklung der griechischen Wirtschaft festhält – den Poleis,84 82 83 84

Gauthier 1972, 573–572 formuliert, συλᾶν sei nie auf (freie) Personen bezogen; so auch Bravo 1980, 749; dagegen: Chaniotis 1996b, 211, Anm. 1253; Chaniotis 1994. Thuk. 1, 5–7. Bresson 2016, 302.

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2. Die Wurzeln der territorialen Asylie

was gut mit der von den lokrischen Poleis Oiantheia und Chaleion gewählten vertraglichen Regelung korrespondiert. 2.2.2 Die persönliche Asylie Das gewohnheitsrechtliche Mittel der gewaltsamen Selbsthilfe, συλᾶν, wurde jedoch nicht nur über geographisch oder zeitlich eingrenzende Verträge, sondern zu einem gewissen Teil über die Herausnahme einzelner Personen aus der Anwendbarkeitssphäre auf dem Wege der Verleihung ‚persönlicher‘ Asylie beschränkt. Der Begriff ‚persönliche‘ Asylie85 geht auf Schlesingers grundsätzliche Unterscheidung zwischen dem seit archaischer Zeit bekannten Phänomen der Erklärung einzelner Personen als ‚unverletzlich‘ und dem seit dem Hellenismus bekannten Prozess der Erklärung ganzer Heiligtümer oder Poleis für ἱερὸς/ἱερὰ καὶ ἄσυλος, was Schlesinger als ‚territoriale‘ Asylie86 bezeichnet. Gauthier präzisiert diesen Begriff, indem er ihn gegenüber den συλᾶν-Verboten abgrenzt und zwei Unterkategorien einführt. Seine Definition trennt zwischen von Poleis gegenseitig garantierter ‚kollektiver‘ und gegenüber Einzelpersonen ausgesprochener ‚individueller‘ Asylie.87 In der Literatur der klassischen Zeit ist der Terminus Asylia rar und konzeptuell am deutlichsten in der Formuliereung ἀσυλίᾳ βροτῶν in Aischylosʼ Hiketiden88 vertreten. Seit der hellenistischen Zeit allerdings ist die personengebundene Asylie Einzelner etwa in Zusammenhang mit Wettkämpfen oder Gesandtschaften literarisch bezeugt.89 In epigraphischen Quellen hingegen erfolgt die Verleihung persönlichen Asylie seit dem fünften Jahrhundert unter Verwendung eines bestimmten Formulars, das jedoch gewissen Spielraum für sprachliche Variation lässt, wenn auch das Bezeichnete übereinstimmend zu sein scheint.90 Zu den ältesten Belegen persönlicher Asylie zählt eine Inschrift aus Thetonion in Thessalien aus dem fünften Jahrhundert:

5

85 86 87 88 89 90 91

Θετόνιοι ἔδοκαν Σοταίροι το̑ι Κορινθίοι κἀυτο̑ι καὶ γένει καὶ ϝοικιάταις καὶ χρέμασιν ἀσυλίαν κἀτέλειαν κεὐϝεργέταν ἐποίεσαν κέν ταγᾶ κέν ἀταγίαι.[…]91

Schlesinger 1933, 53–59. Schlesinger 1933, 59–68; zu dieser Form der Asylie vgl. Kap. 3. Gauthier 1972, 282–285. Aischyl. Hik. 611; vgl. auch adjektivisch in Eur. Med. 728. Pol. 4,74 mit Bezug auf die Eleier; Poseid. Frg. 102b, 3; Poseid. Frg. 190, 20; Diod. 33, 5, 4; Diod. 36, 15, 2; Dion. Hal. ant. 11, 25, 3 mit Bezug auf die Römer; Plut. Arat. 28, 6, 2; Plut. Aem. 26, 1, 2; Plut. comp. Dem. Cic. 5, 2, 4. Die Belege sind Legion, so dass auf Exempla zurückgegriffen wird. IG IX 2, 257.

2.2 Das Wortfeld Asylie: Formen und Inhalte

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Die Thetonier haben beschlossen, dem Sotairos aus Korinth, und zwar ihm selbst, seiner Familie, seinen Sklaven92 und seinem Besitz, Asylie und Atelie [zu gewähren], und machten ihn zum Euergetes im Krieg wie im Frieden.93 […]

Die Asylie wird also dem genau benannten Bürger einer fremden Polis, seiner Familie und sogar seinen Sklaven zeitgleich mit anderen Privilegien in Friedens- und in Kriegszeiten zugesprochen. In diesem Fall handelt es sich um den Ehrentitel Euergetes, Wohltäter,94 der im fünften Jahrhundert noch Nichtmitgliedern der eigenen politischen Gemeinschaft vorbehalten ist, und die Atelie, also Abgaben-, Steuer- und Gebührenfreiheit. Wie der Titel Euergetes bereits auf eine gewisse finanzielle Bedeutung des Geehrten in der Region verweist, so verstärkt die Kopplung der Abgabenbefreiung und Asylie, welche sich bekanntlich auf die Einschränkung des συλᾶνRechts, also die Sicherheit der Person und der Güter (in diesem Fall sogar explizit des Geldes) bezieht, die finanzielle Bedeutsamkeit des Dokuments.95 Das Formular solcher Verleihungen persönlicher Asylie bleibt auch im seit dem vierten Jahrhundert deutlich gehäuften Material vergleichbar. An dieser Stelle sei exemplarisch aus der Fülle der Bezeugungen die (gut erhaltene) Verleihung der Asylie aus Epidauros auf der Argolis an einen gewissen Hegesistratos aus dem vierten/dritten Jahrhundert zitiert:

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92 93

94 95 96

Ἡγησιστράτου. ἔδοξε βουλᾶι καὶ δάμωι τῶν Ἐπιδαυρίων· Ἡγησίστρατον Ἑκαταίου Καρδιανὸν πρόξενον εἶμεν τᾶς πόλιος τᾶς Ἐπιδαυρίων καὶ θεαροδόκον τοῦ Ἀσκλαπιοῦ καὶ αὐτὸν καὶ ἐκγόνους, καὶ εἶμεν αὐτοῖς ἀτέλειαν καὶ ἀσυλίαν καὶ ἐμ πολέμωι καὶ ἐν εἰράναι καὶ κατὰ γᾶν καὶ κατὰ θάλασσαν. […].96

Zum Einschluss der Sklaven in Verleihungen von Privilegien ist auch im 4. Jahrhundert v. Chr. in Pherai (SEG 23, 422) und auf Delos um 400 (IDelos 71) belegt; vgl. ferner Osborne 2008, 338. Die Formulierung „κέν ταγᾶ κέν ἀταγίαι“ wurde in der Forschung diskutiert. Nachdem bereits früh vermutet wurde, dass es sich um eine Entsprechung zur üblichen Formulierung ‚im Krieg und im Frieden‘ handelt (Chadwick 1969), andererseits jedoch auf die wörtliche Bedeutung ‚während ein Tagos amtiert und in Zeiten ohne Tagos-Amt‘ (Hooker 1980) abgehoben wurde, konnten Helly 1995, bes. 30–34; 147 f.; 334 (SEG 45, 656) und Sordi 1997 (SEG 47, 664) nachweisen, dass das Tagosamt unmittelbar mit dem Krieg verbunden war. Somit ist die Formulierung „κέν ταγᾶ κέν ἀταγ-ίαι“ auf semantischer Ebene durchaus mit der syntagmatischen Wendung ‚im Krieg und im Frieden‘ vergleichbar; vgl. ferner Beck 2001, 1223. Zum Ehrentitel Euergetes vgl. Gauthier 1985 mit älterer Literatur; zu Ursprüngen des Euergetismus vgl. Gygax 2016, bes. 36–58; zur Entwicklung im Hellenismus vgl. Wörrle 1995; Lafond 2016; im römerzeitlichen Kleinasien vgl. Zuiderhoek 2009; Zuiderhoek 2011. Zur Sicherheit des Seehandels vgl. Bresson 2016, 297–305. IG IV2 1, 49.

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2. Die Wurzeln der territorialen Asylie Des Hegisistratos. Der Rat und das Volk der Epidaurier haben beschlossen: Hegesistratos, Sohn des Hekataios aus Kardia soll Proxenos sein der Polis der Epidaurier und Theorodokos des Asklepios, und zwar selbst und auch seine Nachkommen; und er soll auch die Atelie und die Asylie im Krieg wie im Frieden, auf dem Land wie auf dem Meer haben […].

Auch hier wird die Asylie dem Bürger einer fremden Polis und seinen Nachkommen vom Rat und dem Volk der Polis zugleich mit anderen Privilegien verliehen. In diesem Fall handelt es sich um Proxenie, Theorodokie97 und Atelie. Die Proxenie, also die ehrenvolle Aufgabe die Belange der aus der verleihenden Polis stammenden Fremden zu betreuen,98 wird häufig neben der Asylie verliehen. Daraus ist eine gewisse Verbindung der Sphäre des Fremdenrechts und der Gastfreundschaft (denn die Proxenie ist gewissermaßen die institutionalisierte Fortentwicklung der Xenodoxie) und Asylie zu erkennen: Der Proxenos, als ein Unterstützer der Belange der verleihenden Stadt, soll nicht durch das συλᾶν-Recht beeinträchtigt werden. Des Weiteren wird Hegesistratos zum Thearodoken der Epidaurier ernannt, also demjenigen, der die Festgesandtschaften des Asklepieions in seiner Stadt empfängt. Die Verleihung dieses Titels hängt mit der besonderen Situation – Epidauros hat ein wichtiges Heiligtum des Asklepios – in diesem Falle zusammen. In anderen die Verleihung persönlicher Asylie festschreibenden Inschriften findet sich nicht unbedingt die Verleihung dieses Ehrentitels. Geläufiger ist hingegen die Koppelung von Proxenos und Euergetes ‚Wohltäter‘.99 Die getroffene Vereinbarung gilt in Friedens- und in Kriegszeiten sowie zu Wasser und zu Lande. Wie bereits ausgeführt wurde, bezieht sich συλᾶν, das Verbum von dem ἄσυλος und ἀσυλία abgeleitet sind, sowohl auf Güter als auch Personen, wobei die Güter in den weitaus meisten Belegen im Vordergrund stehen. Daraus resultiert für den untersuchten Fall, dass Hegesistratos und seine Nachkommen das Privileg erhalten ungehindert Handel zu treiben. Zudem erhalten sie die Atelie, die sie von jeglichen Zöllen freistellt, und somit auch ein auf den Handel bezogenes Privileg darstellt. Die Vermutung, dass die in den Dokumenten geschilderten Ehrungen für die wirtschaftliche Entwicklung der Region nicht ohne Bedeutung sind, lässt sich also auch in dieser Inschrift bestätigen. Gauthier hält in Zusammenhang mit solchen Verleihungen sogar fest, sie hätten grundsätzlich dem Ausbau von Handelsbeziehungen über politische Grenzen hinweg gedient.100

97 98

Zur Theorodokie vgl. Perlman 2000, bes. 13–62; Boesch 1908, bes. 104–127. Zum Amt des Proxenos vgl. Gauthier 1972, 17–61; Gschnitzer 1974; Wallace 1970; Traulsen 2004, 169 f.; Baltrusch 2008, 29 f. 99 Epigraphische Belege dieser Kopplung sind Legion; Zum inhaltlichen Zusammenhang vgl. Gygax 2016, bes. 109–111; 231 f.; Mack 2015, 38–43; Gschnitzer 1974, 686 f.; Marek 1984, 150 f. 100 Gauthier 1982, 554. Zur Rolle des Privatbesitzes und des privaten Engagements im Handel vgl. Bresson 2016, 225–230.

2.2 Das Wortfeld Asylie: Formen und Inhalte

41

Die Liste der mit der persönlichen Asylie verliehenen Privilegien kann bei Bedarf ausgeweitet werden.101 Beispielsweise kann zeitgleich die Isopolitie, also das Bürgerrecht der betreffenden Polis,102 zugesprochen werden. Eine athenische Inschrift aus dem ausgehenden zweiten Jahrhundert, die eine Vereinbarung zwischen Athen und Delphi wiedergibt, offenbart eine lange und im Hellenismus typische Reihe von zeitgleich verliehenen Privilegien: 15

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[…] [δε]δόσθαι δὲ αὐτᾶι καὶ ἐκγόνοις παρὰ τᾶς πόλ[ιος] προξενίαν προμαντείαν προδικίαν ἀσυλίαν ἀτέλειαν προεδρίαν ἐμ πᾶσι τοῖς ἀγώνοις οἷς [ἁ] πόλις τίθητι, καὶ γᾶς καὶ οἰκίας ἔγκτησιν καὶ τἄλλα τίμια πάντα ὅσα καὶ τοῖς ἄλλοις προξένοις καὶ εὐεργέταις τᾶς πόλιος ὑπάρχει· […]103 […] Zu gewähren sind aber ihnen und ihren Nachkommen von der Polis Proxenie, Promantie, Prodikie, Asylie, Atelie, Prohedrie in allen Agonen, die die Polis setzt, und das Recht, ein Haus zu erwerben, und alle anderen Ehren, die den anderen Proxenoi und Euergeten der Polis einsetzen.[…]

Auch hier wird die persönliche Asylie – wie in den allermeisten Fällen – in Verbindung mit weiteren Privilegien gewährt. Die Anzahl der mit der Asylie gewährten Privilegien steigt im Laufe der Jahre an. Dies deutet zusammen mit dem Anwachsen des Materials auf eine veränderte Bedeutung des Sinngehalts der persönlichen Asylie. Während die Unverletzlichkeit in den älteren Dokumenten tatsächliche wirtschaftliche Vorteile zu implizieren und den Handel betreffende Netzwerke zu bestärken scheint, wirken die hellenistischen Verleihungen persönlicher Asylie breiter gefasst. Die Tatsache, dass vielfache Ehrenprivilegien zeitgleich – quasi summarisch – verliehen werden, verweist möglicherweise auf einen Bedeutungskontext innerhalb der Konkurrenz der Eliten der städtischen Sphären.104

101 Bravo 1980, 750 verweist darauf, dass statt ἀσυλία das beinahe synonyme ἀσφαλεία verwendet sein kann; Asylie bezöge sich dabei eher auf Güter, Asphalie eher auf Personen. Beide Ausdrücke könnten aber auch zugleich Personen und Güter zum Referezpunkt haben, wobei es im Falle der Asphalie geläufiger sei. 102 Vgl. dazu grundlegend Gawantka 1975, bes. 115–118; Zur Bedeutung der Isopolitie für hellensitische Poleis vgl. ferner Saba 2015, bes. 129–132. 103 IG II2 32, Z. 19–24; 39, Z. 5; 843, Z. 10 f.; 1130, Z. 10 f.; 1136, Z. 14–20. 104 Zur Ausbildung der städtischen Eliten im Verhältnis zur Demokratie im Hellenismus vgl. Veyne 1976, bes. 110–118; instruktiv: Wörrle 1995; vgl. ferner die Synopsis der Forschungsbeitrräge bei Wiemer 2013, 64–69; Kah 2014, bes. 159–165; für kaiserzeitliche Verhältnisse vgl. Lafond 2016.

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2. Die Wurzeln der territorialen Asylie

2.3 DAS WORTFELD HIKESIE: ENTWICKLUNG DER SCHUTZGEWÄHRUNG IM SAKRALEN RAUM VON DER ARCHAISCHEN BIS IN DIE HELLENISTISCHE ZEIT Die in der Antike mit Hikesie verbundenen Vorstellungen wurden bei der Erörterung des Begriffsfelds um das συλᾶν/die Asylie bereits mehrfach gestreift. Dies resultiert zum einen aus einer gewissen inhaltlichen Verwandtschaft beider Bereiche, zum anderen aber auch aus einer der Forschungsgeschichte geschuldeten Sichtweise, die die Asylie- und Hikesiephänomene weit über Gebühr vermengt. Ἱκεσία oder ἱκετεία, wörtlich ‚das Schutzflehen‘, beschreibt die antike griechische Einrichtung, die aus den verschiedensten Gründen Geflohene vor dem Zugriff durch ihre Verfolger schützt.105 Der terminus technicus ἱκέτης (nomen agentis) ist vom Verbum ἵκω/ἱκνέομαι ‚(an)kommen, erreichen‘106 gebildet und dient sowohl den Adjektiva ἱκέσιος107 und ἱκετήριος108 als auch dem Substantiv ἱκέσια109 als Ableitungsgrundlage. In klassischer Zeit wurde nach dem produktiven Muster βασιλεύς ‚König‘ : βασιλεύω ‚König sein‘ ἱκετεύω ‚Schutzflehender sein‘ gebildet und davon deverbal ἱκετεία abgeleitet. Ἱκετεία ersetzt im Folgenden ausgehend vom ion.-att. Geltungsbereich nach und nach das ältere ἱκέσια.110 Die Wortfamilie stellt sich also wie folgt dar: ἵκω : ἱκέτης : ἱκέσια : ἱκέσιος : ἱκετήριος : ἱκετεύω: ἱκετεία

Auf der Inhaltsseite ist der ἱκέτης, der ‚Schutzflehende‘, zumindest ursprünglich jemand, der durch seine Ankunft an einem Ort charakterisiert ist. In diesem Zusammenhang ist gerade die längere Verbform ἱκνέομαι interessant, da sie lautlich stark an νέομαι ‚(an)kommen, (glücklich) heimkehren‘111 erinnert. Bei νέομαι ist sehr deutlich der Aspekt der ‚glücklichen Überwindung‘ von Hindernissen aller Art bestimmend. Auch wenn etymologische Verwandtschaft beider Ausdrücke nicht postuliert werden kann, so ist doch zumindest festzuhalten, dass eine gewisse assoziative Nähe zur gegenseitigen Beeinflussung bei der semantischen Füllung der Begriffe führen konnte.

105 Zur Definition von Hikesie und den einzelnen Wortformen, vgl. Schlesinger 1933, 32; Gödde 1998; Dreher 1996, 84; Gödde 2000, 25–38; Derlien 2003, 45–47; Traulsen 2003, 177– 183; Casella 2010. 106 Liddell/Scott 1996, s. v. ἵκω; ἱκνέομαι. 107 Chantraine 1933, 41; vgl. ferner Schwyzer 1939, 466. 108 Schwyzer 1939, 466 f. 109 Schwyzer 1939, 469, betont, dass Bildungen auf -ια, vermehrt noch auf -σια, seit dem 5. Jahrhundert als Verbalabstrakta zu Verben auf -εω verstanden worden seien, ἱκέσια jedoch denominal gebildet sei. 110 Chantraine 1933, 90. 111 Zur Wurzel *nes-, vgl. Janda 2005, 249, mit Belegsammlung, neuem etymologischen Anschluss und weiterführender Literatur.

2.3 Das Wortfeld Hikesie: Schutzgewährung im sakralen Raum

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2.3.1 Ausdifferenzierung der Hikesie bei Homer Der etymologische Anschluss von ἱκεσία/ἱκετεία an ἵκω/ἱκνέομαι ist wohl auch ein gewichtiger Grund warum Hikesie in der Forschung häufig mit dem Fremdenrecht verbunden wurde. Begrifflich scheint dies allerdings nicht unbedingt notwendig, da die Prägung des Ausdrucks und sein historisches Auftreten nicht zeitgleich von statten gehen. Zudem muss die Ankunft an einem bestimmten Ort nicht zwangsläufig mit der Herkunft aus einer anderen Rechtsgemeinschaft einhergehen. Es ist durchaus vorstellbar, dass das Betreten eines bestimmten sakralen Bereichs innerhalb des eigenen Staates das Etymon charakterisiert. Hikesie kann folglich sowohl innerhalb als auch außerhalb der eigenen politischen und juristischen Gemeinschaft stattfinden. So unterscheidet Traulsen aus rechtshistorischer Perspektive schlüssig zwischen der ‚internen‘ Hikesie, die beispielsweise Sklaven und säumige Schuldner durch Flucht in ein Heiligtum der eigenen Rechtsgemeinschaft vor Zugriff durch ihre Herrn beziehungsweise Gläubiger schützt und einer ‚externen‘ Hikesie, die das Verlassen des eigenen Staates beinhaltet. Beide Formen seien auch als ‚personale‘ Hikesie denkbar, bei der der Hiketes einen bestimmten mächtigen Ansprechpartner um Schutz bittet.112 Weiterhin leitet Traulsen aus der unbestreitbaren Tatsache, dass sich der Hiketes durch die Ankunft in der anderen Rechtsgemeinschaft „auf einem Territorium befand, auf das sich die Jurisdiktion seines Verfolgers nicht erstreckte,“113 ab, die externe Hikesie habe keinerlei sakralen Charakter. Sie richte sich im Gegensatz zur ‚internen‘ Hikesie, die an die Götter adressiert sei, an die Volksversammlung der aufnehmenden Gemeinschaft. Zudem sei sie nicht notwendigerweise mit dem Betreten eines heiligen Raums, was er an Tempeln festmacht,114 verbunden; sondern die Tempelflucht sei nur ein Mittel, das die Ansprüche des Hiketes unterstreiche. Dieser Aspekt der Interpretation ist in Anbetracht der Quellensituation nicht tragbar. Bereits in der Odyssee, in der Beschreibung der Hikesie der Odysseus bei den Phäaken, lässt sich eine nach Traulsens Kriterien externe (personale) Hikesie, beobachten.115 Diese Hikesiebeschreibung verzeichnet auch später zentrale Hikesiecharakteristika. Natürlich muss mit mancherlei mythischer Verklärung gerechnet werden – der Hiketes ist ein Heros, sein Feind ein Gott und die Stadt der Phäaken, Scheria, „gehört dem Traumleben des Mythos“116. Der zugrundeliegende Vorgang, das Ritual der Hikesie, entspricht jedoch, wenn man die Odyssee als einen im Wechselspiel mit dem Publikum entstehenden Vortrag im Sinne der oral poetry117 interpretiert, bis zu einem gewissen Grad der Lebenswelt der frühen Archaik.

112 Traulsen 2004, 179 f. 113 Traulsen 2004, 179 f. 114 Zur Unabhängigkeit der rituellen Kommunikation von Heiligtümern mitsamt der Implikationen für die Konzeptualisierung der sakralen Sphäre vgl. Mylonopoulos 2006. Zur Grenzziehung zwischen sakraler und profaner Sphäre vgl. grundlegend Hölscher 2013 mit Literatur. 115 Hom. Od. 7, 134–166. Vgl. dazu auch Gödde 2000, 57–74. 116 Burckhardt 1918, 116. 117 Vgl. dazu die Übersicht über die Forschung bei Visser 2006.

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Augenfällig ist zunächst die erwähnte Nähe der Hikesie zur Xenodoxie.118 Die Ausdrücke ἱκέτης und ξένος werden abwechselnd für Odysseus gebraucht.119 Jedoch ist seine Art in das Haus hineinzugehen, ohne hineingeführt zu werden, als ein erstes Anzeichen für den Entschluss zur Hikesie zu deuten.120 Denn gewöhnlich werden Fremde vom Gastgeber an der Schwelle abgeholt.121 Odysseus kommt nun als Fremder nach Scheria und erbittet von den Phäaken Zuflucht vor Poseidon und Hilfe bei der Heimkehr, indem er die Knie der Gemahlin des Alkinoos umfasst, seine Bitte äußert und sich darauf in die Asche am Herd setzt.122 Auch wenn in diesem Fall kein Heiligtum als Ort der Hikesie gewählt wurde, so ist sie dennoch nicht im gänzlich profanen Bereich angesiedelt. Der Herd, Mittelpunkt eines jeden Oikos, ist im antiken Griechenland immer sakraler Raum – nicht zuletzt weil er in direkter Verbindung zu der Göttin Hestia steht.123 Der sakrale Raum fungiert somit einerseits als Markierung des Hikesiebegehrens, andererseits liefert er zugleich eine gewisse Sicherheit. Denn solange der Schutzflehende im sakralen Raum verbleibt, ist er sicher vor dem Zugriff seiner Verfolger.124 Dieser Schutz des Sakralen resultiert aus der Vorstellung, dass ebendiese Räume durch ihre besondere Verbindung zu den Göttern unantastbar für jegliche Art von Zugriff bleiben. Im Rückschluss vom Terminus Hierosylie kann man auch sagen, diese Räume seien unverletzlich, ἄσυλοι. Zudem wird die Hikesieszene durch eine eigentlich das gemeinsame Mal der Phäaken beendende Libation an Hermes eingeleitet und durch ein Gussopfer an Zeus Hikesios abgeschlossen.125 Somit rahmen Libationen Szene ein und betonen so die Ritualhaftigkeit der Geschehnisse. Die gewohnheitsmäßigen Gepflogenheiten, die νόμοι ἄγραφοι, der Griechen lassen die Annahme der Hikesiebitte des Odyseus nach Vollzug des Rituals unaus-

118 Ob man jedoch mit Schlesinger 1933, 39 damit rechnen darf, dass im Ursprung jede Hikesie auf die Aufnahme im fremden Staat ausgerichtet war, bleibt weiter fraglich; vgl. ferner Gould 1973, 90–94; Nesselrath 2005, bes. 92 f. 119 ἱκέτης: Hom. Od. 7, 165; ξένος: Hom. Od. 7, 159; 7, 161. 120 Hom. Od. 7, 134–136. 121 Vgl. etwa Hom. Il. 11, 769 f., 776–779. 122 Hom. Od. 7, 158–166; daneben sind auch andere Demut bezeugende Körperhaltungen, Gesten und Gebärden für Hiketai in den homerischen Werken überliefert (vgl. etwa Hom. Il. 1, 500– 502), beispielsweise das Berühren des Kinns des auserwählten Soters; vgl. dazu auch Gödde 1998, 54; ferner ThesCRA III, 196–200. Körperhaltung und Gesten sollen nach Gödde 2000, 27 die Hilflosigkeit des Hiketen und seine Überantwortung in die göttliche Entscheidungsgewalt unterstreichen. 123 Vgl. auch Dreher 1996, 84; Turner 2005, 72; Chaniotis 2007, 235 f.; bezeichnenderweise sind es in Rom die Vestalinnen, die Priesterinnen der mit Hestia etymologisch verwandten Hüterin des (Herd)Feuers, die selbst verurteilte Straftäter noch schützen können, vgl. dazu Derlien 2003, 196, 202 f.; Kopperschmidt 322, Anm. 5. 124 Vgl. dazu Schlesinger 1933, 33 f. 125 Hom. Od. 7, 136–138; 7, 164–166. Zeus ist generell der für Hikesie zuständige Gott, auch wenn andere Götter durchaus mit Hikesie in Verbindung stehen können. Zum Zeus Hikesios/ Hiketesios, vgl. Jessen 1913, Sp. 1592–1594.

2.3 Das Wortfeld Hikesie: Schutzgewährung im sakralen Raum

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weichlich erscheinen, wie Echeneosʼ Ansprache verdeutlicht.126 Sowohl der Status des ἱκέτης als auch des ξένος sind dabei positiv besetzt und deuten darauf, das Hikesie und Xenodoxie als gesellschaftliche Regulative in einer von Machtkonflikten geprägten Zeit fungierten.127 In seiner Einschätzung der Hikesie bei Homer unterschätzt Traulsen128 also die Bedeutung sakraler Räume129, die außerhalb der eigentlichen Heiligtümer liegen. Die so konstruierte ‚externe‘ und im Profanen angesiedelte Hikesie, beschreibt homerische Vorstellungen nicht treffend. Die betrachtete Szene weist vielfache religiöse und kultische Bezüge auf. Die Wirkung des sakralen Raums und des im Religiösen verwurzelten Rituals garantiert hier Schutz, nicht das Eintreffen in einer neuen Rechts- und Kultgemeinschaft. Neben dieser ausführlichen Beschreibung des Hikesieprozederes lassen sich in den homerischen Epen jedoch auch weitere Belege für Hikesie finden.130 Aus diesen Bezeugungen lassen sich Gebärden und materielle Hiketeumata ableiten, die nicht zwingend in der beschriebenen Hikesieepisode in Scheria vorzufinden sind.131 Als typische Kennzeichen des Rituals der Hikesie lassen sich mit Wolle umwundene und meist am Altar niedergelegte Ölzweige oder das Tragen nichtgriechischer Gewänder wie abgeschnittener Haare klassifizieren.132 Es bleibt jedoch zu betonen, dass trotz bereits bei Homer ausgebildeter Hikesiekennzeichen, sei es in Hinblick auf das Prozedere oder die materiellen Hiketeumata, stets Raum für situationsgeschuldete Varianz vorhanden war und das Fehlen einzelner Komponenten durchaus denkbar blieb. 2.3.2 Hikesieentwicklung in der attischen Tragödie und der Historiographie Im nachhomerischen Material lässt sich die Hikesie schwerpunktmäßig in attischen Tragödien der klassischen Zeit und historiographischen Quellen ausmachen.133 Gerade die Hikesie-Tragödien wurden sowohl von philologischer als auch historischer Seite Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen.134 An dieser Stelle kann es 126 127 128 129 130 131 132 133 134

Hom. Od. 7, 159–166. Gödde 2000, 24 f. mit weiteren Quellenbelegen und Literatur. Traulsen 2004, 179 f. Vgl. dazu Gödde 2000, 27 f. mit weiterer Literatur; vgl. ferner Traulsen 2004, 140 f. mit Quellenbeispielen. Zur rituellen Kommunikation auch außerhalb von heiligtümern vgl. Mylonopoulos 2006, bes. 108 f. Eine Auflistung der Belege liefert Gould 1974, 80, Anm. 39; Traulsen 2004, 334 f. Zu äußeren Zeichen der Hikesie vgl. die Sammlung in ThesCRA III, 200–202; 206–216; Schlesinger 1933, 34 f.; Sinn1993, 89, 92; vgl. ferner Gould 1973, 75–77; 94–100; Gödde 1998, Sp. 555; Gödde 2000, 27; Traulsen 2004, 141–152; Fleischer 2013, 262 f. Vgl. Schlesinger 1933, 34 f.; vgl. auch Gould 1973, 75–77; 94–100; Gödde 1998, Sp. 555; Gödde 2000, 27; Traulsen 2004, 141–152; ThesCRA III, 200–202. Eine ausführliche, thematisch gegliederte Zusammenstellung der Quellen zur Hikesie liefert Sinn 1990, 105–116; ferner ThesCRA III, 220–230; mit Bezug zur Hierosylie vgl. Trampedach 2004, 163–165; vgl. ferner die sehr selektive Quellensammlung Dietrich 2008. Vgl. dazu die philologischen Arbeiten Gödde 2000 und Grethlein 2003; aus historischer Perspektive ist neben Dreher 2003b und Dreher 2005a, Chaniotis 1996b hervorzuheben.

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nicht erklärtes Ziel sein, alle betreffenden Tragödien in ihren Kontext einzubetten sowie im Hinblick auf ihre Interpretation von Hikesie und die gewählten literarischen Mittel zu prüfen.135 Vielmehr besteht die Aufgabe darin, die für die historische Entwicklung des Phänomens relevanten Tatsachen zusammenzustellen. Dass dies unter Rückgriff auf literarische Quellen legitim ist, resultiert aus der generellen Annahme, dass zwischen ‚Wirklichkeit‘ und ‚dargestellter Wirklichkeit‘ Übereinstimmungen gefunden werden können.136 Für die Tragödie im Speziellen wird diese These von dem „institutionelle[n] Platz der Tragödienaufführung bei einem Polisfest und [der] von den Zeitgenossen der Tragödie zugeschriebene[n] didaktischen[n] Funktion“ gestützt.137 Das Hikesiemotiv wird in den Tragödien innerhalb des Spannungsbogens des ‚triangulären‘138 Verhältnisses zwischen Hiketes, Soter und Echthros entwickelt. Der oder die jeweilige Schutzsuchende begibt sich stets in ein Heiligtum und vollzieht, in beschriebener Weise, das Ritual der Hikesie. Die Bedeutung des sakralen Raums ist dabei gegenüber der Auffassung der Odyssee deutlich gestiegen. Der innerhalb dieses Ritus angesprochene Retter übernimmt im Folgenden eine vermittelnde Funktion. Es ist an ihm, die Ansprüche der Schutzsuchenden und ihrer Feinde im Sinne einer friedlichen Lösung zu abzuwägen.139 Dabei wird deutlich, dass konsensgenerierende Lösungen auf Grund des Zwiespalts zwischen dem Wunsch nach Anerekennung des sakral legitimierten Hikesieanspruchs und potentiell daraus resultierenden Auseinandersetzungen nicht einfach zu finden sind.140 135 Das ist bei Grethlein 2003 bereits geleistet, in Ansätzen bereits bei Kopperschmidt 1967 und Kopperschmidt 1971. Bei den erhaltenen, für das Thema Hikesie aussagekräftigen Tragödien handelt es sich um die Hiketiden und Eumeniden des Aischylos, Ödipus auf Kolonos des Sophokles sowie die Herakliden, Andromache, die Hiketiden und Herakles des Euripides. 136 Kopperschmidt 1971, 321 f. Natürlich soll damit keine völlige Deckungsgleichheit von Literatur und Realität postuliert werden, denn „Literatur korreliert mit Bewußtseinsinhalten, sie beschreibt Bewußtsein von Realität, nicht diese selbst“ (Grubmüller 1979, 100); anders Bernek 2004, 69, der in den Hikesiedramen politische Motive der Dramendichter erkennen will. 137 Grethlein 2003, 33. 138 Vgl. dazu Kopperschmidt 1971, 321 f. 139 Vgl. dazu Turner 2005, 78. 140 Vgl. etwa die Diskussion zwischen Pelasgos und den Hiketiden bei Aischyl. Hik. 234–260 sowie der Sorge des Königs, durch seine Hilfe Fremden gegenüber die eigene Stadt zu schädigen „ἐπήλυδας τιμῶν ἀπώλεσας πόλιν“ (Aischyl. Hik. 402). Die Situation eskaliert bis zur Selbstmorddrohung der Hiketiden (Aischyl. Hik. 461–467); zur Funktionalität der Selbstmorddrohung vgl. Gödde 2000, 16, 19, 33; Gödde 2001, 257; vgl. ferner Gould 1973, 100; Dreher 2003b, 66 f.; Dreher 2005a, 104; zudem mit sehr weitreichenden Annahmen zur spezifischen Weiblichkeit des Motivs des Erhängens Gerolemou 2011, 162. Die Entscheidung für oder wider die Anerkennung der Hiketiden wird im gleichnamigen Drama schließlich der Polis überlassen. Die Bürger beschließen die Aufnahme der Frauen in die eigene Gemeinschft, was was Danaos seinen Töchtern in dekretähnlicher Form berichtet (Aischyl. Hik. 606–615). Die Passage über die Art und Weise der Anerkennung des Schutzflehens, in der festgehalten wird „ἡμᾶς μετοικεῖν τῆσδε γῆς ἐλευθέρους / κἀρρυσιάστους ξύν τ᾽ ἀσυλίᾳ βροτῶν: / καὶ μήτ᾽ ἐνοίκων μήτ᾽ ἐπηλύδων τινὰ / ἄγειν“ ‚wir sollen in diesem Land frei mitwohnen, mit der Asylie der Sterblichen vor Entführung geschützt; es soll uns weder ein Einheimischer noch ein Ankömmling wegführen‘ (Aischyl. Hik. 610–612) hat in der Forschung für Spekulationen über die Herkunft der Asylie aus der Hikesie/Xenodoxie gesorgt, vgl. dazu Schlesinger 1933,

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Generell mehren sich in klassischer Zeit die Zeugnisse für ein gesteigertes Empfinden der Unrechtmäßigkeit von Hikesie. Besonders deutlich wird das in Euripides’ Drama Ion. Das Konfliktpotential dieser Tragödie entfaltet sich dabei an der Frage, ob Hikesie Schuldige schützen darf – einer Frage im Übrigen, die noch in Dion Chrysostomosʼ Rhodischem Diskurs141 diskutierenswert scheint. Ion spricht sich gegen den Grundsatz aus, dass göttliches Recht unangefochten Geltung hat.142 Doch genau diese Logik, das göttliche Gebot nicht zu hinterfragen, bewahrt ihn davor unbewusst und auf Rache sinnend zum Muttermörder zu werden.143 Dieses Hinterfragen der Allgemeingültigkeit des göttlichen Gebots, die Hiketai allgemein und ohne moralische Prüfung zu unterstützen, beleuchtet Chaniotis in seinem Aufsatz Conflicting Authorities.144 Der Autor formuliert, dass vor der archaischen Periode der von ihm – trotz der ihm bewussten Implikationen – als Asylie bezeichnete sakrale Schutz von Hiketai uneingeschränkte Wirkung hatte. Als dann im siebten Jahrhundert in der Kapitalgerichtsbarkeit die Unterscheidung zwischen Absicht und Unfall eingeführt wurde,145 gewann die Idee des Miasma146 Geltung. Diese Idee färbte in den folgenden Jahrhunderten auf die Hikesie ab und führte zur Einschränkung der Selbstverständlichkeit ihrer Geltung. Der Anspruch auf Hikesie wurde in der Folgezeit immer weiter eingeschränkt und galt im Ergebnis für unschuldige Personen, denen Unrecht widerfahren ist. De facto wurde der Hikesieanspruch aber nicht über Gesetzgebung reglementiert, sondern über drei Mittel erreicht: Zum einen konnten bestimmte Personengruppen als ‚unrein‘ vom Heiligtum ausgeschlossen werden. Zum anderen konnte Sklaven der Zugang zum Heiligtum verwehrt werden.147 Zuletzt konnte noch auf Orakel zurückgegriffen werden, um sich bestimmter Hiketai zu entledigen. Jedoch, das hält der Autor abschließend fest, waren die Ideen vom uneingeschränkt gültigen und dem an Reinheit, also Freiheit von Miasma, geknüpften Sak-

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42–47; Gödde 2003, 91–98; zum Verhältnis des Fremdenrechts zur Hikesie vgl. ferner Gould 1973, 90–94; Nesselrath 2005, bes. 92 f. Nicht zuletzt wegen der Einmaligkeit der aischyläischen Verbindung von Hikesie und Asylie, aber auch wegen der weitreichenden Konsequenzen der These Schlesingers lehnt Dreher 1996, 87 und 2003b, 81 diese Annahme ab. Unter Verweis auf die divergente Verwendung des Begriffs Asylia in zeitgenössischen epigraphischen Quellen beurteilt Dreher 2003, 80 f. die betreffende Passage als den Ausdruck eines ‚fiktiven Asylrechts‘; vgl. ferner Traulsen 2004, 178. Grethlein 2003, 99–107 sieht in der Diskussion um die Aufnahme der Hiketiden ein identitätsstiftendes Moment; zum politischen Charakter der Tragödie vgl. Gibert 2009, bes. 440–445. Dion. Chrys. 31, 88. Eur. Ion 1312–1320. Vgl. auch Chaniotis 1996a, 66 f., 86. Chaniotis 1996a; vgl. auch Chaniotis 2007. Etwa in Drakons Gesetz über die unvorsätzliche Tötung deutlich, IG I3 104; grundsätzlich zur Unterscheidung zwischen Unfall und Absicht, vgl. Hawke 2011, 58–61. Petrovic/Petrovic 2016, bes. 165–174. Im Falle der Sklaven wurden darüber hinaus auch Prüfungsverfahren hinsichtlich der Hikesieberechtigung früher entwickelt als für Freie, was wohl an der Notwendigkeit einer Strategie für den Umgang mit entflohenen Sklaven lag. Thür 2003, 31 modifiziert diese Interpretation durch die These, die „gerichtliche Kontrolle des Asylanspruchs“ habe sich lediglich auf Sklaven bezogen.

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2. Die Wurzeln der territorialen Asylie

ralschutz die gesamte griechische Antike hindurch gültig. Auf der einen Seite war das sakrale Gebot, die Hiketai ohne Einschränkung zu unterstützen, mit göttlicher Autorität versehen, auf der anderen Seite rekurrierte die Überprüfung der Hiketai auf Gerechtigkeitskriterien und moralische Überlegungen. Gerade an Hand der Hikesietragödien lässt sich dieser langwierige Prozess gut nachvollziehen. Doch auch in der klassischen und hellenistischen historiographischen Literatur spielen Hikesie und in weitaus stärkerem Maße ihre Missachtung eine beträchtliche Rolle; diese Fokussierung der Historiographen auf Hikesieverletzungen resultiert nicht zuletzt aus der Zentralität des Krieges in ihren Werken und den damit zusammenhängenden Abweichungen von in Friedenszeiten geltenden moralischen und rechtlichen Normen. Die Missachtung von Hikesie wird in den historiographischen Quellen einhellig als ein Sakralfrevel verstanden, der Befleckung und/oder einen Fluch hervorruft148 und mit göttlicher Vergeltung bestraft wird.149 Trampedach führt die Hikesieverletzung in seinem instruktiven Aufsatz über die Hierosylie in klassischer Zeit als eine Form derselben und listet die historischen – also vornehmlich historiographisch und epigraphisch150 überlieferten – Fälle von Hikesieverletzung auf.151 Eine Durchsicht der Hikesiebelege in der historiographischen Literatur vermittelt den Eindruck, die Hikesie sei nur eine von vielen Folgen der Kriege und der vielfach aus diesen befeuerten Bürgerkriege der klassischen Zeit.152 Gerade bei Thukydides erscheint die Missachtung der Hikesie als eine Art Topos für den verderblichen Einfluss des Krieges. Der Autor formuliert gar in direktem Zusammenhang zur gescheiterten Hikesie im Bürgerkrieg auf Korkyra, der Krieg sei ein gewalttätiger Lehrer (βίαιος διδάσκαλος), der den Menschen zu moralisch verwerflichen Augenblicksentscheidungen führe.153 Diese Einordnung der Hikesieverletzungen in ein Konvolut von Kriegscharakteristika aber führt zum veränderten literarischen Stellenwert dieser Passagen gegenüber dem Drama und in nachgeordneter Weise auch dem Epos: Während dort die Gemengelage der Hikesie in vielschichtiger Form diskutiert und problematisiert werden kann, neigt die Historiographie häufig zu musterhaften Beschreibungen. Die Hikesieverletzung wird berichtet und in kau148 Vgl. Trampedach 2005, 152. 149 Naturkatastrophen oder negative Kriegsfolgen werden häufig in kausalen Zusammenhang mit den Hikesieverletzungen gebracht, vgl. z. B. das Erdbeben, das die Spartiaten nach dem Helotenfrevel am Tainaron traf (Thuk. 1, 128; Aristoph. Ach. 510; Ael. VH 6,7; Paus. 4, 24, 5; 7, 25, 3), den den Kymäern vom didymeischen Apollon angedrohten Untergang in Zusammenhang mit der Auslieferung des Paktyas (Hdt. 1, 157 f.), den Fluch der zur Vertreibung der StasisSieger von Aigina führte (Hdt. 6, 91), das Erdbeben nach der Ermordung von Festgesandten in Helike (Diod. 15, 49; Paus. 7, 24, 6; Strab. geogr. 8, 7, 2); vgl. ferner Trampedach 2005, 146–148. 150 Es handelt sich um den Mordfall im Tempel der Athena Alea in Mantineia (IG V 2, 262), s. 54–56. 151 Trampedach 2005, bes. 163–165. 152 Zu den Folgen von Krieg und Bürgerkrieg vgl. Gehrke 1985, bes. 245–254; 268–287; vgl. ferner Alonso 2007; Konstan 2007. 153 Thuk. 3, 82, 2; vgl. auch Thuk. 1, 128 mit der Erwähnung des spartanischen Helotenfrevels und eines damit in kausalen Zusammenhang gebrachten Erdbebens.

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salen Zusammenhang mit der aus der Nichtachtung der ungeschriebenen Gesetze resultierenden göttlichen Vergeltung gebracht. Die expliziten Schilderungen der jeweiligen Vorkommnisse sind meist recht knapp gehalten und am Ergebnis orientiert. Zu den aussagekräftigsten historiographisch überlieferten Interpretationen von verletzter Hikesie zählen die von Thukydides in der Vorgeschichte des Peloponnesischen Krieges zusammengestellten Episoden von gegenseitigen – in der Darstellung des Autors politisch motivierten – Forderungen der Spartaner und Athener, einen auf Hikesiemissachtungen gründenden Fluch (ἄγος) zu bannen.154 Eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Passage und den Parallelstellen in der antiken Literatur scheint für die im Fokus stehende Thematik nicht von Nöten und in Anbetracht der Forschungslage in aller Kürze auch nicht zu leisten. Daher gilt es lediglich auf die für die Charakterisierung der Hikesie bei Thukydides relevanten Aspekte, nämlich einerseits die Bindung des Hikesieanspruchs an Freiheit von Miasma,155 wie sie auch schon von den Tragödiendichtern bekannt ist, und andererseits auf die in der Szene um den Tod des Pausanias, der – fast verhungert – von den 154 Thuk. 1, 126; 128: Die Spartaner werfen den Athenern die rund zwei Jahrhunderte zurückliegende Ermordung der Anhänger Kylons durch die Alkmeoniden im Tempel der Athene Polias vor, die Athener den Spartanern die Ermordung der Heloten im Poseidontempel am Tainaron und die des eigenen Königs Pausanias im Tempel der Athene Chalkioikos. Alle drei Episoden wurden in der antiken Literatur mehrfach diskutiert und dabei durchaus unterschiedlich gedeutet: Alkmeonidenfrevel: Hdt. 5, 70 f.; Thuk. 1, 126; Plut. Solon 12; Paus. 7, 25, 3; Aristoph. Equ. 445; Helotenfrevel: Thuk. 1, 128; Aristoph. Ach. 510; Ael. VH 6,7; Paus. 4, 24, 5; 7, 25, 3; Aristodemos, FGrH 104 F8, 2; Ermordung des Pausanias: Thuk. 1, 128; Diod. 11, 45 f.; Paus. 3, 17, 7–9. 155 Thuk. 1, 126: In seiner Diskussion des Alkmeonidenfrevels betont Thukydides, dass Kylon mit militärischer Hilfe von Außen eine Tyrannis habe errichten wollen und dass dieses Vorhaben mit einem missverstandenen Orakelspruch legitimiert wurde. Gerade der Verweis auf den aus Gründen der Selbstüberschätzung falschverstandenen Willen der Götter kann als diskreditierend in Bezug auf sein Schutzflehen gedeutet werden: Wenn Kylon auch in gewissem Maße ein Miasma auf sich geladen hat, kann ihm Hikesie verweigert werden. Auch in Thuk. 4, 98 wird die Kopplung des Hikesieanspruchs an Reinheit deutlich: „[…] καὶ γὰρ τῶν ἀκουσίων ἁμαρτημάτων καταφυγὴν εἶναι τοὺς βωμούς, παρανομίαν τε ἐπὶ τοῖς μὴ ἀνάγκῃ κακοῖς ὀνομασθῆναι […]“ ‚[…] Hätte doch das unabsichtliche Vergehen seine Zuflucht bei den Altären, und Rechtsbruch sei ein Wort für ohne Not begangene Schlechtigkeiten […]‘; Übers. nach: Thukydides, Geschichte des Peloponnesischen Krieges, übers. von Georg Peter Landmann, 2 Bde., Darmstadt 1993. Wie Chaniotis 1996b, 70, 84 aber richtig betont, geht die Diskussion um die Bindung des Hikesieanspruchs an die Freiheit von Miasma auf die im 7. Jahrhundert in Drakons Gesetzen (IG I3 104) manifestierte Unterscheidung zwischen Absicht und Unfall in der Kapitalgerichtsbarkeit zurück. Die Gesetze Drakons wiederum scheinen ihren Ursprung in den Wirren nach dem Putschversuch Kylons zu haben (vgl. dazu ausführlich Busolt 1895, 223). Die Erklärung des Thukydides stellt also hinsichtlich der Beurteilung des mangelnden Hikesieanspruchs Kylons eine Rückprojektion des Autors dar, was auf eine gewisse intendierte Relativierung der Ereignisse durch den Autor deutet. Scharff 2016, 215–223, weist mit Bezug auf die anekdotische Überspitzung des Vorwurfs religiös gefrevelt zu haben in Arist. Equ. 445 darauf hin, dass gerade die gegenseitige Überbietung der aufgezählten religiösen Frevel seitens der Spartaner und Athener als Teil der politischen Agitation zu Beginn des Peloponnesischen Kriegs zu werten ist.

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2. Die Wurzeln der territorialen Asylie

Spartanern zum Sterben aus dem Heiligtum herausgelockt wurde, deutlich werdende Ortsgebundeheit der Hikesie156 hinzuweisen. Kunstgriffe, die die Hiketai aus den Heiligtümern entfernen sollen, sind auch in der übrigen historiographischen Literatur bekannt und rekurrieren auf das Moment der Unverletzlichkeit heiligen Grundes, das im Moment der Hikesie auf den Schutzsuchenden übergeht.157 Diese körperliche Teilhabe an der Unverletzlichkeit des sakralen Ortes verbindet die Vorstellungen von Hikesie und Asylie (als Abstraktum, nicht als verliehenes und epigraphisch bezeugtes Privileg der persönlichen Asylie) bis zu einem gewissen Grade und ist sicher ein Kettenglied in der Entstehung der Idee territorialer Asylie. Um die Hiketai nun aus den Heiligtümern zu drängen, werden verschiedene Listen angewandt: So lässt der spartanische König Kleomenes schutzsuchende argeiische Kriegsgefangene aus einem heiligen Hain unter Vorwand der Wergeldzahlung herausrufen und erschlagen sowie im Folgenden den Hain anzünden,158 die Tegeaten bewerfen die im Rahmen einer Stasis unterlegene Partei im Artemistempel mit Dachziegeln, um sie zur Aufgabe der Hikesie zu bewegen159 und die Korinther versuchen die in Samos schutzsuchenden korkyräischen Jünglinge auszuhungern,160 um nur einige Beispiele zu nennen.161 Dennoch gilt festzustellen, dass die Hikesie aushöhlendes Verhalten gewöhnlich negativ – wenn auch zu unterschiedlichem Grade – bewertet und von den Historiographen als frevelhaft beschrieben wird. Die Hikesiemissachtungen werden als schwere Verletzungen des göttlichen Gebots begriffen, die göttliche Vergeltung nach sich ziehen. Das göttliche Wirken kann sich jedoch nicht nur in Unglücksfällen offenbaren, sondern auch in Orakelsprüchen.162 Im Falle des Todes des Pausanias zwingt das Orakel die Spartaner zur Wiedergutmachung; tatsächlich entwickeln sich Orakel jedoch zu einem probaten Mittel, sich unerwünschter Hiketai zu entledigen.163 156 Thukydides Auseinandersetzung mit dem Helotenfrevel scheint wesentlich reduzierter als die Schilderungen zum Alkmeonidenfrevel; der Autor zeichnet Pausanias im Rahmen des sogenannten Pausanias-Themistokles-Exkurses (Thuk. 1, 128–138) negativ, was als Gegenmodell zur Darstellung des Perikles interpretiert wurde, vgl. dazu Konishi 1970; ferner Ellis 1994; zum nachdrücklich symbolischen Charakter der Passage und ihrer Rolle als Folie der Idealität Perikles’ vgl. Rohdich 1994; zur grundsätzlich negativen Zeichnung des Pausanias bei Thukydides, vgl. Schuhmacher 1987, 243–245. 157 Vgl. den Versuch des kylonischen Gefolges ihren Schutz zu wahren, indem sie sich auf dem Wege zum Dikasterion durch ein Seil an den Tempel hafteten (Plut. Solon 12, 1); ähnlich handelten nach Herodot die Ephesier, als sie sich der Belagerung durch Kroisos widersetzen wollten und die Stadt durch ein Seil an das Artemision banden (Hdt. 1, 26; auch Ael. VH 3, 26). 158 Hdt. 6, 78–80; Paus. 2, 20, 8; 3, 4, 1. 159 Xen. hell. 6, 5, 9. 160 Hdt. 3, 48. 161 Eine ausführliche Auflistung bietet Sinn 1990, 78, Anm. 92–96. 162 Paus. 7, 25, 1, überliefert einen an Athener gerichteten Orakelspruch des Zeus von Dodona: „[…] τοὺς μὴ σὺ κτεῖνε σιδήρῳ, / μηδ᾽ ἱκέτας ἀδικεῖν: ἱκέται δ᾽ ἱεροί τε καὶ ἁγνοί.“ ‚[…] Töte [die Hiketai] nicht mit dem Schwert; den Hiketai nicht Unrecht tun: denn die Hiketai sind heilig und ehrwürdig!‘; vergleichbar sind die epigraphischen Warnungen, den Hiketai nichts Unrechtes zu tun, s. 52 f. 163 Chaniotis 1996b, 75–78.

2.3 Das Wortfeld Hikesie: Schutzgewährung im sakralen Raum

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Ein gutes Beispiel für die Problematisierung dieser Versuche der Hikesieeindämmung liefert Herodot im ersten Buch seiner Historien.164 Als der Lyder Paktyas in Kyme Zuflucht vor den Persern sucht, befragen die Bürger den didymeischen Apollon in der Absicht, die Auslieferung des Schutzflehenden zu legitimieren. Der Orakelspruch fällt zu ihren Gunsten aus, aber angespornt von dem Orakeldeuter Aristodikos wenden sie sich ein weiteres Mal an die Gottheit: ὃ μὲν ταῦτα ἐπειρώτα, ὃ δ᾽ αὖτις τὸν αὐτόν σφι χρησμὸν ἔφαινε, κελεύων ἐκδιδόναι Πακτύην Πέρσῃσι. πρὸς ταῦτα ὁ Ἀριστόδικος ἐκ προνοίης ἐποίεε τάδε: περιιὼν τὸν νηὸν κύκλῳ ἐξαίρεε τοὺς στρουθοὺς καὶ ἄλλα ὅσα ἦν νενοσσευμένα ὀρνίθων γένεα ἐν τῷ νηῷ. ποιέοντος δὲ αὐτοῦ ταῦτα λέγεται φωνὴν ἐκ τοῦ ἀδύτου γενέσθαι φέρουσαν μὲν πρὸς τὸν Ἀριστόδικον, λέγουσαν δὲ τάδε ‚ἀνοσιώτατε ἀνθρώπων, τί τάδε τολμᾷς ποιέειν; τοὺς ἱκέτας μου ἐκ τοῦ νηοῦ κεραΐζεις;‘ Ἀριστόδικον δὲ οὐκ ἀπορήσαντα πρὸς ταῦτα εἰπεῖν ‚ὦναξ, αὐτὸς μὲν οὕτω τοῖσι ἱκέτῃσι βοηθέεις, Κυμαίους δὲ κελεύεις τὸν ἱκέτην ἐκδιδόναι;‘ τὸν δὲ αὖτις ἀμείψασθαι τοῖσιδε ‚ναὶ κελεύω, ἵνα γε ἀσεβήσαντες θᾶσσον ἀπόλησθε, ὡς μὴ τὸ λοιπὸν περὶ ἱκετέων ἐκδόσιος ἔλθητε ἐπὶ τὸ χρηστήριον.‘ So lautete die Anfrage; der Gott aber verkündete ihnen wieder dasselbe Orakel, indem er die Auslieferung des Paktyas an die Perser befahl. Darauf tat Aristodikus vorsätzlich Folgendes. Er ging rings um den Tempel herum und nahm die Sperlinge und alle anderen Arten von Vögeln, die in dem Tempel sich eingenistet hatten, heraus. Während er aber dies tat, kam, wie man sagt, eine Stimme aus dem Heiligtum, die sich an den Aristodikus mit folgenden Worten wandte: „Du Gottlosester unter den Menschen, was unterfängst du dich, dieses zu tun? Meine Schützlinge raubst du aus dem Tempel!“ Aristodikus aber, ohne in Verlegenheit zu geraten, erwiderte darauf: „O König, Du selbst stehst auf diese Weise deinen Schützlingen hilfreich bei: den Kymäern aber gebietest du, ihren Schützling auszuliefern!“ Darauf habe der Gott hinwiederum Folgendes geantwortet: „Ja, ich befehle es euch, damit ihr um eures Frevels willen desto schneller zugrunde geht und fürderhin nicht mehr an das Orakel auch wegen der Auslieferung eines Schützlings wendet.“165

Die Problematik wird hier gleich auf zweifache Weise verdeutlicht. Einerseits wird die Ausnahmslosigkeit der Hikesiegewährung betont und mit dem Willen des didymeischen Apollon wie mit der Androhung einer vernichtenden Strafe legitimiert; andererseits wird unmissverständlich dargestellt, dass der Versuch Hiketai auszuliefern zu den denkbaren Optionen der jeweiligen Politen, die sich in einer politisch heiklen Lage befinden konnten, zählte. Die Übergabe der Hiketai wurde allerdings eindeutig mit einer Befleckung in Zusammenhang gebracht und musste folglich, um göttlicher Sanktionierung zu entgehen, eine religiös codierte Billigung166 erfahren. Abschließend gilt es zu betonen, dass der Schutzsuchende im Rahmen der Hikesie aber auch nicht völlig machtlos war, was die mit dem Ritual einhergehende Selbsterniedrigung vermuten ließe. Gerade die Sorge vor einer unsühnbaren Befleckung der heiligen Stätten verlieh den Hiketai ein Druckmittel: den (angedrohten) 164 Hdt. 1, 157–159; Zur Paktyasepisode vgl. Gould 1993, 83–83; Seibert 1979, 41–46; 63. 165 Hdt. 1, 159; Übers. nach: Herodot, Historien, übers. von Christian Bähr, Wiesbaden 22004. 166 Dabei kann neben einem Orakel auch ein anderes Zeichen göttlichen Willens in Frage kommen, vgl. z. B. das Reißen des Seils am Tempel der Erinnyen im Falle des kylonischen Gefolges (Plut. Solon 12, 1); das Augenverschließen der hölzernen Athene von Siris während des Mordes an fünfzig Jünglingen und ihrem Priester (Strab. geogr. 6, 1, 14).

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Selbstmord.167 Thukydides überliefert einen Massenselbstmord im Heraion von Korkyra, der die ausweglose Situation der unterlegenen Partei in der Stasis unterstreicht. Der praktisch erzwungene Selbstmord der zum Tode verurteilten Bürger lädt mit der Entweihung des Heiligtums Schuld auf die überlebenden siegreichen Bürger.168 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Hikesie und Hikesiemissachtungen seit klassischer Zeit in mannigfaltiger Form literarisch verzeichnet wurden. Zu der genauen Betrachtung der jeweiligen Gemengelage im Drama, die das Problem der konkurrierenden göttlichen (absoluten) und menschlichen (an Gerechtigkeitskriterien orientierten) Gebote bis ins kleinste Detail reflektiert, sind auch in der Geschichtsschreibung neben vielen kurzen Ereignisdarstellungen von zum überwiegenden Teil missglückten Hikesieversuchen an zeitgenössischen Diskursen ausgerichtete ausführliche Berichte zu finden. Die literarischen Quellen der klassischen und hellenistischen Zeit erweitern also nicht nur das Wissen um Hiketeumata und das Prozedere der Hikesie, vielmehr vermitteln sie gesellschaftliche Auseinandersetzungen mit diesem Feld, und das sowohl in politischer wie religiöser Hinsicht. 2.3.3 Hikesie im Spiegel epigraphischer Überlieferung Die epigraphischen Zeugnisse zur griechischen Hikesie sind im Vergleich zu den die Asylie betreffenden rar. Einige Inschriften beinhalten kurze Verlautbarungen über erfolgreiche Hikesie oder berichten nebenbei von Hiketai im Tempel.169 Ob ihrer Kürze erlauben solche Inschriften aber keinen Blick in die Hintergründe, Motive oder das Verfahren des Hikesieinstituts. Die Seltenheit epigraphisch belegbarer Hikesiefälle resultiert auch aus der Tatsache, dass Hikesie als νόμος ἄγραφος nicht zum Inhalt (zwischen)staatlicher Verlautbarungen wurde. Prinzipiell wurde ihre göttlich legitimierte Wirksamkeit vorausgesetzt, auch wenn sie bisweilen räumlich wie zeitlich eingeschränkt170 oder missachtet wurde.171 Inschriftlich lassen sich Hikesieverletzungen aus Texten ableiten, die zur Einhaltung der Hikesie auffordern. Sehr deutlich wird das im Falle der im ersten Jahrhundert n. Chr. wiederaufgezeichneten Grenzsteininschrift des Tempelbezirks des Dionysos in Tralleis aus dem vierten Jahrhundert: ἔτεος IIIIIII, μηνὸς ἑββδόμω, βασιλέοντος Ἀρταξέσσε-

167 Zur Selbstmorddrohung Schutzflehender in Tragödien vgl. Gödde 2000, 16, 19, 33; Gödde 2001, 257; vgl. ferner Gould 1973, 100; Dreher 2003b, 66 f.; Dreher 2005a, 104; vgl. ferner Gerolemou 2011, 162. 168 Bedingt vergleichbar ist die Selbstmorddrohung der Athener in Delphi in Zusammenhang mit dem Versuch ein positives Orakel zu erzwingen (Hdt. 7, 141, 1–2). 169 Vgl. die Sammlung der Belege bei Traulsen 2004, 180. 170 Eine Belegsammlung findet sich bei Traulsen 2004, 199–203. Am häufigsten sind wohl die Einschränkungen des Zutritts zu Heiligtümern als indirektes Regulativ der Hikesie, vgl. dazu Chaniotis 1996a, 72–75, mit zahlreichen Belegen. 171 Zu Hikesieverletzungen vgl. Trampedach 2005, bes. 163–165.

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ω· ἐξσατραπεύοντος Ἰδριέως· ὅσα ἐψηφίσαντο Τραλδεῖς· ἱκετηρίην εἶναι Διονύσωι Βακχίωι τῶι δημοσίωι· ἱκέτην μὴ ἀδικεῖν ὅρος ἱερὸς ἄσυλος Διονύσου Βάκχου· τὸν ἱκέτην μὴ ἀδικεῖν μηδὲ ἀδικούμενον περιορᾶν· εἰ δὲ μή, ἐξώλη εἶναι καὶ αὐτὸ καὶ τὸ γένος αὐτοῦ.172 Im siebten Jahr im siebten Monat der Königsherrschaft des Artaxerxes, unter dem Satrapen Idrieus, beschlossen die Bürger von Tralleis: Der öffentliche Dionysos Backchos soll das die Hiketai betreffende [Recht] haben. Dem Hiketes darf man nicht Unrecht tun. Heiliger unverletzlicher Horos des Dionysos Bakchos. Dem Hiketes darf man kein Unrecht tun und auch kein von statten gehendes Unrecht übersehen. Anderenfalls soll derjenige selbst zugrunde gehen und auch sein ganzes Geschlecht.

Die mit einer Fluchformel verbundene Mahnung Hikesieverletzungen zu unterlassen,173 weist der Hikesie einen hohen Stellenwert innerhalb der städtischen Ordnung zu; sie bezeugt, dass es ein hohes Anliegen der Bürger war, die Hikesie als gesellschaftliches Regulativ aufrechtzuerhalten, und das bis in die römische Kaiserzeit hinein. Besonders hervorzuheben ist – sollte der Wortlaut der Inschrift tatsächlich aus dem 4. Jahrhundert stammen – die erstmalige inschriftliche Verknüpfung der Termini ἱερòς und ἄσυλος nach einem aus den späteren Verleihungen territorialer Asylie bekanntem Muster, die auf die aus vor allem literarischen Quellen bekannte Unverletzlichkeit heiliger Orte rekurriert.174 In der Inschrift von Tralleis wird folglich über Grenzsteine ein Bereich als ‚heilig‘ und ‚unverletzlich‘ definiert und zudem mit dem Verbot Hiketai zu misshandeln in Verbindung gebracht. Mit diesem Verbot der Hikesiemissachtung spiegelt die Inschrift vermutlich den sehr fortgeschrittenen Stand der Diskussion um die Allgemeingültigkeit von Hikesie, die sowohl aus Gerechtigkeitserwägungen als auch aus den vielfachen Hikesieverletzungen der Kriege und Bürgerkriege der klassischen Zeit heraus so stark befeuert wurde, dass eine Feststellung der Heiligkeit des Teme172 Le Bas/Waddington 1848, 1651; GIG II 2919; Robert 1936, 96 (SEG 15, 665); Canali De Rossi 2004, 240. Zur Datierung der Inschrift und zur Begründung des ‚hikesieverleihenden‘ Charakters vgl. ferner LSAM 75; Rigsby 1996, 416; Traulsen 2004, 184. 173 Vergleichbar ist eine fragmentarische Inschrift aus Metropolis aus dem 4. Jahrhundert (LSAM 29; Ergänzung Z. 8 nach Keil–von Premerstein 1914, 103) in der die Meter Gallesia für die Aufforderung zur Einhaltung der Hikesie bürgt: [ἁγνεύ]εται ἀπὸ / [κήδους] ἡμέρας / [δώδεκα,] ἀπὸ / [γυν]αικὸς τῆς / [ἰδία]ς ἡμέρας δύ[ο,] / [ἀπὸ ἑ]ταίρας τρεῖς· / [ἱκέτην] μὴ ἀπέλκειν / [εἰ μὴ τὸν] ἐπιστά- / [μενο]ν μηδὲ / [δρᾶν] μ[η]θὲν ἄδι- / [κον·] ὃς δ’ [ἂν] ἀδική- / [σηι,] μὴ εἵλως αὐ- / [τῶι ἡ] Μήτηρ [ἡ] Γαλ- / [λησί]α. ‚Man ist unbefleckt, wenn nach einem Trauerfall 12 Tage vergangen sind, nach dem Geschlechtsverkehr mit der eigenen Ehefrau zwei Tage, nach dem Geschlechtsverkehr mit einer Hetäre drei Tage. Den Schutzflehenden soll man nicht wegziehen, außer der Aufseher des Heiligtums; es soll ihm auch niemand Unrecht tun. Wer auch immer den Schutzflehenden Unrecht tut, dem soll Meter Gallesia nicht gnädig sein.‘ Zur Deutung der Inschrift in Hinsicht auf Hikesie vgl. Chaniotis 1996a, 78 f. 174 S. 68–72.

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nos und der damit verbundenen Hikesiebefähigung als notwendig empfunden wurden. In diesem Vorgang könnte ein möglicher Prototyp für die beschriebenen hellenistischen Phyxima liegen.175 Die große Bedeutung der Hikesie für politische Gemeinschaften und das durch Hikesieverletzungen erzeugte Ausmaß an Unruhe können auch in einer Inschrift aus Mantineia über den Mord im Tempel der Athena Alea aus dem fünften Jahrhundert beobachtet werden.176 Im Rahmen dieser Inschrift werden in äußerst detaillierter Art und Weise Bestimmungen getroffen, die dazu dienen sollen, die Spaltung der Bürgerschaft rückgängig zu machen. Zentral ist die Verurteilung der Mörder – ihre Vermögen kommen dem Tempel zu und sie selbst sowie ihre männlichen Nachkommen werden aus dem Tempel ausgeschlossen – einer Gruppe von Männern und eines Mädchens, die aus in der Inschrift völlig ausgesparten Motiven in den Tempel der Athena Alea geflüchtet waren.177 Dabei wird repetitiv betont, dass sobald alle getroffenen strafrechtlichen Regularien greifen, der Gemeinschaftsfrieden wiederhergestellt sein soll. Chaniotis deutet die Inschrift sogar als Beschreibung eines ‚doppelten‘ Hikesiefalls: Nach erfolgtem Mord an den Hiketai flüchten die Mörder in das Heiligtum der Athena Alea und entziehen sich sowohl gerichtlicher Verfolgung als auch der Rache der Angehörigen.178 In seiner Interpretation umschreibt „ἀπὺ τοῖ ἱεροῖ“179 keinen Ausschluss aus der Tempelgemeinschaft und damit auch aus der übergeordneten sakralen und politischen180, sondern die Vertreibung der Mörder aus dem Tempel, in dem sie sich als Hiketai aufhielten. Für den Ausschluss aus der Sakralgemeinschaft bedürfe es der Verwendung des Plurals, die auch andere Heiligtümer auf dem Polisgebiet einschlösse.181 Gibt man dieser Lesart den Vorzug, würde auch den am Mord unbeteiligten männlichen Nachkommen der Mörder der Hikesieanspruch auf alle Zeit entzogen; deutet man die betreffende Phrase mit Thür als Ausschluss aus der Sakralgemeinschaft, würden auch die Nachkommen von der Partizipation am religiösen und damit im Grunde auch politischen Leben ausgeschlossen bleiben. Beide vorgeschlagenen Interpretationen deuten auf folgenreiche und drastische Maßnahmen; hinzu kommt die Diskreditierung des entgegengerichteten Verhaltens mit den Worten „ἰνμενφὲς ἐ̂ναι“ ‚es soll frevelhaft sein‘182. Gerade eingedenk der Zentralität der Aufforderung zur Einhaltung des Friedens („ἵλαον ἐ̂ναι“ ‚es soll ver-

175 S. 29–32. 176 IG V 2, 262; maßgeblich neuediert bei Thür/Täuber 1994, Nr. 8; Dubois 1986, 94–111. Zur Interpretation vgl. Chaniotis 1996b, 75–78. 177 Zur syntaktischen Zugehörigkeit der Worte „ἰν τοἱεροῖ“ (Z. 29) und der Interpretation des Mordes als Akt der Hikesieverletzung vgl. Thür/Täuber 1994, 87 f.; Chaniotis 1996b, 76 f.; Chaniotis 2007, 241–243. 178 Chaniotis 1996b, 76; Chaniotis 2007, 242; anders Thür 2002, 29. 179 Thür/Täuber 1994, Nr. 8, Z. 22. 180 Zur politischen Dimension der Asebieprozesse vgl. Bruit Zaidman / Schmitt Pantel / Cartledge 1992, 11–15; Haake 2009, 123; Evans 2010, 218. 181 Chaniotis 2007, 242. 182 Thür/Täuber 1994, Nr. 8, Z. 23, 28.

2.3 Das Wortfeld Hikesie: Schutzgewährung im sakralen Raum

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söhnt sein‘)183, die auf eine nur mit großer Mühe zu überwindende Spaltung der Bürgerschaft deutet, scheint eine dritte Möglichkeit denkbar – die Mörder und ihre Nachkommen in männlicher Linie werden aus der Tempelgemeinschaft des Tempels der Athena Alea (und nur aus dieser) ausgeschlossen, weil ihre Anwesenheit die Befleckung, der sie das Heiligtum ausgesetzt haben, perpetuieren würde. Darüber hinaus werden sie aber nach Entrichtung der angesetzten Strafen nicht belangt. Die Sicherung des inneren Friedens würde höher bewertet als eine als gerecht(er) empfundene Strafe.184 In Bezug auf die Hikesie erlaubt diese Inschrift die Schlussfolgerung, dass im fünften Jahrhundert ihr Allgemeingültigkeitsanspruch noch über eine starke Wirkungskraft verfügt und ihre Verletzung als Hierosylie wahrgenommen wird. Andererseits muss betont werden, dass Hikesie keineswegs als einzige, vielmehr als eine von mehreren Konflikteindämmungsstrategien fungiert, denn nach dem Scheitern der Hikesie werden ein Gerichtsbeschluss und ein Orakel zur Sicherung des sozialen Friedens herangezogen. Die Problematisierung der Funktionsweisen der Hikesie lässt sich in der klassischen Zeit aber auch in stärkerem Ausmaß epigraphisch belegen. Eine aus dem vierten Jahrhundert stammende Inschrift aus dem makedonischen Dikaia offenbart den Versuch, die Stadt nach einer Bürgerkriegssituation wieder in ein funktionierendes Gefüge zu wandeln.185 Aus diesem Grund müssen alle Männer bei Androhung von Enteignung einen Eid ablegen, der wiederum mit der Übergabe eines Pfandes des Gottes Apollon belohnt wird. Für den Fall des Eidbruches werden vielfältige Selbstverfluchungen angefügt.186 Inhalt des Eides sind, wie erwähnt, auf die Stabilisierung der Polis zielende Bestimmungen. So verpflichten sich die Dikaiopoliten, ihre traditionelle Verfassung beizubehalten, nichts gegen die Gemeinschaft zu unternehmen, niemanden zu bedrängen, zu töten oder wegen der vergangenen Ereignisse gewaltsam zur finanziellen Wiedergutmachung zu zwingen. Als logische Konsequenz dieser Selbstverpflichtung erscheint sodann die Aufhebung der Hikesie, ausgedrückt in den Zeilen 74–75: „καὶ ἀπὸ τῶμ βωμῶν καθελέω καὶ καθαιρεθ[ή]σομαι“187 ‚ich werde [die Hiketai] von den Altären fernhalten und selbst ferngehalten werden‘. Die regulierende Wirkung der Hikesie ist folglich nicht notwendig, wenn ein als übergeordnet wahrgenommenes Instrument – in diesem Fall eine Amnestie – zur Anwendung kommt und jeder einzelne Bürger sich verpflichtet, „πολιτεύσομαι ἐπίπασι δικαίς“188 ‚ich werde in jeglicher Hinsicht ein gerechter Bürger sein‘. Gerade diese Außerkraftsetzung der Hikesie charakterisiert sie als eine Art notwendiges Übel und lässt deutliche Parallelen zur literarisch 183 Thür/Täuber 1994, Nr. 8, Z. 22, 29, 36. 184 Thür/Täuber 1994, 77 stellen die Überwindung dieses großen Konflikts in Zusammenhang mit dem Synoikismos von Mantineia, den sie der Spätdatierung (zur Datierung vgl. Gehrke 1985, 101 f., Anm. 1.) folgend in den 460–450er Jahren ansetzen. 185 Voutiras 2008 (SEG 57, 576); Voutiras/Sismanides 2007; vgl. ferner Knoepfler 2008, 263; Scharff 2016, 308–315. Zum (Mis)verhältnis zur Asylie vgl. Naiden 2014. 186 Zur historischen Interpretation des Eides der Dikaiopoliten vgl. Scharff 2016, 171–179. 187 Voutiras 2008, Z. 74 f. 188 Voutiras 2008, Z. 67.

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geführten Miasma-Diskussion189 – die letztlich auf eine Einschränkung der Hikesie abzielt – erkennen: die Sicherung des sozialen Friedens wiegt stärker als der Primat des göttlichen Gebots.190 Nicht unerheblich scheint aber in diesem Zusammenhang, dass die Außerkraftsetzung einer religiös motivierten Regelung – der Hikesie – im Verlauf des Amnestieprozesses durch eine andere religiös motivierte Institution – den Eid – erstetzt wird.191 Dies deutet darauf hin, dass mit den beschriebenen literarisch wie epigraphisch fassbaren hikesiebezogenen Miasma-Diskursen nicht die religiöse Fundierung von Normen in Frage gestellt wird, sondern eine Erweiterung der besagten Normen um den Aspekt der Sicherung des sozialen Friedens stattfindet. Auch zur Beleuchtung des rituellen Prozederes der Hikesie könnte – unter Voraussetzung des Hikesiebezugs der aus dem vierten Jahrhundert stammenden und in jüngster Zeit stark diskutierten192 Lex Sacra von Kyrene193 – eine epigraphische Quelle herangezogen werden. Die in über 20 Paragraphen eingeteilte Inschrift befasst sich mit Ritualen unterschiedlicher Natur, die fünf Hauptgruppen zuzuordnen sind: In Z. 1–10 finden sich einleitende Bestimmungen, die ein gutes Zusammenleben und Wohlstand garantieren sollen. Der folgende Absatz (Z. 11–32) reguliert die Feststellung ritueller Befleckung oder Reinheit. In Z. 33–82 werden Regeln für die Erhebung des Zehnten für das Heiligtum des Apollon festgelegt, der von einer bestimmten Gruppe des Bürgerverbands zu entrichten ist. Auch hier spielen Reinigungsrituale eine bedeutsame Rolle. Daraufhin werden Bräute und Frauen betreffende Vorschriften verzeichnet (Z. 83–109), wiederum mit Bezug zu Befleckung und Reinheit. Zur letzten Gruppe gehören drei Paragraphen (Z. 110–143), die die Überschrift ΙΚΕΣΙΩΝ tragen. Sowohl die Bedeutung dieser gesperrt gesetzten Überschrift, der jeweilig einleitenden glossierenden Formulierung als auch des gesamten letzten Abschnitts wurde in den beinahe 90 Jahren seit Ihrer Entdeckung häufig divergent erörtert, und zwar trotz sehr guten Erhaltungszustandes. Die Diskussion lässt sich an Hand des Verständnisses des Terminus ἱκέσιος in zwei Hauptstränge aufteilen: Ein Teil der Forscher stellt den Zusammenhang mit der Hikesie her und betrachtet das Adjektiv ἱκέσιος mehr oder minder als bedeutungsgleich mit dem Substantiv ἱκέτης (dor. ίκέτας) ‚Schutzflehender‘. Die Hauptüberschrift der drei Paragraphen, ΙΚΕΣΙΩΝ, hieße dann etwa ‚von den Schutzflehenden‘,194 was der Inschrift große Bedeutung hinsichtlich der Hikesie bescheinigte. Ein anderer Teil der Forschung nimmt an, bei dem in Kyrene bezeugten ἱκέσιος handle es sich um eine Ableitung von ἵκω ‚(an)kommen, erreichen‘, die den etymo189 190 191 192 193

S. 47–52. Vgl. Chaniotis 2013, 65. Scharff 2016, 176. Zuletzt Robertson 2010, bes. 353–374. Maßgeblich ediert bei Olivierio 1933 und Dobias-Lalou 2000; vgl. ferner die synoptische Edition bei Robertson 2010 mit ausführlichem Kommentar und Literatursammlung. 194 Wilamowitz-Moellendorff 1927, 167; Servais 1960, bes. 121; Dobias-Lalou 1997; Dobias-Lalou 2000; Dobias-Lalou/Dubois 2007, 150 f.; Robertson 2010, 354–356; vgl. ferner etwas konfus Naiden 2006, 184–189.

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logischen Sinn bewahrt habe und somit als ‚jemand, der ankommt, Besucher‘ zu verstehen sei. So aufgefasst, bedeutete ΙΚΕΣΙΩΝ ‚von den Besuchern‘.195 Im Rahmen dieses Forschungsansatzes, der bereits 15 Jahre nach dem Fund von Harold J. Stukey vorgebracht wurde,196 ist der ‚Besucher-Hiketes‘ jedoch nicht menschlich, sondern eine Art Dämon oder Wiedergänger. Die Heiligen Gesetze von Kyrene schilderten somit keinen Hiksievorgang, sondern die Abwendung von Schadenszauber sowie Reinigungsrituale und wären für die vorliegende Untersuchung ohne Belang. Ein ernstes Problem dieser Deutung liegt jedoch in den griechischen Wortbildungsgepflogenheiten. Ableitungen mit dem Zugehörigkeit ausdrückenden -io-Suffix sind zum großen Teil denominativ;197 ἱκέσιος ‚Ankömmlinge, Besucher betreffend‘ kann nicht einfach vom Verbum ἵκω/ἱκνέομαι, das die Bedeutung ‚(an)kommen, erreichen‘ erhalten hat, abgeleitet werden. Formal setzt das Adjektiv ein Substantiv ἱκέτης ‚Ankömmling, Besucher‘ voraus. Eine solche Bedeutung des Terminus ἱκέτης ist nicht belegt.198 Freilich ist diese Tatsache allein noch kein ausreichendes Gegenargument für die kyrenische Verwendung. Der Überlieferungszufall kann vorgebracht werden, zumal die assoziative Nähe zwischen Gastfreundschaft, Gastrecht und Hikesie – wie besprochen – schon bei Homer belegt und bis weit in die klassische Zeit prominent ist.199 Darüber hinaus gilt zu bedenken, dass auch von onomastischer Seite Einwände gegen die Dämonenhypothese vorgebracht werden können. Ἱκέσιος und andere Ableitungen vom Stamm hikes-/hiket- dienen als gewöhnliche Vornamen.200 Noel Robertson führt aus, Ausdrücke, die eine gefährliche übernatürliche Entität evoziert hätten, wären nicht – abgesehen von verächtlichen Spitznamen – als Personennamen verwendet worden.201 Ein schwerwiegendes Argument – allerdings gegen beide Auslegungen – liegt darin, dass das Adjektiv ἱκέσιος nicht ohne weiteres substantivisch verwendet werden konnte.202 Man muss annehmen, dass entweder ein ganz allgemeiner Begriff mitge195 Stuckey 1937; Parker 1983, 347–351; Burkert 1992 68–73; Jameson/Jordan/Kotansky 1993, 119 f.; Geisser 2002, 174–176; Lupu 2009, 280 f., 380–384; Eck 2012, bes. 278–281; befremdlich wirkt das völlige Verschweigen der Dämonenhypothese und die Verwendung der Inschrift für die Kennzeichnung antiker griechischer Hikesie trotz umfassender Zitation des Forschungsstandes zur Dämonenhypothese bei Turner 2005, 75–77; vgl. ferner Traulsen 2004, 186–199 mit synthetischer Interpretation. 196 Stuckey 1937. 197 Schwyzer 1939, 446. 198 S. 42. 199 S. 43–45. 200 LGPN I s. v. Ἱκέσιος, Ἱκέτας, Ἱκετάων, Ἱκέτης; LGPN II s. v. Ἱκέσιος, Ἱκέτης; LGPN III.A s. v. Ἱκεσίη, Ἱκέσιος, Ἱκέτα, Ἱκέτα, Ἱκεταΐδας, Ἱκέτας, Ἱκέτης, Ἱκετῖνος, Ἱκέτις; LGPN III.B s. v. Ἱκέσιος, Ἱκέτας, Ἱκέτης; LGPN V.A s. v. ῾Ικεσία, Ἱκεσίς, Ἱκέσιος, Ἱκέτης; vgl. auch Pape– Benseler 1911, s. v. Ἱκεσία, Ίκέσιος, Ἱκεταΐδας, Ἱκεταονίδης, Ἱκετάονιος, Ἱκέτας; Robertson 2010, 355; für komponierte Personennamen vgl. Fick/Bechtel 1894, 151. 201 Robertson 2010, 355 f. 202 Vgl. auch Robertson 2010, 355 f.; dagegen sieht Servais 1960, 121, die Möglichkeit substantivischer Verwendung mit Verweis auf die Hesychglosse „ἱκέσιος: ἱκέτης, προσφυγος, ὡς ἱερὸν καταφεύγων δοῦλος“. Die Glosse bezieht sich auf Soph. Ant. 1230 „ἔξελθε, τέκνον, ἱκέσιός σε

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dacht wurde (Menschen, Männer, Frauen, Dinge)203 oder das durch ἱκέσιος näher charakterisierte Substantiv elliptisch ausgefallen ist. Bei der zweiten Möglichkeit allerdings ist ein (fast schon) syntagmatisch wahrgenommenes Gefüge erforderlich.204 Robertson sieht ein derartiges Näheverhältnis zwischen ἱκέσιος und καθαρμός. Die Überschrift des betreffenden Inschriftteils ist seiner Meinung nach als ἱκεσίων (καθαρμῶν) „of suppliant (purifications)“205 anzusetzen. Die einzelnen Paragraphenüberschriften deutet er wie folgt: Z. 111: ἱκέσιος, ἑπακτός „Suppliant (purification), conjured by magic.“ Z. 122: ἱκέσιος ἅτερος, τετελεσμένος ἢ ἀτελής „Suppliant (purification) the second, paid or not paid.“ Z. 132: ἱκέσιος τρίτος, αὐτοφόνος „Suppliant (purification) the third, slaying with one’s own hand.“206

Die Annahme des elliptischen Schwunds von καθαρμός erklärt folglich die formale Struktur, ohne eine anderweitig nicht belegte substantivische Verwendung von ἱκέσιος proklamieren zu müssen. Für die lediglich fallgebundene Substantivierung des im Übrigen adjektivisch verwendeten Terminus spricht des Weiteren der syntaktische Aufbau der Paragraphenüberschriften – das Herantreten adjektivischer oder genitivischer Attribute gilt als Marker für substantivierte Adjektiva.207 Inhaltlich bietet diese Lesung auch große Vorteile. Zum einen wird durch die Nähe zu Reinigungsritualen der innere Zusammenhang der gesamten Inschrift gestärkt. Die abschließenden drei Paragraphen sind nicht völlig willkürlich angefügt, sondern sind inhaltlich in den Gesamtkontext der Inschrift einzufügen, da die Reinigungsrituale in diesem Fall als roter Faden im Text fungieren. Neben grammatischen und inhaltlichen Erwägungen kann auch die äußere Struktur der Inschrift als Indiz für die Ellipse von καθαρμòς herangezogen werden. Lediglich vier Zeilen der Inschrift (Z. 1–3, 110) sind in größeren Lettern (1,5 cm statt 1,0 cm) gehalten, zwei dieser Zeilen sind gesperrt gesetzt (Z. 1, 110) und gelten allgemein als Überschriften.208 Während in Z. 110 die besprochene Überschrift ΙΚΕΣΙΩΝ zu finden ist, liest man in den Z. 1–3 folgendes: [Ἀ]πόλλων ἔχρη[σε·] [ἐς ἀ]ε̣ὶ καθαρμοῖς καὶ ἁγνήιαις κα̣[ὶ δε-] [κατ]ήιαις209 χρειμένος τὰν Λεβύαν οἰκ[ε̃ν]

203 204 205 206 207 208 209

λίσσομαι“, wo ἱκέσιος allerdings eindeutig als adjektivisches Adjunkt verwendet ist. So ist Robertson 2010, 355, Anm. 5, beizupflichten, der Wortartgebrauch der Erklärungen Hesychs ist kein zwingendes Argument zur Festlegung der Wortart des Eintrags. Vorschläge sind gemacht worden, ἱκέσιος vermittels eines mitgedachten allgemeinen Begriffs ‚Person‘ substantiviert anzusetzen (Wilamowitz-Moellendorff 1927, 167; Servais 1960, 121). Schwyzer 1950, 174 f. Robertson 2010, 357. Robertson 2010, 266. Schwyzer 1950, 174. Dobias-Lalou 1997, 262. Ergänzung Defradas 1972, so auch Dobias-Lalou 1997, Dobias-Lalou 2000; Ferri 1927: [πομπ]ήιαις; Wilamowitz-Moellendorff 1927: [μαντ]ήιαις; Herzog 1928: [ἱκετ]ήιαις, so auch Robertson 2010; Olivierio 1933: [θεραπ]ήιαις.

2.3 Das Wortfeld Hikesie: Schutzgewährung im sakralen Raum

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Apollon verkündete: für immer die Reinigungen und rituelle Reinheit und auch die Dezimierung verwendend in Libyen zu leben.

Eine von zwei Überschriften, zudem zentral über der gesamten Inschrift platziert, behandelt also inhaltlich Reinigungsrituale und Bestimmungen über rituelle Reinheit, was im Rahmen kumulativer Evidenz durchaus als ein weiteres Argument für die Annahme einer Ellipse von καθαρμòς betrachtet werden darf. Es ist jedoch nicht zu leugnen, dass selbst, wenn man Robertson folgt, durchaus Schwierigkeiten verbleiben, eine einheitliche Interpretation der drei betreffenden Paragraphen zu finden; denn inhaltlich werden auch seiner Deutung zufolge unterschiedliche Vorgänge beschrieben: Der erste Abschnitt (Z. 111–121) behandelt die Abwehr von Schadenszauber mit einer vermittels Holzpuppen durchgeführten kultischen Mahlzeit; im zweiten Abschnitt (122–131) werden Richtlinien zu einer erneuten Orakelbefragung formuliert, während im dritten (132–141) ein Reinigungsritual im Zuge der Hikesie beschrieben wird.210 Daher überrascht der Vorschlag nicht, die drei hikesioi als unterschiedliche Entitäten auszulegen. Während im ersten Fall ein (böswilliger) Geist anzunehmen sei, beschriebe Paragraph zwei mit hoher Wahrscheinlichkeit und drei mit Sicherheit menschliche hikesioi.211 Dieser Vorschlag wird von Robertson mit dem Argument abgelehnt, es entspreche nicht sprachlichen Gepflogenheiten, drei unterschiedliche Inhalte mit nur einem sprachlichen Zeichen auszudrücken.212 Das Argument scheint jedoch nur bedingt zielführend, bedenkt man zum einen die durchaus vorhandenen Homonyme im Griechischen und andererseits den Kontext der vorliegenden Inschrift. Die drei Abschnitte sind unter einer Hauptüberschrift gruppiert, die wiederum dasselbe sprachliche Zeichen bedient. Es lässt sich folglich an ein Wort in unterschiedlichen Bedeutungsnuancen denken, die zudem attributiv unterstrichen werden. Ähnlich formuliert Eran Lupu: Demanding that all three hikesioi belong to one and the same category is understandable but somewhat simplistic, as the arrangement of ancient legal texts may not follow modern logic. While dwelling on the differences between them, we have forgotten that all three hikesioi are related semantically and by their potential to pollute.213

Ausgehend von seiner Annahme, im ersten Paragraph sei an ein übernatürliches Wesen gedacht, argumentiert er weiter, die Verfasser der Inschrift hätten sowohl einen „supernatural visitant“ als auch einen „human suppliant“ innerhalb der Lex Sacra zusammenfassen können, weil ihnen der Aspekt der möglichen Verunreinigung des Sakralraums gemeinsam sei.214 Diesem Plädoyer für einen gewissen Spielraum auf der Inhaltsseite ist beizupflichten, jedoch sollte nicht unbeachtet bleiben, dass eine deverbale Bildung von ἱκέσιος ‚jemand, der ankommt, Besucher‘ zu ἵκω ‚(an)kommen, erreichen‘ – wie 210 211 212 213 214

Robertson 2010, 266, 357–369. Parker 1983, 347–351; Lupu 2009, 283 f. Robertson 2010, Anm. 2. Lupu 2009, 283. Lupu 2009, 283.

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2. Die Wurzeln der territorialen Asylie

oben ausgeführt – nicht möglich und ἱκέτης in der Bedeutung ‚Ankömmling, Besucher‘ nicht belegt ist. Der Interpretation des ersten ἱκέσιος als übernatürlichem Wesen stehen also formale und inhaltliche Schranken entgegen. Nimmt man jedoch ἱκέσιος (καθαρμός) an, wie Robertson es vorschlägt, können alle drei Paragraphen auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden. Es handelt sich inhaltlich dann um Reinigungen/Reinigungsrituale Schutzsuchender, die jedoch völlig unterschiedliche Gründe für das Schutzflehen aufweisen. Im ersten Abschnitt wird ein Reinigungsritual in Zusammenhang mit magischer Bedrohung beschrieben, das Schutz vor ebendieser bieten soll. Im zweiten Abschnitt geht es um die Ermöglichung einer wiederholten Orakelbefragung und der dritte Abschnitt überliefert ein Reinigungsritual, das einen Hiketes wieder in die Gemeinschaft zu integrieren vermag. Der letzte Paragraph der Inschrift lautet in der Lesung und Übersetzung Robertsons wie folgt: Ἱκέσιος τρίτος, αὐτοφόνος· ἀφικετεύεν ἐς [–3–4–]215 πολίαν καὶ τριφυλίανν ὡς δέ κα καταγγήλε̣[ι δέκε-]216 σθαι, ἵσσαντα ἐπὶ τῶι ὠδῶι ἐπὶ νάκει λευκῶ[ι, κλύ-] 135 ζεν καὶ χρῖσαι· καὶ ἐξίμεν ἐς τὰν δαμοσί̣[αν] ὁδὸν καὶ σιγε̃ν πάντας ἧ κα ἔξοι ἔωντ̣[ι τὸ-] [ς] ὑ̣ποδεκομένος τὸν ποραγγελτῆ̣[ρα· ἐς ἱα][ρὸ]ν παρίμεν τὸν ἀφικετευ[ό]μενο[ν ἐπὶ τῶν] [θυς]ιῶν· καὶ τὸς ἑπομένος [ἐπεσενθέν. ὡς δέ] 140 [κα θ]ύσει θύη καὶ ἄλλα [τὰ νομιζόμενα– – – – – – – – –] [– – – – – – – – –]ε̣με̣ [– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –] Suppliant (purification) the third, slaying with one’s own hand. Intercede at the office of [chief priest] and the body of three tribes. When he has announced that he [receives], after seating him on the threshold on a white fleecewash and anoint him. And all go out to the public street and keep silent while they are outside, those who respend to the announciator. Go on [into the sanctuary], the one who is object of the intercession, [for the sacrifices.] And those following [come in after him. When] he has offered cakes and other [usual things]…217

Im Rahmen von Robertsons Interpretation liegt also im letzten Paragraphen der Heiligen Gesetze von Kyrene ein Reinigungsritual in Zusammenhang mit einem Hikesiefall vor. Ein Fürsprecher218 verwendet sich für den Hiketes, der daraufhin auf die auch aus literarischen Quellen bekannte Art und Weise entsühnt wird. Die vom Hiketes wiedererlangte rituelle Reinheit wird sogleich – so offenbart es bereits die Überschrift des entsprechenden Paragraphen – mit einem eigenhändig durchgeführten Opfer (αὐτοφόνος) demonstriert. Der Hiketes ist mit Abschluss des Rituals 215 Robertson 2010: [ἱαρο]πολίαν; denkbar wären auch andere Kollegialbezeichnungen auf -ia zu Amtsbezeichnungen auf -πολος. Zu Kompositionen mit -πολις vgl. Robertson 2010, 366 f.; Dobais-Lalou 2000, 237. 216 Dobais-Lalou 2000, 302: [ἱκέ]σθαι. 217 Robertson 2010, 263; zu alternativen Lesungen vgl. ferner Robertson 2010, 276 f. und Dobias-Lalou 2000, 303 f.; Übers. nach: Robertson 2010. 218 Ein solcher Fürsprecher wurde von der frühen Forschung abgelehnt, hat jedoch eine Parallele in einer fragmentarischen Inschrift aus Lindos (SEG 39, 729), vgl. dazu Kontorini 1987; Dobias-Lalou/Dubois 2007, 151–153; Robertson 2010, bes. 364–369.

2.3 Das Wortfeld Hikesie: Schutzgewährung im sakralen Raum

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weithin sichtbar wieder befähigt am religiösen und politischen Leben der Gemeinschaft teilzuhaben. Diese vor allem im Kontext eines Reinigungsrituals schlüssige Wiedergabe des Terminus αὐτοφόνος mit ‚tötend [scil. schlachtend] mit der eigenen Hand‘ entspricht jedoch nicht der communis opinio. Dobias-Lalou und Dubois gehen in ihrem Aufsatz über die Reintegration von Bürgern, die sich eines Verbrechens schuldig gemacht haben, von einer Bedeutung ‚Mörder von Blutsverwandten‘ aus.219 Argumentatorisch arbeiten die Autoren mit dem Verweis auf eine Parallele in Selinus und interpretieren auch das in der dortigen Lex Sacra ergänzte αὐτορ(ρ)έκτας, ein hapax legomenon zum Verbum ῥέζω ‚machen, tun, vollbringen‘, auch ‚opfern‘220 als Homizid im Familienkreis.221 Diese Deutung orientiert sich stark an der Auslegung der Editoren der Inschrift aus Selinus, Michael H. Jameson, David R. Jordan und Roy D. Kotansky.222 Diese erklären die Termini αὐτορέκτας und ἐλάστερος als Synonyme zu αὐτοφόνος und ἱκέσιος, wobei sie die Dämonenhypothese und den Blutsverwandtenmord als gegeben voraussetzen. Die Selinunter Ausdrücke αὐτορέκτας und ἐλάστερος zur Erklärung des kyrenischen Problemfeldes um ἱκέσιος und αὐτοφόνος heranzuziehen ist folglich ein circulus vitiosus, der bei der gründlichen Literaturrezeption von Dobias-Lalou und Dubois überrascht. Zudem ist auch die Diskussion der Lex Sacra von Selinus mitnichten abgeschlossen – einem kürzlich erschienenen Sammelband zu diesem Text liegen eine überarbeite Edition sowie mit drei verschiedene Übersetzungen und somit auch Interpretationen bei.223 Es scheint also, dass bei starkem Rekurrieren auf die nicht minder unsicheren selinunter Verhältnisse Interpretationsmöglichkeiten vertan werden, die sich mit der Hypothese des eigenhändigen Opferns gerade in Zusammenhang mit Reintegration in die politische Gemeinschaft eröffnen. Die Lex Sacra aus Selinus kann darüber hinaus nicht als Parallele zur kyrenischen Hikesiebeschreibung herangezogen werden, da das Reinigungsritual in Selinus mit einer übernatürlichen Entität zusammenhängt.224 Der betreffende Terminus ἐλάστερος korrespondiert lediglich mit der aus Paros bekannten Zeusepiklese, Ἐλάστερος.225 Auf Thasos ist in vergleichbarem Zusammenhang ἀλάσταρος be-

219 Dobias-Lalou/Dubois 2007, 151. Der Terminus αὐτοφόνος wurde durchaus vielfältig gedeutet, vgl. dazu Servais 1960, 140: eigenhändiger Mörder; Parker 1983, 350 f.: Mörder; Dobias-Lalou 1997, 266: Mörder von Blutsverwandten oder weniger wahrscheinlich Selbstmörder; Dobias-Lalou 2000, 306: Mörder von Blutsverwandten. 220 Liddell/Scott 1996, s. v. ῥέζω. 221 So auch mit weitreichenden Konsequenzen für die kyrenische Inschrift Burkert 1999, 29–32. 222 Jameson/Jordan/Kotansky 1993, 54–56. 223 Iannucci/Muccioli/Zaccarini 2015, 300–306. Die Übersetzungen gehen auf Renato Arena, Nicola Cusumano und Jean-Mathieu Carbon zurück. 224 Traulsen 2004, 199, Anm. 385, geht unter Bezug auf Kontorini 1987 davon aus, dass es ein unveröffentlichtes Hikesiedekret aus Selinus gäbe. Bei dem von Kontorini 1987 erwähnten Stück handelt es sich jedoch um die 1993 edierte, hier besprochene Selinunter Inschrift (Jameson/Jordan/Kotansky 1993). 225 Jameson/Jordan/Kotansky 1993, 116 f. mit Belegsammlung; vgl. ferner Clinton 1996, 174; Burkert 1999, 30; Dobias-Lalou/Dubois 2007, 154 f.; Robertson 2010, 229–231.

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2. Die Wurzeln der territorialen Asylie

legt.226 Allgemein wird angenommen, es handle sich bei der so bezeichneten Entität um eine verunreinigende Kraft. Beiden Inschriften ist folglich das als ‚opfernd mit eigener Hand‘ näher charakterisierte Reinigungsritual gemein, auch wenn die Befleckung unterschiedlichen Ursprungs zu sein scheint. Die mit ΙΚΕΣΙΩΝ überschriebenen Bestimmungen der kyrenischen Lex Sacra erläutern folglich Reinigungsrituale in Zusammenhang mit unterschiedlich motiviertem Schutzflehen. Im Falle des letzten Paragraphen handelt es sich um die Beschreibung des Entsühnungsvorgangs eines Hiketes. Dabei spielt die Wiederherstellung ritueller Reinheit – und die öffentliche Demonstration derselben – eine besondere Rolle in Zusammenhang mit der Reintegration in die politische Gemeinschaft. Die Inschrift belegt folglich das Ineinandergreifen religiöser und politischer Motivationen und Handlungsweisen in Zusammenhang mit der Hikesie. Darüber hinaus liefert sie Informationen zum Verlauf des Hikesierituals, die gut mit den literarisch bezeugten Prozessen in Einklang zu bringen sind. Zentral ist dabei gerade die Rolle des rituellen Vermittlers, der für den jeweiligen Hiketes eintritt, und mit der vorgenommenen Interpretation der Passage aus den Heiligen Gesetzen von Kyrene deutlicher gesehen werden kann. Einen weiteren Typus epigraphischer Hikesiezeugnisse stellen Inschriften dar, die den Blick verstärkt auf die Hikesie von Sklaven richten.227 Die beiden wichtigsten Zeugnisse für dieses Phänomen stammen aus der hellenistischen Zeit. In der samischen Inschrifft betreffs der Händler im Heraion228 aus dem dritten Jahrhundert werden Bestimmungen zur Organisation der Versorgung der Besucher getroffen. Darin wird den Pächtern der jeweiligen Läden bei Strafe verboten, Hiketai, Sklaven, Beschäftigungslose und Soldaten zu versorgen oder zu beschäftigen. Dabei wird zwischen freien und unfreien Schutzsuchenden differenziert. Die Freien werden erwartungsgemäß als Hiketai bezeichnet, die Unfreien unter dem Begriff Douloi subsumiert.229 Die Bestimmungen hinsichtlich der Sklaven sind eindeutiger: Während die Pächter mit allen anderen genannten Gruppen in keinerlei Geschäftsbeziehung treten dürfen, wird für die Sklaven betont, dass sogar Aufnahme oder Verköstigung verboten sind.230 Als vergleichbar streng erweisen sich die Bestimmungen über Sklavenhikesie der Lex Sacra aus Andania aus dem ersten Jahrhundert231:

226 Jameson/Jordan/Kotansky 1993, 117 f.; Burkert 1999, 30; Robertson 2010, 229–231. 227 Allgemein zur Sklavenhikesie vgl. Caillemer 1877, 507 f.; Latte 1920, 106–108; Latte 1967, 190; Klees 1975; Kudlien 1988, bes. 242–245; Chaniotis 1996b, 79–83; Sinn 1990 73, 97; Sinn 2003, 116 f.; Thür 2003; Traulsen 2004, 200–203; 209–212; eine Belegsammlung findet sich im ThesCRA III 231. 228 Habicht 1972, Nr. 9; Thür/Täuber 1994, Nr. 18; IG XII 6, 1, 169. 229 Vgl. dazu Habicht 1972, 98. 230 Thür/Täuber 1994, Nr. 18, § 5. 231 Themelis 2004 und 2007 zweifelt die Datierung auf Grund paläographischer und prosopographischer Argumente an und verortet die Inschrift im ersten Viertel des ersten Jahrhunderts n. Chr.; vgl. dazu mit einer Synthese der Argumente Gawlinski 2011, 3–11.

2.3 Das Wortfeld Hikesie: Schutzgewährung im sakralen Raum

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φύγιμον εἶμεν τοῖς δούλοις. τοῖς δούλοις φύγιμον ἔστω τὸ ἱερόν, καθὼς ἂν οἱ ἱεροὶ | ἀποδείξωντι τὸν τόπον, καὶ μηθεὶς ὑποδεχέσθω τοὺς δραπέτας μηδὲ σιτοδοτείτω μηδὲ ἔργα παρεχέτω· ὁ δὲ ποιῶν παρὰ τὰ γεγραμ|μένα ὑπόδικος ἔστω τῶι κυρίωι τᾶς τοῦ σώματος ἀξίας διπλασίας καὶ ἐπιτιμίου δραχμᾶν πεντακοσιᾶν, ὁ δὲ ἱερεὺς ἐπικρινέ|τω περὶ τῶν δραπετικῶν, ὅσοι κα ἧνται ἐκ τᾶς ἁμετέρας πόλεος, καὶ ὅσους κα κατακρίνει, παραδότω τοῖς κυρίοις· ἂν δὲ μὴ παραδιδῶι ἐξέ̣σ|̣ τω τῶι κυρίωι ἀποτρέχειν ἔχοντι.232 Es sei ein Zufluchtsort für Sklaven. Das Heiligtum soll Zufluchtsort für Sklaven sein, wie die Priester den Ort bestimmen und niemand soll die flüchtigen Sklaven aufnehmen, sie verköstigen oder ihnen Arbeit geben. Wer aber gegen das Geschriebene handelt, soll dem jeweiligen Herrn den doppelten Wert schulden und fünfhundert Drachmen Strafe. Der Priester aber soll über die flüchtigen Sklaven urteilen, die [hier] sitzen aus unserer Stadt und wenn er sie verurteilt, sollen sie ihrem Herrn übergeben werden. Wenn er aber nicht übergeben wird, soll es dem Herrn erlaubt sein, wegzugehen in Besitz seines Sklaven.

Das Heiligtum wird also einerseits zum Zufluchtsort für Sklaven bestimmt, ähnlich wie es aus der Literatur für das athenische Theseion bekannt ist,233 andererseits wird die Befähigung zum Vorbringen des eigenen Anliegens an Bedingungen geknüpft. Es wird bei Strafe verboten, die flüchtigen Sklaven zu verköstigen oder zu beschäftigen; zudem wird den Priestern das Recht zugesprochen über die Fluchtgründe zu entscheiden und die Sklaven im Falle einer negativen Entscheidung abzuweisen. Die Ergänzung dieser Regelung um den Nachsatz, der Herr dürfe seinen Sklaven abholen, wenn dessen Fluchtgründe nicht gerechtfertigt seien und dieser sich weiterhin im Tempel aufhalte, verschärft die ohnehin unmissverständliche Formulierung weiter. Diese quasigerichtliche Reglementierung der Hikesie in Bezug auf Sklaven, die nicht im selben Maße für Freie galt, spiegelt sich auch in der Terminologie wieder. Die Flüchtigen Sklaven werden δραπέται,234 nicht ἱκέται, genannt – wie auch in der samischen Krämernschrift der Begriff Hikesie in Bezug auf flüchtige Sklaven vermieden wird. Diese Dichotomie lässt sich mit Blick auf die in der Literatur erwähnten Fälle von Sklavenhikesie nicht generalisieren, da dort Umschreibungen und Begriffe zum Stamm hikes-/hiket- zur Kennzeichnung des Vorgangs gleichermaßen verwendet werden.235 In Bezug auf das Schutzflehen von Freien und Sklaven lassen sich also durchaus unterschiedliches Vorgehen und divergente Erfolgsaussichten feststellen. Daraus lassen sich jedoch keine unterschiedlichen Rituale des Schutzflehens ableiten, vielmehr differenzieren sich Kriterien für die Anerkennung des Hikesieanspruches aus. Chaniotis hält diesbezüglich in seinem Aufsatz mit dem Titel Conflicting Authorities fest: 232 IG V 1, 1390, 80–84; Vgl. auch die Neuedition Gawlinski 2011, 80–83, 189–194 mit Übersetzung und Kommentar; zur Inschrift vgl. ferner Deshours 2006. 233 Poll. 7, 13, zitiert Aristophanes’ verlorene Komödie Jahreszeiten (Arist. hor. fr. 567 K), wo ein Sklave vorschlägt, zum Theseum zu laufen und auf den eigenen Wiederverkauf zu warten; vgl. dazu auch Edmonds 1957, 726 f.; vgl. ferner Chaniotis 1996b, 79, Anm. 54; zum Theseion vgl. Christensen 1984. 234 Zum Begriff vgl. Kudlien 1988, bes. 232–237. 235 Vgl. beispielsweise Hdt. 2, 113, wo beide Möglichkeiten ausgeschöpft werden; weitere Belege gesammelt bei Chaniotis 1996b, 81 f.; Traulsen 2004, 210 f.

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2. Die Wurzeln der territorialen Asylie The development of special – more or less uniform – regulations in the case of suppliant slaves came about for a variety of reasons. In their case the problem was obviously most pressing, and given the significant economic and social implications, a uniform solution was needed urgently.236

Das priesterliche Urteil fungiert in seiner Entscheidung über den Anspruch auf Hikesie als eine Art Gericht237 und schafft damit gewisse Verfahrenssicherheit. In eine ähnliche Richtung deutet die kaiserzeitliche Beschreibung des ephesischen Hikesieprozederes im Roman Leukippe und Kleitophon des Achilleus Tatios.238 Dort liegt die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit von Hikesie Unfreier bei Archonten und nicht bei Priestern.239 Traulsen wendet ein, dies könne auch eine späte Entwicklung sein.240 Diese Annahme scheint unnötig, bedenkt man die bereits früh belegten Verflechtungen zwischen religiösem und politischen Feld im antiken Griechenland und die damit verbundene Tatsache, dass Magistraten durchaus häufiger vom modernen Betrachter als religiös wahrgenommene Aufgaben übernommen haben.241 Mit Begriffen der Feldtheorie könnte man formulieren, die Entscheidungsbefugnis über die Abweisung von Hiketai sei zunächst als priesterliche Kernkompetenzen betreffend empfunden worden und das nicht zuletzt, weil die seit der Archaik zunehmend ausdifferenzierte Diskussion um die Einschränkung der Allgemeingültigkeit von Hikesie im religiösen Feld verhandelt wurde. Ein Ergebnis dieses Diskurses war die häufig propagierte Bindung des Hikesieanspruchs an die Freiheit von Miasma, ein anderes die Eindämmung der Hikesiefähigkeit von Sklaven. Diese Resultate sind jedoch nicht im luftleeren Raum anzusetzen, sondern hängen stark von in anderen Feldern verhandelten Punkten – wie der Konsensbildung bezüglich der Behandlung schuldiger Schutzflehender sowie der Wahrung des (sozialen) Friedens und der Entwicklung wirtschaftlicher Prosperität über normierte Verfahrensweisen – ab. Weil sich aber die Gemengelage hinsichtlich der Hikesie von Sklaven ob ihres Status eindeutiger darstellte, kann der Grenzziehungsprozess zwischen religiösem und ökonomischem Feld greifbarere Ergebnisse generieren: In einem ersten Schritt erfolgte die Abweisung der flüchtigen Sklaven über die Delegitimierung ihrer Fluchtgründe durch religiöse Autoritäten. Der Prozess verselbstständigte sich und die Inszenierung einer religiösen Rückversicherung wurde nicht mehr als unabdingbar angesehen. Im Folgenden konnten auch andere Magistraten die Abweisung übernehmen. Des Weiteren bezeugen die Vorschriften zum sogenannten ‚Sklavenasyl‘ aus dem Stadtrecht von Gortyn242 die Eindämmung der Sklavenhikesie, auch wenn der 236 Chaniotis 1996b, 82 f. 237 Zum gerichtlichen Charakter der priesterlichen Urteile vgl. Chaniotis 1996b, 81 f. mit Belegen. 238 Ach. Tat. 7, 13, 3. 239 Vgl. dazu auch Chaniotis 1996b, 82 f. 240 Traulsen 2004, 212. 241 Gschnitzer 2003b, 36; vgl. ferner Gschnitzer 2003a, 149; Bruit Zaidman/Schmitt Pantel/Cartledge 1992, 46; Burkert 2011, 151–156. 242 ICret IV 72 I 39–46 (= Körner 1993, 163 I 39–46, mit Übersetzung); IV 41 IV 6–17 (= Körner 1993, 128 IV, mit Übersetzung); IV 47, 31–33 (= Körner 1993, 138, 31–33, mit Übersetzung).

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Gesetzestext sich als durchaus schwer zu deuten erweist. Im Text wird – insofern besteht eine Art Konsens – über die Verfahrensweise mit in den Tempel geflohenen Sklaven berichtet, wobei zwischen Ϝοικεύς und δõλος unterschieden wird. Die Ausdrücke werden dabei unterschiedlich aufgefasst; verhältnismäßig sicher ist lediglich, dass δõλος für einen gewöhnlichen, gekauften Sklaven verwendet wird, während ein Ϝοικεύς auf andere Art und Weise in den Sklavenstand gekommen wäre.243 Für die angenommene Hikesie werden dabei jedoch nicht die Termini ἱκετεύω oder ἱκέτης verwendet, sondern ναυεύω, ein hapax legomenon, das als ‚im Tempel Zuflucht finden‘ verstanden werden könnte.244 Von der auch Anderen nicht fremden Beobachtung, dass der jeweilige Herr innerhalb der Inschriften eine weitaus günstigere Lage genießt, als der im Schutze des Tempels lebende Sklave, entwickelt Chaniotis einen neuen Ansatz, diese Inschrift zu lesen. Eine dafür geradezu exemplarische Stelle ist der Fall, indem um den Besitz des Sklaven ein gerichtliches Verfahren geführt wird: Αἰ δέ κα ναεύει ὀ δõλος ὀ� κα νικαθε͂ι, καλίον ἀντὶ μαιτύρον δυο͂ν δρομέον ἐλευθέρον ἀποδεικσάτο ἐπὶ τõι ναõι ὄπε κα ναεύει ἒ αὐτος ἒ ἄλος πρὸ τούτο· αἰ δέ κα καλε�ι ἒ μὲ δείκσει, κατις[τάτ]ο τὰ ἐγ[ρα]μένα. Wenn sich aber der Sklave im Tempelasyl aufhält, um den einer einen Prozess verloren hat, soll (der Verlierer) herbeirufen (den Gewinner) und vor zwei volljährigen freien Zeugen zeigen, wo er (der Sklave) Asyl gesucht hat, entweder er (der Verlierer) selbst oder ein anderer für ihn. Wenn er aber nicht ruft oder nicht zeigt, soll er geben, was geschrieben ist.245

Darauf folgen zu zahlende Summen. Eingebettet in sein Konzept von der zunehmenden Eingrenzung der Hikesie formuliert Chaniotis für die vorliegende Problematik, dass in Anbetracht der verwendeten Terminologie (ναυεύω, nicht ἱκετεύω) und des sklavenfeindlichen/herrenfreundlichen Inhalts der Bestimmungen, es sich nicht um entflohene und asylsuchende Sklaven handelt, sondern um Sklaven, die von ihrem Besitzer zu einem Tempel für die Dauer der rechtlichen Auseinandersetzung gebracht wurden, um so dem Zugriff des Gegners entzogen zu werden.246

Dieser Ansatz vermag zu überzeugen, bringt er doch Verständlichkeit in die gortynischen Bestimmungen ohne der Sprache Gewalt zu tun. Mit Chaniotis müsste ναυεύω lediglich gegenüber den älteren Auffassungen vereinfachend als ‚im Tempel sein/verweilen‘ übersetzt werden.247 Auf diese Weise sind die sogenannten gor243 Maffi 2003, 15 vermutet einen unterdrückten indigenen Bewohner; Dietrich 2007, 197 geht eher von einem Schuldknecht aus. 244 Körner 19993, 456 übersetzt „wenn sich aber der Sklave im Tempelasyl aufhält“; ähnlich Dietrich 2007, 197–200; Maffi 2003, 15 denkt daran, dass die Schutzwirkung allein auf das Tempelgebäude beschränkt sein könnte. 245 ICret IV 72 I 39–46; Übersetzung nach Körner 1993, 163; vgl. auch Dietrich 2007, 198 f. 246 Chaniotis 2007, 243. 247 Das korrespondiert gut mit den Regeln der griechischen Wortbildung nach Bornemann/Risch 21978, 303: Mit dem Suffix -ευ- werden nach dem Muster von βασιλεύς ‚König‘ : βασιλεύω ‚König sein‘ Zustandsverben von Nomina abgeleitet – ναεύω drückt so den Zustand des sich im Tempel, ναός, Aufhaltens aus.

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tynischen Sklavengesetze weitaus unproblematischer auslegbar: Der Sklave begibt sich nicht aus freien Stücken und zu Zwecken des Schutzflehens in den Tempel, sondern wird dort außerhalb des Zugriffs eines Kontrahenten in Zusammenhang mit einem Rechtsstreit untergebracht. Auch wenn die Bestimmungen in dieser Lesart nicht die Regulierung von Hikesie beschreiben, so stehen sie dennoch in unmittelbarem Zusammenhang zum beobachteten Prozess der Verrechtlichung des Umgangs mit flüchtigen Sklaven. Wenn verlässliche Regeln für den Aufenthalt des Sklaven im Tempel existieren, die zudem seinen Anspruch auf Hikeise an die Rechtmäßigkeit von Fluchtgründen binden, relativiert sich die Gefahr, dass Sklaven im Heiligtum Zuflucht suchen, sobald sie Zutritt erhalten. Durch diese Verfahrenssicherheit angeregt, könnten sich Sklaveneigentümer ermutigt gefühlt haben, ihre Sklaven bei Rechtsstreitigkeiten – die stets die Gefahr von gewaltsamer Selbsthilfe des Kontrahenten bedeuteten – im Tempel unterzubringen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die behandelten ausführlichen epigraphischen Hikesiebelege von der klassischen bis in die Kaiserzeit eine relativ heterogene Gruppe darstellen. Nicht zuletzt deshalb vermögen diese Zeugnisse aber vielerlei partiell auch aus anderen Quellengattungen bekannte Facetten der Hikesie zu beleuchten. Es wird deutlich, dass die Hikesie von Sklaven und Freien zwar demselben Ritual folgte, jedoch unterschiedliche Behandlung erfuhr. Das scheint mit der stärkeren Verrechtlichung der Prüfung der Gründe der Sklavenhikesie, die ihrerseits aus wirtschaftlichen Erwägungen resultierte, durch öffentliche Autoritäten zusammenzuhängen. Des Weiteren reflektieren die epigraphischen Zeugnisse auch die zunehmende Problematisierung der Allgemeingültigkeit des Hikesieanspruchs in der Gesellschaft: Hikesie fungiert zwar noch als gesellschaftliches Regulativ, andererseits können nicht konsensuell abgesicherte Hikesierituale zu weiteren Konflikten in der Gemeinschaft führen. Gerade die Aussetzung der Hikesie durch die Dikaiopoliten in Verbindung mit dem Schwur, auf gerechte Art und Weise Bürger zu sein, verweist auf das konflikteindämmende wie auch -schürende Potential der Hikesie. Darüber hinaus lassen sich im untersuchten Material mit Blick auf den unverletzlichen sakralen Raum bereits Verschränkungen zwischen Hikesie und Asylie feststellen. 2.3.4 Archäologischer Befund zur Hikesie Die Einrichtung der Hikesie ist im Spiegel der archäologischen Zeugnisse der griechischen Antike gut zu fassen. Einerseits wurden in der darstellenden Kunst seit dem siebten Jahrhundert viele mythologische Stoffe mit Bezug zur Hikesie verarbeitet.248 Dabei handelt es sich vor allem um Vasenmalereien und Steinreliefs, seltener um Gravierungen in Metall oder Ton. 248 Eine Belegsammlung liefert ThesCRA III, 206–216; vgl. auch Sinn 1993, 89, 92.

2.3 Das Wortfeld Hikesie: Schutzgewährung im sakralen Raum

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Der Fokus solcher bildlichen Repräsentationen von Hikesie liegt auf dem Ritual und ist aus diesem Grunde eine bedeutende Quelle des Wissens um materielle Hiketeumata wie Binden oder Zweige,249 die räumliche Verortung der Hikesie am Altar oder Götterbild,250 begleitende demutgeladene Gestik und trauererfüllte Mimik.251 Häufig sind dabei Motive vorzufinden, die auch literarisch eine gewisse Popularität genossen haben wie die Hikesie der Danaiden252 oder des Orestes, die zu Recht als Symbole der sakral legitimierten Schutzwirkung von Heiligtümern gelten.253 Aber auch literarisch weniger zentrale, nicht selten missglückte Hikesiefälle wie das Schutzflehen der Kassandra vor der Statue der Athene oder die Ermordung Priamos’254 verfügen über eine reiche Belegsituation. Die Darstellung solcher erfolglosen Hikesieersuchen spiegelt die prekäre Lage der Hiketai im Allgemeinen – der religiös begründete Schutz ist nicht garantiert. Auch problematisierte Fälle, wie beispielsweise die im euripideischen Ion als ungerecht angefochtene Hikesie Kreousas255 werden abgebildet.256 Darüber hinaus existieren in der Vasenmalerei sogar parodistische Interpretationen der Hikesie,257 was mit dem Bezug auf Hikesie und ihre Verletzung in der attischen Komödie korrespondiert.258 Der Reflexionsgrad der Hikesie in der darstellenden Kunst ist folglich vergleichbar mit dem in literarischen Quellen. Die Diskussion um die Allgemeingültigkeit des Hikesiegebots aber auch das gesellschaftliche Bewusstsein um die Notwendigkeit und Fragilität des Konstrukts lassen sich aus dem Material durchaus ableiten. Des Weiteren informieren die Abbildungen über das Prozedere des Hikesierituals auf eine plastischere Weise, als es literarische Beschreibungen oder Schlussfolgerungen aus epigraphischen Quellen zu leisten vermögen. Eine zweite Hauptgruppe der archäologischen Hikesiezeugnisse bilden die monumentalen Überreste von großen Tempelbezirken. Insbesondere in Kombination mit den aus der Literatur bekannten Tatsachen, können Analysen der Anlage der ergrabenen Heiligtümer Material zur Erforschung der Hikesie liefern. Zu bestimmten krisenbeladenen Zeiten, die große Flüchtlingsströme nach sich zogen, kann vermehrte Bautätigkeit in Heiligtümern festgestellt werden. Bestimmte Tempel wer-

249 Zu Belegen vgl. ThesCRA III, 215; vgl. ferner Carstens 2012; Fleischer 2012, 262. 250 Eine Belegsammlung liefert ThesCRA III, 208–216. Vgl. ferner Dreher 1996, 84; Gödde 2000, 27 f. mit weiterer Literatur; Traulsen 2004, 140 f.; Turner 2005, 72; Chaniotis 2007, 235 f. 251 Eine Belegsammlung liefert ThesCRA III, 206–215; vgl. auch den grundlegenden Aufsatz Gödde 2001, 254–256; vgl. ferner Gödde 1998, 54; Gödde 2000, 27. 252 Sinn 1990, 74 f. 253 van Berchem 1960, 21. 254 Dietrich 2007, 122–127, konzentriert sich gerade auf diese gescheiterten Hikesieversuche, wobei sie jedoch nicht die Breite des Materials wiedergibt. 255 S. 47 f. 256 LIMC VI Kreousa I. 257 Eine Belegsammlung liefert ThesCRA III, 216. 258 Vgl. etwa Aristophanes’ verlorene Komödie Jahreszeiten (Arist. hor. fr. 567 K), zitiert bei Poll. 7, 13.

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2. Die Wurzeln der territorialen Asylie

den zu Hikesieheiligtümern ausgebaut. Für das Poseidonheiligtum in Kalaureia259 oder Heraion in Perachora macht Sinn eine solche Entwicklung wahrscheinlich.260 Es lässt sich folglich auch in monumentalen Quellen eine Tendenz ausmachen, Hikesie zu regulieren, indem in gewissen Heiligtümern dafür besonders geeignete Bedingungen geschaffen werden. Eine Tendenz, die mit den aus den literarischen Quellen bekannten Steuerungsmechanismen und Beschränkungen des Hikesieanspruchs gut korrespondiert. Auch die Entlehnungsgeschichte von lat. asylum, die von der Entwicklung des Begriffs φύξιμον zum terminus technicus in hellenistischer Zeit nicht zu trennen ist, fügt sich gut in diese Steuerungs- und Beschränkungshypothese ein.261 2.4 SAKRALE RÄUME ALS SCHUTZZONEN Die Einteilung der Welt in sakrale und profane Bereiche wirkt in der Antike beinahe schon wie eine anthropologische Konstante. Das Dictum Plutarchs, man könne in der Ferne und im historischen Verlauf zwar Städte ohne Ringschulen oder Theater, nicht aber Städte ohne Tempel finden,262 verweist auf die Selbstverständlichkeit der Existenz heiliger Bereiche. Die Kennzeichnung eines Ortes als zur sakralen Sphäre gehörig, kann auf mannigfaltige Weise vor sich gehen. Die Grenzsteine von heiligen Bezirken sind beispielsweise ein weithin sichtbares Zeichen der Unterscheidung von heiligem und profanem Raum und werden gerade deswegen bereits in der Antike und darüber hinaus in der modernen Forschung häufig zur Konzeptualisierung der sakralen Sphäre herangezogen.263 Auch natürliche sakrale Räume wie heilige Haine oder Grotten sind gegenüber dem Profanen durch die äußeren Begebenheiten recht genau abgrenzbar.264 Demgegenüber ist jedoch zu betonen, dass auch weniger klar definierte sakrale Bereiche etwa durch ein Götterbild,265 einen öffentlichen oder privaten Opferherd266 oder einen Altar267 gekennzeichnet sein können. Die schutzgewährende Funktion der sakralen Orte resultiert aus ihrer besonderen Verbindung zu den Göttern und bedarf keiner weiteren Legitimation,268 was 259 Strab. geogr. 6, 8, 14 spricht von der Asylie Kalaureias. Er verwendet den Begriff im römischen Sinne. 260 Vgl. Sinn 1990; Sinn 2003. 261 S. 29–32. 262 Plut. Adv. Col. 31. 263 Zur Abgrenzung der heiligen Bezirke von öffentlichem Land vgl. Rousset 2014, 597 f. 264 Zur Abgrenzung sakraler und profaner Bereiche vgl. grundlegend Hölscher 2013 mit Literatur; zur räumlichen Gliederung griechischer Poleis vgl. Hölscher 2012 mit Literatursammlung; vgl. ferner Cole 2004, 20 f., 37–65; Hölscher 1998; vgl. ferner enttäuschend kurz Nevin 2017, 6. 265 Scheer 2000, 75–77. 266 Sourvinou-Inwood 2000, 25; Briut zaidmann/Schmitt Pantel/Cartledge 1992, 93. Mit Bezug auf die Hikesie vgl. Gödde 2000, 27 f.; Traulsen 2004, 140 f. 267 Hölscher 1998, 49–51, bringt das Beispiel eines Altars im fürstlichen Wohnsitz. 268 Cole 2004, 15 f.

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sich gerade auch in der der Ächtung der Beeinträchtigung sakraler Räume, der Hierosylie,269 spiegelt. Die Gründung, Positionierung und Einführung sakraler Räume fungiert folglich bereits in der archaischen und klassischen Periode gewissermaßen als Einrichtung von Schutzzonen in der landschaftlichen Gliederung.270 Gerade heilige Orte in gefährlichen Lagen außerhalb der Siedlungszentren entwickeln sich auf diese Weise zu ordnungswahrenden Sicherheitsgaranten.271 Über diesen allgemein schutzgewährenden Aspekt heiliger Räume wird bestimmten Orten bereits früh eine spezifische Sakralität zugeschrieben. Unter diesen sind – so Cinzia Bearzot – einerseits ob der Kontinuität der Zeugnisse Delphi, Delos und Elis, andererseits wegen der intendierten und planvollen Wahl Plataiai hervorzuheben. Die Autorin hebt in ihrem Aufsatz Panellenismo e asylia in età classica: il caso dell’ Elide hervor, das gemeinsame Moment dieser Orte sei ihre Immunität vor Krieg und ihre Neutralität. Sie begreift sie als stabile Orte besonders in Angesicht des ganz Hellas umfassenden Peloponnesischen Kriegs.272 In der Tat liefert Bearzot eine repräsentative Auswahl von in der klassischen Zeit als panhellenisch aufgefassten und auf Grund sakraler Legitimation in gewisser Weise in Bezug auf kriegerische Auseinandersetzungen besonders gestellten Orten, deren spezifische Eigenschaften in der Antike mit Begriffen zur (negierten) Wurzel syl- konzeptualisiert wurden. So entwickelte Delphi, bereits für Herodot die Heimstätte eines der wichtigsten Orakel der Antike,273 wie Funke herausarbeitet, wohl schon in der archaischen Zeit panhellenische Geltung.274 Es gehörte zum Gemeingut der Griechen und bildete einen Teil ihrer sacred landscape,275 was sowohl panhellenische Akzeptanz wie Verfügbarkeit bedeutete.276 Aus dieser dem Regionalen enthobenen Position des Kultortes am Nabel der Welt resultiert wohl schließlich auch seine Bedeutsamkeit in politischer Hinsicht – man bedenke beispielsweise die epigraphische Aufstellung von bilateralen Verträgen oder die Weihung von großen Siegesmonumenten in Delphi.

269 Vgl. dazu Trampedach 2005. 270 Vgl. jetzt Kravaritou 2016, die am Beispiel der Makedonen eine bewusste Remodellierung der sacred landscape nahelegt; vgl. auch Coldstream 1985; Burkert 1996, 23; Malkin 1996; Sinn 1996, 69, 71; Pedley 2005, 52–57. Dagegen de Polignac 1984 mit der Kernthese, dass die Platzierung extraurbaner Heiligtümer in der frühen archaischen Zeit einen Gebietsanspruch der jeweiligen Poleis ausdrückte; vgl. auch de Polignac 1985 mit einer Nuancierung seiner These am Beispiel des Heraions von Argos. 271 Sinn 1996, 69, 71. 272 Bearzot 2003, 38. 273 Hdt. 1, 46–49. 274 Funke 2005, bes. 2–7; Cole 2004, 72 f. Die Literatur zum delphischen Heiligtum ist Legion, daher ist an dieser Stelle nur auf eine themengebundene Auswahl zu verweisen: Morgan 1990, 106–185; Rosenberger 2001b, 107 f.; Pedley 2005, 127 f., 135 f.; Scott 2010, bes. 41–110; Scott 2014. 275 Beispielhaft dargestellt ist die Entwicklung einer religiösen Landschaft bei Morgan 1994, bes. 139–142. 276 Funke 2009, 293 f.

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2. Die Wurzeln der territorialen Asylie

Sowohl das panhellenische Moment als auch der Schutzcharakter Delphis werden auf eine konzise Weise von Thukydides in Zusammenhang mit Waffenstillstandsverhandlungen der Athener und Spartaner überliefert: ‚περὶ μὲν τοῦ ἱεροῦ καὶ τοῦ μαντείου τοῦ Ἀπόλλωνος τοῦ Πυθίου δοκεῖ ἡμῖν χρῆσθαι τὸν βουλόμενον ἀδόλως καὶ ἀδεῶς κατὰ τοὺς πατρίους νόμους. […] περὶ δὲ τῶν χρημάτων τῶν τοῦ θεοῦ ἐπιμέλεσθαι ὅπως τοὺς ἀδικοῦντας ἐξευρήσομεν […].‘ „Wegen des Heiligtums und der Spruchstätte des pythischen Apollon scheint uns richtig, wenn jeder, der will, um Rat hingehen darf, ohne böse Absicht und Gefahr, nach Sitte der Väter. […] Wegen des Tempelschatzes wollen wir uns bemühen, die Frevler herauszufinden […].“277

Der freie Zugang zum Heiligtum soll bewahrt und der als Hierosylie angesehene Tempelraub bestraft werden. Gerade auch der Aspekt der sicheren Thesaurierung wirtschaftlicher Ressourcen im Tempel auf Grund der Verfolgung von Hierosylie korrespondiert mit den aus dem zwischenstaatlichen Raum bekannten συλᾶνEinschränkungen und bestärkt das Bild von der Unantastbarkeit Delphis.278 Über die Jahrhunderte entwickelte sich Delphi zum locus classicus der Neutralität und wurde im Hellenismus gern als Bezugspunkt für die Unverletzlichkeit der Heiligtümer angebracht.279 Darüber hinaus ist für Delphi eine römische Asylieanerkennung vorhanden, die inhaltlich wie formal vom Gros der griechischen Dokumente der territorialen Asylie abweicht, aber unter den römischen Dokumenten über gewisse Parallelstellen verfügt.280 Eine ähnliche Stellung wurde der Geburtsinsel Apollons und Artemis’, Delos, zugesprochen, und zwar der Aussage Herodots nach über die Grenzen Griechenlands hinweg. Der Autor berichtet, der persische Befehlshaber Datis habe auf Veranlassung des in der Antike für seine Tempelzerstörungen berüchtigten Großkönigs

277 Thuk. 4, 118, 1–3; Übers. nach: Thukydides, Geschichte des Peloponnesischen Krieges, übers. von Georg Peter Landmann, 2 Bde., Darmstadt 1993. 278 Vgl. dazu ferner Rigsby 1996, 44–49, mit römischen Belegen einer möglichen Asyliedeklaration für Delphi aus römischer Zeit; s. auch 170. 279 Gerade in älteren Asylieurkunden findet sich der Verweis darauf, dass die Unverletzlichkeit der des delphischen Heiligtums entspechen soll, vgl. dazu die Asylieanerkennung für das Heiligtum des Apollon Ptoios in Akraiphia (Rigsby 1996, 3, hier Z. 7) sowie die strukturell ähnliche Urkunde über die Asylie des Heiligtums des Dionysos Kadmeios in Theben (Rigsby 1996, 4, hier Z. 21 f.). Zudem lässt sich in Asylieurkunden mit gleichzeitiger Statuserhöhung der lokalen Spiele häufig ein Verweis auf den isopythischen Charakter derselben finden, vgl. dazu Rigsby 1996, Nr. 79, 12; Nr. 81, 29; Nr. 82, 24; Nr. 85, 22; Nr. 86, 19; Nr. 94, 22; Nr. 96, 22; Nr. 105, 28–30; Nr. 111, 85?; Nr. 174, 27?; Nr. 178, 17 f.; s. auch 240. Daneben ist auch die Aufstellung nicht weniger Asylieverträge in Delphi als ‚drittem‘ Ort zu bedenken, s. dazu Anhang 9; vgl. dazu auch die im September 2017 von der Universität Münster angenommene Dissertation von Marie-Kathrin Drauschke mit dem Arbeitstitel Zwischen religiöser Absicherung und politischer Inszenierung. Die Veröffentlichung zwischenstaatlicher Vereinbarungen in griechischen Heiligtümern. 280 S. dazu 170; vgl. ferner Rigsby 1996, 46 f.

2.4 Sakrale Räume als Schutzzonen

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Xerxes,281 die Insel und ihre Bewohner unter Bezugnahme auf ihre Heiligkeit verschont.282 Noch detailreicher sind die Zeugnisse der antiken Autoren über die besondere Heiligkeit und daraus resultierende Sicherheit der Polis Elis.283 Diodor beschreibt: Ὅτι τῶν Ἠλείων πολυανδρουμένων καὶ νομίμως πολιτευομένων ὑφορᾶσθαι τοὺς Λακεδαιμονίους τὴν τούτων αὔξησιν, συγκατασκευάσαι τὸν κοινὸν βίον284, ἵν᾽ εἰρήνης ἀπολαύοντες μηδεμίαν ἔχωσιν ἐμπειρίαν τῶν κατὰ πόλεμον ἔργων. καὶ καθιέρωσαν αὐτοὺς τῷ θεῷ, συγχωρησάντων σχεδὸν ἁπάντων τῶν Ἑλλήνων. Seit die Eleier zahlreich wurden und sich selbst mit Gesetzen regierten, betrachteten die Lakedaimonier ihre wachsende Macht mit Argwohn und halfen ihnen, indem sie ihnen ein neutrales Leben einrichteten, so dass sie in Frieden lebten und niemals Erfahrung mit den Kriegswerken machten. Und sie weihten sie dem Gott, mit dem Einverständnis fast aller Griechen.285

Weiterhin führt er aus, die Eleier hätten an den Perserkriegen nicht teilgenommen, weil ihre Polis von den Griechen als heilig und unverletzlich wahrgenommen wurde.286 Die Polis der Eleier trägt den Beinamen δῖα, was mit ‚die Göttliche‘ aber auch in Anspielung auf die erwähnte Weihung ‚die des Zeus‘ heißen kann.287 Auch andere Autoren beschreiben Elis als eine Stadt mit besonderer Heiligkeit und damit zusammenhängender Unantastbarkeit. Strabon erwähnt, Elis sei nicht ummauert, weil die Sakralität der Territoriums einen solchen Schutz unnötig macht und die durchziehenden Armeen freiwillig ihre Waffen abgeben.288 Auch die olympischen Spiele würden von den Eleiern ausgerichtet, weil der sakrale Schutz sie dazu bemächtigte.289 Die Eleier hatten also einen Sonderstatus in der griechischen Welt, der gewissermaßen mit dem der großen panhellenischen Heiligtümer vergleichbar war. Auch wenn die eleische Nichtbeteiligung an Kriegen unter Berücksichtigung der Quellen spätestens seit dem Peloponnesischen Krieg nicht mehr haltbar ist,290 bleibt der besondere sakrale Schutz des Territoriums weithin be- und anerkannt. 281 282 283 284 285 286

287 288 289 290

Zur Bewertung der Tempelzerstörungen des Xerxes vgl. Knäpper 2011, 123 f. Hdt. 6, 97; zur Unverletzlichkeit Delos’ vgl. ferner Rigsby 1996, 51–53. Zur sogenannten Asylie der Polis Elis vgl. Theotikou 2013, 103 f.; 145–147. Zur Übersetzung von κοινός mit ‚neutral‘ vgl. Bourke 2011, 414, Anm. 8 mit weiteren Beispielen; vgl. ferner Funke 2005, 4–6, der τὰ ἱερὰ τὰ κοινὰ der Griechen als griechisches Gemeingut erklärt, was sie als frei zugänglich aber auch allgemein akzeptiert erklärt. Diod. 8, 1, 1; Übers. nach: Diodoros, Griechische Weltgeschichte, übers. von Gerhard Wirth, Otto Veh u. a., 7 Bde., Stuttgart 1992–2008. Diod. 8, 1, 2. Das Vokabular ist dem der hellenistischen Anerkennungen territorialer Asylie ähnlich (s. dazu Kap. 3), die beschriebenen Vorgänge korrespondieren jedoch eher mit den traditionellen Konzeptionen von aus sakraler Sphäre resultierender Unantastbarkeit, wie sie auch für panhellenische Heiligtümer festgestellt werden können. Es ist durchaus vorstellbar, dass Diodors Bericht an die aus dem Hellenismus bekannten Verhältnisse sprachlich angepasst ist. Vgl. Bourke 2011, 415. Strab. geogr. 8, 3, 33. Phlegon von Tralleis FGrH 257 F 1,9. Darüber hinaus vgl. Bearzot 2004 und Bourke 2011 mit einander ergänzenden Belegsammlungen. Vgl. dazu Bourke 2011.

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2. Die Wurzeln der territorialen Asylie

Solcher Art Sakralisierung des Territoriums stand für die Griechen der klassischen oder hellenistischen Zeit aber nicht in zwingendem Zusammenhang mit kaum noch nachvollziehbaren Entwicklungen der Dunklen Jahrhunderte oder der frühen Archaik, sondern konnte auch initiiert werden, wie das Beispiel Plataiais zeigt.291 Thukydides berichtet, der spartanische Feldherr Pausanias hätte nach dem Sieg über die Perser 479 ein Opfer auf der Agora Plataiais dargebracht und den Bürgern zugesichert, unabhängig leben zu können und niemals Opfer eines ungerechten Unterwerfungskrieges zu werden. Die Einhaltung dieses Friedenszustandes sollte von allen Siegern vor Plataiai zugesichert und nötigenfalls verteidigt werden.292 Diese Passage spiegelt die Ausdeutung des griechischen Sieges als eines Erfolgs „für die Freiheit griechischer Poleis“, der vor einem panhellenischen Publikum in den großen Heiligtümern präsentiert wurde.293 Plataiais sakral legitimierte Sonderstellung wurde also erst mit der Interpretation des Sieges über die Perser als einem panhellenischen Ereignis von außergewöhnlicher Bedeutung eingeführt. Dass diese assoziative Verschiebung in den sakralen Bereich jedoch keine absolute Sicherheit darstellte, belegen die Zerstörungen der Stadt durch die Spartaner und Thebaner im Jahre 427 und die Thebaner im Jahre 374/373. Nach dem Wiederaufbau der Stadt durch Alexander wurden die Eleutheria und Spiele zu Ehren des panhellenischen Sieges über die Perser eingeführt.294 Plutarch bringt die Eleutheria in Zusammenhang mit der Erklärung der Plataier für heilig und unverletzlich.295 Die Deutung des territorialen Status Plataiais durch Plutarch korrespondiert durchaus mit dem Sprachgebrauch Diodors für die Unantastbarkeit Elis’,296 so dass eine Beeinflussung der vorhellenistischen Konzeptionen der Unverletzlichkeit via Sakralisierung durch das Vokabular der Anerkennungen territorialer Asylie im Hellenismus durchaus möglich scheint. Zusammenfassend kann man also festhalten, dass in der archaischen und klassischen Epoche ein Verfahren zur Herausnahme bestimmter Orte aus dem profanen Bereich entwickelt wurde, das letztlich dazu verhalf, sakral legitimierte Schutzzonen einzurichten. Die Ursachen und Motive dieser Entwicklung sind durchaus mannigfaltig und können, wie das Beispiel Plataiais deutlich zeigt, nicht auf die Vermeidung oder Deeskalation von Konflikten reduziert werden. Auch die historische Dimension der Entwicklung solcher sakralen Räume darf nicht unterschätzt werden – neue Einflüsse konnten die Konzeptualisierung sakraler Räume immer wieder anpassen und verändern. 291 Vgl. Kantirea 2016, bes. 38 f., wo die Autorin am Beispiel der späthellenistischen und frühkaiserzeitlichen Entwicklung in Lykosoura eine Umstrukturierung der sakralen Landschaft des Peloponnes im Wechselspiel mit den Römern rekonstruiert. 292 Thuk. 2, 71. 293 Jung 2006, 295–297; im Allgemeinen zur Ausdeutung Plataiais als einem lieux de mémoire der griechischen Geschichte vgl. Jung 2006, 225–383; Zur bewussten memorialen Ausdeutung Plataiais und den daraus hervorgegangenem Status vgl. ferner Beck 2009, 62–68; Hartmann 2010, 319–324; vgl. ferner Petridou 2015, 122. 294 Rigsby 1996, 51. 295 Plut. Arist. 21, 1. Vgl. auch Petridou 2015, 122. 296 Diod. 8, 1, 2.

2.5 Gewalteindämmung und Konfliktdeeskalation

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2.5 STRATEGIEN DER GEWALTEINDÄMMUNG UND KONFLIKTDEESKALATION IM ANTIKEN GRIECHENLAND 2.5 Gewalteindämmung und Konfliktdeeskalation Zusammenfassend lässt sich über die im archaischen und klassischen Griechenland untersuchten Phänomene des συλᾶν/des συλᾶν-Verbots, der Asylie sowie der Hikesie festhalten, dass sie kein einheitliches antikes, sakral legitimiertes Asyl(recht) repräsentieren. Die Ableitungen zur Wurzel συλ- lassen sich in vorhellenistischer Zeit ohne die Bemühung sakraler Erklärungsmuster hinreichend deuten. Die Ausdrücke συλᾶν, συλή und σῦλον verweisen in den literarischen Texten auf gewaltsames oder zumindest energisches Ergreifen von Gegenständen. Dieses Grundverständnis ist mit den epigraphischen Quellen konform, auch wenn die semantische Entwicklung sich in Richtung der Ausübung einer gewohnheitsrechtlichen Selbsthilfe in Bezug auf die Beschlagnahmung von Gegenständen oder, wenngleich viel seltener, zumindest die temporäre Versklavung von Menschen verändert. Bereits im sechsten Jahrhundert wird dieser gewohnheitsrechtliche Vorgang auf dem Wege zwischenstaatlicher Symbola beschränkt. Die betreffenden Dokumente sind kurz und liefern keinerlei Erklärungen für die Gründe der Beschränkung der Gewalt. Auch wenn in einigen συλᾶν/συλή/σῦλον eingrenzenden Inschriften Kultorte oder Götternamen Erwähnung finden, werden religiöse oder kultische Sachverhalte nicht zur Erklärung herangezogen. Die These, συλᾶν-Verbote fänden ihre Legitimation in der sakralen Sphäre, kann folglich nicht positiv bestätigt werden. Auch in persönliche Asylie gewährenden Inschriften spielen religiöse Aspekte keine große Rolle. Es scheint, die Formulare der entsprechenden Inschriften seien aus den Formularen das συλᾶν beschränkender Dokumente entwickelt. Denn die Verleihungen persönlicher Asylie garantieren sozusagen ‚unverletzlichen‘ Verkehr zu Wasser und zu Lande, auch in Kriegszeiten, häufig in Verbindung mit einer Abgabenfreiheit, was einen tatsächlich fassbaren wirtschaftlichen Vorteil bedeutet. Denn die gewohnheitsrechtlich legitimierte Ausübung des συλᾶν wird für die geehrte Person ausgesetzt. Aber, soviel ist zu konstatieren, mit den Verleihungen der persönlichen Asylie kann gleichzeitig eine für Religion und Kult relevante Würde verliehen werden. Dies ist zwar keine Deduktion von Asylieverleihungen aus dem sakralen Bereich, bringt aber den terminus technicus Asylia bereits in assoziative Nähe zu kultischen Ämtern. Erst im Hellenismus verändert sich der Charakter der Verleihungen persönlicher Asylie, was am abgewandelten Formular ersichtlich ist. Die Anzahl der gleichzeitig gewährten Privilegien steigt deutlich an und kultische Ehrenämter finden darunter größere Beachtung. Das sich erschließende Bild der Verwendung verschiedener verneinter Formen der Wurzel συλ- weist vor allem in Richtung einer Beschränkung der Anwendung von Gewalt im zwischenstaatlichen Verkehr, die ihrerseits durch das Gewohnheitsrecht legitimiert war. Eine primäre Verbindung dieser Begriffe zum sakralen Raum ist nicht auszumachen. In den jüngeren hellenistischen Gewährungen persönlicher Asylie wird jedoch eine gewisse Nähe zum Sakralen greifbar. Parallel tauchen zudem die Verleihungen territorialer Asylie auf, die in Kap. 3 näher beleuchtet werden und eindeutig den religiösen Bereich tangieren. Diese Verschiebung des Bedeu-

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2. Die Wurzeln der territorialen Asylie

tungsinhalts von ἄσυλος/ἀσυλία zu einer auch im Religiösen gründenden Vorstellung resultiert vermutlich aus der Tatsache, dass die Unverletzlichkeit von Heiligtümern spätestens seit klassischer Zeit mit negiertem συλᾶν gedacht wurde. Dies wird in der platonischen Wortneuschöpfung ἱεροσυλία und der fast schon syntagmatischen Verbindung von συλᾶν νεώς/ἱερὰ bei Herodot, die beide Tempelraub und Schändung zum Inhalt haben, mehr als deutlich. Im Falle der Hikesie liegt eine Verbindung zum religiösen Bereich bereits in den ältesten Belegen vor, gerade daher rührt wohl ihre unhinterfragte Geltung. Die Schutzsuchenden verschaffen ihrem Anspruch auf Schutz durch den Vollzug eines Rituals Geltung. Dieses Ritual ist stets an sakrale Orte geknüpft, auch wenn, wie beispielsweise in der Odyssee, nicht zwingend an Heiligtümer. Durch die Möglichkeit zur Hikesie können Konflikte zu einem gewissen Teil deeskaliert werden. Seit klassischer Zeit wird die universelle Befähigung zur Hikesie zugunsten von Gerechtigkeitsaspekten vermehrt in Frage gestellt. Es werden Wege entwickelt bestimmten Gruppen, zuvorderst Kriminellen und Sklaven, die Möglichkeit zur Hikesie zu nehmen. Doch diese intendierte Verhinderung der Hikesie wirkt nicht als Störfaktor bei der Konfliktregulierung, sondern, in Rückbezug auf Gerechtigkeitsund Befleckungsargumente, als eine neue Möglichkeit, Gewalt zu delegitimieren. Da beide Ideen, die der unangefochtenen Hikesie und die der nach moralischen Kriterien eingeschränkten, in der griechischen Antike erhalten bleiben, scheint für beide ein Bedarf vorhanden gewesen zu sein. Im Hinblick auf Konfliktdeeskalation sowie Gewalteindämmung scheint eine Auslotung des Verhältnisses beider Ansichten durchaus praktikabel. Im Hellenismus werden einige Heiligtümer zu regelrechten Hikesiezentren ausgebaut, was aus archäologischen und linguistischen Erwägungen ersichtlich ist. Für die Regulierung von Konflikten wurde also vermehrt eine Konzentration der Hiketai auf bestimmte Orte als hilfreich empfunden. Bei der Ankunft der Römer wurde diese entstehende Zentralisierung der Hikesie auf bestimmte Heiligtümer wahrgenommen, was sich aus der vermuteten Entlehnungsgeschichte von lat. asylum aus den griechischen Syntagmen τὸ ἱερὸν ἄσυλον oder τὸ φύξιμον ἄσυλον spiegelt. Die so entstandene Kopplung von Hikesie und Asylie wurde von den Römern darauf auf sehr weitreichende Weise – schließlich bezieht sich der moderne Asylbegriff im Endeffekt auf diese Verschmelzung – auf das Phänomen der territorialen Asylie übertragen. Das führte im Ergebnis dazu, dass das ureigene, vor allem im zwischenstaatlichen Bereich angesiedelte konfliktregulierende Potential der beiden Bereiche Asylie/συλᾶν-Verbot und Hikesie hinter dem neuen Verständnis ins Hintertreffen geriet.

3. TERRITORIALE ASYLIE DES DRITTEN UND ZWEITEN JAHRHUNDERTS IN EPIGRAPHISCHEN UND LITERARISCHEN QUELLEN In der hellenistischen Zeit entwickeln sich sowohl Verleihungen persönlicher Asylie und Sylaneinschränkungen als auch die Hikesie – wie in Teilen bereits dargestellt – weiter. Darüber hinaus treten Verleihungen beziehungsweise Anerkennungen der sogenannten ‚territorialen‘ Asylie erstmalig auf. Diese gemeinhin zum Komplex ‚antikes Asyl(recht)‘ gezählte Form der Asylie manifestiert sich in ihrer ursprünglichen Form überwiegend in aus dem dritten und zweiten Jahrhundert stammenden Urkunden. Das gemeinsame Moment der allermeisten Dokumente ist dabei, wie bereits einleitend beschrieben,1 die formelle Anerkennung der Polis und/oder des Heiligtums als ‚heilig und unverletzlich‘ seitens zeitgenösischer politischer Entitäten. Dabei treten in der überwiegenden Mehrzahl der aussagekräftigen Fälle Politen ägäischer oder kleinasiatischer Poleis in sehr eindeutiger Form als Initiatoren der Asyliegesuche auf. Eine Ausnahme bildet das in zwei Briefen erhaltene Gesuch des Attaliden Eumenes II., die Asylie des Heiligtums der Athene Nikephoros und die ihr zu Ehren veranstalteten Spiele anzuerkennen.2 Als Verleiher des Privilegs treten Könige, Poleis oder Bünde der griechischen Oikumene auf, wobei durchaus Schwerpunkte auszumachen sind. Die erhaltenen Zeugnisse weisen eine erstaunliche Bandbreite an Argumentationsstrategien und Herangehensweisen sowohl auf Seiten der Antragsteller als auch Asylieverleiher auf, dennoch lassen sich gewisse Typologien durchaus erkennen und sollen an dieser Stelle vertieft behandelt werden. Zunächst stehen dabei die Asyliegesuche, sodann die Asylieverleihungen im Mittelpunkt. Des Weiteren gilt es die diachrone Entwicklung der territorialen Asylie nachzuzeichnen. 3.1 FORSCHUNGSSITUATION Wie bereits in der Einleitung beschrieben, werden die im Griechischen mit hikes-/ hiket- und asyl- gebildeten Begriffe nicht selten zu einem weitgefassten antiken Asyl(recht) zusammengefasst. Daher ist es im Rahmen eines Forschungsüberblicks nicht immer möglich, exakt abzugrenzen, was zur Interpretation der territorialen Asylie beiträgt.3 Dennoch scheint es der inhaltlichen Kohärenz halber notwendig,

1 2 3

S. 11–17. Rigsby 1996, Nr. 176; Nr. 177. Des Weiteren ist festzuhalten, dass im Rahmen eines Abrisses des Fortgangs der Forschung kaum Literatur zur Rekonstruktion einzelner Asylieinschriften oder den Fundorten dieser aufgeführt werden kann.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

die getrennten Analysen der hellenistischen territorialen Asylie und ihrer Vorläufer auch von getrennten Forschungsüberblicken einleiten zu lassen.4 Eine erste Erörterung der territorialen Asylie liefert bereits der am Heidelberger Hof diplomatisch tätige Gelehrte Ezechiel Spanheim5 in seinen Dissertationes de praestantia et usu numismatum antiquorum.6 Der Autor berührt im Rahmen seiner vergleichenden Darstellung römischer Münzen und ihrer inhaltlichen Aspekte auch die territoriale Asylie. Bei der inhaltlichen Ausrichtung seines Werks verwundert es kaum, dass Spanheim vor allem auf römerzeitliche Verhältnisse und Quellen rekurriert, die sich um den beschriebenen Komplex griechischer asyla drehen.7 Ab der 3. Auflage seines Werkes verweist Spanheim auch auf die militärische Neutralität der mit Asylie in Zusammenhang stehenden Regionen. Dabei bezieht er seine Informationen über das Phänomen neben den (römischen) Münzen aus dem Dekret der Smyrnaier über ihre Sympolitie mit den Magnesiern (am Sipylos), in dem auch eine Asyliebestimmung enthalten ist,8 und den literarischen Zeugnissen über die Insel Delos, deren Unverletzlichkeit aus literarischen Quellen abgeleitet wird.9 Nach einer längeren Phase des Stillstandes stellt Hermann Usener 1874 im Rahmen der Deutung eines knidischen Epigramms ebenfalls eine gewisse Nähe der Asylieverleihungen zur Neutralitätsbekundungen dar. Er verwendet die zitierten delischen Ereignisse zur Bildung eines Modells zur Herstellung von Neutralität.10 In den späten 1880er Jahren versammelt Bernardus Barth – von Tacitus’ erwähntem Bericht ausgehend – eine erste knapp kommentierte Auflistung der ‚griechischen Asyle‘. Dabei vermengt er jedoch den römischen und den griechischen Blick auf das Phänomen und verzeichnet asyla sowie Verleihungen territorialer Asylie aus literarischen, epigraphischen und numismatischen Quellen.11 Erst 1933 oferiert Schlesinger in seinem bereits mehrfach zitierten Buch erstmals einen vom römischen asylum-Begriff gelösten Zugriff auf territoriale Asylie.12 Er argumentiert, die hellenistischen Asylieverleihungen schlössen an die „ursprünglich selbstständigen Formen des Sylanverbots“13, die er in der persönlichen Asylie als einer Rechtsfolge der Hikesie14 und den bilateralen Sylaneinschränkungen15 erkennt, an.

4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Zum Forschungsstand zum συλᾶν, der persönlichen Asylie und Hikesie, s. 17–22. Zur Person Spanheims vgl. Spanheim 41717, II 16–37. Das Werk liegt in mehreren, im Detail recht unterschiedlichen Auflagen vor; verwendet werden Spanheim 21671; Spanheim 41717. Rigsby 1996, verwendet Spanheim 31706. S. 22–26. StV III 492, 2. Gemeint ist die ‚Reinigung‘ der Insel von Gräbern und anderen Befleckungen, vgl. z. B. Thuk. 5, 1; 32, 1. Usener 1974, bes. 38 f.; s. 68–72. Barth 1888. Schlesinger 1933. Schlesinger 1933, 67. Schlesinger 1933, 53. S. 36–38.

3.1 Forschungssituation

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Des Weiteren ist unter den Editoren der Asylieinschriften Peter Herrmann hervorzuheben, dem neben der Erschließung des epigraphischen Materials auch viele und wichtige historische Beobachtungen zu verdanken sind. In seinen zahlreichen epigraphischen Publikationen, Kommentaren und historischen Beiträgen16 betrachtet der Autor verschiedene Stätten und Motive der Asylie. Mit dem weit über hundert Seiten langen Aufsatz Antiochos der Große und Teos17 ermöglicht Herrmann nicht nur den ersten Zugriff auf den die Asylie betreffenden Brief des Königs Antiochos III. an Teos sowie weitere Teile des Asyliedossiers, sondern bemüht sich auch um eine Rekonstruktion und Einschätzung der historischen Verhältnisse. Dabei ist sein Interesse nicht nur den Absichten des Monarchen, sondern auch der Motivation der Teier Bürger und ihrem Versuch sich im politischen Feld der spannungsreichen Periode des späten dritten Jahrhunderts zu platzieren, gewidmet. Auch das bereits vorgestellte Werk Gauthiers Symbola. Les étrangers et la justice dans les cités Grecques erweitert die Perspektiven der Forschung auf die Asylie. Der Autor deutet die örtlich gebundene Asylie als eine Möglichkeit der Einordnung Fremder in das rechtliche Gefüge einer Gemeinschaft, die besonders im zwischenstaatlichen Agieren Bedeutung erlangte. Zu diesem Zweck vergleicht Gauthier συλᾶν-Verbote und territoriale Asylieverleihungen, darunter besonders die der Aitoler und Kreter.18 In einem weiteren Buch Les cites Grecques et leurs bienfaiteurs setzt Gauthier im Rahmen eines breiteren Unterfangens die Betrachtung der Asylieverleiher19 fort und beleuchtet dabei die Rolle der hellenistischen Monarchen. Der Autor verortet die Verleihungen territorialer Asylie also in der rechtlichen und auch politischen Sphäre. Etwa zeitgleich mit, aber in Unkenntnis von Gauthier interpretiert auch Ziegler einzelne Asylieinschriften und charakterisiert diese als mit συλᾶνBeschränkungen vergleichbare Instrumente. Vor allen der Aitolische Bund hätte, so der Autor, die Asylie als ein Mittel der Politik betrachtet.20 Zudem werden die Möglichkeiten zur Untersuchung der territorialen Asylie in den 1990er Jahren mit Rigsbys überregionalem, geographisch geordnetem Corpus21 der erhaltenen Dokumente beträchtlich erweitert. Wie in der Skizze der thematischen Ausrichtung dieser Arbeit bereits beschrieben,22 argumentiert der Autor, die Asylieverleihungen und -anerkennungen hätten in erster Linie der Ehrerhöhung des göttlichen Patrons der um Asylie ersuchenden Poleis oder Heiligtümer gedient.23 16 17 18 19 20 21 22 23

Editionen: TAM V 1; TAM V 2; Herrmann 1997; Herrmann 1998; Historische Beiträge zum thematischen Schwerpunkt: Herrmann 1971; Herrmann 1984; Herrmann 1986; Herrmann 1989. Herrmann 1965. Gauthier 1972, 209–285. Gauthier 1985, bes. 149–174. Ziegler 1975, bes. 167–263. Rigsby 1996. S. 14–17, wo im Rahmen der Erörterung der Fragestellung dieser Arbeit Rigsbys Argument von der religiösen Zweckbestimmung der territorialen Asylie mit divergenten Forschungsmeinungen gegenübergestellt wird. Rigsby 1996, 14.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

In seiner Ablehnung der politischen Argumentationen, Ziele und Herangehensweisen sowohl derjenigen, die sich um Asylie bemühten, als auch der Verleiher bleibt Rigsby jedoch nicht unhinterfragt: Es mehren sich Stimmen, die sich für eine stärkere Gewichtung der politischen Funktion der territorialen Asylie verwenden.24 Buraselis’ vielschichtige auf die außenpolitische Bedeutung der Asyliebestrebungen wie -gewährungen zielende Argumentation25 sei an dieser Stelle ob ihres Impetus nochmalig erwähnt; ebenso sei auf die zitierten Publikationen Dreyers verwiesen, der gerade die deeskalierenden Funktionen der Asylie im zwischenstaatlichen Verkehr betont, sowie die Ausführungen Katós, wo der Aspekt der Affirmation der Sicherheitsbestrebungen einzelner Akteure in politisch unruhigen Zeiten von zentraler Bedeutung ist.26 3.2 QUELLENSITUATION Die Quellen für die territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhundert lassen sich in mehrere Gruppen einteilen: Zum einen liegen epigraphische Zeugnisse vor,27 die Asyliegesuche und -anerkennungen sowie das dazugehörige Prozedere unmittelbar belegen. Durch die Verwendung formelhafter Elemente lassen sich diese direkten Zeugnisse der territorialen Asylie gegenüber anderen Phänomenen der Zeit durchaus zu einem abgrenzbaren Corpus zusammenstellen. Dabei handelt es sich in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle um beurkundete Asylieanerkennungen, die die jeweiligen Gesuche wiedergeben. In wenigen Fällen sind diese Asyliegesuche im Wortlaut erhalten.28 Darüber hinaus sind zeitgenössische inschriftliche Erwähnungen der Asylieverleihungen etwa in anderweitigen königlichen Schreiben, städtischen Dekreten oder Verträgen vorzufinden.29 Die Asylieanerkennungen für ihren Teil lassen sich formal vier Haupttypen zuweisen, die zunächst in aller Kürze vorgestellt werden sollen. 24 25 26

27 28

29

So etwa Dreher 1998, 488; Flashar 1999, 419; Bringmann 2000a, 32; Funke 2008, 256. Buraselis 2003; Buraselis 2004. Dreyer 2010; Dreyer 2011; Kató 2014, bes. 106. Die Bonner Dissertation Die Entwicklung der griechischen Asylie unter Berücksichtigung sakraler Stätten Tanja Seeglers scheint sich der Ankündigung nach mit einem ähnlichen Zusammenhang zu befassen, steht aber zum Zeitpunkt der Publikation nicht zur Verfügung. Für den Text der Asylieinschriften wird hier das ältere Editionen verzeichnende Corpus Rigsby 1996 herangezogen; neue und für das Thema relevante Editionen oder Lesungen werden an Ort und Stelle verzeichnet. Rigsby 1996, Nr. 174; Nr. 176; Nr. 177. Vgl. auch die Inschrift über die Epiphanie der Artemis Leukophryene und die damit zusammenhängende städtische Asylieinitiative, Rigsby 1996, Nr. 66 sowie die milesische Bitte um die Anerkennung der Didymeia als Kranzagon mit Erwähnung der Asylie, IG XII 4, 1, 153; evtl. auch I.Stratonikeia 19; 20. Tenier loben Nymphaios, den Sohn des Athenaios für den guten Empfang ihrer Theoren (ca. Mitte des dritten Jahrhunderts): IG XII 5, 802; Dekret über die Sympolitie Smyrnas mit Magnesia am Sipylos (Mitte des dritten Jahrhunderts): StV III 492 I; Ehrendekrete der Teier an Antiochos III. (204/203 oder 197/196): SEG 41, 1003; Ehrendekret der Stratonikeier an Leon S. d. Chrysaor (unklare Datierung, zweites – erstes Jahrhundert): I.Stratonikeia 7.

3.2 Quellensituation

79

Den häufigsten Typus von Asylieanerkennungen stellt der Beschluss dar; dieser kann von Poleis oder Bünden ausgehen und verfügt über wiederkehrende Strukturelemente.30 Strukturschema ‚Beschlussformular‘ Einleitung: Beschluss der … (Name der Polis, des Bundes). (und/) oder ἔδοξεν mit Organen oder Magistraten der Polis/des Bundes. Bericht der Bitte:

häufig mit Angaben über Gesandte und den Ablauf ihres Aufenthalts, etwa der Erwähnung eines Vortrags in der Volksversammlung oder eines mitgebrachten Psephisma; Wiederholung der Argumente der Antragsteller, partiell im Wortlaut.

Scharnierelement:

δεδόχθαι mit dem Namen der Stadt/des Bundes oder der betreffenden Organe.

Gewährung der Asylie:

häufig mit der Erläuterung der eigenen Annahmekriterien; Wiederholung der Argumente der Gesuche.

Organisatoria:

eventuelle Ehrungen, Spenden, Bankette; seltener Bestimmung von Theorodoken oder Theoren (im Falle von gleichzeitiger Festspielproklamation); häufig Publikationsbeschluss.

Die Inschriften mit Beschlussformular haben, um es noch einmal zusammenzufassen, stets eine gewisse Zweiteilung in den Bericht des Gesuchs und die tatsächliche Gewährung der Asylie. Die Erläuterung der Asyliebitte kann auf ein Psephisma der Antragsteller oder auch auf die Reden der vorstelligen Gesandten konzentriert sein; in beiden Fällen wird jedoch die Argumentation der Asyliebewerber dargestellt. Chaniotis bezeichnet diese Wiedergabe der Psephismata der Antragsteller in Asyliedokumenten als Empfängerformular. Er prägt die Metapher von „wandernde[n] Urkunden“, die neben Briefen in der griechischen Oikumene von Ort zu Ort gesandt wurden31 und einen wichtigen Schritt bei der Entwicklung einer diplomatischen Formelsprache und der Verbreitung rechtlicher Normen darstellten. Mit diesem Modell Chaniotis’ lässt sich die feststellbare zunehmende Vereinheitlichung der Asylieinschriften gut in Einklang bringen. Zur Asylieanerkennung leitet im nächsten Schritt eine Art Scharnierelement, meist δεδόχθαι, über. Die aus der Gewährung der Bitte resultierenden organisatori30 31

In manchen Inschriften, die dem Beschlussformular folgen, treten nicht alle Strukturelemente auf. Zudem erzeugen dialektale Begebenheiten und regionale Gepflogenheiten eine gewisse Varianz im Vokabular, die jedoch den Aufbau nicht ändert. Chaniotis 1999, 60.

80

3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

schen Vorgänge werden häufig nach einer Skizze der Gründe für die Asylieverleihung angeführt. Die Struktur der Urkunden veranschaulicht also den Verlauf des kommunikativen Prozesses der jeweiligen Asylieverleihung. Sowohl Bewerber als auch Verleiher der Asylie treten in Aktion, was die Dokumente, die Rigsby mit Nachdruck als unilaterale Anerkennungen bezeichnet,32 zumindest in assoziative Nähe zu bilateralen Verträgen rückt. Einen zweiten Typus von Asylieinschriften stellen Beschlüsse von auffälliger Kürze dar.33 Statt eines Strukturschemas der kurzen Dokumente scheint an dieser Stelle ein repräsentatives Beispiel sinnvoller. In der Asylieanerkennung der Spartaner an die Koer heißt es:

5

Λ α κ ε δ α ι μ ο ν ί ω ν· Λακεδαιμονίων δόγμα, ἐφόρω Εὐξένω· δεξώμεσα τὰν ἐκεχη– ρίαν τὰν τῶ Αἰγλαπιῶ ἀή, τὰν τοὶ Κῶιοι ἐφενέποντι Ἀριστόλοχος ἀρχιθέαρος καὶ Ἡράκλειτος καὶ Μακαρεύς· δῶμες τοῖς Κώι– ις ἃ αἰτίοντι, ἄσυλον τὸ ἱερὸν τὸ τοῦ Ἀγλαπιῶ τῶ ἐν Κωιο̣ῖ. (Beschluss) der Lakedaimonier: Beschluss der Lakedaimonier, unter dem Ephoros Euxenos: Wir wollen anerkennen den Festfrieden des Asklepios für immer, die Koer ankündigen: Aristolochos, Leiter der Festgesandtschaft, Herakleitos und Makareus. Wir wollen den Koern geben, was sie ersuchen: dass der Tempel des Asklepios in Kos unverletzlich sei.34

Die Argumentation der Asyliebewerber wird in den auf die Faktenlage reduzierten Dekreten entweder nicht oder nur sehr verkürzt wiedergegeben. An dritter Stelle sind die Briefe von Poleis oder Bünden zu nennen.35 Diese sind deutlich seltener als ‚reine‘ Dekrete und weisen regionale Häufungen, etwa auf Kreta, auf. Ihre Struktur ähnelt der der Beschlüsse; sie unterscheiden sich zumeist lediglich hinsichtlich der Einleitung, die Grußformeln enthält. Zudem wird eine Abschiedsfloskel angeschlossen. Einige solcher Briefe weisen außer der Abschiedsfloskel keine Briefcharakteristika auf.36 Diese Form scheint eine Hybride zwischen den unter Poleis/Bünden üblichen Dekreten und den Herrscherbriefen zu sein. Den vierten Typus von Asylieanerkennungen bilden die Briefe von hellenistischen Königen und Dynasten, die der Bitte um Asyliegewährung stattgeben.37 Dabei handelt es sich um eine durchaus disparate Quellengruppe. Die Argumentationsführung ist im Einzelnen doch recht unterschiedlich; ähnliches gilt für die Länge 32 33 34 35 36

37

Rigsby 1996, 33. Das schwerwiegendste Argument des Autors gegen die häufige Deutung der Dokumente als Verträge stellt das Fehlen von Eiden als wichtigem Vertragssicherungselement dar. Rigsby 1996, Nr. 1; Rigsby 1996, Nr. 14; Nr. 56; Nr. 62; Nr. 78; Nr. 90; Nr. 97; Nr. 99; Nr. 133; 134; Nr. 137; Nr. 138; Nr. 144; Nr. 145; Nr. 146; Nr. 147. IG XII 4, 1, 215 I (= Rigsby 1996, Nr. 14); Übersetzung Hallof Telota. IG XII 4, 1, 214 I (= Rigsby 1996, Nr. 42); 214 II (= Nr. 43); Rigsby 1996, Nr. 90; Nr. 137;Nr. 139; Nr. 140; Nr. 141; Nr. 144; Nr. 153; Nr. 154; Nr. 174. Beschlussformular mit Abschiedsformel: Rigsby 1996, Nr. 159; Nr. 162. Zu königlichen Briefen an städtische Empfänger vgl. etwa Muir 2009, 92–15; Hofmann 2015, bes. 143 f., mit Betonung der Ausrichtung königlicher Briefe an städtischer Kommunikation; vgl. ferner Welles 1934, XXXVII–XLX. Rigsby 1996, Nr. 8; Nr. 9; Nr. 10; Nr. 11; Nr. 12; Nr. 68; Nr. 69; Nr. 70; Nr. 71; Nr. 72; Nr. 135; Nr. 164.

3.3 Die Asyliegesuche

81

der erhaltenen Briefe. Auch bei diesem Typ der Asyliegewährung wird die Argumentation der Gesuche wiedergegeben, teilweise unter Berufung auf Psephismata der Antragsteller. Diesen Begründungen der Asyliebitte werden zumeist eigenen Bewertungsmaßstäben unterworfene Annahmegründe gegenübergestellt. Diese erweisen sich gegenüber den Dekreten als auffällig freier von den vorgetragenen Gesichtspunkten der Antragsteller. Auch die Struktur ist weniger schematisch. Der Duktus der königlichen und herrscherlichen Briefe unterscheidet sich naturgemäß von dem der Dekrete; auch werden häufig weitere Privilegien gewährt. Ein Publikationsbeschluss wird vielfach angefügt. Darüber hinaus lässt sich die territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts auch literarisch fassen – ohne dass eine Unterscheidung zwischen Gesuch und Anerkennung möglich wäre: Polybios erwähnt die Einrichtung im Rahmen der Berichterstattung über kriegerische Auseinandersetzungen.38 Problematisch scheint an dieser Stelle der Einbezug der Erwähnungen der Asyl(i)e durch Diodor,39 Strabon,40 Plutarch41 und Tacitus42: die nachgeborenen Autoren verweisen zwar auf ein hohes Alter des jeweiligen Asyl-Anspruchs, dennoch scheint das Signifiée des von ihnen Beschriebenen eher mit lat. asylum43 deckungsgleich zu sein, wenn nicht ohnehin die personengebundene Asylie – etwa Gesandter – gemeint ist. 3.3 DIE ASYLIEGESUCHE Die Gesuche um die Anerkennung der Asylie der eigenen Polis, der Chora, und/ oder eines wichtigen Heiligtums lassen sich aus Zusammenfassungen der Asylieanerkennungen rekonstruieren. Diese Asyliegesuche, so wird in vielen Inschriften deutlich, wurden den örtlichen Autoritäten meist von Gesandten übermittelt, die sich auf ein Psephisma ihrer Polis berufen. Es liegt nahe, dass diese Beschlüsse in Briefform übermittelt wurden, obwohl nur zwei solcher Briefe erhalten sind. Dabei handelt es sich um die Briefe Eumenes’ II. hinsichtlich der Anerkennung der Asylie des Heiligtums der Athene Nikephoros in Pergamon. An dieser Stelle sollen zunächst die Asyliegesuche des dritten und zweiten Jahrhunderts in ihrer zeitlichen und räumlichen Verortung vorgestellt werden. Dabei ist die Kontextualisierung der in den Inschriften wiedergegebenen Vorgänge zentral. Zu diesem Zweck stehen sowohl Begrifflichkeiten wie Strukturen der Gesuche als auch die unter Umständen gleichzeitig erbetenen Ehrungen oder geschlos38 39 40 41 42 43

Pol. 4, 18; 9, 34; im übertragenen Sinne 16, 13; 16, 24. Diod. 33, 5; 36, 15, worin die persönliche Asylie in Rom vorstelliger Mithridatischer Gesandter zum Gegenstand wird, entwickelt sich dabei in nachantiker Zeit zu einer Art locus classicus und wird von der Suda (s. v. ἀσυλία) sowie im Folgenden wiederholt zitiert. Strab. geogr. 4, 1, 13; 8, 6, 14; 14, 1, 23, wo mit der Asylie Ephesosʼ ist die Asylie eines Ortes erwähnt, für den die Möglichkeit einer hellenistischen Asylieverleihung zumindest plausibel, wenn auch nicht mit letzter Sicherheit beweisbar ist. Plut. Aem. 26, 1, 2; Plut. Arat. 28, 6, 2; Plut. Rom. 9, 3, 6; Plut. Tib. C. Cracchus 15, 7, 2; Plut. comp. Dem. Cic. 5, 2, 4. Tac. Ann. 3, 60–63; 4, 14. S. dazu 29–32.

82

3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

senen Verträge im Vordergrund. Des Weiteren lässt sich der Ablauf der Asyliegesuche über die Vermittlung der Dokumente in Teilen nachvollziehen. Die geographische Streuung der erhaltenen Antworten soll als Grundlage für die Rekonstruktion der Ausrichtung der Netzwerke der entsprechenden Bürgerschaft (oder Herrschers) dienen. In einem weiteren Schritt werden die Argumente der um Asylie ersuchenden Akteure geprüft und hinsichtlich ihrer Bedeutung für das religiöse oder politische Feld ausgewertet. Die auf diese Weise in Erscheinung tretenden Typen von Asylieargumenten sollen dazu verhelfen, die Entstehung und Entwicklung des Instruments im dritten und zweiten Jahrhundert zu durchleuchten. 3.3.1 Einheit und Vielfalt. Verortung und Prozedere der Asyliegesuche a. Koroneia, Heiligtum der Athene Itonia Die älteste erhaltene Asylieanerkennung betrifft das Heiligtum der Athene Itonia im boiotischen Koroneia in den 260er Jahren. Das Itonium stellt das zentrale Bundesheiligtum des Boiotischen Bundes dar44 und beherbergt die jährlichen Pamboiotia.45 Lediglich eine in Delphi gefundene Asyliegewährung seitens der Delphischen Amphiktyonie ist erhalten.46 Über die räumliche Verbreitung des Asyliegesuchs lässt sich ob der Materialsituation wenig sagen, festzustellen bleibt jedoch, dass die Distanz zwischen Delphi und Koroneia eher gering ist und Koroneier als Mitglieder des Boiotischen Bundes zumindest zeitweise Amphiktyonenstatus innehaben.47 Die delphische Inschrift ist von auffälliger Kürze, was Rigsby unter Bezug auf Privilegien gewährende Inschriften der Amphiktyonie damit erklärt, dass in Delphi nur eine Zusammenfassung publiziert worden sei. Das wiederum impliziert, dass eine nicht erhaltene, nach Koroneia gesandte Asylieanerkennung länger gewesen sein müsste.48 Diese Annahme ist nicht zwingend notwendig, da kurze Anerkennungen anderenorts auch innerhalb der Dossiers der Asyliebewerber erhalten sind.49 Die Inschrift enthält eine Datierungsformel unter Nennung des eponymen Archonten Pleiston und der Hieromnemones der Mitgliedsstaaten; zudem wird angegeben, die Entscheidung über die Asylie sei während der Pythien gefallen. Darauf folgt in den Zeilen 11–14 eine knappe Feststellung der Asylieanerkennung: [ἔδο][ξε τοῖς Ἀμφικτί]οσιν τὸ ἱερὸ[ν] [τῆς Ἀθηνᾶς τῆς] Ἰτωνίας τὸ [ἐγ Κορωνείαι ἄσυ]λον εἶναι. 44 45 46 47 48 49

Beck/Ganter 2015, 155; zum Boiotischen Bund vgl. Beck/Ganter 2015 mit ausführlicher Diskussion der Literatur; zur Geschichte Boiotiens vgl. Schachter 2016, bes. 133–148; Mackil 2013, 22–45; zur Topographie vgl. Farinetti 2009 mit Karten. Strab. geogr. 9, 2, 29; Paus. 9, 34, 1; vgl. dazu ferner Tausend 1992, 26; Kühr 2006, 286 f. Rigsby 1996, Nr. 1; zu älteren Editionen vgl. ferner SEG 18, 240. Rhodes 1996, 612. Rigsby 1996, 57. Rigsby 1996, 56; vgl. ferner die etwas ausführlicheren, aber dennoch kurzen Inschriften Rigsby 1996, Nr. 90; Nr. 97; Nr. 99.

3.3 Koroneia

83

Die Amphiktyonen haben beschlossen: das Heiligtum der Athene Itonia in Koroneia ist unverletzlich.

Das Faktum der Asylieanerkennung wird also bestätigt, nähere Informationen über den Ablauf des Gesuchs jedoch nicht deutlich. Die Datierung der Inschrift und somit des Zeitpunkts der Asylieanerkennung ist umstritten. Die Amphiktyonenliste verweist auf die 260er Jahre, die Erwähnung der Pythien auf den Spätsommer 266 oder 262.50 Auch die Nennung des Archons Pleiston, der zwei weitere Mal verzeichnet ist,51 liefert keine Ausschlusskriterien. Da die Chronologie Delphis dieser Zeit mit den Ereignissen des Chremonideischen Krieges verwoben und somit auch mit der Chronologie Athens verzahnt ist, müssen vielfache Abwägungen vorgenommen werden. In der Forschung wurden durchaus unterschiedliche Positionen vertreten.52 Dreyer bietet in Auseinandersetzung mit den Ergebnissen Heinens gerade in Hinblick auf die epigraphischen Belege des Archons Pleiston die stringenteste Analyse der Ereignisse. Der Autor betont: Eine mit der Datierung des Pleiston […] auf 266/5 einhergehende Annahme der Ptolemaia in der ersten Hälfte der 60er Jahre würde als proptolemäische Maßnahme aufgewogen durch die Ehrung des Menedemos CID II 128 b in dieser Zeit und wäre insgesamt eine Bestätigung des Neutralitätsdiskurses; […].53

Diese frühe Ansetzung des Archontenjahres des Pleiston trägt also der Tatsache Rechnung, dass eine Anerkennung der Ptolemaia gegen Ende des Chremonideischen Krieges einen deutlichen Affront gegen Antigonas Gonatas bedeutet hätte. Damit korrespondiert die Nennung der Athener in der Amphiktyonenliste der Asylieanerkennung für Koroneia durch die Delphische Amphiktyonie – Athens Engagement in der Amphiktyonie scheint zu Beginn des Chremonideischen Krieges wahrscheinlicher als (gemäß Dreyers Chronologie)54 kurz nach ihrer Niederlage gegen Antigonos Gonatas.55 Der Spätsommer 266 scheint also das schlüssigere Datum für die Asylieanerkennung des boiotischen Bundesheiligtums durch die Delphische Amphiktyonie zu sein, auch wenn der Spätsommer 262 nicht völlig ausgeschlossen werden kann.

50 51 52 53 54 55

Rigsby 1996, 57. Verleihung von Privilegien an zwei lamische Bürger: CID 4, 39 (= SGDI 2514); Anerkennung der Ptolemaia durch die Amphiktyonie: CID 4, 40 (= ISE II 75; FD 3, 4, 357; SEG 13, 351; 18, 241). Zur delphischen Chronologie zwischen 270 und 260, vgl. Étienne/Piérart 1975; Daux 1977, bes. 57–61; Heinen 1972, bes. 100–110; Dreyer 1999, bes. 374 f.; 390–415 mit einer umfangreichen Literatursammlung; vgl. ferner Douthe/Kyriakidis 2008, 279–282. Dreyer 1999, 404 f., Anm. 147. Dreyer 1999, 364; 374. Nach Heinens Rekonstruktion stand Athen im Herbst 262 kurz vor der endgültigen Kapitulation. Auch unter dieser Prämisse lässt sich diplomatisches Agieren as usual in Delphi kaum vorstellen. Zu den Konsequenzen der athenischen Niederlage im Chremonideischen Krieg vgl. Heinen 1972, 203–213; Habicht 1982, 13–63.

84

3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

b. Smyrna, Polis und Heiligtum der Aphrodite Stratonikis Nachdem Altsmyrna an der westkleinasiatischen Küste um 600 von Lydern zerstört wurde, lebten die Einwohner – so berichtet Strabon56 – bis zur Neugründung unter Antigonos Monophtalmos und Lysimachos im ausgehenden vierten Jahrhundert in Dörfern. Das neugegründete Smyrna war folglich eine recht junge Polis als in einem pythischen Jahr der 240er Jahre, wahrscheinlich 246, das Heiligtum der Aphrodite Stratonikis und die Stadt für heilig und unverletzlich erklärt wurden. Ob Aphrodite Stratonikis ein Zeugnis der Apotheose der seleukidischen Königin Stratonike darstellt,57 wurde in der Forschung kontrovers diskutiert.58 Vor allem die Erwähnung der öffentlichen wie privaten Verehrung Antiochos’ II. und seiner Mutter Stratonike in Smyrna im Isopolitievertrag59 zwischen Smyrna und Magnesia am Sipylos wird häufig als Beleg für die Übereinstimmung der Kulte der Aphrodite Stratonikis und Stratonike angeführt. Schwerwiegend scheint das Argument Rigsbys, der Tod und die Einrichtung der kultischen Ehren der Stratonike seien zu rezent, um die vergöttlichte Königin zur Stadtpatronin zu machen.60 Auch die so implizierte kultische Unterordnung Antiochos II. unter seine Mutter wirkt befremdlich. Zudem ist die Rolle und Verbreitung einer ‚kriegerischen‘ Aphrodite mit Schutzfunktionen gegenüber ihrer Polis gerade in Kleinasien nicht zu unterschätzen. Mit dem Epitheton Strateia ist Aphrodite etwa in Mylasa, Iasos und Erythrai belegt.61 Im akarnanischen Thyrreion ist die Epiklese Stratagis bezeugt.62 Insgesamt scheint daher die Annahme der Verehrung einer Aphrodite mit militärischen Eigenschaften voraussetzungsärmer, die nach der Zuweisung göttlicher Ehren an Stratonike eine kultische Aktualisierung erhalten hat.63 Im Namen dieser kriegerischen Aphrodite nun wird in den 240er Jahren ein Asyliegesuch initiiert. Die Bitte der Bürger von Smyrna ist aus drei Quellen ableitbar. Dabei handelt es sich um eine Anerkennung des Gesuchs seitens Delphis64 und indirekte Erwähnungen der bereits anerkannten Asylie in dem genannten Iso-

56 57 58 59 60 61 62

63 64

Strab. geogr. 14, 1, 37; zur antiken Rezeption des Falls Altsmyrnas vgl. Holst-Warhaft 2016. Zur Herrscherapotheose in hellenistischer Zeit vgl. jetzt Haake 2014; Iossif/Lorber 2011; speziell zu Seleukiden in Kommunikation mit Poleis vgl. Chaniotis 2005a; zur Kultpraxis vgl. ferner Caneva 2014. Vgl. etwa Orth 1977, 135, Anm. 55 mit Literatur. StV III 492 I, 8–10. Rigsby 1996, 97. I.Mylasa I 203, 5; 204, 3; I.Iasos II 222 f.; I.Erythrai II 207, 10. Haake/Kolonas/Scharff 2007; Antonetti/Funke 2018 (im Druck), Nr. 35. Zur Aphrodite mit militärischen Eigenschaften vgl. Wilamowitz-Moellendorff 1909, 55; Sokolowski 1964; Rigsby 1996, 96–99; Wallensten 2003, 199–201; Pironti 2005, 172–174 mit einer Materialsammlung und Literatur; Haake/Kolonas/Scharff 2007, 116–118. Zur numismatischen Ausdeutung vgl. ferner Meyer 2010, bes. 45 f. Meyer 2010. 45; Zur Schaffung neuer Epitheta aus Anthroponymen vgl. Wallensten 2008; bezogen auf seleukidische Herrscherpaare Rigsby 1996, 97, Anm. 11. Rigsby 1996, Nr. 7; in Delphi gefunden.

3.3 Smyrna

85

politievertrag zwischen Smyrna und Magnesia am Sipylos sowie der Anerkennung der aitolischen Soteria65 seitens der Smyrnaier.66 Das Asyliegesuch stammt aus einer ereignisreichen Phase der kleinasiatischen Geschichte, die eine nahezu rasante Ereignisfolge voraussetzt. Nach dem Tod Antiochosʼ II. 246 in Ephesos ergab sich ein Thronfolgeproblem: Antiochos II. war in zweiter Ehe verheiratet. Beide Ehen hatten Kinder hervorgebracht – die zu Laodike Seleukos II. und Antiochos Hierax, die zu Berenike Antiochos.67 Kurz vor seinem Tod soll Antiochos II. Seleukos II., dessen Mutter aber keine Königin mehr war, zum Nachfolger auserkoren haben, was einer Enterbung seines Sohnes mit Königin Berenike gleichkam. Laodike bekräftigte den Thronanspruch ihres Sohnes, er wurde zum König ausgerufen und bekam von den kleinasiatischen Städten gebührende Huldigungen.68 Berenike erkannte den neuen König nicht an und versuchte den Thronanspruch ihres Sohnes durchzusetzen. Sie konnte die Unterstützung der östlichen Satrapien und einiger kleinasiatischer Poleis auf sich vereinen und ihren Bruder, Ptolemaios III., bewegen, in den Konflikt, und damit in den 3. Syrischen Krieg, einzutreten. Berenike und ihr junger Sohn wurden zwar, noch bevor Ptolemaios III. Antiocheia erreichte, von Laodikes Verbündeten ermordet; dennoch ließ sich die Dynamik des sogenannten Laodike-Krieges nicht mehr aufhalten.69 Im Rahmen der schnellen Folge dieser Auseinandersetzungen, scheint Seleukos II. 246 großzügige Privilegien an Poleis vergeben zu haben, die ihn anerkannten. Smyrna – das wird in der Asylieanerkennung Delphis berichtet – wird von ihm im Gegenzug für Huldigungen für frei erklärt und von Tributsleistung ausgenommen;70 darüber hinaus werden – wie in der delphischen Asylieanerkennung für Smyrna zitiert – die Stadt und das Heiligtum der Aphrodite Stratonikis für heilig und unverletzlich erklärt „[…] τό τε ἱερὸν [τᾶς] Ἀφροδίτας τᾶς Στρατονικίδος καὶ τὰν πόλιν τῶν Σμυρναίων [ἱε]ρὰν καὶ ἄσυλον εἶμεν […]“.71 Diese Asylieverleihung durch den neuen König muss sich recht bald nach seiner Thronbesteigung im Frühjahr 246 ereignet haben, denn bereits die Theoren, die zur Verkündung der Pythien aufbrechen, werden beauftragt, den König zu loben. Ob die Smyrnaier um diese Asylieverleihung des Königs gebeten haben, wird in der delphischen Anerkennung nicht erwähnt. Üblicherweise ergreift die um Asylie ersuchende Partei die Initiative. Dass die Smyrnaier in den erhaltenen Texten nicht argumentieren, der König habe sie ungefragt begünstigt, wie es die Milesier im Gesuch an Kos für vorangegangene Asylieanerkennungen durch Poleis, Bünde 65 66 67 68 69 70 71

Vgl. dazu Freitag 2013, 137–139. I.Magnesia Sip. 1 I ist nach der Darstellung Ihnkens (I.Magnesia Sip., S. 30–42) wohl ca. 243 zu verorten; I.Smyrna 1, 574 datiert 245. Zum Thronfolgestreit und den resultierenden Kriegen, vgl. I.Magnesia Sip., S. 30–42; Piejko 1990; Ma 1999, 43–47; vgl. ferner Grainger 2010, 153–194. I.Magnesia Sip., S. 30 f. Grundlegend zur Rolle der Königinnen in hellenistischen Königreichen vgl. Harders 2016, bes. 37 f. Vgl. jüngst CoŞkun 2016, bes. 110–112; vgl. ferner Grainger 2010, bes. 155–162; Chaniotis 2005a, 110 f.; Ma 1999, 43–45. Rigsby 1996, Nr. 7, 6–8. Rigsby 1996, Nr. 7, 3–5.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

und Könige beanspruchen,72 könnte ein Hinweis auf ein Asyliegesuch der Smyrnaier beim König sein. Allerdings scheint Antiochos III. Teos ebenfalls aus eigenem Antrieb für heilig und unverletzlich erklärt zu haben, ohne dass das Ehrendekret der Teier diesen Fakt unterstreicht.73 Insgesamt stellt sich die Sachlage so dar, dass Seleukos II. – ob initiativ oder auf das Bestreben Smyrnas hin – die Asylie Smyrnas stützt. Er entsendet ein Schreiben, das zur Nachahmung seiner Asylieverleihung anregt.74 Die delphische Asylieanerkennung, die im Übrigen auch in Delphi und nicht etwa in Smyrna gefunden wurde, offenbart daneben die Bemühungen der Bürger Smyrnas um Asylie. Neben dem genannten königlichen Empfehlungsschreiben werden dort Gesandte (πρεσβευταί) aus Smyrna namentlich verzeichnet.75 Die eigene Gesandtschaft der Bürger von Smyrna in Delphi legt nahe, dass sie auch bei Seleukos II. vorstellig geworden sein könnten, etwa in Zusammenhang mit Ehrungen kurz nach seinem Regierungsantritt. Da die Zeit zwischen der Inthronisierung Seleukos’ II. und dem Entsenden der delphischen Theoren zur Ankündigung der Pythia recht knapp bemessen scheint, kann davon ausgegangen werden, dass die Smyrnaier ihre Gesandten entweder zeitgleich zum König und zu anderen Poleis (zumindest aber Delphi) entsandten oder direkt nach der Asylieverleihung durch Seleukos II. eine Gesandtschaft zu den Poleis einrichteten. Die geographische Verbreitung des Asyliegesuchs lässt sich nicht rekonstruieren. Die Seleukiden sind seit jeher in Westkleinasien vertreten und Seleukosʼ II. Vater, Antiochos II., pflegte ein positives Verhältnis zu den Smyrnaiern.76 Die Asyliebitte an Delphi jedoch lässt gewisse räumliche Öffnungstendenzen erkennen. Die Asylieanerkennung Delphis berichtet nur wenig über den Verlauf des Gesuchs. Die Inschrift setzt üblicherweise mit einer Weihung an die Götter und dem Beschlussformular ([ἔδοξε τᾶι π]όλει τῶν Δελφῶν) ein (Z. 1–2). Wie in vielen anderen Fällen wird mit ἐπεὶ eine Begründung des Asyliegesuchs angeschlossen; allerdings folgt in diesem Falle nicht die Argumentation der Stadt, sondern die Wiedergabe des bereits zitierten Seleukosbriefes (1–9). Die Beteiligung Smyrnas wird lediglich beigeordnet: […] οἴονται δὲ δεῖν καὶ οἱ Σμυρναῖοι, πρεσβευτὰς ἀπο[στεί]λαντες Ἑρμόδωρον καὶ Δημήτριον, ἀναγραφῆμεν ἐν τῶι ἱερῶι, ὥσπ[ερ καὶ] ὁ βασιλεὺς ἀξιοῖ, τὰ ἐπικεχωρημένα αὐτοῖς δεδόχθαι τᾶι πόλει τῶν Δελφῶν τό τε ἱερὸν τὸ τᾶς Ἀφροδίτας τᾶς Στρατονικίδος καὶ τὰμ πόλιν τῶν [Σμυρ]ναίων ἱερὰν καὶ ἄσυλον εἶμεν, καθάπερ ὅ τε βασιλεὺς ἐπέστελκε [καὶ] ἁ τῶν Σμυρναίων πόλις ἀξιοῖ, […].77 […] und die Smyrnaier, die Hermodoros und Demetrios als Gesandte entsandt haben, bitten, wie auch der König, dass das, was ihnen zugestanden wurde, im Heiligtum aufgeschrieben wird. Es ist beschlossen seitens der Delphier, dass das Heiligtum der Aphrodite Stratonikis und 72 73 74 75 76 77

IG XII 4, 1, 153, 12–16 (Anhang 2). SEG 41, 1003 I 18–20. Rigsby 1996, Nr. 7, 1–2; 12–13. Rigsby 1996, Nr. 7, 9–10. Orth 1977, 134–137. Rigsby 1996, Nr. 7, 9–14.

3.3 Kos

87

die Stadt der Smyrnaier heilig und unverletzlich seien, wie der König geschrieben hat und die Polis der Smyrnaier ersucht […].

Das Dekret endet mit einer Bestimmung über die Verbreitung der Inhalte und einer Klausel über die Publikation des Beschlusses der Delphier im Heiligtum des Apollon sowie des königlichen Briefes an der Mauer des Archeions in Delphi.78 Die Asylieanerkennung der Delphier weist also in vielfacher Hinsicht dem königlichen Brief mehr Bedeutung zu, als den städtischen Gesandten aus Smyrna. Auch wenn die Smyrnaier formal die (später) üblichen Schritte einleiten, wirkt doch Seleukos II. als eigentlicher Motor des Asylievorhabens. Auch der Vertrag über die Isopolitie der Smyrnaier mit den Magnesiern vom Sipylos deutet in Richtung eines aktiven Königs, der sich in der Phase der Herrschaftssicherung gegen Ptolemaios III. befindet.79 Darin wird die Asylie Smyrnas als Faktum behandelt, eigenes städtisches Bemühen um diese wird allerdings nirgends hervorgehoben. Eine neue Interpretation der Münzprägung Smyrnas durch Marion Meyer deutet hingegen auf bürgerliches Engagement in Bezug auf das Asyliegesuch.80 Die Autorin schlägt vor, im weiblichen Kopf mit Mauerkrone, der auf Münzen seit dem dritten Jahrhundert abgebildet ist, nicht die Personifikation/Tyche der Polis oder die Amazone Smyrna/Göttin Kybele zu sehen, sondern Aphrodite Stratonikis nach Erlangung der Asylie. Der Vorzug der Neudeutung liege in der besseren Vereinbarkeit mit dem Vergleichsmaterial – Stadttychen seien anderswo ein knappes Jahrhundert später belegt – und in der schlüssigeren ikonographischen Einschätzung der Münzen, da die Darstellung keine Hinweise auf Amazonen oder Kybele liefere.81 Eine derart selbstbewusste Münzprägung nach erhaltener Asylie wäre ein gewichtiges Argument für eine aktive Rolle der Smyrnaier im Prozedere des Asyliegesuchs. Allerdings ist diese Münzprägung einzigartig, wobei ein systematischer Vergleich der hellenistischen Münzprägung der Poleis mit anerkannter Asylie möglicherweise neue Erkenntnisse zu Tage förderte. c. Kos, Heiligtum des Asklepios Unter den Poleis, die in hellenistischer Zeit für sich oder ein Heiligtum territoriale Asylie eingeworben haben, verfügt Kos über das älteste erhaltene Antwortdossier. Im Jahre 242 wurde das Asklepieion auf Kos seitens verschiedener Städte, Könige und Dynasten der griechischen Oikumene von Sizilien bis zum Bosporus für unverletzlich erklärt.82

78 79 80 81 82

Zu Publikationsbeschlüssen und Veröffentlichungswegen vgl. Anhang 9. Nach Ihnken I. Magnesia Sip., S. 30–42, befindet er sich gleichzeitig im Konflikt mit seinem Bruder Antiochos Hierax. Die Chronologie ist problematisch, vgl. dazu jüngst CoŞkun 2016, 110–112; 120–122. Meyer 2010, bes. 35–51. Meyer 2010, 37 f. Für das Koische Dossier liegt eine gemeinsame Behandlung in den Inscriptiones Graecae (IG XII 4) vor. Der Text der Inschriften, auch der vieler Fragmentaria und Incerta, ist gegenüber Rigsby 1996 teilweise beträchtlich erweitert. Für die Koischen Inschriften wird die Edition der IG zu Grunde gelegt.

88

3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

Kos, eine der karischen Küste vorgelagerte Insel, ist die Heimat des zum Sinnbild gewordenen Arztes Hippokrates. Dieser entstammte einer Ärztefamilie, die für sich eine Abstammung von Asklepios beanspruchte.83 Das in der wirtschaftlich prosperierenden Phase nach dem koischen Synoikismos von ca. 350 erbaute Asklepieion war folglich eng mit dem Wirken der berühmten koischen Ärzte verbunden. Das Asyliegesuch der Koer des Jahres 242 für ihr Asklepieion und die Ankündigung der Festspiele zu Ehren des Gottes fand, wie die vielfachen erhaltenen Anerkennungen bestätigen, regen Anklang. Die Datierung des Gesuchs auf das Jahr 242 kann mit Hilfe der Antwort der Amphipoliten rekonstruiert werden. Darin heißt es, die Gesandtschaft habe am 19. Gorpaios des 41. Regierungsjahres des Antigonas Gonatas bezüglich der Asylie in der Volksversammlung vorgesprochen.84 Dieser Zeitpunkt lässt sich mit einiger Sicherheit dem August 242 zuweisen.85 Aus dem koischen Asyliedossier lassen sich erstmals vertiefte Erkenntnisse über den Verlauf von Asyliegesuchen gewinnen. Wie planvoll ein solches Gesuch eingeleitet wurde, verrät ein fragmentarisches Dekret über die Entsendung von Theoren86:

5

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– – – – – – – – – – – – – – – – –κ̣α. – – – – – – – – [– – – – – – – – τοὶ δὲ θεωροὶ τοὶ] αἱρεθέντες ἐς Ἴτωνον – – – – – – – – – – – – – – – – –τωι ἐπαγγελλόντω τὰ [Ἀσκλαπίεια – – – – – – – ἐν] Θεσσαλίαι καὶ ἐν Ἄργει [– – – – – – –· τοὶ δὲ θεωροὶ τ]οὶ ἐς Σαμοθράικαν ἀποσ[τελλόμενοι ἐπαγγελλόντω τὰ] Ἀσκλαπίεια ἐγ Χίωι καὶ [– – – – – – –· τοὶ δὲ ἀποστελλ]όμενοι θεωροὶ φορεύντω [– – – – – – – – – – – –· τᾶν δὲ] ἀ̣φ̣ι̣κ̣νευμενᾶν θεωριᾶν [– – – – – – – ἐπιμελείσθωσαν τοὶ ἱεροφύλ]ακες· τοὶ δὲ – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – πανάγυρις87 – – – Die gewählten Theoren, die nach Itonos [entsandt wurden], – – – sollen verkünden die Asklepieia – – – in Thessalien und in Argos – – –; die Theoren, die nach Samothrake entsandt wurden, sollen verkünden die Asklepieia in Chios und – – –; die entsandten Theoren sollen tragen – – –; um die entsandten Theorien – – – sollen Sorge tragen die Tempelaufseher; die – – – Prozession – – –88

83 84 85 86

87 88

Zu Hippokrates und der Medizin auf Kos, vgl. Kudlien 1967; Smith 1973; ferner SherwinWhite 1978, 256–289. IG XII 4, 1, 220 II (= Rigsby 1996, Nr. 26). Rigsby 1996, 107; zur Datierung hellenistischer Inschriften aus Kos vgl. ferner Crowther 2004. Zu Theorien und Gesandtschaften vgl. Rutherford 2013, bes. 54–63; 174–236; vgl. ferner Gazzano 2006; Kowalzig 2005; Naiden 2005; Chaniotis 1988a; Mosley 1973; Zur Theorodokie vgl. Boesch 1908, bes. 104–127; Perlman 2000, bes. 13–62; mit Bezug zur Ekecherie vgl. ferner Theotikou 2013, 129–137. Zu den in den Asyliedokumenten erhaltenen Gesandtschaften vgl. die Tabelle im Anhang 8. Vgl. den stärker rekonstruierten Text von Rigsby 2004, 28. IG XII 4, 1, 207; Übersetzung Hallof Telota; zur Inschrift vgl. ferner Rigsby 2004.

3.3 Kos

89

Es wird trotz des bedauerlicherweise fragmentarischen Zustands deutlich, dass die Theorien nach Regionen geordnet entsandt wurden. Das korrespondiert mit den Angaben in den Asylieanerkennungen. Einmalig ist im koischen Dossier die Überschrift „ψαφίσματα, ἃ ἐκόμισαν θεωροὶ Ἐπιδαύριος Νικάρχου, Φιλόφρων Δαρδάου“ ‚Beschlüsse, die die Festgesandten Epidaurios, S. d. Nikarchos, Philophron, S. d. Dardanos, erhielten‘ auszumachen, die Gesandtschaften als zeitgenössisches Gliederungselement belegt.89 Auf Grundlage des Antwortdossiers lassen sich Gesandtschaften und ihre Itinerarien feststellen.90 Die Gesandten werden (von dialektalen Variationen abgesehen)91 stets Theoren genannt; ein Architheoros leitet in der überwiegenden Anzahl von Inschriften die Gesandtschaft. Die erste Gesandtschaft bestand, wie aus den Asylieanerkennungen ersichtlich wird, aus dem Architheoros Aristolochos, S. d. Zmendron, und den Theoren Makareus, S. d. Aratos, wie Herakleitos, S. d.Timaithos. Die Theorie bereiste den Peloponnes, Nordgriechenland und Makedonien etwa mit folgendem Itinerar: Sparta, Messene, Thelphusa, Elis, Aigeira, Megara, phthiotisches Theben, möglicherweise eine weitere Stadt;92 darüber hinaus war die Gesandtschaft ohne Herakleitos, S. d. Timaithos in Gonni, Homolion, Pella, Kassandreia, Amphipolis, Philippi sowie einer weiteren unbekannten Stadt.93 Es ist ob der geographischen Begebenheiten vorstellbar, dass die Gesandten auch die thessalischen Städte besucht haben, allerdings lässt der fragmentarische Zustand der Antwortschreiben keine Rekonstruktion der vorstelligen Gesandtschaften zu.94 Des Weiteren ist Aristolochos mögli-

89 90

IG XII 4, 1, 221 B 20. Eine Auflistung der koischen Theorien liefert IG XII 4, 1, S. 206 f.; vgl. ferner Herzog/Klaffenbach 1952, 28–30 auf Grundlage des Herzog schon 1900 zugänglichen Materials. 91 Die ion.-att. Form θεωρòς und ihre Komposita erscheinen häufig auch in Inschriften, deren dialektales Gepräge einen dorischen Ausdruck voraussetzen würde. Dies könnte mit der Entstehung des Begriffes begründet sein, die zuletzt Koller 1958, 273–275 und 284–286, erläutert. Der Autor stellt verschiedene Möglichkeiten der Wortbildung vor und erklärt θεωρός als attische Bildung. Er formuliert weiter, der Begriff sei als terminus technicus zunächst ins Ionische, dann in andere Dialektbereiche übernommen und mit synchron beobachteten Dialektmerkmalen ausgestattet worden. Dor. θεαρòς wäre folglich eine sekundäre Bildung und den Sprechern möglicherweise auch als solche erkennbar. Das könnte in der Folge zur direkten Verwendeung des ion.-att. Spezialausdrucks führen. Vgl. ferner Harlow 1972, 4–8 mit Belegen. 92 Sparta: IG XII 4, 1, 215 I (= Rigsby 1996, Nr. 14); Messene: IG XII 4, 1, 215 II (= Rigsby 1996, Nr. 15); Thelphusa: IG XII 4, 1, 215 III (= Rigsby 1996, Nr. 16); Elis: IG XII 4, 1, 215 IV (= Rigsby 1996, Nr. 17); Aigeira: IG XII 4, 1, 215 V (= Rigsby 1996, Nr. 18); Megara: IG XII 4, 1, 216 IV (= Rigsby 1996, Nr. 20); phthiotisches Theben: IG XII 4, 1, 216 III (= Rigsby 1996, Nr. 19); weitere Stadt: IG XII 4, 1, 219 (Anhang 1): vermutlich Teile der Patronymika der Gesandten enthalten. 93 Gonni: IG XII 4, 1, 216 I (= Rigsby 1996, Nr. 21); Homolion: IG XII 4, 1, 216 II (= Rigsby 1996, Nr. 22); Pella: IG XII 4, 1, 221 I (= Rigsby 1996, Nr. 23); Kassandreia: IG XII 4, 1, 220 I (= Rigsby 1996, Nr. 25); Amphipolis: IG XII 4, 1, 220 II (= Rigsby 1996, Nr. 26); Philippi: IG XII 4, 1, 220 III (= Rigsby 1996, Nr. 27); weitere Stadt: IG XII 4, 1, 221 II (= Rigsby 1996, Nr. 24). 94 IG XII 4, 1, 217; 218 I, II (Anhang 1).

90

3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

cherweise mit dem Gesandten identisch, der die Asylieverleihung des Ziaëlas von Bithynien in Kos berichten soll.95 Die Asylieanerkennungen mit Erwähnung der ersten Theorie sind in Hinblick auf Länge und Ausführlichkeit der Wiedergabe des Gesuchs recht unterschiedlich und liefern daher auch verschiedenartige Informationen über die Asyliebitte der Koer. Das auffällig kurze spartanische Dekret folgt dem Beschlussformular. Es werden lediglich die wichtigsten Fakten notiert; das diplomatische Prozedere findet keine Berücksichtigung.96 Die Lakedaimonier garantieren die Ekecheiria, also den Festfrieden der Asklepieia, und bestimmen, den Koern zu geben, was sie verlangen, nämlich dass das Heiligtum des Asklepios unverletzlich sei. Dabei verwenden sie mit „ἄσυλον τὸ ἱερὸν τὸ τοῦ Ἀγλαπιῶ τῶ ἐν Κωιο ̣ῖ“ ‚unverletzlich [sei] das Heiligtum des Asklepios in Kos‘97 eine Standardformel zur Asylieverleihung, die im koischen Dossier gewöhnlich nur geringfügig – um das hier fehlende Verb oder seine Stellung – modifiziert wird. Zu den wenigen Ausnahmen vom Standardformular zählen die Inschrift aus Aigeira, die die einzige substantivische Asylieanerkennung dieser Gesandtschaftsserie liefert98 sowie die fragmentarische Inschrift der phthiotischen Thebaner, die die Asyliebitte wiederholen, aber im Rahmen ihrer Gewährung lediglich formulieren, man solle belobigen und anerkennen, was die Koer ankündigen.99 Inhaltlich problematischer scheint der in der Inschrift aus Pella belegte Zusatz, dass dem Asklepieion gestattet sein soll, ἄσυλος zu sein „καθάπερ καὶ τοῖς ἄλλοις ἱεροῖς“ ‚wie den übrigen Heiligtümern‘.100 Diese Randbemerkung, die im Dossier lediglich ein weiteres Mal in der Inschrift der dritten Gesandtschaftsserie aus Kalchedon belegt ist,101 wirft die Frage auf, welche Heiligtümer mit ‚den übrigen‘ gemeint sein könnten. Drei Möglichkeiten scheinen prinzipiell denkbar: eine Anerkennung aller Heiligtümer der Koer als unverletzlich, eine stilistische Analogie zur angeschlossenen Geldzuweisung an die Gesandten, die der an die Theoren von Kranzagonen entsprechen soll,102 oder eine allgemeine Feststellung der aus der Sakralität resultierenden Unverletzlichkeit von Heiligtümern, die im Konzept der Hierosylie ex negativo103 anklingt. Die erste Option scheint am unwahrscheinlichsten, da das Gesuch der Koer wegen der wenigen Abweichungen im Dossier hinsichtlich der Asylie für das Asklepieion recht genau formuliert gewesen sein muss. Bezüglich der beiden letzteren Vorschläge lässt sich auf Grundlage des vorhandenen Materials schließ95 IG XII 4, 1, 209 (= Rigsby 1996, Nr. 11). 96 Herzog 1903, 197, spricht von „affektierte[r] lakonische[r] Kürze“; Harlow 1972, 9–20, analysiert die Inschrift in Hinblick auf dialektale Begebenheiten und stellt ein Nebeneinander lakonischer und Koine-Formen fest; Rigsby 1996, 127, erkennt in der Inschrift archaisierenden Manierismus. 97 IG XII 4, 1, 215 I (= Rigsby1996, Nr. 14), 5. 98 IG XII 4, 1, 215 II (= Rigsby 1996, Nr. 15), 14–16; auch IG XII 4, 1, 226 VII 72, 84 (dritte Gesandtschaftsserie). 99 IG XII 4, 1, 215 V (= Rigsby 1996, Nr. 18), 44 f. 100 IG XII 4, 1, 221 I (= Rigsby 1996, Nr. 19), 13 f. 101 IG XII 4, 1, 226 III, 20. 102 IG XII 4, 1, 221 I (= Rigsby 1996, Nr. 19), 14 f. 103 S. dazu 48–52.

3.3 Kos

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lich keine sichere Entscheidung treffen. Ein stilistischer Parallelismus wäre hinsichtlich der Implikationen der Formulierung wenig begründungsbedürftig und verwiese auf das Fehlen eines festgefügten Formulierungskanons für das Phänomen der territorialen Asylie. Falls tatsächlich eine inhaltliche Verbindung des entstehenden Instruments zur althergebrachten Unverletzlichkeit des sakralen Raums in diesem Halbsatz aus Pella angenommen werden darf, läge ein Beleg für bewussten und zielgerichteten Einsatz des zuvor eher allgemein angenommenen Sakralschutzes vor. Dafür spricht auch die Verwendungsweise in der Inschrift aus Kalchedon. Dort wird in direktem Anschluss an die Standardformel zur Asylieverleihung eine Ergänzung festgehalten, „[– – – – – – π]ερὶ τὸ ἱ[ερὸ]ν καθάπερ – – – – –ΩΝ τὰ λο[ι]πὰ ἱερὰ τὰ ἄσ̣υλα“ ‚[…] um das Heiligtum wie […] die übrigen unverletzlichen Heiligtümer‘.104 Leider lässt der fragmentarische Zustand der Inschrift keine genauere Begründung der Formulierung auszumachen. Aus anderen Inschriften der dritten Gesandtschaftsserie wird jedoch in ähnlich fragmentarischem Kontext deutlich, dass Übertretungsverbote für die Asylie getätigt werden.105 Zusammengenommen verleiten diese Erkenntnisse zu der Annahme, dass der Zusatz der Verantwortlichen aus Pella und Kalchedon geradezu eine neuartige, instrumentalisierte Verwendung eines grundsätzlichen, aber häufig missachteten Prinzips im zwischenstaatlichen Raum verdeutlichen könnte. Gerade die Tatsache, dass eine eher exzeptionelle Formulierung in den Dossiers zweier Gesandtschaftsserien auftaucht, scheint darauf zu deuten, dass eine vergleichbare Phrase von den Antragstellern in ihr Gesuch aufgenommen wurde. Einen sehr typischen Aufbau weist die messenische Anerkennung auf. Der Bericht und die Bitte der Koer werden im ersten Teil des Beschlusses wiedergegeben, nach dem scharnierhaften δεδόχθαι folgt die Anerkennung der Asylie sowie Beschlüsse zum organisatorischen Ablauf. Die Theoren, in erster Linie in ihrer Funktion als Fest- und Opferverkünder dargestellt, bitten um die Asylie des Heiligtums. Diese wird mit der Formulierung „τὸ ἱερὸν τοῦ Ἀσκλαπιοῦ ἄσ[υ]λον ἦμεν“, allerdings mit einem gewichtigen Zusatz, nämlich „τὰ ἀπὸ Μεσσανίων καὶ τῶν ἐμ Μεσσάναι κατοικεύ[ν]των“ ‚seitens der Messener und der, die in Messene wohnen‘,106 anerkannt. Die Antragsteller verhandelten mit den Bürgern Messenes also nicht nur über ihr Zugeständnis der Asylie, sondern durchaus auch um das der Bewohner ohne Bürgerstatus. Die messenische Asylieanerkennung verrät nichts Näheres über den Schauplatz der Verhandlungen; jedoch informieren die Inschriften aus Kassandreia und Philippi, dass die Volksversammlung als Ort des Geschehens fungierte. Im ersten Fall stellen die Strategen und Nomophylakes den Antrag zur Verhandlung der Asyliebitte in der Volksversammlung, im zweiten dürfen die Theoren selbst in der Volksversammlung vorsprechen.107

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IG XII 4, 1, 226 III, 20. IG XII 4, 1, 226 V, 44 f.; IG XII 4, 1, 226 VII, 71–74; IG XII 4, 1, 227 III, 29 f. IG XII 4, 1, 215 II (= Rigsby 1996, Nr. 15), 13 f. IG XII 4, 1, 220 I (= Rigsby 1996, Nr. 25), 2; IG XII 4, 1, 220 III (= Rigsby 1996, Nr. 27), 39 f.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

In Messene werden die Theoren108 von in der Inschrift benannten Theorodoken aufgenommen;109 man versorgt sie mit einer Zahlung von täglich 15 Drachmen pro Person und lädt sie zum Bankett.110 Darüber hinaus wird ein Schwein für das Herdopfer herbeigeschafft und eine Mine für die Feier des Festfriedens übermittelt.111 Die Zuwendungen an die Theoren der asylieersuchenden Seite stehen im strikten Gegensatz zu der Idee Rostovtzeffs,112 die Asylie sei in erster Linie von Königen eingefordert und finanziell entgolten worden; In den Asyliedokumenten hingegen bekommen stets die Gesandten der Asyliebewerber vom Asylie verleihenden Partner Geld oder Geschenke sowie – sofern ein Zusammenhang mit Agonankündigungen besteht – bisweilen gar die Selbstverpflichtung, die eigenen Agonteilnehmer zu belohnen. Das Asyliegesuch und die Festproklamation der Koer in Messene nehmen also eine gewisse Zeit in Anspruch – die Beschlussstruktur legt nahe, dass vor Ort nicht bloß Bitte verkündet, sondern auch die Annahme der Asylie abgewartet wurde. Die täglichen Zuwendungen der Messener für die Theoren bestätigen diese Annahme.113 Auch die Inschrift aus Elis, die der messenischen inhaltlich sehr vergleichbar ist, deutet auf einen längeren Aufenthalt der Theoren. Dort wird verzeichnet, dass jedem Theoren zehn Tage lang eine Drachme gezahlt werden soll.114 Der Vergleich der beiden Inschriften verdeutlicht, dass die Theoren eben keine einheitlichen, sondern durchaus im Ermessensbereich der jeweiligen Verleiher liegende Zuwendungen bekamen. Allerdings liegen auch Hinweise auf bestimmte Richtlinien vor; so wird in den makedonischen Städten Gonni und Pella darauf verwiesen, dass den Gesandten so viel auszuhändigen sei, wie die übrigen Theoren bekommen, die Kranzspiele ankündigen.115 In Gonni wird ausgeführt, die üblichen Ausgaben betrügen nach dem Gesetz116 zwanzig Drachmen. Vergleichbares wird auch in den Inschriften aus Amphipolis und Philippi deutlich, in denen betont wird, die Theoren 108 Zu Theorien und Gesandtschaften vgl. Rutherford 2013, bes. 54–63; 174–236; vgl. ferner Gazzano 2006; Kowalzig 2005; Naiden 2005; Chaniotis 1988a; Mosley 1973. Zu den in den Asyliedokumenten erhaltenen Gesandtschaften vgl. die Tabelle im Anhang 8. 109 Auch in den Antworten von Amphipolis, IG XII 4, 1, 220 II (= Rigsby 1996, Nr. 26), 33 f., Pella, IG XII 4, 1, 221 I (= Rigsby 1996, Nr. 23), 15 f., und Philippi, IG XII 4, 1, 220 III (= Rigsby 1996, Nr. 27), 54 f., werden Theorodoken angegeben. 110 Ein Bankett der phthiotischen Thebaner im Amtsgebäude der Archonten, IG XII 4, 1, 216 III (= Rigsby 1996, Nr. 19), 44 f., für die Koer ist ebenfalls belegt. 111 IG XII 4, 1, 215 II (= Rigsby 1996, Nr. 15), 16 f. Die Zuwendungen an die Theoren der asylieersuchenden Seite stehen im strikten Gegensatz zu der Idee Rostovtzeffs 1955, 668 die Asylie sei vordergründig von Königen eingefordert und finanziell entgolten wurde; vgl. ferner Rigsby 1996, 18 mit dem Fokus auf ‚Piratenstaaten‘. In den Dokumenten hingegen bekommen, sofern überhaupt im Fokus, stets diejenigen, die um Asylie ersuchen, Geld oder Geschenke vom Asylieverleiher. 112 Rostovzeff 1955, 668; vgl. ferner Rigsby 1996, 18 mit dem Fokus auf ‚Piratenstaaten‘. 113 IG XII 4, 1, 215 II (= Rigsby 1996, Nr. 15), 16. 114 IG XII 4, 1, 215 IV (= Rigsby 1996, Nr. 17), 39 f. 115 IG XII 4, 1, 216 I (= Rigsby 1996, Nr. 21), 16–19; IG XII 4, 1, 221 I (= Rigsby 1996, Nr. 23), 15 f. Zu Kranzspielen vgl. Remijsen 2011. 116 Mit dem Gesetz wird auch die Zuweisung aus Kassandreia begründet, IG XII 4, 1, 220 I (= Rigsby 1996, Nr. 25), 14–16.

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sollen wie die pythischen Theoren entlohnt werden.117 Die Zuwendungen konnten durchaus auch aus Geschenken bestehen, wie die telphusische Antwort gegenüber dieser Gesandtschaft belegt.118 Die ausführlichen Angaben über Geschenke und Geld, die den Asyliebewerbern übergeben werden, verdeutlichen in erster Linie zweierlei: Einerseits sind diese Leistungen offenbar freiwillig und auch in der Höhe am Ermessen der asylieverleihenden Polis und ihren Gepflogenheiten orientiert. Als Richtschnur dienen dabei vielfach die Zuwendungen an prestigeträchtige festspielverkündende Gesandtschaften. Andererseits lässt die Bandbreite der Möglichkeiten an der Schlussfolgerung zweifeln, dass eine Nichterwähnung von Zuwendungen als eine Standardzahlung auszulegen ist. Das Wissen um das Prozedere der Asylieverleihungen wird mit den Urkunden aus dem phthiotischen Theben und Megara bereichert. Dort sind bereits Festgesandte zu den Asklepieia verzeichnet.119 Es ist folglich zu schlussfolgern, dass während der Asyliegesuche mit Festspielankündigung bereits um die Teilnahme an den Festspielen verhandelt wurde, was ebenfalls auf eine nicht allzu kurze Verweildauer der Asyliebewerber deutet. Andererseits wird in dieser und in den übrigen zitierten Angaben zu Gesandtschaften deutlich, wie ausgeprägt der zwischenstaatliche Kontakt und im Speziellen der Festverkehr, auch über den regionalen Bezugsraum hinaus, tatsächlich waren. In diesem Zusammenhang ist die Nachricht aus der philippischen Anerkennung – man wolle die Gesandten auf ihrer Weiterreise nach Neapel von den in der Stadt dienenden Söldnern geleiten lassen – ebenfalls interessant,120 verdeutlicht sie doch, dass die mehrfach erwähnte Wahrung der Ekecheiria keine leere Floskel darstellt. Wenn auf diese Weise aber die immanente Gefahr der weiten Reisen der Gesandten unterstrichen wird, erfahren die Asyliegesuche einen hohen Stellenwert in der zwischenstaatlichen Kommunikation der Zeit, der nicht mit einer bloßen Ehrmehrung des göttlichen Patrons121 zusammenpasst. Bei den Theoren, die in die Magna Graecia reisten, handelt es sich jedoch nicht um Aristolochos, S. d. Zmendron, und Makareus, S. d. Aratos, sondern um eine zweite Gesandtschaft. Diese bestand aus dem Architheoros Epidauros, S. d. Nikarchos, und den Theoren Philophron, S. d. Dardanos, und Simias, S. d. Timasophon. Sie bereisten Neapel und Elea122 sowie möglicherweise Korkyra und Leukas.123 117 IG XII 4, 1, 220 II (= Rigsby 1996, Nr. 26), 31–33; IG XII 4, 1, 220 III (= Rigsby 1996, Nr. 27), 50 f. 118 IG XII 4, 1, 215 III (= Rigsby 1996, Nr. 16), 29. 119 IG XII 4, 1, 216 III (= Rigsby1996, Nr. 19), 40–43; IG XII 4, 1, 216 IV (= Rigsby 1996, Nr. 20), 54–59. 120 IG XII 4, 1, 220 III (= Rigsby 1996, Nr. 27), 52–54. 121 So Rigsby 1996, bes. 14. 122 Neapel: IG XII 4, 1, 221 III (= Rigsby 1996, Nr. 46); Elea: IG XII 4, 1, 221 IV (= Rigsby 1996, Nr. 47). 123 Die Inschriften aus Korkyra, IG XII 4, 1, 220 IV (= Rigsby 1996, Nr. 45), und Leukas, IG XII 4, 1, 220 V, sind recht fragmentarisch. Es sind keine Hinweise auf Gesandtennamen enthalten und die Zuordnung folgt geographischen Kriterien. Auf Grund der Gliederung des Antwortdossiers nach Gesandtschaften, wäre auch vorstellbar, dass die erste Gesandtschaft mit philippischem Geleit Korkyra und Leukas aufgesucht hat, da die Inschriften direkt an die Inschrift aus Philippi anschließen.

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Der Architheoros Epidauros, S. d. Nikarchos, zog weiter nach Sizilien, allerdings in Begleitung des Sosistratos, S. d. Kaphisios. Sie besuchten Kamarina und Gela.124 Über die Asyliegesuche dieser Gesandtschaften in den griechischen Poleis Unteritaliens lassen sich vergleichbare Aussagen treffen, wie über die Gesuche in Festlandgriechenland. Alle Inschriften liegen im Beschlussformular vor. Die Inschriften von Kamarina und Gela sind sehr ähnlich und erwähnen, dass die Asylieanerkennung auf Antrag des Rates in der Volksversammlung geschah.125 Das primäre Gegenüber der koischen Theoren in diesen Poleis war also der Rat, erst in einem zweiten Schritt wurde das Begehren der Volksversammlung vorgestellt. Es überrascht nicht, dass das diplomatische Agieren zunächst im kleineren Kreise statt fand, allerdings sind auch direkt vor der Volksversammlung vorgebrachte Gesuche bekannt.126 In beiden Städten werden die Gesandten zum Festmahl geladen, in Gela jedoch werden zusätzlich Opfertiere gestellt sowie eine recht hohe Summe Geld angewiesen. Diese entspräche dem, was den Verkündern der Olympien zustände.127 Die überdurchschnittliche Investition der Geloer verdeutlicht, dass es im Ermessen der Verleiher lag, Geld oder Geldwertes zuzuweisen. Andererseits offenbart die Erwähnung eines zweiten großen panhellenischen Festes neben den Pythien, wie ehrgeizig die Asyliegesuche gewirkt haben müssen. Die dritte Gesandtschaft der Koer hatte die kleinasiatische Küste samt der vorgelagerten Inseln zum Ziel. Der Architheoros Hippotes, S. d. Hippokrites, wurde von den Theoren Aischros, S. d. Theodotos, und Epikles, S. d. Agorakritos, begleitet. Namentlich ausmachen kann man in dieser sehr fragmentarischen Serie von Antwortdekreten lediglich Kios und Kalchedon.128 Die übrigen Asylieanerkennungen lassen sich nur nach Dialektgruppen sortieren und dieser Gesandtschaft zuweisen. Es sind sechs Inschriften aus dem ionischen Sprachraum überliefert, drei aus dem dorischen und drei aus dem aiolischen.129 Auch die Antworten dieser dritten Gruppe bestätigen und ergänzen das bisher dargestellte Bild vom Prozedere der Asyliegesuche. Die Gesandten erhalten Geld oder Geschenke – eine Entscheidung lässt der Zustand der Inschriften nicht zu –, 124 Kamarina: IG XII 4, 1, 222 (= Rigsby 1996, Nr. 48); Gela: IG XII 4, 1, 223 (= Rigsby 1996, Nr. 49). 125 IG XII 4, 1, 222 (= Rigsby 1996, Nr. 48),9; IG XII 4, 1, 223 (= Rigsby 1996, Nr. 49), 6. 126 Vgl. z. B. IG XII 4, 1, 220 III (= Rigsby 1996, Nr. 27), 40 f. 127 Kamarina: IG XII 4, 1, 222 (= Rigsby 1996, Nr. 48), 28–30; Gela: IG XII 4, 1, 223 (= Rigsby 1996, Nr. 49), 28–38; auch in Neapel lassen sich Bankett und Geldzuweisung identifizieren, IG XII 4, 1, 221 III (= Rigsby 1996, Nr. 46),29 f.; in Leukas, IG XII 4, 1, 220 V, 72 f., wird zum Bankett geladen; die Inschriften aus Elea, IG XII 4, 1, 221 IV (= Rigsby 1996, Nr. 47), und Korkyra, IG XII 4, 1, 220 IV (= Rigsby 1996, Nr. 45), sind zu fragmentarisch für die Erhebung dieses Befunds. 128 Kios: IG XII 4, 1, 226 IV (= Rigsby 1996, Nr. 32); Kalchedon: IG XII 4, 1, 226 III. 129 Nicht alle Inschriften lassen sich ob des fragmentarischen Zustands und der teilweise nur sehr kurzen Beschreibungen sicher den koischen Incerta von Rigsby 1996 zuordnen. Ionisch: IG XII 4, 1, 226 V; IG XII 4, 1, 227 III (= Rigsby 1996, Nr. 35); IG XII 4, 1, 226 II; IG XII 4, 1, 226 VI; IG XII 4, 1, 226 VII (= Rigsby 1996, Nr. 36); IG XII 4, 1, 228 II; IG XII 4, 1, 229. Dorisch: IG XII 4, 1, 227 I; IG XII 4, 1, 226 I; IG XII 4, 1, 228 I. Aiolisch: IG XII 4, 1, 227 II (= Rigsby 1996, Nr. 34); IG XII 4, 1, 226 XI; IG XII 4, 1, 226 XII.

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die ihnen ‚nach Gesetz‘ zustehen.130 Es werden Theoren zu den Asklepieia bestellt.131 Das Formular der eigentlichen Asylieverleihung verfügt über Unregelmäßigkeiten, die mit Abweichungen der ersten Gesandtschaftsserie korrespondieren. Es handelt sich um eine substantivische Asylieverleihung132 und um den bereits diskutierten Zusatz, dem Asklepieion werde die Asylie verliehen, die auch andere Tempel innehaben.133 Möglicherweise lassen sich diese Ähnlichkeiten auf ähnliche Akzentuierungen der Gesuchsformulierungen der ersten und dritten Gesandtschaft zurückführen. Eine weitere Besonderheit in Hinblick auf den Ablauf der Verhandlungen in den Urkunden der dritten Theorie der Koer stellen die erst- und einmalig auftauchenden Publikationsbestimmungen dar. Die Aufstellung einer Stele mit der Asylieverleihung im Asklepieion wird von einer nicht näher zu lokalisierenden Polis beschlossen.134 Es wird nicht deutlich, ob ein eigenes Heiligtum oder das für unverletzlich erklärte gemeint ist. Angesichts der vielen Fragmentaria gerade dieser Serie lässt sich aber natürlich nicht ausschließen, dass auch in weiteren Inschriften die Publikation explizit erwähnt war. Die vierte Theorie der Koer unter dem Architheoros Herippidas und unbekannten Theoren bereiste aller Wahrscheinlichkeit nach die Kykladen.135 Die Stele, die alle drei erhaltenen Inschriften dieser Gesandtschaftsserie trägt, ist schlecht erhalten. Daher werden neben der Tatsache, dass es eine Gesandtschaft gab nur wenige Informationen vermittelt. Es wird genau ausformuliert, dass das den Theoren ausgehändigte Geld für das Opfer zur Feier des Festfriedens gedacht ist.136 Ein gemeinsames Opfer in Anwesenheit der Theoren in der unbekannten Polis scheint in diesem Fall wahrscheinlich, da zum einen der Festfrieden mit der Festproklamation beginnen sollte und zum anderen in den Inschriften üblicherweise betont wird, wenn ein Opfer für Asklepios in Kos subventioniert werden soll.137 Von der fünften Gesandtschaft sind nur wenige Spuren erhalten. Auf Grund des Erhaltungszustands der Inschriften ist nicht einmal erkennbar, ob sie aus einem oder zwei Theoren bestand – also ob die Namensreste als Lykophron, S. d. Lykeas, oder Lykophron und Lykeas zu interpretieren sind. Auch die Adressaten des Gesuchs sind nicht ganz klar, möglicherweise handelt es sich dabei um maritime Nachbarn der Koer.138 Über das Verfahren der Asyliegesuche können aus diesen

130 IG XII 4, 1, 226 IV (= Rigsby 1996, Nr. 32), 33 f.; IG XII 4, 1, 226 XI, 99; IG XII 4, 1, 227 I, 10; vgl. ferner IG XII 4, 1, 226 III, 24: Bankett. 131 IG XII 4, 1, 226 III, 21–23; IG XII 4, 1, 228 I, 11–13. 132 IG XII 4, 1, 226 VII 72, 84; auch IG XII 4, 1, 215 II (= Rigsby 1996, Nr. 15), 14–16 (erste Gesandtschaftsserie). 133 IG XII 4, 1, 221 I (= Rigsby 1996, Nr. 19), 13 f.; IG XII 4, 1, 215 V (= Rigsby 1996, Nr. 18), 44 f. (erste Gesandtschaftsserie). 134 IG XII 4, 1, 226 VII (= Rigsby 1996, Nr. 36), 76 f. 135 Unbekannte Insel: IG XII 4, 1, 230 I; II; Minoa: IG XII 4, 1, 230 III (= Rigsby 1996, Nr. 39). 136 IG XII 4, 1, 230 II, 11 f. 137 Opfer in Kos: IG XII 4, 1, 221 III (= Rigsby 1996, Nr. 46), 28 f.; IG XII 4, 1, 226 IV (= Rigsby 1996, Nr. 32), 32 f. 138 Rhodos? IG XII 4, 1, 232 I; Knidos? IG XII 4, 1, 232 II; unbekannte Stadt: IG XII 4, 1, 234.

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Inschriften ob des fragmentarischen Zustands keine Erkenntnisse gewonnen werden. Die sechste Theorie der Koer hatte Kreta, genauer Istron, Phaistos und Hierapytna, zum Ziel.139 Die Gesandten Charippos, Dion und Platon werden ohne Differenzierung Theoroi genannt. Die Inschrift aus Hierapytna folgt dem Beschlussformular, die Inschriften aus Istron und Phaistos sind als Briefe konzipiert. Die Kosmen der Istronier richten den Brief an den Rat und das Volk von Kos, während der Adressat der Phaistier die Magistraten sind.140 Die Wahl der Briefform verdeutlicht den dialoghaften Charakter der durch die Vermittlung der Theoren verbreiteten Gesuche: es wird nichts Unspezifisches bestätigt oder anerkannt, sondern etwas aus dem zwischenstaatlichen Kommunikations- und Verhandlungsprozess Entwickeltes. Darüber hinaus lassen die kretischen Zeugnisse bereits geschilderte Aspekte der Verfahrensweisen erkennen. In allen drei Inschriften wird den Theoren für ein Opfer (Istron, Hierapytna) beziehungsweise Bankett (Phaistos) eine Geldsumme von zehn Stateren zugeteilt.141 Der Wechsel zwischen Opfer (ἀπαρχή) und Bankett (ξένια) in sonst völlig baugleichen Bestimmungen lässt vermuten, dass es sich um ein gemeinsames Opfer während eines häufig veranstalteten Festmahls innerhalb der Verweildauer der Gesandtschaft vor Ort handelt. Die ausgeprägte Gastfreundschaft gegenüber den Theoren korrespondiert mit der spezeillen Bedeutung, die der Pflege der Gastfreundschaft in zwischenstaatlichen Beziehungen auf Kreta zukommt.142 Auch Publikationsbeschlüsse werden gefasst. Dabei ist besonders zu betonen, dass die Publikationen an prominenten Orten in den Poleis angebracht werden sollen. In Istron soll das Psephisma an einem besonders hervorragenden Platz im Prytaneion143 angebracht werden, in Phaistos im Heiligtum des Apollon Pythios144 und in Hierapytna im Asklepieion145. Beschlüsse, die Asylieanerkennungen vor Ort zu publizieren, betonen bis zu einem gewissen Grad das diplomatische Geschick der 139 Istron: IG XII 4, 1, 214 I (= Rigsby 1996, Nr. 44); Phaistos: IG XII 4, 1, 214 II (= Rigsby 1996, Nr. 42); Hierapytna: IG XII 4, 1, 214 III (= Rigsby 1996, Nr. 43). 140 IG XII 4, 1, 214 I (= Rigsby 1996, Nr. 44), 1 f.; IG XII 4, 1, 214 II (= Rigsby 1996, Nr. 42), 15 f. 141 IG XII 4, 1, 214 I (= Rigsby 1996, Nr. 44), 13; IG XII 4, 1, 214 II (= Rigsby 1996, Nr. 42), 26; IG XII 4, 1, 214 III (= Rigsby 1996, Nr. 43), 36 f. Auch aus Maroneia, IG XII 4, 1, 224 I (= Rigsby 1996, Nr. 29), 9, und Ainos, IG XII 4, 1, 224 II (= Rigsby 1996, Nr. 28), 22 f., ist die Vergabe der ἀπαρχή belegt. Vgl. ferner die Zuteilung Herdopfers in Messene: IG XII 4, 1, 215 II (= Rigsby 1996, Nr. 15), 17; in Leukas: IG XII 4, 1, 220 V, 73. 142 So betont Chaniotis 1996b, 133 in Bezug auf innerkretische diplomatische Kontakte, die auspegrägte Form der Gastfreundschaft sei als ein „Mittel zur Stärkung der Solidarität unter Bündern“ zu verstehen. 143 IG XII 4, 1, 214 I (= Rigsby 1996, Nr. 44), 12 f. 144 IG XII 4, 1, 214 II (= Rigsby 1996, Nr. 42), 25. Zum Heiligtum des Apollon Pythios in Phaistos vgl. Chaniotis 1996b, 427. 145 IG XII 4, 1, 214 III (= Rigsby 1996, Nr. 43), 35 f. Dass das Heiligtum des Asklepios in Hierapytna als Aufstellungsort für zwischenstaatliche Dokumente dient, belegt der Isopolitievertrag zwischen Hierapytna und einer Außensiedlung aus dem zweiten Jahrhundert, Chaniotis 1996b, Nr. 74.

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asylieersuchenden Theoren, da sie eine Bindung des asylieverleihenden Partners signalisieren. Die doppelte Publikation erweist sich als ein Marker für die kommunikative Einordnung der Asyliegesuche. Ein Status wird ausgehandelt, den beteiligten Parteien mitgeteilt und dokumentiert – ganz wie es im Rahmen von zwischenstaatlichen Verträgen üblich ist.146 Einige koische Inschriften lassen sich keiner Gesandtschaft zuordnen, weil sie weder Namen von Gesandten noch Gesandtschaftstermini enthalten noch auf Stelen, die eindeutig einer Gesandtschaft zuzuordnen sind, überliefert sind. Unter diesen Inschriften befinden sich erwartungsgemäß Fragmentaria und Incerta, die an dieser Stelle nicht einzeln aufgelistet werden sollen. Stattdessen wird wegen ihres Informationsgehalts für die Fragestellung auf die Inschriften aus Maroneia, Ainos und einer dorischen Stadt aus dem kleinasiatischen Raum fokussiert.147 In Bezug auf die Asyliegesuche sei erwähnt, dass die Inschriften aus Maroneia und Ainos eine dem Gesetz entsprechende Zuteilung vermutlich für ein – wie in den kretischen Inschriften – gemeinsames Opfer enthalten.148 Die Inschrift aus Ainos offenbart zudem eine neue Dimension. Während argumentative Bezüge auf den Willen eines Herrschers im koischen Dossier bisweilen vorkommen, stammt aus Ainos der einzige Beleg für die Einbeziehung des Königs, Ptolemaios III., in das Verfahren der Asylieanerkennung innerhalb der Polis. Das Bankett für die Theoren wird beim Priester des Königs, nicht wie üblich im städtischen Raum,149 abgehalten.150 Es verwundert nicht, dass diese Besonderheit aus Ainos bekannt wird, ist doch die Stadt seit Jahrzehnten in ptolemäischer Hand.151 Die Bindung an den König scheint folglich so fest, dass außenpolitisches Agieren der Stadt bereits auf der formalen Ebene beeinflusst ist. Denn es wird nicht nur faktisch im Sinne eines Herrschers gehandelt, vielmehr wird bereits in der Art und Weise des diplomatischen Vorgehens auf ihn Rücksicht genommen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, das Asyliegesuch der Koer wurde über sechs an Poleis gerichtete Gesandtschaften in der gesamten griechischen Oikumene von Kleinasien bis Sizilien verbreitet. Die archivierten positiven Antworten erweisen sich als recht vergleichbar in Hinblick auf den Ablauf des Gesuchs. Auch wenn unterschiedliche Gewichtungen, regionale Besonderheiten und ein durchaus differentes Maß an Engagement seitens der Interaktionspartner zu konstatieren ist. Es ist dabei sicher nicht unbedeutend, dass die Asklepieia zeitgleich mit der Asyliebitte angekündigt wurden. Denn auf diese Weise konnten die eingeübten Handlungsmuster von Festspielankündigungen auf Asyliegesuche übergreifen. 146 Zur Diskussion des Vertragscharakters s. 80; 230 f., 243 f. 147 Maroneia: IG XII 4, 1, 244 I (= Rigsby 1996, Nr. 29); Ainos: IG XII 4, 1, 224 II (= Rigsby 1996, Nr. 28); unbekannte Stadt: IG XII 4, 1, 233. 148 IG XII 4, 1, 224 I (= Rigsby 1996, Nr. 29), 9; IG XII 4, 1, 224 II (= Rigsby 1996, Nr. 28), 22 f. 149 Amtsgebäude der Archonten: IG XII 4, 1, 216 III (= Rigsby 1996, Nr. 19), 44 f.; Heiligtum des Stadtgründers: IG XII 4, 1, 220 I (= Rigsby 1996, Nr. 25), 15 f. 150 IG XII 4, 1, 224 II (= Rigsby 1996, Nr. 28), 20–22. 151 Pol. 5, 34. Vgl. mit einer Sammlung von Quellenbelegen Şahin 1984, 6, Anm. 9; Vgl. ferner Jähne 1998, bes. 307 f.; mit numismatischer Beweisführung, Svoronos 1905.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

Die Absichten der Gesandtschaften scheinen zum einen deutlich formuliert worden zu sein, da trotz der wenigen direkten Vorlagen von territorialen Asylieanerkennungen kaum Ausnahmen von den typischen Gewährungsformen vorzufinden sind; zum anderen erlaubt das Antwortdossier nicht die Annahme variabler Gesuche in den unterschiedlichen geographischen Räumen – von der geringfügigen, in den anderen Gesuchen nicht feststellbaren Parallelität zwischen den Inschriften der ersten und dritten Theorie abgesehen. Es werden also als Piraten verrufene Kreter152 auf die gleiche Weise um die gleiche Gunst gebeten wie kleinasiatische Nachbarn. Trotz der noch zu charakterisierenden unterschiedlichen inhaltlichen Argumentationen lassen sich hinsichtlich des Verlaufs der Gesuche vergleichbare Strukturen feststellen. Mit Ausnahme des Dekrets aus Ainos agieren stets die Organe der jeweiligen Poleis als Partner der koischen Theoren. Zumindest formal finden also Verhandlungen über die Gewährung eines Status unter gleichgestellten, jeweils weisungsbefugten Partnern statt. Es treten also Poleis in zwischenstaatliche Interaktion: Das Beschlussformular offenbart, dass Magistrate, Räte und Volksversammlungen als Entscheidungsgremien über die Asylie und den Besuch der Asklepieia fungieren; Räte und Volksversammlungen werden als Ort der Verhandlungen angegeben; die finanziellen oder vergleichbaren Zuwendungen werden nach üblichen Maßgaben veranlasst; die gemeinsamen rituellen Handlungen und Feierlichkeiten finden im öffentlichen Raum der Poleis, und zwar an prominenter Stelle wie dem Archontengebäude oder im Heiligtum des Stadtgründers statt; auch die erwähnten Publikationsorte verweisen auf die Bedeutung der Polisreligion. Auf der formalen Ebene gebaren sich die Poleis folglich wie unabhängige, über sich selbst verfügende politische Entitäten ohne nennenswerte Machtgefälle. Die Asyliegesuche werden folglich als gleichwertig erachteten Partnern vorgebracht. Vor Ort werden die Details unter Zuhilfenahme vorhandener Kommunikationsmuster verhandelt. Die positiven Entscheidungen werden von den einzelnen Theorien nach Kos gebracht und archiviert, aber zumindest teilweise auch in den asylieverleihenden Poleis verzeichnet. Die Koer haben die Anerkennung ihrer Asylie nicht nur von Poleis sondern auch von Königen erbeten, wie aus mehreren königlichen Antwortschreiben hervorgeht. Zwei der koischen Gesandtschaften richten sich direkt an Könige: nach Hallofscher Zählung die siebte an Ziaëlas von Bithynien153 und achte an Ptolemaios III.154 Festzuhalten ist jedoch, dass vier von sechs königlichen Asylieanerkennungen Hinweise auf Gesandte enthalten. Der Zustand der beiden übrigen erweist sich als zu fragmentarisch für eine Beurteilung.155 Es ist folglich davon auszugehen, dass alle Herrscher von Theoren aufgesucht wurden. 152 S. dazu 208–211; 218. 153 Theoroi Diogeitos, Aristolochos und Theudotos: IG XII 4, 1, 209 (= Rigsby 1996, Nr. 11). Theoros Diogeitos bei Seleukos II. (IG XII 4, 1, 210 (= Rigsby 1996, Nr. 9). 154 Architheoros Phainis, Theoroi Philophron und Archepolis: IG XII 4, 1, 212 (= Rigsby 1996, Nr. 8). 155 Unbekannter König: IG XII 4, 1, 211 (Anhang 1); Antigonas Gonatas: IG XII 4, 1, 208 (= Rigsby 1996, Nr. 10).

3.3 Kos

99

Zufälligerweise stammen die zwei sicher zuzuweisenden Briefe ebenfalls von Ziaëlas von Bithynien156 und Ptolemaios III. Über den Ablauf der Gesuche erfährt man, dass Gesandte vorgesprochen und um die Verleihung von Asylie und Anerkennung der Asklepieia gebeten hätten. Über die Verweildauer der Gesandten, Ehrungen oder Begleitprogramm der Asylieanerkennung ist nichts bekannt. Ziaëlas von Bithynien sendet die Theoren mit der Erfolgsnachricht und weiteren Informationen nach Kos zurück. Ptolemaios III. erkennt in seinem konzisen Brief neben der Asylie das Opfer und das Fest des Asklepios mit folgendem Wortlaut an: „τήν τε δὴ θυσίαν καὶ τὴν [πα]ν̣ήγυριν καὶ τὴν τοῦ ἱεροῦ ἀσυλί[αν δε]χόμεθα“ (Z. 13–15). Im Schreiben des Ziaëlas wird die Asylieverleihung vergleichbar dokumentiert: „ἀποδ[εχό]μεθα δὲ καὶ τὸ ἱερὸν ἄσυλον κ[αθό]περ ὤιεσθε δεῖν“ ‚Wir erkennen ferner das Heiligtum als unverletzlich an, so wie ihr es zu erbitten gedachtet‘ (Z. 44–46). Die Asylieanerkennung wird in beiden Fällen durch das auch von Poleis gern verwendete Verbum δέχομαι ‚annehmen, wahrnehmen, gewähren‘ eingeleitet. Es wird allerdings nicht die Standardformel der städtischen Proklamationen verwendet, vielmehr formulieren die Könige freier. Ein spezifisch royaler Duktus des Wortlauts der Anerkennungsformel lässt sich nicht feststellen. Recht genau können auch die fragmentarischen Briefe von Antigonas Gonatas157 und Seleukos II.158 zugeordnet werden. Von dem Antigonas Gonatas zugeschriebenem Brief ist lediglich das Ende mit der Asylieanerkennung erhalten. Der König betont, er habe die Asylie im Rahmen der gesetzten Grenzsteine anerkannt (Z. 12–14) und werde die Untergebenen anweisen, das Heiligtum für unverletzlich zu halten,159 was durch Dekrete aus Kassandreia, Amphipolis und Philippi belegt ist.160 Das Dekret aus der antigonidischen Hauptstadt Pella enthält keine Bekundung königlichen Willens.161 Rigsby stellt diesbezüglich korrekterweise fest, dass die Theoren Antigonas Gonatas wahrscheinlich nach ihrem Aufenthalt in Pella und vor dem in Kassandreia antrafen.162 Für das Prozedere der Asyliegesuche lässt sich aus diesen Feststellungen ableiten, dass die königliche Empfehlung die Theoren nicht von weiteren eigenen Asyliegesuchen in den Poleis abhielt. Vielmehr scheinen die Poleis primär als Adressaten der Asylieverleihungen zu fungieren. Die Zuordnung eines weiteren Briefes an Seleukos II. basiert auf textimmanenten Kriterien. Der Stil ist klar und konzise, ähnlich dem der ptolemäischen Anerkennung. Diese Tatsache verwiese nach Rigsby und Hallof auf einen griechischen Monarchen, also Seleukos II. oder Eumenes I., da eine ptolemäische Erklärung anderweitig vorläge und keine Gründe für eine Herausnahme der Inschrift aus 156 Zum Brief des Ziaëlas von Bithynien als Modell philhellenischer Aktion durch einen hellenisierten Herrscher vgl. Michels 2009, 42–49. 157 IG XII 4, 1, 208 (= Rigsby 1996, Nr. 10). 158 IG XII 4, 1, 210 (= Rigsby 1996, Nr. 9). 159 IG XII 4, 1, 208 (= Rigsby 1996, Nr. 10), 10–12: „καὶ τοῖς ὑφ᾿ ἡμᾶς τασσομένοις παραδώσομεν ἄσυλον ἡγεῖσθαι τὸ ἱερὸν“. 160 IG XII 4, 1, 220 I (= Rigsby 1996, Nr. 25), 5–7; IG XII 4, 1, 220 II (= Rigsby 1996, Nr. 26), 32; IG XII 4, 1, 220 III (= Rigsby 1996, Nr. 27), 48. 161 IG XII 4, 1, 221 I (= Rigsby 1996, Nr. 23). 162 Rigsby 1996, 134 f.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

dem zeitlichen Horizont von 242 zu erkennen seien.163 Die Anspielung auf eine Kriegssituation innerhalb der Inschrift bestätigt die Zuordnung an den Seleukiden, der sich 242 im 3. Syrischen Krieg gegen Ptolemaios III. sowie im Konflikt mit seinem Bruder Antiochos Hierax befand.164 In der Inschrift werden keine Details über den Vorgang des Asyliegesuchs erläutert. Der König wurde von Gesandten um die Asylieverleihung gebeten. Er verlieh die Asylie mit einer der ptolemäischen Anerkennung ähnlichen Formulierung: „παραδεχόμεθα δὲ καὶ τὴν ἀσυλίαν καθότι ὁ δῆμος ἠξίωσεν“ ‚wir erkennen ebenfalls die Unverletzlichkeit an, wie das Volk es erbat‘.165 Die Anzahl und Identifikation der Theoren sind nicht sicher. Zwar belobigt der König einen Theoros, Diogeitos, für sein Engagement, freilich darf daraus aber nicht geschlussfolgert werden, dass es keine weiteren Gesandten gab. In den nahezu vollständigen Inschriften von Ptolemaios III. und Ziaëlas von Bithynien werden typisch koische Dreiergesandtschaften benannt. Zwei weitere Königsinschriften sind bisher nicht sicher zugewiesen. Eine auf der Seite C eines Steins, der auch die Inschriften des Seleukos II. (B) und Antigonas Gonatas (A) enthält, gefundene sehr stark zerstörte Inschrift übermittelt wegen des desolaten Erhaltungszustandes keinerlei bei der Suche nach dem Urheber dienlichen Hinweise.166 Ein sehr unsicherer, aber bedenkenswerter Vorschlag ergibt aus dem städtischen Antwortdossier: Lediglich ein weiterer König wird innerhalb der Polisdokumente genannt; es handelt sich um Alexander II. von Epeiros,167 der in der Inschrift von Leukas sowohl zur Datierung herangezogen als auch als Patron der Asylieverleihung angeführt wird.168 Die leukadischen Formulierungen entsprechen recht genau denjenigen, die die makedonischen Poleis in Hinblick auf Antigonas Gonatas verwenden. Die Möglichkeit, dass in der stark fragmentarischen Königsinschrift von Kos ein Brief des zu seiner Zeit weithin bekannten molossichen Königs169 vorzufinden ist, scheint angesichgts der starken monarchischen Stellung der molossischen Könige170 nicht abwegig, allerdings auch nicht endgültig beweisbar. Über das Asyliegesuch der Koer lassen sich aus der Inschrift verständlicherweise keine Erkenntnisse gewinnen.

163 164 165 166 167

Rigsby 1996, 115 f.; vgl. ferner Kommentar zu IG XII 4, 1, 210. IG XII 4, 1, 210 (= Rigsby 1996, Nr. 9), 25–28; zur Chronologie vgl. CoŞkun 2016, 121 f. IG XII 4, 1, 210 (= Rigsby 1996, Nr. 9), 22–24. IG XII 4, 1, 211 (Anhang 1). Alexander II. lebte nach neueren Forschungen etwa bis 240 und ist nicht nicht zwischen 257 und 247 verstorben, vgl. Meyer 2013, 128–131; Dany 1999, 74–90; vgl. ferner Vollmer 1990, 35 f. mit Diskussion der Literatur; für die ältere Forschungsmeinung vgl. Cabanes 1976, 91–93; S. Funke 2000, 212. Leukas kam nach der Teilung Akarnaniens wohl in den 250er oder frühen 240er Jahren unter epeirotischen Einfluss, vgl. dazu Dany 1999, 74–90. 168 IG XII 4, 1, 220 V 66–68; 72. 169 Im 13. Felsenedikt des indischen Großkönigs Aśoka wird Alexander II. neben Antiochos II., Ptolemaios II., Antigonos Gonatas und Magas von Kyrene genannt, vgl. Schneider 1978. 170 Meyer 2013, 115.

3.3 Kos

101

Die Provenienz der zweiten bislang nicht verorteten königlichen Asylieinschrift171 ist bis in die jüngste Zeit stark umstritten. Es handelt sich die Asylieanerkennung eines unbekannten, vermutlich nichtgriechischen Herrschers172 in gemeingriechischer Sprache. Herzog vermutet wegen des geloischen Asyliedekrets auf der Rückseite Gelon, den Sohn Hierons II., als Urheber der Asylieverleihung.173 Allerdings zweifelt bereits Klaffenbach an seiner These und erkennt später, dass die Reihenfolge der Dekrete auf dem Stein keiner Logik folgt.174 Gegen diese Zuordnung sind zudem sprachliche Argumente anzubringen. Das Asyliedekret aus Gela175 ist in einem spezifisch geloischen Dorisch verfasst,176 während die betreffende königliche Anerkennung gemeingriechische Formen und Termini aufweist. Bereits die Roberts bringen mit einem Hinweis auf die offenbar nicht griechische Abstammung des Urhebers die Möglichkeit vor, einen Herrscher des „Bosphore Cimmérien“ als Absender anzunehmen.177 Diese Hypothese lässt sich gut mit dem Quellenmaterial vereinbaren. Zum einen sind aus dem Bosporanischen Reich bis weit in die römische Zeit viele griechische Inschriften unterschiedlicher Gattungen überliefert; unter diesen seien ob ihrer Relevanz für das Thema dieser Arbeit Verleihungen von Privilegien, wie der persönlichen Asylie, Atelie oder Proxenie besonders erwähnt.178 Die Sprache der Inschriften des Bosporanischen Reiches ist als Koinegriechisch zu beschreiben und weist die generellen Tendenzen der Sprache der jeweiligen Epoche auf.179 Bezüglich der epigraphischen Gepflogenheiten und sprachlichen Begebenheiten im Regnum Bosporanum läge eine königliche Asylieanerkennung also durchaus im Bereich des Erwartbaren. Bei der Entscheidung welchem bosporanischen Monarchen aus dem Geschlecht der Spartokiden die Asylieanerkennung aus Kos zuzurechnen ist, gilt es zwei Faktoren zu berücksichtigen. Zum einen scheint die Datierung des königlichen Schreibens in das Jahr 242 sicher, da es keinen Anlass gibt, den Brief vom restlichen Dossier zu trennen. Zum anderen sind die Regierungszeiten der Könige gerade im dritten Jahrhundert recht unsicher, da die Quellenlage sich wegen einer Reichskrise

171 IG XII 4, 1, 213 (= Rigsby 1996, Nr. 12). 172 In IG XII 4, 1, 213 (= Rigsby 1996, Nr. 12), 29–35, betont der König die Bereitschaft zur Freundschaft mit anderen Griechen. 173 Herzog/Klaffenbach 1952, 9 f. 174 Rigsby 1996, 123; Kommentar zu IG XII 4,1, 213. 175 IG XII 4, 1, 223 (= Rigsby 1996, Nr. 49). 176 Harlow 1972, 64–73. 177 J. und L. Robert 1953, 155–158. Es folgen Pippidi 1965, 322–224; Rigsby 1996, 123; Hallof im Kommentar zu IG XII 4,1, 213. Vgl. dagegen Buraselis 2004, 15, der vorschlägt auch andere kleinasiatische Monarchen als Urheber zu prüfen; sehr vorsichtig Michels 2009, 122 f. mit einer kappadokischen Option. 178 CIRB, Nr. 1–5. 179 CIRB, 797; zum Verhältnis des Griechischen zu indigenen Sprachen im kleinasiatischen Raum vgl. Brixhe 2010.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

nach dem Verlust des wichtigen Handelspartners Athen und Kelteneinfällen in der ersten Jahrhunderthälfte180 verschlechtert.181 Mit Müllers neuer Evaluierung und Rekonstruktion der Herrscherabfolge rückt für die späten 240er Jahre Spartokos IV., Sohn des 245 verstorbenen Pairisades II. in den Fokus.182 Die Informationen, die der Urheber der zuzuweisenden Asylieinschrift über die eigene Situation übermittelt, korrespondieren mit den ersten Regierungsjahren Spartokos’ IV.: Der König spricht den Kontaktausbau zu den Koern betreffend von einem dahingehenden Engagement seit seiner Regierungsübernahme und bezieht sich darüber hinaus auf Bemühungen seines Vaters ein positives Verhältnis mit den Koern aufzubauen.183 Des Weiteren betont der Herrscher, dass seine Situation ihm derzeit keine Festgesandtschaft nach Kos erlaube, er aber hoffe, das würde sich künftig anders darstellen.184 Die Konsolidierung seiner 245 Herrschaft blieb für Spartokos IV. wohl bis zur Ermordung durch die Hand seines Bruders Leukon 240 ein Problem.185 Zudem sind die grundsätzlichen Schwierigkeiten des Reiches im dritten Jahrhundert zu beachten, die erst mit einer Neuausrichtung der Handelsbeziehungen auf den ägäischen Raum in der zweiten Jahrhunderthälfte überwunden wurden.186 Diese strategische Reorganisation scheint unter Pairisades II. in den 250er Jahren begonnen, dessen Verhandlungen über Einflusssphären des Getreidehandels mit Ptolemaios II. 254/253 belegt sind.187 Ein letzter Punkt, der die Urheberschaft Spartokos’ IV. für die betreffende Inschrift wahrscheinlich macht, ist die die außergewöhnliche Formel der Asylieanerkennung. Der König hält fest: […] ἐγὼ δὲ καὶ ἡ ἀδελφ[[.]]ή μ[ου – – – καθὼς] καὶ οἱ ἡμέτεροι πολῖται τήν τε παρ᾿ [ὑμῶν ἐπαγγε]– ίαν γινομένην τῶι θεῶι καὶ τὴν ἀ[συλία]ν δεχ[ό]– μεθα […].188 Ich aber und meine Schwester – – – wie auch unsere Politen haben die von Euch gemachte Verkündung für den Gott und die Unverletzlichkeit anerkannt […].

Die Schwester des Königs und ‚seine‘ Politen erkennen also die Asylie mit an. Während für die Anerkennung der Asylie durch weitere Familienmitglieder, die nicht etwa offizielle Mitregenten waren, keine Parallele existiert, erinnert die Anerkennung der koischen Asylie durch die Bürger der Hauptstadt an die auf Empfehlung der Könige Antigonas Gonatas und Alexander II. von Epeiros erteilten Asylieanerkennungen der makedonischen Städte und Leukas’.189 Die Bezeichnung der 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189

Podossinov 2002, 11. von Bredow 2001, 836 f. Müller 2010, 70 f. IG XII 4, 1, 213 (= Rigsby 1996, Nr. 12), 12; 27. IG XII 4, 1, 213 (= Rigsby 1996, Nr. 12), 15–19. Müller 2010, 358. GajdukeviČ 1971, 90; Podossinov 2002, 11. GajdukeviČ 1971, 89. IG XII 4, 1, 213 (= Rigsby 1996, Nr. 12), 21–24. Buraselis 2004, 15, schlägt mit Bezug auf die Erwähnung der Politen vor, auch andere kleinasiatische Monarchen als Urheber zu prüfen.

3.3 Kos

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Politen als ‚seiner‘ und die vom Normaltypus abweichende Einbindung der städtischen Asyliegewährung in den königlichen Brief ohne eigenes Dekret – was angesichts der zahlreichen Fragmentaria und Incerta nicht als gänzlich gesichert gelten darf – könnte aus gewissen Unsicherheiten der gräzisierten Bosporaner im Umgang mit dem neuen Phänomen rühren. Andererseits stellt sich das Verhältnis zwischen den Königen des Regnum Bosporanum und Pantikapaion auch als ein besonderes dar – als das Reich im fünften Jahrhundert entstand und Pantikapaion zur Hauptstadt auserkoren wurde, konnte die milesische Kolonie bereits 100 bis 200 Jahre städtische Entwicklung vorweisen.190 Es liegt nicht fern, die Erhaltung eines gewissen Polisstatus Pantikapaions zumindest auf der formalen Ebene anzunehmen. Dafür spricht auch die Tatsache, dass das Geld weiterhin von der Stadt geprägt und eine monarchische Münzprägung nicht etabliert wurde.191 Die Annahme, die koische Asylieanerkennung stamme von Spartokos IV., liefert folglich eine schlüssige Erklärung für den ungewöhnlichen Ausdruck „ἡμέτεροι πολῖται“ der Inschrift. Denn obwohl im Bosporanischen Reich längst monarchisch regiert wird, scheinen dort bestimmte Züge der Polisautonomie zumindest der Form nach gewahrt. Eine Zuordnung des diskutierten königlichen Asyliebriefes im koischen Dossier an Spartokos IV. scheint also nach Beurteilung der gegenwärtigen Faktenlage überaus wahrscheinlich.192 Auch wenn die überaus ereignisreiche Periode kleinasiatischer Geschichte weitere Monarchen durchaus möglich scheinen lässt. Falls neue Königsbriefe zutage kämen, müsste man die Situation neu bewerten. Die vorliegende Inschrift jedenfalls offenbart eine starke Position der koischen Gesandten in Zusammenhang mit ihrem Gesuch nach Asylieverleihung und Anerkennung der Asklepieia. Der König sieht sich offenbar gezwungen, gewisse Zugeständnisse 190 Die vorspartokidische Geschichte des Regnum Bosporanum und seiner Städte im Einzelnen ist schwer rekonstruierbar und in der Forschung diskutiert; einen konzisen Abriss bietet Müller 2010, 23–66; vgl. auch Vasiljev 1992. 191 Podossinov 2002, 10. 192 Die Diskussion um das Vorliegen eines zweiten Asyliebriefes des Ziaëlas von Bithynien in dieser Inschrift wurde von Gabelko 2005, 209–215 angeregt. Der Autor datiert die Asylieanerkennung des Ziaëlas, IG XII 4, 1, 209 (= Rigsby 1996, Nr. 11), auf 246 hoch und betont, sie sei als solche von den Koern nicht intendiert. Die Argumente sind nicht stichhaltig und bedürfen an anderer Stelle einer genaueren Entgegnung; hier sei lediglich darauf verwiesen, dass der Sprachgebrauch hinsichtlich der mit Asylie zusammenhängenden Theorien noch nicht endgültig manifestiert war. Wichtige Punkte zum diplomatischen Sprachgebrauch der bithynischen Königskanzlei hat bereits Habicht 1972, Sp. 392 f. gesammelt. IG XII 4, 1, 213 (= Rigsby 1996, Nr. 12) sei nun die eigentliche Asylieanerkennung des Ziaëlas von Bithynien aus dem Jahre 242, nachdem der König seine Herrschaft konsolidiert hätte. Auch hier soll auf eine Diskussion der einzelnen Argumente verzichtet werden und stattdessen darauf verwiesen, dass die Identifikation des in der Inschrift zu Tage tretenden Königs auch nach Erwägung der schier fehlerhaften Kriterien von Gabelko weitaus voraussetzungsärmer mit dem Bosporaner Spartokos IV. von statten gehen kann. Eine doppelte Asylieverleihung durch einen Herrscher wäre eine völlige Ausnahme im koischen Asyliedossier und auch bezogen auf alle Dokumente zur territorialen Asylie ungewöhnlich. Zudem ist kaum vorstellbar, eine Asylieverleihung liefe ohne Gesuch ab und dies bliebe in dieser frühen Phase gänzlich unkommentiert. Ohne nennenswerte neue Argumente stützt Balachvanzev 2011 die Hypothese Gabelkos gegen den scheinbar übermächtigen Primat der Robertschen Bosporos-These.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

trotz der Prekarität seiner Lage zu machen. Darüber hinaus könnten die Bürger von Pantikapaion ebenfalls an den Verhandlungen partizipiert haben. Die königlichen Asylieanerkennungen aus dem koischen Dossier lassen also ein recht differenziertes Bild von Asyliegesuchen zu. Ein Gefälle zwischen König und asylieerbittender Polis ist nicht zwingend gegeben. Vielmehr scheint bisweilen das diplomatische Vorgehen der Koer ihre Position gegenüber den Regenten zu begünstigen. Vermutlich wurden alle Könige von Gesandten aufgesucht, über die Dauer und Ausgestaltung der Verhandlungen erfahren wir allerdings nur sehr wenig. Gemeinsame Opferhandlungen oder Festmahle bleiben aus. Auch Zuteilungen für den Unterhalt der Reisen oder die Festspiele werden in den erhaltenen königlichen Briefen nicht verzeichnet. Die Antworten differieren in Aufbau und Inhalt untereinander sowie von den Dekreten der Poleis, was deutlich individuellere Asyliegesuche der Koer an königliche Adressaten nahelegt. Insgesamt erweitern die Königsbriefe den geographischen Raum des Asyliegesuchs noch einmal, und zwar bis in den äußersten Zipfel der griechischen Oikumene am Schwarzen Meer, in Ägypten und Syrien. Zusammenfassend kann man in Bezug auf die älteste weithin überlieferte Bitte um territoriale Asylie festhalten, dass ein guter Teil der bewohnten Welt involviert – und damit auch bereist – wird. Von einer regionalen Netzwerkausrichtung kann also keine Rede sein, vielmehr werden in Rahmen von einzelnen Gesandtschaften verschiedene regionale Netzwerke193 für die Koer erschlossen, und zwar im Westen, in Festlandgriechenland bis hoch in den Norden, in der Ägäis, auf Kreta, an der kleinasiatischen Westküste bis hoch nach Thrakien, und über die Könige sogar im inneren Kleinasiens, im Schwarzmeergebiet und in Ägypten. Der große Kommunikationsraum der griechischen Oikumene wird auf diese Weise in viele kleinere zerteilt, was für die Koer den Vorteil der besseren Einbindung außerhalb des angestammten ägäischen Netzwerkes mit sich bringt und die Ergebnisse der Kommunikationen auf Dauer planbarer macht. d. Akraiphia, Heiligtum des Apollon Ptoios Aus den 220er Jahren stammen zwei in Form und Inhalt vergleichbare Asylieanerkennungen der Delphischen Amphiktyonie für boiotische Heiligtümer. Dabei handelt es sich um ein dem Apollon Ptoios geweihtes Bundesheiligtum des Boiotischen Bundes194 in Akraiphia und den thebanischen Dionysos-Kadmeios-Tempel. Die Datierung dieser Asylieanerkennungen lässt sich nicht mit letzter Sicherheit festlegen. Die von Rigsby vorgebrachten Argumente für die Jahre zwischen den delphischen Soteria 229/228 und 225/224195 lassen sich ob der Quellenlage kaum erweitern, so dass letztlich nur die recht spekulative Abwägung von Indizien bleibt. Der Mauerausbau in Akraiphia im dritten/zweiten Jahrhundert zeugt auch 193 Zur Netzwerktheorie bezogen auf die Entwicklung der griechischen Oikumene vgl. Malkin 2011; bezogen auf Poleis Vlassopoulos 2007. 194 Zum Boiotischen Bund vgl. Beck/Ganter 2015 mit ausführlicher Diskussion der Literatur; zur Geschichte Boiotiens vgl. Schachter 2016, bes. 133–148; Mackil 2013, 22–45; zur Topographie vgl. Farinetti 2009 mit Karten. 195 Rigsby 1996, 60–62.

3.3 Akraiphia

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aus archäologischer Perspektive von einer von vielen Unsicherheiten geprägten Zeit, die mehrere Gelegenheiten für die Anwendung der verschiedenen Verfahren zur Eindämmung von Gewalt böte. Wichtiger als die Festlegung innerhalb der Pentade scheint die Ähnlichkeit der Dokumente, die die unmittelbare zeitliche und logische Nähe der Asyliegesuche der Akraiphier und Thebaner bezeugt. Ob der Erfolg aus Akraiphia die Thebaner zum Asyliegesuch veranlasste oder umgekehrt, ist umstritten. Die weitreichende Gleichartigkeit der Dokumente, gerade in Anbetracht ihrer Besonderheit innerhalb der Gruppe der Urkunden territorialer Asylie lässt m. E. die dritte Option einer etwa gleichzeitigen Entstehung wahrscheinlich erscheinen. Die Asylieanerkennung der Delphischen Amphiktyonie gegenüber Akraiphia weicht strukturell wie inhaltlich von bis dato bekannten Mustern der Asyliedokumente ab. Statt einer Erläuterung des Asyliegesuchs fokussieren die Amphiktyonen auf die mit der Anerkennung verbundenen eigenen Zugeständnisse. Die am Beginn fragmentarische Inschrift setzt mit einer Verkündung des Festfriedens gegenüber den Festteilnehmern ein (Z. 1–4). Darauf folgt ein Verbot sie zu berauben (ῥυσιάζειν),196 was als Unrechtstat gegenüber der Amphiktyonie gelten soll (Z. 4–5). Unvermittelt und syntaktisch beigeordnet schließt die Asylieanerkennung an: εἶναι δὲ καὶ ἄσυλον τὸ ἱερὸν τοῦ Ἀπόλλωνος τοῦ Πτωΐου τὸ ἐν Ἀκραιφίοις, ὡς ἂν αἱ στῆλαι ὀρίζωσι, καθάπερ τὸ ἐν Δελφοῖς· τὴν δὲ λοιπὴν χώραν τὴν ἱερὰν τοῦ Ἀπόλλωνος τοῦ Πτωΐου μὴ ἀδικεῖν μηδένα· ἐὰν δέ τις ἀδικῆι, ὑπόδικος ἔστω ἐν Ἀμφικτύοσιν.197 Das Heiligtum des Apollon Ptoios in Akraiphia sei unverletzlich, wie die Grenzsteine bestimmen, wie auch das in Delphi. Dem übrigen heiligen Land des Apollon Ptoios soll niemand Unrecht tun. Wenn jemand [dem Land] Unrecht tut, soll er gegenüber den Amphiktyonen schuldig sein.

Das Temenos des Heiligtums soll folglich primär als Geltungsbereich der Asylie fungieren, aber auch die übrigen Besitzungen des Heiligtums werden in den Schutz einbezogen. Referenzpunkt des Schutzes ist das Apollonheiligtum in Delphi. Bestimmungen über die Strafverfolgung bilden den nächsten Teil der Inschrift (Z. 9–16). Daran schließt sich die Anordnung zur Publikation im delphischen Apollontempel, im Ptoion in Akraiphia sowie im Heiligtum der Demeter Amphiktyonis bei den Thermopylen (Z. 16–21) und die Strafe für Gegenhand-lungen zur Ekecheiria und Asphalie der Festbesucher wie Asylie des Tempels samt seiner Besitzungen an. Die Strafzahlung erweist sich mit 2000 Stateren als eine hohe Summe, die dem Tempel zu Gute kommen soll. Die Hieromnemones der Delphischen Amphiktyonie sollen das Dogma in ihren Heimatstädten verbreiten (Z. 24–26). Die Sicherheit und Durchführung der Festspiele steht in der Inschrift deutlich im Vordergrund. Die Asylieanerkennung wirkt wie eine von mehreren Maßnahmen die zu diesem Zweck ergriffen werden. Eine Initiative oder ein Asyliegesuch der 196 ῥυσιάζειν ist ein häufiges Synonym zu συλᾶν, s. 34. 197 Rigsby 1996, Nr. 3.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

Akraiphier ist nicht erkennbar; vielmehr treiben die Amphiktyonen die Handlung voran. Sie beauftragen ein Orakel des Trophonios in Lebadeia, das unter Bezug auf die Weihung Akraiphias dem Apollon Ptoios ebenfalls verbietet, den Bewohnern Unrecht zu tun.198 Auch der Vergleich des Apollonions in Akraiphia mit dem in Delphi, der sicher auch eine ehrende Komponente enthält, weist in eine ähnliche Richtung. Denn die Unverletzlichkeit Delphis oder des Apollonheiligtums wurde von Griechen nie verkündet, nichtsdestotrotz hatte der wohl berühmteste Orakeltempel der antiken Welt eine besondere aus der sakralen Geltung schöpfende Unverletzlichkeit inne.199 Das traditionell konzipierte Muster sakraler Unverletzlichkeit Delphis wird sodann im Amphiktyonenbeschluss als Erklärung für die territoriale Asylie herangezogen sowie mit den ebenfalls schon etablierten Modellen des Festfriedens und der Asphalie der Festteilnehmer kombiniert. Die Asylieanerkennung der Delphischen Amphiktyonie an Akraiphia kann somit nicht als Reaktion auf ein städtisches Asyliegesuch des koischen Typs gedeutet werden. Vielmehr scheinen die in der Inschrift dokomentierten Vorgänge archaischer; es wird auf traditionelle Muster der persönlichen Asylie, der die Sicherheit der Festspielteilnehmer sowie der sicherheitsgebenden Funktion sakraler Bereiche fokussiert, aber zugleich das für Asylieverleihungen übliche Formular verwendet. Kumulativ betrachtet scheint in der amphyktionischen Asylieanerkennung für das Ptoion in Akraiphia eine Misch- oder Übergangsform zwischen traditionellem Konzept sakraler Sphäre und der territorialen Asylie vorzuliegen. e. Theben, Heiligtum des Dionysos Kadmeios Wie bereits in Zusammenhang mit der Asylie des Apollon Ptoios Heiligtums in Akraiphia skizziert, wird die Asylie des Heiligtums des Dionysos Kadmeios in Theben im Zeitraum zwischen 229/228 und 225/224 durch die Delphische Amphiktyonie anerkannt. Die starke Ähnlichkeit der Dokumente setzt eine gemeinsame oder zeitnahe Entstehung der delphischen Asylieverleihungen an beide Heiligtümer voraus. Thebens Lage im letzten Drittel des dritten Jahrhundert – auch wenn Theben zu den ältesten und prominentesten Orten Griechenlands gehört – war keineswegs so gestaltet, dass zwingend von einem Primat der Asylieanerkennung der Delphischen Amphiktyonie an Theben vor Akraiphia ausgegangen werden muss. Die thebanische Inschrift200 wurde im Gegensatz zu der akraiphischen gebrochen in fünf Fragmente in Delphi gefunden. Der Text ist in eine kurze Dekretgruppe eingegliedert: Eine erste Inschrift A widmet sich nach einer ausführlichen Datierungsformel (Z. 1–5) dem Beschluss der Wiederaufzeichnung der dem Heiligtum des Dionysos Kadmeios in Theben in früherer Zeit gewährten Ehrungen (Z. 5–10). Darauf folgen die Dekrete B und C. Bei Dekret B handelt es sich um das mit der Urkunde aus Akraiphia vergleichbare Dokument. Der Text verzeichnet eine 198 Rigsby 1996, Nr. 3, 3 f. 199 Rigsby 1996, 44–49. S. dazu 68–72. 200 Rigsby 1996, Nr. 4.

3.3 Theben

107

kurze Datierungsformel (Z. 10) und den Beschluss über eine zeitlich auf fünf Tage für An- und Abreise sowie die Zeit der Anwesenheit in Theben begrenzte Asphalie und Asylie der zum Opfer und Agon des Dionysos anreisenden isthmischen Techniten201 (Z. 10–20). Es wird also eine summarische Verleihung persönlicher Asylie an die Gruppe der Festbesucher, die als isthmische Techniten definiert sind, ausgesprochen. Diese Angabe wird durch ein Verbot des ἄγειν und ῥυσιάζειν unter Androhung der Strafverfolgung durch die Amphiktyonie komplettiert (Z. 20–21). Unmittelbar wird die Erklärung des Heiligtums des Dionysos Kadmeios für unverletzlich angeschlossen, und zwar mit einem Vergleich zum Apollonion in Delphi (Z. 21–22). Erklärungen zu einem Asyliegesuch oder jedwede weitere Aussagen zum Prozedere der Asylieanerkennung fehlen. Darüber hinaus wird der Festfrieden für Thebaner und Techniten ausgerufen, Agonotheten bestimmt (Z. 23–26) und Publikationsbestimmungen festgesetzt. Die Stele soll – wie aufgefunden – in Delphi, im Apollonheiligtum, sowie in Theben, im Sekon der Semele, aufgehängt werden. In Dekret C werden Bestimmungen für den Fall zusammengetragen, dass ein Artist von der Teilnahme am Wettbewerb absieht. Nach einer kurzen Datierungsformel (Z. 29) wird eine für die Asylieanerkennung des Heiligtums relevante Begründung für die zusätzlichen Bestimmungen vorgetragen: ἐπειδὴ ἁ πόλις τῶν Θηβαίων κα[ὶ οἱ τεχνῖται οἱ εἰς] Ἰσθμὸν καὶ Νεμέαν συντελοῦντες παρεκάλεσαν τοὺς Ἀμφικτίονας τό τε [ἱε]ρὸν [τοῦ Διονύσου] ἄσυλον ποιῆσαι καὶ ἐπιμέλειαν ποιήσασθαι τᾶς ἀ[σ]φαλείας καὶ τοῦ ἀγῶ[ν]ος· […] Weil die Polis der Thebaner und die Isthmischen und Nemeischen Techniten die Amphiktyonen gefragt haben, das Heiligtum des Dionysos unverletzlich zu machen und Fürsorge für die Sicherheit des Wettbewerbs zu tragen […]

Das Dekret C bestätigt also, dass es ein Asyliegesuch der Thebaner gegeben hat. Allerdings wird die Initiative der Stadt Theben nicht näher begründet, sondern auf die Anerkennung Delphis fokussiert. In eine ähnliche Richtung weist auch die folgende Passage, die veranschaulicht, dass der designierte Festbesucher bei verweigerter Teilnahme im thebanischen Agon der Asylie enthoben wird und zur Festsetzung der Strafe von allen Bürgern der zur Amphiktyonie gehörenden Poleis festgehalten werden kann (Z. 33–39). Die Delphische Amphiktyonie geriert sich in Inschrift C als Unterstützer bei der Durchsetzung ureigener thebanischer Ansprüche, was ein für Theben nachteiliges Machtgefälle suggeriert. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Anerkennung der Asylie des Dionysos Kadmeios Tempels in Theben durch die Delphische Amphiktyonie durchaus vom üblichen Typus hellenistischer Asylieverleihungen abweicht. Gerade die gleichzeitige Anerkennung der Asylie der dionysischen Techniten ist außergewöhnlich und geht über die Anerkennung des Festfriedens im Falle der akraiphischen Festspiele hinaus. Es wird zwar deutlich, dass es eine Gesandtschaft der Thebaner mit der Bitte um Asylieverleihung gab, aber die Anerkennung berichtet keinerlei Motive der Thebaner. Auch Verköstigung, ein gemeinsames Opfer, Geschenke oder eine Ehrung der Gesandten werden nicht genannt. 201 Vgl. dazu Aneziri 2003, 51–70.

108

3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

Auch in dieser Inschrift scheint es sich um eine gewisse Misch- oder Übergangsform zwischen traditionellem Konzept der Unverletzlichkeit sakraler Räume und territorialer Asylie zu handeln. f. Lusi Die einzige verhältnismäßig sichere Erwähnung der Anerkennung territorialer Asylie in einer literarischen Quelle bildet Polybios’ Bericht von der Plünderung des Artemis-Hemera-Heiligtums in der Chora der kleinen nordarkadischen Polis Lusi vor 220/219. Polybios beschreibt die Situation wie folgt. Im Rahmen des Bundesgenossenkriegs hätten die Aitoler Raubzüge unternommen. Er schreibt, ein typisches Vorgehen der Aitoler da diese zur üblichen Konfliktregulation der Griechen nicht fähig seien.202 Die Aitoler seien wegen Auseinandersetzungen um die Polis Kynaitha gerufen worden, hätten die Stadt geplündert und seien weiter nach Lusi gezogen: καὶ παραγενόμενοι πρὸς τὸ τῆς Ἀρτέμιδος ἱερόν, ὃ κεῖται μὲν μεταξὺ Κλείτορος καὶ Κυναίθης, ἄσυλον δὲ νενόμισται παρὰ τοῖς Ἕλλησιν, ἀνετείνοντο διαρπάσειν τὰ θρέμματα τῆς θεοῦ καὶ τἄλλα τὰ περὶ τὸν ναόν.203 Beim Artemistempel angekommen, der zwischen Kleitor und Kynaitha liegt und der von den Griechen unverletzlich genannt wurde, drohten sie die Herden der Göttin und die anderen Dinge beim Tempel zu rauben.

Auch in dieser Passage ist Polybios’ Abwertung des Verhaltens der Aitoler wenig verklauseliert. Als sei Hierosylie nicht frevelhaft genug, betont er, dass es sich um einen Tempel mit proklamierten Asyliestatus handelt. Die Formulierung „ἄσυλον δὲ νενόμισται παρὰ τοῖς Ἕλλησιν“ spielt vermutlich auf den Vorgang der Anerkennung der Asylie durch Poleis und/oder Bünde an. Gerade die Wahl des Perfekts als Verbaltempus zur Beschreibung der Asylieanerkennung verdeutlicht, dass es sich dabei um einen in der Vergangenheit liegenden Vorgang von resultativem Charakter, also mit Auswirkung auf die Gegenwart handelt, während in diesem Bericht gewöhnlich der Aorist und häufiger noch das Imperfekt das Erzähltempus darstellt. Elisa Bugin hat jüngst eine neue Interpretation dieser Polybios-Stelle in Gegenüberstellung mit einer bekannten fragmentarischen Inschrift, in der die Aitoler den Lusiaten ein sicherheitsversprechendes Privileg gewähren, vorgelegt.204 Die Inschrift ist stark gebrochen und lautet:

5

202 203 204 205

[– – – – – – – – – – Δόγμ]α Αἰτωλῶν· Λουσιά[ταις εἶμεν ἀσυ][λίαν καὶ μὴ ἄγεσθαι] μηδὲ ὑφ’ ἑνὸς Αἰτω[λῶν μηδὲ τῶν ἐν] [Αἰτωλίαι κατοικ]ούντων μήτε αὐ[τοὺς μήτε χρήματα·] [Εἰ δὲ τίς κα ἄγηι] ἢ Αἰτωλὸς ἢ [τῶν ἐν Αἰτωλίαι κατ][οικούντων Λουσιά]ταν ἢ τ[ὰ χρήματα αὐτοῦ – – –] – – – – – – – – – – – – – –ΝΤΟ̣– – – – – – – – – – – – – – – –205 Pol. 4, 16, 2–4. Pol. 4, 18, 10; ähnlich ist Pol. 4, 25, 4. Bugin 2010. IG IX 12, 135; Vgl. ferner Antonetti/Funke 2018, Nr. 3.

3.3 Lusi

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Beschluss der Aitoler: Die Lusiaten sollen die Asylie? haben und nicht dem Raub ausgesetzt sein seitens der Aitoler oder derjenigen, die in Aitolien wohnen, weder sie selbst noch ihr Besitz. Wenn jemand von den Aitolern oder denjenigen, die in Aitolien wohnen, sich entweder an Besitz oder Leben der Lusiaten bemächtigt […].

Es wird also ein Privileg verliehen, das durch ein ἄγειν-Verbot unterstrichen werden soll. Da die Bezeichnung des Privilegs verloren und dem Inhalt nach ergänzt ist, ist die Annahme der Asylie keinesfalls sicher. Auch Asphalie wäre denkbar.206 Für Asylie spricht, dass die Aitoler seit klassischer Zeit vielfach persönliche Asylie verliehen haben und zudem gerade aus der betreffenden Zeit nicht wenige Zeugnisse territorialer Asylie aitolischer Provenienz bekannt sind, die sich in Form und Inhalt als vergleichbar erweisen. Darüber hinaus ist eine Asylieanerkennung seitens der Lusiaten für Magnesia am Mäander belegt, so dass zumindest generelle Bekanntschaft mit dem Phänomen anzunehmen ist.207 Bugin postuliert nun, die Inschrift spiegele eine Gruppenverleihung persönlicher Asylie an die Bürger von Lusi. Ihre Hauptargumente sind dabei das Fehlen von Münzen, die eine Asylie der Polis oder des Heiligtums belegten208 sowie die Verwendung verschiedener Termini zur Kennzeichnung der aitolischen Untaten in der Region in der zitierten Polybiosstelle. Sie formuliert, auf die Kynaither sei διαρπάζειν ‚plündern‘ und auf die Kleitorier πολιορκεῖν ‚belagern‘ bezogen, während im Falle der Lusiaten συλᾶν mit Bezug zum Tempel verwendet sei. Dies deute auf unterschiedliche Schweregrade von Gewalt hin – während die Kynaither und Kleitorier persönlich in Mitleidenschaft gezogen wurden, hätten die Lusiaten keine Gewalt im privaten Raum erlebt.209 Diese Argumentation erweist sich als schwierig. Zum einen sind Münzen mit Asyliebezug vor dem ersten Jahrhundert zumindest äußerst selten; zum anderen bezeichnet συλᾶν gerade auch gewaltsame Handlungen der Selbsthilfe.210 Auch die Schlussfolgerung, nicht die Bürger von Lusi hätten Verluste erlitten sondern lediglich das Heiligtum der Artemis Hemera, mutet in Hinblick auf die Finanzierungsquellen griechischer Polisheiligtümer seltsam an. Deutlich voraussetzungsärmer könnte Polybios’ zweifaches Betonen des Ausraubens des Heiligtums in Lusi als Indiz für den in besonderer Weise unverletzlichen Status dieses Heiligtums angebracht werden. Ähnliche Fälle sind bekannt: so wurde etwa das nach epigraphischer Überlieferung in den 260er Jahren für unverletzlich erklärte Itonium von Koroneia nach Polybios in der Folgezeit geplündert211 und Antiocheia-Alabanda von Philipp V. mit der Erklärung, Not kenne kein Gebot, sogar kurz nach der Asylieanerkennung ausgeraubt.212 Auf diese Weise lässt sich die Asylieanerkennung für das Artemision in Lusi aus der Polybiosstelle gut ableiten. Polybiosʼ summarische Benennung der Hellenen als Asylieverleiher erlaubt allerdings keinerlei Aufschluss über die Ausrichtung 206 207 208 209 210 211 212

Rigsby 1996, 92 mit Beispielen. Rigsby 1996, Nr. 88. Bugin 2010, 402. Bugin 2010, 405. Zum συλᾶν, s. 32–38. Pol. 4, 25. Pol. 16, 24, 8.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

des Gesuchs. Wenn aber in der präsentierten Inschrift ein epigraphischer Beleg der Asylieanerkennung zu finden ist,213 der zudem die Aitoler als Urheber angibt, wäre durchaus ein Argument für einen etwas weiteren Adressatenkreis des Gesuchs gewonnen: Hätten lediglich die Aitoler die Asylie gewährt und diese gebrochen, hätte Polybios dieser Tatsache sicher auch Raum gegeben. Zum Verlauf des Gesuchs oder dem Verhältnis zwischen den Interaktionspartnern können auf Grund der Quellenlage allerdings keine Spekulationen angestellt werden. g. Kalchedon, Heiligtum des Apollon Pythaios und die Polis im Namen des Apollon Chresterios Aus Kalchedon sind zwei Serien von Asylieanerkennungen belegt, die darüber hinaus in Zusammenhang mit zwei verschiedenen Apollonheiligtümern stehen. Somit gehört Kalchedon zu den wenigen Poleis, die im Laufe der Zeit mehr als eine Asylieanerkennung214 und zudem mit Bezug auf mehr als ein Heiligtum215 erhalten hat. Dabei handelt es sich um die Anerkennung der Asylie des außerhalb der Stadt gelegenen Tempels des Apollon Pythaios durch Delphi216 und die Asylie der Stadt im Namen des Apollon Chresterios, die von Phokaia und Tenedos anerkannt wurde.217 Nach Buchstabenformen ist die delphische Anerkennung dem letzten Drittel des dritten Jahrhundert zuzuordnen, während die Inschriften aus Phokaia und Tenedos um 200 entstanden sind.218 Wegen der ungewöhnlichen Beleglage wurde in der Forschung heftig um die Deutung der Dokumente debattiert.219 Die Probleme ergeben sich einerseits aus zeitlichen Distanz zwischen den Inschriften, andererseits aus der Tatsache, dass unterschiedliche Dinge – die Asylie des Tempels und seiner Chora im ersten und die Asylie der Polis im zweiten Fall – im Namen verschiedener Götter anerkannt werden. Eine befriedigende konsistenzerzeugende Lösung für alle drei Problemkomplexe wurde bislang nicht vorgelegt und scheint auch wenig wahrscheinlich. Voraussetzungsärmer lässt sich die Diversität der Bezeugungen aus der Verschiedenheit der Hintergründe erklären. Dann hätten die Kalchedonier zuerst die Asylie für ihr extraurbanes Apollon-Pythaios-Heiligtum beantragt und im Folgenden das Erfolgskonzept noch einmal – unter Umständen wegen einer vergleichbar unsicheren Lage – auf ihre Stadt beziehen wollen.

213 Auch falls die zitierte Inschrift nur eine kollektive Verleihung persönlicher Asylie seitens der Aitoler enthielte, wäre dies kein Gegenbeleg für eine territoriale Asylie Lusis. Auch für Milet ist ein reguläres Asyliegesuch und eine persönliche Asylieverleihung en groupe seitens der Aitoler anzunehmen, s. 131–135. 214 Im Falle von Tenos und Magnesia am Mäander scheint es ebenfalls wiederholte Asylieverleihungen gegeben zu haben. 215 Pergamon und Stratonikeia erhalten die Asylie ebenfalls für je zwei verschiedene Heiligtümer. 216 Rigsby 1996, Nr. 62. 217 Rigsby 1996, Nr. 63; Nr. 64. 218 Rigsby 1996, 166. 219 Vgl. Rigsby, 1996, 165 mit Zusammenfassung der Diskussion.

3.3 Kalchedon

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Die erste Anerkennung stammt aus Delphi, und zwar aus der Polis. Gerade die Tatsache, dass das einzige Dekret dieser Serie eben nicht von der Amphiktyonie stammt, könnte ein Anzeichen für ein allgemeines Gesuch der Kalchedonier um Asylie sein, da die Dekrete der Amphiktyonie stets eine gewisse Sonderstellung einnehmen. Andererseits bietet die Struktur des erhaltenen Stücks Hinweise auf einen Aufbau gemäß dem häufigen Beschlussformular: 1

5

––––––––––– [– – – – –]ION εἶμεν· ἀγαθ̣ᾶ[̣ ι τύχαι]· [δεδ]όχθαι τᾶι πόλι τῶν Δελφῶ[ν] τ̣ὸ ἱερὸν τοῦ Ἀπόλλωνος το[ῦ] Πυθαίου τὸ ἐν τᾶι Καλχαδονίαι ἄσυλον καὶ φύκτιμον εἶ̣μεν ἀπὸ πάντων, ὧι ταὶ στάλαι ὁρίζοντι κατὰ τὰν τοῦ θεοῦ μαντείαν· […]220 … soll [zufluchtsgewährend?] sein. Zu Glück und Heil! Möge die Stadt der Delphier beschließen, dass das Heiligtum des Apollon Pythaios, das in Kalchedonien, unverletzlich und zufluchtsgewährend sei seitens aller, im Umkreis der Grenzsteine nach dem Orakel des Gottes […].

Vor dem scharnierhaften δεδόχθαι sind die Reste eines Substantivs im Akkusativ in der Verbindung mit εἶμεν zu lesen. Nach δεδόχθαι folgt die Anerkennung der Asylie und eventueller weiterer Privilegien, in diesem Fall der Betonung der Möglichkeit als Zufluchtsstätte zu fungieren.221 Das Adjektiv φύκτιμος ist laut Liddel und Scott ein hapax legomenon,222 im epigraphischen Material lässt sich das Wort jedoch ein weiteres Mal auf einem schwer datierbaren Grenzstein ebenfalls in Delphi belegen.223 Das Wort ist nah verwandt mit φύξιμος, das in hellenistischer Zeit gehäuft zu φύξιμον sunstantiviert als terminus technicus für eine Zufluchtsstätte auftritt.224 Die Betonung, dass ein Heiligtum Flüchtlinge anzunehmen vermag, ist ungewöhnlich und hat in hellenistischen Asylieverleihungen keine Parallele.225 Zusammen mit der Erwähnung der Grenzsteine könnte man diese Tatsache jedoch als Unterstreichung des schutzgewährenden Charakters der Asylieanerkennung interpretieren, die in unsicheren Zeiten – der antiseleukidischen Allianzen – von den Kalchedoniern als nötig empfunden wurde. In diesem Zusammenhang hätten sie ein Orakel eingeholt und ein Asyliegesuch verbreitet, das lediglich in einer Anerkennung bezeugt blieb. Die zweite Serie von Asylieanerkennungen lässt sich nach Buchstabenformen um die Jahrhundertwende vom dritten zum zweiten Jahrhundert ansetzen. Die vielfachen Konflikte der Zeit, die zu wankenden Machtverhältnissen in der hellenisti220 221 222 223 224 225

Rigsby 1996, Nr. 62. Colins Ergänzung [φύκτι]μ̣ον legt dieselbe Interpretation nahe: FD III 4, 372, 1. Liddel/Scott, s. v. φύκτιμος. FD III 4, 512. S. 30–32. Ein mit Asylie ausgestattetes Heiligtum in Sardeis wird von Caesar auch als φύξιμον bezeichnet, Rigsby 1996, Nr. 214, 48.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

schen Welt im Allgemeinen führten, und die Tatsache, dass das westliche Kleinasien durchaus eine Bühne dieser Ereignisse bildete, liefern nicht wenige Anlässe, eine gewisse Absicherung des eigenen Territoriums mit Bezug auf ein vorangegangenes Privileg anzustreben. Erinnert sei an dieser Stelle an die Auseinandersetzungen zwischen Philipp V. und den Aitolern, zu deren im Ausbau begriffenen Bündnis die Kalchedonier gehörten;226 dem König und den Römern sowie Attaliden, ferner im letzten Jahrzehnt des dritten Jahrhunderts mit Rhodos; auch Antiochos’ III. Eroberungszüge und der schwindende Einfluss Ptolemaios’ III. in der Region um die Jahrhundertwende sind zu bedenken und nicht zuletzt der daraus resultierende 2. Makedonischen Krieg.227 Für die These wachsender Unsicherheit im westkleinasiatischen Raum spricht auch die Tatsache, dass viele der erhaltenen Anerkennungen aus kleinasiatischen, dem Meer zugewandten Poleis stammen, die angesichts der schwierigen Lage ebenfalls um Absicherung der Interessenssphären bemüht gewesen sein müssen. Dass es ein neuerliches Gesuch gab, ist über die Erwähnung von Gesandten dokumentiert.228 Der Verlauf der Asyliebitte lässt sich sogar weiter rekonstruieren. Die Gesandten haben ihre Bitte um Asylie mit Hilfe eines kalchedonischen Psephismas vor Rat und der Volksversammlung der jeweiligen Polis vorgetragen, was durch Erwähnung in den erhaltenen Dokumenten und große Ähnlichkeit in Wortlaut wie Argumentationsstruktur beider Dekrete gesichert ist.229 Dieses planvolle Vorgehen, zu dem auch die Einholung eines Orakels gehörte, verweist auf ein weitgespanntes anvisiertes Asylienetzwerk, da regionale Anerkennungen sicher weniger aufwendig gestaltet werden konnten. Die Asylieanerkennung verzeichnet, Apollon Chresterios hätte Kalchedon als seine Stadt angesprochen und sie für heilig und unverletzlich erklärt.230 Dies wird sodann von beiden Poleis anerkannt.231 Diese Form der Asyliebitte und Asylieanerkennung weicht durchaus etwas von der des typischen Beschlussformulars ab, was mit der außergewöhnlichen Situation eines wiederholten Asyliegesuchs zusammenhängen könnte. Insgesamt stellt sich die Situation so dar, dass die Kalchedonier in beiden Fällen bewusst um Asylie ersucht haben. Der Horizont dieser Asyliegesuche orientierte sich vermutlich an der allgemeinen politischen Situation und war nicht regional. Die Asyliebitte scheint im Rahmen der ersten Serie eine Art sakrale Schutzzone unterstützt zu haben, die im zweiten Versuch über die Wahl eines innerstädtischen Heiligtums auf die Stadt ausgebreitet wurde.

226 Vgl. Funke 2008; Funke 2000, 515 f. 227 Zur historischen Situation vgl. Funke 2000; Ma 1999, 74–82; Dreyer 2007, 101–111; Koehn 2007, 151–168; Scherberich 2009, 164–173. Eine Quellensammlung zum angeblichen Vertrag zwischen Philipp V. und Antiochos III. über die Aufteilung des Ptolemäerreiches liefert StV III 547. 228 Rigsby 1996, Nr. 63, 3 f., im Plural; Rigsby 1996, Nr. 64, 4, im Singular. 229 Rigsby 1996, Nr. 63, 10; Nr. 64, 10 f. 230 Rigsby 1996, Nr. 63, 6 f.; Nr. 64, 6 f. 231 Rigsby 1996, Nr. 63, 9; Nr. 64, 9.

3.3 Magnesia am Mäander

113

h. Magnesia am Mäander Aus Magnesia am Mäander sind epigraphische Asylieanerkennungen aus der gesamten griechischen Oikumene überliefert, die zwei Gesuchen in den Jahren 221 und 208 zuzuordnen sind. Zudem ist eine römische Anerkennung aus dem frühen zweiten Jahrhundert literarisch belegt.232 Die Verkündung der Epiphanie der Artemis Leukophryene im Jahre 208 bildet einen wichtigen Kulminationspunkt der Konkurrenz mit Milet, dessen erfolgreiches Asyliegesuch aus vorletzten Dekade des dritten Jahrhunderts möglicherweise den Anstoß für erneute Bemühungen der Magnesier gab.233 Diese Rivalität Magnesias zu Milet erreichte die Klimax in einem Krieg der beiden Städte, den ein Friedensvertrag234 vermutlich aus dem Jahre 196 belegt.235 Das etwa 203 und möglicherweise gar von einer Hand verschriftlichte236 Asyliedossier Magnesias besteht neben den über 60 Asylieanerkennungen aus der sogenannten Stiftungsurkunde der Leukophryene, die sowohl über die Geschichte als auch über das Prozedere der magnesischen Asyliegesuche informiert. Darüber hinaus ist ein Pseudo-Beschluss des kretischen Koinons im Rahmen dieses Dossiers publiziert, der eine tiefe historische Verortung der Polis suggeriert.237 Die zuerst von Otto Kern edierte Stiftungsurkunde238 wurde in den 1980er Jahren von Joachim Ebert überarbeitet239 und in dieser Form auch von Rigsby in sein Corpus der Asylieurkunden übernommen.240 Auch wenn manche Restitutionen Eberts historische Probleme offen lassen, wurde der Text über längere Zeit nicht wesentlich modifiziert. In jüngerer Zeit wurden zwei neue Ergänzungsvorschläge vorgebracht, die das Verständnis der historischen Abläufe in Zusammenhang mit der magnesischen Asylieanerkennung und der Erhöhung des Status der Festspiele zu einem Kranzagon maßgeblich verbessern.241

232 Tac. ann. 3, 62. 233 Vgl. dazu Rigsby 1996, 184. Thonemann 2007, 155–157; 160; so auch van Nijf/Williamson 2016, 46; vgl. ferner Knäpper 2018 (im Druck). 234 Milet I 3, 148. 235 Zur herkömmlichen Datierung auf das Jahr 196 s. den Kommentar zu Milet I 3, 148; vgl. ferner Herrmann 2016, 277. Errington 1989 datiert die Inschrift unter Bezug auf die Funktion des Vertrages zwischen Milet und Herakleia (Milet I 3, 50) als terminus post quem in die zweite Pentade der 180er Jahre; so auch Rigsby 1996, 184; Chaniotis 1996, 284 f. Wörrle 2004 entkräftet die Argumentation Erringtons mit Rückbezug auf die Quellen. Entscheidend scheint sein Einwand, dass die Ereignisse nach dem Frieden von Apameia 188 Milets Verfügung über Myus bereits voraussetzen; so auch Thonemann 2007, 160. 236 Chaniotis 1999, 59; I.Magnesia, S. 12. 237 I.Magnesia 20; Zur magnesischen Geschichtsdarstellung vgl. Biagetti 2010; zur Interpretation der inschriftlichen Darstellung von Geschichte vgl. Gehrke 2001, 287–297; Gehrke 2010, 28 f.; Sumi 2004; zur Logik hinter der Publikation von Asyliedossiers vgl. Ma 2003, 19 f.; van Nijf/Williamson 2016, 47 f. 238 Kern 1894. 239 Ebert 1982. 240 Rigsby 1996, Nr. 66. 241 Slater/Summa 2006; Thonemann 2007.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

Vor der Erläuterung dieser neuen Zugänge seien wenige Sätze zur allgemeinen Einordnung der Inschrift unter Auslassung der strittigen Punkte erlaubt. Die Inschrift weist zwei zeitliche Ebenen auf. Die erste lässt sich über eine exzeptionell lange Datierungsformel unter Verwendung von vier Angaben – der des Stephanophoros aus Magnesia, der des archon eponymos aus Athen, der eines Pythiensiegers und der eines olympischen Jahres – sicher auf das Jahr 221 datieren (Z. 11–16). Zu diesem Zeitpunkt sind eine Epiphanie der Göttin und ein anschließendes Orakel des pythischen Apollon zu verorten (Z. 1–11), die ein Asyliegesuch wie eine Privilegierung des Agons nahelegen (Z. 16–24). Nach Aussage der Inschrift scheitert jedoch eine Umsetzung des Orakels und wird erst 208, im 14. Jahr danach, wiederum zusätzlich zu dieser Angabe über einen Stephanophoren datiert, erfolgreich durchgeführt (Z. 24–33). Zu diesem Zweck entsenden die Magnesier Gesandte zu den Königen, Poleis und Bünden (Z. 30 f.). William J. Slater und Daniela Summa haben nach Autopsie des Steins nun neue Ergänzungsvorschläge eingebracht, die die Vorgehensweise bei der Erhöhung zum Kranzagon verständlicher machen. Sie formulieren, dass bereits 221 und nicht erst in einem zweiten Schritt 208 die Umformung in einen Kranzagon postuliert worden sei und ersetzen die Ergänzung Eberts [ἀργυρί]την in Z. 16 wieder mit Kerns altem Vorschlag [στεφανί]την. Die Autoren setzen sich damit von der Idee Eberts ab, die Magnesier hätten eine stufenweise Heraufsetzung des Agons erreichen wollen, von einem Geldagon 221 ([ἀργυρί]την, Z. 16) zu einem Kranzagon 208 ([στεφανί]την, Z. 23) sowie von einem asiatischen (πρῶτ[ον] … τὴν Ἀσίαν, Z. 16 f.) zu einem panhellenischen.242 Sie betonen zudem, dass der übliche Weg einen Agon statusmäßig zu erhöhen, die Einholung von Orakeln erforderte und kommen zu dem Schluss, dass der Wunsch der Magnesier ihre Festspiele zum Kranzagon zu erklären, bereits 221 handlungstreibend war.243 Das Orakel hätte die Magnesier allerdings nur zur Offerte einer Statusänderung ihrer Festspiele berechtigt,244 die einer Anerkennung durch die teilnahmewilligen Poleis bedurfte, da diese im Gegensatz zu Spielen mit Geldpreis die Kosten in Form von in der Heimat erwarteten Privilegien für Sieger trugen.245 Im Umkehrschluss bedeutet diese Feststellung jedoch, dass Spiele mit Geldpreis keiner Anerkennung bedurften, sondern eigenständig durch die jeweilige Polis eingerichtet werden durften – was ein Scheitern der Magnesier unmöglich machen würde. Die zweite wichtige Ergänzungsänderung bezieht sich auf das Charakteristikum von Kranzagonen keinen Geldpreis auszuschreiben. In diesem Zusammenhang betonen die Autoren die Ungewöhnlichkeit246 eines Siegerkranzes im Wert von 50 Goldstateren (Z. 28–29)247 und schlagen vor, den Kranz als eine Spende an die geehrte Gottheit zu verstehen.248 Chaniotis stützt diese These, indem er darauf 242 243 244 245 246 247 248

Ebert 1982, 202 f. Slater/Summa 2006, 282 f. Zum Phänomen der Vertragsofferte vgl. Chaniotis 1999, 51. Slater/Summa 2006, 283; 285–287. Slater/Summa 2006, 285; vgl. ferner schon J. und L. Robert 1983, 342. Ebert 1982, 212. Slater/Summa 2006, 288.

3.3 Magnesia am Mäander

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hinweist, dass die Stiftung des Siegerkranzes mit einem präsentischen Partizipium ausgedrückt wird (διδόντες), während die übrige Urkunde Aoristformen aufweist, was eine wiederholte, regelmäßige Spende des Siegerkranzes an die Göttin nahelegt.249 Dieser Vorschlag korrespondiert gut mit der Tendenz der neueren Forschung die Dichotomie zwischen Geld- und Kranzagon als technischer Termini in epigraphischen Quellen zu relativieren250 und unterstützt somit den Vorschlag der Autoren in den Zeilen 16 wie 23 [στεφανί]την zu ergänzen. Peter Thonemann bestärkt diese Annahmen und erweitert sie um die Entkräftigung von Eberts Hypothese, der Agon sei zuerst ein asiatischer und erst nach 208 ein panhellenischer gewesen (Z. 16–18). Zurecht weist er darauf hin, dass eine gemeinsame Identität der kleinasiatischen Griechen, die dazu ausreichen würde, die Griechen des ‚alten‘ Griechenlands von einem religiösen Fest auszuschließen, nicht vorstellbar ist.251 Durch die Variation eines Buchstaben in der Ergänzung der Z. 16 von πρῶτ[ον zu πρῶτ[οι beseitigt er dieses Problem. Statt der Annahme einer ausschließlichen Verkündung der Festspiele in Kleinasien bei gleichzeitiger Bitte um Asylie mit weiterem Adressatenkreis (Z. 31 f.) im Jahre 221, kann der betreffende Satz nun wie folgt gelesen werden: „πρῶτ[οι στεφανί]την ἀγῶνα θεῖναι τῶγ κατοικούντων τὴν Ἀσίαν [ἐψηφίσαν]το“ ‚sie waren die ersten unter denen, die in Asien wohnen, die für die Einrichtung eines Kranzagons gestimmt haben‘ (Z. 16– 18). Diese Neuinterpretation bringt Thonemann in einem zweiten Schritt mit der Konkurrenz zwischen den kleinasiatischen Poleis in Zusammenhang – Milet hätte gerade zwischen dem missglückten und neuerlichen Versuch der Magnesier die Ehre, einen Kranzagon auszurichten, erworben und sich so einen gewissen Vorteil verschafft. Das hätte die Magnesier dazu veranlasst, ihren Primat über die Beteuerung des Alters ihres Orakels deutlich zu machen, und zwar obwohl es das Eingeständnis eines gescheiterten diplomatischen Unternehmens darstellte. Diese schlüssige und durch die Quellen breit gedeckte These unterstreicht, so Thonemann, die überaus ungewöhnliche Datierungsformel der Magnesier, die auf vierfache Weise ihre älteren Ansprüche datiert.252 Der in der Stiftungsurkunde dargestellte Verlauf der Ereignisse rund um die zwei magnesischen Versuche, die Asylie ihrer Stadt und des Umlandes aber auch die Statusänderung der Festspiele zu erwirken, lässt sich unter Einbezug der neuen Ergänzungen weniger problematisch rekonstruieren. Bei ihrem ersten Versuch 221 scheiterten die Magneten allumfassend hinsichtlich der Erhöhung des Agons, während einige Hinweise auf die Anerkennung der Asylie vorhanden sind: es ist ein Dekret des Aitolischen Bundes überliefert, das unter Verwendung des Beschlussformulars die Stadt und ihre Chora als heilig und unverletzlich anerkennt.253 Die

249 Chaniotis 2010, Nr. 134. 250 Vgl. dazu mit einer Sammlung der Belege und Literatur Remijsen 2011; Mann 2016, 20–22. 251 Thonemann 2007, 154, bes. Anm. 10. Zur Identitätsbildung im Mäandertal vgl. ferner Thonemann 2011, 24–26. 252 Thonemann 2007, 155–157; 160. Zur Städtekonkurrenz vgl. ferner Ma 2003; Heinzelmann 2003; Knäpper 2018 (im Druck). 253 Rigsby 1996, Nr. 67, 10 f.

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Gesandten (Presbeutai)254 Mnasiptolemos und Hipponikos,255 die den Aitolischen Bund aufsuchten, trugen die Argumentation der Magnesier vor und konnten neben der Asylie, die die Aitoler durch Strafbestimmungen verschärften, auch einen Sitz in der Delphischen Amphiktyonie einwerben.256 Der Beschluss sollte in Thermos und Delphi aufgestellt werden, wo die Inschrift auch gefunden wurde.257 Von der Erhöhung des Agons wird nichts bekannt. Die Beschreibung des Scheiterns der Magnesier in der Stiftungsurkunde, das dort argumentativ deutlich stärker mit dem Agonstatus verknüpft ist, bezieht sich folglich auch im aitolischen Beschluss auf den Agon.258 Da dieses Dokument jedoch das einzige erhaltene Dokument der ersten Serie darstellt, lässt sich die Annahme, das magnesische Asyliegesuch sei zumindest partiell erfolgreich gewesen, während die Bitte um Statuserhöhung des Agons gescheitert sei, schwerlich verallgemeinern. Dennoch, gerade die Tatsache, dass die aitolische Asylieanerkennung nicht im Asyliedossier der Magnesier, sondern in Delphi und Thermos gefunden wurde, rechtfertigt eher eine Datierung, die vom Gros der Dokumente abweicht. Als Indiz für ein zumindest in Teilen erfolgreiches Asyliegesuch im Jahre 221 fungieren zudem die Dekrete der zweiten Serie, die zwar den Agon erhöhen, aber die Asylie verschweigen. Dabei handelt es sich um die Briefe Attalos I., Antiochos III. und seines Sohnes und die Dekrete von Argos, Sikyon, Chalkis, Delos, Rhodos, dem Aitolischen Bund und Antiocheia in der Persis.259 Da Unachtsamkeit260 oder fragmentarischer Zustand261 nicht das Fehlen der Asylieanerkennung in allen diesen Dokumenten erklären können, schlägt Rigsby vor, diese Partner hätten die Asy-

254 Rigsby 1996, 191 f., entwickelt die These, die Gesandten hießen Theoren, wenn Festspiele involviert sind, und Presbeutai bei reinen Asyliegesandtschaften. Diese These ist ob mannigfaltiger Abweichungen und auch Doppelbenennungen nicht generalisierbar. 255 Die beiden Gesandten können nicht weiter identifiziert werden. Hipponikos ist ein geläufiger Name, Mnasikrates lässt sich wohl den Nachfahren des Themistokles zurechnen, die bis in die Kaiserzeit zur politischen Elite in Magnesia gehört zu haben scheinen, vgl. dazu Corsten 2003, 113–117. 256 Rigsby 1996, Nr. 67, 21. 257 Rigsby 1996, Nr. 67, 21 f. 258 Anders Rigsby 1996, 183, der die fehlende Erhöhung des Agons mit seiner Beschränkung auf Asien erklärt und das Scheitern der Stiftungsurkunde auf die Asylie zu beziehen scheint. 259 Attalos I.: Rigsby 1996, Nr. 68; Antiochos III.: Rigsby 1996, Nr. 69; sein Sohn Antiochos: Rigsby 1996, Nr. 70; Aitolischer Bund: Rigsby 1996, Nr. 78; Argos: Rigsby 1996, Nr. 90; Sikyon: Rigsby 1996, Nr. 91; Chalkis: Rigsby 1996, Nr. 97; Delos: Rigsby 1996, Nr. 99; Rhodos: Rigsby 1996, Nr. 104; Antiocheia in der Persis: Rigsby 1996, Nr. 111. 260 Es gibt beispielsweise Dekrete, wo Asylie in der Bitte nicht erwähnt ist, jedoch verliehen wird: Delphi: Rigsby 1996, Nr. 79; Korinth: Rigsby 1996, Nr. 92; Tralleis: Rigsby 1996, Nr. 129. In der Inschrift aus Knidos, Rigsby 1996, Nr. 105, liegt der umgekehrte Fall vor. In Korkyra: Rigsby 1996, Nr. 94 wird der Agon in der Bitte ausgespart, jedoch im Beschluss anerkannt. 261 Rigsby 1996, Nr. 68 ist unten gebrochen. Da Herrscherbriefe häufig nicht dem gespiegelten Aufbau von Bitte und Anerkennung der Asyliedekrete folgen, kann eine Asylieverleihung Attalos I. nicht ausgeschlossen werden. Auch die Inschrift aus Delphi, Rigsby 1996, Nr. 79, ist stark fragmentarisch, jedoch wird die Asylieverleihung für wahrscheinlich gehalten.

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lie der Magnesier schon 221 anerkannt.262 Eine weitere Idee stammt von Chaniotis, der herausstellt, die Gesandten hätten auf ihren Reisen – also 208 – bereits die Dokumente früher besuchter Poleis mitgeführt und die Verleihung der Privilegien hätte sich so an diesen Vorlagen orientiert.263 Diese Annahme böte eine alternative Erklärung für das Fehlen der Asylieanerkennung in Antiocheia in der Persis.264 Gerade der kurze Beschluss des Aitolischen Bundes aus der zweiten Serie ohne Asylieanerkennung unterstützt Rigsbys These und erlaubt, die genannten Poleis als diejenigen zu erkennen, die 221 die Asylie Magnesias anerkannt, die Erhöhung des Agons aus nicht sicher bestimmbaren Gründen jedoch ausgespart haben. Ein mögliches Motiv für die Nichtanerkennung der Statusänderung der Spiele könnte wenig ausgeprägtes Engagement seitens der Magnesier darstellen, beispielsweise hinsichtlich der mangelnden Betonung des Orakels.265 Über den Verlauf des ersten Asyliegesuchs können mangels Quellen keine über die in der Anerkennung des aitolischen Bundes beschriebenen Verhältnisse hinausgehenden Schlüsse gezogen werden. Das Dekret offenbart aktive Gesandte, die für ihre Polis an politische Akteure unterschiedlicher Couleur herantraten und scheinbar durchaus erfolgreich agierten, wie die exzeptionelle Verleihung des Sitzes in der Delphischen Amphiktyonie nahelegt. Die Netzwerkausrichtung ist dabei nicht lokal, sondern orientiert sich an den Konflikten im Zuge der Verschiebung der Machtverhältnisse zwischen den großen hellenistischen Reichen im letzten Viertel des dritten Jahrhunderts. Gerade die Fokussierung auf den Aitolischen Bund, Rhodos und Delos, die in dieser Zeit nach Ausbau ihrer eigenen Netzwerke trachteten, verweist auf eine Suche der Magneten nach neuen Interaktionspartnern, wenngleich die Attaliden, zu deren Machtbereich die Polis seit den 220er Jahren gehörte, sowie die Seleukiden als großer Akteur in Kleinasien auch anvisiert wurden.266 Die zweite Phase der Bemühungen der Magneten um die Anerkennung ihrer Asylie und Erhöhung ihres Agons datiert zwischen 208 und 203. Die Gesandtschaften, die die im Regelfall im Asyliedossier überlieferten Inschriften gruppieren 262 263 264 265 266

Rigsby 1996, 183. Chaniotis 1999, 60 f. Ähnlich Sosin 2009, 379 f. für Gonni. Slater/Summa 2006, 283 f. In diesem Zusammenhang darf nicht verschwiegen werden, dass eine neue Interpretation von Sosin 2009, bes. 374–377, 406–408, die Gesuche der Magnesier aus dem Jahre 221 für unhistorisch erklärt. So befreiend eine einheitliche Datierung der Dokumente wäre, erweisen sich die Befunde m. E. auch kumulativ nicht als ausreichend. Das Hauptargument der Erörterung ist die schon von Rigsby 1996, 191 mit Anm. 40 beschriebene Problematik, dass die Magneten ihren Sitz in der Amphiktyonie erst 202 sicher nutzen. In der Zeit zwischen 221 und 202 können fünf Amphyktionendekrete ins Feld geführt werden, die die Magnesier nicht verzeichnen. Allerdings verweist bereits Flacelière 1937, 324 f. und 409 auf die Unsicherheiten in der Datierung dieser Dekrete. Darüber hinaus argumentiert Sosin 2009 mit der Strategenabfolge des Aitolischen Bundes. Er datiert das zweite Strategenamt des Agelaos, das die aitolische Inschrift relativ datiert, auf das Jahr 206/205 herab. Allerdings sind die vielfachen Schwierigkeiten der Datierung der aitolischen Strategenjahre im letzten Viertel des dritten Jahrhunderts, die Sosin 2009, 375 selbst erkennt, zu gravierend, um die neue Zuschreibung zu begründen, zumal auch das magnesische Dossier kaum Sicherheiten für die Thesen Sosins liefert.

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helfen,267 wurden offenbar sukzessive vollzogen. Dafür spricht, dass einzelne Gesandte mit unterschiedlichen Kollegen verschiedene Orte oder gar Regionen besucht haben, was schwerlich gleichzeitig geschehen konnte.268 Nur für wenige Gesandtschaften können sichere Itinerarien erstellt werden. Vielfach werden zwar Gesandte erwähnt, der Zustand der Zeugnisse versagt aber die geographische Zuweisung der Inschrift und/oder Namen der Theoren sind nicht erhalten. Die Zuordnung dieser Fragmentaria fällt schwer, da vielfach benachbart verzeichnete Inschriften unterschiedliche Gesandte und regionale Ausrichtungen aufweisen, während eindeutig zu einer Theorie gehörende Inschriften nicht gemeinsam publiziert sind.269 Die erste Gesandtschaft der Magnesier bestand aus Apollophanes, S. d. Aischylos, Euboulos, S. d. Anaxagoras und Lykomedes, S. d. Charisios und richtete sich an den Boiotischen und Phokischen Bund, Athen sowie Chalkis und Eretria auf Euboia.270 Die Inschriften dieser Gesandtschaftsserie folgen stets dem Beschlussformular und erweisen sich mit der Ausnahme von Chalkis als überaus ausführlich. Chaniotis betont unter Einbezug verschiedener Aspekte in Zusammenhang mit dem magnesischen Dossier, dass die detailliert auf die Bitte und Argumentation der Magneten eingehenden Beschlüsse sich nah am Psephisma der Magnesier orientieren.271 Dazu passt gut, dass das Psephisma der Magnesier in den Inschriften des Boiotischen und Phokischen Bundes sowie Eretrias explizit genannt wird, wobei im ersten Falle sogar spezifiziert wird, die Gesandten hätten das Psephisma verle-

267 Mit einer Ausnahme sind alle Inschriften der zweiten Gesandtschaftsserie im Asyliedossier zu finden. Die Ausnahme bilden die von der selben Hand in Delphi eingemeißelten Dekrete des Aitolischen Bundes (Rigsby 1996, Nr. 78) und der Polis Delphi (Rigsby 1996, Nr. 79), die jedoch über die Gesandtschaft sicher der zweiten Serie zuzuordnen sind. Eine eigene Aufstellung der Gesandtschaften liefert Sosin 2009, 394; Rigsby 2001 will eine Ratio in den von mehreren Asylieverleihern unterschriebenen Dokumenten erkennen. Es seien bundesstaatliche Dokumente oder zumindest solche von zeitweilig oder aus verschiedenen Gründen kooptierender Poleis. Zu den Publikationsbeschlüssen vgl. Anhang 9. 268 Sichere Fälle: Aristodamos, S. d. Diokles, bereiste mit Aristeas, S. d. Gorgasos, und Antanor, S. d. Kolotion, den Peloponnes (2. Gesandtschaft) sowie mit Diotimos, S. d. Menophilos und Sosikles, S. d. Diokles, die ionischen Inseln (3. Gesandtschaft); Prytanis, S. d. Pyronidos, reiste mit Pythodotos, S. d. Charisios und Epikouros, S. d. Agaristos (9. Gesandtschaft), zu den dionysischen Techniten nach Teos sowie mit Philenor, S. d. Zenodotos, zu einer unbekannten Stadt (Rigsby 1996, Nr. 127). Möglicher Fall: Demetrios bereiste mit Molossos und Kallikrates die Kykladen (5. Gesandtschaft) und könnte mit Demetrios, S. d. Demophon, identisch sein, der mit Lykomedes, S. d. Lykomedes, sowie Dionysarchos, S. d. Anaxagoras, nach Antiocheia (in Pisidien?) zog. 269 Die Gesandtschaften sind hier nach ihrem rekonstruierbaren Radius geordnet, als zweites Kriterium greift die Abfolge auf dem Stein. Königsgesandtschaften werden im Anschluss an die städtischen besprochen. 270 Boiotischer Bund: Rigsby 1996, Nr. 73 evtl. mit Rigsby 1996, Nr. 74, gänzlich gebrochen, jedoch auf derselben Stele; Phokischer Bund: Rigsby 1996, Nr. 84; Athen: Rigsby 1996, Nr. 87; Chalkis: Rigsby 1996, Nr. 97; Eretria: Rigsby 1996, Nr. 98. 271 Chaniotis 1999, 56–60; 67 f.

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sen.272 In Athen treten die Gesandten direkt vor Rat und Volksversammlung273 und tragen ihre Argumente vor. Dabei ist davon auszugehen, und das belegt auch die vergleichbare Struktur der Gesuche, dass die Gesandten den Beschluss ihrer Heimatstadt zumindest als Vorlage nutzten. Lediglich in Chalkis wird das Psephisma nicht erwähnt, was mit der Wiedergabe des Briefes Philipps V.274 zusammenhängen kann. Auch die Argumentationsstruktur dieses Beschlusses weicht in puncto Detailreichtum von der der übrigen Zeugnisse dieser Gesandtschaftsserie ab. Die Anerkennung der ersuchten Privilegien erweist sich als umfassend. Es wird die Erhöhung des Agonstatus und Asylie mit Verweis auf das Orakel des pythischen Apollon gewährt.275 Der Phokische Bund und Eretria gewähren sogar isopythische Prämien für die Sieger der Leukophryeneia,276 was hervorragend mit der Neuinterpretation der Stiftungsurkunde von Slater und Summa korrespondiert. Chalkis bildet wiederum eine Ausnahme, da die Asylie in der Inschrift nicht anerkannt wird. Die Vermutung, dass dies bereits 221 geschah, wird durch das Versprechen isopythischer Preise für die Sieger gestützt.277 Auch sonst werden die Theoren in Chalkis durchaus freundlich aufgenommen, was die Zuteilung einer ἀπαρχή, also eines gemeinsamen Opfermahls, dokumentiert.278 Mit dieser Einrichtung ist das Bankett, dass den Gesandten beim Boiotischen Bund, in Athen und Eretria ausgerichtet wird, wohl zu vergleichen.279 Auch wenn also im Rahmen eines Psephisma formulierte Ziele von den Gesandten in den Poleis und vor den Bundesversammlungen in ähnlicher Art und Weise vorgetragen wurden, entwickelte sich der Verlauf eines Asyliegesuchs nicht zwingend völlig gleichartig. Vielmehr lag das Engagement bei der Anerkennung im Ermessen der Betroffenen. Sehr erfreulich für die Bewerber müssen die Verhandlungen in Athen und Eretria abgelaufen sein – da in Athen die Gesandten und mit ihnen das magnesische Volk bekränzt280 und in Eretria mit einer außergewöhnlichen Vielzahl von Ehrungen ausgestattet wurden. Als aussagekräftig erweist sich dabei das Nebeneinander von territorialer und persönlicher Asylie. Zuerst werden die territoriale Asylie und die Statuserhöhung des Agons anerkannt: 15

272 273 274 275 276 277 278 279 280 281

[…] περὶ δὴ τουτῶν ἔδοξεν τῆι βουλῆι καὶ τῶι [δή]μωι· ἀποδέξασθα[ι τὸν] ἀγῶνα τῆς Ἀρτέμιδος τῆς Λευκ[οφρυη]νῆς στεφανίτην ἰσοπύθιον [καὶ τ]ὴν πόλιν καὶ τὴν χώραν αὐτῶν ἱε[ρ]ὰν καὶ [ἄ]συλον εἶναι, […].281

Rigsby 1996, Nr. 73, 4 f.; Nr. 84, 3–5; Nr. 98, 98, 3–5. Rigsby 1996, Nr. 87, 13. Rigsby 1996, Nr. 97, 1–8; vgl. dazu Giannakopoulos 2012, bes. 64 f. Rigsby 1996, Nr. 73, 15–17 Bitte, Anerkennung gebrochen; Rigsby 1996, Nr. 84, 14; 20; Nr. 87, 19 f.; 29 f.; Nr. 98, 16 f. Rigsby 1996, Nr. 84, 21 f.; Nr. 98, 17 f. Rigsby 1996, Nr. 97, 23. Rigsby 1996, Nr. 97, 26 f. Rigsby 1996, Nr. 73, 29; Nr. 87, 37; Nr. 98, 31. Rigsby 1996, Nr. 87, 31 f.; 34 f. Rigsby 1996, Nr. 98, 14–17.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts […] Über diese Dinge haben der Rat und das Volk beschlossen: der Agon der Artemis Leukophryene soll als bekränzt und isopythisch anerkannt werden und ihre [der Magneten] Stadt und das Umland sollen heilig und unverletzlich sein, […].

Die Asylieverleihung wird folglich mit der adjektivischen Standardformel vollzogen. Nach der Feststellung, dass die isopythische Behandlung der Sieger des magnesischen Agons mit dem Orakel Apollons übereinstimmt und der Bestellung von Gesandten für das Opfer und den Agon in Magnesia, werden Ehrungen der magnesischen Gesandten angeschlossen:

25

[…] καὶ εἶναι αὐτούς τε καὶ ἐκγόνους αὐτῶν προξέ[ν]ο̣υς καὶ εὐεργέτας τοῦ δήμου τοῦ Ἐρετριέων, εἶναι δὲ αὐτοῖς καὶ γ[ῆ]ς [καὶ] οἰκίας ἔγκτησιν καὶ πρόσοδον πρὸς τὴν βουλὴν καὶ τὸν δῆμον, ἐάν [τι]νος δέωνται, πρώτοις μετὰ τὰ ἱερὰ καὶ προεδρίαν ἐμ πᾶσι τοῖς ἀγῶσι[ν,] οἷς ἡ πόλις τίθησιν, καὶ ἀτέλειαν καὶ εἰσάγουσιν καὶ ἐξάγουσιν, καθάπε[ρ κ]αὶ τοῖς ἄλλοις Ἐρετριεῦσιν, εἶναι δὲ αὐτοῖς καὶ ἀσφάλειαν καὶ ἀσυλί[αν] καὶ πολέμου καὶ εἰρήνης παραγινομένοις εἰς τὴν πόλιν καὶ τὴν χώρ[αν,] […].282 Sowohl sie selbst als auch ihre Nachkommen sollen Proxenoi und Wohltäter des Volkes der Eretrier sein, und sie sollen das Recht haben Land oder Haus zu erwerben und Zugang zu Rat und Volk haben, wenn sie etwas wünschen, zuerst nach den heiligen [Angelegenheiten] und [sie sollen] die Atelie sowohl für Einfuhr als auch für Ausfuhr [haben] genau wie die anderen Eretrier, sie sollen sowohl die Asphalie als auch die Asylie haben, sowohl im Krieg als auch im Frieden, während sie in der Polis oder dem Umland sind […].

Formal fällt hinsichtlich der persönlichen Asylie auf, dass zur Angabe derselben gemäß diplomatischen Gepflogenheiten nicht das Adjektiv, sondern das Substantiv verwendet wird. Gerade die Gegenüberstellung der standardisierten Verleihungsformeln persönlicher und territorialer Asylie283 zeugt von deutlicher Differenziertheit der Phänomene in der hellenistischen Zeit. Bei einer linearen Entwicklung des jüngeren aus dem älteren wäre eine solche Beiordnung kaum vorstellbar. Darüber hinaus fallen neben der bemerkenswerten Anzahl von Privilegien, die den Gesandten aus Magnesia gewährt werden, vor allem zwei Geltungsbereiche auf. Einerseits bekommen die Geehrten einige der bürgerlichen Rechte der Eretrier, andererseits profitieren sie in wirtschaftlicher Hinsicht von den Regelungen. Unterstrichen wird die Sicherheitsstellung der magnesischen Beamten durch ein angehängtes Verbot, ihnen Unrecht zu tun (Z. 30). Diese besondere Ehrung der Gesandten in Eretria verweist also einerseits auf die Variabilität des Ablaufs von Verhandlungen um Asylie und erlaubt zudem einen gewissen Einblick in die Entwicklung diplomatischer Formeln. Schließlich bleibt auf die Publikationsbestimmungen einiger Inschriften der ersten Gesandtschaft hinzuweisen.284 Dabei ist an dieser Stelle zu betonen, dass 282 Rigsby 1996, Nr. 98, 22–29. 283 Es gibt einige wenige Belege für die substantivische Verleihungsformel territorialer Asylie; diese stellen aber eine Ausnahme dar. Für Kos: IG XII 4,1,215 II (Rigsby 1996, 15); IG XII 4,1, 226 VII; für Magnesia: Rigsby 1996, 100; 107; für Teos: Rigsby 1996, 132; evtl. für Kolophon: Rigsby 1996, 172, 11. 284 Rigsby 1996, Nr. 84, 31 f.; Nr. 87, 40 f.; Nr. 98, 33.

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gerade das Versprechen zur Aufstellung im heimischen Heiligtum der Verleiher den weiterreisenden Gesandten sowohl einen Präzedenzfall in Hinblick auf die anvisierten Ziele an die Hand gab. Zusammenfassend kann man festhalten, dass im Rahmen der Inschriften der ersten Gesandtschaft der Magnesier ein selbstbewusstes, diplomatisch geschicktes Agieren auszumachen ist. Die Gesandten orientieren sich an ihrem detailreichen Psephisma und bekommen dafür offenbar positives Feedback. Darüber hinaus scheint trotz einer gegenüber älteren feststellbaren Formalisierung des Ablaufs der Asyliegesuche noch Raum für Verhandlungen vorhanden zu sein, was durch die vielfältigen Ehrungen der Gesandten deutlich wird. Die zweite Gesandtschaft der Magnesier richtete sich nach Nordgriechenland285 und bestand aus Aristodamos, S. d. Diokles, Aristeas, S. d. Gorgasos, und Antanor, S. d. Kolotion. Sie besuchten den Aitolischen, Akarnanischen und Epeirotischen Bund286 sowie Delphi.287 Die Inschriften erweisen sich als unterschiedlich informativ im Hinblick auf die Gesuchsabläufe. Das Dekret des Aitolischen Bundes ist das knappste und formal untypischste der Reihe, wobei der Erhaltungszustand sicher für einige Diskrepanzen verantwortlich ist. Im Beschluss wird die Asylie des Heiligtums – die bereits 221 verliehen wurde – nicht anerkannt, dafür aber isopythische Behandlung gegenüber den Artemisia zugesichert. Über den Verlauf des Gesuchs wird neben dem Hinweis auf die Publikation in der Bundeshauptstadt und Delphi nichts bekannt. Die Kürze des Dekrets könnte jedoch darauf hindeuten, dass Verhandlungen und Erklärungen der Asyliebitte auf Grund des bereits bestehenden Status als unnötig empfunden wurden. Das auf derselben Stele verzeichnete delphische Dekret verfügt über den typischen Aufbau der Asyliebeschlüsse, wobei jedoch die Vertragshälfte stark fragmentarisch ist. Die Asylie der Stadt und des Umlandes im Sinne des pythischen Orakels wie die Erhöhung des Agons zum isopythischen Kranzagon werden anerkannt.288 Eine Ehrung der Gesandten lässt sich im verliehenen Lorbeerkranz ausmachen.289 Deutlich ausführlicher und gut mit den Dekreten der ersten Gesandtschaft vergleichbar sind die Urkunden des Akarnanischen und Epeirotischen Bundes. Der Ablauf der Asyliegesuche wird durch diese Dokumente ein wenig erhellt. Es wird deutlich, dass die Gesandten mit dem magnesischen Psephisma in den Bundesversammlungen auftraten und die Inhalte relativ originalgetreu vorstellten.290 Asylie 285 Vgl. Rigsby 2001, mit der These die Asyliedokumente mit mehreren Unterschriften gingen auf Bundesaktivitäten zurück. 286 Meyer 2015, 297 f. plädiert für den Ausdruck „Commonwealth“, um den „selfgoverning federal state“ zu bezeichnen. 287 Delphi: Rigsby 1996, Nr. 79; Akarnanischer Bund: Rigsby 1996, Nr. 81; Epeirotischer Bund: Rigsby 1996, Nr. 82. Die Inschrift des Aitolischen Bundes (Rigsby 1996, Nr. 78) ist fragmentarisch erhalten, so dass keine Gesandtennamen überliefert sind. Da die Inschrift jedoch auf derselben Stele und von derselben Hand aufgetragen ist wie die von Delphi, wird sie zu den Zeugnissen der zweiten Gesandtschaft gezählt. 288 Rigsby 1996, Nr. 79, 23 f.; 19 f. 289 Rigsby 1996, Nr. 79, 15. 290 Rigsby 1996, Nr. 81, 7–10; 15; Nr. 82, 2–4.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

wie Agon werden unter Verwendung der im Standardisierungsprozess begriffenen Formeln im Sinne der Gesuche angenommen und die Publikation in den jeweiligen Bundesheiligtümern beschlossen.291 Im Beschluss des Akarnanischen Bundes werden Kultteilnehmer, Festspielgesandte und Theorodoken aus allen Mitgliedstaaten in Aussicht gestellt.292 Zudem wird eine Opfergabe für die Göttin im Wert von 150 Silberdrachmen verzeichnet.293 Demgegenüber war das Geld, das in der Inschrift des Epeirotischen Bundes den Besitzer wechselt, als an die Theoren adressiert kategorisiert und zudem mit dem gleichgesetzt, was die pythischen Festgesandten nach dem Gesetz bekommen.294 Zuletzt sind die Ehrungen der Gesandten zu erwähnen. Auch im Rahmen der zweiten Gesandtschaftsserie wird deutlich, dass die Ehrungen der Gesandten keinem spezifischen regularienkanon folgten, sondern vielmehr im Ermessen der Verleiher lagen. Der Akarnanische Bund erklärte die Gesandten zu Proxenoi und Euergetai, während der Epeirotische Bund kollektive Proxenie an die Bürger Magnesias sowie ein Privilegienpaket an die Gesandten verlieh.295 Zu den Vorrechten der Gesandten zählten Proxenie, volles Bürgerrecht, Asphalie und Atelie. Die Privilegierung der zweiten Gesandtschaft durch den Epeirotischen Bund geht über die der ersten durch die Eretrier hinaus – während in Eretria nur bestimmte Teile des bürgerlichen Lebens für die magnesischen Gesandten geöffnet wurden, waren sie den Bürgern der Mitgliedstaaten des Epeirotischen Koinons fortan rechtlich gleichgestellt. Möglicherweise erklärt sich aus diesem Umstand auch das Fehlen der persönlichen Asylie unter den gewährten Privilegien bei ansonsten ähnlichen Urkunden. Da die persönliche Asylie ursprünglich für die Herausnahme Einzelner aus dem gewohnheitsrechtlich legitimierten συλᾶν von Bürgern fremder Rechtsgemeinschaften sorgte, wurde sie in Zusammenhang mit der Verleihung von vollumfänglichem Bürgerrecht nicht mehr als nötig empfunden. Die dritte Gesandtschaft der Magnesier bestand aus Sosikles, S. d. Diokles, Aristodamos, S. d. Diokles, und Diotimos, S. d. Menophilos, und hatte Illyrien und die Ionischen Inseln zum Ziel. Die Tatsache, dass Aristodamos, S. d. Diokles, in der zweiten und dritten Gesandtschaft mitwirkte, weist darauf hin, dass die Magnesier über einen längeren Zeitraum, unter Einbezug aller Dokumente etwa bis 203, um die Anerkennung ihrer Bitten warben. Es ist im Sinne des vorstellbaren Itinerars über Apollonia, Epidamnos, Korkyra, Same und Ithaka296 auch möglich, dass zur Fortsetzung der zweiten Gesandtschaft zwei Gesandten während des Aufenthalts in Nordwestgriechenland ersetzt wurden. Einer der neuen Gesandten, Sosikles, S. d. Diokles, trägt den Titel Architheoros, während die Gesandten der zweiten Gesandtschaft als Presbeutai scheinbar gleichberichtigt, vielleicht sogar mit einer Voranstellung des nun einfachen Theoren Aristodamos, S. d. Diokles, agierten. 291 292 293 294 295 296

Rigsby 1996, Nr. 81, 27–30; 38–40; Nr. 82, 22–26 mit Verweis auf das Orakel; 35 f. Rigsby 1996, Nr. 81, 30–35. Rigsby 1996, Nr. 81, 34–36. Rigsby 1996, Nr. 82, 47–49. Rigsby 1996, Nr. 81, 41–44; Nr. 82, 31–33; 39–47. Apollonia: Rigsby 1996, Nr. 95; Epidamnos: Rigsby 1996, Nr. 96; Korkyra: Rigsby 1996, Nr. 94; Same: Rigsby 1996, Nr. 85; Ithaka: Rigsby 1996, Nr. 86.

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Die Asyliegesuche der Magnesier in den illyrischen Städten und auf den ionischen Inseln erweisen sich ebenfalls als ausführlich dokumentiert. Die magnesischen Gesandten traten mit dem Psephisma vor die jeweiligen Gremien und trugen ihre Bitten ausführlich vor.297 Die Bedeutsamkeit der mitgeführten Urkunden, und zwar sowohl der magnesischen als auch der bereits erhaltenen Anerkennungen, lässt sich innerhalb dieser Gesandtschaftsserie deutlich herausstellen. Einerseits verfestigen sich die Formulierungen zur Charakterisierung des angestrebten Agonstatus und der Asylie wie auch die im folgenden Kapitel noch näher zu beleuchtende inhaltliche Argumentation innerhalb der Inschriften; andererseits wird auch direkt auf gegenseitige Bezüge verwiesen. So wird die positive Annahme des Gesuchs innerhalb der Inschriften der ionischen Inseln mit vorangegangenen Dekreten „διὰ τῶν ψαφισμάτων τῶν ὑπαρχόντων αὐτοῖς παρὰ ταῖς πολίοις καλῶν τε καὶ ἐνδόξων“ ‚wegen der schönen und würdigen Beschlüsse, die ihnen von den Poleis angetragen wurden‘ begründet.298 In der samischen Inschrift findet sich sogar ein Hinweis auf die bewusste Überbringung von Beschlüssen, als mit den Worten „παραπέμψαι δὲ αὐτοὺς ἐν Ἰθάκαν“ betont wird, dass die Urkunde nach Ithaka weitergesandt werden soll.299 Man kann also davon ausgehen, dass neben der Rechtssprache auch die inhaltliche Füllung dieser über Stadtgrenzen hinweg transportiert wird. Jedoch wird in den Inschriften der dritten Gesandtschaftsserie auch deutlich, dass trotz ‚wandernder Urkunden‘ gewisse Unachtsamkeiten in den Texten verbleiben: So wird in der Inschrift aus Korkyra im Rahmen des Gesuchs die Erhöhung des Agons nicht erwähnt, während im Beschlussteil neben der Asylieverleihung auch der Agon im üblichen Sinne als isopythisch und bekränzt anerkannt wird sowie dazugehörige Spenden an die Göttin im nicht zu geringen Umfang von 150 korinthischen Drachmen und eines Opfertiers verzeichnet werden.300 Insgesamt sind die finanziellen Zuwendungen dieser Gesandtschaftsserie recht hoch, was möglicherweise auch über die vorgelegten Beschlüsse der anderen Poleis angeregt wurde. Die ithakesische Zuwendung ist mit 15 Drachmen und einem Schaf am niedrigsten, aus Same ist neben dem Tier eine halbe Mine Silber, aus Epidamnos je eine halbe Mine korinthischen Silbers für ein Opfertier und die Göttin belegt.301 Weiterhin werden in Korkyra ein gemeinsames Festmahl am väterlichen Herd verrichtet302 sowie Theoren und Theorodoken bestimmt.303 Gerade die Statuserhöhung des Agons spielt also im Beschlussteil eine Rolle, obwohl im Rahmen der Bitte nichts davon zu lesen ist, was eher auf Unachtsamkeit denn Absicht hindeutet. 297 Rigsby 1996, Nr. 85, 4–6; Nr. 86, 5 f.; Nr. 94,10 f.; Nr. 95, 4–7; Nr. 96, 5–7; Nr. 86, 5 f. 298 Rigsby 1996, Nr. 94, 10 f.; Nr. 85, 36 f.; Nr. 86, 10 f.; Nr. 86, 15 f.; ähnlich auch Rigsby 1996, Nr. 96, 15. 299 Rigsby 1996, Nr. 86, 15 f. 300 Rigsby 1996, Nr. 94, 24 f.; 32. 301 Rigsby 1996, Nr. 86, 20; Nr. 30–32; Nr. 96, 41 f. 302 Rigsby 1996, Nr. 94, 22. So auch in den anderen Poleis: Rigsby 1996, Nr. 85, 32; Nr. 86, 21; Nr. 95, 44–47; Nr. 96, 39–41, Bankett mit gemeinsamem Opfer, wobei besondere Fleischstücke den Gesandten vorbehalten sind. 303 Rigsby 1996, Nr. 94, 40 f. So auch in den anderen Poleis: Rigsby 1996, Nr. 85, 32 f.; Nr. 86, 22 f.; Nr. 95, 48 f.; Nr. 96, 43–45.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

Im Umkehrschluss bedeutet das, dass bestimmte Unregelmäßigkeiten trotz steigender Formalisierung der Urkunden nicht zwingend mit gezielten Statements zu verbinden sind. Weiterhin werden die Gesandten auch im Rahmen dieser Serie zu Proxenoi und Euergetai erklärt, was ebenfalls auf eine Verstetigung des Prozederes der Ehrungen in Zusammenhang mit Asyliegesuchen hindeutet.304 Interessant ist in diesem Zusammenhang zudem die Unterzeichnung des samischen Beschlusses durch drei weitere Poleis der Insel Kephallenia, nämlich Pale, Krane und Pronnoi.305 Diese Art und Weise die anderen Dekrete nur summarisch zu erwähnen und nicht gesondert einzuholen, könnte etwa auf eine gewisse Vormachtstellung Sames auf Kephallenia deuten. Vorstellbar wäre auch, dass die gemeinsame Publikation aus einem besonderen Gemeinschaftsgefühl der Insulaner rührt, wie es etwa für Klazomenai und 11 weitere ionische Städte Kleinasiens (mit Ausnahme Milets) gilt,306 oder aber mit der kürzlichen Eingliederung der Insel in den Aitolischen Bund zusammenhängt.307 In jedem Fall bedeutet ein solches Vorgehen, dass die Gesandten nicht zwingend eine bloße Mehrung der Dokumente anstrebten, die vor dem Hintergrund einer ehrsteigernden ‚Tempeldekoration‘ vorstellbar wäre. Damit betont diese Inschrift die diplomatischen Motive von Asyliegesandtschaften. Die Gesandten Philiskos, S. d. Pythagoros, Konon, S. d. Dionysos, und Lampetos, S. d. Pythagoros, wandten sich im Rahmen der vierten magnesischen Gesandtschaft dem Peloponnes zu. Gemeinsam bereisten sie Megalopolis, Argos, Sikyon und Messene, während Philiskos, S. d. Pythagoros, allein eine unbekannte dorische Stadt sowie den Achaiischen Bund und sein Bruder Lampetos, S. d. Pythagoros, allein Korinth zum Ziel hatte.308 Auch im Rahmen dieser Gesandtschaftsserie können die beschriebenen Aspekte des diplomatischen Vorgehens der Magnesier festgestellt werden. Die Gesandten tragen ihr Gesuch in den Poleis unter Zuhilfenahme des Psephisma erfolgreich vor.309 Interessanterweise spielen Ehrungen der Gesandten keine große Rolle innerhalb dieser Gesandtschaftsserie, ähnlich wie sich steigernde Spenden gegenüber der Göttin. Festzustellen sind lediglich Verhandlungsspielräume im Rahmen der jeweiligen Gesuche. So erklären die Argiver, den Gesandten zuzuweisen, was auch die nemeischen – im Unterschied zum üblichen Pythienvergleich310 – Festge-

304 Rigsby 1996, Nr. 85, 26–28; Nr. 86, 23–27; Nr. 94, 39; Nr. 95, 40–45; Nr. 96, 33–36. 305 Rigsby 1996, Nr. 85, 38 f. Unterschriften unter Dekreten sind durchaus häufiger belegt, vgl. beispielsweise Rigsby 1996, Nr. 88, 59–68 (4. Gesandtschaft); Rigsby 1996, Nr. 100, 76–85 (5. Gesandtschaft); Rigsby 1996, Nr. 102, 75–82 (6. Gesandtschaft). 306 Rigsby 1996, Nr. 102. Vergleichbar ist auch die gemeinsame Verschriftlichung der Asylieanerkennung aus Antiocheia in der Persis und der Städte im Osten des seleukidischen Reiches (Rigsby 1996, Nr. 111, 100–111). 307 Funke 2015, 115. 308 Megalopolis: Rigsby 1996, Nr. 88; Achaiischer Bund: Rigsby 1996, Nr. 89; Argos: Rigsby 1996, Nr. 90; Sikyon: Rigsby 1996, Nr. 91; Messene: Rigsby 1996, Nr. 93; dorische Stadt: Rigsby 1996, Nr. 124; Korinth: Rigsby 1996, Nr. 92. 309 Rigsby 1996, Nr. 88, 1–4; Nr. 89, 1–4; Nr. 90, 3–6; Nr. 92, 1–4. 310 Auch im Rahmen dieser Gesandtschaft: Rigsby 1996, Nr. 89, 17; Nr. 91, 13.

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sandte bekommen.311 Das liegt sicher darin begründet, dass die Bürger von Argos das von ihnen verwaltete Festspiel, auch im Sinne einer Konkurrenz zwischen den ‚großen vier‘ Agonen des Periodikos,312 heranzogen. Vergleichbar ist auch das korinthische Versprechen, die Magnesier hinsichtlich Opfergabe und Gastmahl zu behandeln wie die Verkünder der Isthmia und das bei gleichzeitiger Anerkennung des Agons als isopythisch.313 Zudem ist zu betonen, dass das Fehlen der in Nordwestgriechenland belegten beinahe überbordenden Ehrungen der Gesandten ein recht sicheres Anzeichen für die Unabhängigkeit dieser Gesandtschaft von den Ergebnissen der zweiten und dritten zu sein scheint. Innerhalb der Gesandtschaft ist es jedoch wahrscheinlich, dass die Theoren bereits erhaltene Psephisma potentiellen Asylieverleihern vorlegten, was zu einer gewissen Verstetigung der Dokumentstrukturen führte. Ein Indiz dafür stellen die Inschriften aus Messene, Megalopolis und vom Achaischen Bund dar, die entgegen des normalen Vorgehens die Bitte um Asylie je zwei Mal unter Befolgung desselben Aufbaus verzeichnen: 10

[…] λώϊον εἶμεν καὶ ἄμεινον τοῖς σεβομένοις Ἄρτεμιν Λευκοφρυηνὰν καὶ τὰν πόλιν καὶ τὰν χώραν ἱερὰν καὶ ἄσυλον νομίζοντι, […]314 […] es ist besser und zuträglicher für die Verehrer der Artemis Leukophryene, sowohl die Stadt als auch das Umland heilig und unverletzlich zu nennen […]

Die Bitte um die Statusänderung des Agons wird ausgeführt (Z. 10–20). […] καὶ τὰν πόλιν καὶ [τὰν χώραν αὐτῶ]ν ἱερὰν καὶ ἄ[συλον εἶμεν· […]315 […] und dass sowohl ihre Stadt als auch ihr Umland heilig und unverletzlich sind […]

Das Asyliegesuch umrahmt folglich die Bitte um Statusänderung des Agons, was zum einen sehr ungewöhnlich, zum anderen pleonastisch ist. Die Verbreitung dieser strukturellen Anomalie weist auf eine Rezeption der Urkunden und recht unkritische Formulierungsübernahme hin. Dieser wenig reflektierte Umgang mit der Vorlage scheint in der tatsächlichen Asylieverleihungsformel in Megalopolis Bestätigung zu erfahren. Dort heißt es, „καὶ τὰν πόλιν καὶ τὰν χώραν εἶναι αὐτῶν ἰεράν“ ‚sowohl ihre Stadt als auch ihr Land sollen heilig sein‘.316 Der für territoriale Asylie konstitutive Terminus ἄσυλος fehlt, und das obwohl die Bitte gleich zweifach kor-

311 Rigsby 1996, Nr. 90, 19. 312 Zum Verhältnis der Olympia, Pythia, Nemea und Isthmia zu den neueingeführten Kranzagonen vgl. Remijsen 2011, 98–100. 313 Rigsby 1996, Nr. 92, 14; 10. 314 Rigsby 1996, Nr. 93, 8–10; Nr. 89, 6–9: […] λώϊον εἶμεν κα[ὶ] / ἄμεινον τοῖς σεβομένοις Ἄρτεμιν Λευκοφρ[υ]- / ανὰν καὶ τὰν πόλιν καὶ τὰν χώραν ἱερὰν καὶ [ἄ]συ- / λον νομίζουσιν […]; Nr. 88, 6–8: λώϊον ἶμεν καὶ ἄμεινον τοῖς σεβομένοις Ἄρτεμιν / Λευκοφρυηνὰν καὶ τὰν πόλιν καὶ τὰν χώραν ἱερὰν καὶ / ἄσυλον νομίζοσιν […]. 315 Rigsby 1996, Nr. 93, 20 f.; Nr. 89, 19 f.: […] καὶ τὰν πόλιν καὶ / τὰν χώραν αὐτῶν ἱερὰν καὶ ἄσυλον, Nr. 88,17 f.: […] καὶ τὰν πόλιν καὶ τὰν χώραν / αὐτῶν ἱερὰν καὶ ἄσυλον εἶναι […]. 316 Rigsby 1996, Nr. 88, 36 f.

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rekt niedergeschrieben wurde.317 Gerade die wiederholte Verwendung sonderbarer Formeln legt nahe, dass bei aller Verhandlungsabhängigkeit im Detail eine zum Teil betriebsblinde Verfestigung der diplomatischen Sprache über die Rezeption vorgelegter Dekrete von statten ging. Im Rahmen der fünften Gesandtschaft besuchen Demetrios,318 Molossos und Kallikrates die Kykladen. Zwei Dekrete sind erhalten – eines ist auffällig kurz, enthält keine Asylieverlautbarung und stammt von der Insel Delos; das zweite hat seinen Ursprung auf Paros und enthält die Unterschriften weiterer Poleis.319 Diese Aufteilung der Asylieanerkennungen könnte mit der Bedeutung, die Delos zugemessen wird, zusammenhängen; andererseits könnte die auch die bereits vollzogene Asylieanerkennung durch Delos 221 spiegeln. Denn ein einfacher Formulierungsfehler würde die Kürze des Dekrets und die Aufteilung der Dokumente nicht erklären. In dieser Gesandtschaftsserie wird eine substantivische Anerkennungsformel der Asylie verwendet und zudem betont, dass diese verlesen werden soll.320 Dies stellt einerseits eine neue Facette der Variabilität der Abläufe dar, andererseits deuten die abgewandelten Formeln auch auf Unabhängigkeit gegenüber den übrigen Gesandtschaften hin. Die summarische Verzeichnung von Asylieanerkennungen kann auch während der sechsten Gesandtschaft der Magnesier gefasst werden. Diomedon, S. d. Dionysios, Neaithos, S. d. Neaithos, und Menekrates, S. d. Polyarkos, bereisen die ionischen Poleis Kleinasiens außer Milet.321 Es ist nur eine Inschrift überliefert, die Gesandtschaft muss aber dennoch ein langwierigeres Unterfangen dargestellt haben, da die Zustimmungen der einzelnen Städte eingeholt werden mussten. Bereits Chaniotis betont, dass diese Inschrift im Gesuchsteil dem magnesischen Psephisma wohl am nächsten kommt.322 Es ist vorstellbar, dass das aus der geographischen Nähe der ionischen Poleis resultiert; doch auch die mögliche Verstetigung des Textes durch häufiges Vorlegen von Urkunden sollte nicht völlig ausgeschlossen werden. Im Hinblick auf des Prozedere der Asylieverleihung wird in diesem Beschluss ein neuer Aspekt der Optionen zur Ehrung der Asyliebewerber deutlich. Die Magneten und ihre Gesandten werden bekränzt – das Volk mit Gold, die Gesandten mit jungen Zweigen – und diese Kränze sollen bei den nächsten Dionysien mit den Eiden erwähnt werden.323 Ebenfalls ein Novum dieses Beschlusses ist das Versprechen, den Magnesiern auch in Zukunft ungefragt zur Seite zu stehen.324 In Anbetracht der Tatsache, dass 317 Natürlich ist ein Steinmetzfehler in Magnesia ebenfalls nicht auszuschließen. 318 Ein Demetrios, S. d. Demophon, ist in der Inschrift aus Antiocheia (in Pisidien?), Rigsby 1996, Nr. 125, genannt. 319 Delos: Rigsby 1996, Nr. 99; Paros und die Kykladen außer Delos: Rigsby 1996, Nr. 100. 320 Rigsby 1996, Nr. 100, 33 f.; 39. 321 Klazomenai und elf weitere ionische Städte außer Milet: Rigsby 1996, Nr. 102. 322 Chaniotis 1999, 58 f. 323 Rigsby 1996, Nr. 102, 29–32; Zur Bekränzung des Volkes, vgl. auch Rigsby 1996, Nr. 87, 31 f.; 34 f. 324 Rigsby 1996, Nr. 102, 60–66.

3.3 Magnesia am Mäander

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in der Unterzeichnerliste die Konkurrenzstadt Milet fehlt, bekommt dieses Versprechen Brisanz und verweist zugleich auf die realpolitische Verortung der Asylie. Die siebte Gesandtschaftsreise führte Diagoras, S. d. Kratinos, Zopyros, S. d. Hermonaks, und Diotimos, S. d. Lykomedes, nach Gonni, Rhodos und Kos.325 Die Inschrift aus Gonni bezeugt eine einzigartige Erwähnung der Asylie. Statt einer Bitte und einer Verleihung wird der Fakt der bereits bestehenden Asylie referiert „ἔχοντες τὴν πόλιν καὶ τὴν χώραν ἱερὰν καὶ ἄσυλον τῆς Ἀρτέμιδος τῆς Λευκοφρυηνῆς“ ‚ihre Stadt und das Umland heilig und unverletzlich habend wegen der Artemis Leukophryene‘.326 Rigsby erklärt diese ungewöhnliche Formulierung mit der bereits 221 im Rahmen des ersten Gesuchs verliehenen Asylie, während Sosin den Vorschlag macht, die Asylie wegen der bereits im Sinne von Chaniotis’ ‚wandernder Urkunden‘ in Gonni vorgelegten Dekrete als bestehend zu begreifen.327 Der Gedanke scheint zunächst nicht abwegig, da das Vorlegen bereits getätigter Anerkennungen recht beliebt war. Dennoch, die vielfachen Asyliegesuche legen nahe, dass die Asylie vom jeweiligen Interaktionspartner anerkannt werden muss, um Gültigkeit zu besitzen, wie es Slater und Summa für den Status des Kranzagons verdeutlichen. Die koische Inschrift wiederum belegt hohe Zuwendungen an die Magnesier im Rahmen der achten Theorie. Neben einem Bankett im Prytaneion erhalten die Gesandten 300 Drachmen für das heimische Opfer, Reisegeld für 30 Tage sowie das Versprechen Preisgelder an die potentiellen Sieger zu entrichten.328 Die Differenz zu den anderen Inschriften der Serie belegt die Offenheit des Verhandlungsausgangs und somit die tatsächliche diplomatische Funktion von Asyliegesuchen. Das südliche Kleinasien wurde von Lampon, S. d. Phanios, bereist und stellt die letzte Gesandtschaft dar, der sicher mehrere Inschriften zugeordnet werden können. Dabei handelt es sich um die Dekrete von Knidos und einer unbekannten Stadt im Südwesten der Asia Minor.329 Während die knidische Inschrift ‚regelmäßig‘ erscheint, werden in der Inschrift der unbekannten Stadt die Asylie und Heiligung substantivisch vermittelt.330 Unter den Einzelgesandtschaften ist die des Pythodotos, S. d. Charisios, des Epikouros, S. d. Agaristos, und des Prytanis, S. d. Pyronidos, zu den dionysischen Techniten nach Teos zu erwähnen.331 Das Gesuch den Regeln für Gesuche an Poleis oder Bünde. Darüber hinaus können weitere Gesandtschaften, für die nur eine Polis proklamiert werden kann und etliche Fragmentaria und Incerta festgestellt werden. Die Namen von Gesandten sind in folgenden Theorien bekannt: Gesandtschaft des Diotimos, S. d. Menophilos, und seines nur über das Patronym Aristeas bekannten 325 326 327 328 329

Gonni: Rigsby 1996, Nr. 83; Rhodos: Rigsby 1996, Nr. 104; Kos: Rigsby 1996, Nr. 106. Rigsby 1996, Nr. 83, 5–7. Rigsby 1996, 210; Sosin 2009, 379 f. Rigsby 1996, Nr. 106, 30–40. Knidos: Rigsby 1996, Nr. 105; unbekannte Stadt im südwestlichen Kleinasien: Rigsby 1996, Nr. 107. 330 Rigsby 1996, Nr. 107, 28–30. 331 Rigsby 1996, Nr. 103.

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Compagnons nach Syrakus; die des Leontiskos und Apollonios in nicht sicher zuzuweisende attalidische Poleis; die des Nikodemos, S. d. Mandrokleios, nach Tralleis; die des Lykomedes, S. d. Lykomedes, des Demetrios, S. d. Demophon, und des Dionysarchos, S. d. Anaxagoras, nach Antiocheia in Pisidien; die des Philenor, S. d. Zenodotos und Prytanis, S. d. Pyronidos, zu einer unbekannten Stadt.332 Über die Gesandtschaften zu Poleis und Bünden hinaus sind drei zu hellenistischen Herrschern überliefert. Pythios und Lykomedes reisen zu König Attalos I.333 Die unten gebrochene Inschrift informiert über ein magnesisches Gesuch beim König. Aus dem Brief können, da die königlichen Beschlüsse weniger stark am Psephisma orientiert sind, nur wenige Aussagen getroffen werden. Sicher ist, die Magnesier verwenden ihr Dekret auch in dieser Konstellation zur Unterstreichung ihres Gesuchs.334 Attalos I. erkennt die Erhöhung des Agons an, die Asylie hingegen nicht. Denkbar wäre, dass der König, in dessen Machtbereich Magnesia nach dem Sturz Antiochos’ Hierax zu Beginn der 220er Jahre fiel, die Asylie in Zusammenhang mit der ersten Gesuchsserie anerkannte. Der König bekräftigt jedoch, den Agon in dem Umfang der Bitte anzuerkennen und pointiert, dass seine Städte es ihm nachmachen werden.335 Es wird deutlich, dass die Gesandten um eine königliche Empfehlung gebeten haben.336 Die Position der Politen gegenüber dem Monarchen unterscheidet sich durchaus von der gegenüber anderen Poleis oder Bünden. Auch die Ausgestaltung der Bitte divergiert mit dem Wechsel der Interaktionspartner. Dies liegt darin begründet, dass die Regeln der peer polity interaction müssen gegenüber einem monarchischen Interaktionspartner – der zudem einen wichitgen politischer Akteur darstellt – angepasst werden müssen. Dabei werden die Könige allem Anschein nach in das gewachsene griechische Netz zwischenstaatlicher Kommunikation eingefügt, ohne dass eine erwartbare, den politischen Kräfteverhältnissen entsprechende Unterordnung vollzogen würde. Dies lässt sich auch in der Dokumentation der magnesischen Gesandtschaft zu Antiochos III. beobachten. Der König und sein Sohn wie Mitregenten Antiochos wurden von Demophon,337 S. d. Lykideus, Philiskos, S. d. Philios und Pheres, S. d.

332 Syrakus: Rigsby 1996, Nr. 120; attalidische Stadt: Rigsby 1996, Nr. 131; attalidische Stadt: Rigsby 1996, Nr. 128; Tralleis: Rigsby 1996, Nr. 129; Antiocheia in Pisidien?: Rigsby 1996, Nr. 125: unbekannte Polis: Rigsby 1996, Nr. 127. Stark fragmentierte Inschriften werden aus der Aufzählung trotz erhaltener Gesandtennamen(steile) herausgenommen und unter den Fragmentaria geführt. Fragmentaria mit Verzeichnung einer Gesandtschaft: Larissa?: Rigsby 1996, Nr. 75; Antiocheia?: Rigsby 1996, Nr. 126; Rigsby 1996, Nr. 108; Nr. 109; Nr. 112; Nr. 113; Nr. 114; Nr. 115; Nr. 116; Nr. 117; Nr. 118; Nr. 119; Nr. 130. 333 Rigsby 1996, Nr. 68. 334 Rigsby 1996, Nr. 68, 5. 335 Rigsby 1996, Nr. 68, 17–24. 336 Rigsby 1996, Nr. 68, 10–13. 337 Möglicherweise der Vater von Demetrios, S. d. Demophon der Antiocheia in Pisidien aufsuchte und/oder Demetrios, des Gesandten auf den Kykladen.

3.3 Magnesia am Mäander

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Pheres, aufgesucht. Die Gesandtschaft traf Antiochos III. in Antiocheia in der Persis an, während sein Sohn nicht vor Ort war.338 Die beiden seleukidischen Könige richten Briefe an die Magneten, die nahelegen, dass die Gesandten ihre Bitten mit Bezug auf ein Psephisma vorgetragen haben.339 Beide Herrscher erkennen nur die Erhöhung des Agons an, nicht aber die Asylie. Auch hier liegt die Vermutung nahe, Antiochos III. hätte die Asylie des ersten Gesuchs schon vor seinem Aufbruch nach Syrien anerkannt. Für seinen minderjährigen Sohn müsste in dem Fall Imitation der väterlichen Handlungen angenommen werden, da er zum Zeitpunkt des ersten Gesuchs noch ein Säugling war. Darüber hinaus bleibt die magnesische Gesandtschaft bezüglich der Anerkennung von Asylie und Agonerhöhung zu Ptolemaios IV. zu nennen.340 Diopeithes und Ithalides suchten ihn auf und berichteten unter Verwendung des heimischen Dekrets von ihrem Vorhaben. Dieses wurde vollumfänglich gewährt.341 Weitere Informationen zum Ablauf der Gesandtschaft werden nicht offengelegt. Zuletzt ist das Frustrum einer Königsinschrift erhalten, die Philipp V. zugeordnet wird. Seine Anerkennung der magnesischen Asylie ist ferner über die Zusammenfassung seiner Empfehlung in Chalkis belegt.342 Für das frühe zweite Jahrhundert kann darüber hinaus ein weiteres Zeugnis territorialer Asylie angeführt werden. Es handelt sich um die Anerkennung der Asylie Magnesias durch L. Cornelius Scipio343 in Zusammenhang mit seinem Sieg über Antiochos III. im Jahre 189. Diese Tatsache ist nur in Tacitus’ Auflistung der griechischen Asylorte zu Zeiten der tiberianischen Revision 22 n. Chr. überliefert344 und erlaubt daher kaum Schlüsse über das Verfahren dieses Asyliegesuchs oder die Interpretation des Sinngehalts. Allerdings sind zwei andere römische Asylieanerkennungen des zweiten Jahrhunderts sind jedoch in epigraphischer Form überliefert. Dabei handelt es sich um die ähnlich kontextualisierbare und ungefähr gleichzeitig datierende, fragmentarisch erhaltene Asylieanerkennung der Scipionen an das Apollonheiligtum in Klaros bei Kolophon. Des Weiteren ist die Asylieverleihung Roms an Teos von 193 zu berücksichtigen.345 Gerade im Brief der Scipionen erzeugen die Nennung der Gesandtschaft und eines vorgebrachten Psephismas sowie Verwendung einer Standardmäßigen Formel zur Asylieverleihung an Heiligtümer einen recht ‚griechischen‘ Eindruck.346 Der fragmentarische Zustand erlaubt zwar keine zu weitreichenden Äußerungen, dennoch sind gewisse Tendenzen erkennbar. Zu betonen ist, dass die Römer in ih338 Antiochos III.: Rigsby 1996, Nr. 69; Antiochos, S. d. Antiochos III.: Rigsby 1996, Nr. 70; Antiocheia in der Persis: Rigsby 1996, Nr. 111. 339 Rigsby 1996, Nr. 69, 6 f.; Nr. 70, 6 f. 340 Rigsby 1996, Nr. 71. 341 Rigsby 1996, Nr. 71, 7; 12–15. 342 Rigsby 1996, Nr. 72; Nr. 97, 1–8. 343 Zum Duktus der Scipionenbriefe vgl. Hofmann 2014, 191–193. 344 Tac. ann. 3, 62. 345 Rigsby 1996, Nr. 173; Nr. 153. 346 Rigsby 1996, Nr. 173, 5–8; 10.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

ren frühesten Asylieanerkennungen des zweiten Jahrhunderts die griechischen Gepflogenheiten noch relativ stark reziperten und zur Anwendung brachten. Sie partizipierten an diesem Phänomen zunächst also wie ein Akteur der griechischen Oikumene, auch wenn deutlich herausgestellt werden muss, dass sie stets eine eigene römischen Konzepten folgende Sicht auf die Dinge beibehielten. Sheila L. Ager spricht in diesem Zusammenhang treffend von einem „conceptual clash“.347 Es scheint nicht unwahrscheinlich, dass auch die Asylieanerkennung des L. Cornelius Scipio tatsächlich eine – formal griechischen Gepflogenheiten folgende – Reaktion auf ein magnesisches Gesuch darstellte, das den Politen in Anbetracht der veränderten politischen Verhältnisse nach dem römischen Sieg über Antiochos III. opportun erschien: Rom wurde für sie zu einem relevanten Akteur in der multilateral vernetzten griechischen Staatenwelt.348 Das Asyliegesuch Magnesias wurde – um kurz zusammenzufassen – bei zwei Gelegenheiten vorgetragen. Die erste Gesuchsserie ist nach eigener Angabe der Magnesier gescheitert. Dieses Scheitern bezog sich vermutlich auf die Erhöhung des Agons der Artemis Leukophryene zum Kranzagon, da Indizien für die Asylieanerkennung kumulativ vorhanden sind. In der zweiten Gesuchsserie wurde ob der vorangegangenen Ablehnung der Statuserhöhung des Agons verstärkt auf selbige fokussiert. Zudem wurde der Zeitraum für die diplomatischen Verhandlungen ausgeweitet, um eine möglichst vielfältige Netzwerkausrichtung zu gewährleisten. Alle politischen Akteure der konfliktdurchwobenen Zeit wurden miteingeschlossen – Könige, Bünde, Poleis und Rom. Die Diplomaten waren in Gesandtschaften organisiert, die unter Zuhilfenahme eines städtischen Psephisma die Anerkennung der Asylie und des Kranzagons vorantrieben. Dabei fällt auf, dass gerade bei längeren Gesandtschaften eine Verstetigung der formalen Strukturen sowie der Sprache der Dokumente auftritt, was sicher mit Chaniotis’ Konzept der ‚wandernden Urkunden‘ in kausalen Zusammenhang zu bringen ist: Die bereits vorhandenen Dekrete wurden im Rahmen des nächsten Gesuchs zur Begutachtung vorgelegt. Die Verstetigung ist jedoch nicht nur auf der Ebene der Dokumente festzustellen, vielmehr lassen sich auch hinsichtlich der Begleitehrungen für die Theoren wie die Spenden für die Leukophryene innerhalb einzelner Gesandtschaftsreihen gewisse gruppendynamische Prozesse beschreiben, die sich für die großen Unterschiede zwischen den einzelnen Gesandtschaften zusätzlich gewährten Privilegien als verantwortlich erweisen. Im nordwestgriechischen Raum und auf Euboia haben sich beispielsweise recht hohe Ehrungen und Geldsummen etabliert, während auf den Kykladen und dem Peloponnes andere Schwerpunkte gesetzt wurden. Interferenzen zwischen den Ausgestaltungen der Dokumente verschiedener Gesandtschaften in diesem Zusammenhag lassen sich nur im Falle personaler Teilübereinstimmungen belegen. 347 Ager 2009, 15–17. 348 Zu griechischer Selbstrepräsentation in Rom und römischer Sicht auf die griechische Diplomatie, vgl. jetzt Rosillo-López 2015 mit Literatur; Gibson 2014; Hofmann 2014; Ager 2009; Grundlegend zur Roms Teilhabe am griechischen politischen Kosmos vgl. Eckstein 2006, bes. 79–117; Woolf 1994; Gruen 1984, bes. 203–287; zur Rolle von Festspielen im griechischen Osten vgl. Klose 2005, bes. 127.

3.3 Milet

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Die Diplomaten trugen ihr Anliegen, was wohl auch von starker Konkurrenz zu Milet getrieben war, mit Nachdruck vor und bestimmten so den Aktionsradius ihrer Polis. Das entwickelte Netzwerk der Magneten richtete sich nach allen Seiten hin aus und inkludierte alle handlungstreibenden politischen Akteure. Dafür unternahmen die Politen sogar Jahre nach ihrem Gesuchsbeschluss noch Gesandtschaften, etwa zu Antiochos III. (sicher nach 205) oder zu den römischen Abgesandten im beginnenden zweiten Jahrhundert. i. Milet, Polis und Heiligtum des Apollon in Didyma Um 216 ist Milets Gesuch um die Anerkennung der Asylie des Heiligtums des Apollon in Didyma zu verorten.349 Die Asylie ist über ein eigenes, positiv beantwortetes Psephisma der Milesier an die Koer bezüglich der Anerkennung der Didymeia als Kranzagon sowie eine Asylieanerkennung aus Aptera überliefert. Zudem ist eine gegenseitige kollektive Verleihung persönlicher mit dem Aitolischen Bund aus der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts, vermutlich nach 215, hervorzuheben.350 Generell bettet sich das Asyliegesuch in eine im dritten Jahrhundert bereits eingeübte diplomatische Praxis der Milesier ein, mit Königen,351 Städten und Bünden352 der Verhandlung um Privilegien und Kontaktpflege ein. Dabei spielt die Interaktion mit hellenistischen Monarchen eine nicht unbedeutende Rolle, wie die zügige Anerkennung des Königtums des Seleukos II. nach dem Tode seines Vaters, Antiochos II., im Jahre 246 nahelegt. Diese Parteinahme für Seleukos II. im seleukidischen Thronstreit ist über ein Antwortschreiben des Kö349 Datierung nach Rigsby 2010, wo der Autor festhält, die in IG XII 4, 1, 153, 1 vorgefundene Datierung „ἐπὶ Ἱπποκράτευς, μηνὸς Αρτεμιτίου“ stelle eine Amalgamierung koischer und milesischer Formen dar. Während der kombinierte Monatsname relativ deutlich auffällt, ist auch für den Magistratennamen ein Fehler des koischen Steinmetzes anzunehmen. Vermutlich hat er den ihm weniger bekannten Namen Epikrates durch das geläufigere Hippokrates ersetzt. Ein milesischer Stephanophore Epikrates ist 217/216 belegt. Der ‚traditionelle‘ terminus post quem des milesichen Dekrets an die Koer ist durch die wechselseitigen unilateralen Isopolitieverträge Milets und Tralleis’ von 212/211 gegeben, wo eine Theorie der Bürger von Tralleis zu den Didymeia ohne Erwähnung des Status der Festspiele als Kranzspiele verzeichnet ist, obwohl der Duktus der Inschrift diese vermuten ließe (StV III, 537, 64–66); den terminus ante quem liefert ein Ehrendekret der Milesier für Eudemos, S. d. Thallion, aus dem Jahre 206/205, in dem die Didymeia bereits als penteterisches Fest etabliert sind (Milet I 3, 145 und Milet VI 2, 145; vgl. dazu auch Rigsby 1996, 175). Für die Asylieverleihung im ersten Jahrhundert s. 260 f. 350 Milet VI 3, 1031 (= StV III 564). Vgl. dazu ferner Gauthier 1972, 263–266. Zur Datierung und Einordnung, vgl. Funke 2000, 514 f. 351 Antigonos Gonatas 312 verleiht Eleutheria und Autonomie: Milet I 3, 123; Verhandlungen Milets mit Ptolemaios II. um Wiederholung von Privilegien, 260er Jahre: Milet I 3, 139 und Milet VI 1, 139 mit Kommentar und Übersetzung; Antiochos II. verleiht Eleutheria und Demokratie, um 250: I.Didyma 358; Seleukos II. erinnert 246 in einem fragmentarischen Brief der Wohltaten seines Vaters, I.Didyma 493. 352 Für Abkommen zwischen Milet und anderen Poleis oder Bünden, Ehreninschriften für politisch bedeutsame Milesier u. ä., vgl. Milet I 3, 135–138; 140–155; Milet VI 1, 135–138; 142–144; 146–155; Milet VI 3, 1031–1038.

132

3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

nigs belegt, in dem er den Milesiern für die Anerkennung und Ehrung mit einer Krone des didymeischen Apollon dankt.353 Diese Inschrift wurde bereits von den Herausgebern mit einer Asylieverleihung des Königs in Zusammenhang gebracht.354 Allerdings sprechen weder das Vokabular noch die Struktur des Briefes für diese Annahme; vielmehr wirkt der Brief recht vage, gerade wenn man die zeitgenössische Asylieanerkennung Smyrnas durch den Herrscher zum Vergleich heranzieht. Im Falle von Smyrna empfiehlt Seleukos II. die vollzogene Asylieanerkennung nämlich explizit weiter, wie ein delphisches Dekret beweist.355 Des Weiteren ist unter den Zeugnissen der außenpolitischen Beziehungen Milets der erwähnte Vertrag mit den Aitolern aus der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts hervorzuheben. Dabei handelt es sich um das einzige erhaltene und sicher zuzuordnende bilaterale Abkommen über Asylie. Im Dekret heißt es:

5

10

στραταγ[έοντος–, ἱππαρχέοντος –, γραμματεύ]οντος δὲ τῶ̣[ν Αἰτωλῶν –, τῶν δὲ συνέδρων –] τοῦ Τιμαίου Ἀρσ̣[ινοέος. ἔδοξε τοῖς Αἰτωλοῖς· κυρίαν εἶναι τὰν συνθήκαν Αἰτωλῶν] καὶ Μιλησίων, ἃν [συνέθεντο Αἰτωλῶν –, Μιλησίων δὲ –] Ἀγελόχου, Βάβων Ἱπ̣[π– ἐπὶ τοῖσδε· διαφυλάσσειν Μιλησίους ποτὶ Αἰτωλοὺς καὶ τοὺς ἐν Αἰ]τωλίαι κα{ι}τοικέοντας {κατοικέοντας} [τὰν φιλίαν τὰν ὑπάρχουσαν. δόμεν δὲ αὐτοῖς καὶ ἀσυλίαν καὶ ἀσφά]λειαν καὶ αὐτοῖς καὶ χ[ρ]ήμ[ασι καὶ πολέμου καὶ εἰράνας καὶ κατὰ γᾶν καὶ κατὰ θάλασσαν]. κὰτ τὐτ[ὰ] δὲ καὶ Μιλησίοις κα[ὶ τοῖς ἐν Μιλήτωι κατοικεόντοις ἀσφάλειαν ὑπάρχειν] ἐν Αἰτωλίαι καὶ αὐτοῖς καὶ χρήμ[ασι τὰ ἀπ’ Αἰτωλῶν καὶ τῶν ἐν Αἰτωλίαι κατοικεόν]των. […] Als Stratege war N. N., Hipparch N. N., Sekretär der Aitoler N. N., (Sekretär) der Ratsmitglieder N. N., der Sohn des Timaios, aus Arsinoë, beschlossen die Aitoler: Gültig sein soll der Vertrag der Aitoler und der Milesier, den vereinbart haben von den Aitolern ---, von den Milesiern N. N., Sohn des Hegelochos, und Babon, Sohn des Hipp---, zu folgenden Bedingungen: Die Milesier sollen gegenüber den Aitolern und den in Aitolien Wohnenden die bestehende Freundschaft bewahren, sie sollen ihnen Asylie und Sicherheit gewähren, ihnen selbst und ihrem Vermögen, im Krieg und im Frieden, zu Land und zur See. In gleicher Weise soll auch für die Milesier und die in Milet Wohnenden Sicherheit bestehen in Aitolien, für sie selbst und für ihr Vermögen sowohl von Seiten der Aitoler als auch der in Aitolien Wohnenden. […]356

Darauf folgen Bestimmungen, die das Verfahren der Restitution entgegen des Vertrags geraubter Güter samt Kompensationszahlung erläutern (Z. 11–20). Die Zuständigkeit für die Ausführung dieser Übereinkunft liegt bei den aitolischen Bundesbehörden. Die Milesier treten in diesem zweiten Teil der Inschrift vornehmlich als mögliche Opfer und die Aitoler als potentielle Täter auf, soweit der fragmentarische Zustand des Textes eine diesbezügliche Erläuterung erlaubt.357

353 I.Didyma 49. 354 Zur Diskussion mit ablehnendem Standpunkt vgl. Boffo 1985, 181; vgl. auch Rigsby 1996, 174. 355 Rigsby 1996, Nr. 7. 356 Milet VI 3, 1031, 1–11 mit Übersetzung. 357 Vgl. dazu auch den Kommentar zu Milet VI 3, 1031.

3.3 Milet

133

Diese Inschrift überliefert folglich eine kollektive gegenseitige Verleihung persönlicher Asylie und Asphalie mit Sanktionsandrohung. Die Unverletzbarkeit bezieht sich ohne Frage auf die Bürger Milets und die Aitoler und stellt einen Vorteil hinsichtlich des Handels, vor allem zur See, dar. Damit wahrt Milet seine Interessen zu einem Zeitpunkt, als die Unwägbarkeiten im westlichen Kleinasien wegen der Machtverschiebungen zwischen den großen und mittleren hellenistischen Reichen sicher nicht zu unterschätzen waren. Vor diesem Hintergrund ist auch die milesische Asylieinitiative als eine Facette des proaktiven Umgangs mit der unsicheren Situation im ausgehenden dritten Jahrhundert zu deuten. Das Vorgehen der Politen wird wegen der erhaltenen Bitte um Anerkennung der Didymeia als Kranzagon358 seitens der Koer359 des Jahres 216, die auch eine Asylieanerkennung belegt, weitaus greifbarer als üblich. Die Milesier argumentieren in ihrem Psephisma, ihre Stadt und Chora seien durch die Vereinigung von Leto und Zeus und ein Orakel von Apollon Didymaios geheiligt (Z. 8– 11). Gottbegünstigte Könige, Poleis und Bünde hätten dies erfahren und die Heiligung wie Asylie ohne Anfrage anerkannt (Z. 11–18). Aus demselben Orakelspruch resultiere nun – so das Psephisma – die Umformung der Didymeia zum Kranzagon (Z. 18–25). Die Stadt beschließt eine Gesandtschaft an die Koer einzurichten, die mit der Erfolg bringenden Asylieverleihung argumentierend die Anerkennung des Kranzagons befördern sollen (Z. 25–26).360 Diese Inschrift der Milesier weist eine vergleichbare Strukturierung auf wie die in Briefform erhaltenen Asyliegesuche des Attaliden Eumenes II.361 Der Aufbau der Dokumente ähnelt dem von Asylieanerkennungsurkunden, mit dem Unterschied dass im Falle der erhaltenen Gesuche die Gründe für die Bitte dem Scharnierelement vorausgehen und die Formulierung der vorzustellenden Bitte folgt. So überrascht es nicht, dass sowohl bei Asyliegesuchen als auch bei Bitten um die Akzeptanz eines veränderten Status der Festspiele ähnliche Mechanismen der Vorbereitung griffen: Gesandte wurden benannt, mit einem Psephisma ausgestattet und gezielt entsandt.362 Der Beschluss der Koer über die Bestätigung des milesischen Gesuchs ist in stark fragmentarischer Form erhalten. Der Aufbau der Inschrift entspricht dem auch bei Asylieanerkennungen üblichen Beschlussformular. Aus dem erhaltenen Text geht nicht hervor, ob die Koer in Zusammenhang mit ihrer Bestätigung der Didymeia als Kranzagon auch die Asylie anerkannten. In Anbetracht des Vorgehens der Koer bei der eigenen gleichzeitigen Verkündung der Asklepieia und der Asyliebitte scheint diese Option im Bereich des Möglichen. Ebenfalls logisch nachvollziehbar wäre – getreu der Nachricht des Gesuchs – eine vorherige Anerkennung der Asylie durch die Koer, so dass nun die Bitte um 358 Zur Dekonstruktion der Dichotomie Kranzagon/Preisagon für epigraphische Quellen der hellenistischen Zeit vgl. Remijsen 2011, bes. 99 f.; 108 f. 359 IG XII 4, 1, 153; IG XII 4, 1, 154 stellt die Anerkennung der Bitte dar (beide Anhang 2). 360 Zur strukturellen Vergleichbarkeit mit der Stiftungsurkunde aus Magnesia am Mäander vgl. Knäpper 2018 (im Druck). 361 Rigsby 1996, Nr. 176; Nr. 177. 362 Zu Festspielnetzwerken vgl. van Nijf/Williamson 2016.

134

3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

die Erhöhung der Didymeia im Vordergrund stünde. Auch völliges Fehlen einer Asylieanerkennung durch die Koer lässt sich keineswegs ausschließen. Da die Milesier den ungewöhnlichen Fakt einer nicht von ihnen initiierten Asylieanerkennung jedoch in ihrem Psephisma betonen (Z. 16), scheint die zweite Möglichkeit am schlüssigsten. Daneben ist das milesische Asyliegesuch über eine in Milet erhaltene, stark gebrochene Inschrift aus Aptera mit einer umfassenden Anerkennung der Asylie bezeugt. Die Inschrift wurde nach ausschließlich paläographischen Kriterien in das letzte Viertel des dritten Jahrhunderts datiert.363 Der Ablauf der Ereignisse stellt sich bei Annahme dieser Hypothese wie folgt dar: In einer ersten Phase frühestens gegen Ende der vorletzten Dekade des dritten Jahrhunderts wurde ein Orakel über Asylie der Polis und des Heiligtums sowie die Erhöhung der Didymeia eingeholt. Nach Bekanntwerden des Orakels wurde im zweiten Schritt die Asylie der Polis und des Heiligtums ohne spezifisches Asyliegesuch der Milesier anerkannt. Darauf folgte zu Beginn der letzten Dekade des dritten Jahrhunderts die Bitte Milets um Statuserhöhung der Didymeia. Ob das Asyliegesuch mehrere Phasen aufgewiesen hat, kann nicht mehr nachvollzogen werden. Allerdings bleibt bei diesem Vorschlag ein wichtiges Problem, das den Ablauf der Asyliegesuche zentral betrifft, ungelöst, und zwar die nach der Verbreitung des zur Asylieverleihung führenden Orakels. Eine von Milet völlig unintendierte und vielfach getätigte Verleihung territorialer Asylie ist hinsichtlich der üblichen Abläufe ungewöhnlich; zudem holten die Milesier das betreffende Orakel in Didyma – dem für die Asylie vorgesehenen und von Milet verwalteten Heiligtum – ein. Es drängt sich die Vermutung auf, dass die Milesier die Asyliebitte zumindest inoffiziell gegenüber denjenigen, die das Orakel befragten, vorbrachten. Die Erklärung des milesischen Briefes an die Koer, dass gerade diejenigen Stämme, Poleis und Könige die Asylie bereits anerkannt hätten, die die größten Erfolge auf Grund der Ratschläge des Orakels verbuchen konnten (οἱ τετευχότες τῶν μεγίστων τῆς παρὰ τοῦ θεοῦ συμβουλίας)‚364 scheint die Annahme zu bestätigen. Eine Verbreitung des Orakels seitens der didymaischen Funktionäre anlässlich von Orakelkonsultationen öffentlicher Träger scheint wahrscheinlich. Möglicherweise ist sogar von einer Empfehlung der Ehrung des Apollon auf die übliche Formel der Orakelkonsultation, zu welchen Göttern und Heroen man zu opfern hätte, um das Gewünschte zu erreichen, auszugehen.365 Andererseits ist in deisem Zusammenhang auf die Konkurrenzsituation zur benachbarten Polis Magnesia am Mäander zu verweisen.366 Das von dort bekannte 363 Rigsby 1996, Nr. 65. 364 IG XII 4, 1, 153, 11–16; vgl. dazu ferner Slater/Summa 2006, 284. 365 Aus Didyma sind durchaus Orakelanfragen und -atworten mit rituellen Handlungsanweisungen bekannt: Fontenrose 1988, Nr. 15, 20, 26, 27, 30, 31, 32 (nur historische Antworten verwertet); zu Orakelantworten mit Ritualkontext am Beispiel Dodonas, vgl. Carbon 2015. 366 S. 113–131. Zur Rivalität zwischen Magnesia und Milet vgl. jetzt Knäpper 2018 (im Druck); vgl. ferner Thonemann 2007; Zur Logik und Ausdruck von Städtekonkurrenz vgl. etwa Gygax 2016, 26–57; Ma 2003; Gehrke 1986, 46–49; im Hinblick auf Architektur am Beispiel Perges vgl. Heinzelmann 2003.

3.3 Anaphe

135

Bemühen um Asylie und die Statuserhöhung der Leukophryeneia seit den späten 220er Jahren scheint in starket Konkurrenz zu mileischen Bemühungen gestanden und eine Rivalitätsspirale entfacht zu haben. Die Rolle Milets erweist sich bezüglich der eigenen Positionierung im Kräftespiel der politischen Akteure des ausgehenden dritten Jahrhunderts in Kleinasien als eigenständig und proaktiv. Der Prozess der Asylie- und Festspielanerkennung spiegelt die Nutzbarmachung aller verfügbaren Ressourcen zur Positionierung der Polis im Machtgefüge der damaligen Zeit. j. Anaphe, Polis und Heiligtum des Apollon Asgelatas Für die Insel-Polis Anaphe, Heimat des berühmten Heiligtums des Apollon Aigletes,367 ist aus der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts eine Asylieanerkennung seitens des Kretischen Koinons belegt.368 Die Asylieanerkennung des Kretischen Koinons stellt das einzige Dokument seines Typs aus Anaphe dar. Es handelt sich um einen knapp formulierten Beschluss, der ohne weitere Nennung der Gründe, direkt nach der Datierungssequenz, die Asylie des Apollonions auf die Polis und Chora ausweitet:

15

[…] ἄσυλον ἦμεν [Ἀ][ναφαίω]ν̣ τὰν πόλιν κα[ὶ] [τὰν χώρ]α̣ν καθὼς καὶ τὸ [ἱ][ερὸν ὑ]π̣άρχει ἄσυλον[…]369 […] Die Stadt und das Umland der Anaphier sollen unverletzlich sein wie das Heiligtum unverletzlich ist […].

Es wird also eine ungewöhnliche Verleihungsformel für das Heiligtum verwendet und darüber hinaus der Zusatz angefügt, die Asylie des Heiligtums soll auf die Polis übergehen. Es steht zu vermuten, dass die Aussparung des Terminus ἱερὸς sich aus der Übertragung des in Zusammenhang mit Heiligtümern verwendeten Formulars resultiert. An die Asylieverleihung werden zudem Sanktionen für die Anwendung des συλᾶν angeschlossen.370 Das heißt einerseits, dass die territoriale Asylie in diesem Fall eindeutig als Einschränkung des συλᾶν konzeptualisert ist; andererseits deutet es auf Absicherungsmechanismen der Asylieverleihung hin. Aus der vorhandenen Quelle kann nicht geschlussfolgert werden, wie aktiv die Anaphier diese Asylieanerkennung eingefordert haben. Es werden weder Gesandte noch ein Psephisma oder Zuwendungen jedweder Art verzeichnet. Auch über das Netzwerk des potentiellen Gesuchs können keinerlei Aussagen getroffen werden. Vorstellbar wäre ein größer angelegtes Asyliegesuch oder aber auch eine zielgerichtete Bemühung der Anaphier um Eindämmung von Kreta ausgehender Gewalt. 367 Apollod. 1, 139. 368 Zur Datierung vgl. ICret IV 197; vgl. ferner Ager 1994, 7 f. mit Zusammenfassung der älteren Argumentation. 369 Rigsby 1996, Nr. 175. 370 Zur Ausdeutung der prozessrechtlichen Bestimmungen vgl. Chaniotis/Kritzas 2010; ferner Ager 1994; Chaniotis 1996b, 136–149.

136

3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

k. Teos Die Asylie der Polis Teos und ihres Umlandes wurde im Rahmen zweier Gesuchsserien im ausgehenden dritten Jahrhundert und in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts anerkannt. Im Rahmen der zweiten Serie wurde der Asyliestatus nach Aussage der Zeugnisse ohne vorherigen Verlust desselben erneut betont. Bei der Hafenstadt Teos handelt es sich um eine mittelgroße und wohlhabende ionische Polis.371 Nach traditioneller Interpretation und Datierung wurde Teos etwa zwei Generationen vor der Asylieinitiative, also in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts von einem umfänglichen Piratenüberfall372 heimgesucht.373 Das erpresste Lösegeld, das die Piraten offenbar als Zinsleistung für eine nicht näher spezifizierte Schuld begriffen, entsprach wohl etwa dem Zehntel des Vermögens der Polis und wurde unter Zuhilfenahme eines Eides und eines epigraphisch überlieferten Volksbeschlusses374 von der Bürgerschaft eingesammelt. Sencer Şahin deutet die Angreifer – unter Rückgriff auf Peter Herrmanns Interpretation der Asylie der Stadt als Reaktion auf den Piratenüberfall –375 im Rahmen seiner Erstedition der erwähnten Inschrift als kretische Piraten.376 Diese Verbindung zwischen Piraterie und Asylie in Teos wird in der Literatur häufig als Exempel angeführt, wenn es darum geht, territoriale Asylie zu erklären.377 Auch wenn die Abwehr der Piraterie – ohne akkurate Definition dieses Begriffs – als alleinige Erklärung der territorialen Asylie von den meisten Forschern sicher als zu kurz greifend abgelehnt wird, scheint das teische Beispiel doch ein plausibles Muster zu liefern: noch Jahre nach dem finanziell fast ruinösen Piratenüberfall setzen die Teier auf größtmögliche Absicherung gegenüber den piraterieberüchtigten Akteuren in der Ägäis. So logisch diese Annahme scheint, so sehr bedarf sie in Anbetracht einer neuen Interpretation der ‚Pirateninschrift‘ seitens Ludwig Meiers der Überprüfung.378 Im Rahmen seiner Neuedition der teischen Inschrift kann Meier den Text an einigen Stellen erweitern. Für die hier besprochenen Zusammenhänge ist die neugewonnene Lesung von Zeile 20 [- – – – – – – – -πόλ]ε̣μον ε̣ἰ̣σ̣φ[ερ- – – – – – – – – – – πρ] ὸς βασι̣λ̣έ̣α̣ [Δημή]τ[ρι]ον καὶ τοὺς Σ[-] bedeutsam, in der Meier ein Bündnis mit 371 Fernández 2009, 71; Aneziri 2003, 81. 372 Zu Piraterie vgl. grundlegend Ormerod 1967; Pritchett 1991 mit Forschungsüberblick (312–320); de Souza 1999; Gabrielsen 2001; Wiemer 2002 mit Forschungsüberblick (111– 113); Chaniotis 2005c, 133–140; Gabrielsen 2013; Bresson 2016, bes. 181–184; 280–285; 302–305; vgl. ferner Wendt 2016. Zum συλᾶν, s. 32–38. 373 Şahin 1994, bes. 14 f.; Merkelbach 2000. 374 Şahin 1994. 375 Herrmann 1965, 113 f. 376 Şahin 1994, 4. 377 Vgl. etwa De Souza 1999, 69; Aneziri 2003, 94 Buraselis 2003, 154 f.; Kvist 2003, 195– 198. Differenziertere Auseinandersetzung mit Piraterie in Hinblick auf Asylie: Schlesinger 1933, 13, 16; Gauthier 1972, 249–265; Brulé 1978, bes. 94; Bravo 1980, bes. 970–973; Errington 1980, 282; Wiemer 2002, 140–141; Buraselis 2003, 154 f.; Kvist 2003, 195–198; Chaniotis 2005c, 137 f. Dagegen vgl. Rigsby 1996, 16 f., 22–24. 378 Meier 2017, 118–129 (Text, Übersetzung und kritischer Apparat).

3.3 Teos

137

Demetrios Poliorketes erkennt.379 Er verweist dabei zu Recht auf die Möglichkeit, dass der in der Inschrift häufig verwendete Terminus πειρατὴς auch auf Söldner hellenistischer Monarchen, möglicherweise des Gegenspielers Poliorketes’ Lysimachos – bezogen sein kann.380 Diese Interpretation bedeutet aber eine merkliche Heraufdatierung des Dokuments in die Zeit um 300, für die Meier in der Interpretation der in der Inschrift aufgeführten Nominale ein weiteres Indiz findet.381 Für die These von der territorialen Asylie Teosʼ als Konsequenz von (kurz zuvor erlebter) Piraterie bedeutet diese Neuinterpretation zweierlei: Einerseits ist die zeitliche Verbindung beider Ereignisse geschwächt, denn als direkter Auslöser für das teische Asyliegesuch eignet in der Phase der „cruel interstate anarchy“382 wohl kaum ein etwa 100 Jahre zurückliegendes Ereignis. Andererseits scheint auch die Piratenhypothese einen wichitgen Pfeiler zu verlieren, denn mit Meier lassen sich die im teischen Dekret beschriebenen Handlungen dem Phänomen des συλᾶν beiordnen. Dafür bedarf es nicht zwingend gewohnheitsmäßiger Piraten, vielmehr lassen sich sowohl Regionen ausmachen, wo das συλᾶν zur traditionellen Ausbildung junger Krieger gehört, als auch Gelegenheiten an denen reguläre Soldaten oder Söldner im Gefolge hellenistischer Monarchen oder in Ermangelung anderweitiger Einkommensquellen das συλᾶν praktizieren.383 Bezogen auf das teische Asyliegesuch kann die soganannte ‚Pirateninschrift‘ folglich nicht als handlungstreibendes Moment, wohl aber als eine Facette der zeitgenössischen Wahrnehmung ehemaliger politischer wie wirtschaftlicher Instabilität gesehen werden. Als wenn man nun die Piratenüberfälle nicht als Anlass der Asylie erkennen will, lässt sich nicht verschweigen, dass sich die Phase, in die die Asylieanerkennung datiert wird, sich als äußerst konfliktbeladen und ereignisreich darstellt. Aus diesem Grund ergibt sich eine breite Streuung der Datierungsvorschläge für beide teischen Asyliegesuche. Das erste Gesuch wird zwischen 219/218 und 197/196 angesetzt. Zu den wichtigsten Datierungskriterien zählen die in den Dokumenten zitierten innerkretischen Konflikte sowie Ehrungen der Teier an Antiochos III. in Zusammenhang mit seiner Asylieanerkennung. In der Einschätzung, welche innerkretischen Konflikte gemeint sein könnten,384 wann die erneute Zuwendung Antiochos III. in das westliche Kleinasien stattfand385 und ob die ersten Asylieanerkennungen

379 380 381 382 383 384

Meier 2017, bes. 133 ff.; 166–170. Meier 2017, bes. 135–140; 170 f. Meier 2017, 165–167. Eckstein 2006, 3. Chaniotis 2005c, 133–140; Eckstein 2006, 84, Anm. 20 mit älterer Literatur. Vinci 2008/2009, 199–204, spricht sich für eine frühe Datierung der kretischen Asylieanerkennungen der ersten Serie etwa 219/218 aus. Er hält entgegen der communis opinio die beschriebenen Auseinandersetzungen für Belege des Lyttischen (222–219/218), nicht des Kretischen Krieges (206–204); vgl. ferner Ager 1996, Nr. 58; MA 1999, 260–265 mit ausführlicher Diskussion der vorgebrachten Argumente. 385 Piejko 1991, datiert mit idiosynkratischer Argumentation die Kampagne Antiochos’ III. im westlichen Kleinasien auf 197/196 herunter; dagegen Rigsby 1996, 284; Ma 1999, 264 f.; Aneziri 2003, 92 f. mit umfassender Literatursammlung.

138

3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

vor oder nach diesem Ereignis anzusetzen sind,386 sind die Unterschiede der Datierungen begründet. Die Annahme, dass das teische Ehrendekret für Antiochos III. in Antwort auf eine Asylieverleihung entweder dem ersten Gesuch – im Sinne einer königlichen Initiative – kurz vorausging oder eher noch ebendiesem zügig folgte,387 scheint m. E. die schlüssigste Hypothese. Die Asylieverleihung durch den König gehört klar in die Phase der Verstärkung seiner westkleinasiatischen Aktivitäten in der letzten Pentade des dritten Jahrhunderts, am ehesten 203–201.388 Die allgemeine Unruhesituation in Kleinasien um die Wende vom dritten zum zweiten Jahrhundert hat, wie bereits beschrieben, auch in Kalchedon, Milet und Magnesia Bemühungen um Asylie hervorgerufen. 193 folgt eine Asylieanerkennung Roms, die neben teischen Gesandten auch ein Gesandter Antiochos’ III. vermittelt hat.389 Die zweite Bitte um Asylieanerkennung haben die Teier zu einem späteren Zeitpunkt, zwischen 170 bis 133 verbreitet. Diese zweie Serie wird vor allem nach paläographischen Kriterien datiert. Guarducci und in der Folge Rigsby haben die Schrift eher der ersten, denn der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts zugeordnet.390 Einen genaueren Zeitpunkt festzulegen, lassen die Kenntnisse teischer Geschichte nicht zu. Neben den Asylieanerkennungen informieren auch zwei Ehrendekrete der Teier an Antiochos III. über die territoriale Asylie der Polis.391 Gerade in Hinblick auf das Prozedere der Asylieverleihung können diese und das Antwortschreiben des Königs wichtige Hinweise liefern. Im ersten Ehrendekret werden die Asylieverleihung und ihr Kontext erläutert. Der Datierungsformel (Z. 1) folgt die Zusammenfassung der Ereignisse. Bei seiner Ankunft in Teos erwies sich König Antiochos III. als Wohltäter der Stadt, die durch Krieg und Tributleistungen geschwächt war (Z. 1–17). Er erließ folgendes:

20

[…] εἰς τὴν ἐκκλησίαν αὐτός ἀνῆκε τὴ[ν] πόλιν καὶ τὴγ χώραν ἡμῶν ἱερὰν καὶ ἄσυλον καὶ ἀφορολόγη̣τ̣ον κ[αὶ] τῶν ἄλλων ὧν ἐφέρομεν συντάξεων βασιλεῖ Ἀττάλωι ὑπεδέξατο. […] […] in der Volksversamlung gab in eigener Person unsere Stadt und das Landgebiet frei, (indem er sie) als heilig und unverletzbar und abgabenfrei (erklärte), und gab die Zusage, daß wir

386 Vinci 2008/2009, 199–204, geht davon aus, dass die kretischen Asylieanerkennungen vor der Asylieanerkennung Antiochos’ III. stattfanden. 387 Gluskina 1977, geht davon aus, Antiochos III. habe auf ein den Attaliden vorgebrachtes Gesuch geantwortet, als Teos in seinen Machtbereich fiel. 388 Herrmann 1965, 97; Rigsby 1996, 285; Ma 1999, 260–265; Aneziri 2003, 92 f.; Kvist 2003, 190 f.; Fernández 2009, 72 f. 389 Vgl. dazu Errington 1980. 390 ICret I 28; Rigsby 1996, 289; vgl. dagegen Barth 1888, 56, mit einer Datierung auf die Jahre 152–133. 391 Herrmann 1965, Nrn. 1–4 mit Übersetzung, wobei Nr. 4 einen Brief Antiochos’ III. darstellt; neuere Gesamtedition der vier Dokumente SEG 41, 1003; in Herrmann 1965, 157–159, liegen wohl Briefe des Sohnes Antiochos’ III. vor; vgl. dazu Ma 1999, 317–321; vgl. ferner Rigsby 1996, 281–283.

3.3 Teos

139

durch ihn auch von den anderen Beiträgen, die wir dem König Attalos zu entrichten hatten, befreit würden. […]392

Der König verleiht also der Polis und ihrem Umland Asylie sowie Freiheit von Tributsleistungen. Eine Gesandtschaft an den König wird nicht erwähnt, jedoch betont, er habe selbst vor der Volksversammlung gesprochen. In Zusammenhang mit seinen Bemühungen in Kleinasien Fuß zu fassen, liegt eine initiative Asylieverleihung seitens des Königs durchaus im Bereich des Möglichen. Andererseits ist auch eine mit den griechischen Gepflogenheiten eher konforme städtische Vorstellung beim König während seines kriegsbedingten Aufenthalts in der Stadt nicht auszuschließen. Wichtig ist, dass neben der Asylie die Befreiung von allen vorangegangenen Herrschern zu entrichtenden Abgaben verliehen wird, was der Stadt offenbar eine spürbare wirtschaftliche Erleichterung verschaffte. Noch deutlicher wird das in einem zweiten Ehrendekret an Antiochos, wo die Politen unterstreichen, dass durch die Sicherheit (ἀσφάλεια), die Antiochos III. der Stadt gewährte, die landwirtschaftliche Ausbeutung des Landes wieder bewerkstelligt werden konnte.393 Wenn Meiers These von der Verbindung der ‚Pirateninschrift‘ mit der Finanzierung eines Tributes an den Gegner des Demetrios Poliorketes, 394 Lysimachos sich als haltbar erweist, könnte in der neuerlichen Abgabenbefreiung durch Antiochos III. eine von den teischen Politen forcierte Wiederholung der einst erfolgreichen Problemlösung vorliegen. In beiden Ehrendekreten für Antiochos III. kommt also klar zum Ausdruck, dass neben Krieg eine wirtschaftliche Notlage die Polis bedrückte. Durch die Asylieverleihung des Königs scheint ein Zustand der Sicherheit erreicht, der zur Verbesserung der Lage in der zwischen den beiden Dekreten liegenden Zeit beigetragen hat. Auf die Privilegienverleihung folgt im ersten Dekret zudem die Erwähnung der Tatsache, der König verbliebe samt Truppen in der Stadt wie die Erklärung, er habe die Bürger aufgefordert ihm hinsichtlich weiterer Gesuche Gesandte zu schicken (Z. 22–31). Damit korrespondiert das Antwortschreiben des Königs, der positiv über eine Gesandtschaft der Polis berichtet.395 Antiochos III. zeigt sich der Polis der Teier gegenüber also recht entgegenkommend und stützt darüber hinaus die verliehenen Privilegien mit seinem Aufenthalt in der Stadt. Über das diplomatische Prozedere der Verhandlungen zwischen König und Poleis können, auch wenn eine Asyliegesandtschaft im Dokument nicht belegbar ist, mehrere Schlüsse gezogen werden: Der diplomatische Verkehr war recht intensiv. Der Inhalt von Verhandlungen wurde gegenseitig schriftlich festgehalten. Sowohl die Bürger von Teos als auch der König konnten an einander herantreten. Loyalitäts- und Ehrenbekundungen erscheinen in den als Dokumenten ein wichtiges Sicherungselement für die im Rahmen der zwischenstaatlichen Diplomatie erzielten Ergebnisse.396 392 393 394 395 396

SEG 41, 1003 I 17–20; Übersetzung Herrmann 1965, 42 f. SEG 41, 1003 II 50–53. Meier 2017, 170–172. SEG 41, 1003 IV. Zum Zusammenspiel zwischen Ehrungen hellenistischer Monarchen durch griechische Poleis und der Vergabe von Privilegien vgl. Bringmann 2000, 82–90; Gygax 2016, bes. 36–58.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

Vermutlich durch die königliche Verleihung und die daraus resultierenden Sicherheitsverbesserungen angeregt, ersuchten die Teier in einem Teil der griechischen Staatenwelt um Asylie. Dabei sind zwei Gesandtschaften der ersten Gesuchsserie zuzuordnen. Dabei handelt es sich um eine Gesandtschaft nach Festlandgriechenland, die in erster Linie das aitolische Bündnissystem zum Ziel hatte, und eine nach Kreta. Die Zielgerichtetheit der teischen Gesandtschaften steht im Widerspruch zu den offen großangelegten Netzwerken der älteren Asyliegesuche aus Kos oder Magnesia. Das gemeinsame Moment der beiden anvisierten Gruppen von Vertragspartnern stellt der Vorwurf der Piraterie oder besser gesagt des legitimen und eigenmächtigen gewaltsamen Vorgehens gegenüber Mitgliedern anderer Rechtsgemeinschaften zur See dar.397 Piraterie wird häufig zum Motiv der territorialen Asylie erklärt,398 und gerade Teos wird unter Rückgriff auf die diskutierte ‚Pirateninschrift‘ zum Muster in dieser Argumentation:399 die Stadt hätte bereits einmal, nach traditioneller Datierung höchstens ein bis zwei Generationen zuvor, einem über das gewöhnliche Maß hinaus harten Piratenüberfall standgehalten und hätte sich nun angesichts des Kretischen Kriegs, der sich in einer Vielzahl von Seeräuberaktionen gegen die kleinasiatische Küstenregion und die ihr vorgelagerten Inseln entlud,400 um Mittel der Absicherung bemüht. Auch wenn man Meier in der Datierung der ‚Pirateninschrift‘ sowie der Dekonstruktion des Piratenüberfalls folgt, kann für die Netzwerkausrichtung des teischen Gesuchs dennoch eine starke Orientierung an Unisicherheitsfaktoren im ägäischen Raum festgestellt werden. Vielleicht müssen wir Piraterie in diesem Zusammenhang stärker als ein Phänomen von im Rahmen des traditionellen συλᾶν sowie im Gefolge hellenistischer Monarchen praktizierter legitimer Handlungen oder auch als Folge von freigesetzten Energien von Söldnergruppen denken. Die jeweiligen Initiatoren bieten sich aus dieser Warte als Adressaten für Asyliegesuche an. Die erste Gesandtschaft der Teier, wurde von den Söhnen des Kleitos, Pythagoras und Kleitos, ausgeführt und richtete sich, wie erwähnt, an die Aitoler und ihre Verbündeten. Es sind Anerkennungen vom Aitolischen Bund, der Delphischen Amphiktyonie, von Delphi und den Athamanischen Königen Amynandros und Theodoros erhalten.401 Die in Delphi und Teos gefundene Inschrift mit der Asylieanerkennung des Aitolischen Bundes folgt dem Beschlussformular. Es wird verzeichnet, dass die teischen Gesandten mit einem Psephisma402 vor die Bundesversammlung treten und ihre Asyliebitte vor. Die Aitoler leisten ihrem Begehren Folge und erkennen „τε πόλιος καὶ τᾶς 397 Zum Piraterievorwurf gegenüber Aitolern und Kretern s. 201; 208–211, 216–219. 398 Vgl. Brulé 1978, 70–105; Bravo 1980, 971; Pohl 1993, 106–108; Wiemer 2002, 138–140; Traulsen 2004, 165; 231 f. 399 Vgl. etwa De Souza 1999, 69; Aneziri 2003, 94 Buraselis 2003, 154 f.; Kvist 2003, 195– 198. 400 Chaniotis 1996b, 38. 401 Aitolischer Bund: Rigsby 1996, Nr. 132; Delphische Amphiktyonie: Rigsby 1996, Nr. 133; Delphi: Rigsby 1996, Nr. 134; Athamanische Könige: Rigsby 1996, Nr. 135. 402 Rigsby 1996, Nr. 132, 3; 7.

3.3 Teos

141

χώρας τὰν ἀνιέρωσιν καὶ ἀσυλίαν“403 ‚die Heiligung und Asylie der Stadt und des Umlandes‘ an. Die Asylie wird also mit der substantivischen Formel verliehen, die für territoriale Asylie selten, für persönliche jedoch geläufig ist. Zudem werden Bestimmungen für Übertreten der Asylie seitens der Aitoler oder ihrer Katoiken verzeichnet; ἄγειν wird verboten und unter Kontrolle der Magistraten des Bundes gestellt.404 An diese Formulierung wird angeschlossen, für die Dionysischen Techniten gelte dasselbe.405 Der scheinbar unauffälige Nebensatz beleuchtet dabei die Konzeptualisierung der territorialen Asylie in dieser Inschrift: Der Künstlerverein agierte zwar wie eine eigenständige politische Entität, was eine gesonderte Verzeichnung im Rahmen einer vertraglichen oder vertragsähnlichen Bestimmung rechtfertigt. Jedoch handelt es sich bei ihnen um einen Personenverband und kein Territorium. So können sie eben nicht die Heiligung der Stadt und des Landes empfangen, wie es bei territorialer Asylie üblich wäre. Vielmehr scheint καθὼς (Z. 15) die das ἄγειν verbietenden Bestimmungen – das gemeinsame Dritte zwischen persönlicher und territorialer Asylie – wiederaufzunehmen. Die besondere Situation Teos’ als Sitz der Dionysischen Techniten spiegelt sich folglich in der Asylieanerkennung des Aitolischen Bundes. Über das diplomatische Prozedere dieses Asyliegesuchs werden keine weiteren Informationen bekannt, jedoch steht zu vermuten, dass sich der gesondert benannte Künstlerverein in die Verhandlungen eingebracht hat.406 Mit der Asylieanerkennung der Delphischen Amphiktyonie wird das Modell ‚wandernder Urkunden‘ auch für Teos gestützt. Denn hier beziehen sich die Amphiktyonen auf die Verlautbarungen des Aitolischen Bundes. Das Dekret ist überdies außergewöhnlich knapp gehalten.407 Der Gesuchsteil der Asylieanerkennung der Polis Delphi ist ebenfalls sehr kurz. Ohne weitere Diskussion von Gründen wird sodann die Asylie der Polis Teos und des Umlandes anerkannt. Die Kürze der Inschrift wird jedoch druch die anschließende Verleihung personengebundener Privilegien an die Teier gemindert. Die Bürger von Teos, die Dionysischen Techniten und die Katöken sollen persönliche Asylie und Asphalie innehaben. Die Schutzfunktion wird sowohl auf das Territorium als auch auf die Person bezogen, was eine Unverletzbarkeit des einzelnen außerhalb der Landesgrenzen sichert. Sowohl die Polis Delphi als auch die Amphiktyonie ehren darüber hinaus die Gesandten mit der Proxenie; die Dekrete darüber sind getrennt erhalten.408 403 Rigsby 1996, Nr. 132, 7 f. 404 Rigsby 1996, Nr. 132,7–15. 405 Rigsby 1996, Nr. 132, 15 f. Diese Künstlervereinigung siedelte etwa seit der Mitte des dritten Jahrhunderts in Teos und spielte eine nicht zu unterschätzende Rolle im öffentlichen Leben (Fernández 2009, 72). Dabei waren die dionysischen Techniten aber nicht in den Bürgerverband eingebunden, sondern fungierten als eine Art Staat im Staate. Die Verhältnisse lassen sich vordergründig über Inschriften rekonstruieren, die Verträge zur Regelung des Zusammenlebens der Künstlervereinigung und der Bürgerschaft von Teos dokumentieren, vgl. Aneziri 2003, 80–84. 406 Zur Funktion von musicher Darstellung in diplomatischen Verhandlungen vgl. Chaniotis 1988a. 407 Rigsby 1996, Nr. 132, 12–14. 408 FD 134d= Syll.3564.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

Die athamanischen Könige Theodoros und Amynandros wurden als Verbündete des Aitolischen Bundes ebenfalls von der ersten Gesandtschaft aufgesucht. Auch sie berichten in ihrem Antwortbrief an die Teier davon, dass die Gesandten mit einem Psephisma vorgesprochen und ihre Bitte dargestellt hätten.409 Bereits im Bericht des teischen Gesuchs wird deutlich, dass die Teier neben der Asylie auch um die Verleihung der Abgabenfreiheit baten.410 Diese Erweiterung des Gesuchs verdeutlicht, dass die Teier die Abgabenbefreiung durch Antiochos III. den athamanischen Königen vorbrachten und diese auch zu ihrem Vorteil zu nutzen wussten. Darüber hinaus weist die nur von königlichen Vertragspartnern ersuchte Befreiung von der Abgabenlast auf die Anpassungsfähigkeit des Instruments der territorialen Asylie hin – es wird nicht stets dasselbe Privileg angestrebt, vielmehr werden den Umständen angepasste Erweiterungen vorgenommen. Die zweite Gesandtschaft der Teier bestand aus Apollodotos, S. d. Astynax, und Kolotas, S. d. Hekatonymos, und hatte Kreta zum Ziel. Die Teier bereisten Knossos, Polyrrhenia, Rhaukos, Kydonia, Oaxos, Sybrita, Lato, Lappa, Istron, Eleutherna, Arkades, Allaria sowie Lato bei Kamara.411 Das Asyliegesuch der Teier fällt, wie erwähnt, entweder in die Zeit kurz nach Ende des Kretischen Krieges, der sich vornehmlich gegen Rhodos aber auch gegen andere Städte und Inseln Westkleinasiens wendete, oder in die letzte Phase desselben. Zur gleichen Zeit sind darüber hinaus auch auf Kreta heftige Auseinandersetzungen, die nicht zuletzt durch ein Dokument des Asyliedossiers aus Teos gesichert sind, zu verzeichenen.412 In der Asylieanerkennung Eleuthernas wird der Rhodier Hagesandros als Gesandter des Königs Antiochos III. zur Beendigung des Krieges auf Kreta bezeichnet.413 Und damit ist bereits ein bestimmtes, im Hinblick auf den Ablauf von Asyliegesuchen bedeutsames funktionales Prinzip kretischer Asylieanerkennungen an Teos angedeutet: Die Teier haben zwei königliche Gesandte zu ihren Gesuchen hinzugezogen. Dabei handelt es sich um Perdikkas, den Gesandten Philipps V., sowie den Rhodier Hagesandros, der das Seleukidische Reich repräsentierte. Die promakedonischen Poleis werden als Mitglieder des um die Zeit von Gortyn dominierten Kretischen Koinon zusammengefasst, die im Kretischen Krieg einen großen Teil der östlichen Ägäis terrorisierten. Dazu zählen im teischen Dossier Oaxos, Sybrita, Lato, Lato bei Kamara, Istron, der Sitz des Stammes der Arkader und Allaria. Dabei ist die Inschrift aus Sybrita exzeptionell. Dort wird der königliche Gesandte als mit einem Psephisma vorstellig gewordener Hauptakteur des Gesuchs charakterisiert, während die teischen Gesandten nur nebenher erwähnt 409 Rigsby 1996, Nr. 135, 3 f. 410 Rigsby 1996, Nr. 135, 5 f.: „τήν τε πόλιν καὶ τὴν χώραν ἱερὰν τῶι Διονύσωι καὶ ἄσυλον καὶ ἀφορολόγητον“ ‚die Polis und das Umland heilig dem Dionysos und unverletzlich und frei von Abgaben [zu machen].‘; Gewährung: Rigsby 1996, Nr. 135, 7 f. 411 Knossos: Rigsby 1996, Nr. 136; Polyrrhenia: Rigsby 1996, Nr. 137; Rhaukos: Rigsby 1996, Nr. 138; Kydonia: Rigsby 1996, Nr. 139; Oaxos: Rigsby 1996, Nr. 140; Sybrita: Rigsby 1996, Nr. 141; Lato: Rigsby 1996, Nr. 142; Lappa: Rigsby 1996, Nr. 143; Istron: Rigsby 1996, Nr. 148; Eleutherna: Rigsby 1996, Nr. 149; Arkades: Rigsby 1996, Nr. 150; Allaria: Rigsby 1996, Nr. 151; Lato: Rigsby 1996, Nr. 152. 412 Chaniotis 1996b, 40. 413 Rigsby 1996, Nr. 149, 15 f.

3.3 Teos

143

werden.414 Demgegenüber treten in den übrigen Inschriften die teischen Gesandten in der Vordergrund. Sie verhandeln unter Rückgriff auf das Psephisma in der jeweiligen Volksversammlung, wobei die Situation mit einer fast schon formelhaften Wendung, hier in einer Fassung aus Lato, beschrieben wird: „ψάφισμα καὶ πρειγευτὰν ἀπέσταλκαν Ἀπολλόδοτον καὶ Κωλώταν, οἱ δὲ ἐπελθόντες ἐπὶ τὸ κοινὸν τὸ Λατίων τό τε ψάφισμα ἀπέδωκαν“ ‚[sie] schickten ein Dekret und die Gesandten Apollodotos und Kolotas, die in die Versammlung der Latier kamen und das Dekret wiedergaben‘.415 In den meisten Fällen wird jedoch im Anschluss an die Asylieverleihung, die für ihren Teil dem gewöhnlichen adjektivischen Formular folgt, angeschlossen, dass die jeweiligen Verleiher Perdikkas zufriedenstellen wollen „βωλόμενοι χαρίζεσθαι Περδίκκαι“.416 Lediglich in der Inschrift aus Allaria fehlt dieser Zusatz.417 Das Verhältnis zwischen königlichem Gesandten und den Gesandten aus Teos ist also in einer Vielzahl der promakedonischen Poleis vergleichbar – Perdikkas stützt die Teier, die die Hauptverantwortung der Mission tragen. In Sybrita scheint seine Rolle deutlich bedeutsamer gewesen zu sein; in Allaria stehen eher die teischen Gesandten im Vordergrund. Eine weitere Besonderheit der Serie unter Nennung des Perdikkas ist der Ausschluss des ἄγειν, der an die Asylieanerkennung gereiht wird.418 Einzig der Brief aus Oaxos enthält keine Strafbestimmungen für den Fall des ἄδικεῖν oder ἄγειν.419 So scheien die Teier ihre Gebiete in Hinblick auf die räuberischen Aktionen der Kreter gegen die Ägäis im Kretischen Krieg mit der Unterstützung Philipps V. im Rahmen bilateraler Verhandlungen, die in formal in unilateralen Anerkennungen mündeten, abgesichert zu haben. Diese Vertragscharakter aufweisenden Anerkennungen sind mit den Verträgen, die die Rhodier in diesen Jahren nach und nach mit einzelnen kreitschen Poleis schlossen, um „sie in diesem Krieg zu neutralisieren“,420 vergleichbar. Die Anti-Agein-Klauseln enthalten auch die ansonsten anders formulierten und nicht mit Perdikkas in Verbindung stehenden Asylieanerkennungen aus Knossos, Polyrrhenia und Kydonia.421 Knossos ist als Rivalin Gortyns sicher nicht mit dem promakedonsichen Bündnis im Kretischen Koinon in Verbindung zu bringen, für Polyrrhenia und Kydonia gibt es diesbezüglich durchaus Argumente.422 Darüber hinaus verzeichnen die Inschriften aus Hierapytna, Aptera, Biannos und Apollonia, die ob ihres Erhaltungszustandes keine Informationen über Gesandtschaften enthal-

414 Rigsby 1996, Nr. 141, 3 f. 415 Rigsby 1996, Nr. 152, 3–6; vergleichbare Formulierungen: Rigsby 1996, Nr. 140, 4–6; Nr. 142, 3–6; Nr. 148, 3–7; Nr. 150, 3–7; Nr. 151, 3–6. 416 Rigsby 1996, Nr. 152, 24 f.; vergleichbare Formulierungen: Rigsby 1996, Nr. 140, 12 f.; Nr. 142, 22; Nr. 148, 29 f.; Nr. 150, 31. 417 Rigsby 1996, Nr. 151. 418 Rigsby 1996, Nr. 141, 19–26; Nr. 142, 24–31; Nr. 148, 33–40; Nr. 150, 34–42; Nr. 151, 28–31. 419 Rigsby 1996, Nr. 140. 420 Chaniotis 1996b, 40. 421 Rigsby 1996, Nr. 136, 4–11; Nr. 137, 11–13 (Asphalie zu Wasser und zu Lande); Nr. 139, 24– 27. 422 Chaniotis 1996b, 39 f.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

ten, Bestimmungen gegen das ἄγειν.423 Eine Besonderheit ist dabei in der Inschrift aus Hierapytna festzustellen. Darin wird zwischen die (ergänzte) Asylieverleihung und die Formulierung von Strafbestimmungen eine Begrenzung des ἀδικεῖνVerbotes auf die Chora Teos’ gesetzt.424 Die teischen Gesandten wurden jedoch nicht einseitig von Philipp V. protegiert, vielmehr ist die Unterstützung dreier weiterer Asyliegesuche, des von Rhaukos, Lappa und Eleutherna durch Hagesandros, den Beauftragten Antiochos’ III. bezeugt.425 Das spricht auch für ein recht unabhängiges Agieren Teos’ zwischen den hellensitischen Monarchen. Die Politen banden sich nicht an einen Herrscher, um dann in seinem Machbereich das Gewünschte zu erreichen, sondern nutzten die Unterstützung der verbündeten Seleukiden wie auch der Antigoniden gleichermaßen. Das erste Asyliegesuch der Teier richtet sich, um noch einmal zusammenzufassen, an Seeraub praktizierende Bünde und ihre Verbündeten. Die allgemeine Unsicherheit in Zusammenhang mit den wechselnden Machtverhältnissen scheint die Aktivitäten der συλᾶν akzeptierenden Akteure befeuert zu haben, sei es hinsichtlich des Ausbaus eines Bündnissystems im Falle der Aitoler oder des gesteigerten Seeraubs im Rahmen des Kretischen Krieges seitens der Kreter. Die Teier gingen bei der Ausrichtung ihrer Asylienetzwerke also planvoll vor und suchten sich darüber hinaus königliche Unterstützung, um die vorhandenen diplomatischen Ressourcen möglichst gut auszuschöpfen. In diesem Zusammenhang nimmt es nicht Wunder, dass auch Rom zum Adressat des teischen Asyliegesuchs wurde. Die römische Asylieanerkennung für Teos ist dabei der Vermittlung König Antiochosʼ III. zuzuschreiben. Dabei wählten die Teier, wie uns die Anerkennung lehrt, keine eigenen Gesandten, sondern erkannten den königlichen Botschafter Menippos, der aus anderen Gründen zu Verhandlungen nach Rom reiste, als ihren Vertreter an.426 Der römische Beschluss folgt dem für Städte oder Bünde seltenen Briefformular427 und datiert auf das Jahr 193. Die Römer agieren hier in ‚griechischer Weise‘.428 Sie verwenden sowohl die üblichen diplomatischen Formeln als auch inhaltlich an griechischen Gewohnheiten ausgerichtete Argumente. Sie gewähren Asylie für Stadt und Land sowie die Freiheit von Abgaben,429 was sonst nur Antiochos III. und

423 Hierapytna: Rigsby 1996, Nr. 144, 5–10; Aptera: Rigsby 1996, Nr. 145, 8–12; Biannos: Rigsby 1996, Nr. 146, 2–10; Apollonia: Rigsby 1996, Nr. 147, 3–10. 424 Rigsby 1996, Nr. 144, 2 f. 425 Rigsby 1996, Nr. 136; Nr. 137; Nr. 138. 426 Rigsby 1996, Nr. 153, 5 f.; zum Ablauf der Ereignisse vgl. Ma 1999, 94–102; Eckstein 2006, 3006–326; Hofmann 2014, 203–210. 427 Zur Form und ihrem Selbstverständnis der Römer in ihrer Kommunikation mit den Griechen, mit besonderem Fokus auf die Briefform, vgl. Hofmann 2014, bes. 180–182. 428 Zu römischer Sicht auf die griechische Diplomatie vgl. grundlegend Ager 2009; vgl. ferner Rosillo-López 2015 mit Literatur; Gibson 2014; Hofmann 2014; Eckstein 2006, bes. 79– 117; Gruen 1984, bes. 203–287. 429 Rigsby 1996, Nr. 153, 19–23.

3.3 Teos

145

die Athamanischen Könige versprechen. Die römische Anerkennung wird zudem an die Loyalität der Teier gebunden.430 Demnach unterscheidet sich die Position der Römer in gewisser Weise von der der griechischen Peers der Teier.431 Vermutlich führt das zu der Modifikation des Asyliegesuchs hinsichtlich der Gesandten. Ein königlicher Gesandter wird in Verhandlungen mit Rom als vielversprechender empfunden, weil die Römer trotz aller Anpassung an griechische Konzepte doch eigene diplomatische Spezifika beibehalten. Die Teier treten also die eigenständige diplomatische Aktion ab, bleiben aber die treibende Kraft hinter der Ausweitung des Asyliegesuchs. Etwa eine Generation später kam es allem Anschein nach zu einer erneuten Reaktivierung des Instruments der territorialen Asylie. Dabei wurde eine Anerkennung der Asylie von kretischen Poleis angestrebt. Die zu diesem Zweck zusammengesetzte Gesandtschaft bestand aus Herodotos, S. d. Menodotos, und Menekles, S. d. Dionysios. Sie bereisen Aptera, Eranna, Malla, Arkades, Hyrtakina sowie eine unbekannte kretische Polis,432 wobei von Aptera, Biannos und den Arkadern bereits Asylieanerkennungen der ersten Serie belegt sind.433 Die Inschriften sind insgesamt deutlich ausführlicher, als die kretischen Inschriften der ersten Serie; bei übereinstimmenden Verleihern kann von etwa der dreifachen Textmenge ausgegangen werden. Die Gesandten richteten sich wiederum mit einem Psephisma an die jeweiligen Partner und bitten um Republikation der Asylie. Dieser Wunsch wurde ihnen wortreich gewährt, meist unter Verwendung der Formel „δόγμα […] ανανέωσιν“.434 Auch die Anti-Agein-Klauseln wurden wiederholt hinzugefügt.435 Zudem wurden Ehrungen an Gesandte, zumeist die Verleihung der Proxenie436 und auch – ungewöhnlicherweise für das teische Dossier – die Verrichtung von Banketten,437 angeführt. Nach Auskunft der Dokumente traten die teischen Gesandten selbstbewusst auf und erfragten die Republikation eines bereits gewährten Privilegs; damit zusammenhängend wurden sie geehrt und verbrachten einige Zeit bei den jeweiligen Privilegienverleihern. Dieses Prozedere macht eine erneute Betonung des gewährten Status wahrscheinlicher, als die Annahme des zwischenzeitlichen Verlusts dieses Privilegiums. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass im Rahmen des teischen Dossiers eine sehr eigenständige und initiative Bedienung des Instruments territorialen Asy430 Rigsby 1996, Nr. 153, 23 f.; vgl. dazu Errington 1980. 431 Vgl. dazu Ma 2003, bes. 19; vgl. ferner Hofmann 2014, 211, die ein königliches Selbstverständnis für die Römer herausarbeitet. 432 Aptera: Rigsby 1996, Nr. 154; Eranna: Rigsby 1996, Nr. 155; Biannos: Rigsby 1996, Nr. 156; Malla: Rigsby 1996, Nr. 157; Sitz der Arkader: Rigsby 1996, Nr. 159; Hyrtakina: Rigsby 1996, Nr. 160; kretische Polis: Rigsby 1996, Nr. 161. 433 Rigsby 1996, Nr. 145; 146; 150. 434 Rigsby 1996, Nr. 154, 54 f.; vergleichbare Formulierungen: Rigsby 1996, Nr. 155, 26 f.; Nr. 156, 23; Nr. 158, 17 f. 435 Rigsby 1996, Nr. 154, 46–49; Nr. 157. 436 Rigsby 1996, Nr. 155, 39–48: vollumfängliches Bürgerrecht mit Atelie, Enktesis für Haus und Land; Proxenie: Rigsby 1996, Nr. 156, 38 f.; Nr. 159, 48 f.; Nr. 158, 17 f. 437 Rigsby 1996, Nr. 154, 56 f.; Nr. 155, 48 f.; Nr. 160, 16–18.

146

3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

lie vorzuliegt. Die Gesuche wurden an die äußeren Bedingungen angepasst, ausgeweitet und zu einem opportun erscheinenden Zeitpunkt sogar erneut vorgetragen. Das Netzwerk der Teier richtete sich dabei vor allem nach Kreta und Aitrolien aus. Allerdings wurden dabei alle zu dem Zeitpunkt relevanten Akteure – hellenistische Monarchen und die Römer – einbezogen und zur Verfügung stehende Mittel der Diplomatie – von der Einbindung der Dionysischen Techniten bis zur Vermittlung königlicher Gesandter – genutzt. l. Antiocheia-Alabanda Die im Mäandertal gelegene Polis Antiocheia-Alabanda ersuchte 202/201438 um Asylie und erhielt Anerkennungen von der Delphischen Amphiktyonie und Athen.439 Das Bemühen der Polis um territoriale Asylie fiel also mit der seleukidischen Kampagne in Asia Minor zusammen, die Antiochos’ III. Zuwendung nach Koilesyrien und Palästina vorausging.440 Die Besonderheit dieses Asyliegesuchs ist die Weihung der Polis an zwei Gottheiten, nämlich Zeus Chrysaores, den Bundesgott des Koinons der Chrysaorier, und Apollon Isotimos, der mit der Epiklese nur in Antiocheia-Alabanda belegt ist.441 Üblicherweise werden in Zusammenhang mit der Nennung zweier Gottheiten auch zwei Gesuche erlassen,442 zwei Gottheiten in derselben Asyliebitte erweisen sich als einmalig. Es liegt nahe, dass ein Gott zusätzlich eingefügt wurde. Da in den Asyliegesuchen üblicherweise Stadtpatronen herangezogen werden, gilt zu entscheiden, welcher der beiden Götter als dieser fungierte. Neben der erwähnten Einmaligkeit der Epiklese Isotimos ist auf die Darstellung des Gottes auf den Münzen der Stadt hinzuweisen.443 Zudem muss sich die Umbenennung der Polis in Antiocheia der Chrysaorier innerhalb der dem Gesuch vorangegangenen Jahre ereignet haben.444 Dies könnte durchaus dazu verleitet haben, den Bundesgott des Koinons der Chrysaorier,445 einer vornehmlich religiösen Vereinigung, die nun im Namen der Stadt geführt wurde, in das Asyliegesuch aufzunehmen.446 Die athenische Asylieanerkennung folgt dem Beschlussformular und erwähnt die bittstellenden Söhne des Iatrokleus, Pausimachos und Aristophanes.447 Die Gesandten werden wie ihre Polis bekränzt und zum Bankett geladen.448 Die Politen als 438 439 440 441 442 443 444

445 446 447 448

Zur Datierung vgl. Rigsby 1996, 328 f. mit schlüssigen Argumenten. Athen: Rigsby 1996, Nr. 162; Delphische Amphiktyonie: Rigsby 1996, Nr. 163. Ma 1999, 67 f.; Dreyer 2007, 267 f.; 272 f. Adler 1916. Zur Erklärung der Epiklese vgl. Rigsby 1996, 327, mit Anm. 7. So beispielsweise in Kalchedon, Tenos, Pergamon und Stratonikeia. Adler 1916. Alabanda wurde im dritten Jahrhundert seleukidisch und gegen Ende des Jahrhunderts zu Ehren Antiochos’ III. in Antiocheia der Chrysaorier umbenannt. Vorsichtiger terminus post quem der Umbenennung ist dabei der Regierungsantritt Antiochos III. im Jahre 223; wahrscheinlicher erscheint hingegen eine Datierung der Umbenennung in die Jahre 204–202, als sich Antiochos tatsächlich in Kleinasien befand. Zum Koinon der Chrysaorier vgl. J. und L. Robert, 1983, 223–225. Vgl. dazu auch mit etwas anderer Argumentation Rigsby 1996, 328. Rigsby 1996, Nr. 162, 9; 36–40. Rigsby 1996, Nr. 162, 28–31; 36–40

3.3 Antiocheia-Alabanda

147

Gesamtheit bekommen das athenische Bürgerrecht und Prohedrie bei allen städtischen Agonen.449 Die Asylieverleihung weicht etwas vom Standardformular ab, es heißt: […] καὶ εἶνα[ι τ]ὴν πόλιν αὐτῶν καὶ τὴν χώραν καθιερωμένην [τῶι Δ]ιὶ τῶι Χρυσ[αό]ρει καὶ τῶι Ἀπόλλωνι τῶι Ἰσοτίμωι καὶ ἄσυλον δ[ι][αμέ]νειν εἰς τὸν ἅπαντα χρόνον […].450 […] und die Stadt und das Umland sollen dem Zeus Chrysaores und dem Apollon Isotimos geheiligt sein und unverletzlich bleiben auf alle Zeit […].

Die Heiligung oder Weihung der Stadt an eine bestimmte Gottheit ist gerade in Zusammenhang mit der Asylie von Polis und Chora bisweilen vertreten. Die so entstandene Schutzzone wird mit einem Adikie-Verbot seitens der Athener gestützt.451 Darüber hinaus verleihen die Athener den Antiocheiern das Bürgerrecht.452 Auf diese Weise ergibt sich für die Bürger Antiocheia-Alabandas ein umfassender Schutz, und zwar sowohl territorial als auch persönlich. Auch die Ehrungen der Athener gegenüber den Alabandeiern verweisen auf geschickt geführte Verhandlungen seitens der Asyliebewerber: die proptolemäischen Athener ehren eine Polis, die mit Seleukiden und Antigoniden besser gestellt ist.453 Im Sinne der peer polity interaction454 handeln die hier vertretenen hellenistischen Poleis also eigenständig, auch über die Einflussgebiete ihnen verbundener hellenistischer Monarchen hinaus. Das persönliche Engagement des Gesandten Pausimachos, S. d. Iatrokles, wird besonders gut in der Asylieverleihung seitens der Delphischen Amphiktyonie reflektiert. Die Amphiktyonen beziehen sich in ihrer dem Standardformular folgenden Anerkennung455 auf sein beharrliches Werben, seinen Sieg im Rahmen der Soteria456 sowie das ihm eingeholte Orakel.457 Weitere Aspekte seiner Verhandlungsführung oder seines diplomatischen Auftretens sind nicht auszumachen – zur Begründung der Asylieverleihung wird stets Antiochos III. herangezogen, auf dessen Statuenbasis die Inschrift auch gefunden wurde.458 Daneben verrät eine Polybiospassage etwas über die Funktionsweise von Asylieverleihungen bzw. -verhandlungen. Der Autor berichtet, Philipp V. hätte das Territorium Antiocheia-Alabandas geplündert und diese Tat mit der Aussage, Not kenne kein Gebot, rechtfertigt.459 Dieser Kommentar Philipps V. zur Plünderung der Stadt könnte auf eine sonst nicht belegte Asylieanerkennung von seiner Seite verweisen – schließlich fühlen sich hellenistische Monarchen nicht sehr häufig zu 449 450 451 452 453 454 455 456

Rigsby 1996, Nr. 162, 19–21; 23 f. Rigsby 1996, Nr. 162, 21–23. Rigsby 1996, Nr. 162, 26–28. Rigsby 1996, Nr. 162, 19–21. Vgl. die Erwähnung der Ptolemaia neben den Panathenaia, Rigsby 1996, Nr. 162, 16 f. Vgl. dazu Ma 2003, bes. 19. Rigsby 1996, Nr. 163, 23–25. bekränzt und geehrt: Rigsby 1996, Nr. 163, 14–16; 28–30. Auch die Polis als Ganze wird bekränzt, Rigsby 1996, Nr. 163, 23 f. 457 Rigsby 1996, Nr. 163, 16 f. 458 Rigsby 1996, Nr. 163, 19 f.; 25 f.; 33 f. 459 Pol. 16, 24, 8.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

einer solchen Legitimierung der Plünderung eines profanen Ortes veranlasst. Dagegen argumentiert Rigsby, die Entschuldigung des Königs hätte nichts mit der (von Polybios nicht erwähnten) Asylie des Ortes zu tun, sondern rekuriere auf sein Bündnis mit Antiochos III.460 In diesem Einwurf Rigsbys scheint mir die Erklärung des Sachverhaltes bereits vorhanden: weil Philipp V. mit Antiochos III. verbündet ist, kann er eine von ihm veranlasste Sakralisierung des Territoriums AntiocheiaAlabandas nicht ohne Weiteres außer Acht lassen. Die Inschriften mit den Anerkennungen der Asylie Antiocheia-Alabandas durch Athen und die Delphische Amphiktyonie lassen, um noch einmal zusammenzufassen, unterschiedliche Herangehensweisen im Verlaufe des Gesuchs erkennen. Während die Gesandten in Athen wie eigenständige politische Akteure gegenüber einer gleichgestellten Entität461 aufzutreten scheinen, werden sie durch die Delphische Amphiktyonie als zumindest zum Teil von Antiochos III. abhängig betrachtet. Dies kann aus unterschiedlicher Wahrnehmung der Argumentation der Alabandeier seitens der Athener und Amphiktyonen resultieren und durch ihre eigenen diplomatischen Verpflichtungen bedingt sein; es ließe sich aber auch aus tatsächlich unterschiedlich dargestellter Gesuchsmotivation der Politen Antiocheia-Alabandas begründen. Dies belegte eine bewusste Variation und somit diplomatisches Taktieren seitens um Asylie ersuchender Städte, kann allerdings in Anbetracht der schwierigen Quellenlage nicht mit Sicherheit angenommen werden. m. Tenos, Heiligtum des Poseidon und der Amphitrite Für Tenos belegte Asylieanerkennungen werden, obwohl lediglich neun Inschriften erhalten und zudem sehr fragmentarisch sind, meist zwei bis drei Gesuchsserien zugerechnet. Um die Datierung des Asylieesuchs der Tenier für das Heiligtum des Poseidon und der Amphitrite sowie die Frage, wie viele Asyliebitten es gegeben habe, wurde in der Vergangenheit heftig debattiert. Das ‚älteste‘ Stück, eine Anerkennung des Phokischen Koinons, wird dabei zwischen 278 und 261 datiert, während die ‚jüngsten‘ Inschriften aus Kreta um die Mitte des zweiten Jahrhunderts angesetzt werden.462 Eine solche Zersplitterung des Materials befremdet mit Blick auf die Dossiers anderer Poleis aus mehreren Gründen. Zum einen wäre die Anerkennung des Phokischen Koinons in den Jahren 278–261 die älteste erhaltene Asylieverleihung überhaupt. Das Jahr 278 wird als terminus post quem der Asylieinschrift angesetzt, weil die Phoker 279 für Ihre Mithilfe bei der Keltenabwehr wieder in die Delphische Amphiktyonie aufgenommen wurden,463 was mit der Publikation der Inschrift

460 Rigsby 1996, 329 f. 461 Zur peer polity interaction im Hellenismus vgl. MA 2003, bes. 19. 462 Rigsby 1996, Nr. 53 nach Hiller von Gaertringens Vorschlag zwischen 278 und 261 datiert; Etienne 1990, 93 f. schließt sich energisch an; jüngst auch Meier 2012, 235. Rigsby 1996, Nr. 57; 58; 59; 60 auf Grund des Ausdrucks für ‚Erneuerung‘ in die Mitte des zweiten Jahrhunderts herunterdatiert. 463 Paus. 10, 3, 4; 20, 1; 23, 3, 10.

3.3 Tenos

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in Delphi korrespondiert.464 Der terminus ante quem rekurriert auf eine in den Inschriften angeführte Bauspende465 und wird gewöhnlich mit der Fertigstellung des Tempels des Poseidon und der Amphitrite im Todesjahr des Historikers Philochoros 261 in Zusammenhang gebracht, der die Statuen der Götter von Telesinos aus Athen beschreibt.466 Bereits Rigsby bringt an dieser Stelle den entscheidenden Einwurf – einerseits kann sich die Bauspende auch auf Ausschmückungen des Tempels beziehen, andererseits ist auch für das ausgehende dritten Jahrhundert eine weitere Bauphase belegt.467 Das schwerwiegendste Argument der Frühdatierung resultiert dabei aus paläographischen Erwägungen. Dittenberger tendiert in seinem Kommentar zu IG IX 1, 97 zu einer Datierung der Inschrift in die erste Hälfte des dritten Jahrhunderts, wobei er grundsätzlich die Unsicherheit der Datierbarkeit dieser Inschrift betont.468 Gegen das späte vierten Jahrhundert wendet er beispielsweise ein, das Phänomen der territorialen Asylie habe zu dem Zeitpunkt noch keine Verbreitung erfahren. Die Bedienung dieses Argumentes deutet darauf, dass die Schrift im betreffenden Fall nur einen Näherungswert zu offerieren scheint, der in seiner Bedeutung nicht allzu hoch angesetzt werden darf. Auch der Vergleich der Anerkennung der Asylie des tenischen Heiligtums seitens des Phokischen Koinons zu der zeitlich nächsten, aber ohnehin exzeptionell alten Asylie des koroneischen Itoniums, zeigt wenig Übereinstimmendes. In Koroneia wird die Asylieverleihung durch die Delphische Amphiktyonie überaus knapp formuliert – außer der Datierung und dem Fakt der Anerkennung werden keine Informationen vermittelt. Die Asylieanerkennung des Phokischen Koinons für Tenos ist demgegenüber lang:

5

10

15

[– – – – –] \ | | Λ – – – – – – – [– – – τὰν ὑ]πάρχουσαν Τηνίοι[ς – – –] –Η[– – – δ]εδόχθαι τῶι κοινῶι Φωκέων τ[ὸ] ἱερὸν τοῦ [Πο]τειδᾶνος καὶ τᾶς Ἀμφιτρίτας ἐν Τήνωι καὶ τὰν νᾶσον ἄσυλα εἶμεν, κα[ὶ] ἐν τὰν κατασκευὰν τοῦ ναοῦ τοῦ θεοῦ ἐπ̣ὶ μὲν τ[ο]ῦ̣ παρόντος [δ]όμεν πέντε μ[ν]ᾶς, ὕστερον δέ, γενομένων Φωκεῦσι τῶν πραγμάτω[ν] καὶ τοῦ πολέμου κατὰ λόγον, ἀποστεῖλαι καταξίως τῶν θεῶν καὶ τᾶς ὑπαρχούσας οἰκειότατος ποτὶ Τηνίους. ἐπαινέσαι δὲ καὶ τὰν πόλιν Τηνίων, ὅτι τοῦ τε ἱεροῦ τὰν ἐπιμέλειαν ποιεῖνται καὶ τὰν ποτὶ Φωκεῖς οἰκειότατα ἀνανεοῦνται, καὶ εἶμεν Την̣ίοις ἰσοπολιτείαν πᾶσι δεδομέναν ἐμ Φωκεῦσι. δόμεν

464 Rigsby 1996, Nr. 53, 21; Rigsby 1996, 156, betont, dass auch Staaten, die nicht zur Amphiktyonie gehörten, in Delphi publizieren durften. Das ist zwar richtig, jedoch wird das Koinon der Phoker nach der Niederlage im 3. Heiligen Krieg nicht leidenschaftslos betrachtet worden sein. 465 Rigsby 1996, Nr. 53, 5–11. 466 FGrH 328 fr. 176. 467 Rigsby 1996, 156. 468 Etienne 1990, 95 f. plädiert für eine sehr frühe Datierung im dritten Jahrhundert; vgl. ferner Linfert 1995, 132.

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20

3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts δὲ καὶ Θεστίαι Διαίτου τῶι θεαρῶι μ[ν]ᾶν, καὶ ἐ[πὶ] ξένια καλεσάντων αὐτὸν τοὶ φ[ω]κάρχαι. ἀν[α]γράψαι δὲ καὶ ἐν στάλας τρεῖς τὸ ψάφισμα, κ[αὶ] ἀναθέμεν τὰν μὲν ἐν τῶι ἱερῶι τᾶς [Ἀ]θάνας ἐν Κράναις, τὰν δὲ ἐν τᾶι ἀγορᾶι ἐν Ἐλατεί[αι], τὰν δὲ ἐν Δελφ[ο]ῖς· τὸ δὲ ἀνά[λ]ωμα δόμεν τ[οὺς] φωκάρχας, καὶ τοὺς ἀρ[τ]ιστῆρας θέσθα[ι].469 vacat […] der bestehenden […] mit den Teniern […]. Das Koinon der Phoker möge beschließen, dass das Heiligtum des Poseidon und der Amphitrite in Tenos und die Insel unverletzlich seien, und dass für den Aufbau des Tempels derzeit fünf Minen gegeben werden, später aber, wenn die Dinge und der Krieg sich für die Phoker gemäß der Ordnung entwickelt haben, [eine] der Götter und der bestehenden verwandtschaftlichen Nähe zu den Teniern würdige [Spende] zu entsenden. Und [das Koinon der Phoker möge beschließen,] die Stadt der Tenier zu belobigen, weil sie [scil. die Tenier] das Heiligtum pflegen und gegenüber den Phokern die verwandtschaftliche Nähe erneuern; und den Teniern sei Isopolitie gegeben in ganz Phokis. Zu geben dem Gesandten Theistias, S. d. Diaitos, eine Mine und die Phokarchen sollen ihn zu einem Gastmahl rufen. Das Psephisma ist auf drei Stelen zu schreiben und aufzustellen im Heiligtum der Athene in Kranai, auf der Agora in Elateia und in Delphi. Die Kosten tragen die Phokarchen, die Artisteren sollen aufstellen.

Es fällt auf, dass die Inschrift dem Beschlussformular folgt, wobei der die Vertragsofferte referierende Teil gebrochen ist, so dass circa ein Drittel des Textes fehlt. Länge und Struktur unterscheiden die Inschrift also massiv von der im Sinne der Frühdatierung zeitlich gesehen nächsten Asylieanerkennung aus Koroneia. Die Struktur der Asylieanerkennung ist in weitaus in stärkerem Maße späteren Asyliedokumenten vergleichbar: Die Dokumentation der Asylieverleihung als Beschluss mit Wiedergabe der Vertragsofferte etwa ist erstmalig im koischen Dossier 242 nachweisbar. Für das Phokische Koinon ist ein entsprechender Aufbau einer Asylieurkunde tatsächlich im an Magnesia adressierten Dekret (zweite Gesandtschaftsserie 208) erhalten.470 Inhaltlich divergieren die Inschriften des Phokischen Koinons für Magnesia und Tenos. Argumentative Varianzen zwischen den Asylieverleihungen eines Akteurs an verschiedene Poleis sind nicht zuletzt wegen der Orientierung des Textes an der Vertragsofferte aber erwartbar. Ein hinsichtlich der Datierung wichtiger Unterschied zwischen den beiden Inschriften liegt allerdings in der Erwähnung eines sie auslastenden Krieges durch die Phoker in der an die Tenier gerichteten Asylieverleihung. Aus der magnesischen Inschrift sind keine solchen Kriegsfolgen bekannt, was gegen eine engere zeitliche Zusammenstellung der Asyliegesuche der Magnesier und Tenier zu sprechen scheint. Auch wenn nun für 208 ex negativo verhältnismäßig friedliche Verhältnisse für das Phokische Koinon angenommen werden können, kann die Konkretisierung und Datierung des durch die Phoker angeführten Krieges durchaus einen Hinweis für die zeitliche Verortung des Dokuments geben. Jeremy McInerney schlussfolgert etwa, die Frühdatierung stützend, der für die Phoker 346 negativ beendete 3. Hei469 Rigsby 1996, Nr. 53. 470 Rigsby 1996, Nr. 84.

3.3 Tenos

151

lige Krieg sei in der hier behandelten Inschrift angesprochen. Er interpretiert die Zeilen 7–9 der phokischen Asylieanerkennung für Tenos als eine Anspielung auf diesen Krieg, indem er die syntaktischen Regeln des Griechischen übermäßig ausweitet und die verwendete absolute Partizipialkonstruktion teilt. Die Formulierung „ὕσ-/τερον δέ, γενομένων Φωκεῦσι τῶν πραγμάτω[ν]/καὶ τοῦ πολέμου κατὰ λόγον, ἀποστεῖλαι […]“ deutet er als „once the Phocians have the means […], the koinon shall send an ammount propropriate to the war indemnity […].“471 Die Kriegslasten, die McInerney so veranschlagt, beziehen sich auf die Niederlage der Phoker im 3. Heiligen Krieg. Neben der enormen Zeitspanne zwischen dem Kriegsende und der Asylieanerkennung an Tenos, egal wie früh man sie ansetzt, ist in diesem Zusammenhang auf fehlende innere Logik der Frühdatierung hinzuweisen. Wenn die Inschrift in die Zeit nach der Wiederaufnahme der Phoker in die Amphiktyonie gehört, was auf eine Aussöhnung deutet, ist die Annahme von (derart belastenden) Reparationsleistungen schwerlich nachvollziehbar. Zu entscheiden, welcher Krieg die Phoker zur finanzpolitischen Vorsicht gegenüber den Teniern drängte, fällt schwer. Denn Kriege sind im dritten Jahrhundert nicht selten sowie zeitlich schwer zu bestimmen, darüber hinaus muss in der zitierten Inschrift kein weitreichender Konflikt beschrieben sein, auch eine schwach bezeugte lokale Auseinandersetzung wäre denkbar. Gerade das ausgehende dritte Jahrhundert bietet vielfache für die Phoker existenzbedrohende kriegerische Szenarien.472 Auch Tenos hätte mit Blick auf die ersten beiden Makedonischen Kriege oder das Ausgreifen Rhodos’ auch in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts genug Gründe für ein Asyliegesuch. Eine Datierung der Inschrift in die erste Hälfte des dritten Jahrhunderts oder gar ein Bezug auf den 3. Heiligen Krieg sind folglich weder zwingend noch plausibel. Ein weiteres Indiz für die Herabsetzung der Entstehungszeitspanne bietet eine Übereinstimmung zum erwähnten Asyliedekret für Magnesia. Dabei handelt es sich um die Isopolitiebestimmung, die in beiden Fällen formuliert wird.473 Die Verleihung von Isopolitie ist grundsätzlich keine condicio sine qua non für territoriale Asylie. Dass die Phoker die Isopolitie in beiden überlieferten Asyliefällen einsetzen, verweist auf eine zumindest vergleichbare politische Ausgangslage. Das ist nicht unwichtig, da sich das Phokische Koinon nach der Wiederaufnahme in die Delphische Amphiktyonie gerade wieder konstituierte. Als ältester Beleg des Koinons gilt mit einer Datierung auf die erste Hälfte des dritten Jahrhunderts, die letztendlich an Buchstabenformen hängt, die hier besprochene Inschrift. Die übrigen Inschriften des Koinons werden zwischen der Mitte des dritten und zweiten Jahrhunderts datiert.474 Auch das Amt des Phokarchen475 scheint im dritten Jahrhundert

471 472 473 474 475

McInnerney 1999, 237; vgl. dagegen mit sachlichen Einwänden Meier 2012, 234. Vgl. dazu Gallo 2011 mit älterer Literatur. Rigsby 1996, Nr. 84, 28 f. Übersicht bei Rhodes/Lewis 1997, 144 f. Roesch 1982, 359–364 datiert die Inschrift in die zweite Hälfte des dritten Jahrhunderts und die Einführung des Amtes des Kollegiums der Phokarchen nach 228, doch letztlich ohne zwingenden Beweis.

152

3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

das höchste im Koinon gewesen und etwa um die Jahrhundertwende ersetzt worden zu sein.476 Rigsby verweist darüber hinaus auf den aus Delphi der 220er Jahre bekannten Tenier Diaitos, S. d. Theistias, der sowohl Vater als auch Sohn des Theoren der Tenier vor dem Phokischen Koinons sein könnte.477 Insgesamt offenbart sich ein vielschichtiges Bild. Die kumulative Evidenz der Belege, wobei gegenüber dem paläographischen Primat vor allem die politischen Entwicklungen im Koinon und die formale Ausdifferenziertheit der Asylie anzuführen sind, deutet dabei durchaus auf eine Datierung in die zweite Hälfte des dritten Jahrhunderts. Eine genauere und nichtspekulative Entscheidung zu fällen, scheint wenig aussichtsreich, auch wenn die allgemeine Unsicherheit der letzten beiden Dekaden des dritten Jahrhunderts eine geeignete Matrix für die in der Inschrift beschriebenen Verhältnisse böte. Darüber hinaus sind sieben weitere Asylieinschriften aus Tenos bekannt.478 Sie stammen allesamt von Kreta, und zwar aus Phaistos, Gortyn, einer unbekannten Polis, Tylissos, Aptera, Lappa und Oaxos.479 Die Inschriften sind sehr fragmentarisch und werden verschiedenen Epochen zugeschrieben. Dabei sticht die Inschrift aus Phaistos heraus. Sie wird in die Mitte des dritten Jahrhunderts oder etwas später datiert und enthält neben Fragmentteilen der Namen der Tenier und Phaistier einen Hinweis auf Poseidon und Anti-Agein-Bestimmungen, was Schmitt zu der Annahme einer Isopolitieinschrift, möglicherweise lediglich eine phaistische Offerte, mit Asylieverleihung bewegt.480 Sollte es sich um ein Asyliezeugnis handeln, wären die Isopolitie und das ἄγειν-Verbot Zeichen für ein tenisches Netzwerk auf Kreta und zudem für ein tenisches Asyliegesuch in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts. Sicherheit über die Beurteilung dieser Inschrift lässt sich jedoch nicht erlangen. Die übrigen kretischen Inschriften sind im Rahmen eines rechts wie links gebrochenen tenischen Asyliedossiers erhalten. Das erklärt auch die Tatsache, warum sie alle der Gattung zugeordnet werden, obwohl teilweise kaum Text erhalten ist. Die Inschriften werden gemeinhin für Asylieerneuerungen gehalten, allerdings ist das Wort Asylie nach ἀνανέω nie erhalten, sondern stets ergänzt.481 Rigsby bemerkt richtigerweise, dass in Asylieinschriften gewöhnlich nicht die Asylie, sondern die Freundschaft erneuert wird.482 Auch wenn dafür die Annahme etwas längerer Zeilen nötig ist, sollte dieser Option Beachtung geschenkt werden. Die Inschriften lassen sich nach Buchstabenformen um die Epochenwende vom dritten zum zweiten 476 Busolt 1926, 1453, Anm. 1. 477 Rigsby 1996, 156, Anm. 6. 478 Die Asylieanerkennung des Aitolischen Bundes, Rigsby 1995, Nr. 54, ist zu fragmentarisch, um der Gattung sicher zugeordnet zu werden. 479 Phaistos: Rigsby 1996, Nr. 55; Gortyn: Rigsby 1996, Nr. 56; unbekannte Stadt und Tylissos: Rigsby 1996, Nr. 57; Aptera: Rigsby 1996, Nr. 58; Lappa: Rigsby 1996, Nr. 59; Oaxos: Rigsby 1996, Nr. 60. 480 StV III 562; Rigsby 1996, Nr. 55, 9; 16; 17; 6; 7 f. 481 Rigsby 1996, Nr. 57, 4; Nr. 59, 3. 482 Rigsby 1996, 158.

3.3 Kolophon

153

Jahrhundert verorten. Zudem gilt zu betonen, dass ausnahmslos alle dieser im Dossier festgehaltenen Asylieanerkennungen aus Städten kommen, die im Rahmen des Kretischen Krieges auf Seiten Gortyns und des Kretischen Koinons promakedonisch und antirhodisch agierten.483 Das korrespondiert mit der Situation Tenos’ als makedonsich dominierter Insel, die von rhodischer Machtausweitung auf den Nesiotenbund bedroht war. Ein zeitlicher Ansatz zwischen 206 und 204 erwiese sich somit als tragfähig. In den sehr fragmentarischen Inschriften werden dennoch einige wichtige Punkte hinsichtlich der Asyliegesuche deutlich. Gesandte der Tenier kamen nach Kreta; sie hatten ein Psephisma und ein Orakel zur Unterstützung ihrer Argumentation mitgebracht und trugen selbige in der Volksversammlung vor.484 Die erhaltenen Zeugnisse des Asylieprozederes verweisen also auf allgemein eingeübte Muster, die im ausgehenden dritten Jahrhundert bereits usus waren. Schließlich lässt sich nicht entscheiden, ob von Tenos ein oder mehrere Asyliegesuche ausgingen. Die Inschriften des Phokischen Koinons und Phaistos’ unterscheiden sich durchaus von den einheitlich überlieferten, aber fragmentarischen Inschriften der Kretischen Bündner. Das könnte auf zwei Gesuchsserien deuten, die wenige Jahre, vielleicht eine Generation, auseinanderlagen und von Tenos’ Bemühen zeugen, in der sich wandelnden Welt des späten dritten Jahrhunderts Netzwerke aufzubauen und/oder Bündnisse zu erhalten. n. Kolophon, Heiligtum des Apollon in Klaros Die Befundlage für die Asylie des Apollonions in Klaros/Kolophon ist schwierig. Am Apollonion sowie seiner Umgebung sollen zwar Asylieinschriften, sogar in Dossierform, gefunden worden sein,485 diese sind jedoch großteils nicht publiziert. Bislang liegt lediglich eine nach den Scheden Josef Keils und Otto Benndorfs ohne weitere Autopsie edierte486 und überaus fragmentarische Asylieanerkennung einer dorischen Polis sowie eine römische Privilegienverleihung durch die Scipionen vor.487 Flashar verortet die Inschriften im Rahmen eines Aufsatzes im Ereignishorizont der allgemeinen Unruhen in Kleinasien im ausgehenden dritten und beginnenden zweiten Jahrhundert. Seine Analyse gründet sich auf archäologischen Befunden des Tempels, die vermittels der verfügbaren literarischen wie epigraphischen Quellen kontextualisiert werden.488 Er datiert die dorische Inschrift unter Berufung auf die Bauphasen des Heiligtums in die Jahre 210–195 – mit einem deutlichen argumentativen Schwerpunkt um 200 – und setzt die römische Asylieverleihung, die durch den Aufenthalt von L. und P. Cornelii Scipiones in Asia Minor zeitlich recht genau auf 190/189 fixiert werden kann, in Analogie zu Teos später an. 483 484 485 486 487 488

Chaniotis 1996b, 40. Rigsby 1996, Nr. 57, 2 f.; 5 f.; Nr. 59, 10 f.; Nr. 60, 3 f.; 7–9. Flashar 1999, 425, Anm. 81. Die Erstedition nach Abschriften wurde besorgt von Engelmann 1983, Nr. 1 (SEG 33,973). Dorische Polis: Rigsby 1996, Nr. 172; Nr. 173. Flashar 1999, bes. 420–427; 434 f.

154

3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

Über die Form der Asylieanerkennung der dorischen Polis können ob der überaus schwierigen Erhaltungsituation keine Aussagen getroffen werden, während es sich bei der römischen um einen Brief handelt. Beide Inschriften zeugen von Asyliegesuchen der Kolophonier. Die dorische Stadt wurde von Poses, S. d. Euporos, und einem weiteren Gesandten, dessen Name mit Ze- begann, aufgesucht, die römischen Legaten von Agamedes. In beiden Fällen tragen die Gesandten ihr Gesuch unter Zuhilfenahme von Psephismata vor.489 Während in der Anerkennung der unbekannten Stadt die Asylie mit „περὶ τᾶς ἀσυλία[ς“ substantivisch angesprochen wird,490 findet sich in der römischen Inschrift ein klassischeres Formular „εἶ]ναι τό ἱερὸν ἄσυ[λον“ wieder.491 Die römische Inschrift folgt an dieser Stelle also griechischen Mustern und bezeugt zuminsdest die formale Bedienung griechischer Instrumente durch die Römer im beginnenden zweiten Jahrhundert. Das korrespondiert mit der römischen Asylieanerkennung für Teos aus dem Jahre 193492 und der generellen zeitgenössischen diplomatischen Kommunikation der Römer mit Griechen,493 wie sie etwa literarisch für Magnesia und epigraphisch sowie möglicherweise auch für Delphi und Delos belegt ist.494 Neben der Asylieverleihung streben die Kolophonier die Statuserhöhung der Festspiele des Apollon Klaros an.495 Zu diesem Zweck verweisen sie auf eine Epiphanie des Gottes an seinem Orakelort.496 Flashar betont zu Recht, dass eine Epiphanie der Artemis Leukophryene in ähnlicher Weise instrumentalisiert wird und interpretiert diese Tatsache als Zeichen einer gewissen Konkurrenz zwischen den Poleis im Rahmen ihres kulturpolitischen Aufbauprogramms.497 Auch die milesichen Bemühungen um Asylie und Statuserhöhung der Didymeia gehören in diesen Zusammenhang – sowohl hinsichtlich der gewählten Mittel als auch mit Blick auf die Rivalität zwischen Nachbarpoleis der westlichen Asia Minor.498 Wie in Magnesia und Milet wird die Epiphanie in Kolophon also in Zusammenhang mit der Statuserhöhung des Agons eingesetzt, was auf eine mögliche Verstetigung dieser als Mittel zur Statusveränderung von Agonen neben dem Orakel

489 Rigsby 1996, Nr. 172, 3–5; Nr. 173, 5–7. 490 Rigsby 1996, Nr. 172, 11. Weitere substantivische Asylieverleihungen: Für Kos: IG XII 4,1,215 II (Rigsby 1996, 15); IG XII 4,1, 226 VII; für Magnesia: Rigsby 1996, 100; 107; für Teos: Rigsby 1996, 132. 491 Rigsby 1996, Nr. 173, 10. 492 Rigsby 1996, 153. S. auch 144–146; 212–214. 493 Zur römischen Partizipation an der griechischen politischen Welt vgl. jetzt Rosillo-López 2015 mit Literatur; Gibson 2014; Hofmann 2014; Ager 2009; grundlegend vgl. Eckstein 2006, bes. 79–117; Gruen 1984, bes. 203–287. 494 Tac. ann. 3, 62; Rigsby 1996, 153; FD III 4, 353; IG XI 4, 756; Liv. 44, 29, 2. S. ferner 169 f. 495 Rigsby 1996, Nr. 172, 7–10. 496 Rigsby 1996, Nr. 172, 6. 497 Flashar 1999, bes. 425; 427. 498 S. 124, 131–135; vgl. ferner Thonemann 2007, 155–157; 160; van Nijf/Williamson 2016, 46; vgl. ferner Knäpper 2018 (im Druck).

3.3 Mylasa

155

deuten könnte.499 Ein ausgewogenes Urteil in dieser Frage scheint zum jetzigen Stand der Publikation der Asylieinschriften aus Kolophon jedoch nicht möglich. o. Mylasa Aus der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts ist ein sehr fragmentarisches Asyliedossier kretischer Poleis für Mylasa in Karien belegt. Die Datierung dieses Dossiers hängt mit den innerkretischen Auseinandersetzungen zu Beginn des zweiten Jahrhunderts zusammen, da die Inschriften mylasische Vermittlungsversuche in Konflikten des Kretischen Koinons bezeugen. Schlüssig ist die Annahme der betreffenden Kriege in den Jahren 185 oder 184, den terminus ante quem liefert das Auseinanderdriften des Koinons im Jahre 170.500 Diese Annahme wird auch von der Paläographie bestätigt, mit Hilfe derer die Inschriften in die erste Hälfte des zweiten Jahrhunderts verortet werden können.501 Die Asylieanerkennungen der kretischen Poleis sind in die von wechselnden Unruhen geprägte Zeit der sich verschiebenden Machtverhältnisse zwischen den hellenistischen Großreichen am Beginn des zweiten Jahrhunderts einzuordnen und reflektieren auf zweifache Weise die multilaterale Vernetzung der Poleis. Zum einen erweisen sich die Dokumente selbst als ein Zeugnis diplomatischen Handelns, zum anderen wird in einigen Dokumenten auf die Schlichtung eines Konflikts zwischen Knossos und Gortyn seitens der Mylasier verwiesen.502 Über die formale Struktur der Inschriften lassen sich keine Aussagen treffen, da keine der Inschriften auch nur annähernd vollständig erhalten ist. Dem Zustand des Dossiers503 ist auch die Unmöglichkeit geschuldet, die Inschriften einzelnen Poleis zuzuordnen. Die einzige Ausnahme bildet dabei der Text aus Lappa.504 In Kombination mit der Erwähnung der Schlichtung innerkretischer Streitigkeiten scheint zumindest Kreta ein gesicherter Adressat des mylasischen Asliegesuchs zu sein. Allerdings schließt das Vorhandensein kretischer Inschriften weitere Adressaten des Asyliegesuchs naturgemäß nicht aus. Auch Gesandte können nicht als Gliederungskriterium eingesetzt werden, da trotz häufiger Erwähnungen lediglich fünf Namen eruierbar sind. Dabei handelt es sich um Aristeas, S. d. Iatrokles(?), Iason, S. d. Diotimos(?), Iatrokles, S. d. Oulias(?), sowie die zwei Mal verzeichne499 500 501 502

Für Orakel als Mittel zur Statusänderung von Festspielen vgl. Slater/Summa 2006, 277, 282 f. Chaniotis 1996b, 42–45. Rigsby 1996, 405. Rigsby 1996, Nr. 188, 4–7; Nr. 189, 3 f.; Nr. 190, 3–5; Nr. 191, 3–6; Nr. 192, 3 f.; Nr. 197, 12 f.; 200, 7–9. 503 Paläographisch sind mehrere Hände auszumachen, so dass die Annahme eines Dossiers nicht zwingend ist, vgl. Rigsby 1996, 405. Inschriften unbekannter kretischer Poleis: Rigsby 1996, Nr. 187–205; 207–209. 504 Rigsby 1996, Nr. 206. Auch für Gortyn gibt es einen Identifizierungsvorschlag: Weil in Rigsby1996, Nr. 198 die Werke des angeblich in Gortyn geborenen Thaletas rezitiert sowie ein in Gortyn belegter Apollon Pythios erwähnt werden, wird die Inschrift als möglicherweise gortynisch betrachtet. Die argumentative Kette scheint plausibel, aber dennoch ist ob des Dossierzustands Vorsicht geboten, denn Thaletas wird darüber hinaus in Rigsby 1996, Nr. 199 genannt.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

ten Gesandten Dionysios und Apollonios.505 Deutlich wird jedoch, dass die Gesandten wie üblich vor den entsprechenden Gremien der Städte vorsprachen und zumindest ein Psephisma mit sich trugen.506 Auch die sicherheitserweiternden Anti-Agein-Bestimmungen lassen sich nachweisen507 sowie die Befreiung der Mylaser vom Tribut.508 Während die Absicherung des Territoriums über Verbote des ἄγειν im Rahmen des Phänomens, gerade in Zusammenhang mit kretischen Poleis geläufig ist, erweist sich die Streichung von Tributleistungen üblicherweise als seltenes, königlich gewährtes Phänomen.509 Möglicherweise gehört ein bereits in den 1930er Jahren von Robert im Sinuri-Heiligtum510 auf dem Territorium Mylasas gefundener Inschriftenblock in diesen Zusammanhang. Darauf sind Reste dreier Inschriften auszumachen, von den die mittlere sich einen Brief Antiochosʼ III. darstellt, der sich der Klärung von Problemen in Zusammenhang mit der Deportation von Heiligtumspersonal widmet.511 Eine königliche Restitution eines positiven modus vivendi – vergleichbar der aus teischen Ehrendekreten für Antiochos III. bekannten Situation – könnte mit weiteren Privilegienverleihungen einhergehen,512 was allerdings ob des Erhaltungszustands des Briefes in gewisser Weise spekulativ bleibt. Auch wenn das Asyliedossier von Mylasa typische Kennzeichen von Asyliegesuchen aufweist, entziehen sich auf Grund der Quellenlage einige Fragenkomplexe – wie etwa der nach dem Stellenwert oder auch der Motivation der Gesandten – unserem Zugriff. p. Pergamon, Heiligtum der Athene Nikephoros und Heiligtum des Asklepios Aus Pergamon sind zwei Serien von Asyliegesuchen überliefert. Die erste datiert um 182, betrifft das Heiligtum der Athene Nikephoros und ist gutbezeugt.513 Es sind zwei Briefe Eumenes’ II. mit der Bitte um Asylie sowie vier Dekrete mit ihrer Anerkennung erhalten. Das zweite Asyliegesuch lässt sich aus späteren epigraphischen und vor allem literarischen Quellen erschließen und bezog sich auf das pergamenische Asklepieion. Als terminus post quem ist das erste Asyliegesuch anzuführen, als terminus ante quem die Massaker an den in Kleinasien ansässigen Rö-

505 Rigsby 1996, Nr. 201: Aristeas, S. d. Iatrokles(?); Nr. 202: Iason, S. d. Diotimos(?), und Iatrokles, S. d. Oulias(?); Nr. 207 und 208: Dionysios und Apollonios: Rigsby 1996, 506 Rigsby 1996, Nr. 195, mit Psephisma; Nr. 197, 15 f. mit einem Kranz; Nr. 198, 2, 4 mit Tanz und Bankett; Nr. 202, 2–4 mit Kranz; Nr. 205, 4 f.; Nr. 207, 4 f. 507 Rigsby 1996, Nr. 192, 7 f.; Nr. 196, 19 f. 508 Rigsby 1996, Nr. 190, 9 f.; Nr. 208, 3 f.; Nr. 135, 5 f.; Nr. 153, 19–23. 509 Rigsby1996, Nr. 7, 6–8; SEG 41, 1003 I, 18 f. 510 Robert 1945, 12; Zum Heiligtum vgl. jüngst Williamson 2016 und Williamson 2013. 511 Virgilio 2010 (= SEG 60, 1127; Virgilio 2014) nach den Robert vorliegenden Abklatschen und unter Verwendung seiner Aufzeichnungen mit ausführlicher Fundgeschichte und Kommentar. 512 S. 139 f. 513 Zur Datierung vgl. Rigsby 1996, 363–365.

3.3 Pergamon

157

mern im Zuge der sogenannten Vesper von Ephesos, die im Jahre 88 wohl zum Verlust beider Asylieprivilegien im römischen Pergamon führten.514 Der als Neubegründer der Stadt geltende Eumenes II. erweiterte das Gebiet Pergamons beträchtlich. Im Krieg Antiochos’ III. gegen Rom und die mit den Römern verbündeten Griechenstädte agierte er prorömisch und bekam 188 im Frieden von Apameia die seleukidischen Besitzungen in Kleinasien zugesprochen. Unter Eumenes II. und seinem Bruder Attalos II., der seit 192 zunächst mitregierte, wurde ein allgemeines kulturpolitisches und bauliches Erneuerungsprogramm initiiert.515 Das Asyliegesuch für den heiligen Hain der Athene Nikephoros von 182 fällt folglich in eine Zeit der vielfachen Förderung prestigeträchtiger Projekte durch die Attaliden. Das pergamenische Asyliegesuch für das Heiligtum der Athene Nikephoros ist gleich in zweifacher Weise außergewöhnlich. Zum einen handelt es sich um eines der wenigen Gesuche, für die Originalzeugnisse der Asyliebewerber erhalten sind,516 zum anderen um den einzigen bekannten Fall, bei dem nicht die Bürger einer Stadt die Initiative übernahmen, sondern ein hellenistischer Monarch tätig wurde. Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass das Verhältnis der Attaliden zu Pergamon als in besonderem Maße eng zu beschreiben ist. Erhalten sind die Briefe Eumenesʼ II. an Kos und Iasos. Die Antworten sind auf dem gleichen Stein publiziert.517 Die beiden Briefe unterscheiden sich in Länge und Struktur – der Brief an die Koer ist länger und argumentativ ausführlicher. Das korrespondiert mit der für die bürgerlichen Asyliegesuche postulierten Annahme je nach Adressat individuell formulierter und den Gesandten an die Hand gegebener Psephismata. Auch die königlichen Briefe folgen der formalen Struktur der für bürgerliche Asyliegesuche festgestellten Struktur bis zu einem gewissen Grad: Vor der Bitte um Asylieanerkennung werden ausführlich Gründe für das Gesuch vorgebracht,518 die Statuserhöhung der Nikephoria zum Kranzagon wird zeitgleich erbeten519 und Gesandte werden benannt.520 Dennoch unterscheiden sich der Tenor und auch die Ausgestaltung der Gesuche im Detail deutlich von den der Poleis. Am signifikantesten tritt dies in der Ausformulierung der Asylieanerkennung sowie der Benennung der Gesandten zu Tage:

514 Rigsby 1996, 377 f. Zum Bauprogramm vgl. Radt 2011, 53–55. 515 Radt 2011, 79–82. 516 Rigsby 1996, Nr. 176; Nr. 177; weitere Fälle: Rigsby 1996, Nr. 174 (unbekannte dorische Stadt); Nr. 66 (Magnesia am Mäander); IG XII 4, 1, 153 (Milet); eventuell auch I.Stratonikeia 19; 20 (Stratonikeia). 517 Rigsby 1996, Nr. 176; Nr. 177. 518 Rigsby 1996, Nr. 176, 2–15; Nr. 177, 2–5. 519 Rigsby 1996, Nr. 176, 15–17; Nr. 177, 7 f. 520 Rigsby 1996, Nr. 176, 24–28: – aus Myrina, Megon ‚aus der Reihe der ersten Freunde‘ aus Ephesos, Kalas aus Pergamon; Rigsby 1996, Nr. 177, 1–3: Megon ‚aus der Reihe der Freunde‘ aus Ephesos, Kalas aus Pergamon.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts […] καὶ νῦν] [ἐ]παύξειν δὲ βουλόμ[ενοι τὰς τιμὰς τῆς θεοῦ] [κ]αὶ μείζω χαριστή[ρια τῶν κατὰ πόλεμον ἀγώνων] [ἀ]ποδιδόναι, διεγ̣ν̣[ωκότες δὲ συντελεῖν αὐτῆι πα][ν]ήγυρίν τε διὰ πέν[τε ἐτῶν καὶ στεφανίτας μουσι][κο]ὺς καὶ γυμνικοὺς [καὶ ἱππικοὺς ἀγῶνας, ἀνα][δεδ]ε̣ιχότες καὶ τὸ π[ρὸς Περγάμωι ἱερὸν αὐτῆς ἄσυ][λον], ὧι θήσομεν αὐ[τοὶ τὰ ὅρια, καλῶς δὲ ἔχον κε][κρικότες ταῦτα ὑ]πὸ̣ [θεωρῶν καταγγέλλεσθαι], [ὥστε τ]ο̣ὺς ἀγῶνα̣[ς τούτους συντελεῖσθαι σὺν] [ἅπα]σ̣ι τοῖς ἐκτενεσ[τάτοις τῶν Ἑλλήνων, ἐπι][τευ]γμάτων μεγάλω[ν χαριστήρια τῆι Ἀθηνᾶι], πεπόμφαμεν θεωρ[οὺς πρὸς ὑμᾶς – – – – – – – –]ρ̣έα, τυγχάνοντα παρ᾿ [ἡμῖν τιμῆς τε τῆς πρώτης καὶ προ]εδρίας δι τὴν καλοκ[ἀγαθίαν καὶ – – –c.12– – –] Μυριναῖον καὶ Μέγωνα [Ἐφέσιον, τῶν φίλων τῶν προ]τιμωμένων παρ᾿ ἡμῖν, [καὶ – – – – καὶ Κάλαν Περγα]μηνούς, καὶ ὑφ᾿ ἡμῶμ μὲ[ν κρινομένους ἀξίους, ὡς] δὲ πολίτας τετευχ[ότας κατὰ τὴν ἡλικίαν τῶν προση]κόντων, προκεχιρισ[μένους δὲ καὶ ὑπὸ τῆς πόλεως] διὰ τὸ καταγγέλλε[ιν μεθ᾿ ἡμῶν τὰ Νικηφόρια· καλῶς] οὖν ποιήσετε πρῶ̣[τον μὲν διὰ τὴν θεόν, ἔπειτα δὲ] καὶ δι᾿ ἡμᾶς τῶν ἀνδ[ρῶν τε φιλοφρόνως διακούσαν]τες καὶ ἀποδεξάμεν[οι τά τε Νικηφόρια καὶ τὴν ἀσυλίαν ὥσ]περ ὑμῖν ἁρμόζει· Und jetzt, da wir ihre Ehren zu vermehren, die Absicht haben und noch größeren Dank für unsere siegreichen Kämpfe im Krieg abzustatten, haben wir beschlossen, ihr eine Prozession zu veranstalten jedes vierte Jahr sowie musische und gymnische und hippische Kranz-Agone, und haben zugleich auch ihr Heiligtum in Pergamon für unverletzlich erklärt, für das wir selbst die Grenzsteine setzen werden; und wir hielten es für gut, wenn dies durch Festgesandte verkündet würde, so dass diese Spiele veranstaltet werden zusammen mit allen engagierten Griechen als ein Dank an Athena für die großen Erfolge. Wir haben zu Euch als Gesandte geschickt […] aus […], der bei uns den ersten Rang und Ehrenplatz hatte aufgrund seiner Vortrefflichkeit; und […] aus Myrina und Megon aus Ephesos, aus den Reihen der ‚ersten Freunde‘ bei uns, und […] und Kalas aus Pergamon, auch von uns für würdig befunden, die als Bürger das erreicht haben, was ihnen ihrem Alter entsprechend zusteht, und die von der Stadt besonders ausgewählt wurden, weil sie mit uns die Nikephoria verkünden sollen. Ihr tut nun gut daran, zunächst wegen der Göttin, dann aber auch unseretwegen, diese Männer wohlwollend anzuhören und die Nikephoria sowie die Unverletzlichkeit anzuerkennen, wie es euch passend erscheint.521

Es wird also nicht wie gewöhnlich um die Anerkennung der Asylie und Erhöhung des Agons gebeten, vielmehr werden diese seitens des Königs proklamiert. Da die territoriale Asylie wie die Statuserhöhung der Festspiele aber erst über die Anerkennung seitens der jeweiligen Partner Gültigkeit erlangen,522 wendet der pergamenische König mit der Empfehlung der Asylie gegenüber den Koern ein gattungstypisches Interaktionsmittel, das üblicherweise in Asylieverhandlungen mit königlichen Verleihern zum tragen kommt, an. Der Brief wirkt somit wie eine Hybridform

521 Rigsby 1996, Nr. 176, 12–24 (= IG XII 4, 1, 251); Übersetzung Hallof Telota. 522 S. dazu 114 f.

3.3 Pergamon

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zwischen den königlichen Empfehlungsschreiben, die bisweilen erhalten,523 bisweilen über eine entsprechende Erklärung des jeweiligen Herrschers rekonstruierbar sind,524 und den zumeist in den Asylieanerkennungen zusammengefassten Gesuche der Poleis. Auch die Gesandten sind deutlich anders zu charakterisieren als in den übrigen Asyliedokumenten. Die Gesandten stammen nicht zwangsläufig aus Pergamon; sie werden näher vorgestellt und ihre besondere Eignung für die Tätigkeit hervorgehoben. Sie haben darüber hinaus die Befugnis, direkt mit den Koern zu verhandeln, ohne sich auf ein wie auch immer gestaltetes Psephisma beziehen zu müssen.525 Die persönliche Begabung der Gesandten und ihr bisheriger Erfolg im politischen Leben fungieren darüber hinaus scheinbar als eine Art Gradmesser der königlichen Erwartung der positiven Beurteilung des Gesuchs. Das Asyliegesuch Eumenes’ II. erlaubt einen Einblick in das königliche Selbstverständnis der Attaliden. Die territoriale Asylie zu erlangen, erscheint opportun, also wird dieses auf Seiten der Bewerber genuin bürgerliches Instrument des zwischenstaatlichen Verkehrs genutzt. Die Asylie wird dabei aber nicht nur in Poleis des eigenen Machtbereichs ‚verordnet‘, sondern vielmehr über die Anwendung des mehr oder weniger üblichen diplomatischen Prozederes auch außerhalb des direkten Einflussgebiets erwirkt. Dennoch ist bezogen auf die Form des Asyliegesuchs ein ‚feiner Unterschied‘ zu verzeichen, der auf die königliche Person des Antragstellers zurückzuführen ist: Eumenes II. agiert in Person, es ist kein bürgerliches Gremium – auch kein pro forma beauftragtes – aus den Quellen eruierbar und das obwohl ein König als Asyliebewerber in der Geschichte der territorialen Asylie einmalig ist. Möglicherweise hängt dieses Vorgehen mit der engen Verbindung der Attaliden zu ‚ihrer‘ Stadt zusammen, zumindest aber ist von einer Selbstwahrnehmung der Attaliden als Pergamener auszugehen. Darüber hinaus sind für das erste Asyliegesuch aus Pergamon Asylieanerkennungen seitens des Aitolischen Bundes und der Delphischen Amphiktyonie belegt. Allerdings sind in diesen Fällen keine königlichen Bittbriefe überliefert.526 Der Inhalt des Gesuchs wird jedoch im ersten Teil des Dokuments, wie bei dem Beschlussformular folgenden Asylieverleihungen üblich, wiedergegeben. Beide Dekrete sind sehr ausführlich und zumindest für den aitolischen Beschluss kann die Vorlage des Briefes Eumenes’ II. angenommen werden. Die Asylieanerkennung wird nämlich mit den Worten […] καθάπερ ὁ βασιλεὺς Εὐμένης ἀνα[δεικνύει] τὸ τέμ[ενος] [τᾶς Ἀθά]νας τᾶς Νικαφόρου τὸ ποτὶ Περγάμωι ἄσυλον, καθώς κα ὁρίξῃ, […] und das Temenos der Athene Nikephoros soll unverletzlich sein, wie es König Eumenes verkündet, in den Grenzen, die er setzt, […]

523 524 525 526

SEG 48, 785. Rigsby 1996, Nr. 10; 12; 68; 72. IG XII 4, 1, 251 (= Rigsby 1996, Nr. 176), 24–32. Rigsby 1996, Nr. 178 (Aitolischer Bund); Nr. 179 (Delphische Amphiktyonie).

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

vollzogen,527 was einen direkten Bezug auf die im Brief des Eumenes II. an Kos bezeugte Verkündung der Asylie und damit zusammenhängende Setzung der Horoi darstellt.528 Die Verwendung des Terminus τέμενος statt ἱερὸν verweist ebenfalls auf diese Grenzsteinsetzung. Im Anschluss an die Anerkennung der territorialen Asylie werden gegen das ἄγειν gerichtete Bestimmungen unter Verwendung des Adjektivs ἄσυλος getroffen. Sowohl der König als auch die Pergamener sollen davon ausgenommen sein.529 Im Gegensatz zu den bürgerlichen Asyliegesuchen wird nicht bereits zu Beginn auf die Gesandten und ihr Wirken in der Volksversammlung fokussiert, vielmehr werden die Theoren in der delphischen Inschrift lediglich kurz und in der aitolischen erst in Zusammenhang mit einer Proxeniegewährung im Schlussteil, dort aber namentlich, erwähnt.530 Die Ehrung der Gesandten mit einem Bankett und einer Opfergabe, die derjenigen der Verkünder von Olympien gleicht,531 sowie die Entsendung eigener Teilnehmer an die Festspiele komplettieren die Asylieanerkennungen.532 Eine Besonderheit dieser beiden Anerkennungen stellen neben den häufiger belegten Kränzen, die den Bewerbern um Asylie zu Teil werden und in diesem Fall die königliche Familie erhält, die Statuen dar, die dem König dargebracht werden sollen.533 Auch hier liegt es nahe, in dieser Handlung einen Reflex der königlichen Würde des um Asylie bittenden Partners anzunehmen. Das von Eumenes II. initiierte Asyliegesuch für das Heiligtum der Athene Nikephoros in Pergamon erweist sich folglich als eine gewisse Sonderform innerhalb der Gattung der territorialen Asylie. Es können sowohl typische, im zwischenstaatlichen Verkehr verstetigte Gesuchscharakteristika festgestellt werden als auch in Zusammenhang mit dem königlichen Stand des Bewerbers spontan entwickelte Neuerungen. Aussagen über das angestrebte Netzwerk der Attaliden scheinen wenig aussichtsreich. Während die Aitoler und mit ihnen die Delphische Amphiktyonie bereits seit längerem Verbündete der Pergamener waren und auch die Koer über Ihre Verbindung zu den Römern in das Bündnisgeflecht eingefügt werden können, lässt sich für das Asyliegesuch an Iasos keine klare Motivation ausmachen.534 Das legt den Schluss nahe, dass das pergamenische Asyliegesuch über die eigenen Bündnisgrenzen hinaus getragen und vermutlich zur Entwicklung neuer Verbindungen genutzt wurde.

527 528 529 530 531 532 533 534

Rigsby 1996, Nr. 178, 18 f. Rigsby 1996, Nr. 176, 18 f.; ähnlich Nr. 179, 11 f. Rigsby 1996, Nr. 178, 19–22; Nr. 179, 24–26. Rigsby 1996, Nr. 179, 10 f.; Nr. 178, 30–32: Persas, S. d. Dionysios, aus Syrakus, Theolytos, S. d. Ariston, aus Aigina, Ktesippon, S. d. Damatrios, aus Pergamon. Rigsby 1996, Nr. 178, 27. Rigsby 1996, Nr. 178, 9 f.; Nr. 179, 13. Rigsby 1996, Nr. 178, 12–15; Nr. 179, 20–23. Die Polis wurde, nach Liv. 37, 17, 3–8, 197/196 von Philipp V. und 190/189 von Antiochos III. aufgegeben und kurz darauf von Rom geschont.

3.3 Kyzikos

161

Das zweite Asyliegesuch der Pergamener muss, wie erwähnt, in der Zeit zwischen dem ersten Gesuch und der sogenannten Vesper von Ephesos eingeholt worden sein. Direkte Zeugnisse dieser Asyliebitte sind nicht überliefert. Der Status war allerdings in den 40er Jahren verloren, als die Asylie von Caesar und Servilius Isauricus wiederhergestellt wurde.535 q. Kyzikos Auch Kyzikos in Mysien erhielt die Anerkennung territorialer Asylie. Davon zeugen zum Asyliedossier vereinte Urkunden und ein inschriftlich festgehaltenes Orakel. Die Datierung des Asyliegesuchs der Kyzikener orientiert sich zum einen an der zeitlichen Verortung der fragmentarischen Asylieanerkennung aus Dion und eines in diesen Zusammenhang gehörenden Briefes Philipps V. an die Stadt. Miltiades Hatzopoulos setzt diese beiden Inschriften in Bezug zum Bemühen Philipps V. Makedonien zu stärken und datiert sie auf das Jahr 180.536 Darüber hinaus findet der 179 verstorbene Philipp V. in der Asylieverleihung für Kyzikos seitens einer unbekannten dorischen Stadt – möglicherweise Korkyras – Erwähnung.537 Allerdings widerspricht die Datierung der rhodischen Asylieverleihung an Kyzikos über den Heliospriester Aratophanes dieser zeitlichen Verortung des kyzikener Asyliebestrebens: Es können zwei Heliospriester dieses Namens für Rhodos eruiert werden. Der für die Datierung der Asylieanerkennung aus chronologischen Gründen präferierte Aratophanes I wird von Christian Habicht mit Rückgriff auf die Analyse Gérald Finkielsztejns in die Jahre 169–167 eingeordnet, während Aratophanes II 109 angesetzt wird.538 Da durch den Tod Philipps V. ein terminus ante quem eines Asyliegesuchs der Kyzikener mit dem Jahr 179 gegeben und die chronologische Verortung des Rhodiers Aratophanes in die Jahre 169–167 ebenfalls stimmig ist, lassen sich im Großen und Ganzen zwei alternative Szenarien denken: Entweder ist mit einem sehr langgezogenen Asyliegesuch zu rechnen, in dessen Rahmen Philipp V. mehr oder minder kurz vor seinem Tod die Asylieanerkennung für Kyzikos in seinem Einflussgebiet empfahl. Ob dem eine städtische Initiative vorausging lässt sich nicht mit Sicherheit bestimmen, aber mit Blick auf das Asyliematerial durchaus vermu535 Rigsby 1996, Nr. 180; Nr. 181; s. ferner 258–260. Wieterhin spekuliert Rigsby (379 f.) über den Anlass dieser Asylieanerkennung und präferiert den Sieg über Prusias II. 155/154 als Anlass. 536 Asylieinschrift aus Dion: Hatzopoulos 2009, 54 und Hatzopoulos 1996, Nr. 32 (beide ohne Text) erwähnt eine Asylieverleihung aus Dion, die Dimitris Pandermalis 1993 auf der Tagung Epigraphes tes Makedonias vorgestellt hat und datiert selbige; Brief Philipps V.: Pandermalis 1997 (SEG 48, 785; Anhang 3); vgl. ferner Hatzopoulos 1998, 1194; Hatzopoulos 2000, 453. 537 Rigsby 1996, Nr. 170, 14. 538 Habicht 2003; vgl. ferner Badoud 2003 und Finkielsztejn 2001; zur rhodischen Chronologie vgl. jetzt Badoud 2015, bes. 250–266. Dagegen datiert Rigsby 1996, 342, den Heliospriester Aratophanes I auf Grundlage des naturgemäß älteren Literaturstandes (Grace/Savvatianou-Petropoulakou 1970, 290 f., zwischen 210 und 175, am ehesten kurz nach 180; so auch Grace brieflich an Rigsby, vgl. Rigsby 1996, 347, Anm. 24) auf das Jahr 200.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

ten. Im Folgenden wurden über einen längeren Zeitraum weitere Asylieanerkennungen eingeholt. Alternativ ist von zwei relativ rasch aufeinaderfolgenden Gesuchsserien auszugehen. Für beide Möglichkeiten lassen sich im Asyliematerial Vorbilder finden.539 Das Asyliebegehren der Kyzikener ist also, wie erwähnt, über einen Brief Philipp V., Asylieanerkennungen aus Rhodos, Medion, Dion und zweier unbekannter dorischer Poleis540 sowie ein in Delphi und Delos eingeholtes Orakel des pythischen Apollon dokumentiert. Die Orakelinschrift lässt erkennen, dass an die Anerkennung der Asylie argumentativ an die den religiösen Sitten folgende Ausführung der Soteria der Kore geknüpft wurde.541 Dabei wird jedoch nicht die aus vielfachen Asylieverleihungen bekannte Standardformel verwendet, sondern die Polis lediglich mit den Worten „ἱερὰν τὰν π[ό]λιν οὖσαν“542 für heilig erklärt. Diese Differenz kann mit dem abweichenden Duktus zwischenstaatlicher diplomatischer Urkunden und Orakel erklärt werden, auch wenn die Unregelmäßigkeit nicht zu unterschlagen ist. Für die Identität der Konsultanten liefert der Orakeltext keine Hinweise. Für eine zwingend städtische Initiative lassen sich dabei auch keine indirekten Belege anführen, auch wenn diese durchaus üblichen Gepflogenheiten folgte. Denn innerhalb der erhaltenen Asylieanerkennungen liegt lediglich eine Erwähnung dieses Orakels vor, und zwar im sehr fragmentarischen Dekret der möglicherweise mit Korkyra gleichzusetzenden dorischen Polis. In dieser Inschrift ist allerdings auch König Philipp V. erwähnt, so dass mit Blick auf den Ablauf der Ereignisse zu konstatieren bleibt, dass auch die Möglichkeit einer königlichen Orakelanfrage denkbar ist.543 Die Dokumente des kyzikenischen Asyliedossiers erweisen sich darüber hinaus zum großen Teil als sehr fragmentarisch und lassen sich bisweilen nur über die Verwendung einschlägiger Vokabeln und Formulare544 sowie eine partielle Übereinstimmung der Gesandtennamen als solche erkennen. Die Gesandtschaft nach Rhodos bestand aus dem Architheoros Apa[tourios], S. d. Sosibios, und den Theoren Oinobios, S. d. Euneos, wie Hikesios, S. d. Dionysios, während Oinopios und Dionysas Medion und eine der beiden dorischen Poleis bereisten. Die Inschriften zeichnen sich durch die üblichen Gesuchscharakteristika aus. Die Gesandten treten vor die Volksversammlung und berichten mit Bezug auf ein 539 Mehrere Gesuchsserien: Magnesia am Mänader, Teos, Tenos, Pergamon (mit Wechsel des Asylieheiligtums); Langgezogene Gesuchsserien: Magniesia am Mäander (2. Gesuchsserie), Teos (1. Gesuchsserie). 540 Rigsby 1996, Nr. 166 (Rhodos); Nr. 168 (Medion); Nr. 167 (dorische Polis); Nr. 170 (dorische Polis). Hatzopoulos 2009, 54 (= Hatzopoulos 1996, Nr. 32 = Rigsby 1996, Nr. 171; alle ohne Text [Dion]); Pandermalis 1997 (= SEG 48, 785 [Brief Philipps V. an Dion]). 541 Rigsby 1996, Nr. 165. 542 Rigsby 1996, Nr. 165, 7 f. 543 Für Orakelbefragungen von Seiten der Asylie anerkennenden hellenistischen Monarchen gibt es mit der Orakeleinholung bezüglich der Asylie Smyrnas durch Seleukos II. (Rigsby 1996, Nr. 7, 5 f.) eine Parallele. 544 Rigsby 1996, Nr. 166, Nr. 167 und Nr. 168 sind soweit erhalten, dass das Beschlussformular sichtbar ist.

3.3 Incerta

163

Dekret von ihrem Anliegen.545 Im einzigen erhaltenen Schlussteil werden die Gesandten zum Bankett geladen und zu Proxenoi erklärt;546 die Inschriften aus Dion und einer der dorischen Poleis beziehen sich auf Philipp V.547 – inwiefern jedoch zwischen seiner Handlungsempfehlung und der Asyliebitte der Gesandten unterschieden wird, lässt sich nicht mehr feststellen.548 Insgesamt ist das Material aus Kyzikos so fragmentarisch, dass neben der Feststellung und annähernden Datierung der territorialen Asylie keine Aussagen zu Besonderheiten des Asylieprozederes getroffen werden können. r. Incerta Neben den sicher verortbaren Asyliegesuchen des dritten und zweiten Jahrhunderts sind aus verschiedenen Gründen zur Gruppe der Incerta zu zählende Dokumente überliefert. Dabei handelt es sich um Zeugnisse, die geographisch, zeitlich oder die Gattung betreffend nicht sicher eingeordnet, aber aus Gründen der Vollständigkeit auch nicht ausgelassen werden können. Auf Grund der für viele der betrachteten mit Asylie in Zusammenhang stehenden Orte immer noch unbefriedigenden Publikationslage lässt sich auf Materialzugewinn und neue Erkenntnisse hoffen. Samos Die Situation der Inselpolis Samos entsprach im dritten und zweiten Jahrhundert in vielfacher Hinsicht der der vielen asylieersuchenden Poleis des westlichen Kleinasiens und der vorgelagerten Inseln. Zu der Zeit gehörte Samos zu wechselnden Machtbereichen. Gerade in den Wirrungen des ausgehenden dritten Jahrhunderts war die der Mitte des Jahrhunderts ptolemäisch besetzte Insel umkämpft und wurde zunächst antigonidisch, dann rhodisch. Im Konflikt Antiochosʼ III. mit den Römern bezogen die Samier eine prorömische Position.549 Darüber hinaus wird aus der kaiserzeitlichen, an die Römer gerichteten Bitte der Samier, ihren Asylstatus zu bestätigen, häufig auf ein hellenistisches Gesuch um die Anerkennung territorialer Asylie geschlossen. Es ist allerdings keineswegs zwingend, einen hellenistischen Status territorialer Asylie für die Forderung nach der Anerkennung als Asylort im Jahre 23 n. Chr. anzunehmen. Für eine hellenistische Asylieanerkennung könnte eine bislang als Ehrendekret gehandelte Inschrift der Gortynier aus dem samischen Heraion sprechen. Leider ist lediglich der Beginn der Inschrift erhalten:

5

545 546 547 548 549

ἔδοξε τοῖ̣[ς κόσμοις καὶ τᾶι πόλιτ]ῶν Γορτυνί[ων· ἐπειδὴ Σάμιοι φί]λοι καὶ εὖνο[ι ὄντες ἁμῖν ἀπέστειλαν] ψάφισμα κ[αὶ πρειγευτὰν – – – – –] Φράσωνος – – – – – – – – – – – – αὐτοῖς ΟΙ. – – – – – – – – – – Rigsby 1996, Nr. 166, 2 f.; 5 f.; Nr. 168, 2 f. Rigsby 1996, Nr. 167, 3 f.; 5. Rigsby 1996, Nr. 170, 14; Hatzopoulos 2009, 54 (= Hatzopoulos 1996, Nr. 32, ohne Text). Zur Autonomie innerhalb makedonischer Poleis vgl. Raynor 2016, bes. 260–262. Shipley 1987, 200 f.

164

3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts πρειγευτα– – – – – – – – – – – – [δ]ιὰ πλιόν[ων – – – – – – – – – –] … χ̣ρ̣όν.– – – – – – – – – – – –

5

Beschluß der Kosmen und der Stadt Gortyn: Da die Samier Freund und wohlwollend waren und uns geschickt haben einen Beschluß und als Gesandten – – –, S. d. Phrason, – – – gemäß der Verwandtschaft, die zwischen ihnen und uns besteht – – – Gesandtschaft – – – wegen vieler – – – Zeit – – –550

Die Inschrift weist Parallelen zu den üblichen Formen der Fixierung von Asylieanerkennungen auf. Zum einen lässt sich im erhaltenen Teil ein mögliches Beschlussformular erkennen; es werden Gesandte sowie ein Psephisma verzeichnet; zum anderen werden mit Eunoia und Philia die verbreitetsten Motive zur Begründung des Gesuchs herangezogen.551 Dass in dieser Inschrift eine ägäische Insel von einer Polis des Kretischen Koinons Asylie verliehen bekommen hat, ist sehr wahrscheinlich. Als Datierung ist wegen der vielfachen kretischen Konflikte mit Auswirkungen auf die Ägäis das letzte Viertel des dritten Jahrhunderts zu postulieren.552 Die Hoffnung auf ein Asyliedossier in Samos bleibt dennoch relativ gering, da Hallof das Heraion erst kürzlich der Autopsie unterzog. Die Hallofsche Neuedition der samischen Inschriften im Rahmen der Inscriptiones Graecae liefert keine weiteren mit Asylie zu verbindenden Inschriften.553 Boiotisches Heiligtum Etwa aus dem letzten Drittel des dritten Jahrhunderts stammt ein äußerst fragmentarisches Dekret der Delphischen Amphiktyonie, das über strukturelle Merkmale und die Reste der Asylieverleihungsformel den Asyliedokumenten zugeordnet wird.554 Der fragmentarische Zustand erlaubt keine weiteren Spekulationen über inhaltliche Belange. Dorische Polis Vermutlich aus Bargylia ist eine Stele mit zwei Inschriften erhalten, die, soweit der fragmentarische Zustand eine Interpretation zulässt, das Asyliegesuch einer dorischen Polis an Bargylia in Briefform sowie die Antwort der Bargyliaten enthält.555 Die Datierung erweist sich als schwierig, da keine datierbaren Informationen wiedergegeben werden. Nach Lautstand und paläographischen Kriterien scheint die Inschrift ins fortgeschrittene dritte Jahrhundert zu gehören; die Form der Auseinan550 IG XII 6, 1, 144 (Anhang 4). 551 Vgl. dazu Kap. 3.3.2. 552 Hallof datiert auf der Grundlage von Buchstabenformen in die zweite Hälfte des dritten Jahrhunderts. 553 Der Band IG XII 6, 1 stammt aus dem Jahre 2000. 554 Rigsby 1996, Nr. 5. 555 Zur Fundgeschichte und Zuweisungen der Inschrift vgl. Rigsby 1975, 403–405.

3.3 Incerta

165

dersetzung mit territorialer Asylie spricht für das letzte Viertel des dritten Jahrhunderts. Zur Identifizierung der Asyliebewerber werden neben den dialektalen Spezifika die Nennung einer Göttin „τᾶς θεο[ῦ]“ (Z. 11) sowie eine als Rest einer Epiklese gedeutete Buchstabengruppe „ικας“ (Z. 6) herangezogen. Als Urheber wird folglich eine Polis mit einer weiblichen Hauptgottheit auf -ikas aus dem dorischen Sprachraum erwartet. Die Inschrift wurde bereits mehrfach verschiedenen Poleis zugeordnet. So postuliert Graindor, es handele sich um eine Inschrift aus Telos mit der Ehrung einer thea persika, Robert hält das Gesuch für megaridisch und Rigsby will eine Ehrung der Artemis Hyakintotrophos auf Knidos erkennen.556 Alle Vorschläge bergen größere Schwierigkeiten, so dass eine Zuweisung der Inschrift – ohne Materialzugewinn – kaum möglich erscheint.557 Über das Prozedere der Asylieanerkennungen können aus der betreffenden Inschrift auch ohne genaue lokale Verortung Informationen gewonnen werden. Einerseits handelt es sich hierbei um eines der wenigen direkt erhaltenen Asyliegesuche.558 Es handelt sich dabei um einen Brief der unbekannten Polis. Darin werden, um nur die auf das Prozedere von Verleihungen relevanten Punkte anzusprechen, eigene Theoren benannt, die Bitte um Asylie erwähnt und argumentativ unterfüttert, vermutlich um Theorodoken gebeten sowie eine Publikation forciert. Die korrespondierende Antwortinschrift folgt offenbar dem Beschlussformular und gibt im erhaltenen Teil das Gesuch wieder. Auch da werden die Gesandten wie die Asylieverleihung erwähnt. Zudem wird ein Agon verzeichnet, der offenbar zum Kranzagon befördert wird. Beide Inschriften vermitteln unter Rückbezug auf formale und inhaltliche Kriterien den Eindruck, es handele sich um eine Asylieanerkennung der Hochphase des Phänomens in den letzten beiden Dekaden des dritten Jahrhunderts. Eine nähere geographische Eingrenzung erscheint schwierig, vermutlich aber lässt sich die asylieersuchende Polis in den dorischen Gebieten im Südwesten der Asia Minor lokalisieren. Amyzon, Heiligtum der Artemis Für das Heiligtum der Artemis in der kleinen Polis Amyzon kann ebenfalls mit recht großer Sicherheit zumindest ein von Antiochos III. und seinem Sohn Antiochos gestütztes oder gar initiiertes Asyliegesuch angenommen werden. Rigsby gibt die betreffenden von den Roberts publizierten Inschriften zwar wieder, bleibt hinsichtlich der territorialen Asylie letztlich unentschieden. Gerade in kumulativer Evidenz lassen die Zeugnisse wenig Raum für Zweifel. Dabei handelt es sich um einen königlichen Horos, der den Asyliebezirk eingrenzt:

556 Graindor 1903; Robert 1938, 70–75; Rigsby 1975. 557 Rigsby 1975, 404 f.; Rigsby 1996, 354 f.; Pugliese-Carratelli 1987, 119 f. 558 Vgl. ferner Rigsby 1996, Nr. 176; Nr. 177 (Eumenes II. für Pergamon); Nr. 66 (Magnesia am Mäander); vgl. ferner IG XII 4, 1, 153(Milet); evtl. auch I.Stratonikeia 19; 20 (Stratonikeia).

166

5

3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts [ο]ἱ βασιλεῖς [ἀ]πέδωκαν [τὸ ἱερ]ὸν ἄσυ[λον ..]. ΗΛ [–]..559 Die Könige haben das Heiligtum für unverletzlich erklärt […].

Grenzsteine der Asyliebezirke sind gelegentlich belegt und gerade in Zusammenhang mit dem königlichen Gesuch Eumenes’ II. prominent vertreten.560 Zudem ist das Bruchstück vom Ende eines Briefes Antiochos’ III. mit Anti-Adikie-Formeln bezüglich des Heiligtums erhalten.561 Solche Bestimmungen zur Eindämmung von Gewalt entsprechen dem durch die Grenzsteine verdeutlichten Konzept einer sakralen Schutzzone. Auf diese Schutzzone wiederum rekurriert Antiochos III. möglicherweise in einem weiteren königlichen Brief, in dem er seine Soldaten hinsichtlich der Behandlung des Artemisions in Amyzon belehrt:

5

βασιλεὺς Ἀντίοχος στρατηγοῖς, ἱππάρχαις, πεζῶν ἡγεμόσι, στρα{στρα}τιώταις {26στρατιώταις}26 καὶ τοῖς ἄλλοις [χ]αίρ[ε]ιν. τὸ ἱερὸν τοῦ Ἀπόλλω[νος καὶ τῆς Ἀρτ]έμιδος τὸ ἐν [Ἀμυζῶνι –]562 König Antiochos grüßt die Strategen, die Hipparchen, die Führer des Fußvolks, die Soldaten und die Anderen. Das Heiligtum des Apollon und der Artemis, dasjenige in Amyzon […]

Die Asylie ist zwar nicht genannt, könnte jedoch in Zusammenhang mit den beiden Vergleichsinschriften inhaltsbestimmend sein. Zuletzt ist auf einige im 19. Jahrhundert getätigte Abschriftfragmente aus einem Brief des königlichen Beamten Zeuxis zu verweisen. Darin scheinen Erklärungen zur königlichen Asylie publiziert worden zu sein: „τὸ ἱερὸν ἄσυλον […] / βασιλέως εὔνοιαν […] / το, καὶ μηδενὶ ἐνοχλεῖν ὑμᾶς […]“ ‚das Heiligtum unverletzlich […] / Loyalität des Königs […] / und dass niemand von Euch belästigt wird […]‘.563 Innerhalb der erhaltenen Fragmente ist weder Initiative noch Aktivität der Bürger Amyzons belegt. Die Asylie scheint, soweit eine Interpretation auf der schmalen Materialgrundlage überhaupt möglich ist, vom König eingerichtet und den Bürgern verkündet worden. Dieses Vorgehen könnte der König in Teos eingeübt und von seinem Vater in Zusammenhang mit Smyrna gelernt haben – in beiden Fällen ist allerdings nicht mit Sicherheit zu entscheiden, ob königliche oder bürgerliche Initiative den Asyliestatus maßgeblich beförderte.564 Ähnliches suggeriert die Bitte der Milesier um die Anerkennung Statuserhöhung ihrer Festspiele mit der Behaup559 J. und L. Robert 1983, Nr. 12; Ma 1999, 297; vgl. ferner Piejko 1988a, 613. 560 Rigsby 1996, Nr. 3, 6 f.; IG XII 4, 1, 208 (= Rigsby 1996, Nr. 10), 12–14; Rigsby 1996, Nr. 62, 6 f.; Nr. 176, 19; Nr. 178, 19. 561 J. und L. Robert 1983, Nr. 13 (Anhang 5). 562 J. und L. Robert 1983, Nr. 10; Ma 1999, 294 f.; (Anhang 5). 563 J. und L. Robert 1983, Nr. 11; Ma 1999, 296 f.; von Rigsby 1996, 336 f. erwähnt. 564 Herrmann 1965, 1–4 mit Übersetzung; neuere Gesamtedition der vier Dokumente SEG 41, 1003 (Teos); Rigsby 1996, Nr. 7, 3–8 (Smyrna).

3.3 Incerta

167

tung, die Asylie der Stadt und des Heiligtums in Didyma sei bereits ohne städtische Initiative von Königen anerkannt worden.565 Falls zumindest ein verstärktes Interesse der Seleukiden an der Asylie in Smyrna, Teos und Amyzon anzunehmen ist, könnte sich diese Art und Weise des Umgangs mit den Interessen der Poleis verselbstständigt und in der Folgezeit sogar bis zu einem gewissen Grad verstetigt sowie ferner dem etwas über zehn Jahre jüngeren Asyliegesuch des Attaliden Eumenes II. als Vorlage gedient haben. Stratonikeia Zwei Heiligtümer in Stratonikeia – das Zeusheiligtum in Panamara und das Hekateheiligtum in Lagina – warben im Verlauf des ersten Jahrhunderts die Bestätigung ihres Asyliestatus von römischer Seite ein.566 Dass dieser Bestätigung hellenistische Asylieanerkennungen vorausgingen, lässt sich nicht mit Sicherheit vertreten, allerdings auf Grund von Plausibilitätserwägungen zumindest als Option darlegen. Für die hellenistische Asylie des Zeusheiligtums sprechen in erster Linie vier lediglich nach Buchstabenformen datierte Dokumente. Es handelt sich um zwei sehr fragmentarische Volksbeschlüsse unklaren Inhalts mit Bezug zur Asylie aus hellenistischer Zeit567 sowie eine Ehreninschrift568 für einen Bürger Stratonikeias, Leon, für seine Verdienste um die Asylie seiner Stadt mit einer Datierung in das dritte bis zweite Jahrhundert. Zudem wurden in Olymos drei Inschriftenfragmente gefunden, die wohl eine Liste mit privilegienanerkennenden Gemeinschaften verzeichnet.569 Die Datierung der genannten Inschriften in die hellenistische Zeit beruht auf paläographischen Kriterien und der Erwähnung der Asylie, die als hellenistisches Phänomen für eine entsprechende Datierung herangezogen wird. Dabei äußert aber bereits der Erstherausgeber, Jean Hatzfeld, Bedenken.570 Weitestgehend wird sich an seiner Einschätzung – wegen der schwerwiegenden Probleme eine tragende Chronologie zu erstellen – dennoch orientiert. Die Schrift571 lässt einen späteren Ansatz jedoch durchaus zu. Als Zeugnisse der hellenistischen Asylie wären die beiden Volksbeschlüsse wohl als ungewöhnlich einzuordnen: weder ist eine typische Verleihungsformel verwendet572 – die Asylie wird eher als Faktum vorgestellt – noch lassen sich übliche prozessuale oder argumentative Muster573 sicher erschließen. Rigsby hält beide Dokumente am ehesten für startonikeische Beschlüsse hinsichtlich der Einrichtung einer Asylie, da die Dokumente ausführliche Bestimmungen über die Publikation 565 566 567 568 569 570 571 572

IG XII 4, 1, 153, 12–16 (Milet, Anhang 2). S. 254 f. I.Stratonikeia 19; 20. I.Stratonikeia 7. I.Stratonikeia 21. Hatzfeld 1927, Nr. 2; zur Datierung vgl. ferner Rigsby 1996, 423–426. Vgl. die Beschreibung der Schrift bei Rigsby 1996, 424. I.Stratonikeia 19, 7 (εἶναι δεῖ τὸ ἄσυ[λον – στήλην]); 20, 7–9 ([…] καὶ ὑπο/[–]ου καὶ ἀσύλου καὶ ἀτε-/[λοῦς –]). 573 I.Stratonikeia 19, 8 f. (möglicherweise Epiphanie); 20, 4 f. (möglicherweise Epiphanie), 5 f. (Eusebie gegenüber den Göttern).

168

3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

enthielten, was für Texte fremder Gemeinschaften unüblich sei.574 Zwar sind Publikationsbestimmungen durchaus auch in Asylieanerkennungen vorhanden,575 dennoch böte die Annahme, es handle sich um eigene Texte der Asyliebewerber, eine Erklärung für die gattungsuntypischen Züge der Texte. Alternativ wäre mit einer späteren Asylieanerkennung zu operieren, was Rigsby – auch weil Sulla das Zeusheiligtum in Panamara in seiner Bestätigung der Asylie des Hekateheiligtums in Lagina576 mit keinem Wort erwähnt – präferiert.577 Dann wären die Inschriften der römischen Asylieanerkennung des späten ersten Jahrhunderts beizuordnen. Inhaltlich ließen sich die beiden gattungsuntypischen Volksbeschlüsse, in denen neben der Asylie auch etwa steuerliche Privilegien genannt werden, durchaus später ansetzen. In dem Fall wäre auch die Ehreninschrift für Leon herabzudatieren, was gerade in Anbetracht der Singularität einer wegen Förderung der Asylie gestifteten Ehreninschrift für einen eigenen Bürger seitens der Asyliebewerber zur Hochphase des Phänomens recht schlüssig scheint. Die stark fragmentarische Stadtnamenliste ließe sich ebenfalls problemlos später ansetzen, wenn überhaupt eine Zuordnung zur Asylie vorzunehmen ist; es könnte sich auch etwa um eine Liste anerkennender Partner einer Agonerhöhung oder Partizipanten bei einem Agon etc. handeln. Die von Sulla bestätigte Asylie des Hekateheiligtums in Lagina geht möglicherweise auch auf eine im Hellenismus verliehene Asylie des Heiligtums zurück. In der fragmentarischen Inschrift aus dem Heiligtum der Hekate handelt es sich um einen römischen Brief an die Stadt mit Nennung eines von Sulla578 eingebrachten senatus consultum des Jahres 81 hinsichtlich der Bitte einer stratonikeischen Gesandtschaft an die Römer, das erweiterte Territorium der Stadt zu wahren sowie die Asylie und die Einrichtung eines vierjährigen Agons anzuerkennen.579 Zu diesem Zweck spenden die Stratonikeier den Römern einen Kranz und betonen das eigene Wohlwollen (Z. 27 f., 45). Die Römer äußern sich positiv zum Gesuch, auch wenn die übliche Formel zur Asylieverleihung der substantivischen Erwähnung derselben weicht (Z. 59–61). Zudem ist ein Beschluss der Stratonikeier erhalten, der die Aufzeichnung der griechischen Städte, die die Asylie anerkannt haben, verabschiedet580 sowie eine Liste griechischer Städte.581 Zusammengenommen lassen sich hier trotz inhaltlicher wie formaler Abweichungen durchaus Spezifika der territorialen Asylie der Hochphase vorfinden, auch wenn Rom als zentraler Ansprechpartner fungiert. Man könnte an eine hellenisti-

574 575 576 577 578

Rigsby 1996, 424 f. S. Anhang 9. I.Stratonikeia 505 (= in Auszügen Rigsby 1996, Nr. 210). Rigsby 1996, 427. Eine weitere Anerkennung, die mit Sulla in engerem Zusammenhang steht und verhältnismäßig griechischen Mustern verpflichtet ist, bildet die Inschrift aus dem Heiligtum des Amphiaraos in Oropos (Rigsby 1996, Nr. 6). Zu Sullas Kampange in Kleinasien vgl. Eckert 2016, 112–114. 579 I.Stratonikeia 505 (= in Auszügen Rigsby 1996, Nr. 210). 580 I.Stratonikeia 506. 581 I.Stratonikeia 507.

3.3 Incerta

169

sche Vorlage denken, die bei dem deutlich gattungstypischeren Asylievorhaben, als es in Panamara vorliegt, zu Grunde gelegt worden wäre. Delos Es gibt einen Hinweis auf ein hellenistisches Asyliegesuch der Insel Delos’. Dabei handelt es sich um ein dem frühen zweiten Jahrhundert zuzuordnendes Dekret der Delier an die Römer, dessen Bestimmung nicht mit Sicherheit eruierbar, dessen formaler Aufbau jedoch dem der Asyliedokumente vergleichbar ist. Folgende Zeilen sind erhalten:

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10

[θε]οί. ἔδοξεν τῆι βουλῆι καὶ τῶι δήμωι· Τηλέμνηστος Ἀριστείδου εἶπεν· ἐπειδὴ ἀποστείλαντος τοῦ δήμου πρεσβευτὰς εἰς Ῥώμην τήν τε οἰκειότ[ητα καὶ] τὴν φιλίαν ἀνανεω[σομένους] καὶ ὑπὲρ τῶν συμ[φερόντων] τῶι τε ἱερῶι καὶ̣ [τῶι δήμωι, ἐν?] ὧι τὴμ πᾶσαν̣ [σπουδὴν καὶ φι]λοτιμίαν ἐ[ποίησαν? – – – – –] ΤΑΕΓ– ΔΗ̣–582 Bei den Göttern! Der Rat und das Volk haben beschlossen: Telemnestos, S. d. Aristeides sagt: Weil das Volk Gesandte nach Rom geschickt hat, das enge Verhältnis und die Freundschaft zu erneuern und über die Vorteile [gegenüber] dem Heiligtum und dem Volk […] den ganzen Eifer und Philotimie machten sie […].

Die Inschrift enthält typische Motive der Asylieurkunden wie den städtischen Beschluss, die Erwähnung von Gesandten, die argumentative Ausgestaltung des Gesuchs mit Betonung der οἰκειότης und φιλία, den Verweis auf Vorteile, die dem Heiligtum gegenüber gewährt werden sollen. Die Erwähnung einer Rede ist mit Blick auf das Asyliematerial ungewöhnlich. Da in Dekreten allerdings häufig auf Reden Einzelner oder ihre Antragstellung etc. verwiesen wird, ließe sich die hier vorliegende Erwähnung aber mit der Annahme erklären, es handle sich bei dieser Inschrift um die Niederlegung eines jener Psephismata, die die Gesandten auf ihren Reisen mit sich trugen und die üblicherweise nur rekonstruiert werden können. Dieses potentielle Asyliegesuch ließe sich durch eine Stelle bei Livius stützen, wo es bezüglich einer Konferenz der Römer, Makedonen und Pergamener im Jahre 168 heißt, „sanctitas templi insulaeque inviolatos praestabat omnes“ ‚die Heiligkeit des Tempels und der Insel sorgte dafür, dass alle unverletzt blieben‘.583 Diese Tatsache berührt jedoch gleich mehrere Problemkreise. Zum einen würde diese Annahme voraussetzen, dass Delos sowohl in klassischer Zeit als eine Art panhellenische sakrale Schutzzone fungierte als auch ein Asyliegesuch im Hellenis582 IG XI 4, 756. Rigsby 1996, 53, spricht sich ohne die Inschrift einzubeziehen, gegen eine hellenistische Asylieverleihung an Delphi aus. 583 Liv. 44, 29, 2. Zur lateinischen Begrifflichkeit vgl. ferner Derlien 2003, 65–67.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

mus vorweisen könnte.584 Zum anderen lässt die Unvollständigkeit und Eigenartigkeit gegenüber dem restlichen Asyliematerial der zitierten Inschrift Bedenken aufkommen, ob eine gattungstypische territoriale Asylie für Delos postuliert werden kann. Allerdings sind die aus den Asyliedokumenten rekonstruierbaren Psephismata der initiativen Asyliebewerber nur in besonderen Fällen erhalten, so dass ein gewisser Raum für Varianzen durchaus vorhanden scheint. Sollte es sich bei dieser Inschrift um ein delisches Asyliepsephisma handeln, wäre die Liste der Gesuche an Rom um eine weitere erweitert.585 Hinsichtlich der Ausrichtung des delischen Netzwerks deutete die Inschrift in diesem Fall auf die steigende Bedeutung Roms im beginnenden zweiten Jahrhundert. Andere Adressaten dürfen allerdings nicht ausgeschlossen werden, da die im Asyliematerial erhaltenen Bittbriefe stets auf den jeweiligen Empfänger zugeschnitten sind. Delphi Auch für Delphi, das ähnlich wie Delos als nach traditionellen Mustern beschriebene Schutzzone fungiert, liegt vermutlich eine römische Asylieanerkennung aus dem Jahr 189 vor. Nach gewissen diplomatischen Schwierigkeiten die Verfügungsgewalt über das Heiligtum zu erhalten,586 scheinen die Delphier in Rom um Hilfe ersucht zu haben, was mit der Gewährung der Freiheit und steuerlicher Befreiung für die Stadt sowie der Asylie für das Heiligtum durch den Konsul Spurius Postumius bedacht wurde.587 Der erhaltene Brief des Konsuls erlaubt jenseits der Erwähnung einer Gesandtschaft kaum sichere Erkenntnisse über das Prozedere der Verhandlungen. Auch das Signifiée des verwendeten griechischen Terminus Asylie muss mitnichten mit dem der hellenistischen Dokumente übereinstimmen.588 Falls es sich um ein Asyliegesuch nach hellenistischem Muster handelt, bildet die römische Anerkennung das einzige Zeugnis der territorialen Asylie Delphis im engeren Sinne. Xanthos Aus Xanthos ist eine Torbogeninschrift bekannt, die die Heiligung der Stadt der Leto, des Apollon und der Artemis durch Antiochos III. bezeugt.589 Es liegt zwar im Bereich des Möglichen, das diese Inschrift von einer dezidierten Verleihung territorialer Asylie abhängt, jedoch reicht das singuläre Zeugnis für eine sichere Zuord-

584 S. 68–72; vgl. ferner Baslez/Vial 1987, 307 f., die die Ereignisse zwischen 171 und 168 datieren und mit der traditionellen delischen sakralen Sicherheit in Zusammenhang bringen. 585 Rigsby 1996, Nr. 153; Nr. 173; Tac. ann. 3, 62; FD III 4, 353. 586 RDGE 37, 7–10; vgl. ferner auch Rigsby 1996, 46 f. 587 FD III 4, 353, 8–14, hier 8. 588 Zum römischen Verständnis der Asylie s. 29–32; zu griechischer Selbstrepräsentation in Rom und römischer Sicht auf die griechische Diplomatie, vgl. jetzt Rosillo-López 2015 mit Literatur; Gibson 2014; Ager 2009; Grundlegend zur Roms Teilhabe am griechischen politischen Kosmos vgl. Eckstein 2006, bes. 79–117; Woolf 1994; Gruen 1984, bes. 203–287. 589 Rigsby 1996, Nr. 164.

3.3 Incerta

171

nung zur Gattung nicht aus. Für das Prozedere der Asylie und die Rolle der Asyliebewerber lassen sich gegebenenfalls auch keinerlei Erkenntnisse erzielen. Ephesos Die Heimatstadt der berühmten Artemis Ephesia soll nach Einschätzung Rigsbys im Hellenismus territoriale Asylie erhalten haben. Der Autor argumentiert diesbezüglich in erster Linie mit der gutbezeugten Hikesietätigkeit des Heiligtums,590 was allerdings methodisch mehr als befremdet. Darüber hinaus verweist er auf ein fragmentarisches Dekret sowie einen Grenzstein. Leider ist der Text der Grenzsteininschrift an betreffender Stelle großzügig ergänzt und das genannte Dekret weist zwar durchaus terminologische Übereinstimmungen mit Asylieurkunden auf, scheint aber ohne weitere äußere Belege nicht einschlägig genug, um die Beweislast für territoriale Asylie Ephesosʼ im Hellenismus zu tragen.591 Erst Strabon überliefert unter Verwendung der Termini ἄσυλος und ἀσυλία einen gewissen Hinweis auf territoriale Asylie des Artemisions, das in seinem Satus 45/44 wiederhergestellt und erweitert worden sein soll.592 Allerdings fokussiert der Text auf Alexander den Großen, Mithridates und römische Repräsentanten, was neben dem Problem der aus Quellengründen fehlenden formalen Kennzeichen den zeitlichen Rahmen arg dehnt. Es scheint nicht unwahrscheinlich, dass im Falle von Ephesos eine gewisse sakrale Schutzzone angenommen wurde, die dem Phänomen der territorialen Asylie – ähnlich wie im Falle von Delphi oder Delos –593 möglicherweise sogar vorausging. Letztlich lässt sich diese Frage jedoch nicht klären. Ungeachtet dieser Entscheidung bleibt festzuhalten, dass die Auswertung der Gesuchsabläufe und die Analyse der Netzwerkausrichtung durch derartige Quellen nicht vollzogen werden kann. Abschließend sei festgehalten, dass die territoriale Asylie ein im dritten Jahrhundert neues Phänomen darstellt, das im Sinne von try and error nicht zwingend verstetigt werden musste. Die formale Ausgestaltung und Fixierung der äußeren Merkmale lässt sich jedoch von Beginn an beobachten. Die Institutionalisierung dieses Vorgangs spiegelt, dass Asylie als ein probates Kommunikationsmittel wahrgenommen wurde und offenbar eine Lücke im Instrumentarium der Poleis geschlossen hat. Die Politen der jeweiligen Städte erweisen sich dabei – bis auf wenige Ausnahmen – als treibende Kraft hinter den Asyliegesuchen. Der persönliche Einsatz der Gesandten, die durch städtische Dekrete in ihrer Argumentationsstruktur zwar nicht eingeschränkt, aber doch geleitet wurden, sowie die Weitervermittlung der bereits erhaltenen Beschlüsse im Sinne des Konzepts ‚wandernder Urkunden‘, trugen einen großen Teil zur Ausdifferenzierung der territorialen Asylie bei. Im Rahmen des diplomatischen Kontakts wurden die Formeln eingeübt und die Termini erarbeitet und somit das Instrument etabliert. 590 591 592 593

Rigsby 1996, 385–387. Rigsby 1996, Nr. 182; 387. Strab. geogr. 14, 1, 23. S. dazu 261 f. S. 68–72.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

In formaler Hinsicht lässt sich in allen Fällen ein Zusammenspiel aus Gesuch und Anerkennung feststellen. Die territoriale Asylie konnte folglich – ganz vergleichbar dem Kranzagon – nicht einfach verkündet werden, sondern bedurfte einer Bestätigung durch den Interaktionspartner. So lassen sich die Asyliegesuche als Vertragsofferten und die Anerkennungen als Vertragszusagen betrachten. Damit soll nicht behauptet werden, bei den Asylieurkunden handle es sich um ‚klassische‘ bilaterale Verträge; aber eine Degradierung dieser Dokumente zu unverbindlichen unilateralen Willensbekundungen erweist sich ebenfalls als irreführend. Gerade im Zusammenspiel von Gesuch und Anerkennung, also von Offerte und Zusage, besonders in den häufigen dem Beschlussformular folgenden Urkunden lässt sich ein vertraglicher Charakter festmachen. Denn die Gesuche und Anerkennungen waren weder unmotiviert noch folgenlos. Teure Gesandtschaften und Festspiele seitens der Ersuchenden sowie Preise und Spenden seitens der Verleiher banden größere finanzielle Mittel, und das in einer politisch unsicheren Zeit. Nicht zuletzt verweist die Häufung der Asyliegesuche im westlichen Kleinasien und den vorgelagerten Inseln um die Jahrhundertwende vom dritten zum zweiten Jahrhundert auf die Verwicklung der Asylie in die realweltlichen Interessensabwägungen und ihre Opportunität in der von sich auflösenden und neuformierenden Machtgefügen geprägten Mittelmeerwelt. Dabei ist der Aspekt der Verstetigung der diplomatischen Inhalte – wie dieser sich in der Tradierung sprachlicher Wendungen manifestiert – relevant, da ein bereits mehrfach erfolgreich eingesetztes Instrument eher Nachahmer zu finden vermag. Die Asyliegesuche können so zum Netzwerkaufbau und der Pflege selbiger genutzt werden und so ein höheres Maß an gegenseitiger Bindung erzeugen. Dies wiederum vermag Sicherheit zu generieren. Trotz der bisweilen feststellbaren Abhängigkeiten bei der Gewährung der Asylie, die auch in der formalen Ausgestaltung Niederschlag finden, erweist sich der zwischenstaatliche Kontakt in und bezüglich dieser Inschriftengattung als relativ paritätisch. Damit soll nicht gesagt sein, königlicher Duktus wäre dem städtischen gleichzusetzen; jedoch gilt zu fokussieren, dass die politischen Akteure zumeist mehr oder minder auf Augenhöhe kommunizierten. Vermutlich liegt dies darin begründet, dass territoriale Asylie in ihrem Ursprung ein zwischen nach außen – unabhängig von ihrer inneren Verfasstheit – zumindest zu einem gewissen Grade eigenständig agierenden Poleis zu verortendes Phänomen darstellt.594 Das Selbstverständnis dieser städtischen Gemeinschaften, so konnte es Herrmann an Hand von inschriftlichen Selbstbeschreibungen der Poleis eruieren, führte zu einer Identifikation mit dem Idealbild des Bürgers und im folgenden Schritt der „Individualisierung des Kollektivs Demos.595 Unter Berücksichtigung dieser Annahme lässt sich das scheinbar ebenbürtige Verhältnis zwischen hellenistischen Monarchen und Poleis klarer fassen – dem personifizierten Idealbild des Bürgerverbandes trat im Rahmen der Asylieverhadlungen das Idealbild des Königs gegenüber.

594 Vgl. dazu auch Raynor 2016, bes. 227, 248 f. 595 Herrmann 1982; Herrmann 1986, 39.

3.3 Die Begründung der Asyliegesuche

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3.3.2 Die Begründung der Asyliegesuche Auch inhaltlich werden die Asyliedokumente im Laufe der Zeit zunehmend argumentativ ausgebaut. Da das Gros der Asylieanerkennungen seitens der Poleis und Bünde dem Beschlussformular folgt und somit die Argumentation der Bewerber wiederspiegelt, kann auch das Verhältnis zwischen den jeweilig vorgebrachten und im Beschlussteil wiederholten Argumenten betrachtet werden. Auch in herrschaftlichen Asylieanerkennungen lassen sich gewisse Tendenzen der in den Gesuchen vorgebrachten Argumente erkennen, wenn auch die Grenze zwischen Annahmegründen und den Gesuchsargumenten ob der weniger schematischen Strukturierung der monarchischen Briefe nicht so leicht ziehen ist wie im Falle der städtischen Urkunden. Es verfestigt sich – wohl auch unter Rückgriff auf die Erfahrungen und ‚Erfolgsquoten‘ der vorangegangen Gesuche – ein Kanon der Motive und Gründe, die zur Unterstützung des eigenen Asyliegesuchs vorgebracht werden. Diese argumentative Ausrichtung kann allerdings stets um spezielle, vom Einzelfall abhängige Erklärungen erweitert werden. Den Ausgangspunkt dieser Ausarbeitung bildet die in der Forschung umstrittene Frage, ob religiöse oder (außen)politische Motive die argumentativen Strategien der an der territorialen Asylie beteiligten Interaktionspartner prägten. Dabei liefern bereits die organisatorischen Bestimmungen der Asylieinschriften einen Hinweis darauf, dass diese dichotomische Trennung kaum mit den Dokumenten vereinbar ist. Zwei Dokumente aus dem koischen Dossier eignen sich zur Versinnbildlichung dieses Problems: in der Asylieanerkennung aus Kalchedon heißt es, das Dekret soll „ε�ἰς τὰ δη̣[μόσια γράμματα…]“ ‚zu den öffentlichen Dokumenten‘ gruppiert werden,596 während der philippische Beschluss mit „ἱ̣ερῶν“ ‚[betrifft] Kultisches‘ überschrieben ist.597 Vergleichbare Schwierigkeiten lassen sich auch für andere Asyliedossiers festhalten.598 Um die jeweiligen Argumente gebührend einzuschätzen, sollte folglich keine einfache binäre Kodierung in religiös oder politisch herangezogen werden. Vielmehr gilt es hinsichtlich der Beurteilung, ob eine Argument als religiös oder der politischen Sphäre entstammend klassifiziert wird, im Sinne der skizzierten Feld- und Grenzbegriffe eine abwägende Zuordnung zu treffen und gerade auf die Verflechtungen und gegenseitigen Bedingungen der Asyliebegründungen – auch jenseits der Pole religiös und politisch – hinzuweisen. In diesem Zusammenhang sollen zunächst die kanonischen Argumente der von den Bewerbern angeführten Asyliegründe in den Vordergrund gerückt und in einem zweiten Schritt die an die Situation angepassten Strategien zur Begründung der Asylie gesammelt werden. Abschließend werden die argumentativen Möglichkeiten der auffällig kurzen Dekrete erörtert.

596 IG XII 4, 1, 226 III 1. 597 IG XII 4, 1, 220 III (= Rigsby 1996, Nr. 27), 1. 598 In IG XII 4, 1, 230 II, 13 wird formuliert, dass die Ausgaben in Zusammenhang mit der Asylie aus den sakralen Einkünften zu bestreiten sind, was im Gegensatz zum üblicheren Einzug von den regierenden Beamten steht. In der Asylieanerkennung Magnesias durch Korkyra (Rigsby 1996, Nr. 94, 36 f.) wird die Publikation ‚unter den Gesetzen‘ angeordnet.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

a. Kanonische Argumente Die territoriale Asylie entwickelt sich im dritten Jahrhundert und besteht in verhältnismäßig gleichbleibender Gestalt etwa hundert Jahre fort. Wie beschrieben, lässt sich das Phänomen hauptsächlich über spezifische epigraphische Urkunden fassen und gegenüber anderen zeitgenössischen Phänomenen eindeutig abgrenzen. Unverzichtbarer Nukleus solcher Urkunden ist die Anerkennungsformel. Hinzu kommen, begleitende Bestimmungen und bisweilen recht knappe, häufiger jedoch ziemlich ausführliche Argumentationen zur Legitimierung des Anspruchs. Diese Darlegungen sind aber nicht als schmückendes Beiwerk zu verstehen, vielmehr unterstreichen sie die Dringlichkeit der Erlangung des Ziels – denn Asyliegesuche erfordern personellen und finanziellen Einsatz der Poleis und das in einer politisch wechselvollen Zeit. Eine gute Begründung des eigenen Anspruchs auf Annahme der vorgebrachten Vertragsofferte steigert die Chancen auf ein positives Ergebnis, die Anerkennung der Asylie. Aus diesem Grund entwickelt sich im Laufe der Zeit ein Katalog an Legitimierungskriterien, der schnell Verbreitung erfährt und kanonisch wird. Bei der Entstehung dieses Kanons bildet das koische Asyliegesuch von 242 einen wichtigen Meilenstein. Es ist jedoch zu betonen, dass auch die erhaltenen älteren Anerkennungen der Asylie Koroneias und Smyrnas vergleichbar gestaltet sind und alle wesentlichen Punkte bereits enthalten. Die Asyliebitte der Koer für ihren Teil erweist sich als äußerst breit angelegt und umfasst die gesamte griechische Oikumene vom Pontos Euxenos bis Ägypten, von Syrien nach Sizilien. Mit Rückgriff auf das Konzept der ‚wandernden Urkunden‘ bedeutet das, dass das koische Gesuch in Wort und Schrift über weite Teile der griechischen Welt verbreitet wurde und so Eingang sowohl in die Rechtssprache als auch in die diplomatischen Gepflogenheiten anderer Staaten fand.599 Zudem ist das koische Asyliegesuch mit der Bitte um Statuserhöhung der Asklepieia verbunden, was bedeutet, dass eine Einladung erfolgte, an den Festspielen in Kos zu partizipieren. Dies führte vermutlich zu einer weiteren Verstetigung der Formen und Inhalte der territorialen Asylie, da die Teilnehmer an kultischen Feierlichkeiten und Wettkampf die Möglichkeit hatten, das Asyliedossier anzuschauen oder gar an einer Verlesung teilzunehmen.600 Auf diese Weise differenzierte sich die territoriale Asylie weiter aus und entwickelte mit jeder weiteren Asyliebitte zunehmend institutionalisierte Muster. Die aus der Verstetigung resultierende Kanonisierung der sprachlichen wie inhaltlichen Ausgestaltung der territorialen Asylie wurde jedoch nicht stets starr realisiert, vielmehr konnten im Einzelfall Punkte hinzugefügt oder auch ausgelassen werden. Darüber hinaus ist für die Beurteilung von Argumentationsstrukturen innerhalb der Dokumente die Personifizierungstendenz der Poleis zu berücksichtigen. Die 599 Vgl. dazu Chaniotis 1999, 52–54. 600 Einen indirekten Hinweis darauf bietet die Asylieanerkennung an Magnesia aus Klazomenai (Rigsby 1996, Nr. 102, 30–32), wo die der Stadt verliehenen Kränze bei den eigenen Festspielen beschlossen wird. Es ist vorstellbar, dass solche Ehrungen oder andere Privilegienverleihungen, auch in der geehrten Stadt bekannt gemacht wurden, und so zumindest Aufmerksamkeit auf die Asylie gelenkt wurde.

3.3 Die Begründung der Asyliegesuche: Freundschaft und Verwandtschaft

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Legitimierung der Asyliegesuche wird über kollektive Selbstdarstellungen der Politen bestimmt und erweist sich somit als eine Richtschnur für positiv gefasste Eigenschaften der jeweiligen Gemeinschaften. Gerade die Vergleichbarkeit der angeführten Argumente verweist in gewisser Hinsicht auf die sich ausdifferenzierenden Idealbilder der hellenistischen Epoche und gemahnt gleichzeitig zur Vorsicht bei der Auswertung der Urkunden. Freundschaft und Verwandtschaft Zu den geläufigsten Argumenten asylieersuchender Parteien zählt – und das ist ein deutlicher Hinweis auf die personifizierende Vorstellung vom eigenen und fremden Demos oder Koinon – der Verweis auf bestehende Freundschaft oder Verwandtschaft. Die griechischen Begriffe φιλία, οἰκειότης und συγγένεια sowie die ihre adjektivischen Ableitungen differieren jedoch hinsichtlich ihrer Streuung in Zeit und Raum, aber auch bezüglich ihrer inhaltlichen Bedeutung. Die Termini sind auch in der literarischen Überlieferung und epigraphischen Quellen geläufig.601 Die Verwendung innerhalb inschriftlicher Zeugnisse ist Gegenstand mehrerer Monographien und auch darüber hinaus diskutiert. Olivier Curty stellt in seinem stark umstrittenen Buch Les parentés légendaires entre cités grecques hellenistische und kaiserzeitliche Dokumente mit Bezug auf die συγγένεια von politischen Gemeinschaften zusammen und deutet sie aus.602 Curty rekurriert in seiner Interpretation der Verwandtschaftstermini wie συγγενής, ὁμόφυλος oder ἀδελφὸς innerhalb diplomatischer Dokumente auf den Aspekt der Blutsverwandtschaft und zieht eine deutliche Trennlinie zu Begriffen wie φίλος oder εὔνους, die gemeinhin als funktional vergleichbar betrachtet werden.603 Den Terminus οἰκεῖος deutet er als eine losere Form der Verwandtschaft, die sich als „parenté par alliance“ beschreiben lasse.604 Die Bedeutsamkeit der „parenté par le sang“ wie weit zurückreichend und mythologisch konstruiert sie auch sein möge,605 bildet die grundlegende Prämisse seines Modells der Anwendung der συγγένεια in der Dokumentation zwischenstaatlichen Agierens in hellenistischer Zeit. Schließlich begründet diese Annahme auch seine Hauptthese in Bezug auf den Gebrauch von Verwandtschaftsbegriffen – die Darstellung der Verwandtschaft in hellenistischen Dokumenten zielt auf die Stärkung der zwischenstaatlichen Bindungen, da für als verwandt betrachtete Staaten moralische Kodizes galten, die gegenseitige Unterstützung na-

601 Liddell/Scott 1996, s. v. οἰκειότης, συγγένεια und φιλία. Die Literatur zu Freundschaft und Verwandtschaft in der Antike ist Legion, so dass im Rahmen der vorliegenden Analyse auf einen im zwischenstaatlichen Raum verwendbaren Arbeitsbegriff fokussiert wird. 602 Curty 1995; vgl. die Zusammenfassung seiner Ergebnisse in Curty 1994; in Auseinandersetzung mit Lücke 2000, Curty 2005. 603 Mitchell 1997 betont die Vergleichbarkeit der Verwendung von φιλία und εὔνοια in diplomatischen Urkunden; vgl. ferner Erskine 1997. 604 Curty 1995, 224; 241. 605 Im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit Lücke 2000, formuliert Curty 2005, bes. 101– 106, seine Definition von der Begründung verwandtschaftlicher Bindungen in der mythischen Vorvergangenheit.

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helegten. Insbesondere hätte sich diese Beistandsverpflichtung in Bezug auf die Bestellung und Akzeptanz von Richtern ausgewirkt.606 Gegen Curtys Konzept wurden viele Einwände vorgebracht,607 die sich vor allem gegen den verallgemeinernden Charakter seiner Beobachtungen richten. An dieser Stelle scheint eine Detailbetrachtung aller strittigen Punkte weder möglich noch nötig, lediglich Darlegungen, die zum Verständnis der Termini φιλία, οἰκειότης und συγγένεια in den Asylieinschriften beitragen, werden erörtert. Adalberto Giovannini argumentiert gegen die von Curty allgemein angenommene mythologische Begründbarkeit (und somit Rückführbarkeit auf Blutsverwandtschaft) der überwiegenden Mehrzahl der Verwandtschaftsansprüche.608 Der Autor formuliert, dass mythologische Konstruktionen stets in Zusammenhang mit Nichtgriechen verwendet würden, während unter Griechen die Zugehörigkeit zu den jeweiligen ethnischen Untergruppen Relevanz habe.609 In seinem neueren Handbuch der zwischenstaatlichen Beziehungen Les Relations entre États dans la Grèce antique stützt Giovannini diese These mit Beispielen aus der Literatur. Gerade für die Beziehungen mit Nicht-Griechen in hellenistischer Zeit kann er vielfach die Bemühung mythologischer Konzeptionen zur Herstellung von συγγένεια nachzeichnen.610 Dagegen hält Christopher Jones fest, gegenüber der mythologischen Erzählung sei die Anwendung des Konzeptes mythologischer Verwandtschaft bei den Griechen für unsere Deutung der antiken diplomatischen Dokumente relevanter, zumal die Grenze zwischen mythischen und historischen Begebenheiten von den Griechen und den modernen Historikern deutlch anders angesetzt würde.611 Auch Stephan Lücke betont, dass die Rückführung sämtlicher συγγένεια-Fälle auf Blutsverwandtschaft wenig zielführend ist und plädiert für einen mit den Inschriften besser verträglichen erweiterten Verwandtschaftsbegriff.612 Seiner Ablehnung der Suche nach den mythologischen Ursprüngen der συγγένεια ist beizupflichten, da solche Konstruktionen auch anlässlich der im diplomatischen Bereich festgestellten συγγένεια jederzeit spontan entstehen konnten. Wichtig ist folglich nicht, dass eine mythologische Verbindung bestand, sondern vielmehr, dass sie zu einem bestimmten Zeitpunkt eingesetzt wurde und sei es nur über einen sonst isolierten Verwandtschaftsanspruch. Für die οἰκειότης nimmt er an, es handle sich dabei um einen gegenüber συγγένεια breiter gefassten Verwandtschaftsbegriff. 606 Vgl. dazu Curty 1995, 215–267. 607 Vgl. die Rezensionen von Will 1995; Hall 1997; Mitchell 1997; Giovannini 1997; Lücke 2000, 12. Curty reagiert mit regelrechten Verteidigungsschriften, Curty 1999; Curty 2005. 608 Unter Bezug auf Musti 2001 formuliert Curty 2005, 102 f. der von ihm verwendete Ausdruck ‚mythisch‘ sei durch ‚legendenhaft‘ zu ersetzen, aber verteidigt das Konzept. 609 Giovannini 1997, 158 f. Gegen diese These argumentiert Curty 1999, 169–172 mit der Betonung der Unvereinbarkeit der modernen Einteilung antiker Vorstellungen (vor allem über die Frühzeit) in mythisch und historisch mit antiken Kategorien. Das ist zwar völlig korrekt, entkräftet Giovanninis Argument jedoch nicht. 610 Giovannini 2007, 63–68. 611 Jones 1999, 4. Zum Verhältnis von Mythos und Geschichte vgl. grundlegend Finley 1965, 284 f.; Nilsson 1986, 12; Luraghi 2008, 47; Patterson 2010, 22 f. 612 Lücke 2000, 12.

3.3 Die Begründung der Asyliegesuche: Freundschaft und Verwandtschaft

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Édouard Will prüft Curtys Unterscheidung zwischen συγγένεια und οἰκειότης – der schwer zu übersetzenden Zugehörigkeit zum selben οἶκος, also einem Nähe und Vertrautheit unter den Betreffenden suggerierenden Begriff – und spricht sich für deutlich differenziertere Bedeutungsbereiche aus. Es sei auszuschließen: […] qu’elles puissent être synonymes et interchangeables, se situant sur des plan différents de la pensée, la syngeneia sur le plan de l’erudition mythologique, l’oikeiotès sur celui des relations temporelles […].613

Συγγένεια reflektiere also verwandtschaftliche Verbundenheit und stelle damit eine Art historisches Argument dar und οἰκειότης betone die zeitgenössische Vertrautheit. Zu dieser Verortung der οἰκειότης in der Gegenwart würde die häufige Verbindung zur φιλία innerhalb verschiedener Inschriftengattungen gut passen.614 Jedoch bleibt die Absolutheit dieser Unterscheidung in Anbetracht der Quellen zu prüfen. Ein weiterer Kritikpunkt an der Konzeption Curtys geht auf Lynette G. Mitchell zurück und rekurriert auf Freundschaft als stabilisierendem Element in zwischenstaatlichen Beziehungen. Φιλία entstehe über die sozial konstruierten Bekundungen der εὔνοια und verhelfe im zwischenstaatlichen Raum zur Bildung funktionstüchtiger Netzwerke. Die Freundschaftsbekundung generiere Erwartungshaltungen hinsichtlich der Anerkennung der Freundschaft sowie weiterer Bitten und verhelfe zur Stabilisierung von Gefügen. Lee E. Pattersons Analyse schließt an dieser Stelle an und vermittelt unter systematischem Einbezug auch literarischer Quellen, Verwandtschaftstermini seien von politischen Funktionären verwendet worden, um komplexe zwischenstaatliche Verhandlungen der multilateralen griechischen Polis-Welt zu gliedern und zu vereinfachen.615 Dabei folgt er Lücke darin, dass die Entscheidung, ob ein Näheterminus realer bzw. alt eingebürgerter mythologischer Verwandtschaft Rechnung trage oder relativ neu konzeptualisiert sei, fallweise getroffen werden sollte und überdies hinter der relevanteren Frage nach dem Zweck und Movens des Verwandtschaftsrekurses zurückzustehen habe.616 Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Begriffen συγγένεια, οἰκειό της und φιλία in diplomatischen Dokumenten erweist sich folglich als von vielen Wiedersprüchen geprägt, die an dieser Stelle nicht aufgelöst werden können. Wichtiger erscheint eine Matrix für die Analyse der Inschriften festzuhalten, die Raum für Differenzierung der Verwendung der Termini innerhalb der Asylieinschriften lässt. Dabei scheint ein bedeutsames gemeinsames Moment aller drei Ausdrücke die assoziierte engere Verbindung der Beteiligten. Dies scheint auch das entschei-

613 Will 1995, 321. 614 Zur Verbindung von φιλία und οἰκειότης in epigraphischen Zeugnissen vgl. die Fallstudie von Erskine 1997, bes. 134, der allerdings eine mythisch-historische Abkunft zum Hauptpunkt seiner Beobachtungen macht; vgl. ferner Sammartano 2008/2009, 120–124, bes. 122 der festhält, dass οἰκειότης eine „affinità“ oder „familiarità“ ausdrücke, die aktuell zwischen den Gemeinschaften existiere, jedoch auf gemeinsamer Abstammung beruhe. 615 Patterson 2010, bes. 3, 14–21. 616 Patterson 2010, 16.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

dende Kriterium bei der Wahl eines Begriffes aus der Sphäre der persönlichen Bindungen für die argumentative Untermalung der Asyliegesuche zu sein. Im Rahmen der Asyliebitten bildet das Anbringen der eigenen φιλία, οἰκειότης und συγγένεια gegenüber dem Adressaten des Gesuchs ein überaus beliebtes Legitimierungsargument, allerdings keine condicio sine qua non. Dabei ist zu betonen, dass solche Bekundungen in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle der Kommunikation unter Poleis und Bünden vorbehalten sind.617 Hinsichtlich der Verwendungsweise von Freundschaft und Verwandtschaft in Asyliegesuchen an hellenistische Monarchen gibt es kaum Hinweise. Dies resultiert aus der weniger formelhaften Struktur der königlichen Dokumente. Denn in königlichen Briefen werden die Argumente der Asyliebewerber nur selten und dann in sehr geringem Umfang wiederholt. Wenn sich Könige auf städtische Erörterungsteile beziehen, fügen sie selbige derart in ihre eigene argumentative Konstruktion ein, dass ein unabhängiger Nachweis der Gesuchsargumentation schwerlich möglich ist. Lediglich die Rezeption der Gesuche Eumenes’ II. sind an dieser Stelle zu berücksichtigen, da die darin enthaltene Verwendungsweise von συγγένεια, οἰκειότης und φιλία der üblichen städtischen entspricht.618 Die geographische Streuung der Einbindung von Verwandtschaft und/oder Freundschaft in das Asyliegesuch unterliegt den üblichen aus der Quellensituation resultierenden Bedingungen. Kos, Magnesia und Teos, die Poleis mit den größten erhaltenen Asyliedossiers, erweisen sich als die häufigsten Übermittler dieses Arguments, während die Kreter die größte Gruppe unter den Adressaten stellen. Die chronologische Verteilung verfügt hingegen über mehr Aussagekraft. Zwar werden Freundschaft und Verwandtschaft während des gesamten Zeitraums argumentativ eingebunden; zu Beginn dominiert allerdings die Erwähnung der οἰκειότης619 das Material, nicht selten wird dabei φιλία620 angeschlossen; mit dem 617 Sollte die Gattungszuordnung von IG XI 4, 756 zur territorialen Asylie zutreffen, wäre οἰκειότης auch in Verhandlungen mit Rom belegt. 618 Rigsby 1996, Nr. 176, 7 f.; Nr. 178, 2 f.; 179, 4. 619 Erwähnungen der οἰκειότης allgemein: IG XII 4, 1, 222 (= Rigsby 1996, Nr. 48), 3, 9–12, 17; 223 (= Nr. 49), 9 f., 14; Rigsby 1996, Nr. 53, 11, 13 f.; Nr. 73, 20; Nr. 75, 11; Nr. 85, 13; Nr. 87, 14; Nr. 95, 20; Nr. 102, 11; Nr. 108, 5; 11; Nr. 138, 6; Nr. 143, 5 f.; Nr. 149, 2, 5 f., 20; Nr. 190, 5 f. Oἰκειότης erneuert: IG XII 4, 1, 221 II (= Rigsby 1996, Nr. 24), 21 f., 24 f.; 221 III (= Nr. 26), 23 f.; 220 III (= Nr. 27), 40–42, 46 f.; Rigsby 1996, Nr. 67, 7 f.; Nr. 81, 10–12, 36 f.; Nr. 98, 5 f., 13; Nr. 82, 1 f., 4 f., 21; Nr. 91, 3 f.; Nr. 92, 5; Nr. 93, 4 f.; Nr. 132, 3 f., 6 f.; Nr. 134, 4 f., 6 f.; Nr. 151, 2 f., 6 f., 19. Ferner wird in zwei kretischen Asylieanerkennungen für Mylasa mit hoher Wahrscheinlichkeit im Gesuchsteil das bei Erneuerungen übliche Verbum ἀνανεόω verwendet (Rigsby 1996, Nr. 195, 7 f.; Nr. 201, 8). Rigsby 1996 ergänzt an diesen Stellen φιλίαν, der Vergleich innerhalb der Asylieinschriften legt jedoch das einzeln häufigere οἰκειότατα nahe. 620 Erwähnungen der φιλία allgemein: IG XII 4, 1, 216 (= Rigsby 1996, Nr. 20), 6; 226 (= Nr. 32), 25 f.; 226 I, 1 f.; 226 III, 13 f.; 226 VII 64; 226 V 36 f.; 226 VI 54?; Rigsby 1996, Nr. 63, 14 f.; IG XII 4, 1, 153, 26 f.; 154, 3 f.; Rigsby 1996, Nr. 66, 26 f.; Nr. 100, 27; Nr. 144, 3 f.; Nr. 166, 4; 11; Nr. 178, 2 f.; Nr. 179, 4; Nr. 188, 3. Φιλία erneuert: Rigsby 1996, Nr. 57, 3; Nr. 59, 3; Nr. 60, 5 f.; Nr. 132, 3 f., 6 f.; Nr. 134, 4 f., 6 f.; Nr. 154, 7–9, 27.

3.3 Die Begründung der Asyliegesuche: Freundschaft und Verwandtschaft

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magnesischen Asyliegesuch jedoch entwickelt sich συγγένεια621 zum hauptsächlich zur Verhältnisreflexion genutzten Begriff. Zu allen Zeiten ist jedoch auch die Verwendung der anderen Termini bezüglich ein und desselben Verhältnisses möglich. Der Bedeutungsgehalt von οἰκειότης lässt sich an Hand von Asylieinschriften einerseits als ein Nahverhältnis zwischen zwei Gemeinschaften bestimmen. Allerdings gibt es gegen Will durchaus Hinweise, dass diese besonders enge Beziehung auch auf historische Bedingtheit rekurrieren kann, wie es sich im Falle der Argumentation Kos’ in Kamarina und in etwas abgewandelter Form in Gela beobachten lässt. Die Koer betonen im Rahmen ihres Gesuchs an Kamarina, dass sie die Stadt mitbesiedelt hätten „[… τῶγ Κα] / μαριναίων τοῖς Κώιοις […] / συνοικιξάντεσσι, καθὰ ε[…].“.622 Die Kamariner und Geloer bestätigen dies und erklären, dass aus diesem Grunde den Koern die wichtigsten und größten Privilegien ihrer Stadt, nämlich οἰκειότης, συγγένεια und Isopolitie, zustünden.623 Gerade aus dieser Erklärung der Verleiher lässt sich Einiges über die Motivation der Argumentation mit οἰκειότης und συγγένεια seitens der Asyliebewerber herleiten. Zunächst gilt es die Isopolitie gegenüber den beiden anderen Begriffen abzugrenzen. Während die Bedeutung der οἰκειότης und συγγένεια noch zu bewerten ist, stellt Isopolitie einen in der zwischenstaatlichen Diplomatie verorteten Rechtstitel dar, der die Verleihung des potentiellen Bürgerrechts enthält.624 Im vierten Jahrhundert entwickelte sich dabei die Idee, die vertraglich abgesicherte Isopolitie zwischen Mutterstadt und Apoikie – denn auf ein solches Verhältnis zielt die koische Argumentation ab –, bilde nur eine Verrechtlichung eines bereits existierenden Zustands. Das diese Form der Isopolitie aber nicht zwingend einer realhistorischen Grundlage bedurfte, konnte bereits Wilfried Gawantka zeigen.625 So schlussfolgert der Autor, die Erwähnungen von οἰκειότης und συγγένεια im Rahmen von Isopolitieurkunden des dritten und zweiten Jahrhunderts fungierten als Ersatzargumente, die aus dem Fehlen oder Verschweigen realpolitischer Motive resultierten.626 Generell scheint es eine methodisch schwierige Gepflogenheit in hellenistischen politischen Phänomenen stets Verfallserscheinungen oder Ersatzhandlungen für politisch wirksames Agieren zu sehen. Die Formulierungen der korrespondierenden Inschriften aus Kamarina und Gela legen nahe, dass die an dieser Stelle vorgebrachte Isopolitie der Koer keine 621 Erwähnungen der συγγένεια allgemein: IG XII 4, 1, 216 I (= Rigsby 1996, Nr. 21), 4 f., 10 f., 14; IG XII 4, 1, 216 II (= Rigsby 1996, Nr. 21), 23 f.; 221 (= Nr. 23), 3 f.; 220 I (Nr. 25), 5 f.; Rigsby 1996, Nr. 60, 3, 5 f.; Nr. 88, 19 f., 21 f.; Nr. 125, 15; Nr. 145, 1; Nr. 160, 5; Nr. 161, 8; Nr. 23; Nr. 163, 12; Nr. 170; Nr. 187, 5; Nr. 192, 6; Nr. 199, 5; Nr. 206, 4; 7 f.; Nr. 207, 8 f. 622 Kamarina: IG XII 4,1, 222 (= Rigsby 1996, Nr. 48), 3; Gela: IG XII 4,1, 223 (= Rigsby 1996, Nr. 49), 5; vgl. ferner auch Rigsby 1996, Nr. 111, 14–20. 623 Kamarina: IG XII 4,1, 222 (= Rigsby 1996, Nr. 48), 9–12; Gela: IG XII 4,1, 223 (= Rigsby 1996, Nr. 49), 6–8; vgl. ebenfalls mit Verbindung von οἰκειότης und Isopolitie, Rigsby 1996, Nr. 53, 11. 624 Zur Isopolitie vgl. Gawantka 1975; vgl. ferner Saba 2014, bes. 132 625 Mit Bewertung der Isopolitie ‚verwandter‘ Staaten, vgl. Gawantka 1975, 111–114. Musti 1963, 229, 233–235, hält die älteren Fälle von angenommener Verwandtschaft für real, während nach 240 keinerlei Hinweise auf eine wie auch immer geartete Verwandtschaft vorhanden sein müssten, um in Dokumenten Bezug auf selbige zu nehmen. 626 Gawantka 1975, 94 f.

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Vertragsofferte sondern ein Faktum und darstellte.627 Ob nun in einer vorangegangenen Isopolitieverleihung die Verwandtschaft als Ersatzargument angebracht wurde, lässt sich ob des Schweigens der Quellen nicht prüfen; es steht jedoch fest, dass innerhalb der beiden betreffenden Asyliedokumente die Isopolitie der συγγένεια beigeordnet wird. Darüber hinaus werden die Statuserhöhung des Agons und die Anerkennung der Asylie direkt mit der Übernahme der religiösen Gebräuche aus Kos in Verbindung gebracht:

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καὶ ἀξιῶντι δεῖν κοινωνεῖν τὰν ἁμὰμ πόλιν ἐμφανί– ζοντες τὰν οἰκειότατα καὶ εὔνοιαν ταῖς πολίεσσι, καλῶ[ς] δὲ ἔχον ἐστὶ τάν τε ἐπαγγελίαν παρ᾿ αὐτῶν δέχεσθαι κα[ὶ] φανερὸν ποιῆσαι αὐτοῖς, διότι μνάμαν ἔχοντες δια– τελοῦμες τᾶς ὑπαρχούσας ποτ᾿ αὐτοὺς συγγενείας [ἔν] τε ταῖς πατρίοις θυσίαις, ἃς παρελάβομες παρ᾿ αὐτῶν, κ̣[αὶ] ἐν ταῖς παναγυρίεσσι […].628 […] und bitten, dass teilnehmen müsse auch unsere Stadt, wobei sie die enge Verbindung und das Wohlwollen bei den Städten hervorheben, ist es eine gute Sache, ihre Ankündigung anzuerkennen und ihnen deutlich zu machen, dass wir uns ständig der mit ihnen bestehenden Verwandtschaft bewusst sind, indem wir sowohl in den althergebrachten Opfern, die wir von ihnen übernommen haben, als auch in den Festveranstaltungen […].

Das Spannungsgefüge, das sich so aus dem Wechselspiel aus koischer Anfrage und geloischer beziehungsweise kamarinischer Antwort ergibt, beleuchtet die hinter den Begriffen stehenden Konzepte. Die Koer bitten um die Anerkennung ihrer Gesuche unter Verweis auf die οἰκειότης und εὔνοια, etwa ‚Loyalität, Wohlwollen‘, gegenüber ihrem Vertragspartner. Gerade die Kopplung an εὔνοια, die durchaus geläufig ist, verweist dabei darauf, dass οἰκειότης hier als ein Geisteszustand oder eine Art innere Einstellung gegenüber dem potentiellen Asylieverleiher zu deuten ist. Darauf deutet auch die sonst kaum zu erklärende superlativische Verwendung des Terminus οἰκεῖος, „οἰκειοτάτη[ς]“ ‚am zuträglichsten‘, bezogen auf das Epitheton der Athene Nikephoros, durch Eumenes II. in seinem Asyliegesuch.629 Diese Geisteshaltung kann nun aus Verwandtschaft herrühren, wie es in diesem Fall auch aus der Antwort der Kamariner und Geloer ersichtlich wird, muss sie aber nicht. Das heißt, οἰκειότης und συγγένεια sind nicht als Synonyme mit leicht divergentem Engegrad zu verstehen. Vielmehr verfügen die Begriffe hier über unterschiedliche Bezugssysteme – während die οἰκειότης eine Haltung darstellt, beschreibt die συγγένεια einen Zustand und will man diese Reihe fortsetzen, Isopoliteia einen Titel. Im Rahmen der beiden sizilianischen Inschriften rekurriert diese Verwandtschaft auf historische Vorgänge der nahen Vergangenheit, eine Mitgrün-

627 Gawantka 1975, 120, hält die Inschrift für ein unsicheres Zeugnis der einseitigen Isopolitieverleihung. 628 Kamarina: IG XII 4,1, 222 (= Rigsby 1996, Nr. 48), 17–23; Gela: IG XII 4,1, 223 (= Rigsby 1996, Nr. 49), 13–20. 629 Rigsby 1996, Nr. 176, 7 f.

3.3 Die Begründung der Asyliegesuche: Freundschaft und Verwandtschaft

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dung der Poleis durch die Koer,630 während die οἰκειότης als eine Folge dieser Verwandtschaft dargestellt wird.631 Die Kopplung der οἰκειότης an συγγένεια ist jedoch nicht zwingend erfoderlich, die entsprechende Einstellung kann auch für sich oder in Verbindung zur φιλία dargelegt und erneuert werden. Die Kombinationen von οἰκειότης mit συγγένεια und φιλία entwickeln sich in vielerlei Hinsicht parallel, mit dem Unterschied der Fokussierung auf Verwandtschaft oder Freundschaft, was den Grad des jeweiligen Verhältnisses bestimmen sowie die Erwartungshaltung definieren könnte. Das erwartbare Verhalten innerhalb der Verwandtschaft ist der gegenseitige Schutz,632 während Freundschaft, die seit der klassischen Zeit im Rahmen sogenannter ‚FeindFreund-Klauseln‘ von Symmachieverträgen häufig zum konstitutiven Bestandtteil zwischenstaatlicher Abkommen wurde,633 auf Reziprozität beruht. Φιλία beschreibt also vergleichbar der συγγένεια einen Zustand der jeweiligen politischen Beziehung, und zwar einen, dessen zeitliche Konstanz im Rahmen der Asylieinschriften wiederholt stark betont wird.634 Die Betonung der Tatsache, dass die Freundschaft aus alter Zeit herrühre, verhilft dazu, das neue Phänomen der territorialen Asylie mit einer gewissen historischen Tiefendimension auszustatten. Denn die auf diese Weise generierte Tradition und Konstanz verhelfen dazu künftiges Verhalten planbar zu machen. Die Kombination von φιλία und οἰκειότης betont folglich den vertraulichen Status eines bestimmten historisch tiefverwurzelten Verhältnisses. Ge630 Rigsby 1996, 150, geht davon aus, die koische Unterstützung der Bürgerschaften Kamarinas und Gelas bezöge sich im Falle von Kamarina auf die Zerstörung durch die Römer 258 und im Falle Gelas durch die Zerstörung und Umsiedlung durch Phintias um 280. Diese Annahme ist nicht zwingend notwendig, da es für beide Städte ausreichend Gelegenheiten zur Neugründung gab. Die starken formalen und inhaltlichen Übereinstimmungen der Inschriften könnten auch aus gemeinsamer Motivation der Anerkennungen resultieren. Es ist vorstellbar, dass eine gleichzeitige Mitbesiedlung der Städte durch die Koer diesen Berührungspunkt bildete, wofür wiederum die Zerstörungen beider Städte im Rahmen desselben karthagischen Feldzuges im Jahre 405 eine geeignete Basis böten, vgl. dazu Diod. 13, 108–111. 631 Vergleichbare Verbindungen von οἰκειότης und συγγένεια liegen in folgenden Fällen vor. Verwandtschaft: Rigsby 1996, Nr. 85, 13 (Magnesia und Same); Nr. 206, 4, 7 f. (Mylasa und Lappa); Verwandtschaft, Freundschaft und εὔνοια werden erneuert, οἰκειότης bestätigt: Nr. 161, 8, 17, 23 (Teos und unbekannte kretische Polis); Nr. 149, 2, 5 f., 20 (Teos und Eleutherna sind φίλοι, συγγενεῖς, οἰκεῖοι); Nr. 151, 2 f., 6 f., 19 (Teos und Allaria φίλοι, συγγενεῖς, οἰκεῖοι); Nr. 111, 10 f., 14–20, 34 f. Vergleichbar scheint auch die Verbindung der οἰ κειότης zum seltenen ὁμογένεια zwischen Magnesia und Larisa, Rigsby 1996, Nr. 75, 11. 632 Vgl. Rigsby 1996, Nr. 160, 5, wo unter anderem betont wird, dass man die Interaktionspartner ohnehin nicht dem ἄγειν aussetzen dürfe, da sie verwandt seien. 633 Vgl. dazu Baltrusch 1994, 17–68; Baltrusch 2008, 40; 111 f.; Scheibelreiter 2010. Zur zwischenstaatlichen Freundschaft vgl. besonders Mitchell 1997; vgl. ferner Herman 1987; vgl. jetzt auch Couvenhes 2016, 31 f., 38 f.; Scharff 2016, 88 f. Die Verbindung von Freundschaft und Symmachie ist auch in den Asylieurkunden belegt: IG XII 4, 1, 153, 26 f.; IG XII 4, 1, 154, 3 f.; Rigsby 1996, Nr. 166, 4. 634 Aus alter Zeit: Kos: IG XII, 4, 1, 226 IV(= Rigsby 1996, Nr. 32), 25 f.; IG XII, 4, 1, 226 I, 1 f.; IG XII, 4, 1, 226 III, 13 f.; IG XII, 4, 1, 226 VII 64; IG XII, 4, 1, 226 V 36 f.; IG XII, 4, 1, VI 54?; Rigsby 1996, Nr. 66, 26 f.; Nr. 100, 27. Für immer: Nr. 144, 3 f. Gleichzeitig φιλία und συγγένεια aus alter Zeit: IG XII, 4, 1, 216 I (= Rigsby 1996, Nr. 21), 4 f., 10 f., 14.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

rade die Bekundung der Erneurung der oder Erinnerung an φιλία und οἰκειότης bildet, an das Reziprozitätsprinzip des Freundschaftskonzepts und die vertrauensvolle Grundhaltung der Asyliebewerber gemahnend, ein kraftvolles Argument und entwickelt sich zu einer sehr beliebten formelhaften Wendung innerhalb der Asyliedokumente.635 Dieses Syntagma entwickelt, wohl in einem zweiten Schritt, überschriftmäßige Züge „ἐπειδὴ [Name der Asyliebewerber] φίλοι καὶ οἴκειιοι ἔοντες“ ‚weil [Name der Asyliebewerber] Freunde und im engen Verhältnis stehende sind‘ wird vielen Asyliedokumenten vorangestellt. Dabei ist zu betonen, dass die ἐπειδή-Formel in Bezug auf die Verbindung von οἰκειότης und φιλία zwar breiter gestreut hat, die Kombination von φιλία und συγγένεια hingegen wegen der Dominanz der Formel in teischen Dekreten in absoluten Zahlen die beste Beleglage aufweist.636 Nach dem Asyliegesuch der Teier kehrt sich die Häufigkeit der argumentativen Verwendung von Verwandtschaft und Freundschaft generell zu Gunsten der Verwandtschaft um. Bei dem gezeichneten Bild der argumentativen Nutzbarmachung der Begriffe συγγένεια, φιλία und οἰκειότης handelt es sich, das gilt es noch einmal zu betonen, um ein größere Entwicklungslinien nachzeichnendes Schema. Das heißt, es ist nicht von starren, sich ausschließenden Verbindungen, sondern von einem lebendigen, sich entwickelnden System auszugehen, das im Einzelfall mannigfaltig argumentativ ausgestaltet werden kann. Dies lässt sich gut mit den Fällen belegen, in denen vom Standardfall abweichend alle drei Begriffe in verschiedenen Kombinationen zum Tragen kommen. Der guten Dokumentation wegen bieten das magnesische und teische Dossier neben den der üblichen schematischen Matrix folgenden Dokumenten auch solche, in denen die Verteilung der besagten Termini freier zu sein scheint. In diesem Zusammenhang kann die Asylieanerkennung aus Epidamnos an Magnesia exemplarisch vorgestellt werden. Dort heißt es zunächst im ἐπειδή-Formular der Epidamnier, die Magnesier seien συγγενεῖς und φίλοι, in der Gesuchszusammenfassung jedoch wird betont, die Magnesier hätten die Epidamnier als οἰκεῖοι und φίλοι bezeichnet. Schließlich bekennen sich die Epidamnier im Beschluss zur ursächlichen Verleihung der Asylie, weil es traditionell üblich sei, die Ehre der οἰκεῖοι zu zu steigern.637 Es wird folglich einerseits eine Zustandsbeschreibung des Verhältnisses gegeben, wobei die Folge von συγγένεια auf φιλία

635 Verbindung von οἰκειότης und φιλία: Rigsby 1996, Nr. 87, 14; Nr. 102, 11; Nr. 108, 5, 10 f. Kombinierte Erneuerung von οἰκειότης und φιλία: Rigsby 1996, Nr. 81, 10–12, 36 f.; Nr. 82, 1 f., 4 f., 21; Nr. 91, 3 f.; Nr. 92, 5; Nr. 93, 4 f.; Nr. 132, 3 f., 6 f. mit reziproker Erwiderung; Nr. 134, 4 f. 6 f. mit reziproker Erwiderung. 636 ἐπειδή-Formel οἰκεῖοι / φίλοι: Rigsby 1996, Nr. 64, 2 f.; Nr. 79, 4; Nr. 82, 1 f.; Nr. 84, 2 f. Nr. 86, 3 f.; Nr. 94, 5; Nr. 105, 3 f.; Nr. 106, 2; Nr. 111, 10 f.; Nr. 131; Nr. 141, 6 f. ἐπειδή-Formel συγγενεῖς / φίλοι: IG XII 4, 1, 215 (= Rigsby 1996, Nr. 15), 1; Rigsby 1996, Nr. 83, 5.; Nr. 96, 2 f.; Nr. 139, 2; Nr. 140, 3 f. ; Nr. 142, 3; Nr. 148, 3; Nr. 149, 2; Nr. 150, 2 f.; Nr. 151, 2 f., 19; Nr. 155, 2 f.; Nr. 156, 3 f.; Nr. 157, 2 f.; Nr. 159, 2 f.; Nr. 196, 2 f. Ähnliche Formeln: Rigsby 1996, Nr. 104, 2: nur φίλοι; Nr. 129, 3 f.: φίλοι und ἀστυγείτονες. 637 Rigsby 1996, Nr. 96, 2 f., 21, 25.

3.3 Die Begründung der Asyliegesuche: Wohlwollen und Loyalität

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sicher eine steigernde Funktion erfüllt, andererseits wird auch die Geisteshaltung der Asyliebewerber zum Kriterium gemacht.638 Insgesamt lassen die Verwendungsweisen von συγγένεια, φιλία und οἰκειότης trotz deutlich sichtbarer Tendenzen keine statischen Konzepte zu, vielmehr scheinen den Asyliebewerbern neben den zunehmend ausdifferenzierten formelhaften Wendungen auch recht freie Kombinationen der Begriffe möglich gewesen zu sein. Der Einsatz von Termini der Freundschaft und Verwandtschaft erfolgt auf dem Wege der zwischenstaatlichen Kommunikation und verfolgt politische Absichten, wie etwa das Erzeugen von Bündnissen oder zumindest die Betonung einer gemeinsamen Identität639 und die Definition gemeinsamer Interessensgebiete. Somit lässt sich diese Verwendungsweise des Arguments in den Asylieurkunden der politischen Sphäre zuweisen. Religiöse Konnotationen sind lediglich indirekt und zudem äußerst selten über die auf dem Wege der Kolonisation vermittelten gemeinsamen Kulte bezeugt. Auch dem Religiösen zuzuordnende Aspekte der Verwandtschaft, wie etwa die gemeinsame mythologische Abkunft, werden von den Asyliebewerbern nicht argumentativ eingebunden, wobei es sich bei dieser Interpretation mythologischer Inhalte auch um eine stark an der modernen Wahrnehmung als (völlig) ahistorisch und nebulös orientierte Vorstellung handelt.640 Wohlwollen und Loyalität Ein bereits angesprochenes ebenfalls sehr häufiges Argument der um Asylie ersuchenden Parteien stellt die εὔνοια, wörtlich ‚Wohlgesinntheit, Wohlwollen‘ dar. Dabei handelt es sich um eine positive Grundstimmung, die innerhalb der Argumentation wohl vergleichbare Funktionen übernimmt wie die mit der οἰκειότης verbundene Geisteshaltung. Jaqueline de Romilly fasst es in einem Aufsatz zur politischen Verwendung des Terminus bei Isokrates folgendermaßen zusammen: EUNOIA, in Greek, is something more than good will: it means approval, sympathy and readiness to help. Having such meanings, it soon came to be applied to politics in a number of ways, as describing one’s feeling towards a person, or a party, or the city – or even another city.641

Εὔνοια kann also, ähnlich der Freundschaft oder Verwandtschaft, sowohl zwischenmenschliche Beziehungen als auch zwischenstaatliche Gefüge charakterisieren. Innerhalb der Asylieinschriften stellt die eigene εὔνοια ein wichtiges Argument der Asyliebewerber dar, das sich in verschiedenen Kontexten vorfinden lässt. Zum einen kann εὔνοια gegenüber potentiellen Asylieverleihern geäußert werden und wird zumeist in der Wiederholung der Argumentation der um Asylie Ersuchenden durch die Asylieverleiher fassbar. In der messenischen Anerkennung an Kos heißt es typi638 Ähnlich auch Rigsby 1996, Nr. 140, 3 f.; Nr. 149, 2, 5 f., 20; Nr. 151, 2 f., 6 f., 19; Nr. 111, 10 f., 14–20, 34 f., 50, 61. 639 Chaniotis 2005b, 145 f. 640 Vgl. Giuliani 2010, bes. 50 f., wo der Autor nachzeichnet, dass eine Abgrenzung zwischen historischer Wirklichkeit und mythischer Vergangenheit in bildlichen Darstellungen im antiken Griechenland nicht zum Tragen kommt. Grundlegend zum Verhältnis von Mythos und Geschichte vgl. Finley 1965, 284 f.; Nilsson 1986, 12; Jones 1999, 4 f.; Luraghi 2008, 47; Patterson 2010, 22 f. 641 de Romilly 1958, 92; zum Gebrauch in epigraphischen Dokumenten, vgl. Mitchell 1997.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

scherweise, die Gesandten der Koer hätten das Wohlwollen beziehungsweise die Loyalität ihrer Polis gegenüber den Messenern demonstriert – „καὶ ἐμάνυον τὰν {τὰν} εὔνοια[ν] / τὰν ὑπάρχωσαν αὐτοῖς ποτὶ τὰν πόλιν τῶν Μεσσανίων“.642 Εὔνοια stellt sich also eindeutig als eine positive Geisteshaltung der Antragsteller gegenüber den potentiellen Verleihern dar, denn sie offenbaren ihr Wohlwollen, dem Interaktionspartner künftig positiv zu begegnen. Dass diese Tatsache innerhalb eines offiziellen Gesuchs vorgebracht wird, verdeutlicht ihren Angebotscharakter: die Antragsteller erklären die potentiellen Asylieverleiher mit besonderer Sorgfalt positiv zu behandeln und sichern damit ihre eigene Bitte ab. Die Nähe der εὔνοια zur οἰκειότης, die ja ebenfalls keinen Zustand sondern ein vertrauensvolle Haltung ausdrückt, ist so bereits angedeutet und es überrascht nicht, dass die Kombination der Termini in vielen Gesuchen vorzufinden ist. Eὔνοια und οἰκειότης werden häufig gemeinsam von den jeweiligen Gesandten vor der Volksversammlung oder den Magistraten der Zielpolis erneuert. Dieser Vorgang unterstreicht den proleptischen Charakter beider zur Disposition gestellten Verhaltensnormen, denn diese Erneuerung bedarf der Anerkennung durch den Vertragspartner.643 Die εὔνοια (und οἰκειότης) in die Begründung des eigenen Asyliegesuchs einzubauen, bedeutet folglich, im Austausch für positive Aufnahme des Anliegens ein Angebot für künftige zwischenstaatliche Beziehungen zu unterbreiten. Das wiederum rekurriert stark auf Kategorien der Reziprozität, wie sie auch für die συγγένεια und in größerem Maße für die φιλία gelten und zudem innerhalb der Asylieurkunden durch parallele Konstruktionen dieser Termini mit εὔνοια belegt sind.644 Darüber hinaus wird εὔνοια gehäuft mit Eusebie in Zusammenhang gebracht. Dafür wird im Laufe der Zeit eine quasi syntagmatische Wendung entwickelt, die εὔνοια den potentiellen Verleihern zuspricht und εὐσέβεια gegenüber den Göttern äußert.645 Neben den Bekundungen der εὔνοια gegenüber potentiellen Vertragspartnern ist auf solche gegenüber Monarchen, und zwar im Rahmen städtischer Dokumente, hinzuweisen. Einerseits handelt es sich um die in den Zusammenfassungen des koischen Gesuchs aus Pella, Kassandreia und Amphipolis verzeichnete Loyalität der Koer gegenüber Antigonos Gonatas.646 Dabei ist in Kassandreia auch εὔνοια gegenüber den Makedonen im Allgemeinen verzeichnet, während in Pella zwischen der dem König zukommenden εὔνοια und der den Makedonen zustehenden οἰκειότης differenziert wird. Andererseits ist die εὔνοια der Magnesier gegenüber dem Seleukiden Antiochos III. im Rahmen des Dekrets aus Antiocheia in der Persis 642 IG XII 4, 1, 215 II (= Rigsby 1996, Nr. 15), 5 f. Vgl. ferner IG XII 4, 1, 217, 5; Rigsby 1996, Nr. 69, 18. Nr. 88, 26. 643 Erneuerungen von εὔνοια und οἰκειότης mit Anerkennungen: IG XII 4, 1, 221 II (= Rigsby 1996, Nr. 46), 21 f., 24 f.; 220 II (= Nr. 26), 23 f.; 220 III (= Nr. 27), 40–42, 46 f.; 222 (= Nr. 48), 18–20; 223 (= Nr. 49), 16–18; Rigsby 1996, Nr. 81, 10–12, 36 f.; Nr. 161, 8, 17, 23. 644 εὔνοια und φιλία: IG XII 4, 1, 216 (= Rigsby 1996, Nr. 20), 6; Rigsby 1996, Nr. 63, 14 f.; Nr. 67, 7–9; Nr. 129; Nr. 149, 2, 5 f., 20; Nr. 151, 12; Nr. 166, 4. εὔνοια, συγγένεια und φιλία: Rigsby 1996, Nr. 88, 19 f., 52; Nr. 159:, 2 f., 25 f.; Nr. 161, 8, 23. 645 IG XII 4, 1, 153, 43 f.; Rigsby 1996, Nr. 79, 12; Nr. 206, 4, 7 f.; Nr. 101; Nr. 111, 10 f. 646 IG XII 4, 1, 221 (= Rigsby 1996, Nr. 23), 3 f.; 220 I (= Nr. 25), 5 f.; 220 II (= Nr. 26).

3.3 Die Begründung der Asyliegesuche: Diplomatie und Geschichte

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angegeben, welches jedoch auch das Wohlwollen der Magnesier gegenüber der Stadt bezeugt.647 Diese beiden εὔνοια-Präsentationen gegenüber Monarchen im Rahmen von städtischen und an Städte gerichteten Gesuchen stammen aus den Kerngebieten der jeweiligen Monarchie und belegen einen pragmatischen Umgang der Antragsteller mit der politischen Wirklichkeit. Statt die Monarchen im Kontakt mit ihren Poleis zu umgehen und Autonomie derselben zu suggerieren, binden sowohl die Koer in ihrem Umgang mit den antigonidischen Poleis als auch die Magnesier bezüglich der seleukidischen Residenz die Könige in ihre argumentativen Gefüge ein.648 Das heißt im Umkehrschluss, dass obwohl die Inschriften Gesandte, Magistrate, Räte, Volksversammlungen verzeichnen und nicht zuletzt Beschlüsse generieren, hinsichtlich der Ausdeutung dieser epigraphischen Gattung als eines Hortes des demokratischen Agierens Vorsicht geboten ist. In den Asyliedokumenten des dritten Jahrhunderts scheint der Umgang der politischen Akteure miteinander auch von der Akzeptanz realer Machtgefüge und weniger der Perpetuierung lediglich normativer Ideale geprägt zu sein. Die Dokumente liefern in diesem Punkt folglich keine zwingende Bestätigung der neueren Forschung, die die ‚demokratischen‘ Strukturen des dritten Jahrhunderts betont.649 Allerdings unterstreichen die besprochenen Dokumente die These, dass die Autonomie der Poleis in einigen Bereichen durchaus erhalten bleib, auch wenn sie – wie Ben Raynor es am Beispiel der makedonischen Poleis nachweist – zum Kerngebiet eines hellenistischen Monarchen gehörten.650 Die eigene εὔνοια als eine Art positive Grundhaltung, die am ehesten mit Loyalität wiederzugeben ist, kann in den Asyliedokumenten sowohl gegenüber dem potentiellen Asylieverleiher geäußert werden als auch darüber hinaus auf Monarchen, zu deren Einflussgebiet die jeweiligen Poleis gehören, ausgedehnt werden. Dabei verfügt die potentiellen Asylieverleihern entgegengebrachte εὔνοια über weitaus mehr Facetten, als diejenige, die lediglich auf Herrscher rekurriert. Dabei wird εὔνοια sowohl an Verwandtschaft und Freundschaft als auch an Eusebie argumentativ angeschlossen. Das bedeutet jedoch nicht, εὔνοια beschriebe eine religiös motivierte Haltung. Vielmehr fokussieren die Antragsteller mit der εὔνοια auf eine in dezidiert politischen Kontexten verortete Disposition gegenüber politischen Akteuren und Machtverhältnissen. Diplomatie oder gemeinsame Geschichte Eine recht disparate Gruppe der Asyliebegründungen, die den Bewerbern sicher zugeordnet werden können, lässt sich über ein gemeinsames Moment fassen – den Verweis auf diplomatisches Engagement in der Vergangenheit. Die Überschrift deutet bereits an, dass die Entscheidung, ob das frühere außenpolitische Agieren eher als ein Bezug auf die Fähigkeit zur pragmatischen Diplomatie zu deuten ist oder ob gewisse 647 Rigsby 1996, 111, 10 f. 648 Zur Autonomiefrage in makedonischen Gebieten vgl. jetzt Raynor 2016, bes. 227, 256 f. 649 Vgl. dazu Grieb 2008, bes. 166–199; Carlsson 2010, bes. 101–148; zur Kritik an diesen Konzepten, vgl. Mann 2012, 15–21; vgl. ferner van der Vliet 2011, 177–182. Zum Demokratiebegriff im Hellenismus vgl. ferner Mann 2012, 25–27; Scholz 2012. 650 Raynor 2016, 256–259.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

historische Kontinuitäten betont werden sollen, nicht einheitlich ausfallen kann. Auch eine Kombination oder gegenseitige Herleitung der Aspekte scheint möglich. Ein Teil der betreffenden Inschriften enthält eine recht offensichtliche historische Komponente. Dabei handelt es sich um die bereits in Zusammenhang mit den Verwandtschaftbegriffen besprochenen Inschriften aus Kamarina und Gela.651 In den eng zusammengehörenden Inschriften wird deutlich, dass die Koer im Rahmen ihres Gesuchs die Mitbesiedlung der beiden sizilischen Poleis wohl recht prominent präsentierten, da in der Anerkennung wiederholt auf diese und die damit zusammenhängenden Beziehungen zwischen Kos und den Städten Bezug genommen wird. Die Kamariner und Geloer betonen die vertrauliche Nähe und Verwandtschaft mit den Koern sowie die Pflege von den Koern übernommener Kulte. Diese Punkte werden in den Texten auf den Akt der Verstärkung der Poleis durch Koer Bürger zurückgeführt. Die Beteiligung der Koer an der Besiedlung der Poleis scheint also mehr zu wiegen als eine einmalige zwischenstaatliche Unterstützung in der Vergangenheit – denn die Resultate wirken fort und bestimmen das Verhältnis zwischen den ehemaligen Interaktionspartnern. Ein solcher Vorgang schafft ein gewisses gemeinsames Selbstverständnis im Sinne der ‚intentionalen Geschichte‘652, das die Gruppe – in diesem Fall die Koer mit den Kamarinern und Geloern – enger verbindet und auch nach außen abgrenzt. Die Bezüge auf eine gemeinsame Geschichte könnten, sollte die vorgestellte Hypothese einer gleichzeitigen oder zumindest denselben politischen Umständen geschuldeten Mitbesiedlung der beiden sizilianischen Poleis im späten fünften Jahrhundert zutreffen, in Anbetracht der erheblichen Ähnlichkeit der epigraphischen Zeugnisse möglicherweise sogar alle drei genannten Beteiligten zugleich einschließen. Sicherheit lässt sich in diesem Punkte aber ohne eine Erweiterung der Quellenbasis nicht erlangen. Des Weiteren verweisen einige Asyliegesuche der Mylasier und Magnesier ebenfalls auf historische Ereignisse. Während die mylasischen Texte, die die Schlichtung eines Konflikts zwischen Knossos und Gortyn beschreiben,653 nur äußerst bruchstückhaft erhalten sind und so die Ausdeutung der Argumentation jenseits der Feststellung der Bezüge auf die diplomatische Unterstützung der Kreter spekulativ erscheint, vermitteln die Zeugnisse aus Magnesia am Mäander ein deutlicheres Bild. Die betreffenden Inschriften des magnesischen Dossiers enthalten zumeist den Hinweis auf eine große und wichtige Wohltat (εὐεργεσία oder εὐχρηστία) der Magneten gegenüber ganz Griechenland, die auch von den Verleihern in ihrer Argumentation nicht selten rezipiert wird.654 Die Aufklärung über den 651 IG XII 4,1, 222 (= Rigsby 1996, Nr. 48); 223 (= Nr. 49); In Antiocheia in der Persis (Rigsby 1996, Nr. 111) argumentieren die Verleiher analog. 652 Zum Begriff der ‚intentionalen Geschichte‘ vgl. Gehrke 2004; Gehrke 2008 (= Gehrke 2010, englische Übertragung); Grethlein 2010; vgl. ferner zusammenfassend Kühr 2004, 28–30. 653 Rigsby 1996, Nr. 188, 4–7; Nr. 189, 3 f.; Nr. 190, 3–5; Nr. 191, 3–6; Nr. 192, 3 f.; Nr. 197, 12 f.; 200, 7–9. 654 Rigsby 1996, Nr. 68, 15; Nr. 73, 12; Nr. 81, 13; Nr. 82, 16; Nr. 84, 10; Nr. 85, 8; Nr. 86, 8; Nr. 88, 13; Nr. 89, 14; Nr. 93, 15; Nr. 94, 13; Nr. 95, 21; Nr. 97, 14; Nr. 98, 8; Nr. 102, 53; Nr. 103, 12; Nr. 107, 12; Nr. 108, 6; Nr. 112, 10; Nr. 113, 13; Nr. 120, 15; Nr. 130, 7.

3.3 Die Begründung der Asyliegesuche: Diplomatie und Geschichte

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Inhalt dieser Wohltat wird der Asylieanerkennung aus Epidamnos verdankt, die alle von den Magnesiern vorgebrachten Argumente sehr ausführlich darlegt und die sonst nur erwähnten Verdienste der Antragsteller mit der Rettung Delphis vor den Kelten 279 und der Beendigung eines Kretischen Krieges verbindet.655 Diese historischen Verweise fokussieren vor allem auf die Bedeutsamkeit des magnesischen diplomatischen Agierens für die Sicherheit wie den Friedenserhalt und spielen auf eine nicht näher definierte gesamthellenische Identität an. Die im gesamten Asyliematerial einmalige Begründung des Gesuchs mit der Hilfe bei der Finanzierung der neuen Mauer von Megalopolis durch die Magneten656 scheint strukturell vergleichbar – die Magneten setzen sich für das Wohl der Polis ein und instrumentalisieren diese Tatsache in einem nächsten Schritt.657 Wenn nun die Anerkennung dieses Gesuchs publiziert wird, wird die Unterstützung der Magnesier bei der Mauerfinanzierung der Megalopoliten in die panhellenische Öffentlichkeit getragen und bezeugt ihr Interesse und ihren Einsatz für das Wohl der Peers. In Bezug auf die magnesische Euergesie auf Kreta lässt sich zudem das in hellenistischer Zeit gefälschte Dekret über die angebliche archaische Besiedlung Knossos’ durch die Magnesier ins Feld führen. Chaniotis konnte einen kausalen Zusammenhang zwischen diplomatischen Aufenthalten der Magnesier – darunter Asyliegesandtschaften – und der Entstehung dieser Inschrift nachweisen.658 Diese angebliche Urkunde erweist sich als kunstfertige Fälschung, die viele Aspekte wie Dialekt, Onomastik oder Kult geschickt ‚kretisiert‘ und sicher nicht unmotiviert her- und aufgestellt wurde. Sie scheint ein Werkzeug zur Postulierung einer gemeinsamen Identität zwischen Magnesiern und Kretern zu sein, das vermutlich zumindest seit dem dritten Jahrhundert gewachsene Beziehungsstrukturen homogenisieren soll. Die Verwendung historischer Verweise innerhalb der Asyliedokumente dient folglich einerseits dem Zweck die außenpolitischen Fähigkeiten der Magnesier zu illustrieren und im Sinne des beschriebenen Reziprozitätsmodells einen Vorgeschmack auf oder gewissermaßen ein Angebot für künftiges Verhalten zu offerieren. Dabei dienen die historischen Verweise innerhalb der Inschriften dazu, Vergangenheit so zu konstruieren, dass „plotting the future“ – um in den Worten Nino Luraghis zu bleiben – möglich wird.659 Andererseits lassen sich auch mal mehr, mal minder bewusste Konstruktionen zur Profilierung einer gemeinsamen Identität660 nachweisen. Diese gemeinsame historische Verortung folgt vermutlich einer ähnlichen Logik wie die Betonung verwandtschaftlicher Bindungen und zielt auf die Absicherung der Asyliebitte wie des Verhältnisses im Allgemeinen.

655 656 657 658 659 660

Rigsby 1996, Nr. 96, 8–12. Vgl. dazu Meier 2012, 158–161. Rigsby 1996, Nr. 88. I. Magnesia 20; Zur Produktion der Fälschung, vgl. Chaniotis 1999, bes. 61–69. Luraghi 2010, bes. 249–252. Zur Identitätsbildung auf dem Wege historischer Verweise im zwischenstaatlichen Raum vgl. auch Chaniotis 2005b, 145 f.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

Festspiele und Orakel „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?“ Johann Wolfgang von Goethe, Faust 3415

Zur Absicherung der Asyliegesuche wird innerhalb der Dokumente bisweilen auch auf Götter und bei gleichzeitiger Statuserhöhung des Agons auf den jeweiligen göttlichen Patron Bezug genommen. Dabei fokussieren interessanterweise die jeweiligen um Asylie ersuchenden Politen sogar noch weniger auf Gottheiten als Asylieverleiher. Diesbezüglich scheint an dieser Stelle ob der häufig angesprochenen Fülle religiöser Argumente in den Asylieurkunden eine Rekapitulation methodischer Prinzipien erlaubt: Die Tatsache, dass religiöse Inhalte – etwa die Erwähnung eines Gottes oder bestimmter Rituale – innerhalb einer Asylieanerkennung festgehalten oder gar auf die Asyliebewerber bezogen werden – beispielsweise vermittels des direkten Eingehens auf den Gott der Ersucher oder ein durch selbige ausgeführtes Ritual – stellt nicht zwingend einen Beleg für argumentative Nutzbarmachung derselben im Gesuch dar. Die Verleiher folgen zwar häufig den Argumenten der Antragsteller, jedoch steht es ihnen frei, auch eigene Gründe für die Annahme des Gesuchs anzubringen. Zur religiösen Sphäre gehörende Argumente in den Asyliegesuchen beschreiben zumeist das Verhalten der Politen gegenüber den Göttern beziehungsweise ihren grundsätzlichen Eifer gegenüber dem Religiösen. Ein Komplex erweist sich dabei als besonders verbreitet bezüglich der räumlichen und zeitlichen Streuung. Dabei handelt es sich um die grundlegenden Beschreibungen der eigenen kultischen Anstrengungen, die bisweilen mit dem Begriff σπουδή in Beziehung gesetzt werden. Diese Darstellungen lassen sich sehr gut an Hand der erhaltenen eigenen Texte der Asyliebewerber, also des milesischen Dekrets hinsichtlich der Erhöhung des Agonstatus,661 der magnesischen Stiftungsurkunde sowie der erhaltenen Bittbriefe König Eumenes’ II. vorstellen. Im milesischen Dekret lassen sich viele der in den Asylieanerkennungen ebenfalls wiedergegebenen Punkte nachvollziehen. Nach der üblichen Beschlussformel folgt eine Motivationsbeschreibung des Antrags: 5

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ἐπειδὴ τοῦ δή̣μου κατὰ τὰ πάτρια τάς τε πανηγύρεις καὶ τοὺς ἀγῶνας συντελοῦντος ἐν Διδύμοις τῶι Ἀπόλλωνι τῶι Διδυμεῖ, τῆς τε πόλεως καὶ τῆς χώρας καθιερωθείσης διὰ τὴν ἐν τῶιδε τῶι τόπωι Λητοῦς καὶ Διὸς μεῖξιν καὶ τὰς τοῦ θεοῦ μαντείας, ἐξ ὧν ἔθνη τε οὐκ ὀλίγα καὶ πόλεις καὶ τῶν βασιλέων οἱ τετευχότες τῶν μεγίστων τῆς παρὰ τοῦ θεοῦ συμβουλίας τήν τε καθι-

661 Die Berechtigung das milesische Gesuch (IG XII 4, 1, 153) um die Erhöhung des Agons in die Erörterung einzubeziehen, beruht auf der Tatsache, dass dieses Dekret einerseits die territoriale Asylie als gegeben verzeichnet (Z. 14–18) und andererseits auch strukturelle Übereinstimmungen mit den Asyliebitten aufweist.

3.3 Die Begründung der Asyliegesuche: Festspiele und Orakel 15

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έ[[Ε]]ρωσιν καὶ τὴν ἀσυλίαν ἀνηγόρευσαν ἀπαράκλητοι αὐτοί, τῶι τε θεῶι καὶ τῆι πόλει τὴν ἀξίαν περὶ τούτων ἀπονείμαντες χάριν, προσήκει δὲ τῶι δήμωι πράσσοντι τοῖς ἐξενηνεγμένοις χρησμοῖς ἀκόλουθα τόν τε ἀγῶνα τιθέναι τῶν Διδυμείων στεφανίτην καὶ τοὺς Ἕλληνας εἰς ταῦτα παραλαμβάνειν, κοινῶν τῶν εὐεργεσιῶν εἰς πάντας αὐτοὺς ὑπὸ τοῦ θεοῦ γεγενημένων, […]. Da das Volk entsprechend dem Brauch der Väter die Prozessionen und die Spiele in Didyma veranstaltet für Apollon von Didyma, und da die Stadt und das Land geheiligt sind durch die Vereinigung von Leto und Zeus an eben diesem Ort und durch das Orakel des Gottes, weswegen nicht wenige Stämme und Städte und diejenigen Könige, denen durch die Ratschläge des Gottes die größten (Erfolge) zuteil wurden, die Heiligung und die Asylie ohne Aufforderung von selbst proklamierten und damit dem Gott und der Stadt die hierfür gebührende Anerkennung erwiesen; und da es wohl ansteht dem Volk, indem es entsprechend den ergangenen Orakelsprüchen handelt, die Spiele der Didymeia als einen Kranzagon auszurichten und die Griechen dazu einzuladen, weil die Wohltaten insgesamt für sie alle durch den Gott geschehen sind, […].662

Die Asylie beruht also auf der καθιέρωσις ‚Weihung, Heiligung‘ des Landstrichs. Diese Heiligung ereignet sich durch das Wirken der Götter, was innerhalb der Asyliedokumente ein überaus seltenes Phänomen663 darstellt und sicher mit der strukturellen Ausrichtung der milesischen Urkunde an magnesichen Dokumente rund um die Epiphanie der Artemis Leukophryene zu tun hat.664 Geläufiger sind Skizzen eigener, der religiösen Sphäre zuzuordnender Handlungen der Asyliebewerber. So berichten die Milesier von ihrem traditionsgemäßen Verhalten gegenüber Apollon, was sich in der Veranstaltung von Prozessionen (πανηγύρις) und Wettkämpfen (ἀγών) niederschlägt. Die Polis ist dabei eindeutig der verantwortungstragende Part, das heißt Apollon von Didyma wird auf die traditionsgemäße Art und Weise geehert, weil die Milesier sich dafür einsetzen. Dieses Postulat korrespondiert mit der Bezeichnung ihrer eigenen Handlungen als Euergesie, eine Wohltat zu Gunsten aller Griechen, wie in den Z. 23–25 ersichtlich wird. Der bereits beschriebene Erwartungsmechanismus kann also einsetzen, weil die Milesier eine als gemeinsam dargestellte Aufgabe übernehmen. Es verwundert nicht, dass das Argument der zu Gunsten der Götter verrichteten Dienste auch anderenorts wiederzufinden ist, vor allem aber in Asyliedokumenten, die mit der Bitte um die Anerkennung der Statusänderung der Festspiele einhergehen. Dabei erweisen sich die Inschriften als unterschiedlich ausführlich. In manchen fokussieren die Politen lediglich auf das der Gottheit dargebrachte Opfer

662 IG XII 4, 1, 153, 4–25, Übersetzung Hallof Telota. 663 Vgl. Rigsby 1996, Nr. 176, 2–8, 14 f.: Bericht Eumenes’ II. über das hilfreiche Wirken Athene Nikephoros’ im Kampf. 664 Vgl. Knäpper(im Druck).

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

(θυσία)665 und enthalten sich ausführlicher Beschreibungen des eigenen kultischen Handelns. In anderen stellen sie, ohne all zu viele Einzelheiten darzulegen, den ausgeführten Agon in den Vordergrund, wobei manches Mal die gleichzeitigen Kulthandlungen wie Opfer und Prozession nebenher erwähnt werden.666 Wiederum andere Verleiher präzisieren die eigenen Verfahrensweisen hinsichtlich der kultischen Errungenschaften, wobei auch da der Grad der Detailiertheit differiert. Manchmal wird lediglich auf die einzelnen Zweige des Wettbewerbs „ἐπαγγέλλοντες τὰ Ἀσκλαπίεια θυσίαν τε καὶ / μουσικὸν ἀγῶνα καὶ γυμνικὸν“ ‚die Asklepieia ankündigend, das Opfer und auch den musischen wie gymnischen Agon‘667 verwiesen; in anderen Fällen, wie in der Zusammenfassung des magnesischen Gesuchs durch das Epeirotische Koinon, wird die Mehrjährigkeit der genau beschriebenen Festspiele unterstrichen und darüber hinaus eine Qualifizierung derselben als isopythisch vorgenommen:

10

[…] τὸν ἀγῶνα, ὃν τίθητι ἁ πόλις τῶν Μαγνήτων τᾶι Ἀρτέμιδι τᾶι Λευκοφρυηνᾶι κατὰ πενταετηρίδα μουσικόν τε καὶ γυμνικὸν καὶ ἱππικὸν ἰσοπύθιον ταῖς τιμαῖς κατὰ τὰς μαντείας τοῦ θεοῦ τοῦ ἐν Δελφοῖς […].668 […] den Agon, den die Polis der Magneten zu Ehren der Artemis Leukophryene alle vier Jahre [ausrichtet], den musischen, gymnischen und hippischen, isopythisch hinsichtlich der Ehren gemäß des Orakels des Gottes in Delphi […].

Häufig ist sogar die Kennzeichnung des Agons als isopythsich und bekränzt (στεφανίτης).669 Wenn man diese Belege kultischer oder religiöser Vorgänge in den Asyliedokumenten betrachtet, wird überaus deutlich, dass dabei stets die Aktion der Politen und nicht das Wesen der Gottheit im Vordergrund steht. Zur Kontextualisierung solcher Tätigkeitsbeschreibungen kann auf die beiden anderen im Wortlaut erhaltenen Erklärungen der Asyliebewerber, aus Magnesia und Pergamon, zurückgegrif665 θυσία: IG XII 4, 1, 212 (= Rigsby 1996, Nr. 8), 5 f.; 215 IV (= Nr. 17), 35 f.; 216 III (= Nr. 19); 220 III (= Nr. 27), 5; 235 (= Nr. 51), 4?; Rigsby 1996, Nr. 104, 11; Nr. 108, 2? 666 ἀγών (und θυσία): Rigsby 1996, Nr. 4, 11; IG XII 4, 1, 210 (= Nr. 9), 2 f.; 213 (= Nr. 12), 8; 215 II (= Nr. 15), 9; 215 III (= Nr. 16), 24; 221 I (= Nr. 23), 8 f.; 220 I (= Nr. 25), 3; 224 II (= Nr. 28), 13 f.; 244 I (= Nr. 29), 1; 226 IV (= Nr. 32), 4 f.; 226 I (= Nr. 35), 5; 226 VII (= Nr. 36), 66 f.; 230 III (= Nr. 39), 3; 221 III (= Nr. 46), 25 f.; 222 (= Nr. 48), 7; 223 (= Nr. 49), 4; Rigsby 1996, Nr. 66, 17; Nr. 68, 6; Nr. 69, 6; Nr. 70, 6; Nr. 71; 9; Nr. 4, 13; Nr. 76, 1; Nr. 78, 3; Nr. 79, 11; Nr. 83, 9 f.; Nr. 90, 7; Nr. 91, 7; Nr. 92, 7 f.; Nr. 97, 4; Nr. 99, 4; Nr. 120, 6; Nr. 126, 3 f.; Nr. 168, 4; Nr. 178, 7. 667 IG XII 4, 1, 216 IV (= Rigsby 1996, Nr. 20), 49–51. 668 Rigsby 1996, Nr. 82, 6–10. 669 Beschreibung des Agons: IG XII 4, 1, 216 IV (= Rigsby 1996, Nr. 20), 49–51; Rigsby 1996, Nr. 81, 20–22; Nr. 89, 16–18. Beschreibung des Agons und Bezeichnung als bekränzt und isopythisch: Rigsby 1996, Nr. 83, 5–9; Nr. 84, 11 f.; Nr. 85, 11 f.; Nr. 87, 8–10; Nr. 88, 14–16; Nr. 93, 17–19; Nr. 94, 5–8; Nr. 95, 15–17; Nr. 96, 19–23; Nr. 98, 9 f.; Nr. 101, 12–16; Nr. 102, 7–10; Nr. 103, 5–8; Nr. 105, 12–16; Nr. 106, 6–10; Nr. 107, 5–9; Nr. 112, 3–6; Nr. 124, 8 f.; Nr. 125, 5–7; Nr. 127, 3–6; Nr. 129, 3–7; Nr. 130, 7 f.; Nr. 131, 7–9; Nr. 176, 9–18.

3.3 Die Begründung der Asyliegesuche: Festspiele und Orakel

191

fen werden. In der magnesichen Inschrift wird deutlich, dass gerade die Erhöhung des Status der lokalen Festspiele ein zentraler Aspekt für das Selbstvertändnis der Polis gewesen sein muss: 16

20

[…] >–< πρῶτ[οι στεφανί]την ἀγῶνα θεῖναι τῶγ κατοικούντων τὴν Ἀσίαν [ἐψηφίσαν]το, τὴν ἐκδοχὴν τοῦ χρησμοῦ ταύτην λαβόντες, [ὅτι πάντες] τιμήσουσιν οὕτως Ἄρτεμιν Λευκοφρυηνήν, μᾶλ[λον δὲ εἰς] τ̣ὸ θεῖον εὐσεβῶς ἔχοντες, […].670 Sie waren die ersten unter denen, die in Asien wohnen, die für die Einrichtung eines Kranzagons gestimmt haben, das Orakel so auslegend, dass alle [um Anerkennung des Status gebetenen] Artemis Leukophryene auf diese Art und Weise ehren würden […].

Es wird also – mit Thonemanns neuer Lesung671 – das Primat des magnesichen Vorgehens und die Notwendigkeit der Verbreitung desselben betont. Auch die Erwartung einer positiven Entscheidung – wie im Beispieldokument aus Milet – ist Teil der magnesischen Stiftungsurkunde. Diese beiden Punkte offenbaren den kompetitiven Charakter der Bemühungen um Asylie, der sich auch in der Selbstdarstellung in religiosis niederschlägt: um die Asyliegewährung abzusichern, gilt es vorbildliches Verhalten in religiösen Dingen zu präsentieren und dabei Eifer (σπουδή) zu beweisen.672 Σπουδή betont also in den Asyliegesuchen das angemessene Verhalten im religiösen Bereich und erweist sich als ein im Laufe der Zeit zunehmend verwendetes Argument. Die Asylieverleiher benennen diesen Eifer, der sich auf das am häufigsten vorgebrachte religiöse Argument der Asyliebewerber bezieht, jedoch nur selten und dann meist auf die Gesandten konzentriert. Geläufiger ist der Gebrauch des Wortes εὐσέβεια im Rahmen der Anerkennungen. Die etymologische Bedeutung dieses Terminus als ‚die gute Art und Weise die Götter zu verehren‘ ist in historischer Zeit durchweg erkennbar und verhilft zu einem besseren Verständnis des Terminus, denn das für moderne Rezipienten stark von der hebräischen Bibel beeinflusste Wort ‚Gottesfurcht‘. Die Asylieverleiher bezeichnen also das eifrige Verhalten der Asyliebewerber gegenüber dem Göttlichen als Eusebie, was einer Teildefinition des Bürgers als desjenigen, der auf die richtige Art und Weise im religiösen Feld agiert,673 entspricht. Wenn also die in der Einleitung vorgestellten Grenzbereiche zwischen religiösem und politischem Feld in den Blick genommen werden,674 wird alsbald klar, dass die Eusebie zwar den Ausdifferenzierungsprozessen im religiösen Feld unterliegt – was die korrekte Vorgehensweise im Religiösen ist, wird im Feld verhandelt –675 jedoch mit Blick auf den kompetitiven Charakter der Asyliegesuche als Argu670 Rigsby 1996, Nr. 66, 9 f., 16–20. Für die Sammlung der verbesserten Lesungen bei Slater/ Summa 2006 und Thonemann 2007; s. 112–115. 671 Thonemann 2007, 154. 672 Rigsby 1996, Nr. 64, 12; Nr. 69, 11; Nr. 70, 11; Nr. 73, 7; Nr. 84, 10; Nr. 118, 8; Nr. 129, 4; Nr. 131, 12; Nr. 140, 7; Nr. 178, 5. 673 S. 20; vgl. Knäpper 2014, 37; vgl. ferner mit einer ex-negativo-Betrachtung für diese Fragestellung Haake 2016, 214–216. 674 S. 19–21. 675 Vgl. dazu Knäpper 2014, 36–38.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

ment für im politischen Feld entwickelte Ansprüche eintritt. Mit anderen Worten, über die Darstellung der eigenen kultischen Handlungsweisen als Euergesie wird der Anspruch auf die zwischenstaatlich zu verortende Asylieanerkennung legitimiert. Die so gestaltete Argumentationsstrategie stellt den Interaktionspartnern folglich in Aussicht, aus der Asylieanerkennung erwachse ihnen ein manifester Gewinn. Die zwischenstaatlichen Verhandlungen richten sich somit nach im Sinne des quid pro quo aufgebauten Verhaltenskodizes, in denen das korrekte Verhalten gegenüber den Göttern als ein Baustein der gegenseitigen Bindungen fungiert. Eine Bestätigung dieses Funktionsgefüges von Handlung und Erwartung lässt sich unschwer im Brief Eumenes’ II. nach Kos erkennen. Dort hält der König fest, die Koer hätten bereits zwei Mal an den pergamenischen Spielen partizipiert und damit eine Erwartungshaltung hinsichtlich einer erneuten Zusage gefördert.676 Einen weiteren Aspekt der religiösen Argumentationsweise der Asyliegesuche, der dem Oberbegriff ‚Verhalten gegenüber den Göttern‘ zu entsprechen vermag, stellt der Umgang mit Orakeln (μαντεία / μαντεῖον und χρησμός) dar. Orakel erweisen sich über die gesamte Zeitspanne der Asyliedokumente als ein probates Mittel, den Anspruch auf Asylie zu unterstreichen. Dabei stammt ein Großteil der Orakelsprüche aus Delphi, einige aus Didyma,677 und wenige sind lokalen Orakelstätten wie dem Heiligtum des Apollon Ptoios in Akraiphia oder dem Dionysosheiligtum in Kalchedon zuzuordnen.678 Zumeist holen die die Asylie vorantreibenden Bürger die Orakel ein, bevor eine Gesandtschaft initiiert wird.679 Dabei wird im Gros der Fälle die Einholung der Orakel durch die um Asylie Ersuchenden im Rahmen der Anerkennungen beiläufig erwähnt.680 Es ist immerhin möglich, dass die jeweiligen Gesandten in solchen Fällen den Orakelspruch berichteten, ohne selbigen präzise zu thematisieren. Andererseits ist eine ausführliche Vorstellung des göttlichen Spruches trotz der kurzen Verweise nicht auszuschließen. Anzeichen für diese Auffassung lassen sich in den Asyliedokumenten mit ausführlicherer Beschreibung des Orakels681 nachweisen, wie beispielsweise in der Formulierung „καὶ ἀπέδωκαν τὸ ψάφισμα, ἐν ὧι κατεκεχώριστο ὁ χρησμὸς ὁ γενόμενος ὑπὸ τοῦ Ἀπόλλωνος τοῦ ἐν Δελφοῖς“ ‚und sie übergaben ein Dekret, in 676 677 678 679

Rigsby 1996, Nr. 176, 9–12. Vgl. beispielsweise IG XII 4, 1, 153; Rigsby 1996, Nr. 157. Rigsby 1996, Nr. 3, 3 f.; Nr. 63; Nr. 64. Lediglich zwei Ausnahmen von dieser Regel lassen sich nachweisen. Einerseits ist für Antiocheia-Alabanda belegt, dass das Orakel erst anlässlich der Gesandtschaft des Pausimachos, S. d. Iatrokles, in Delphi eingeholt wird. Der Gesandte scheint längere Zeit in Delphi verbracht und an den Soteria teilgenommen zu haben (Rigsby 1996, Nr. 163, 14–16; 28–30). Zum anderen ist hinsichtlich der smyrnäischen Asylie ein von König Seleukos II. beauftragtes Orakel belegt (Rigsby 1996, Nr. 7, 6; 16). 680 Rigsby 1996, Nr. 27, 3; Nr. 57, 6; Nr. 60, 8; Nr. 79, 24; 812, 9–11; Nr. 83, 12; Nr. 85, 9; Nr. 92, 15; Nr. 93, 7, Nr. 94, 14; Nr. 95, 8; Nr. 96, 13; Nr. 102, 15; Nr. 103, 18; Nr. 105, 27; Nr. 107, 19; Nr. 111, 25; Nr. 112, 28; 119, 17; Nr. 120, 33; Nr. 129, 9; Nr. 157, 8; Nr. 163, 16; Nr. 165, 8; Nr. 170, 8. 681 Rigsby 1996, Nr. 63, 5–9; Nr. 64, 5–9; Nr. 86, 9–11; Nr. 87, 30; Nr. 88, 5; Nr. 89, 5. Im Wortlaut erhaltene Dokumente: Rigsby 1996, Nr. 165; Nr. 66, 4–24.

3.3 Die Begründung der Asyliegesuche: Festspiele und Orakel

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dem der erhaltene Orakelspruch des Apollon aus Delphi auseinandergesetzt wurde‘.682 Diese Dokumente erlauben in Teilen sogar einen Zugriff auf den Inhalt des Orakels: In manchen wird direkt angeschlossen, die Anerkennung der Asylie der Artemis Leukophryene sei wünschenswerter und besser für die Verehrer der Göttin – „λώϊον εἶμεν καὶ ἄμεινον τοῖς σεβομένοις Ἄρτεμιν Λευκοφρυηνὰν καὶ τὰν πόλιν καὶ τὰν χώραν ἱερὰν καὶ ἄσυλον νομίζοντι,[…]“.683 Diese Formulierung lässt sich auch in der magnesischen Stiftungsurkunde belegen, wo betont wird:

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[ὑστε]ρ̣ὸν ἐπιφαινομένης αὐτοῖς Ἀρτέμι[δο]ς Λε[υκοφρυηνῆς ἔπεμ-] [ψα]ν̣ Ἀγάριστον̣ χρηστηριάζει τάδε πρὸς τὴν ἐρώ[τησιν αὐτῶν·] [λώ]ϊον εἶμεν καὶ ἄμεινον τοῖς σε[β]ομένοις Ἀπ[όλλωνα Πύθι][ο]ν̣ καὶ Ἄρτεμιν Λευκοφρυηνὴν καὶ τὰ[μ] π[όλιν καὶ τὰν] [χ]ώ̣ραν τὰμ Μαγνήτων τῶν ἐπὶ Μαιάνδρ[ο]υ [ἱερὰν καὶ ἄσυ][λ]ον νομιζόντοις·[…].684 Nachdem ihnen Artemis Leukophryene erschienen war, konsultierte Agaristos das Orakel und [erhielt] diese Dinge [zur Antwort] bezüglich ihres Anliegens: dass es wünschenswerter und besser sei für die Verehrer des pythischen Apollon und der Artemis Leukophryene, sowohl die Polis als auch die Chora der Magneten am Mäander heilig und unverletzlich zu nennen.

Auf die Epiphanie der Göttin, die in gewisser Weise als Orakel zu deuten ist, folgt ein Orakel des delphischen Apollon. Diese doppelte Orakelbefragung ist ein Mittel, das, wie Pierre Bonnechere darlegt, häufig zur Absicherung prekärer Entscheidungen oder Situationen verwendet wird.685 In Bezug auf die betrachtete Inschrift hält der Autor fest, erst die doppelt gesicherte Bitte hätte panhellenischen Erfolg garantiert.686 Der Inhalt dieses Orakels beschränkt sich jedoch auf die Bestätigung der Bedeutsamkeit der Anordnungen Artemis’ im Sinne einer Handlungsempfehlung. Ein Götterspruch dieses Inhalts verfügt über großes Potential zur Verselbstständigung und so entwickelt sich tatsächlich eine Wendung „λώϊον εἶμεν καὶ ἄμεινον τοῖς σεβομένοις“ ohne den Hinweis – wenn man von der grundsätzlichen Wiedererkennbarkeit der für Orakelsprüche formelhaften Wendung absieht – auf die Herkunft aus dem Orakel.687 Die Verwendung eines derartigen Orakels zur Stützung der Asylie in Magnesia beruft sich auf die allgemeine Bedeutung der Göttin für die politischen Akteure der griechischen Oikumene. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Göttin eine instrumentalisierbare Relevanz und somit überregionale Geltung besitzt. Ein ganz ähnlicher Gedanke wird in der eingangs zitierten milesischen Anfrage bezüglich der Statuser682 Diese Auffassung lässt sich in Inschriften der 3. und 4. magnesischen Gesandtschaft feststellen: Rigsby 1996, Nr. 86, 9–11; Nr. 87, 30; Nr. 88, 5; Nr. 89, 5. 683 Rigsby 1996, Nr. 95, 8–10; vgl. ferner Nr. 93, 9–12. 684 Rigsby 1996, 66, 5–8. 685 Bonnechere 2010; zu Orakelbefragungen und -praxis vgl. grundlegend Rosenberger 2001a; vgl. ferner Burkert 2005; Bowden 2013; mit Schwerpunkt auf die Legitimation und Wirkungsmacht Eidinow 2007, bes. 10–41; Eidinow 2013; Eidinow 2014; zur politischen Ausdeutung vgl. Bonnechere 2009 sowie jetzt auch Trampedach 2015. 686 Bonnechere 2010, 122. 687 Rigsby 1996, Nr. 81, 16; Nr. 82, 11; Nr. 86, 11; Nr. 88, 6; Nr. 89, 6; Nr. 96, 17; Nr. 100, 15; Nr. 101, 7; Nr. 102, 4; Nr. 103, 15; Nr. 105, 8; Nr. 113, 3; Nr. 125, 3.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

höhung der Didymeia formuliert. Dort heißt es, diejenigen Könige688 und Poleis hätten eine positive Entwicklung nehmen können, die ohne eine Anfrage Milets689 auf den Rat des Orakels von Didyma hin, die Asylie der Stadt verkündet hätten. Auch hier wird mit dem Orakel operiert, dessen Inhalt wohl dem magnesischen vergleichbar ist.690 Dem Asylieverleiher erwächst aus der Befolgung des die Bewerber privilegierenden Orakels also ein Vorteil, was die argumentative Einbindung von Orakeln in die Asyliegesuche ebenfalls zu einem Zeugnis der quid-proquo-Strategie im Rahmen eingeübter Handlungsmuster macht. Die Antragsteller können, wenn sie mit einem Orakel argumentieren, eher von der positiven Annahme ihres Asyliegesuchs ausgehen. Die Existenz eines positiven Orakels stellt also einen Vorteil hinsichtlich der Gewährungswahrscheinlichkeit dar, wie es Slater und Summa für die Statuserhöhung von Festspielen herausarbeiten.691 Wenn nun die vorgebrachten religiös konnotierten Argumente der Asyliebewerber auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede geprüft werden, fällt auf, dass das Handeln der Bürger in religiosis von zentraler Bedeutung ist und beispielsweise mythologische Vorgänge, die überdies sehr selten sind, völlig dahinter zurücktreten. Das korrekte Verhalten der um Asylie ersuchenden Bürgerschaften in religiösen Dingen wird also zum Gradmesser für die Anwendbarkeit anerkannter Verhaltensmuster in der zwischenstaatlichen Kommunikation. Es ist also die actio der Asyliebewerber, die argumentativ in ihre Vertragsofferte eingebunden wird, und eine bestimmte reactio der potentiellen Vertragspartner impliziert. Somit lässt sich das Befolgen zwischenstaatlicher Verhaltenskodizes als zentraler Impetus der Anwendung religiöser Argumente im Rahmen der Asylieverhandlungen ausmachen. Diese Tatsache wiederum schmälert nicht die religiöse Bedeutung der vorgebrachten Aktionen an sich und enttarnt die Antragsteller auch nicht als Profiteure, die sich inhaltleerer Formeln bedienten; vielmehr ist zu betonen, dass die religiöse Ausgestaltung der beschriebenen Vorgänge im religiösen Feld verhandelt wird. Einer der dabei bedeutsamen Punkte ist die Konformität mit den religiösen Regeln der eigenen Gemeinschaft, die sich über die Selbstdefinition des idealen Bürgers auch im politischen Feld fassen lässt. Diese Überlappung der Felder erlaubt es nun, die betreffenden religiösen Prozesse in politische Verhaltensmatrizen zu übertragen, ohne dass der religiöse Gehalt dadurch entwertet würde.692 Es ist für die Interpretation der Asylieurkunden als Gattung durchaus bedeutsam, dass ebendiese im Grenzbereich zwischen religiösem und politischem Feld befindlichen Inhalte als Argumente ausgewählt wurden, denn so greifen Argumente und eingeübte zwischenstaatliche 688 Dass Orakel auch gegenüber Königen als Asylieargument vorgebracht wurden, belegt der Brief Ptolemaios IV. an Magnesia (Rigsby 1996, Nr. 71, 10). 689 Die Frage, ob das Orakel des zu Milet gehörenden Heiligtums die Asyliebitte der Polis mehr oder minder unterschwellig verbreitet hat, drängt sich auf. Innerhalb der Asyliedokumente lassen sich keine Hinweise ausmachen, dass jemals eine wie auch immer organisierte Priesterschaft das Asyliegesuch übernommen hätte; mit Ausnahme des Eumenes’ II., dessen Verbindung zur Polis Pergamon eine gewisse Sonderrolle gestattet, lassen sich alle Asyliegesuche auf die Politen zurückführen. 690 IG XII 4, 1, 153, 19–22. Vgl. ferner Knäpper 2018 (im Druck). 691 Slater/Summa 2006, 277. 692 Vgl. dazu ausführlich Knäpper 2014, 36 f.

3.3 Die Begründung der Asyliegesuche: Ruhm und Ehre

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Verhaltensnormen ineinander und generieren befriedigende Ergebnisse. Die Wahl religiöser Motive, die sich dem Zugriff über das politische Feld entziehen, hätte vermutlich nicht der quid-pro-quo-Logik des zwischenstaatlichen Verhandelns standgehalten und wäre so im Rahmen des Instruments der territorialen Asylie unwirksam. „Honour is a mere scutcheon“ William Shakespeare, Henry IV., 2760.

Ruhm und Ehre Ruhm (δόξα) und Ehre (τιμὴ und erweitert auch φιλοτιμία) sowie ihre adjektivischen Ableitungen (ἔνδοξος, τίμιος) stellen ebenfalls beliebte, mit dem religiösen Bereich verknüpfte Argumente der Asyliebewerber dar.693 Die Nähe zum Religiösen äußert sich in der Fokussierung der Quellen auf die Mehrung der Ehre der Gottheit und bildet die Grundlage von Rigsbys dargelegter These, bei den Asyliedokumenten handle es sich um ein spezifisch religiöses Phänomen, das jenseits politischer Realitäten anzusetzen sei.694 Die Anwendung des Arguments Ehre in Asyliegesuchen setzt erst im ausgehenden dritten Jahrhundert ein. Zuvor benennen lediglich Asylieanerkennungen gelegentlich die Ehre der ersuchenden Polis unter Verwendung adjektivischer Konstruktionen. Strukturell sind solche Aufforderungen zur Mehrung der Ehre der betreffenden Gottheit oder Erwähnungen derselben in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle den beschriebenen Verhaltensweisen gegenüber Kultischem beizuordnen. Erstmalig wird die Ehrsteigerung des göttlichen Patrons von den Kalchedoniern argumentativ eingebunden. Sie bekräftigen in der Asyliebitte in Phokaia ihren Asylieanspruch mit der Aufforderung, die Ehren der Dionysos zu steigern. Zudem erläutern sie diesbezüglich ein Orakel des Gottes: „καὶ π̣αρακαλοῦσιν ἡμᾶς συναυξῆσαι τ̣[ὰς τῶν] / [θεῶν τιμά]ς“695 ‚und sie riefen uns auf, die Ehre des Gottes mitzusteigern‘. Die hier gewählte Formulierung erweist sich künftig als prägend; im späteren Material lassen sich nur geringe formale Abweichungen, die keine wesentlichen inhaltlichen Differenzierungen vornehmen, nachweisen.696 Neben diesen kurzen Erwähnungen der intendierten Ehrsteigerung sind innerhalb der Dokumente auch ausführlichere Präsentationen dieser Position ausmachen. In der koischen Inschrift bezüglich der Asylie Magnesias etwa wird die Re693 In einigen wenigen Fällen lässt sich die Zuordnung zum religiösen Bereich nicht sicher vornehmen, obwohl auch keine ausschließenden Kriterien vorliegen. Am ehesten ist mit sprachlicher Sparsamkeit zu rechnen – es ist klar, was mit τιμὴ beziehungsweise φιλοτιμία im betreffenden Zusammenhang gemeint ist, also wird es ausgespart, vgl. Rigsby 1996, Nr. 84, 10 f. ; Nr. 85, 14; Nr. 102, 21; Nr. 137, 6; Nr. 139, 8; Nr. 149, 7 f., 17; Nr. 155, 16; Nr. 154, 24; Nr. 162, 2; Nr. 174, 7. 694 S. 13–15. 695 Rigsby 1996, Nr. 63, 7 f. 696 τιμή / Steigerung der τιμή: Rigsby 1996, Nr. 64, 8; Nr. 82, 18; Nr. 89, 21–23; Nr. 93, 23; Nr. 95, 25; Nr. 97, 15 f.; Nr. 102, 13 f.; Nr. 100, 24; Nr. 107, 9; Nr. 108, 3; Nr. 112, 22; Nr. 162, 2; Nr. 177, 2; Nr. 174, 7.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

zeption solcher Bewerberformulierungen seitens der Verleiher erklärt. Darin heißt es, das Gesuchsdekret sei nach Kos geschickt worden, um die Ehren der Artemis Leukophryene zu mehren.697 An diese Formulierung schließt sich die Beschreibung der seitens der Magnesier abgehaltenen Opfer und Festspiele. Die Ehrsteigerung der Gottheit wird dabei mit der Erhöhung des Agonstatus verknüpft, was auch anderswo belegt ist.698 Darüber hinaus wird aus dieser Bezeugung der Ehrsteigerung einer Gottheit in Zusammenhang mit einem Asyliegesuch deutlich, dass das Vorbringen der Mehrung der τιμή in Asyliebitten ähnlich wie die Darlegung der Orakel oder die Beschreibung der eigens unternommenen Opfer und Festspiele funktioniert: positiv konnotiertes Verhalten der Bewerber wird vorgestellt und suggeriert, die Anerkennung der Asylie sei eine adäquate Würdigung dieses Verhaltens. Die Konzeptualisierung des Ehrbegriffs und somit die Einschätzung dieses Arguments hängt dabei an der Frage, warum das Versprechen der Mehrung der göttlichen Ehren auch den Verleihern zum Vorteil gereicht. Kann dies mit der Vorstellung begründet werden, dass die Antragsteller den vollzogenen kultischen Dienst als eine allgemein griechische Aufgabe betrachten? Oder handelt es sich vielmehr um die Anwendung spezifischer Verhaltensmuster, die gewissen strukturellen Vorgaben folgen? Ein altruistischer alle Griechen begünstigender Dienst am jeweiligen Gott klingt zwar bisweilen in den Asyliedokumenten an, aber gerade in Zusammenhang mit der Steigurung der Ehre eines göttlichen Patrons ist die Erklärung Eumenesʼ II. zu bedenken, der klar zum Ausdruck bringt, er wolle die Ehren der Athene Nikephoros mehren, weil sie ihm, und nicht etwa allen Griechen, im Kampf geholfen habe.699 Die Annahme, die jeweiligen Asyliebewerber hätten durch ihre Absicht, die Ehre des Gottes zu steigern – und zwar unabhängig davon cui bono die Begünstigung des Gottes zunächst dient –, ein angemessenes kultisches Verhalten an den Tag gelegt, das im Rahmen zwischenstaatlicher Verhaltenskodizes entsprechend honoriert werden muss, fügt sich besser an die Logik der Asyliegesuche an. Diese Hypothese lässt sich auch mit den kombinierten Erwähnungen von Ehre und Ruhm, etwa in der teischen Argumentation im kydonischen Dekret stützen.700 Dort heißt es, die Gesandten zeigten 10

τὰν ἐκτενεστάταν ὰν καὶ φιλοτιμίαν ποιιόμενοι περὶ τῶ γενέσθαι τὰν καθιάρωσιν τῶι Διονύσωι τᾶς τε πόλιος καὶ τᾶς χώρας τᾶς Τηίων καὶ τὰν ἀσυλίαν, ἔτι δὲ καὶ τἄλλα τὰ ὑπάρχοντα αὐτοῖς ἔνδοξα καὶ τίμια εἰς τὸν θεὸν ψαφιξαμένος καὶ αὐτὸς συναύξεν […].701

697 Rigsby 1996, Nr. 106, 1–4:[– – – – – – – – – ἐπειδὴ Μάγ]νη̣τ̣ε[ς ἐκ]/πα[λαιῶν χρόνων φίλοι καὶ οἰ]κ̣εῖ[ο]ί [εἰ]–/σ[ι]ν̣ – – – – – – – – – – – – – – – προα̣ι–/ρεύμ[ενοι αὔξειν τὰς τιμὰς τᾶς] Ἀρτέμι–/τος τᾶ[ς Λευκοφρυανᾶς ψάφισμα] ἀ̣π[̣ ο]στεί–/λαντες […]. 698 Rigsby 1996, Nr. 78, 4; Nr. 79, 12; Nr. 82, 9; Nr. 94, 8; Nr. 96, 22; Nr. 120, 21. 699 Rigsby 1996, Nr. 176, 13. 700 Auch darüber hinaus ist diese Verbindung von τιμή/τίμιος und δόξα/ἔνδοξος innerhalb der Asylieinschriften durchaus belegt: Rigsby 1996, Nr. 148, 11–16; Nr. 149, 7 f. Καλός und ἔνδοξος: Rigsby 1996, Nr. 151, 8 f.; Nr. 150, 13. 701 Rigsby 1996, Nr. 139, 8–16.

3.3 Die Begründung der Asyliegesuche: Ruhm und Ehre

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überaus aufrichtigen Eifer und Philotimie hinsichtlich der Einrichtung der Kathierosis der Polis und der Chora der Teier dem Dionysos und ihrer Asylie, und der anderen ruhmreichen und ehrhaften [Dinge], die es bei ihnen gibt wegen des Gottes, [und baten] uns [sie] zu vermehren […].

Es wird also wiederholt auf das normenkonforme Verhalten der Antragsteller und die daraus resultierende Asylie sowie Weihung der Stadt und des Umlandes verwiesen, die im Nebensatz indirekt als rühmende und ehrende Dinge bezeichnet werden. Darauf wird der Konnex zu den Verleihern geschlagen – sie bezeugten Eusebie, sollten sie anerkennen, was die Antragsteller fordern.702 Die Verbindung von φιλοτιμία und σπουδή unterstreicht die vorgeschlagene Verwe fndungsweise der Betonung der Ehre im Sinne des normenkonformen Verhaltens im religiösen Feld und ist innerhalb der Asyliedokumente sowohl weitverbreitet als auch hinlänglich mit dem Verhalten gegenüber den Göttern konnotiert.703 Die Ehre der Götter und vor allem die Steigerung ihrer Ehre sind also durchaus Motive, die die um Asylie ersuchenden Poleis und König Eumenes II. innerhalb ihrer Asyliebitten vorbringen – soweit ist Rigsby in der eingangs zitierten Einschätzung beizupflichten.704 Dass jedoch die Ehrerhöhung primäres und einziges Ziel der Asyliegesuche war, lässt sich weder mit den dargestellten Verwendungsweisen der auf das korrekte Verhalten gegenüber den Göttern zielenden Argumente noch mit dem Gebrauch der antiken Termini τιμή/τίμιος/φιλοτιμία und δόξα/ἔνδοξος in Einklang bringen. Denn Rigsby verortet in der bereits mehrfach angesprochenen Deutung der Asylie die Termini τιμή und δόξα jenseits politischer oder gesellschaftlicher Realitäten. Der von ihm verwendete Ehrbegriff stellt sich in eine Reihe früher soziologisch-anthropologischer Studien, die die Ehre – frei nach Shakespeare –705 als eine im Hinblick auf die gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen bedeutungslose kompetitiv-elitäre Haltung des Adels am Beispiel der frühen Neuzeit deutet.706 In neueren historischen Forschungen dominiert hingegen der in Anlehnung an Bourdi702 Rigsby 1996, Nr. 139, 13–16. 703 φιλοτιμία und σπουδή: Rigsby 1996, Nr. 73, 12 f.; Nr. 84, 10 f.; Nr. 85, 14; Nr. 102, 21; Nr. 118, 9; Nr. 125, 16; Nr. 137, 6; Nr. 139, 8; Nr. 141, 12; Nr. 149, 17; Nr. 151, 17; Nr. 154, 24; Nr. 155, 16. 704 Vgl. z. B. Rigsby 1996, 14; s. auch 13–15. 705 Die Dekonstruktion der Ehre durch Falstaff bei William Shakespeare, Henry IV., 2753–2761, ist (auch über die Vermittlung Giuseppe Verdis) weltberühmt: […] What is honour? A word. What is in that word honour? What is that honour? Air. A trim reckoning! Who hath it? He that died o‘ Wednesday. Doth he feel it? No. Doth he hear it? No. ‘Tis insensible, then. Yea, to the dead. But will it not live with the living? No. Why? Detraction will not suffer it. Therefore I’ll none of it. Honour is a mere scutcheon: and so ends my catechism. Zum Vergleich dieser Ehrkonzeption mit der des Achilles vgl. Doloff 2008. 706 So beispielsweise Elias 1977, 157; Eine Zusammenstellung der älteren soziologischen Forschungsansätze bieten Schreiner/Schwerhoff 1995, 3–9.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

eus ‚symbolisches Kapital‘707 entwickelte Ansatz der Ehre als eines Kommunikationsmittels oder eines „verhaltensleitenden Code[s].708 Gerade in der althistorischen Forschung wird der agonale Charakter der Ehre durchaus nicht ausgeklammert, jedoch darauf fokussiert, dass Ehre als soziales Konstrukt Leitlinien des Zusammenlebens in einer Gemeinschaft definiert.709 Einen begriffshistorischen Zugriff auf Ruhm und Ehre bietet das Buch des Philologen Evangelos Alexiou.710 Der Autor sammelt die griechischen Termini, die die Bandbreite des deutschen Syntagmas abdecken, und beurteilt selbige in Hinblick auf historische Entwicklung und inhaltliche Ausprägung vor allem bei Isokrates. Seine Beobachtungen lassen sich gut mit den vorgestellten Verwendungsweisen der Begriffe in den Asyliedokumenten verbinden. Er hält fest, δόξα ‚Ruhm‘ habe sich zu einem Ersatzwort für das in der archaischen Zeit gebräuchlichere κλέος entwickelt und drücke bereits bei Isokrates in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle die objektive Geltung eines Einzelnen oder einer Gruppe im Urteil der Gemeinschaft aus. Weiter betont er, in der Konkurrenz um Ruhm in der öffentlichen Wahrnehmung läge eine der Handlungsmaximen der griechischen Gesellschaft.711 Tιμή hingegen verfüge bereits in den ältesten Bezeugungen über eine ‚greifbare‘ Komponente, die sich je nach Bezugswort beispielsweise in der materiellen Rückbindung, vor allem in der Darstellung des Adels bei Homer,712 oder der Verfügung über bestimmte Vorrechte, häufig in Zusammenhang mit königlicher Herrschaft, äußern kann.713 Φιλοτιμία wiederum könne je nach Kontext das überbordende oder auch das wohl proportionierte Streben nach Ehre bedeuten. In Zusammenhang mit staatlicher Organisation deute φιλοτιμία auf eine patriotische Gesinnung.714 Im Vergleich, so stellt Alexiou fest, zu δόξα, die im Denken und Reden der Menschen besteht und etwas sich Ausdehnendes, Wachsendes einschließt, bedeutet τιμή eine greifbare, bestimmte Rangzuweisung innerhalb einer Gesellschaft. […] Im zwischenstaatlichen Bereich ist τιμή Ausdruck des Ranges eines Staates, etwa in der Führungsposition von Athen oder Sparta. Hier lässt sich auch die Grundüberzeugung des Isokrates feststellen, daß man eine führende Rolle aufgrund wohltätiger Leistung erhalten kann.715

Die Wortfelduntersuchungen Alexious zeugen – so viel darf man ableiten – seit klassischer Zeit von spezifischen Verwendungsweisen der Begriffe τιμή/τίμιος/ φιλοτιμία und δόξα/ἔνδοξος im zwischenstaatlichen Bereich. Das häufiger belegte 707 Zu den Kapitalsorten nach Pierre Bourdieu vgl. Bourdieu 1983a; Bourdieu 2001, 100–107; vgl. ferner Knäpper 2014, 30–32. 708 Schreiner/Schwerhoff 1995, 7 f., 10. 709 Zu grundlegenden Ansätzen zur Ehre, vgl. Fatheuer 1988; Fisher 1992; Flaig 1998a, Davies 2004; mit Einschränkungen auch Brüggenbrock 2006, 9–39. 710 Alexiou 1995. 711 Alexiou 1995, 24–33. 712 Zur Agonalität der Ehre bei Homer, vgl. Flaig 1998a, bes. 97 f.; vgl. ferner Fatheuer 1988, 54–61. 713 Alexiou 1995, 40–46. 714 Alexiou 1995, 47–54, bes. 52. 715 Alexiou 1995, 46 f.

3.3 Die Begründung der Asyliegesuche: Religiöse Einzelmotive

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Streben nach Ehre, aber auch das bisweilen verzeichnete Bemühen um Ruhm in den Asyliedokumenten darf also nicht bloß als vage fassbare Statusdemonstration aufgefasst werden. Vielmehr scheint in der agonalen Logik der Ehre ein Konzept manifestiert, das mit den übrigen Argumenten der Asyliebewerber korrespondiert. Um die Vergrößerung der Ehren des eigenen Schutzpatrons zu bitten, heißt dann, die eigenen Bemühungen des wertkonformen Verhaltens gegenüber den Göttern (φιλοτιμία/σπουδή) zur Steigerung der eigenen Position im internationalen Gefüge anzubringen. Denn Ruhm und Ehre sind gesellschaftliche Konzeptionen und behalten ihre Funktionsweisen wie Bezugsysteme bei, auch wenn das Verhalten gegenüber Göttern zum Konkurrenzobjekt wird. Oder, anders ausgedrückt, die vielfachen Belege der Verbindung der positiven Reaktion auf eine Asylieanfrage mit der Ehrsteigerung der jeweiligen göttlichen Patronen in der Argumentation der Antragsteller verweisen nicht auf den rein religiösen Charakter des Phänomens. Vielmehr bezeugen sie die Verwendung eines im zwischenstaatlichen Raum erprobten Konzepts im Rahmen des vergleichsweise jungen Phänomens der territorialen Asylie. Es ist vermutlich kein Zufall, dass das Ehrkonzept in den schnell aufeinanderfolgenden Asyliebitten des westlichen Kleinasiens im ausgehenden dritten Jahrhundert in die Gesuchsargumentation eingebunden wird: die auch für hellenistische Verhältnisse wechselhafte politische Lage bietet eine passende Grundlage für Konkurrenz um die knappen Güter Stabilität und Absicherung.716 b. Exzeptionelle und situationsgebundene Argumente Neben den verallgemeinerbaren Argumenten der Asyliebewerber lassen sich auch vom Einzelfall bedingte Asyliegründe feststellen. Wegen des für bestimmte Regionen sicher unvollständigen Zustands der Quellenbestände kann natürlich nicht ausgeschlossen werden, dass die an dieser Stelle gesammelten Motive durch Neupublikationen oder gar Neufunde zu kanonischen Asyliebegründungen erklärt werden müssten. Andererseits lassen sich für die besonders gut belegten Asyliegesuche auch mehr Argumente festhalten, was zwangsläufig zur größeren motivischen Bandbreite führt. Darüber hinaus bleibt zu erwähnen, dass die außergewöhnlichen Begründungen der Asylie partiell durchaus mit den kanonischen korrespondieren oder sich als Erweiterungen oder Ausbauten der zuvor Genannten erweisen. Religiöse Einzelmotive Unter den außergewöhnlichen Argumenten der Asyliebewerber ist zunächst die bereits in der Stiftungsurkunde aus Magnesia beschriebene und in einem beträchtlichen Teil der Dekrete wiederholte Beschreibung der Epiphanie der Gottheit festzuhalten.717 Es gibt lediglich zwei weitere Asyliegesuche, in denen die Epiphanie der im Fokus stehenden Gottheit ebenfalls angebracht wird. Dabei handelt es sich um 716 Vgl. dazu Knäpper 2018 (im Druck). 717 Rigsby 1996, Nr. 66, 10; Nr. 73, 10; Nr. 76, 2; Nr. 82, 14; Nr. 84, 8; Nr. 85, 7; Nr. 86, 7; Nr. 87, 15; Nr. 88, 11; Nr. 89, 13; Nr. 93, 14; Nr. 94, 12; Nr. 96, 8; Nr. 97, 13; Nr. 98, 7; Nr. 100, 14; Nr. 102, 19; Nr. 103, 11; Nr. 109, b 12; r. 111, 12; Nr. 112, 9; r. 113, 11; Nr. 119, 7; Nr. 120, 14; Nr. 125, b 8; Nr. 130, 6.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

die Epiphanie des Apollon in Klaros/Kolophon sowie indirekt auch die aus der Vereinigung von Leto und Zeus resultierende Kathierosis der Landschaft bei Didyma/Milet.718 Die Asyliegesuche werden parallel zur Bitte um die Statuserhöhung des jeweiligen Agons vorgetragen und lassen sich mit Flashar als Zeugnisse eines kulturpolitischen Programms im Rahmen der Konkurrenz der westkleinasiatischen Poleis um 200 begreifen.719 Gerade zur Erhöhung der Festspiele in ihrem Ansehen werden üblicherweise – wie auch in Magnesia – Orakel als Anspruchslegitimierung herangezogen.720 Bonnechere postuliert in diesem Zusammenhang, Epiphanieverweise in Asylieinschriften seien als Orakelbezeugungen aufzufassen, da sie sich in Funktion und Form mit selbigen überschnitten.721 Dieser These lässt sich in weiten Teilen folgen, da so die Verwendungsweise der Epiphanie im Rahmen der Asyliedokumente in breitere Kontexte eingebettet werden kann. Dennoch bleibt zu beachten, dass eben keine Synonymie vorliegt und die Begriffe nicht austauschbar werden. Die Epiphanie, das lässt sich auf Grund der Beleglage jedoch nur an magnesischem Material nachzeichnen, scheint eine stärkere Beteiligung der Gottheit vorauszusetzen. Es ist sicher kein Zufall, dass gerade die Magnesier nach einem zumindest in Hinblick auf Agonerhöhung gescheiterten Gesuch und der zwischenzeitlichen Asylieanerkennung der rivalisierenden Nachbarstadt Milet unter Bezugnahme auf ein Orakel die Epiphanie der Göttin anführen et vice versa. Die Epiphanie könnte gegenüber einem Orakel als wirkmächtiger betrachtet worden sein, auch wenn beide Mittel eine ähnliche Funktion erfüllt haben dürften – die Produktion eines Beweises göttlicher Gunst, die aus dem korrekten Verhalten gegenüber den Göttern resultiert. Die aus Milet bekannte Heiligung des Landes ist darüber hinaus auch als direktes Zeugnis göttlichen Wirkens in der Welt zu deuten722 und hat in dieser Funktion eine Entsprechung, nämlich in der Formulierung Eumenes’ II., Athene hätte seine Siege eigens befördert und verdiene so das Epitheton Nikephoros.723 Die Götter treten in diesen Bezeugungen – wie auch in den Epiphanien in Magnesia und Kolophon – selbst in den Vordergrund, während im Großteil der Asyliedokumente religiöskonnotierte Motive auf das menschliche Verhalten gegenüber dem Göttlichen oder Sakralen rekurrieren. Die Argumentation mit der Anwesenheit/direkten Einwirkung der Götter erweist sich folglich als selten, in Zusammenhang mit den auch sonst bekannten Orakelbefragungen stehend und signifikant häufig mit der Konkurrenzsituation im westlichen Kleinaisen verknüpft.

718 Rigsby 1996, Nr. 172, 6; IG XII 4, 1, 153, 9 f. 719 Flashar 1999, bes. 425, 427. Der Autor fokussiert auf die Parallelität des magnesischen und kolophonischen Zeugnisses. 720 Slater/Summa 2006, 277. 721 Bonnechere 2010, 122. 722 IG XII 4, 1, 153, 9 f. 723 Rigsby 1996, Nr. 176, 13, das parallelisiert möglicherweise mit dem aus Kalchedon bekannten Orakelspruch des Apollon Chresterios in direkter Rede (Rigsby 1996, Nr. 63, 6 f.; Nr. 64, 6 f.).

3.3 Die Begründung der Asyliegesuche: Aktuelle Diplomatie

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Aktuelle Diplomatie Eine weitere Gruppe von Asyliebegründungen durch die Antragsteller im Rahmen der zweiten teischen Gesuchsserie lässt sich als situationsgebunden charakterisieren. Innerhalb ihrer Asyliebitte bringen die Teier vor, schon einmal die Asylie und Heiligung seitens der Angesprochenen erhalten zu haben – „ἀποδεικνύοντες τὰν/πόλιν ὑπὸ τῶν προγόνων ἁμῶν κα-/θιερωμέναν τῶι Διονύσωι καὶ ἄσυλον γε/γενημέναν“.724 Dieses Argument – so zielführend es in den kretischen Poleis der zweiten Gesuchsserie auch ist – ist darüber hinaus nicht belegt und scheint aus der spezifischen Situation Teos’ herzurühren. Teos richtete sich bereits in der ersten Gesuchsserie im ausgehenden dritten Jahrhundert an die dominierenden Akteure der betreffenden Zeit, unter ihnen neben den hellenistischen Monarchen Aitoler, Kreter sowie Rom. In ihrem ersten Asyliegesuch wurden die Teier auf Kreta von den königlichen Gesandten Philipps V. und Antiochos’ III. unterstützt. Im zweiten Gesuch wandten sie sich auschließlich nach Kreta. Alle Inschriften der zweiten Serie erweisen sich als deutlich ausführlicher als ihre Pendants der ersten Runde. Dies stellt schon für sich genommen einen Sonderfall innerhalb des Materials dar, da sonst nie mehrere Asylieanerkennungen derselben Stadt durch einen Verleiher vorliegen. Auch wenn man sich mit Meyer725 gegen die direkte zeitliche Verbindung von Piraterie und Asylie entscheidet, so muss dennoch konstatiert werden, dass in Anbetracht der Singularität des Argumentierens mit der vorangegangenen Asylie sowie der Seltenheit wiederholter Asyliegesuche ein besonderes – wenn auch nicht näher zu spezifizierendes – Problemgefüge anzunehmen ist, das zur Betonung des Erfolgs in einer mehr als ähnlichen diplomatischen Mission in recht junger Vergangenheit führte. Diese Begründung der Asylie mit bereits von derselben Polis gewährter Unverletzlichkeit lässt sich im gesamten Material nicht noch einmal nachweisen. Den einzigen Referenzpunkt bei der Entwicklung eines solchen Motivs stellt die ebenfalls teische Asyliebitte (der ersten Serie) an die Delphische Amphiktyonie dar. Dort bringen die Gesandten das Argument vor, der Aitolische Bund – zu der Zeit Hegemon in der Amphiktyonie – habe die Bitte bereits gewährt.726 Somit scheint eine gewisse Erwartbarkeit der neuerlichen Asylieanerkennung auf Grund jüngerer diplomatischer Entwicklungen naheliegend, was gut mit der generell bezeugten Gepflogenheit, regelkonformes diplomatisches Verhalten zu präsentieren, korrespondiert. c. Argumentative Möglichkeiten kurzer Asylieanerkennungen Unter den Asylieurkunden befindet sich rund ein Dutzend Beschlüsse von auffälliger Kürze. Dieser Asyliegewährungstypus727 repräsentiert folglich nur eine kleinere Gruppe der Dokumente, die aber in Anbetracht der Gesamtzahl der Inschriften eine gewisse Signifikanz besitzt. Die Heterogenität dieser Inschriften lässt die gän724 725 726 727

Rigsby 1996, Nr. 156, 10–13; vgl. weiterhin Nr. 157, 12–14; Nr. 159, 12–14 (nur Kathierosis). Meier 2017; s. auch 136–138. Rigsby 1996, Nr. 133, 9–14. S. 80.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

gige, an Hand eines Beschlusses der Delphischen Amphiktyonie entwickelte Annahme, es handle sich lediglich um Zusammenfassungen detaillierterer Dekrete,728 nicht zu. Die kurzen Asyliedokumente lassen sich über den gesamten Verbreitungszeitraum der territorialen Asylie beobachten, ohne dass mit dem Rest des Materials nicht korrespondierende Häufungen festzustellen wären. Doch geographisch sind unter den ungewöhnlich kurzen Dekreten sowohl hinsichtlich der ersuchenden als auch der verleihenden Seite Schwerpunkte auszumachen. Besonders häufig befinden sich magnesische und teische Asyliebitten unter den knapp Beantworteten, was jedoch mit der Tatsache zusammenhängt, dass für diese Städte besonders viele Asylieanerkennungen belegt sind. Andererseits lassen sich auch Häufungen beobachten, wenn man die Verleiher als Ordnungskriterium heranzieht. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf den Anerkennungen aus Delphi oder von der Delphischen Amphiktyonie. Bereits das koroneische Itonium kann ein solches Dekret der Amphiktyonie vorweisen, ebenso Teos; in den Dossiers von Teos und Kalchedon liegen Kurzdekrete aus der Polis Delphi vor.729 Von Einheitlichkeit dieser kurzen Dekrete kann jedoch keine Rede sein: Während das Dekret aus Koroneia730 kaum mehr liefert als eine Datierungsformel und die Bestätigung des Asylie, scheint im gebrochenen kalchedonischen Dekret731 das gewöhnliche Beschlussformular in Kurzform verwendet zu sein. Denn Reste einer Akkusativkonstruktion mit εἶμεν sind dem in der üblichen Weise verwendeten δεδόχθαι vorgeschoben, wobei nach den Herausgebern nicht mehr viel Platz auf dem Stein gewesen sein dürfte.732 Die kurzen Asylieanerkennungen scheinen also recht unabhängig ausformuliert und wenig vorlagengebunden zu sein und das obwohl sie am gleichen Ort aufgestellt wurden. Die Möglichkeit nachzulesen, wie ein solches Gesuch in Kurzform zu beantworten wäre, hätte folglich bestanden, wurde aber offenbar nicht genutzt. Die Diversität der kurzen Gesuche der delphischen Gruppe wird auch durch die Inschrift der Amphiktyonie an Teos gestützt. Auch dort ist ein knappes Dekret im Beschlussformular vorzufinden, das im Rahmen der Wiedergabe des proleptischen Teils auf die vorliegende Asylieanerkennung des Aitolischen Bundes verweist.733 Eine der möglichen Ursachen für die Verkürzung der jeweiligen Asylieanerkennung könnte also auch im Anschluss an Beschlüsse anderer Entitäten liegen. Die Funktionsweise der Kurzdekrete wäre dann vergleichbar mit der von Unterschriften unter (gewöhnlich langen) Dokumenten.734 Gerade vor dem Hintergrund der aitolischen Vormachtstellung in der Delphischen Amphiktyonie scheint ein solches Modell nicht realitätsfern. 728 729 730 731 732 733 734

Rigsby 1996, Nr. 1; zur Deutung vgl. beispielsweise Rigsby 1996, 59; 168. Rigsby 1996, Nr. 1; Nr. 62; Nr. 133; Nr. 134. Rigsby 1996, Nr. 1. Rigsby 1996, Nr. 62. Rigsby 1996, 168 f. Rigsby 1996, Nr. 133, 11–14. Unterschriften sind bei gewöhnlich langen Dekreten geläufig, vgl. beispielsweise Rigsby 1996, Nr. 88; Nr. 100; Nr. 102; Nr. 111.

3.3 Die Begründung der Asyliegesuche: Kurzdekrete

203

Eine zweite Gruppe innerhalb der Asylieanerkennungen stammt von Kreta und erweist sich ebenfalls als recht heterogen. Für Teos sind Kurzdekrete aus Polyrrhenia, Rhaukos, Hierapytna, Aptera, Biannos und Apollonia überliefert, für Tenos aus Gortyn.735 Es fällt auf, dass die meisten der kretischen Kurzdekrete zur selben Gesuchsserie gehören und daher nicht unabhängig voneinander zu betrachten sind. Auch Argumentation und Struktur der Inschriften sind recht ähnlich, was darauf hindeutet, dass die Beschlüsse von Polis zu Polis mitgenommen wurden und so neben dem gewöhnlichen ausführlichen Dekret auch eine Vorlage für ein verkürztes existierte. Argumente der Asyliebewerber, wie sie in den längeren Dokumenten zu Tage treten, werden in der kretischen Kurzdekretgruppe nur selten zitiert. Dem religiösen Bereich ist dabei die Erwähnung der Würdigkeit der Teier gegenüber dem Gott im Dekret aus Aptera zuzurechnen.736 Ebenfalls werden Freundschaft und Verwandtschaft angeführt.737 Gemeinsam ist den meisten dieser kretischen Inschriften ein Verbot des ἄγειν, das in Anbetracht der Kürze der Dokumente sehr ausführlich erörtert wird.738 Die Dekrete erwecken auf diese Weise den Eindruck, die Absicherung gegen den (See-) Raub bildete den wichtigsten Aspekt der Argumentation der Asyliegesuche. Die interessante Asylieanerkennung der Rhaukier sticht unter den kretischen Kurzdekreten heraus. Darin wird neben dem Lob des Mutes und der εὔνοια der teischen Gesandten das eifrige und ehrliebende Fürsprechen des Boten Antiochos’ III., Hagesander, angeführt. Der Inhalt der Argumentation der Teier tritt also im Rahmen des rhaukischen Kurzdekrets hinter der perfomance zurück. Diese Inschrift demonstriert so die Grenzen der Auswertung der kurzen Asyliedekrete in Hinblick auf die Gesuchsargumentation. Des Weiteren sind kurze Asylieanerkennungen divergenter Herkunft zu benennen. Dabei handelt es sich um die spartanische Anerkennung des Asklepieions in Kos sowie die aitolische, argivische, chalkidische und delische Asylieverleihung an Magnesia.739 Die Asylieanerkennungen enthalten jedoch neben der Feststellung des Asyliestatus und der Datierungs- wie Publikationsformel zumeist keinerlei argumentative Erörterungen. Lediglich in der chalkidischen Asylieverleihung wird auf ein Empfehlungsschreiben Philipps V. verwiesen. Der Hinweis auf bereits von anderen anerkannten Asyliestatus liegt ebenfalls im Kurzbeschluss der Delphischen Amphiktyonie gegenüber Teos sowie indirekt im proteischen Agieren des Gesandten Antiochos’ III., Hagesander, in Rhaukos vor. Auch wenn angesichts der niedrigen absoluten Zahl der Kurzdekrete und der Unsicherheit hinsichtlich möglicher nichtpublizierter Asyliedossiers statistische Aussagen nicht überzubewerten sind, fällt doch auf, dass der Bezug auf die Asylieanerkennung Dritter die häufigste Ge-

735 736 737 738 739

Rigsby 1996, Nr. 137; Nr. 138; Nr. 144; Nr. 145; Nr. 146; Nr. 147; Nr. 56. Rigsby 1996, Nr. 145, 2 f. φιλία: Rigsby 1996, Nr. 144, 3 f.; συγγένεια: Rigsby 1996, Nr. 138, 6; Nr. 145, 1. Rigsby 1996, Nr. 144, 5–9; Nr. 145, 9–12; Nr. 146, 6–10; Nr. 147, 4–8. Rigsby 1996, Nr. 14; Nr. 78; Nr. 90; Nr. 97; Nr. 99.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

meinsamkeit außergewöhnlich knapper Asyliedokumente außerhalb der kretischen Kurzdekretserie darstellt.740 Festzustellen bleibt, dass die überaus kurzen Asylieverleihungen eine in Inhalt und Form recht variierende Gruppe darstellen. Gerade diese Vielfältigkeit deutet darauf hin, dass ein knappes Dekret nicht zwingend einer bestimmten Konvention folgte, sondern durchaus spontan zu entstehen vermochte. Zudem werden argumentative Gefüge der asylieersuchenden Partei in den knappen Verleihungen kaum nachvollzogen, so dass diese Dekrete für die Analyse der Asyliegesuche von begrenzter Aussagekraft sind. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Sammlung der Argumente der asylieersuchenden Poleis auf Grundlage des vorhandenen Materials gewisse Problematiken birgt. Die Größe und der Editionszustand der Asyliedossiers aus Kos, Magnesia und Teos einerseits und die Tatsache, dass aus Milet, Magnesia und Pergamon direkte, nicht wie gewöhnlich über die Anerkennungen vermittelte, Zeugnisse der Gesuche überliefert sind andererseits, forcieren die Möglichkeit der Übergewichtung der darin geäußerten Inhalte in Bezug auf die gesamte Gattung. Darüber hinaus ist die Entscheidung, welches Argument der Asyliebewerber sicher aus den Anerkennungen zu gewinnen ist, analyseentscheidend. Nimmt man an, die Asylieverleiher gingen von den Begründungen der Bewerber aus, verfügt man über ein breites Spektrum von Argumenten, hat aber der Schwierigkeit Tür und Tor geöffnet, indifferent die Motive der Antragsteller und Asylieverleiher zu vermengen. Denn schließlich können diejenigen, die ein Asyliegesuch erreicht, ihre ganz eigenen Gründe für die Annahme haben und anführen. Bezieht man sich hingegen ausschließlich auf Inschriftenteile, in denen dezidiert auf die Asyliebewerber Bezug genommen wird, müssen einige erkenntnisversprechende Zweifelsfälle außen vor bleiben. Auch wenn die zweite Möglichkeit nicht ohne Tücken ist, scheint sie einen gangbaren Weg zu offerieren. Auch die vielfachen Incerta und Fragmentaria erschweren die Deutung. Trotz der dargestellten Schwierigkeiten können jedoch Hauptcharakteristika der argumentativen Ausgestaltung der Asyliegesuche skizziert werden. Zentral sind dabei die Bekundungen der Freundschaft, Verwandtschaft und der damit zusammenhängenden freundlich-loyalen Geisteshaltung der asylieersuchenden Parteien, die mit den Termini φιλία, οἰκειότης und συγγένεια sowie ihren adjektivischen Ableitungen ausgedrückt werden. Dabei ist zu betonen, dass die dargestellten Begriffsfelder nicht im Sinne monolithischer Blöcke historisch definierter Konzepte zu begreifen sind, sondern vielmehr örtlich und zeitlich eingebundene, in der Entwicklung begriffene Termini darstellen. Ein bedeutsamer Aspekt ist dabei, dass mit Verwandtschaft und Freunschaft auch in gewisser Weise historische Legitimierungskategorien gebraucht werden, die in Angesicht der Novität der territorialen Asylie wohl als hinfreichempfunden wurden.

740 Von 16 Kurzdekreten enthalten 3 die Erwähnung vorliegender Asylieanerkennungen, was einer Quote von 18,75 Prozent entspricht.

3.4 Die Asylieverleihungen

205

Vergleichbar zur Konzeption von οἰκειότης, der vertraulichen Nähe gegenüber dem Interaktionspartner, lässt sich mit εὔνοια eine positive Geisteshaltung der Antragsteller gegenüber den potentiellen Verleihern fassen. Die Logik hinter den beiden Argumenten ist die eines Angebots an sein Gegenüber, im Austausch für die positive Aufnahme des Anliegens künftig Geneigtheit zu zeigen. Die Verwendungsweise von φιλία und συγγένεια, οἰκειότης und εὔνοια bezieht sich folglich auf ein zwischenstaatliches Gefüge, das vermittels vielfacher einzelner Kommunikationen zu einem Netzwerk generiert wird. Die Strukturen dieses Netzwerks, oder besser der so entstandenen vielen Netzwerke, schaffen eine gewisse Verfahrenssicherheit und lenken die polyvalenten Ansprüche der einzelen Staaten in besser fassbare und akzeptable Bahnen. In paralleler Weise lassen sich auch die mit dem religiösen Bereich konnotierten potentiellen Asyliegründe erklären: Indem die Asyliebewerber ihre Ausführung von Opfern, Festen und Wettkämpfen betonen, stellen sie positiv wahrgenommene Verhaltensweisen in den Fokus. Diese können für ihren Teil im Rahmen der ausdiffererenzierten Verhaltenskodizes des zwischenstaatlichen Verkehrs im Sinne eines actio-reactio-Modells ihre Wirkung entfalten. Dabei werden wiederum Verbindlichkeiten geschaffen, die das Netzwerk an sich aber auch die Verhaltensmatrizen beeinflussen. Die Mehrung von Ruhm und Ehre der jeweiligen Gottheit kann dabei zum Gradmesser für das eigene Bemühen, sich auf angemessene Art und Weise öffentlich zu betätigen, werden. Die Argumentationsweise der Asyliebewerber bedient sich also vornehmlich zwischenstaatlich geprägter Muster der Darlegung der eigenen Vertrauenswürdigkeit. Dabei wird auf die positiv konnotierten Verhaltensweisen eines idealen Bürger(verband)s rekurriert. Die angeführten religiösen Aspekte erweisen sich in Hinblick auf ihre strukturelle Anwendbarkeit innerhalb der so gestalteten Verhaltenskodizes als überaus geeignet. 3.4 DIE ASYLIEVERLEIHUNGEN Asyliedekrete von verschiedenen politischen Akteuren der Zeit stellen das Gros der epigraphischen Zeugnisse der territorialen Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts. Dabei erlauben diese Dekrete nicht nur einen Einblick in die Verfahrensweisen und argumentative Ausgestaltung der Asyliebitten, sondern lassen auch eigene Kriterien und Motivationen für die Anerkennungen erkennen. Denn schließlich entwickelt die territoriale Asylie ihre vertragsähnlichen Züge erst durch die aktive Beteiligung beider Interaktionspartner. Die Anerkennung ist demnach ein zentraler konstitutiver Bestandteil einer jeden Asylie. Da die verlaufstechnischen Sachverhalte auch für die Seite der Verleiher bereits zu einem großen Teil im Rahmen der Darstellung des Prozederes der jeweiligen Asyliegesuche präsentiert wurden, gilt es an dieser Stelle auf die aus der Gesamtheit der Asylieanerkennungen der jeweiligen anerkennenden Partner ablesbaren Fakten einzugehen. Die bedeutsamen prozessualen Kennzeichen der Asylieanerkennungen, die der Ausrichutung von Kap. 3.3. auf die Asyliebewerber wegen zu-

206

3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

vor nicht benannt werden konnten, stehen an dieser Stelle im Fokus. Zu diesem Zweck sollen jedoch nicht alle politischen Akteure im Einzelnen, sondern zu entitätsbasierten Gruppen zusammen- und vorgestellt werden. In einem zweiten Schritt stehen die von den Asylieverleihern angegebenen Begründungen ihres Handelns im Vordergrund. Dabei scheint es bedeutsam, die Argumente zunächst auf ihren Gehalt zu prüfen und ungeachtet der Zuschreibung zum religiösen oder politischen Feld mögliche Typologien und Zusammenhänge darzustellen. Auch diachrone Aspekte der Entwicklung der territorialen Asylie werden auf diese Weise zusammengetragen. 3.4.1 Poleis, Bünde, Könige als Asylieverleiher a. Poleis Der überwiegende Teil aller Asylieanerkennungen lässt sich auf Poleis zurückführen. Wie erörtert, vermittelt der Duktus der Asyliedokumente einen überaus paritätischen, der peer polity interaction741 entsprechenden Eindruck. Abhängigkeiten und/oder hegemoniale Gefälle stehen dabei nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit, auch wenn keine Anzeichen einer bewussten Ausblendung dieser vorliegen.742 Die Poleis bilden somit den hauptsächlichen Bezugsrahmen des Phänomens und so formen die Politen die sich entwickelnden Verhaltensnormen im Sinne ihres eigenen außenpolitischen Verständnisses. Das grundsätzliche Prozedere der Asylieanerkennungen ist, wie erwähnt dem Kapitel über den Gesuchsverlauf und die generelle Streuung der Asyliedokumente zu entnehmen und soll wegen der vielfachen Überschneidungen mit bereits formulierten Ergebnissen nicht grundsätzlich gesondert aufgeführt werden. An dieser Stelle scheint eine allgemeine Zusammenfassung der formulierten Thesen opportun. In den allermeisten Fällen leiten Asyliegesuche Asylieanerkennungen ein. Gesandte kommen hierzu in die betreffenden Städte, Bundessitze oder Residenzen und tragen ihr Gesuch vor. Dieses kann sich zuerst an ein kleineres Gremium wenden oder sofort der Volksversammlung präsentiert werden. Unter Verlesung des von der asylieersuchenden Polis gestalteten Dekrets werden darauf offenbar weitere Argumente ausgetauscht. Die Asylie kann schnell gewährt werden, was die zügige Abfolge manch einer Gesandtschaft nahelegt, oder auch längere Zeit in Anspruch nehmen. Dabei werden häufig verschiedene Feierlichkeiten von den Interaktionspartnern abgehalten oder auch gemeinsame Opfer begangen. Hinsichtlich der Geschenke und weiterer Zuwendungen an die Antragsteller differieren die Quellen stark – zwischen dem Ausbleiben einer Zuteilung und der Spende von Kränzen oder hoher Geldsummen ist alles möglich. Häufig verpflichten sich die Asyliegewährenden zudem eine Inschrift aufzustellen, bisweilen sogar in mehreren Heiligtümern, wobei zumeist Delphi diesen ‚dritten‘ Ort darstellt.743

741 Vgl. dazu MA 2003, bes. 19. 742 Vgl. dazu auch Raynor 2016, 227, 256 f. 743 Vgl. Anhang 9.

3.4 Die Asylieverleihungen: Poleis

207

Die geographische Streuung der städtischen Asylieanerkennungen deckt weite Teile der griechischen Oikumene vom Iran bis Sizilien, von der Propontis bis Kreta ab. Auch römische Dokumente sind vorhanden, werden jedoch ihrer Spezifika wegen gesondert betrachtet. Dabei ist zu betonen, dass nicht wenige der zumeist in Dossiers der asylieerbittenden Städte publizierten Inschriften unbekannter Provenienz sind. In glücklichen Fällen können solche Inschriften über Gesandtschaften, dialektale, formale oder inhaltliche Besonderheiten zwar einer Region zugewiesen werden, häufig allerdings bleibt die Herkunft dieser Fragmentaria nicht lokalisierbar. Konzentrationen von Asylieanerkennungen sind in Nordwestgriechenland und den Westionischen Inseln,744 Makedonien,745 Zentralgriechenland und dem Peloponnes,746 dem kleinasiatischen, vor allem karischen Raum, und dem asiatischen Hinterland,747 der Ägäis748 sowie Kreta749 festzustellen. Diese geographische Verteilung korrespondiert mit der generell unsicheren Situation der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts, die von wankenden Machtver-

744 Ambrakia, Argos in der Amphilochis, Arsinoe in Aitolien, Herakleia in Aitolien, Kalydon, Phytaion, Stratos, Thronion, Thyrreion, Trichoneion: Rigsby 1996, Nr. 77; Alyza, Anaktorion, Palairos, Phokris: Nr. 81; Apollonia: Nr. 95; Epidamnos: Nr. 96; Ithaka: Nr. 86; Korkyra: Nr. 45, Nr. 94, Nr. 170; Krane: Nr. 85; Leukas: Nr. 81; Medion: Nr. 81, Nr. 168; Oinidai: Nr. 80; Orikon: Nr. 94; Palairos: Nr. 170; Pale: Nr. 85. 745 Amphipolis: IG XII 4, 1, 220 II (= Rigsby 1996, Nr. 26); Dion: Rigsby 1996, Nr. 171; Gonni: IG XII 4, 1, 216 I (= Rigsby 1996, Nr. 21); Homolion: 216 II (= Nr. 22); Kassandreia: 220 I (= Nr. 25); Pella: 221 I (= Nr. 23); Philippi: 220 III (= Nr. 27); weitere Stadt: 221 II (= Nr. 24). 746 Aigeira: IG XII 4, 1, 215 V (= Rigsby 1996, Nr. 18); Alea, Heraia, Kaphyai, Karyai, Kleitor, Kynaitha, Lusi, Methydreion, Pellene, Pheneas, Phlios, Psophis, Stymphalos, Tegea, Thelphusa, Tritaia: Rigsby 1996, Nr. 88; Athen: Nr. 87, Nr. 162; Chalkis: Nr. 97; Delphi: Nr. 7, Nr. 62, Nr. 79, Nr. 134; Elis: IG XII 4, 1, 215 IV (= Rigsby 1996, Nr. 17), Rigsby 1996, Nr. 89; Eretria, Histiaia: Nr. 98; Hypata, Lamia, Naupaktos, Pleuron: Nr. 77; Korinth: Nr. 92; Megara: IG XII 4, 1, 216 IV (= Rigsby 1996, Nr. 20); Larissa: Rigsby 1996, Nr. 75; Messene: IG XII 4, 1, 215 II (= Rigsby 1996, Nr. 15), Rigsby 1996, Nr. 93; Sparta: IG XII 4, 1, 215 I (= Rigsby 1996, Nr. 14); phthiotisches Theben: 216 III (= Nr. 19); Thelphusa: 215 III (= Nr. 16); Sparta: Rigsby 1996, Nr. 14; weitere Stadt: IG XII 4, 1, 219. 747 Antiocheia-Alabanda: Rigsby 1996, Nr. 162; Alinda, Antiocheia in Karien, Euromos, Laodikeia am Lykos, Ptolemais in Karien: Rigsby 1996, Nr. 109; Alexandria im Iran?, Antiocheia in der Persis, weiteres Antiocheia im Iran?, Apameia am Seleias, Seleukeia am Roten Meer, Seleukeia bei Susa, Seleukeia am Hedyphon, Seleukeia am Tigris: Rigsby 1996, Nr. 111; Antiocheia in Pisidien: Rigsby 1996, Nr. 125; Bargylia: Rigsby 1996, Nr. 174; Chios, Ephesos, Erythrai, Klazomenai, Kolophon, Lebedos, Notion, Phokaia, Priene, Samos, Smyrna, Teos: Rigsby 1996, Nr. 102; Kalliste, Sikyon: Rigsby 1996, Nr. 91; Kios: Rigsby 1996, Nr. 32; Knidos: Rigsby 1996, Nr. 105, Nr. 158; Phokaia: Nr. 63. 748 Aigiale, Andros, Arkesine, Arsinoe auf Keos, Asklepieia, Iulis, Karthaia, Kimolos, Kythnos, Melos, Mykonos, Naxos, Oenea auf Ikaria, Paros, Samos bei Minoa, Seriphos, Tenos, Thera: Rigsby 1996, Nr. 100; Antissa, Methymna, Mytilene: Nr. 101. 749 Allaria: Rigsby 1996, Nr. 151; Apollonia: Nr. 147; Aptera: Nr. 58, Nr. 65, Nr. 145, Nr. 154; Arkades: Nr. 150, Nr. 159; Eleutherna: Nr. 149; Eranna: Nr. 155; Gortyn:, Nr. 56; Hierapytna: Nr. 43, Nr. 144; Hyrtakina: Nr. 160; Iasos: Nr. 35, Nr. 177; Knossos: Nr. 136; Lappa: Nr. 59, Nr. 143, Nr. 206; Lato: Nr. 142, Nr. 152; Malla: Nr. 157; Oaxos: Nr. 60, Rigsby 1996, Nr. 140; Sybrita: Nr. 141.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

hältnissen in der hellenistischen Welt geprägt ist.750 Im Allgemeinen lassen sich die meisten Häufungen der Asylieanerkennungen mit zwei Modellen erklären: Westkleinasien und der ägäische Raum beherbergen die meisten Asyliegesuche, was heißt, dass die Konzentration der Anerkennungen aus der Region sich mit der direkten Nachbarschaft zu vielen asylieersuchenden Poleis erklären lässt. Des Weiteren legt die Streuung der Asylieanerkennungen nahe, dass die regionale Nähe zum (temporären) Sitz eines hellenistischen Monarchen – wie zum Beispiel Phillips V. in Makedonien oder Antiochos’ III. in Asien – die Wahrscheinlichkeit für ein Asyliegesuch steigerte. Ähnliches lässt sich für den Aktionsraum des Aitolischen Bundes im Nordwesten Griechenlands oder der Delphischen Amphiktyonie in Mittelgriechenland annehmen. Das hängt sicher mit dem beschriebenen Gesandtschaftssystem zusammen, bei dem der Reiseweg die Anfragen mitbestimmte. Diese These lässt sich an der exzeptionellen Asylieverleihung der orientalischen Poleis an Magnesia am Mäander demonstrieren, die die Gesandten wohl in Zusammenhang mit ihrem Asyliegesuch an König Antiochos III. erworben haben. In der von weiteren Städten unterschriebenen Inschrift aus Antiocheia in der Persis,751 fehlt ein ausführliches Asyliegesuch, vielmehr wird auf die gemeinsame seleukidische Vergangenheit und die Beziehung der Stadt zu Antiochos III. Bezug genommen.752 Die geographische Lage bestimmt also zu einem guten Teil mit, ob eine Polis um Asylie angefragt wird – zum einen spielt dabei geographische Nähe eine Rolle, auch wenn es da, betrachtet man des Verhältnis von Magnesia am Mäander und Milet, Ausnahmen gibt, zum anderen die Verfolgung bestimmter Routen auf dem Wege zu den größeren politischen Akteuren der Zeit. Kretische Poleis Die überaus häufigen kretischen Inschriften lassen sich mit beiden beschriebenen Modellen schwer erklären. Zudem haben diese Inschriften einige Spezifika ausgebildet, die es rechtfertigen, sie gesondert zu betrachten. Diese Asylievereinbarungen wurden von den einzelnen kretischen Städten, nicht vom Koinon, mit den jeweiligen Asyliebewerbern getroffen.753 Dabei werden sogar die Grenzen des Koinons überschritten, wie das teische Gesuch der ersten Serie belegt. Dort werden sowohl mit promakedonischen Koinon-Städten als auch solchen, für die beide Faktoren zumindest nicht nachweisbar sind, Asylieabkommen abgeschlossen.754 Zunächst soll jedoch der historische Kontext der Asyliegesuche noch einmal zusammengefasst werden: Kreta war im gesamten dritten Jahrhundert von inneren Konflikten geprägt, die zunächst über die Gründung eines Koinons im dritten Jahr-

750 Zur historischen Situation um die Mitte des Jahrhunderts vgl. instruktiv Lehmann 1998; vgl. ferner Beyer-Rotthoff 1993, 17–24; Ma 1999, 43–52; zum ausgehenden dritten Jahrhundert vgl. Funke 2000; Ma 1999, 74–82; Dreyer 2007, 101–111; Koehn 2007, 151–168; Scherberich 2009, 164–173. 751 Rigsby 1996, Nr. 111, 100–111. 752 Rigsby 1996, Nr. 111, 11–23; 49–60. 753 Kretisches Koinon als Asylieverleiher: Rigsby 1996, Nr. 175. 754 S. 137–146.

3.4 Die Asylieverleihungen: Kretische Poleis

209

hundert abgefedert werden sollten.755 Zudem haben die hellenistischen Großmächte, vor allem Makedonien, seit der zweiten Hälfte des Jahrhunderts versucht, verstärkt Einfluss auf die strategisch günstig gelegene Insel zu nehmen.756 Die Verhältnisse auf Kreta beruhigten sich jedoch auch nach der Gründung des Koinons nicht völlig. Auch stellte das Koinon keinen ausschließlichen Verband aller Kreter dar, sondern befand sich in Konkurrenz mit anderen Bündnissen auf der Insel. Das Konfliktpotential zwischen den rivalisierenden Poleis entlud sich in den ersten Jahren der zweiten Dekade im Lyttischen Krieg zwischen Knossos und Gortyn, dessen Ende keine Stabilität brachte, sondern weitere innerkretische Kriege zur Folge hatte.757 Diese Kriege erreichten um die Jahrhundertwende, etwa zeitgleich mit dem Kretischen Krieg, einem Krieg des Kretischen Koinons unter Führung Gortyns gegen die Rhodier mit vielfachen Auswirkungen auf die Ägäiswelt, einen erneuten Höhepunkt.758 Gerade die vielfachen Angriffe auf ägäische oder westkleinasiatische Poleis im Kretischen Krieg dürften sicher, nicht bloß auf Grund der zeitlichen Übereinstimmung, eine starke Motivation für Asyliegesuche auf Kreta dargestellt haben. In der älteren Forschung wurden diese kretischen Angriffe zumeist unter dem Stichwort Piraterie zusammengefasst und zusammen mit der Neigung zur Piraterie seitens des Aitolischen Bundes zur Erklärung der territorialen Asylie im Allgemeinen angeführt.759 Dass die Piraterieabwehr allein nicht zur Erklärung des gesamten Phänomens territorialer Asylie ausreicht, ist inzwischen gemeinhin akzeptiert;760 und auch die Konzeptualisierung der Piraterie getreu dem thukydideischen Dictum, nach dem Piraterie in vergangenen Epochen in Hellas üblich gewesen sei, während in klassischer Zeit nur noch einige – rückständige – Völker, namentlich die Aitoler und Kreter daran festhielten,761 wird inzwischen vielfach negiert. Rigsby beispielsweise grenzt sich deutlich von dieser Annahme ab und dekonstruiert einerseits den Piratenbegriff unter Betonung der allgemeineren Einbindung desselben in das συλᾶν-Modell,762 was bereits Schlesinger mit Rückgriff auf die Quellen erarbeitet,763 und lehnt andererseits solcherlei realpolitische Deutungen ob seiner

755 756 757 758 759 760 761

Chaniotis 1996b, 29–32. Chaniotis 1996b, 35 f. Chaniotis 1996b, 38–40; Chaniotis 2004, 81 f. Chaniotis 1996b, 38–40; Wiemer 2002, 143–176. Vgl. dazu v. a. Seyrig 1950, 20 f.; 36 f.; van Berchem 1960, 23. Buraselis 2003, 154 f.; Funke 2008, 256. Thuk. 1, 5–7. Vgl. dazu Wendt 2016, 82–84. Zur Piraterie vgl. weiterhin grundlegend Ormerod 1967; Pritchett 1991 mit Forschungsüberblick (312–320); de Souza 1999; Gabrielsen 2001; Wiemer 2002 mit Forschungsüberblick (111–113); Chaniotis 2005c, 133–140; Gabrielsen 2013; Bresson 2016, bes. 181–184, 280–285, 302–305. 762 Zum συλᾶν, s. 32–38. 763 Differenziertere Auseinandersetzung mit Piraterie in Hinblick auf Asylie: Schlesinger 1933, 13, 16; Gauthier 1972, 249–265; Brulé 1978, bes. 94; Bravo 1980, bes. 970–973; Errington 1980, 282; Wiemer 2002, 140–141; Buraselis 2003, 154 f.; Kvist 2003, 195–198; Chaniotis 2005c, 137 f. Dagegen vgl. Rigsby 1996, 16 f., 22–24.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

Annahme einer rein religiösen Verortung der Asyliedokumente ab.764 Wiemer fasst die communis opinio zum Thema Piraterie wie folgt zusammen: Inzwischen haben neuere Arbeiten über die Zusammenhänge zwischen Krieg, Recht und Wirtschaft ein neues Bild der griechischen Piraterie gezeichnet, das die sozialen, politischen und juristischen Verhältnisse genauer und umfassender berücksichtigt. Zog die ältere Forschung eine scharfe Trennlinie zwischen entwickeltem Zentrum und rückständiger Peripherie, so sieht die neuere Forschung fließende Übergänge und mannigfache Verflechtungen. Unbestritten bleibt dabei, daß viele derjenigen, die in hellenistischer Zeit die Ägäis unsicher machten aus Kreta und Ätolien kamen.765

Es gab folglich legitime Formen der συλᾶν-Anwendung auch in hellenistischer Zeit im gesamtgriechischen Raum,766 Kreta und Aitolien waren jedoch mit überdurchschnittlicher Häufigkeit Urheber. Den Organisationsgrad der kretischen Feldzüge verdeutlicht Chaniotis, der an Hand von epigraphischem Material beobachtet, dass es gemeinsame staatlich wie privat organisierte Beutezüge mehrerer Poleis gab, die in ihrer Durchführung, Finanzierung wie Beuteverteilung auf eigens geschlossene Verträge rekurrierten.767 Genau auf solche Raubzüge kretischer Poleis spielen die Asylieanerkennungen aus Kreta seit der Akzeptanz des ersten teischen Gesuchs im ausgehenden dritten Jahrhundert an. Innerhalb der kretischen Asylieverleihungen an Teos werden häufig, wie bereits im Rahmen der Materialaufnahme dargestellt, spezifische Regeln getroffen, die den Raub einschränken.768 Beispielhaft soll an dieser Stelle die Inschrift aus Lato vorgestellt werden, die die meisten Aspekte, auch späterer Inschriften, enthält: 25

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καὶ εἴ τινές κα τῶν ὁρμιομένων Λατόθεν ἀδικήσωντί τινα Τήιον ἢ κοινᾶι ἢ ἰδίαι παρὰ τὸ γραφὲν δόγμα περὶ τᾶς ἀσυλίας τᾶς τε πόλεος καὶ τᾶς χώρας, ἐξέστω τῶι παραγενομένωι Τηίων ἐπιλαβέσθαι καὶ σωμάτων καὶ χρημάτων, εἴ τίς κα ἄγηι· οἱ δὲ κόσμοι οἱ τόκ’ ἀεὶ κοσμίοντες ἀναγκαζόντων ἀποδιδόμεν τὸς ἔχοντας, […].769 Und wenn jemand von den, die aus Lato operieren, einem Teier Unrecht tun sollte, privat oder öffentlich hinsichtlich des Asyliedekrets der Polis und des Umlands, ist es den herbeigekommenen Teiern erlaubt, zu nehmen Menschen oder Güter, wenn jemand sie geraubt hat. Die im Amt befindlichen Kosmen sollen sie zwingen den Besitz zurückzugeben […].

Die Strafbestimmung offenbart gleich mehrere bedeutsame Punkte. Zum einen wird das Asyliedekret genannt, wobei der Zusammenhang klarmacht, dass es als 764 765 766 767

Rigsby 1996, 16 f. Wiemer 2002, 111 f. Dagegen Wendt 2016, 89–91, mit grundsätzlichen methodisch-terminologischen Bedenken. Chaniotis 1996b, 93 f.; zu den vielfachen weiteren Regelungen in diesem Zusammenhang vgl. ferner Chaniotis 1996b, 134; 125; 174 f.; 211 f.; 227 f.; 231; 374; vgl. ferner Chaniotis 2005c, 134–137. 768 Rigsby 1996, Nr. 136, 4–11; Nr. 137, 11–13 (Asphalie zu Wasser und zu Lande); Nr. 139, 24– 27; Nr. 141, 19–26; Nr. 142, 24–31; Nr. 144, 5–10; Nr. 145, 8–12; Nr. 146, 2–10; Nr. 147, 3– 10; Nr. 148, 33–40; Nr. 150, 34–42; Nr. 151, 28–31; Nr. 151, 27–34. 769 Rigsby 1996, Nr. 142, 24–30.

3.4 Die Asylieverleihungen: Rom

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verbindlich wahrgenommen wird. Zuwiderhandlungen werden unter Strafe gestellt, die jedoch die Folgen des ἄγειν weitgehend neutralisieren, den Raub an sich allerdings nicht über die Bezeichnung als Unrecht hinaus kriminalisieren. Die territoriale Asylie wird folglich um Bestimmungen erweitert, die im Rahmen von Verleihungen (kollektiver) persönlicher Asylie, die über die Einschränkung des συλᾶν Sicherheit gewährleisten sollen, üblich sind. Diese Tatsache erlaubt einen Blick auf das Verständnis territorialer Asylie, welches in der Kommunikation zwischen Teos und den kretischen Poleis, für die Lato hier stellvertretend angeführt ist, entwickelt wird: Die Teier wollen sich und ihre Polis gegen Seeraub absichern und die Kreter gewährleisten selbiges über die Verbindung der territorialen Asylie zu den Strafbestimmungen, die sonst von der persönlichen Asylie bekannt sind. Das an Hand der ersten teischen Serie generierte Modell wird in der zweiten, ausführlichere Anerkennungen verzeichnenden Serie verdeutlicht. In der zweiten Asylieanerkennung aus Aptera heißt es, die Asylie sei eingehalten und Unrechtszwischenfälle vermieden worden. Zudem seien für die Zukunft dasselbe Vorgehen und die Behandlung der Zuwiderhandlungen gemäß den Gesetzen bezüglich der Hierosylie geplant.770 Diese wohl aus der historischen Situation in Teos erwachsene Konzeption der Asylie wird in der Folgezeit von den Kretern auch auf andere Poleis übertragen und lässt sich etwa in Anerkennungen für Mylasa feststellen.771 Poleis agieren also in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle als Asylieverleiher und definieren in der Interaktion mit den asylieersuchenden Politen den äußeren Erscheinungstyp der Inschriften in seiner paritätischen Art. Die Asylieanerkennungen lassen sich zwar in weiten Teilen der griechischen Oikumene feststellen, Konzentrationen lassen sich jedoch in mit größeren politischen Akteuren verbundenen Gebieten sowie auf Kreta nachweisen. Die kretischen Inschriften für ihren Teil bezeugen die zusätzliche Ausstattung der Asylieanerkennungen mit συλᾶνEinschränkungen, die auf ein Asylieverständnis verweisen, das aus der spezifischen historischen Situation zwischen Teos und den kretischen Poleis erwächst. Die Häufung der Asylieanerkennungen durch kretische Poleis lässt sich also am ehesten mit der von den Kretern ausgehenden Gefahr erklären – das kretische Koinon ist in den Inschriften eher unterrepräsentiert – und liefert somit ein drittes Erklärungsmuster für Asyliekonzentrationen neben der räumlichen Nähe zu größeren politischen Entitäten oder den Asyliebewerbern. b. Rom Auch wenn die Mehrzahl der römischen Dokumente aus dem ersten Jahrhundert stammt, lassen sich zumindest drei Asylieverleihungen sicher in das frühe zweite Jahrhundert datieren. Dabei handelt es sich um die nur literarisch bezeugte Aner-

770 Rigsby 1996, Nr. 154, 31–49; vgl. ferner auch Nr. 155, 26–37; Nr. 156, 22–30; Nr. 157, 12–16; Nr. 160, 1–9. Zur Hierosylie vgl. Trampedach 2005 mit einer Aufzählung der Hierosylien der klassischen Zeit. 771 Das Dossier ist sehr fragmentarisch und enthält nur kretische Asylieanerkennungen. Folgende Inschriften enthalten Strafbestimmungen: Rigsby 1996, Nr. 192, 7 f.; Nr. 196, 19 f.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

kennung der Asylie Magnesias durch L. Cornelius Scipio im Jahre 189,772 das Asyliedekret der beiden Scipionen für das Apollonheiligtum in Klaros bei Kolophon etwa zur gleichen Zeit und die Anerkennung der Asylie Teos’ durch den Prätor Valerius Messala von 193.773 Darüber hinaus ist auch an die wahrscheinlichen Asylieanerkennungen Roms für Delphi und Delos zu denken.774 Die römischen Inschriften – Tacitus erwähnt die Asylie lediglich ohne sie zu charakterisieren – folgen in vielfacher Hinsicht griechischen Gepflogenheiten und bezeugen so die Verwendung griechischer Instrumente durch die Römer im beginnenden zweiten Jahrhundert. Dieses Faktum ist dabei keineswegs überraschend, wenn man die 229 gewährte Teilnahmebefugnis für die Römer an den Isthmien bedenkt.775 Dennoch sind Eigenheiten der römischen Anerkennungen festzustellen, die sich am Anerkennungsbeschluss für Teos demonstrieren lassen:776

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Ῥωμαίων. Μάρκος Οὐαλάριος Μάρκου στρατηγὸς καὶ δήμαρχοι καὶ ἡ σύνκλητος, Τηΐων τῆι βουλῆι καὶ τῶι δήμωι χαίρειν. Μένιππος ὅ τε παρ’ Ἀντιόχου τοῦ βασιλέως ἀποσταλεὶς πρὸς ἡμᾶς πρεσβευτὴς, προχειρισθεὶς καὶ ὑφ’ ὑμῶν πρεσβεῦσαι περὶ τῆς πόλεως τό τε ψήφισμα ἀνέδωκεν καὶ αὐτὸς ἀκολούθως τούτωι διελέχθη μετὰ πάσης προθυμίας. ἡμεῖς δὲ τόν τε ἄνδρα ἀπεδεξάμεθα φιλοφρόνως καὶ διὰ τὴν προγεγενημένην αὐτῶι δόξαν καὶ διὰ τὴν ὑπάρχουσαν καλοκἀγαθίαν περί τε ὧν ἠξίου διηκούσαμεν εὐνόως. καὶ ὅτι μὲν διόλου πλεῖστον λόγον ποιούμενοι διατελοῦμεν τῆς πρὸς τοὺς θεοὺς εὐσεβείας, μάλιστ’ ἄν τις στοχάζοιτο ἐκ τῆς συναντωμένης ἡμεῖν εὐμενείας διὰ ταῦτα παρὰ τοῦ δαιμονίου· οὐ μὴν ἀλλὰ καὶ ἐξ ἄλλων πλειόνων πεπείσμεθα συμφανῆ πᾶσι γεγονέναι τὴν ἡμετέραν εἰς τὸ θεῖον προτιμίαν, διὸ καὶ διά τε ταῦτα καὶ διὰ τὴν πρὸς ὑμᾶς εὔνοιαν καὶ διὰ τὸν ἠξιω[μέν]ον πρεσβευτὴν κρίνομεν εἶναι τὴν πόλιν καὶ τὴγ χώραν ἱεράν, καθὼς καὶ νῦν ἐστιν, καὶ ἄσυλον καὶ ἀφορολόγητον ἀπὸ τοῦ δήμου τοῦ Ῥωμαίων καὶ τά τε εἰς τὸν θεὸν τίμια καὶ τὰ εἰς ὑμᾶς φιλάνθρωπα πειρασόμεθα συνεπαύξειν, διατηρούντων ὑμῶν καὶ εἰς τὸ μετὰ ταῦτα τὴν πρὸς ἡμᾶς εὔνοιαν. ἔρρωσθε.777

772 Tac. ann. 3, 62. 773 Rigsby 1996, Nr. 173; Nr. 153. Jüngst setzte sich Hofmann 2014 in extenso mit dieser Inschrift auseinander. 774 Delphi: FD III 4, 353; Delos: IG XI 4, 756; Liv. 44, 29, 2. 775 Pol. 2, 12; vgl. dazu Mastrocinque 2013. Zu griechischer Selbstrepräsentation in Rom und römischer Sicht auf die griechische Diplomatie, vgl. jetzt Rosillo-López 2015 mit Literatur; Gibson 2014; Ager 2009, bes. 15–17. Grundlegend zur Roms Teilhabe am griechischen politischen Kosmos vgl. Eckstein 2006, bes. 79–117; Woolf 1994; Gruen 1984, bes. 203–287. 776 Die fragmentarische Asylieanerkennung für Kolophon (Rigsby 1996, Nr. 173) ist sehr ähnlich, so dass die teische Inschrift exemplarisch vorgestellt wird. 777 Rigsby 1996, Nr. 153.

3.4 Die Asylieverleihungen: Rom

213

[Beschluss] der Römer: Marcus Valerius, S. d. Marcus, Prätor, die Volkstribunen und der Senat grüßen den Rat und das Volk der Teier! Menippos, der von König Antiochos zu uns geschickte Gesandte, der von Euch ebenfalls erwählt wurde, Gesandter zu sein [in Belangen] der Polis, stellte Euren Beschluss vor und sprach selbst [dem Beschluss] folgend mit ganzem Eifer. Wir nahmen den Mann wegen seines bereits erworbenen Ruhmes freundlich auf und wegen seiner seit jeher bekannten Kalokagathie hörten wir sein Gesuch wohlwollend und vollständig an. Und dass wir größte Beachtung der Eusebie gegenüber den Göttern vorbringen, kann man aus der Gunst, die wir von dem Göttlichen stetig erhalten, erraten. Auch aus anderen Gründen sind wir überzeugt, dass unser Primat in der Verehrung des Göttlichen allen bewusst ist. Aus diesen Gründen und wegen des Wohlwollens (εὔνοια) Euch gegenüber und wegen Eures würdigen Gesandten, entscheiden wir, dass Eure Polis und das Umland heilig sind, so wie sie jetzt sind, und unverletzlich und befreit von Tributleistung gegenüber dem römischen Volk und wir sollen versuchen, die Ehren des Gottes und die Freundlichkeit Euch gegenüber mitzusteigern, solange uns von Euch Wohlwollen (εὔνοια) entgegengebracht wird. Seid gegrüßt!

Die Verwendung des Briefformulars bildet bereits eine erste Auffälligkeit des römischen Beschlusses. Dieses Formular ist für Städte und Bünde zwar bezeugt,778 aber durchaus selten. Üblicherweise bedienen sich Könige dieses Formulars. Auch die Befreiung von Abgaben deutet in eine ähnliche Richtung. Diese wird im teischen Gesuch nämlich nur von Antiochos III. und den Athamanischen Königen gewährt.779 Zudem ist auf eine Irregularität der Kommunikationssituation hinzuweisen – ein königlicher Botschafter agiert im Namen der Teier und eben keine Gesandtschaft eigener Honoratioren. Zusammengenommen deuten diese drei Punkte auf eine von der der griechischen Poleis deutlich verschiedene Selbstwahrnehmung – die Römer definieren sich zu diesem Zeitpunkt nicht als eine Stadt, die mit vergleichbaren Städten politisch interagiert, sondern lassen durchaus erkennen, dass sie nicht zu der Gruppe der Peers gehören.780 Die größte Eigentümlichkeit der Inschrift stellt allerdings die völlige Vermeidung der Wiedergabe des Gesuchs, obwohl ein Psephisma der Teier sogar erwähnt wird. Doch der Berichtsteil der Inschrift variiert nicht nur inhaltlich, sondern auch bezüglich des Objekts vom Gros der Dokumente, denn anstelle der üblichen Gesuchszusammenfassung oder Beschreibung der positiven Charakteristika der Asyliebewerber fügen die Römer eine Skizze ihrer eigenen positiven Eigenschaften ein. Auch hier deutet sich also die römische Positionierung gegenüber der aus römischer Sicht überregional wenig bedeutsamen Polis Teos an: Die Römer legen einerseits das Statusgefälle offen und weichen damit von dem üblichen Duktus der von Poleis und Bünden getätigten Asylieanerkennungen ab, andererseits weist ihr Beschluss auf diese Weise gewisse Parallelen zu den königlichen Darlegungen auf. Strukturell entspricht der Text jedoch in etwa den üblichen griechischen Normen. Eine Gliederung in Grußformel, Begründung der Anerkennung (auch wenn hier auf die Gesuchswiedergabe verzichtet wird), Beschlussteil und Abschiedsformel ist festzustellen. Auch die Asylieverleihung an sich, gibt durchaus griechische Gepflogenheiten wieder und auch das Signifiée der Asylie ist mit den übrigen In778 IG XII 4, 1, 214 I (= Rigsby 1996, Nr. 42); 214 II (= Nr. 43); Rigsby 1996, Nr. 90; Nr. 137; Nr. 139; Nr. 140; Nr. 141; Nr. 144; Nr. 153; Nr. 154; Nr. 174. 779 Rigsby 1996, Nr. 153, 19–23; ähnlich auch Hofmann 2014, 213. 780 Vgl. dazu MA 2003, bes. 19.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

schriften des dritten und zweiten Jahrhunderts deckungsgleich. Lediglich die Bindung der Anerkennung an die gleichbleibende εὔνοια der Teier stellt eine Erweiterung dar, die Errington als eine politische Mahnung an die Teier am Vorabend der römischen Auseinandersetzungen mit Antiochos III. deutet.781 Sollte der in Zusammenhang mit der Asylie Delphis übermittelte Senatsbeschluss tatsächlich territoriale Asylie und nicht die traditionelle delphische Unantastbarkeit repräsentieren, bestätigte das Dokument die an Hand des an die Teier andressierten Beschlussses dargelegten Ergebnisse. Die Römer erwähnen auch da mit keinem Wort die Argumentation der potentiellen Asyliebewerber, lediglich den Fakt der Asylieanerkennung und weitere Privilegien.782 Insgesamt lässt sich das diplomatische Gebaren Roms in Zusammenhang mit der territorialen Asylie als im Großen und Ganzen normativen Richtlinien der griechischen Staatenwelt entsprechend beschreiben, wobei jedoch in Teilen recht weitreichende Modifikationen im inhaltlichen Bereich nicht von der Hand zu weisen sind. c. Dionysische Techniten Der Verein der dionysischen Künstler mit tritt in Zusammenhang mit der Asylie Magnesias einmalig als Asylieverleiher auf.783 Die Dionysischen Techniten haben zwar ihren Sitz in Teos, sind dabei aber nicht in den teischen Bürgerverband integriert, sondern agieren nach Ausweis der reichen epigraphischen Zeugnisse eigenständig.784 In ihrer Asylieanerkennung an Magnesia lässt sich die politische Unabhängigkeit nachvollziehen. Die Techniten verleihen die Asylie unter Befolgung der für Poleis üblichen Gepflogenheiten hinsichtlich des Anerkennungsaufbaus im Beschlussformular und der Argumentation. d. Delphische Amphiktyonie Die Delphische Amphiktyonie gehört zu den beliebtesten und zeitübergreifend am besten repräsentierten Asylieverleihern.785 Bereits die erste bekannte Asylieanerkennung für das Itonium in Koroneia sowie eine der spätesten Verleihungen an Pergamon gehen auf die Amphiktyonie zurück. Dass die Amphiktyonie zum Zielobjekt so vieler Gesandtschaften wurde verwundert nicht, da Delphi wegen der pythischen Spiele einen panhellenischen Bezugspunkt darstellt, der gerade bei Asyliegesuchen mit gleichzeitiger Bitte um die Statuserhöhung des örtlichen Agons sicher gewisse Vorbildfunktionen erfüllte. Ähnlich ist die Vorstellung von Delphi als eines Ortes mit sakralem Schutzcharakter zu bewerten und auch der damit zusammenhängenden Tatsache, dass es eines der wichtigsten Orakel der antiken Welt beherbergt und so in Zusammenhang mit wichtigen Unternehmungen generell häufig konsultiert wurde. Auch im Rahmen von Asyliegesuchen spielen Orakel nicht 781 782 783 784 785

Errington 1980, 283 f. FD III 4, 353, 8–14. Rigsby 1996, Nr. 103. Fernández 2009, 72; Aneziri 2003, 80–84. Rigsby 1996, Nr. 1; Nr. 3; Nr. 4; Nr. 5; Nr. 133; Nr. 163; Nr. 179.

3.4 Die Asylieverleihungen: Delphische Amphiktyonie

215

selten eine entscheidende Rolle. Die Asylieinschrift der Amphiktyonie für Antiocheia-Alabanda demonstriert die Kombination der Bitte um Asylieanerkennung durch die Amphiktyonie mit der Orakeleinholung. Darin wird betont, der Gesandte Pausimachos, S. d. Iatrokles, hätte das positive Orakel hinsichtlich der Asylie seiner Stadt während seines Aufenthalts in Delphi erhalten; zudem nahm er erfolgreich an den Soteria teil.786 Hinter dem Spektrum der verschiedenen sakralen Funktionen Delphis, darf aber auch nicht der offenbar in Asyliegesuchen sehr nutzbringend anzuwendende Amphiktyonenbeschluss zurücktreten. Eine koische Inschrift, genauer die Asylieanerkennung durch Ptolemaios III., verwendet eben nicht das delphische Orakel – das durch die philippische Inschrift belegt ist787 – sondern den Amphiktyonenbeschluss zur Begründung der eigenen Annahme des Gesuchs „καὶ γάρ [φασι] / [τ]οὺς Ἀμφικτύονας ἐψηφίσθαι“.788 Der Beschluss der Delphischen Amphiktyonie scheint also für weitere Asyliegesuche bedeutsam gewesen zu sein, was neben der sakralen Autorität Delphis sicher zur Beliebtheit der Asyliegesuche an die Amphiktyonie beigetragen hat. Zudem ist zu betonen, dass die Amphiktyonie im fortgeschrittenen dritten Jahrhundert bereits vom aitolischen Bund dominiert wurde789 und somit alle Asylieanerkennungen der Amphiktyonie auch unter dem Gesichtspunkt der Beziehungen zu diesem zu betrachten sind. In diesem Zusammenhang ist die Asylieanerkennung der Teier durch die Delphische Amphiktyonie besonders interessant. In dieser vergleichsweise knappen Inschrift nehmen die Amphiktyonen direkt Bezug auf bereits getätigte Asylieanerkennung durch den Aitolischen Bund.790 Auch die für Theben und Akraiphia belegten Einschränkungen des ῥυσιάζειν und Adikie-Verbote791 unterstreichen die Verbindung der Delphischen Amphiktyonie mit dem Aitolischen Bund, zu dessen noch zu erklärendem Standardrepertoire solche Beschränkungen gehörten. Die Asylieanerkennungen der Delphischen Amphiktyonie erweisen sich folglich als zahlreich wie bedeutend. Die Amphiktyonenbeschlüsse scheinen neben dem grundsätzlichen sakralen Ansehen Delphis ein Mittel der Untermauerung des Asylieanspruchs dargestellt zu haben. Auch die Verbindung der Amphiktyonie zum Aitolischen Bund lässt sich an Hand der Inschriften beobachten und stellte sicher einen Motivationsfaktor dar.

786 787 788 789

Rigsby 1996, Nr. 163, 13–16; 28–32. IG XII 4, 1, 220 III (= Rigsby 1996, Nr. 27), 36. IG XII 4, 1, 212 (= Rigsby 1996, Nr. 8), 8 f. Innerhalb der Asyliegesuche ist dies mit dem Amphiktyonensitz zu belegen, den die magnesischen Gesandten Mnasiptolemos und Hipponikos vom Aitolischen Bund einwerben konnten (Rigsby 1996, Nr. 67, 21). Vgl. auch Funke 2000, 517; Funke 2008, 253; Freitag 2013, 137–139; Funke 2015. 790 Rigsby 1996, Nr. 133, 11–14. 791 Rigsby 1996, Nr. 3, 7–9; Nr. 4, 20–22.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

e. Bünde Innerhalb der Asyliematerials liegen Inschriften verschiedener Bünde vor. Diese müssen sich nicht zwingend in Anlage und Inhalt von den Polisinschriften unterscheiden, sondern erweisen sich in großen Teilen als analog in Aufbau und Inhalt. Lediglich der Aitolische Bund, der darüber hinaus mengenmäßig die meisten Dokumente auf sich vereinigt, scheint Spezifika entwickelt zu haben, die eine gesonderte Behandlung rechtfertigen. Aitolischer Bund Neben der benannten Häufung der Asylieanerkennungen seitens der Poleis in seinem Geltungsbereich erlässt der Aitolische Bund wiederholt auch als Koinon Asylieverleihungen.792 Der Aitolische Bund stellte im dritten Jahrhundert ein föderativ angelegtes Bündnis dar, das es verstand die benachbarten Staaten über das Instrument der Sympolitie in das eigene Bündnisgeflecht einzubinden. Im letzten Viertel des dritten Jahrhunderts bemühte sich der Bund, die eigenen Netzwerke auch überregional zu stärken. Zu diesem Zweck vollzogen die Aitoler den Ausbau ihrer Machtposition über Symmachie- und Isopolitieverträge,793 und zwar (besonders) bei rückläufigem ptolemäischen Einfluss.794 In diesen Zusammenhang lässt sich auch die einmalige gegenseitige Verleihung kollektiver persönlicher Asylie zwischen dem Bund und Milet795 sowie die betreffenden Asylieurkunden einordnen.796 Die Dokumente erweisen sich als politische Instrumente im Rahmen der aitolischen Außenpolitik – eine Interpretation allerdings, die häufig zu Gunsten des Primats der Pirateriethese zurückgewiesen wird. Diese Annahme für ihren Teil hat ihren Ursprung in den bereits für die kretischen Poleis zitierten veralteten Forschungstendenzen, Piraterie zur Erklärung von Asylie grundsätzlich heranzuziehen.797 Dagegen lässt sich Funkes Argumentation heranziehen. Der Autor untersucht im Rahmen eines Aufsatzes die Unterschiede und Interferenzen zwischen aitolischer Hegemonialpolitik und der Piraterie und formuliert die Asymmetrie der Belegsituation: Die Berichte über aitolische Piraterien können aber nicht in gleicher Weise zum Beleg gezielter außenpolitischer Aktivitäten herhalten wie die Zeugnisse über die Asylie- und Isopolitievereinbarungen, denen offizielle Beschlüsse des Aitolischen Bundes zugrunde liegen und die keines792 793 794 795 796 797

Rigsby 1996, Nr. 67; Nr. 78; Nr. 132; Nr. 178. Eine Belegsammlung findet sich bei Funke 2000, 515 f. Funke 2000, 514; vgl. ferner Funke 2008, 266 f.; Funke 2015, 114–116. Milet VI 3, 1031 (= StV III 564). Vgl. dazu ferner Gauthier 1972, 263–266. Vgl. Funke 2008, 253 f. Vgl. Seyrig 1950, 20 f.; 36 f.; van Berchem 1960, 23; in neuerer Zeit gefolgt von Piejko 1988, 41; Pohl 1993, 120; Traulsen 2004, 222 f.; Turner 2005, 88; differenzierter: Ziegler 1975, 96; Dreher 1996, 90; Aneziri 2003, 93–95. Differenziertere Auseinandersetzung mit Piraterie in Hinblick auf Asylie: Schlesinger 1933, 13, 16; Gauthier 1972, 249–265; Brulé 1978, bes. 94; Bravo 1980, bes. 970–973; Errington 1980, 282; Wiemer 2002, 140–141; Buraselis 2003, 154 f.; Kvist 2003, 195–198; Chaniotis 2005c, 137 f.

3.4 Die Asylieverleihungen: Aitolischer Bund

217

wegs zwingend immer nur als unmittelbare und direkte Reaktionen auf vorangegangene aitolische Piratenakte gesehen werden dürfen, sondern durchaus als ein eigenständiges Instrument zur Gestaltung der Außenpolitik aufzufassen sind, dessen sich in hellenistischer Zeit bekanntlich ja auch zahlreiche andere, der Piraterie ganz unverdächtige Staaten bedienten.798

Ohne die Asylieanerkennungen zum Zeugnis von Piraterie zu deklarieren, lassen sich, so fährt der Autor fort, nur wenige Inschriften und einige Belege bei Polybius für aitolische Raubzüge der betreffenden Zeit festmachen.799 Die Asylieverleihungen des Aitolischen Bundes sind also nicht als Versprechungen notorischer Piraten zu verstehen, bestimmte Orte zu verschonen; vielmehr sind diese Dokumente im Rahmen ihrer außenpolitischen Bestrebungen zu kontextualisieren. Dabei wird die vom Aitolischen Bund ausgehende Gefahr nicht geringgeredet, diese wird lediglich anders gewertet. Das korrespondiert mit den bereits dargelegten Überlegungen zur Neubewertung des Pirateriephänomens in hellenistischer Zeit der jüngeren Forschung. Die Trennlinie zwischen legitimer Gewaltanwendung, nicht selten im Gefolge größerer Kriege, und Piraterie lässt sich nicht immer genau ziehen; vielmehr verwischen beide Phänomene gerade in kriegerischen Zeiten.800 Dass dieses Bedrohungsszenario verstärkt mit den Aitolern (und Kretern) in Zusammenhang gebracht wurde, spiegelt sich auch in den Asylieinschriften. Denn diese zeichnen sich durch eine zwar nicht exklusive,801 doch spezifische Gemeinsamkeit aus, und zwar die Einschränkung von ἄγειν oder ῥυσίαξειν, gefolgt von recht übereinstimmenden und detaillierten Strafbestimmungen.802 In der Anerkennung der Asylie Magnesias heißt es: 10

15

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[…] καὶ τὰν π̣όλιν αὐτῶν καὶ τὰν χώραν ἱαρὰν καὶ ἄσυλον εἶμεν, καθότι οἱ πρεσβευταὶ ἐπαγγέλλοντι, καὶ μηθενὶ ἐξουσίαν εἶμε̣ν Αἰτωλῶν μηδὲ τῶν ἐν Αἰτωλίαι κατοικεόντων ἄγε̣[ι]ν μηθένα ἐκ τᾶς χώρας τᾶς Μαγνήτων μη δαμόθεμ̣ ὁρμωμένους μήτε κατὰ γᾶν μήτε κατὰ θάλασσαν. εἰ̣ δ̣έ τίς κ̣α ἄγηι, τὰ μὲν ἐμφανέα ἀναπράσσειν ἀεὶ τὸν στ̣ραταγὸν τὸν ἔναρχον, τῶν δὲ ἀφανέων τος συνέδρους καταδικάζοντας ζαμίαν, ἅν κα δοκιμάζωντι, ὡς τὰ κοινὰ βλαπτόντων καὶ ἐκπράσσοντας τὰς καταδίκας καὶ ἀποδιδόντας τοῖς ἀδικουμένοις κυρίος εἶμεν.803

798 Funke 2008, 256. 799 Eine Belegsammlung der Raubzüge des Aitolischen Bundes liefert Funke 2008, 256 f., Anm. 18. 800 Chaniotis 2005c, 134 f. Zur Piraterie vgl. weiterhin grundlegend Ormerod 1967; Pritchett 1991 mit Forschungsüberblick (312–320); de Souza 1999; Gabrielsen 2001; Wiemer 2002 mit Forschungsüberblick (111–113); Gabrielsen 2013; Bresson 2016, bes. 181–184, 280–285, 302–305. Mit Bedenken Wendt 2016, bes. 89–91. 801 Auch der Piraterie unverdächtige Staaten erläutern ihre Asylieanerkennung mit Einschränkungen des συλᾶν, ἄγειν etc., so etwa König Ziaëlas (IG XII 4, 1, 209 [= Rigsby 1996, Nr. 11]) oder Athen (Rigsby 1996, Nr. 162). 802 Rigsby 1996, Nr. 67, 12–20; Nr. 132, 10–15; Nr. 178, 20–24. 803 Rigsby 1996, Nr. 67, 10–20.

218

3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts […] sowohl die Stadt selbst als auch das Umland sollen heilig und unverletzlich sein, wie es die Gesandten verkünden, und niemand von den Aitolern oder denjenigen die in Aitolien wohnen, darf jemanden aus dem Umland oder vom Volk der Magnesier (be)rauben, weder zu Lande noch zu Wasser operierend. Wenn aber jemand (be)raubt, soll der im Amt befindliche Strategos die sichtbaren Güter eintreiben, die Synhedroi aber sind bemächtigt die unsichtbaren [Güter] mit Strafen zu belegen, welche sie als bewährt annehmen, wie [es] auch hinsichtlich [der Dinge gilt], die Bundesangelegenheiten schädigen, und die Strafen einzutreiben und denen, die Unrecht erlitten haben, auszuhändigen.

Die Strafbestimmungen werden also direkt an die Asylieverleihung angeschlossen und erlauben so ein tieferes Verständnis des Asyliebegriffs des Aitolischen Bundes. Die territoriale Asylie wird hier als realexistierender Schutz vor der Ausübung von Gewalt begriffen, die von Aitolern ausgeht. Ob es sich dabei um private oder öffentliche, legitime oder illegitime Vorgänge handelt, wird nicht spezifiziert. Des Weiteren spricht nichts dagegen anzunehmen, dass diese Erläuterung durchaus intendiert war und zwar nicht etwa, weil man auf die eigene rückständige Gewohnheit zur Piraterie verweisen wollte, sondern vielmehr aus Gründen der Nutzbarmachung und Weiterentwicklung des Phänomens territorialer Asylie. Sollte die sehr fragmentarische Inschrift des Aitolischen Bundes für Tenos804 tatsächlich eine Asylieverleihung enthalten, wäre die Verwendung der Gewalteinschränkungen samt Strafbestimmungen in Asylieurkunden möglicherweise schon kurz nach der Mitte des dritten Jahrhunderts belegt. Die tenische Inschrift spiegelte – im Falle des Vorliegens einer Asyliegewährung – aber einen recht frühen Zustand des Phänomens wieder, der noch mehr Raum für Differenzierungen und Erklärungen der Asylie böte. Um noch einmal zusammenzufassen, neben den Asylieanerkennungen einzelner aitolischer Städte ist auch der Aitolische Bund als Asylieverleiher zu konstatieren. Diese Asyliedokumente sind in eine Reihe von Bemühungen des Bundes einzuordnen, auch jenseits regionaler Verbundenheiten Allianzen zu gründen und zu vertiefen. Die Bedrohung der Mittelmeerwelt durch die Aitoler ist dabei sicher als ein nicht unbedeutsamer Faktor zu werten, eine Reduzierung dieser Gefahr auf Piraterie scheint jedoch wenig zielführend. Es ist vielmehr anzunehmen, dass die Aitoler im Gefüge sich verändernder Machtverhältnisse ihr Potential ausschöpften, um die eigene Position zu stärken und die eigene Machtbasis zu erweitern. Kretisches Koinon Die Quellenlage auf Kreta lässt sich als diametral zur Situation in Aitolien beschreiben. Während der Aitolische Bund für die meisten Asylieanerkennungen verantwortlich zeichnet und die Mitglieder nur vereinzelt eigene Asyliebeschlüsse fassen, stammen die meisten kretischen Inschriften direkt von den Poleis805 und lediglich eine vom Koinon.806 Die Inschrift des kretischen Koinons allerdings folgt denselben Gepflogenheiten wie die Inschriften der einzelnen zum Koinon gehörenden Poleis: sie folgt dem Beschlussformular, verzeichnet die Gesandten, verkündet die Asylie sowie die geläufigen Strafbestimmungen. 804 Rigsby 1996, Nr. 54. 805 Nur wenige kretische Dekrete verweisen auf das Koinon, Rigsby 1996, Nr. 59, 11; Nr. 60, 4. 806 Rigsby 1996, Nr. 175.

3.4 Die Asylieverleihungen: Kretisches Koinon

219

Die Unterrepräsentation des Koinons – gerade im Unterschied zum Aitolischen Bund – innerhalb der kretischen Asyliedokumente scheint auf ein Charakteristikum der Außenpolitik Kretas zu deuten. Während bestehende Bündnisse durchaus gemeinsam mit außenstehenden Mächten paktieren konnten, gab es stets auch die Möglichkeit unabhängiger Außenpolitik.807 Diese Eigenständigkeit in den Außenbeziehungen speiste sich bisweilen sicher aus den innerkretischen Konflikten, die gerade in den beiden Jahrzehnten um die Jahrhundertwende vom dritten zum zweiten Jahrhundert hinlänglich vorhanden waren, andererseits stellte sie auch ein Spezifikum des Koinons dar. Weitere Bünde Vereinzelt sind zudem Asylieanerkennungen anderer Bünde zu konstatieren. Dabei handelt es sich um den Achaiischen, den Akarnanischen, den Boiotischen, den Epeirotischen und den Phokischen Bund.808 Mit Ausnahme des ersten Dekrets des Phokischen Bundes, das sich an Tenos richtet, gehören alle dieser Anerkennungen zur zweiten Serie des magnesischen Asyliegesuchs. Strukturell wie inhaltlich lassen sich die Inschriften vorbehaltlos mit den Polisbeschlüssen vergleichen. f. Hellenistische Herrscher Die Asylieanerkennungen durch hellenistische Monarchen unterscheiden sich in vielfacher Hinsicht von den der Poleis und Bünde. Zum einen stellen diese Dokumente zumeist ‚echte‘ Briefe dar, zum anderen erweisen sie sich in formaler Hinsicht als deutlich freier. Das fällt besonders hinsichtlich der Wiedergabe von Asyliegesuchen ins Auge – während die bürgerlichen Dokumente die Gesuche weitgehend wiedergeben, sind in den Königsbriefen nur sehr selten die Argumente der Asyliebewerber zu differenzieren. Vielmehr liegt der Fokus der königlichen Dokumente auf der Präsentation der eigenen Beweggründe. Dies hängt sicher damit zusammen, dass für hellenistische Monarchen in ihrer Kommunikation mit den Politen weniger die Regeln der peer polity interaction, denn die des monarchischen Euergetismus gegolten haben dürften.809 Besonders gut vertreten sind Asylieanerkennungen seitens der großen hellenistischen Könige, allerdings lassen sich auch ‚kleinere‘ Herrscher unter den Asylieverleihern finden. Seleukiden Die seleukidischen Könige bilden einen inhaltlichen Schwerpunkt der Erforschung der asylieverleihenden Entitäten.810 Für Seleukos II. sind zwei Asylieanerkennungen 807 Vgl. dazu Chaniotis 1996b, 18; vgl. ferner Chaniotis 1996b, 30–56. 808 Achaiischer Bund: Rigsby 1996, Nr. 89; Akarnanischer Bund: Rigsby 1996, Nr. 81; Boiotischer Bund: Rigsby 1996, Nr. 73; Epeirotischer Bund: Rigsby 1996, Nr. 82; Phokischer Bund: Rigsby 1996, Nr. 53, Nr. 84. 809 Zum Verhältnis zwischen König und Städten vgl. den instruktiven Aufsatz Strootman 2011; Bringmann 2000, 82–90; vgl. ferner Veyne 1992, 208; mit einer Sammlung der Literatur Michels 2009, 42–49. 810 Pohl 1993, 120 f.; Dreher 1996, 90; Buraselis 2003, 146 f.; Dreyer 2010, 93–95.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

anzunehmen. Auf eine wird im Dekret der Delphischen Amphiktyonie an Smyrna sowie einem Isopolitievertrag zwischen Smyrna und dem benachbarten Magnesia am Sipylos Bezug genommen, die andere, für Kos, liegt im Wortlaut vor;811 Antiochos III. versammelt sicher zwei, möglicherweise vier Asyliegewährungen auf sich. Dabei handelt es sich um die Asylie Magnesias und Teos’ sowie möglicherweise diejenige Xanthos’ und Amyzons. Während das magnesische und eventuell das amyzonische Dossier den Königsbrief enthalten, lassen sich die teische und xanthische Inschrift nur indirekt, im ersten Fall über Ehrendekrete der Stadt an den König und im zweiten über eine Bauinschrift, ableiten.812 Darüber hinaus sind zwei Asylieanerkennungen Antiochos’, des Sohnes Antiochosʼ III., erhalten.813 Zwei Asylieanerkennungen lassen sich dabei besonders eng mit seleukidischen Herrschern in Zusammenhang bringen. Einerseits ist hierbei die Asylieanerkennung Smyrnas durch Seleukos II. zu nennen, bei der, wie im entsprechenden Kapitel erörtert, nicht mit endgültiger Sicherheit geklärt werden kann, ob ein Asyliegesuch der Smyrnaier tatsächlich vorlag.814 Gerade die schnelle Folge der Ereignisse im Jahre 246 unterstützt die Annahme einer initiativen Asylieanerkennung seitens des Königs als Antwort auf die anlässlich seiner Krönung vorgebrachten Ehrbekundungen Smyrnas. Ein solches königliches Engagement ist relativ untypisch, lässt sich jedoch nicht völlig ausschließen. Andererseits liegen einige Hinweise vor, dass Antiochos III. als Urheber der Asylieanerkennung Teos’ fungiert habe,815 was eine Parallele für den unsicheren Fall in Smyrna bilden würde. In zwei Ehrendekreten der Stadt an Antiochos III. wird beschrieben, dass der König nach der Eroberung der dem pergamenischen Machtbereich zuzurechnenden Stadt aus eigenem Antrieb die Asylie verlieh, was sich als eine wohlstandsbringende Sicherheitsgarantie ausgewirkt habe. Jedoch ist auch in diesem Fall nicht mit absoluter Sicherheit auszuschließen, dass die Polis Teos etwa noch zu Kriegszeiten in Verhandlungen mit dem Seleukiden getreten wäre. Für beide Asylieanerkennungen lässt sich schließlich festhalten, dass die seleukidischen Könige die beschriebenen Asyliegesuche zu einem größeren Maße stützten als andere vergleichbare Bitten: Seleukos II. versandte offenbar Briefe mit der Bitte um Anerkennung der Asylie der Smyrnaier, die ihm im Bruderkrieg treu zur Seite standen,816 und Antiochos III. lässt das teische Gesuch sogar durch eigene Gesandten vortragen, etwa auf Kreta und vor Rom. Sein Interesse an Teos hängt mit der just begonnen Kampagne der Wiedergewinnung verlorenen Territoriums in Kleinasien zusammen. Diese Vorgänge erlauben also durchaus im Rahmen der betreffenden Asylieanerkennungen ein gesteigertes königliches Engagement, das mit hoher Wahrscheinlichkeit aus der jeweiligen historischen Situation resultierte, anzunehmen. Darüber hinaus sind kaum Besonderheiten seleukidischer Asylieanerkennungen festzustellen. 811 Rigsby 1996, Nr. 7; StV III 492, 2; IG XII 4, 1, 210 (= Rigsby 1996, Nr. 9). 812 Rigsby 1996, Nr. 69; Herrmann 1969, Nr. 1; Herrmann 1969, Nr. 2; Rigsby 1996, Nr. 164; J. und L. Robert 1983, Nr. 10; Nr. 12; Ma 1999, 294; 297 (Anhang 5). 813 Rigsby 1996, Nr. 70; J. und L. Robert 1983, Nr. 13. 814 Rigsby 1996, Nr. 7; StV III 492, 2. 815 Herrmann 1969, Nr. 1; Herrmann 1969, Nr. 2. 816 Rigsby 1996, Nr. 7, 2–9.

3.4 Die Asylieverleihungen: Hellenistische Könige

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Antigoniden Auch die makedonischen Könige bedienten sich des Instruments der territorialen Asylie. Es lässt sich bereits für Antigonas Gonatas eine Asylieverleihung annehmen. Diese ist an Kos adressiert und über einen Königsbrief sowie drei inschriftliche Verweise in Asylieanerkennungen makedonischer Poleis belegt.817 Philipp V. tritt häufiger als Asylieverleiher in Erscheinung – über ein Frustrum sowie den Verweis in einer chalkidischen Inschrift für Magnesia am Mäander,818 über einen Auffoderungsbrief an Dion die Asylie Kyzikos’ anzuerkennen819 sowie indirekt über die Unterstützung des teischen Asyliegesuchs auf Kreta durch seinen Gesandten Perdikkas.820 Die Beleglage für die antigonidischen Asylieanerkennungen legt nahe, dass die Könige für bestimmte Asyliegesuche, in vergleichbarer Weise wie es für die Seleukiden gilt, Verantwortung übernommen und diese durch ihre Intervention unterstützt haben. Es scheint sogar, dass antigonidische Asylieanerkennungen die Weiterverbreitung des Gesuchs stärker als die seleukidischen vorantreiben, und das obwohl die Asyliemotive und -besonderheiten der Seleukiden zumeist im Vordergrund stehen. Dies gibt zum einen die tiefe Verwurzelung und vielfache Handlungsbefugnis der Antigoniden in ihrem Stammgebiet wieder, aber auch ihre Aktivität in neugewonnenen Einflussgebieten.821 Ptolemäer Innerhalb des Asyliematerials des dritten und zweiten Jahrhunderts gibt es auch Belege für die Anerkennung der Asylie griechischer Poleis oder Heiligtümer seitens der Ptolemäer. Es handelt sich um die Anerkennung der Asylie Kos’ durch Ptolemaios III. und diejenige von Magnesia am Mäander durch Ptolemaios IV., wobei beide Asylieverleihungen in Form von Königsbriefen erhalten sind.822 Persönlicher Einsatz der ptolemäischen Könige oder auch eine besondere Förderung der Asylieangelegenheiten werden nirgends deutlich, obwohl durchaus von dritter Seite auf Ptolemaios III. Bezug genommen wird.823 Gegenüber der Anwendung des Asylieinst817 Antigonas Gonatas: IG XII 4, 1, 208 (= Rigsby 1996, Nr. 10); Kassandreia: IG XII 4, 1, 220 I (= Rigsby 1996, Nr. 25); Amphipolis: IG XII 4, 1, 220 II (= Rigsby 1996, Nr. 26); Philippi: IG XII 4, 1, 220 III (= Rigsby 1996, Nr. 27). 818 Mögliches Fragment der Asylieanerkennung durch Philipp V.: Rigsby 1996, Nr. 72; chalkidische Inschrift mit Zusammenfassung des Briefs Philipps V.: Rigsby 1996, Nr. 98, 1–8. 819 Brief Philipps V. an Dion: Pandermalis 1997 (= SEG 48, 785); Dion: Hatzopoulos 2009, 54 (= Hatzopoulos 1996, Nr. 32 = Rigsby 1996, Nr. 171, alle ohne Text); Dorische Polis mit Erwähnung Philipps V. im fragmentarischen Beschluss: Rigsby 1996, Nr. 170. 820 Oaxos: Rigsby 1996, Nr. 140; Sybrita: Rigsby 1996, Nr. 141; Lato: Rigsby 1996, Nr. 142; Istron: Rigsby 1996, Nr. 148; Eleutherna: Rigsby 1996, Nr. 149; Arkadier: Rigsby 1996, Nr. 150; Allaria: Rigsby 1996, Nr. 151; Lato (bei Kamara): Nr. 152. 821 Kreta ist zwischen 217 und 201 unter der προστασία Philipps V., vgl. dazu Chaniotis 1996b, 38–41. 822 Rigsby 1996, Nr. 8; Nr. 71. 823 Ziaëlas betont, er gewähre Kos die Asylie, weil König Ptolemaios III. den Koern freundschaftlich verbunden sei (IG XII 4, 1, 209 [= Rigsby 1996, Nr. 11], 23–25); in der Asylieanerkennung aus Ainos formulieren die Bürger, die Asylie Kos’ solle zu Wohl und Rettung König Ptolemaios III. und Königin Berenike gereichen (IG XII 4, 1, 224 II [= Rigsby 1996, Nr. 28, 17 f.]).

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

ruments durch die Seleukiden und Antigoniden gestaltet sich die ptolemäische Behandlung der Asyliegesuche griechischer Poleis des dritten und zweiten Jahrhunderts – eine nicht verzerrende Quellensituation vorausgesetzt – also in gewisser Weise reserviert. Möglicherweise hängt diese Tatsache mit dem schwindenden Einfluss der Ptolemäer in der Ägäis und Kleinasien zusammen.824 Attaliden Für Attalos I., den ersten König von Pergamon, ist eine Asylieanerkennung Magnesias belegt, und zwar über einen Brief des Königs,825 in dem er ankündigt, seine Städte mit der Asylieanerkennung zu beauftragen, sowie über Asylieverleihungen 824 Die ptolemäischen Asylieanerkennungen für ägyptische Tempel werden an dieser Stelle aus der Analyse ausgeschlossen. Zunächst stammen die epigraphischen Zeugnisse der Asylieverleihungen ptolemäischer Könige an ägyptische Heiligtümer aus dem ersten Jahrhundert und fallen somit in eine Zeit, in der die hier betrachteten hellenistischen Asyliedekrete bereits gewissen Wandel erlebt haben. So ließen sich die ägyptischen Zeugnisse mit Blick auf eine saubere Methodik schwerlich mit den älteren Dokumenten der Hochphase der territorialen Asylie vergleichen. Des Weiteren unterscheiden sich die Dokumente inhaltlich wie strukturell bedeutend von den (übrigen) hellenistischen Asyliezeugnissen. Die ägyptischen Quellen (vgl. die Materialsammlung der ἄσυλον-κατὰ-πρόσταγμα-Inschriften bei Rigsby 1996, 541–573) lassen sich in zwei Gruppen teilen. Die mit ἄσυλον κατὰ πρόσταγμα überschriebenen königlichen Dokumente enthalten Bestimmungen über die Möglichkeiten der ausgezeichneten Heiligtümer Schutz zu gewähren. Daran angeschlossen werden Ausführungen über den Herrscherkult. Die wichtigsten Unterschiede zu den hier betrachteten Asyliedokumenten lassen sich wie folgt zusammenstellen: Die Dokumente sind zeitlich nicht konvergent; es treten stets nur Könige gegenüber Heiligtümern als Privilegienverleiher auf; Gesuche lassen sich meist nicht ausmachen; inhaltlich lässt sich eine Konzentration, wenn nicht gar eine Beschränkung auf Schutzgewährung gegenüber Einzelnen im Heiligtum feststellen; statt Motivationsschilderungen seitens der Interaktionspartner wird auf den Herrscherkult fokussiert. Im Rahmen der zweiten Quellengruppe werden quasi Verlängerungen des Sakralschutzes über den Sakralraum hinaus zusammengefasst. Die sogenannten πίστις/λόγος ἀσυλίας erlauben dem Träger des Briefes eine gewisse Beweglichkeit, ohne, dass er für die Gründe, die ihn in ein Heiligtum trieben, ergriffen werden dürfte. Gerade diese ‚Asylbriefe‘ haben sich auch in der Kaiserzeit als sehr beliebt erwiesen. Es ist längt beobachtet worden, dass es sich bei den geschilderten Schutzgewährungsformen um ägyptischen Mustern folgende Phänomene handelt, die bereits zur Ankunft der Ptolemäer in Ägypten fest etabliert waren und nicht merklich durch griechische Gepflogenheiten modifiziert wurden. Das einzige tertium comparationis der griechischen und ägyptischen Zeugnisse stellt die Verwendung griechischer Sprache durch die Ptolemäer dar. Es lassen sich jedoch trotz der Verwendung einschlägiger Termini keine Übereinstimmungen hinsichtlich der bezeichneten Inhalte feststellen. Möglicherweise handelt es sich bei den verwendeten griechischen Termini um einfache Übersetzungen demotischer Begriffe. Auch der umgekehrte Fall, also ein Einfluss ägyptischer Formen oder Inhalte auf die griechischen Verhältnisse der vorhellenistischen oder hellenistischen Zeit lässt sich nicht bestätigen. Zu inhaltlichen Aspekten der ägyptischen Dokumente vgl. maßgeblich von Woess 1923, mit dem Verzeichnis der ältesten Literatur und Quellenanhang; vgl. ferner von Woess 1926; Schäfer 1933; Schmitz 1964; Dunand 1972; Lüdekens 1975; Dunand 1980; Palme 2003 mit einem Schwerpunkt auf den Asylbriefen der Kaiserzeit; Traulsen 2004, 241–248; unter Vorbehalt auch Turner 2005, 84–87; Dietrich 2008, 97–103; 143–145. 825 Rigsby 1996, Nr. 68, 19–21.

3.4 Die Asylieverleihungen: Hellenistische Könige

223

seitens nicht näher fassbarer attalidischer Poleis, in denen auf diese Aufforderung Bezug genommen wird.826 Wie schon für die Seleukiden – die Konkurrenten der Attaliden im westlichen Kleinasien – und Antigoniden formuliert, scheint Attalos I. ebenfalls in die Weiterverbreitung des Asyliegesuchs involviert. Allerdings fällt es schwer aus einer Asylieanerkennung lediglich eines Herrschers generelle Gepflogenheiten der Dynastie in Bezug auf ein Phänomen abzuleiten. Dass die Attaliden der territorialen Asylie durchaus positiv gegenüberstanden, lässt sich jedoch bis zu einem gewissen Grade aus den Asyliegesuchen Eumenes II. ableiten, der als einziger Herrscher sicher die Asylie in seinem Machtbereich liegender Tempel persönlich forcierte. Weitere Herrscher Neben den häufiger in Zusammenhang mit der Asylie genannten Geschlechtern lassen sich einige Herrscher, zumeist von der Peripherie der griechischen Oikumene, einmalig als Asylieverleiher vorfinden. Drei dieser Monarchen sind über das weitgefächerte koische Asyliegesuch dem Phänomen zuzuordnen. Dabei handelt es sich um den bithynischen König Ziaëlas, Alexander II. von Epeiros sowie mit großer Wahrscheinlichkeit Spartokos IV. vom Regnum Bosporanum.827 Alle drei Könige sind mit einem eigenen Asyliebrief im magnesischen Dossier vertreten,828 zudem ist ein Verweis für das befördernde Wirken Alexanders II. von Epeiros in der leukadischen Inschrift zu nennen.829 Darüber hinaus treten auch die Athamanischen Könige, Amynandros und Theodoros, einmalig in Zusammenhang mit der territorialen Asylie Teos’ auf.830 Eine Besonderheit des Verlaufs ihrer Asylieanerkennung stellt die Befreiung der Stadt von Tributleistungen, was sonst nur Antiochos III. und Rom gewährten. Auch diese Aktion weist auf königliche Unterstützung des Asyliegesuchs hin, die sich jedoch für ihren Teil an einem anderen Kriterium des Verhaltens größerer Monarchen, namentlich Antiochos III., ausrichtet. Die jeweilige Singularität der benannten Inschriften lokaler Könige befremdet zunächst, sie könnte jedoch zumindest für die Athamanischen Könige mit dem für die Auswahl der bürgerlichen Asylieadressaten entwickelten Modell erklärt werden. Die Asylieanerkennung wäre dann eine Art ‚Beifang‘ der Teier auf dem Weg zu dem mit den Königen verbündeten Aitolischen Bund. Für die Inschriften der drei betreffenden Könige des koischen Gesuchs lässt sich diesbezüglich keine nichtspekulative Lösung vorschlagen. Vergleichend betrachtet, lassen sich die königlichen Asylieanerkennungen durchaus als eine eigene Subgattung des Phänomens territorialer Asylie charakterisieren. Die Herangehensweisen der Könige lassen bestimmte Gemeinsamkeiten erkennen, auch wenn formale Verstetigung im Rahmen monarchischer Erklärungen 826 Rigsby 1996, Nr. 128; Nr. 130; Nr. 131. 827 Zur Zuordnung s. 100–103. 828 Ziaëlas: IG XII 4, 1, 209 (= Rigsby 1996, Nr. 11); Spartokos IV.: IG XII 4, 1, 213 (= Rigsby 1996, Nr. 12); Alexander II.: IG XII 4, 1, 211 (Anhang 1). 829 IG XII 4, 1, 220 V, 70–72. 830 Athamanische Könige: Rigsby 1996, Nr. 135.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

des Selbstverständnisses wegen weniger zum Tragen kommt als in städtischen Dokumenten. Gerade die Beliebtheit des engagierten Weiterverbreitens des Asyliegesuchs fällt auf. Nach Ausweis der zugegebenermaßen nicht sehr zahlreichen Dokumente erweisen sich die Ptolemäer als einzige politisch bedeutsame Mächtige, die sich diesem Vorgehen entziehen. Dies kann mit ihrer Verortung in Ägypten und der Fokussierung auf das dortige, divergente Asylwesen zusammenhängen; wahrscheinlicher erscheint die Annahme eines schwindenden Aktionsradius’ der Ptolemäer in der betreffenden Region zur Hochphase der territorialen Asylie in der zweiten Hänfte des dritten Jahrhunderts. 3.4.2 Die Begründung der Asylieverleihungen Die Verleiher von Asylie begründen in den allermeisten Fällen ihr Vorgehen recht genau. Dabei entwickeln sich manche Motive zu sehr beliebten, zunehmend formelhaften Elementen innerhalb der Asylieanerkennungen. Dieser häufige Rückgriff auf bestimmte Begründungsmuster lässt sich einerseits mit dem Konzept ‚wandernder Urkunden‘ erklären, wobei die sprachliche und inhaltliche Ausgestaltung bereits bekannter Urkunden auf die neu entstehenden abfärben; andererseits spielen auch vorhandene Verbindungen, Verpflichtungen oder gar Abhängigkeiten gegenüber dem ersuchenden Partner keine zu unterschätzende Rolle. Die Motive der Asylieverleiher lassen sich durchaus systematisieren und bestimmten Kategorien, die teilweise auch für die Asyliegesuche festzustellen sind, zuordnen; denn die asyliegewährenden Interaktionspartner übernehmen nicht selten die Argumentation der Gesuche. Andererseits lassen sich auch Begründungen feststellen, die sich zwar aus den Gesuchen ableiten, mit diesen jedoch nicht zwingend übereinstimmen, oder solche, die mit Sicherheit den Asylieverleihern zuzuschreiben sind. Auch für die Asylieanerkennungen muss allerdings betont werden, dass eine dichotomische Einteilung der vorgebrachten Argumente in politisch oder religiös keine materialentsprechende Kategorisierung darstellt. Daher gilt es die dargelegten Begründungsstrategien im Einzelnen darzustellen und zu kontextualisieren. Darüber hinaus sollen die Verflechtungen und Überscheidungen bestimmter Argumentationsmuster aufgezeigt werden. Es scheint opportun wie bei der Analyse der Asyliegesuche, zunächst die mehrheitsfähigen Asyliegründe nach Kategorien geordnet vorzustellen, um im Anschluss etwaige Einzelargumente zu präsentieren. Wiederum gesondert werden die argumentativen Möglichkeiten der auffällig kurzen Dekrete dargelegt. c. Kanonische Argumente Die Begründung der eigenen Annahme eines bestimmten Asyliegesuchs erweist sich in den meisten Asyliedokumenten als wichtiger Bestandteil, wobei sich die Motive zunehmend verfestigen. Die Asyliereisen der Koer und Magnesier fungieren in diesem Prozess als eine Art Katalysator, denn mit den Gesandten ‚bewandern‘ auch Asylieanerkennungen verschiedener Staaten die griechische Oikumene und vermitteln Muster gelungener Gesuche aber auch vielversprechender Anerkennungen.

3.4 Die Begründung der Asylieverleihungen: Empfehlung

225

Die jeweiligen geschilderten Anerkennungsgründe der Asylieverleiher erfüllen dabei weitaus mehr Funktionen, als die Selektierung der von den Bewerbern vorgebrachten erfolgreichen Argumente. Vielmehr erlauben diese Begründungen einen Blick auf die Positionierung und die Absichten der Verleiher im zwischenstaatlichen Raum. Denn obwohl die Asylieanerkennungen als unilaterale Bekundungen zu klassifizieren sind, besitzen viele einzelne Punkte, die sowohl in den Vertragsofferten der Asyliebewerber als auch in den Beschlüssen der Asylieverleiher vorhanden sind, zumindest vertragsähnlichen Charakter. Die Betonung der gegenseitigen Freundschaft, einer Symmachie oder von Anti-Adikie-Regeln, um konkrete Beispiele zu benennen, kann kaum als schmückendes Beiwerk einer – nach Rigsby –831 rein symbolischen Geste gesehen werden. Empfehlung der Asylie In einigen Fällen begründen die Asylieverleiher ihr Handeln mit vorgebrachten Empfehlungen oder bereits vorhandenen Asylieanerkennungen, aber auch Aufrufe, die territoriale Asylie ebenfalls anzuerkennen, sind belegt. In den allermeisten dieser Fälle sind hellenistische Herrscher involviert und legen die Asylie mehr oder weniger nachdrücklich nahe. In der Asylieanerkennung der Delphischen Amphiktyonie an Smyrna tritt das Phänomen erstmalig auf. Darin wird die Empfehlung der Asylie durch König Seleukos II. kommuniziert. Der König habe einen Brief geschickt, in dem er um die Asylieanerkennung gebeten und die eigene Aufnahme des Gesuchs erläutert habe.832 Die Gesandten der Smyrnaier werden darauf nur noch beiläufig erwähnt und ihr Gesuch samt jedweder Erläuterungen nicht thematisiert. Das Schreiben Seleukos II. ersetzt in diesem Fall de facto das eigenständige Asyliegesuch der Smyrnaier. Andererseits werden keine eigenen Gründe für die Asyliegewährung seitens der Amphiktyonen berichtet. Der königliche Brief fungiert so in gewisser Weise auch als ausreichende Erläuterung der Asyliegewährung. Dabei liegen allerdings auch keinerlei Indizien für eine unter Ausnutzung von Machtverhältnissen entstandene Asylieverleihung vor, vielmehr versprechen die Amphiktyonen, den Beschluss über die pythischen Theoren weiterzuverbreiten und zu publizieren.833 Der König fördert die Asylie der Smyrnaier offenbar derart, dass den Amphiktyonen keine anderen Erklärungen der durchaus positiven Annahme des Gesuchs notwendig erscheinen. Einen wichtigen Fall königlicher Unterstützung eines Asyliegesuchs bildet die Verbreitung des teischen Asyliegesuchs seitens Gesandter Antiochos’ III. und Phillips V. Beide Könige lassen die teischen Gesandten von ihren eigenen in anderer Mission auf Kreta befindlichen Botschaftern begleiten. Der Seleukide lässt das teische Asyliegesuch später sogar durch seinen Gesandten nach Rom präsentieren.834 831 832 833 834

S. dazu 13–15. Rigsby 1996, Nr. 7, 1–9. Rigsby 1996, Nr. 7, 14–18. Seleukidischer Gesandter Hagesandros: Rigsby 1996, Nr. 138, 9; Nr. 143, 9; Nr. 149, 14; Seleukidischer Gesandter Menippos: Rigsby 1996, Nr. 153.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

Die königlichen Gesandten tragen dabei durchaus Argumente zu Gunsten der Asylieanerkennungen vor und werden von den Verleihern ebenfalls als ein Faktor im Rahmen ihrer Entscheidungsfindung dargestellt. Etwa in der Asylieanerkennung aus Lato heißt es, man gewähre die Asylie, weil man Perdikkas gefallen wolle „βωλόμε[νοι]/χαρίζεσθαι Περδίκκαι“.835 Diese Formulierung wird im Rahmen des Dossiers durchaus wiederholt. Zudem wird Menippos, der seleukidische Gesandte in Rom, der auch über die teische Asylieanerkennung verhandelt, für seine persönlichen Verdienste belobigt.836 Der königliche Einfluss, über die Vermittlung der Botschafter ausgeübt, wird in Asylieanerkennungen also positiv bewertet. Aber auch die Persönlichkeit der Gesandten spielt hier eine zetrale Rolle, denn über die betrachtete Stelle hinaus lässt sich die Betonung der charakterlichen oder diplomatischen Befähigung eines Gesandten lediglich einmal im Rahmen der Argumentation der Asylieverleiher feststellen, und zwar im Falle des koischen Gesandten Diogeitos seitens Seleukos’ II.837 Da in diesem Fall keine Stellvertretung des Königs vorliegt, ist eindeutig die spezifische Eignung des Gesandten zum Ausdruck gebracht.838 Für Städte im Kernland Philipps V. lassen sich darüber hinaus weitere Zeugnisse einer Asylieempfehlung ausmachen. In den Inschriften aus Kassandreia, Amphipolis und Philippi wird in Zusammenhang mit der koischen Asylie direkt auf den Willen des Königs als Anerkennungsgrund Bezug genommen.839 Darüber hinaus ist ein Brief Philipps V. bezüglich der Asylie Kyzikos’ an die Einwohner von Dion publiziert,840 sowie ein Ineditum mit der entsprechenden Anerkennung und eine fragmentarische Inschrift mit der Rückführung der Asylie auf Philipps V. Wunsch erhalten.841 Doch die empfohlene Asylieanerkennung ist bei Weitem kein spezifisch seleukidisches oder makedonisches Phänomen, sondern wird in Inschriften aus dem Einflussbereich der meisten Herrscher (mit deutlicher Ausnahme der Ptolemäer) berichtet – so etwa für unbestimmte attalidische Städte hinsichtlich der Asylie Kosʼ seitens Attalos’ I.842 und für die leukadische Anerkennung des koischen Gesuchs seitens Alexanders II. von Epeiros.843

835 836 837 838

839 840 841 842 843

Antigonidischer Gesandter Perdikkas: Rigsby 1996, Nr. 140, 12; Nr. 141, 3; Nr. 142, 22; Nr. 148, 19; Nr. 149, 18; Nr. 150, 20; Nr. 151, 15; Nr. 152, 19. Rigsby 1996, Nr. 142, 21 f. Vgl. ferner Nr. 148, 29 f.; Nr. 150, 31; Nr. 152, 24 f. Rigsby 1996, Nr. 153, 7–11. IG XII 4, 1, 210 (= Rigsby 1996, Nr. 9), 17–22. Vergleichbar ist darüber hinaus die Formulierung Eumenesʼ II. im Rahmen seiner Asyliegesuche, die von ihm gewählten Gesandten, die er im Übrigen außergewöhnlicherweise ausführlich charakterisiert, seien für ihren Auftrag in besonderer Weise geeignet (IG XII 4, 1, 251 [= Rigsby 1996, Nr. 176], 24–32). IG XII 4, 1, 220 I (= Rigsby 1996, Nr. 25), 5 f.; 220 II (= Nr. 26), 31; 220 III (= Nr. 27), 48. SEG 48, 785. Hatzopoulos 1996, Nr. 32, ohne Text; Rigsby 1996, Nr. 170, 14. Eigene Ankündigung: Rigsby 1996, Nr. 68, 19–21. Poleis mit Bezug auf den König: Rigsby 1996, Nr. 128; Nr. 130; Nr. 131. IG XII 4, 1, 220 V, 72.

3.4 Die Begründung der Asylieverleihungen: Vergangene Diplomatie

227

Die königliche Empfehlung ist also ein Motiv, auf das Asylieverleiher gern Bezug nehmen. Häufig handelt es sich dabei um Poleis im unmittelbaren Aktionsraum des Herrschers,844 aber auch nicht in direkter Abhängigkeit stehende Städte und Bünde verwenden diese Erklärungsstrategie für ihr Votum. Darüber hinaus sind durchaus Fälle bekannt, in denen mit vorangegangenen Asylieverleihungen argumentiert wird. In diesen Beispielen ist natürlich keine direkte Empfehlung zu sehen, sondern ein Vorbild. Die jeweiligen Beteiligten erweisen sich als sehr unterschiedlich: König Antiochos, Sohn Antiochosʼ III., bezieht sich beispielsweise auf die Asylieverleihung seines Vaters,845 während die Amphiktyonen in der Anerkennung für Teos ein bereits vorhandenes Dekret der Aitoler benennen846 und Ptolemaios III. auf den Amphiktyonenbeschluss zur Erklärung seiner Annahme der koischen Asylieofferte fokussiert.847 Zudem ist generell anzunehmen, dass Urkunden von Ort zu Ort mitgenommen und so die künftigen Asylieanerkennungen beeinflusst haben. Das Vorbild ist folglich gegenüber der königlichen Empfehlung ein breiter fassbares Phänomen, das zwischen royalen wie bürgerlichen Akteuren angesiedelt ist. Zwischenstaatliches Agieren in der Vergangenheit In einer Reihe von Fällen argumentieren die Asylieverleiher mit in der Vergangenheit liegenden Ereignissen der zwischenstaatlichen Kommunikation oder des politischen Agierens. Diese können sich ganz unterschiedlich gestalten und müssen nicht zwingend auf beide Interaktionspartner bezogen sein. So wird beispielsweise die militärische Unterstützung durch die Magnesier bei der Rettung Delphis vor dem Ansturm der Gallier 279 und die diplomatische Hilfe bei der Konfliktbeilegung des Kretischen Koinons, die von den Magnesiern vermutlich unter dem Chiffre ‚Euergesie gegenüber den Hellenen‘ in ihr Gesuch aufgenommen wurde, von einigen Poleis – Same, Epidamnos, Klazomenai und den ionischen Poleis außer Milet – zur Begründung der Annahme des Gesuchs herangezogen.848 Es sind nicht die Umwohner Delphis oder Kreter, die hier ihre Asylieanerkennung mit den historischen Belegen von diplomatischem und militärischem Handeln begründen, vielmehr fällt auf, dass gerade die kleinasiatischen Nachbarn auf diese Motive zugreifen. Allerdings gebietet die Einmaligkeit dieses Beispiels, Verallgemeinerungen zu vermeiden. Üblicher ist die Betonung von positivem Verhalten in der Vergangenheit, von dem der jeweilige Verleiher auch tatsächlich profitiert hat. So erwähnen die Megalopoliten die magnesische finanzielle Unterstützung beim Ausbau ihres Mauersystems unter ihren eigenen Anerkennungsgründen849 und die Kreter rekurrieren al844 845 846 847 848

Zur Autonomie hellenistischer Poleis am Beispiel Makedoniens vgl. Raynor 2016, 227, 256 f. Rigsby 1996, Nr. 70, 4 f. Rigsby 1996, Nr. 133, 12–14. IG XII 4, 1, 212 (= Rigsby 1996, Nr. 8). Rigsby 1996, Nr. 85, 20 f.; Nr. 96, 27; Nr. 102, 53. Inhaltlich zur Identitätsbildung über Vergangenheitsbezüge gerade im Barbarenkontext, vgl. Chaniotis 2005b, 145 f. 849 Rigsby 1996, Nr. 88, 26–29. Zu Formen der Baufinanzierung in der Antike vgl. Meier 2012, bes. 158–162 mit diesem Beispiel.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

lem Anschein nach auf die mylasische Vermittlung innerhalb innerkretischer Streitigkeiten.850 Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang auch die Inschrift der Delphischen Amphiktyonie, die das einzige königliche Gesuch, das Eumenes’ II., behandelt. Darin formulieren die Amphiktyonen, dass die Römer diejenigen Könige beförderten, die der Erhaltung der „κοινῆς ἀσφαλείας“ ‚allgemeinen Sicherheit‘ in Griechenland dienlich seien.851 Gleichzeitig betonen die Aitoler in ihrer Asylieanerkennung, die vielfachen Siege hätten das Königtum Eumenes’ II. vergrößert.852 Bereits Maurice Holleaux deutet diese Zusammenhänge als eine Spitze gegen Phillip V. und schließt daraus auf die Domination der Amphiktyonie durch prorömische Kräfte.853 Man könnte der Ausbreitung der Attaliden zu Ungunsten der Seleukiden in Kleinasien darüber hinaus auch gewisse regulative Tendenzen zuschreiben, die in der Unruhesituation nach dem Rückzug der Ptolemäer aus der Ägäis und dem westkleinasiatischen Raum und dem Vordringen der Seleukiden und Antigoniden nicht nur von den Römern als nötig empfunden wurden. Doch auch unabhängig von dieser Einzelbeobachtung – die Verwendung diplomatischer Vorgänge der (nahen) Vergangenheit als Argument bei der eigenen Asylieanerkennung erscheint zutiefst von politischen Motiven der Gegenwart geprägt. Darüber hinaus ist in einigen Dokumenten die Gepflogenheit festzustellen, eine bestehende Symmachie als Legitimierung der Asylieanerkennung heranzuziehen.854 Leider lassen sich nirgends nähere Ausführungen hinsichtlich dieses Arguments feststellen, dennoch verweist es auf eine festgeschriebene vergangene Absicht die militärische Absicherung künftig gemeinsam zu gestalten, und zwar über die Ebene von loseren Freundschafts- oder Verwandtschaftsbekundungen hinaus. Die Konsequenzen vergangener Ereignisse und Entwicklungen für die Gegenwart lassen sich auch in Anerkennungsinschriften feststellen, die mit Freundschaft, Verwandtschaft oder der daraus resultierenden vertraulichen Nähe operieren. Die Rückführung der φιλία oder συγγένεια auf bestimmte Ereignisse – an dieser Stelle sei etwa an die Mitbegründung Kamarinas und Gelas seitens der Koer verwiesen – lässt es durchaus zu, ebendiese Dokumente als historisch motiviert anzusehen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Verweise auf militärisches oder diplomatisches Agieren in der hellenistischen Vielstaatenwelt zwar eine disparate, aber durchaus abgrenzbare Gruppe von Anerkennungsargumenten liefert. Dabei ist besonders zu betonen, dass dieses zwischenstaatliche Handeln nicht in allen Fällen auch von den Asyliebewerber angebracht wird, sondern durchaus auch aus Verleiherperspektive betont werden kann. Den Belegen ist gemeinsam, dass sie positives Verhalten der Asyliebewerber darstellen und so bereits für die Vergangenheit 850 Die Inschriften aus dem mylasischen Asyliedossier erweisen sich als extrem fragmentarisch. Nach derzeitigem Publikationsstand scheinen alle überlieferten Asylieanerkennungen aus Kreta zu stammen. Sicher mit den (Friedens-?)Verhandlungen in Zusammenhang zu bringen sind folgende Inschriften: Rigsby 1996, Nr. 189, 1 f.; Nr. 190, 3–5; Nr. 191, 4–7. 851 Rigsby 1996, Nr. 179, 3–10. 852 Rigsby 1996, Nr. 178, 6. 853 Holleaux 1968, 70–71. 854 Rigsby 1996, Nr. 11, 25; Nr. 64, 3; Nr. 130, 17; Nr. 166, 4; Nr. 178, 2; Nr. 197, 10.

3.4 Die Begründung der Asylieverleihungen: Freundschaft, Verwandtschaft, Wohlwollen 229

einen Status der good relations konstruieren. Diese Erläuterung der Asylieanerkennungen mit historischen Beispielen könnte der Absicherung des Instruments darüber hinaus eine stärkere Tiefenwirkung verschaffen, was gerade in Anbetracht des jungen Alters des Phänomens bedeutsam erscheint. Freundschaft, Verwandtschaft und Wohlwollen Ein wichtiger Punkt der Asyliegesuche ist die Betonung oder Erneuerung einer bestehenden συγγένεια, οἰκειότης oder φιλία. Häufig werden auch οἰκειότης und εὔνοια parallelisiert. Während συγγένεια und φιλία Zustände darstellen, die die Asyliebewerber evozieren wollen, erweisen sich οἰκειότης und εὔνοια als Haltungen gegenüber dem Adressaten. Oἰκειότης drückt dabei ein spezifisches vertrauensvolles Näheverhältnis aus, während εὔνοια mehr eine wohlwollende, loyale Grundeinstellung gegenüber dem Interaktionspartner ausdrückt.855 Im Rahmen der Asylieanerkennungen werden Freundschaft und Verwandtschaft, aber auch οἰκειότης und εὔνοια recht unterschiedlich rezipiert. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass die möglichen Übereinstimmungen lediglich zwischen den Gesuchen und ihren Anerkennungen durch Poleis oder Bünde festgestellt werden können. Die königlichen Asylieanerkennungen werden getrennt behandelt, da wegen ihrer strukturellen Beschaffenheit wenig Sicherheit über die den Königen entgegengebrachten Darstellungen von Freundschaft und Verwandtschaft zu gewinnen ist, die Monarchen jedoch durchaus mit diesen argumentieren. Unter den Asylieanerkennungen ist die Wiedergabe des Freundschafts- oder Verwandtschaftsmotivs mit der ἐπειδή-Formel geläufig. Dabei handelt es sich, wie beschrieben, um eine überschriftartige Formel,856 die eine Begründung der Asylieanerkennung seitens der Verleiher im Allgemeinen zu liefern scheint und die Aufnahme der vorgebrachten Argumente der Bewerber direkt wiederspiegelt.857 In einigen Urkunden wird darüber hinaus sowohl im Gesuchs- als auch im Anerkennungsteil auf Freundschaft oder Verwandtschaft rekurriert, jedoch ist bisweilen eine ‚Neuverteilung‘ der Termini zu erkennen. In der aitolischen Asylieurkunde für Magnesia am Mäander fokussieren die Asyliebewerber auf ihre οἰκειότης und εὔνοια, im Beschluss unterstreichen die Aitoler allerdings die φιλία.858 Ein anderes Beispiel stellt die Anerkennung der teischen Asylie durch die Allarioten dar. Während im Gesuch φιλία und οἰκειότης belegt sind, wird die Beschlussfassung um die 855 Zu συγγένεια, οἰκειότης oder φιλία in der wissenschaftlichen Diskussion, s. 175–177; zu εὔνοια, s. 183. 856 ἐπειδὴ [Name der Asylieersucher] φίλοι καὶ οἴκειοι / συγγενεῖς ἔοντες (o. ä.) ‚weil [Name der Asylieersucher] Freunde und im engen Verhältnis stehende / Verwandte sind‘. 857 ἐπειδή-Formel οἰκεῖοι/φίλοι: Rigsby 1996, Nr. 64, 2 f.; Nr. 79, 4; Nr. 82, 1 f.; Nr. 84, 2 f. Nr. 86, 3 f.; Nr. 94, 5; Nr. 105, 3 f.; Nr. 106, 2; Nr. 111, 10 f.; Nr. 131; Nr. 141, 6 f. ἐπειδή-Formel συγγενεῖς/φίλοι: IG XII 4, 1, 215 (= Rigsby 1996, Nr. 15), 1; Rigsby 1996, Nr. 83, 5; Nr. 96, 2 f.; Nr. 139, 2; Nr. 140, 3 f.; Nr. 142, 3; Nr. 148, 3; Nr. 149, 2; Nr. 150, 2 f.; Nr. 151, 2 f., 19; Nr. 155, 2 f.; Nr. 156, 3 f.; Nr. 157, 2 f.; Nr. 159, 2 f.; Nr. 196, 2 f. Ähnliche Formeln: Rigsby 1996, Nr. 104, 2: nur φίλοι; Rigsby 1996, Nr. 129, 3 f.: φίλοι und ἀστυγείτονες; Rigsby 1996, Nr. 166, 4: φίλοι, εὖνοι, σύμμαχοι. 858 Rigsby 1996, Nr. 67, 6–8; 9 f.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

συγγένεια erweitert.859 Es ist also durchaus zu betonen, dass wortgetreue Übernahmen der Argumentation durch die Asylieverleiher keineswegs zwingend und Modifikationen durchaus geläufig sind. Dabei können nicht alle der vielfachen Zeugnisse durch den bloßen Zufall oder Unachtsamkeiten erklärt werden. Vielmehr ist anzunehmen, dass die Verleiher eigene Akzente setzen konnten. Wenn also die Magnesier ihre vertrauliche Nähe und loyale Grundhaltung betonen und die Aitoler mit der Bekundung der Freundschaft antworten, könnte eine besonders bereitwillige oder weitgehende Akzeptanz des Gesuchsarguments angenommen werden, die als eine Art vertragsähnliche Anerkennung des proleptischen Teils fungiert. Der umgekehrte Fall, also die besonders schmallippige Anerkennung bei vorheriger Anführung mehrerer Nähemotive durch die Ersuchenden, lässt sich nicht belegen. Es gibt zwar durchaus Inschriften, wo im Offertenteil ein solches Motiv betont wird, aber im Anerkennungsteil nicht wieder auftaucht;860 diese sind jedoch in ihrem Ton häufig derart freundlich und in Teilen gar mit vielen weiteren Privilegien verbunden, dass Zurückhaltung nicht angenommen werden kann. Ein Beispiel dafür stellt die Asylieanerkennung Magnesias durch Klazomenai und weitere ionische Poleis dar – dort treten die Magnesier mit der Strategie auf, sie seien οἰκεῖοι und φίλοι Klazomenais. Dieses Argument wird von den Ioniern jedoch nicht wieder aufgenommen, obwohl die Inschrift ausführlich, freundlich und reich an Privilegien ist.861 Ob dieser Befund mit Unachtsamkeit oder verschobener Akzentuierung zusammenhängt, kann nicht endgültig geklärt werden; wichtiger scheint die Erkenntnis, dass die Wiedergabe eines Arguments im proleptischen Teil der Dokumente bei gleichzeitiger positiver Aufnahme des Gesamtgesuchs bereits auf eine positive Rezeption des gewählten Motivs deutet. Das heißt, wird die Asylie akzeptiert, werden auch die zur Legitimierung angeführten Argumente positiv rezipiert und eine freundschaftliche oder verwandtschaftliche Bindung begründet oder zumindest (wiederholt) bekundet. Das hat aber wiederum weitreichende Folgen für die zwischenstaatlichen Verhältnisse, denn sowohl die die Bekundung von Freundschaft als auch Verwandtschaft bedeutet die Demonstration eines guten diplomatischen Verhältnisses. Freundschaft ist zudem über die Wendung φιλία καὶ συμμαχία sogar Teil der Symmachieverträge und somit hochbedeutsam für die zwischenstaatliche 859 Rigsby 1996, Nr. 6 f., 19–22. Wiedergabe mit Modifikation im Beschlussteil: IG XII 4, 1, 216 I (= Rigsby 1996, Nr. 21), 6 (φιλία und συγγένεια), 16 (συγγένεια); Rigsby 1996, Nr. 83, 4 f. (φιλία und συγγένεια), 15 (φιλία und οἰκειότης); Nr. 88, 20 (συγγένεια), 29 f. (συγγένεια und φιλία); Nr. 129, 3 (φίλοι und ἀστυγείτονες), 13 (εὔνοια und φιλία); Nr. 148, 3 (φίλοι und συγγενεῖς), 27 (συγγένεια); Nr. 149, 11 (φιλία und εὔνοια), 20 (φίλοι und οἰκεῖοι); Nr. 150, 3 (φίλοι und συγγενεῖς), 28 (συγγένεια). Unmodifizierte Akzeptanz der Argumente: Rigsby 1996, Nr. 81, 10–12, 36 f. (φιλία und οἰκειότης); Nr. 82, 4 f., 21 (φιλία und οἰκειότης); Nr. 84, 6 f., 16 f. (φιλία und οἰκειότης); Nr. 132, 3 f., 6 (φιλία und οἰκειότης); Nr. 134, 4, 6 f. (φιλία und οἰκειότης); Nr. 151, 6 f., 19 (φιλία und οἰκει ότης); Nr. 154, 8 f., 27 (συγγένεια und φιλία); Nr. 155, 3, 21 (φίλοι und συγγενεῖς). 860 IG XII 4, 1, 216 IV (= Rigsby 1996, Nr. 20), 51 (εὔνοια und φιλία); Rigsby 1996, Nr. 100, 27 (φιλία). Möglicherweise auch Nr. 111, 11 f. (συγγενεῖς und φίλοι), 33 (συγγένεια und φιλία), 42 (εὔνοια und συγγένεια), die Inschrift hat jedoch eine Lücke im Beschlussteil. 861 Rigsby 1996, Nr. 102, 11.

3.4 Die Begründung der Asylieverleihungen: Freundschaft, Verwandtschaft, Wohlwollen 231

Kommunikation.862 Durch die Kombination von Offerte und Anerkennung wird die vertragliche Vereinbarung von Freundschaft oder Bekundung von realer oder postulierter Verwandtschaft zum ‚Beifang‘ der Asylie.863 Ein solches freundschaftliches oder verwandtschaftliches Verhältnis, das sich möglicherweise auch durch ο ἰκειότης oder εὔνοια auszeichnet, liegt jedoch nicht nur im Interesse der Asyliebewerber. Auch die Asylieverleiher profitieren von diesem Status, denn auch sie können auf diese Weise Netzwerke konstituieren oder reaktivieren.864 Besonders deutlich wird dieser beziehungspflegende Faktor in den beiden ausführlich vorgestellten Inschriften aus Kamarina und Gela bezüglich der Asylie von Kos. Die sizilianischen Politen erkennen die Koer als Mitbegründer ihrer jeweiligen Polis an und betonen, dass den Koern aus diesem Grund συγγένεια, οἰκειότης und Isopolitie zuzusprechen seien.865 Die Kamariner und Geloer forcieren das tatsächlich historische Verwandtschaftsargument im Rahmen ihres Beschlusses sogar stärker als die Asyliebewerber: Die Verbindung von Verwandtschaft und der damit zusammenhängenden vertraulichen Nähe mit der Isopolitie zeugt von ihrem bewussten Umgang mit den Möglichkeiten, die sich durch ein besonders gutes Verhältnis referierende Argumente eröffnen, und zwar nicht zuletzt für sie selbst. Auch für die hellenistischen Könige sind Begründungen ihrer Asyliegewährungen mit Freundschaft oder Verwandtschaft nachzuweisen, jedoch gewöhnlich unter anderen Vorzeichen als bei städtischen oder föderalen Dokumenten. So lässt sich bei Seleukos II. eine völlig neue Facette der Argumentation mit Verwandtschaft nachweisen. Mitten in den Thronfolgewirren nach dem Tod seines Vaters Antiochos II. verleiht er territoriale Asylie an Smyrna, die er unter anderem mit kultischen Handlungen der Smyrnaier gegenüber seinem verstorbenen Vater und seiner Großmutter Stratonike begründet.866 Dabei ist doch ziemlich aufschlussreich, dass seine Mutter, Laodike, die auf Seiten seines Bruders und Kontrahenten Antiochos Hierax steht, nicht in dieser Auflistung der verehrten vergangenen Könige auftaucht. Seleukos II. verwendet also, wie es eben nur eine natürliche Person kann, reale Verwandtschaft zur Erläuterung seiner eigenen Handlungen. Auch wenn diese Argumentation deutlich anderen Vorzeichen folgt, als die im zwischen862 Vgl. beispielsweise StV III 464, 8; 548, 18; Zur Symmachie im Allgemeinen und zum Verhältnis von Symmachie und Freunschaft im Speziellen, vgl. jetzt Couvenhes 2016, 31 f., 38 f.; vgl. ferner Bauslaugh 1991, bes. 158 f., Anm. 35; Baltrusch 1994, 17–68; Schmitt 2005, 351 f.; Baltrusch 2008, 40; 111 f.; Scheibelreiter 2010. Zur zwischenstaatlichen Freundschaft vgl. besonders Mitchell 1997; Herman 1987. 863 Als Parallele für den Vertragscharakter solcher Offerte-Anerkennung-Konstrukte sei an Isopolitieverträge erinnert, die häufig auch als unilaterale gegenseitige Vereinbarungen formuliert sind. 864 Möglicherweise hängen Asyliedokumente, wo im Beschlussteil, jedoch nicht im Gesuchteil, die zentralen Termini zu guten zwischenstaatlichen Beziehungen verwendet werden, mit dem Absicherungswillen der Asylieverleiher zusammen; vgl. dazu Rigsby 1996, Nr. 63, 1, 14 (εὔνοια und φιλία); Nr. 144, 3 (φιλία); Nr. 145, 1 (συγγένεια). 865 Kamarina: IG XII 4,1, 222 (= Rigsby 1996, Nr. 48), 9–12; Gela: IG XII 4,1, 223 (= Rigsby 1996, Nr. 49), 6–8; vgl. ebenfalls mit Verbindung von οἰκειότης und Isopolitie, Rigsby 1996, Nr. 53, 11. 866 StV III 492 I 8–9. Zur kultischen Verehrung von Frauen vgl. Caneva 2012.

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staatlichen Raum von nicht-natürlichen Gebilden genutzte Verwendungsweise von συγγένεια, muss doch betont werden, dass die Erläuterungsstrategie analog zur städtischen funktioniert: der König bewertet Dienste der Bewerber seiner Familie gegenüber positiv und reagiert, wie es den eingespielten monarchischen Verhaltensweisen entspricht. Auch wenn die Beschreibung der Freundschaft und Verwandtschaft im Falle städtischer und föderaler Akteure anderen Mustern folgt, so ist das in Gang gesetzte Funktionsmodell dasselbe – positiv konnotiertem Verhalten wird entsprechend begegnet. Für Könige gilt sogar frei nach Aristoteles, die ihnen und den Ihren entgegengebrachten Wohltaten zu überbieten.867 Dieses euergetische königliche Verhalten lässt sich auch bei nichtgriechischen Herrschern ausmachen. So betont Ziaëlas von Bithynien hinsichtlich des Asyliegesuchs der Koer, er fördere die φίλοι seines Vaters.868 Darüber hinaus gibt er asyliebegründend an, dass sein Freund und Bundesgenosse Ptolemaios ein Freund der Koer sei.869 Auf diese Weise wird einerseits deutlich, dass φιλία ein stabilisierendes Element über Generationengrenzen hinweg darstellen kann, andererseits wird der schon oft benannte netzwerkverstärkende Aspekt der Freundschaft unterstrichen, ganz im Sinne der in Freundschafts- und Symmachie-verträgen häufigen Bedingung, man solle „τὸν αὐτὸν ἐχθρὸν καὶ φίλον ἔχειν“ ‚denselben Feind und Freund haben‘.870 Demgegenüber nutzen der bosporanische König Spartokos IV. und die Athamanischen Könige einen im zwischenstaatlichen Raum verorteten συγγένειαBegriff als Beweggrund ihrer Asylieanerkennungen. So formuliert Spartokos IV. in direktem Anschluss an die Asylieanerkennung: 25

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[…] τὴν συγγένειαν οὖσαν ἀλ[η]θινὴν καὶ [ὑ]μῶν τε ἀξίαν καὶ ἡμῶν ἡδέως προσ[δεδ]έγμεθα μαρτυρίας μεγίστης τῆς παρὰ το[ῦ ἡμ]ετέρου πατρὸς προσγεγενημένης, ἣν ἀπ[οπεφή]ν̣ατε αὐτοῦ ἐκείνου ποιησαμένου·. εἰ [δὲ καὶ τῶν λοιπῶν] τινες Ἑλλήνων ἀρχὴν φιλί[ας ποιούμενοι ταύτ]ην πρῶτον προσηγόρευον ἡμ̣[ᾶς συγγενεῖς, εὐ]λόγως ἂν προσελαμβάνομεν τ[ούτους μετὰ πάση]ς φιλανθρωπίας ἡμ[[ε]]ῖν προϋπαρχ[ούσης πρό]ς γε τοὺς το[ι]αύτην συγγένειαν καὶ [τ]ηλικ[αύτην ἀ]ναγκαιότητα ἀναμιμνήσκον[τα]ς κα[ὶ] ταύτ[ην δι]αφυλάττειν προαιρουμένους π[ολ]λαπλασίως· […] […] und ebenfalls gern die gemeinsame Verwandtschaft als wahr und für uns sowie für Euch würdig anerkannt, wobei deren größtes Zeugnis das von unserem Vater gegebene ist, das, wie ihr gezeigt habt, von jenem selbst herrührt. Sollten einige von den übrigen Griechen dies als Beginn der Freundschaft nehmen und zuerst öffentlich uns als Verwandten bezeichnen, so wür-

867 Arist. eth. Nic. 1124b, 8–11. Vgl. dazu ferner Bringmann 2000, 82–90. 868 IG XII 4, 1, 209 (= Rigsby 1996, Nr. 11), 10 f., 18. Zur Freundschaft mit einem König in Bezug auf territoriale Asylie vgl. die Inschriften der Delphischen Amphiktyonie und des Aitolischen Bundes an König Eumenes II. von Pergamon, Rigsby 1996, Nr. 178, 2 f.; Nr. 179, 4. 869 IG XII 4, 1, 209 (= Rigsby 1996, Nr. 11), 23–25. 870 Vgl. beispielsweise StV III 471, 4. Zum Konzept vgl. Couvenhes 2016, 31 f.; Herman 1987; Baltrusch 1994, 17–68; Baltrusch 2008, 40; 111 f.; Scheibelreiter 2010.

3.4 Die Begründung der Asylieverleihungen: Freundschaft, Verwandtschaft, Wohlwollen 233 den wir sie gern empfangen mit allen Gunstbeweisen, die wir schon lange haben für jene, die eine solch starke Verwandtschaft und solche Blutsbande in Erinnerung rufen und diese zu bewahren bemüht sind, und dies in vielfacher Weise. […]871

Diese Verwendung des Verwandtschaftsbegriffs – das postulieren schon die Roberts gegen die Klaffenbachsche, von ihm selbst später revidierte, Annahme, Hieron II. könnte der Urheber dieser Inschrift sein872 – weist diese Inschrift einem nichtgriechischen Herrscher zu.873 Die Verwandtschaft fungiert hier als konstruierbares Gefüge zum Ausbau positiver diplomatischer Verhältnisse mit den Koern im Speziellen und zumindest angebotsweise mit den Griechen im Allgemeinen. Unter diesem Aspekt ist die Berufung auf Verwandtschaft mit den Griechen seitens der Athamanischen Könige im Rahmen ihrer Anerkennung der Asylie von Teos ebenfalls aufschlussreich. Amynandros und Theodoros berufen sich darauf, mit dem Stammvater aller Griechen über Athamas, der seit dem fünften Jahrhundert als Enkel des Hellen konzeptualisiert wurde, verwandt zu sein.874 Zudem fokussieren sie auf die προσηγορία ‚Nähe‘, was ein Synonym zu dem gebräuchlicheren οἰκ ειότης darstellen kann.875 Eine solche Gebrauchsweise der Verwandtschaftsterminologie verweist mit Giovannini auf barbarische Urheber, da mythologische Konstruktionen stets in Zusammenhang mit Nichtgriechen verwendet worden seien, während unter Griechen die Ethnoszugehörigkeit in Bezug auf συγγένεια Relevanz hatte.876 Freundschaft und Verwandtschaft sowie die innerhalb der Asyliedokumente stark mit diesen in Beziehung gesetzten Einstellungen οἰκειότης und εὔνοια werden folglich auch von Asylieverleihern argumentativ eingebunden. Dabei ist jedoch ein qualitativer Unterschied in der Vorgehensweise der Poleis und Bünde einerseits und der Könige andererseits festzustellen. Während die bürgerlichen Asylieanerkennungen häufig auf die von den Bewerbern vorgebrachte συγγένεια oder φιλία rekurrieren und sogar gegenseitige zumindest vertragsähnliche φιλία-Bekundungen erlassen, argumentieren die Könige unabhängig von Sprache und Ideen der Asyliebewerber. Auch sie beziehen sich auf Freundschaft und Verwandtschaft, füllen diese Begriffe als natürliche Personen allerdings anders als ihre städtischen und föderalen Interaktionspartner.

871 IG XII 4, 1, 213 (= Rigsby 1996, Nr. 12), 24–35; Übersetzung Hallof Telota. 872 Herzog/Klaffenbach 1952, Nr. 3. 873 J. und L. Robert 1953, 157. So Pippidi 1965, 322–224; Rigsby 1996, 123; Hallof im Kommentar zu IG XII 4,1, 213. Vgl. ferner Buraselis 2004, 15, der vorschlägt auch andere kleinasiatische Monarchen als Urheber zu prüfen; darüber hinaus die mehr als strittigen Thesen von Gabelko 2005, 210–218 und Balachvanzev 2011. 874 Rigsby 1996, Nr. 135, 9–11. Rigsby kommentiert diese Stelle passenderweise mit: „The Athamanians’ uneasy insistance on their Greek descent may reflect the view of others that they were barbarians (Strab. 7, 7, 1[…])“. 875 Rigsby 1996, Nr. 135, 11. 876 Giovannini 1997, 158 f.

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Gut zu den Menschen und gut zu den Göttern In den allermeisten Asyliedokumenten lassen sich Argumente nachweisen, die sich dem Komplex ‚positiv konnotiertes / als korrekt empfundenes Verhalten der Asyliebewerber‘ zurechnen lassen. Diese Charakterisierung wird seitens der Asylieverleiher sowohl für zwischenstaatliche Beziehungen – als εὔνοια – als auch die Ausübung kultischer Praktiken – als εὐσέβεια – herangezogen und sehr häufig gemeinsam verzeichnet.877 Εὔνοια beschreibt, wie bereits dargelegt, einen Zustand des wohlmeinenden Entgegenkommens und wird häufig gemeinsam mit der οἰκειότης zur Klassifizierung von Verhältnissen mit freundschaftlichem oder verwandtschaftlichem Hintergrund verwendet. Auch im Rahmen der Asyliedokumenten vermittelt εὐνοία meist die positive Disposition des asylieersuchenden Partners, zumeist gegenüber der asyliegewährenden Entität.878 In einigen Fällen, beispielsweise bei den makedonischen Städten, deren Asylieanerkennungen starken Bezug zum jeweiligen König aufweisen, wird der εὔνοια-Begriff ausgeweitet: […] καὶ τὴν εὔ– νοιαν ἀπελογίζοντο, ἣν ἔχουσα τυγχάνει ἡ πόλις ἡ Κώιων πρὸς τὸν βασιλέα Ἀντίγονον καὶ πρὸς Πελλαίους καὶ τὴν λοιπὴν χώ Μακεδόνων, […]. […] und das Wohlwollen betont haben, das die Stadt der Koer pflegt zu König Antigonos und den Pellaiern und dem übrigen Land der Makedonen, […].879

Das Wohlwollen der Koer gilt also nach Meinung der makedonischen Bürger neben der jeweilig asylieverleihenden Polis sowohl dem König als auch dem Ethnos, denen die Stadt zugehörig ist. Eine weitergehendere Dehnung des Begriffs lässt sich in der Anerkennung aus Antiocheia in der Persis festmachen, wo εὐνοία gegenüber den Hellenen, Antiocheia und König Antiochos III. proklamiert wird.880 Des Weiteren wird εὔνοια gegenüber den Verleihern, wie eingangs erwähnt, überaus häufig in Zusammenhang mit Eusebie gegenüber den Göttern benannt.881 Gerade dieser Parallelismus legt nahe, dass ein tertium comparationis vorliegen muss. Dieses scheint in der Charakterisierung von Verhaltensweisen mit beiden Begriffen gegeben zu sein. Fasst man Eusebie also im Sinne der vorgestellten Deutung als die zur Definition des idealen Bürgers / der idealen Bürgerschaft gehörende 877 Vgl. dazu ausführlich Knäpper 2016. 878 IG XII 4, 1, 213 (= Rigsby 1996, Nr. 12), 35; 216 (= Nr. 20), 6; 221 III (= Nr. 46), 27; Rigsby 1996, Nr. 101, 27; Nr. 103, 19; Nr. 105, 25 f. (zusammen mit ἀρετή); Nr. 130, 14; Nr. 155, 24, 38; Nr. 161, 17; Nr. 162, 14; Nr. 176, 38; 189, 15 f. (mit ἀρετή); Nr. 195, 11; Nr. 196, 14; Nr. 204, 2; Nr. 207, 9; Nr. 208, 13. 879 IG XII 4, 1, 221 I (= Rigsby 1996, Nr. 23), 5–7. Vgl. ferner: 220 I (= Nr. 25); 220 II (= Nr. 26); 220 III (= Nr. 27), 12. 880 Rigsby 1996, Nr. 111, 21, 50. Vgl. ferner Nr. 110, 18 f.; Nr. 178, 4; Nr. 179, 14 f., 22. 881 Rigsby 1996, Nr. 79, 14; Nr. 85, 17 f.; Nr. 96, 27 f.; Nr. 102, 25 f.; Nr. 107, 21 f.; Nr. 109a, 18– 20 (nur Artemis); Nr. 129, 15–17 (gegenüber Artemis und Hellenen); Nr. 178, 4, 14 f. (mit ἀρετή); Nr. 179, 2 f. Vgl. ferner Nr. 63, 13 f. Eusebie allein: IG XII 4, 1, 210 (= Rigsby 1996, Nr. 9), 12–15; Rigsby 1996, Nr. 98, 20; Nr. 100, 25; Nr. 105, 22; Nr. 111, 49; Nr. 112, 15, 19; Nr. 120, 28; Nr. 125b, 11; Nr. 139, 15; Nr. 148, 16; Nr. 150, 17; Nr. 154, 52 (Dionysos am meisten); Nr. 159, 10 (Dionysos hervorgehoben).

3.4 Die Begründung der Asylieverleihungen: Gut zu den Menschen, gut zu den Göttern 235

Art und Weise religiösen und kultischen Verhaltens, wird überaus deutlich, dass die vielfachen Bekundungen der εὐσέβεια innerhalb der Asylieanerkennungen mit den ausführlichen Darstellungen religiöser Verrichtungen, wie der Opfer, Agone oder Prozessionen der Asyliebitten korrespondieren. Im Rahmen der Asylieanerkennungen sind also nicht die Gottheiten selbst im Zentrum der Legitimationsstrategie, sondern das menschliche Verhalten in religiösen Belangen. Diese These wird durch die Tatsache gestützt, dass im Asyliematerial – neben den isolierten direkten Hinweisen auf das Wirken der Götter in den Gesuchen – nur sehr wenige und zudem spezifisch verortete Bezüge auf Gottheiten im begründenden Teil der Anerkennungen vorhanden sind. Dabei handelt es sich zunächst um die von Antigonos Gonatas und Ptolemaios III. verwendete Asyliebegründung „διὰ τὸν θεὸν“ ‚wegen des Gottes‘.882 Diese Formulierungen werden allerdings in beiden Fällen mit dem Hinweis auf die Asyliebewerber „καὶ διὰ/[τὴ]ν πόλιν“ ‚und wegen der Stadt‘ parallelisiert.883 Das ist natürlich kein zwingender Beleg dafür, dass ‚wegen des Gottes‘ ähnlich der beschriebenen Darstellung der Eusebie das menschliche Verhalten gegenüber der sakralen Sphäre darstellte; allerdings ist der vergleichbare formale Aufbau von ‚Gott/Polis‘ zu εὐσέβεια/εὔνοια auffällig. Darüber hinaus sind nicht mit Eusebie oder Steigerung von Ehre zusammenhängende Belege von Gottheiten innerhalb der Anerkennungsbegründungen ebenfalls selten und zeichnen sich durch die Schwerpunktsetzung im Bereich des menschlichen Verhaltens gegenüber den Göttern aus. Aus Antiocheia in Pisidien heißt es, die Magnesier verrichteten gute Dinge für den Gott;884 während in der Asylieanerkennung aus Antiocheia in der Persis und den vorderorientalischen Städten, auf die mit den Magneten gemeinsam verehrte Göttin rekurriert wird „ὁ δὲ δῆμος σεβόμενος μὲν τοὺς κοινοὺς θεοὺς αὑτοῦ τε/καὶ Μαγνήτων, […]“.885 Ähnlich verhält es sich im teischen Dossier, wo kretische Poleis verlautbaren Dionysos genau wie die Asyliebewerber besonders wertzuschätzen.886 Es lässt sich also durchaus deduzieren, dass Gottheiten in den begründenden Teilen der Asylieanerkennungen keine zentrale Rolle einnehmen, vielmehr besitzt das menschliche Agieren in religiösen Dingen Relevanz. Das gilt sowohl für die vereinzelten direkten Belege von Gottheiten, wie für die mit dem Konzept der Eusebie gefassten. Das Ideal religiösen Agierens, was natürlich im religiösen Feld inhaltlich gefüllt wird, bildet das mit der Eusebie beschriebene Handeln.887 Die Eusebie wiederum stellt einen Teil der idealisierten Identität eines Politen / einer politischen Gemeinschaft dar. Auf diese Weise werden im religiösen Feld verhandelte Inhalte im politischen Feld bedeutsam, allerdings ohne alleinigen Geltungsanspruch. Ein weiterer Teil der musterhaften Identität stammt aus der parallelisierten 882 883 884 885

IG XII 4, 1, 208 (= Rigsby 1996, Nr. 10), 7; 212 (= Nr. 8), 15 f.: διὰ τὸ/[θεῖον, …]. IG XII 4, 1, 208 (= Rigsby 1996, Nr. 10), 7 f.; 212 (= Nr. 8), 16: ἔπ]ειτα δὲ καὶ δι᾿ ὑμᾶς. Rigsby 1996, Nr. 125b, 3. Rigsby 1996, Nr. 111, 40 f. Antiocheia in der Persis wurde von den Magnesiern mitbesiedelt, worüber die Inschrift ebenfalls Auskunft gewährt, was diese Betonung der Gemeinsamkeit im rituellen Bereich erklären könnte. 886 Rigsby 1996, Nr. 137, 9; Nr. 151, 9; Nr. 154, 30. 887 Vgl. dazu ausführlich Knäpper 2014.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

εὔνοια-Vorstellung von zwischenstaatlicher Loyalität oder eines unter Umständen auf Freundschaft und Verwandtschaft zurückgehenden Nahverhältnisses. Εὐσέβεια und εὔνοια als argumentative Muster in Asylieanerkennungen teilen sich folglich den Referenzpunkt des idealen Verhaltens, und das so sehr, dass die Begriffe in seltenen Fällen als austauschbar betrachtet werden.888 Dieses Gefüge von Verhaltenscharakteristika ist um eine weitere Kategorie zu erweitern, wofür die sehr ausführliche epidamnische Asylieanerkennung für das magnesische Heiligtum herangezogen werden kann. Dort heißt es: […] ἐπαιν[έσ]αι δὲ καὶ τ[ὸν] δᾶμον τὸμ Μαγ[νή]των ἐπί τε τᾶι ποτὶ τοὺς θεοὺς εὐσεβείαι καὶ ἐπὶ τ[ᾶ]ι ποτὶ τοὺς [Ἕλλαν]ας εὐνοί[αι] καὶ ἐπὶ τᾶι εὐεργεσίαι τᾶι τε εἰς τὸ ἱερὸν τὸ ἐν Δελφοῖς καὶ εἰ[ς] τ[οὺς] ἄλλους Ἕλλα[νας] […].889 […] Das Volk der Magneten ist zu belobigen wegen der Eusebie gegenüber den Göttern, dem Wohlwollen gegenüber den Hellenen und wegen der Wohltaten gegenüber dem Heiligtum in Delphi und den übrigen Griechen […].

Neben εὔνοια und Eusebie kann auch die Euergesie, die an dieser Stelle ein Chiffre für in der Vergangenheit erzielte diplomatische und militärische Erfolge darstellt,890 einen Teil des Verhaltens der idealen Gemeinschaft darstellen. Alle drei Attribute, die die Verleiher hier den Bewerbern anfügen, nehmen Aspekte idealen Verhaltens auf. Dabei wird zwar auf unterschiedliche Objekte – andere Gemeinschaften, Götter, vorangegangene Erfolge – Bezug genommen, die Ausgestaltung des Verhaltens wird jeodch vergleichbar konzeptualisiert, nämlich als in besonderer Weise zweckdienlich. Einen besonderen Beleg der εὔνοια und εὐσέβεια liefert die römische Asylieanerkennung an Teos. Εὔνοια wird dort gleich zwei Mal verwendet; zunächst um darzustellen, dass die Römer Menippos, den Gesandten des Königs Antiochos III. und der Teier, wegen seiner charakterlichen Prägung und Verdienste wohlwollend aufgenommen haben.891 Die Römer drehen also die übliche Argumentation um, nicht die εὔνοια der Asyliebewerber wird konzeptualisiert, sondern ihre eigene betont.892 Analog verfahren die Römer mit der Eusebie – sie verweisen nicht,893 wie üblich, auf die der Asyliebewerber, sondern postulieren:

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[…] καὶ ὅτι μὲν διόλου πλεῖστον λόγον ποιούμενοι διατελοῦμεν τῆς πρὸς τοὺς θεοὺς εὐσεβείας, μάλιστ’ ἄν τις στοχάζοιτο ἐκ τῆς συναντωμένης ἡμεῖν εὐμενείας διὰ ταῦτα παρὰ τοῦ δαιμονίου·894

888 Für dieses gemeinsame Moment von εὔνοια und εὐσέβεια spricht die von den Verleihern vorgenommene Begründung der Mittelzuweisung an die Ersucher der εὔνοια gegenüber den Göttern, Rigsby 1996, Nr. 96, 37; Nr. 107, 37; vgl. ferner Nr. 129, 26 f. 889 Rigsby 1996, Nr. 96, 27 f. 890 S. 185–187, 227–229. 891 Rigsby 1996, Nr. 153, 11. 892 Das ist im Asyliematerial ein seltener, aber belegter Vorgang: Rigsby 1996, Nr. 63, 14; Nr. 129, 26 f. 893 Eine gewisse Parallele stellt der Hinweis auf die eigene ὁσιοτής seitens der Bürger von Tralleis in der Anerkennung an Magnesia (Rigsby 1996, Nr. 129, 12 f.) dar. 894 Rigsby 1996, Nr. 153, 11–16.

3.4 Die Begründung der Asylieverleihungen: Gut zu den Menschen, gut zu den Göttern 237 […] Und dass wir größte Beachtung der Eusebie gegenüber den Göttern vorbringen, kann man aus der Gunst, die wir von dem Göttlichen stetig erhalten, erraten.

Die Römer verwenden so zwar das typische Vokabular, dennoch wird ganz deutlich, dass sie ihre eigene Deutung hineinlegen. Es ist auffällig, dass die gewöhnlich als Anerkennungsgrund verwendete Betonung der positiven Haltung und Handlungsweisen der Asyliebewerber durch die Asylieverleihenden nicht vollzogen wird. Vielmehr fokussieren die Römer auf ihre eigene positive Haltung gegenüber den griechischen Asyliebewerbern und den Göttern und nehmen sich, obwohl formal eine Anerkennung erfolgt, zu einem gewissen Grade aus der Gruppe der Peers, die das Instrument der territorialn Asylie im Sinne eingespielter Gepflogenheiten recht gleichartig einsetzen, heraus. Vermutlich spielt dabei auch die andere religiöse Ausrichtung der Römer eine nicht unbedeutende Rolle, denn das do, ut desPrinzip ist in Zusammenhang mit dem Hinweis auf die göttliche Bevorzugung aus Gründen der eigenen Eusebie nicht zu übersehen. Des Weiteren verwenden sie εὔνοια, um die Asylieanerkennung einzuschränken – die Asylie soll nur gelten, solange die Teier gegenüber den Römern εὔνοια an den Tag legen „διατηρούντων ὑμῶν καὶ εἰς τὸ / μετὰ ταῦτα τὴν πρὸς ἡμᾶς εὔνοιαν“.895 Gerade diese einzigartige Asyliebeschränkung verdeutlicht allerdings die von den Römern zu Beginn ihres verstärkten Engagements in Griechenland wahrgenommene zwischenstaatliche Bedeutung der εὔνοια. Wenn sie als Grundlage für Gunst- und Privilegiengewährungen herangezogen werden kann, stellt sie mehr dar als ein realitätsfernes Ideal. Die römische Asyliebegründung verrät, dass die Römer auf der Oberfläche zwar durchaus griechische Muster bedienen, jedoch bereits im beginnenden zweiten Jahrhundert eigene inhaltliche Akzente setzen. Es ist zwar sowohl die Verleihungsformel als konstitutives Element der Asylieanerkennung vorhanden als auch die Verwendung des geläufigen Vokabulars sichergestellt, die Ausgestaltung der erläuternden Partien jedoch erweist sich als vom Gros der Dokumente verschieden. Die Darlegung der Argumente der Asyliebewerber fehlt zum überwiegenden Teil und die griechischen Begrifflichkeiten werden durch die Römer anders konzeptualisiert. Andererseits offenbart sich an dieser Stelle auch der verhältnisregulierende Charakter der εὔνοια, der sicher auch aus ihrer, zumindest im Asyliematerial häufigen, Nähe zur vertraglich vereinbarten φιλία resultiert.896 Orakel und Epiphanien Der Bezug auf Orakel, die die Asyliebewerber eingeholt haben, ist in den Anerkennungsdekreten recht geläufig, auch wenn bei weitem nicht zwingenderweise auf das Orakel verwiesen wird.897 Im magnesischen Dossier etwa ist ob der vielfachen 895 Rigsby 1996, Nr. 153, 24. 896 Φιλία und οἰκειότης zählen außerhalb der Asyliedokumente durchaus zu den Charakteristika, die Griechen und Römer für ihre Beziehungen finden, vgl. dazu Battistoni 2009, 90–93. 897 Bezugnahme auf Orakel: Rigsby 1996, Nr. 7, 6, 16; IG XII 4, 1, 220 III (= Rigsby 1996, Nr. 27), 36; Rigsby 1996, Nr. 57, 6; Nr. 60, 8; Nr. 62, 9; Nr. 63, 9; Nr. 64, 9 f.; Nr. 79, 24; Nr. 82, 19; Nr. 85, 24; Nr. 86, 17; Nr. 87, 30; Nr. 92, 15; r. 93, 29; Rigsby 1996, Nr. 94, 36; 96,

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

Übereinstimmungen innerhalb der Gesuchswiedergaben sowie der Stiftungsurkunde sicher von einer starken argumentativen Einbindung des Orakels in das Psephisma mit dem Gesuchstext auszugehen,898 eine Bestätigung dessen findet sich allerdings nur in einem Teil der Texte. Die Epiphanie der Artemis Leukophryene für ihren Teil, die ebenfalls in der Stiftungsurkunde und in einer Reihe von Gesuchsberichten verzeichnet ist, wird nicht nur in diesem Dossier nicht wieder aufgenommen, sondern innerhalb der gesamten Gattung nicht von den Asylieverleihern innerhalb ihrer eigenen Begründungsmotivation genannt. Der Befund befremdet zunächst, jedoch lässt er sich mit einer Analogie zu den ausführlichen Beschreibungen der kultischen Handlungen seitens der Asyliebewerber und ihrer vorgeschlagenen Wiedergabe als Eusebie gegenüber den Göttern erklären: Während der offenbarte Wille einer Gottheit eine für geeignet gehaltene Legitimationsstrategie in Bittgesuchen jeglicher Art darstellt, scheint die Anerkennung der Bitte, bisweilen mit dem Zusatz ‚nach dem Orakel des Gottes / der Göttin‘, als Reaktion auf das Vorbringen eines Orakels zu reichen. Dies liegt vermutlich darin begründet, dass die gängige Form des Umgangs mit öffentlich gemachten Orakeln im Normalfall die Befolgung der Vorschläge war und diese Gepflogenheit weitere Erklärungen unnötig machte. Warum unter diesen Prämissen keine Rücksicht auf die Erwähnung der Epiphanie genommen wurde, kann auf Grund der Tatsache, dass lediglich drei Epiphanien899 – die der Artemis in Magnesia, die des Apollon in Klaros/Kolophon sowie unter Vorzeichen des Konkurrenz zu Magnesia auch der Leto und des Zeus in Didyma/Milet – bekannt sind, nicht endgültig geklärt werden. Wenn Epiphanien jedoch mit Bonnechere als Absicherung verschaffende Zeugnisse der doppelten Orakelanwendung zu sehen sind, könnten möglicherweise Orakel als erwähnungsbedürftiger angesehen worden sein beziehungsweise keine Notwendigkeit für die genaue Differenzierung der einzelnen Facetten der göttlichen Meinungsäußerung bestanden haben. Orakel und Epiphanien werden im Rahmen der Anerkennungen der Asylie folglich weniger häufig und deutlich weniger ausführlich benannt, als in Zusammenhang mit Asyliebitten. Dies liegt vermutlich darin begründet, dass die Befolgung des Orakels (und gegebenenfalls auch der Epiphanie) mit der Anerkennung der Asylie bereits gegeben und eine ausführliche Diskussion des Arguments nicht mehr notwendig ist. Ruhm und Ehre Wie bereits dargestellt, bildet Ehre (τιμή) auch im hellenistischen Griechenland eine soziale Kategorie, die sowohl im zwischenmenschlichen als auch zwischenstaatlichen Bereich gerade in Konkurrenzsituationen zur Rangzuweisung genutzt werden kann. Ehre und Ruhm (δόξα) erweisen sich innerhalb der Asyliedokumente als be33; r. 103, 18, 28; Nr. 105, 27; Nr. 112, 28; Nr. 119, 17; 120, 33; Nr. 129, 18; Nr. 157, 8; Nr. 165 (Orakeltext vom delphischen Orakel). 898 Vgl. dazu Chaniotis 1999, 66–69. 899 Zur Epiphnie vgl. jetzt grundsätzlich Petridou 2015, bes. 18–24, 107–170.

3.4 Die Begründung der Asylieverleihungen: Ruhm und Ehre

239

deutsame Begründungsmotive der Anerkennungen. Beide Begriffe stehen innerhalb der untersuchten Inschriftengattung in engem Verhältnis mit sozialkonformen Verhaltensnormen und werden im Rahmen der Gesuche häufig zusammen verwendet. In den Asylieanerkennungen hingegen, verfügt τιμή über eine breitere Belegbasis. Allerdings sind für die Verwendung der Ehre als Mittel der Begründung der Asylieannahme auch gewisse Entwicklungen und zeitliche Häufungen auszumachen. Eine erste Phase ist in den 240er Jahren festzustellen, als mit der koischen Asyliebitte erstmalig ein Gesuch große Teile der griechischen Oikumene erreichte. Die makedonischen Städte Pella, Amphipolis und Philippi verliehen dem koischen Asklepieion in diesem Zusammenhang die erbetene Asylie, und zwar unter Betonung der Tatsache, dass die Koer für die von ihnen der Göttin entgegengebrachten Ehrungen zu belobigen seien.900 Vergleichbares wird in der Inschrift aus Kassandreia, was zur selben Gesuchsserie gehört, unter Verwendung von Ruhm konstruiert. Dort heißt es über die koischen kultischen Bemühungen, die Antragsteller zeichneten sich durch ruhmvolle Handlungen aus.901 Im ausgehenden dritten Jahrhundert entwickeln in einem zweiten Schritt die Asyliebewerber die Gewohnheit, das Asyliegesuch mit der Bitte um die Erhöhung der Ehren ihres göttlichen Patrons zu kombinieren beziehungsweise zu erläutern.902 Dies hängt möglicherweise mit der verstärkten Konkurrenzsituation im westlichen Kleinasien zu dieser Zeit zusammen, die auch in den Asyliegesuchen spürbar ist. Ein zweiter Ursprung dieses Arguments könnte die für Kos festgehaltene Belobigung der Ehren für den Gott seitens der makedonischen Poleis darstellen. Jedenfalls nehmen auch die Verleiher von Asylie dieses Argument auf und so formulieren beispielsweise die Phokaier, sie wollten die Ehren der Götter mitvergrößern „κ[αὶ βου]- / [λόμενος] συναύξειν τὰς τῶν θεῶν τιμὰς“.903 Diese Begründung der Asylie wird – unabhängig davon ob Poleis, Bünde oder Könige die Asylie anerkennen – recht beliebt, wobei sie hinsichtlich der zentralen göttlichen Entität modifiziert werden kann.904 Zumeist wird diese Begründung der Asylieanerkennung nicht weiter erläutert, in der Inschrift des Achaiischen Bundes allerdings lässt sich ein gewisser Hinweis auf die Logik hinter dieser Verwendung finden: 25

τοῖς δ[ὲ] Ἀχαιοῖς πάτριόν905 ἐστι συναύξειν τάς τε τιμὰς τὰς παρ’ ἑκάστοις ὅσοι καὶ τοῖς Ἀχαιοῖς συν[αύ]ξοντι·906

900 IG XII 4, 1, 221 I (= Rigsby 1996, Nr. 23), 11; 220 II (= Nr. 26), 29; 220 III (= Nr. 27), 45 f. Vgl. auch Rigsby 1996, Nr. 162, 14, wo in vergleichbarem Kontext Philotimie belobigt wird. 901 IG XII 4, 1, 220 I (= Rigsby 1996, Nr. 25), 12. 902 S. dazu 199 f. 903 Rigsby 1996, Nr. 63, 15. 904 Rigsby 1996, Nr. 69, 22 f.; Nr. 70, 20–22; Nr. 82, 29 f.; Nr. 84, 15 f.; Nr. 85, 25 f.; Nr. 88, 19 f.; Nr. 89, 24–27; Nr. Nr. 93, 23; Nr. 94, 27 f.; Nr. 96, 26; Nr. 113, 23; Nr. 120, 34 f.; Nr. 130, 11 f. 905 Vergleichbar argumentieren die ionischen Städte und Klazomenai, die auf das stetige Bemühen der Vorfahren verweisen, sich einen guten Ruf (εὐφημία) und Ruhm (δόξα) zu erarbeiten (Rigsby 1996, Nr. 102, 48). 906 Rigsby 1996, Nr. 89, 24–27.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts Es ist traditionsgemäß für die Achaier die Ehren [der Gottheit] bei denen mitzuvergrößern, die bei den Achaiern [die Ehren der Gottheit] vergrößern.

Die Achaier betonen also die Reziprozität des Ehrsteigerungsmotivs, was ein Stück weit erklärt, warum sich gerade dieses Argument als so beliebt und so wenig erklärungsbedürftig darstellt: Wer die Ehren der Gottheit des Interaktionspartners (mit) steigert, der kann als Gegenleistung für dieses Verhalten erwarten, eigene Ansprüche bestätigen lassen zu können. Daraus ergibt sich eine gewisse Absicherung der eigenen Interessen und eine niedrigschwellige gegenseitige Bindung. Darüber hinaus findet das Ehrargument in den Asylieanerkennungen auch an anderer Stelle Anwendung. Es ist durchaus geläufig, dass die Asyliegesuche begleitenden Anfragen um die Statuserhöhung des Agons von den Asylieverleihern mit isopythischen Ehren ausgestattet werden.907 Wie bereits in Zusammenhang mit dem Prozedere der Asyliegesuche und -bestätigungen formuliert, sind Anerkennungen des Vorhabens für die Umsetzung eines Kranzagons zwingend notwendig. Denn die jeweiligen politischen Gemeinschaften der Sieger sind für über die Bekränzung hinausgehende Ehrungen und auch finanzielle Privilegierungen verantwortlich.908 In diesem Zusammenhang ist die Veranlassung isopythischer Behandlung ein für die Bewerber tatsächlich beträchtlicher Vorteil, der ihre Festspiele potentiell lukrativ macht. Für die Gegenseitigkeit der Verhältnisse kann auch ein isoliertes Zeugnis von Ziaëlas von Bithynien angeführt werden. Der König argumentiert im Rahmen der Erläuterung seiner Asylieanerkennung, er wolle Ruhm erwerben, indem er sich gegenüber den Hellenen wohltätig zeige.909 Beide breit fassbaren Verwendungsweisen von Ehre im Rahmen der Asylieanerkennungen deuten folglich auf die verbindungsstiftenden Mechanismen dieses Arguments. Einerseits bezeugen die Verleiher guten Willen, indem sie mit den Asyliebewerbern die Ehrsteigerung der Götter forcieren. Dadurch wird so eine gewisse Wertschätzung gegenüber den Asyliebewerber deutlich, die auch eine gewisse Rangzuweisung in der Welt der zwischenstaatlichen Diplomatie darstellt. Daneben wird so auch eine eigene Erwartungshaltung im Hinblick auf die Abgrenzung der eigenen Interessen offenbart. Die Bestätigungen der Agone als isopythisch an Ehren andererseits, lassen ähnliches vermuten, da die Verleiher in dem Fall eine Verpflichtung eingehen, die den Bewerbern zum diplomatischen wie auch finanziellen Vorteil gereicht. d. Exzeptionelle und situationsgebundene Argumente Manche Argumente der Asylieverleiher erweisen sich mit der historischen Situation als derart verbunden, dass sie keine allgemeine Geltung innerhalb der Gattung erlangen können. Natürlich verfügen diese exzeptionellen Erklärungsmodelle über

907 Rigsby 1996, Nr. 79, 12; Nr. 81, 29; Nr. 82, 24; Nr. 85, 22; Nr. 86, 19; Nr. 94, 22; Nr. 96, 22; Nr. 105, 28–30; Nr. 111, 85?; Nr. 174, 27?; Nr. 178, 17 f. 908 Vgl. Slater/Summa 2006, 283; 285–287. 909 IG XII 4, 1, 209 (= Rigsby 1996, Nr. 11), 15.

3.4 Die Begründung der Asylieverleihungen: Exzeptionelle Argumente

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Gemeinsamkeiten zu den bereits beschriebenen Mustern, jedoch lassen sie sich schwerlich einer Gruppe zuordnen. Wohl und Rettung In einigen wenigen Dokumenten aus dem koischen und magnesischen Asyliedossier findet sich die Begründung der Asylieannahme mit der These, es geschehe zu Wohl (ὑγίεια) und Rettung (σωτηρία) der Beteiligten.910 Dabei sind den Inschriften und den historischen Verhältnissen vor Ort weder besondere Gefahren noch spezifische Nahverhältnisse der Beteiligten abzulesen. Selbstverständlich könnte dies aus dem zufälligen Schweigen der Quellen resultieren. Ebenso möglich scheint aber, dass es sich um positive Bekundungen in Zusammenhang mit der Asylieanerkennung handelt, die sich am ehesten als Adresse an Wohl und Rettung im Rahmen eines performativen Vorgangs – wie dem häufig beschlusseinleitend verwendeten „ἀγαθῆι τύχηι“ –911 fassen lassen. Römer als Argument In der Asylieanerkennung der Delphischen Amphiktyonie für Eumenes II. und Pergamon taucht ein höchst politisch motiviertes und anderenorts nicht belegtes Argument auf. Es handelt sich um das Verhältnis zu den Römern, das auch von Eumenes II. im Rahmen seiner belegten Gesuche nicht angeführt wird. Zum einen formulieren die Amphiktyonen, dass Eumenes II. wie schon sein Vater vor ihm εὐσέβεια gegenüber den Göttern und εὔνοια gegenüber den Amphiktyonen erwiese, was eine übliche Charakterisierung von Asyliebewerber darstellt. Darauf allerdings schließen sie an, er verfüge auch über φιλία gegenüber den Römern, was in der Form ein einmaliges Motiv darstellt.912 Ferner wird das Verhältnis zu Rom auch in der anschließenden Formulierung, die Römer vergrößerten jene Königreiche, die zur Erhaltung der allgemeinen Sicherheit in Griechenland beitrügen, thematisiert.913 Die Größe und positive Entwicklung des pergamenischen Reiches werden so mit den diplomatischen und militärischen Verdiensten Eumenes’ II. assoziiert, jedoch werden diese nicht direkt von den Amphiktyonen belobigt, sondern vermittels eines ausgeklügelten Arguments über die Einbindung der Römer als Urheber des Urteils positiv herausgestellt. Dass diese Argumentation auf eine prorömische Zusammensetzung der Delphischen Amphiktyonie hindeutet, ist früh beobachtet worden.914 Auch dass die prorömischen Kräfte sich über eine neue aufstrebende Macht in Kleinasien freuen, verwundert nicht. 910 Rigsby 1996, Nr. 28,5; Nr. 29, 5 f.; Nr. 48, 24; Nr. 49, 24; Nr. 103, 25; Nr. 112, 30. 911 Rigsby 1996, Nr. 15, 11 f.; Nr. 20,8; Nr. 22, 2; Nr. 25, 8; r. 27, 9; r. 28, 3; Nr. 29, 2; Nr. 35, 6; Nr. 46, 7; Nr. 48, 4; Nr. 49, 1, 24; Nr. 62, 1; Nr. 63, 11; Nr. 64, 12; Nr. 87, 22; Nr. 94, 3; Nr. 96, 23; Nr. 99, 9; Nr. 100, 30 f.; Nr. 101, 25; Nr. 102, 23; Nr. 103, 22; Nr. 104, 16; Nr. 105, 24; Nr. 106, 20; Nr. 108, 11; Nr. 111, Nr. 47; Nr. 112, 17; Nr. 113, 19; Nr. 115, 3; Nr. 125a, 22; Nr. 126, 5; Nr. 129, 14; Nr. 131, 13; Nr. 155, 17; Nr. 163, 11; Nr. 179, 18 f.; Nr. 181, 1; Nr. 96, 1. 912 Rigsby 1996, Nr. 3 f. 913 Rigsby 1996, Nr. 179, 4–10. 914 Holleaux 1968, 70–71.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

Aus dieser Passage lässt sich zudem ableiten, dass die römische Präsenz in Griechenland in den 180er Jahren bereits so ausgebaut war, dass die Position der Römer von anderen politischen Akteuren hinsichtlich ihrer eigenen Ausrichtung durchaus beachtet wurde. Die Verwendung der Römer als Argument innerhalb der Asyliedokumente deutet bereits in die Richtung, in die die Zeugnisse des ersten Jahrhunderts weisen – die Römer werden in Zusammenhang mit Asylie für angemessene Privilegienverleiher gehalten, möglicherweise weil ihnen bereits von Beginn an eine gewisse eigene Interpretation der Sachlage zuzuschreiben ist. Herrscherfamilie und Herrscherkult Vereinzelt lassen sich in den Asyliedokumenten Hinweise darauf finden, dass königliche Asylieverleiher ihr Handeln mit Ehrungen sich oder ihrer Familie gegenüber begründen. Zum einen handelt es sich um die Argumentation Seleukos’ II. mit der Verehrung seines Vaters und seiner Großmutter in Smyrna in Zusammenhang mit seiner Asylieanerkennung für die Stadt.915 Die politische Bedeutsamkeit dieser Argumentation mit dem bestehenden Herrscherkult kann in Anbetracht des tobenden Bruderkrieges zwischen Seleukos II. und Antiochos Hierax kaum überschätzt werden. Seleukos II. setzt eben nicht die Verehrung seiner Mutter in Szene, die Antiochos Hierax stützt, sondern ersetzt die weibliche Begleiterin seines Vaters durch die bereits in der Antike weithin bekannte Großmutter. Die Verwurzelung dieser Argumentation in der momentanen Situation der nicht geklärten Thronfolge ist somit nicht von der Hand zu weisen und vermutlich auch der Grund, warum dieses Argument nicht allzu üblich geworden ist. Zum anderen ist die Begründung der Asylieanerkennung Kos’ durch Ptolemaios III. anzubringen. Darin fokussiert der König im Anschluss an die Verleihungsformel auf eine ihm zu Ehren aufgestellte Statue916 sowie die Anerkennung der Spiele in Hiera Nesos.917 Das Anbringen der Ehrung der eigenen Person und der Bevorzugung des protegierten Agons als Grund für die Asylieanerkennung seitens des Königs spiegelt vermutlich das euergetische Selbstverständnis der hellenistischen Monarchen, das Überbietung der ihnen dargebrachten Gaben oder Ehrungen zu veranlassen vermag.918 Die Argumentation der asylieverleihenden Könige mit ihnen zuvor dargebrachten Ehrungen stellt folglich ein eher peripheres Phänomen dar. Dies könnte auf Grund der recht wenigen königlichen Anerkennungen aus der geringen Quellenmenge resultieren; möglich scheint jedoch auch die Herleitung aus dem königlichen Selbstverständnis, das eher für die Betonung königlicher Initiative spräche.

915 StV III 492 I, 8–10. Zur kultischen Verehrung von Frauen vgl. Caneva 2012. 916 Von einer begünstigten Poleis zuvor dargebrachte Statuen sind auch aus Teos für Antiochos III. und Laodike bekannt, vgl. Herrmann 1965, 1, 40–55. Zudem sind Statuen verzeichnet, die von den Asylieverleihern von der Delphischen Amphiktyonie und vom Aitolischen Bund an den asylieersuchenden Eumenes II. und seine Familie gestiftet wurden (Rigsby 1996, Nr. 178, 12–14; Rigsby 1996, Nr. 179, 21–23). 917 IG XII 4, 1, 221 (= Rigsby 1996, Nr. 8), 16–19. 918 Vgl. Bringmann 2000, 82–90.

3.5 Die territoriale Asylie als Mittel politischer Interaktion

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3.5 DIE TERRITORIALE ASYLIE ALS MITTEL POLITISCHER INTERAKTION Bei der territorialen Asylie handelt es sich um ein Instrument der zwischenstaatlichen Diplomatie, das zwischen der Mitte des dritten und der Mitte des zweiten Jahrhunderts mit einem deutlichen Schwerpunkt um die Jahrhundertwende florierte. Es lässt sich nach inhaltlichen und formalen Kriterien von sowohl synchron als auch diachron feststellbaren ähnlichen Phänomenen abgrenzen. Auf Grund der Quellenlage erweisen sich die Asyliedokumente aus Kos, Magnesia am Mäander und Teos als sowohl prozessual wie argumentativ besonders bedeutsam und in vielfacher Hinsicht prägend für die gesamte Gattung; zudem gliedern diese Dossiers das Material, wobei das von Kos in den Anfangsjahren des Phänomens, das von Magnesia am Mäander zur Hauptverbreitungszeit und das von Teos spät zu verorten ist. Als Asyliebewerber treten Poleis des griechischen Festlands, der Ägäis und Kleinasiens auf, wobei Westkleinasien und die vorgelagerten Inseln vorrangig mit diesem Instrument in Zusammenhang zu bringen sind. Als einziger in üblicher Art und Weise asylieersuchender König fungiert Eumenes II., was sicher in der besonderen Bindung zwischen Pergamon und den Attaliden begründet ist. Die Asylieverleiher für ihren Teil stammen aus der gesamten griechischen Welt zwischen Iran und Sizilien, zwischen der Propontis und Ägypten und sind sowohl unter Poleis, Bünden als auch Königen zu finden. Auch Rom tritt bereits im frühen zweiten Jahrhundert als Asylieverleiher auf. Formal erweisen sich die allermeisten Asyliedokumente als Anerkennungen mit einem spezifischen Aufbau, der durchaus erlaubt, auch den Inhalt der Gesuche nachzuvollziehen. Es lassen sich mehrere Typen von üblichen Formularen ausmachen, wobei seitens der Poleis und Bünde das Beschlussformular und seitens der Könige der Brief am stärksten verbreitet ist. Darüber hinaus sind einige wenige Zeugnisse von Asyliegesuchen direkt erhalten, die partiell vergleichbare Strukturen aufweisen. Die Dokumente erlauben den Rückschluss auf ein in groben Zügen während der gesamten hundertjährigen Geschichte der territorialen Asylie sehr vergleichbares Prozedere, das die Mitwirkung der um Asylie erbittenden Partei genauso benötigt wie die der Asylieverleiher. In einer Analogie zu der von Summa und Slater beschriebenen unbedingten Notwendigkeit der Anerkennung von Festspielen bei intendierter Statusänderung zu einem Kranzagon,919 ist auch für die territoriale Asylie festzustellen, dass die Anerkennung konstitutiv ist. Es gibt zwar vereinzelte Belege, dass Asyliebewerber etwa eigenständig Grenzsteine platzieren; die Statusänderung allerdings, soviel ist klar, tritt stets mit der Anerkennung ein. Der Ablauf der Asyliegesuche legt nahe, dass die Dokumente zwar keine bilateralen Verträge darstellen, aber durchaus Vertragscharakter aufweisen: Die Antragsteller suchen die jeweiligen potentiellen Interaktionspartner auf, legen ihnen zumeist ein Psephisma mit der Asyliebitte und ihrer Begründung vor und formulieren 919 Slater/Summa 2006, 283; 285–287.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

nicht selten zusätzliche Argumente für eine Anerkennung der Bitte in der Volksversammlung oder einem vergleichbaren Gremium. Die meisten Asyliegesuche enthalten durchaus proleptische Aspekte etwa in der Betonung, dass ein Freundschafts- oder Verwandtschaftsverhältnis begründet oder erneuert und so auch εὔνοια und οἰκειότης seitens der Antragsteller gesichert werden. Die Asylieverleiher reagieren mit einer formalen Anerkennung der Bitte und ergänzen diese um eine eigene Begründung, wobei sie auch die Argumente der Asyliebewerber zumeist zusammenfassend wiedergeben. Dabei rekurrieren sie auf Formulierungen der ersuchenden Partei betreffend der Freundschaft und Verwandtschaft, εὔνοια oder οἰκειότης und betonen die eigene entsprechende Disposition. Nicht selten werden von den Asylieverleihern auch weitere Beschlüsse gefasst, und zwar in einem Spektrum, das von der Ehrung der Gesandten bis hin zur Isopolitiegewährung für die gesamte Bürgerschaft reicht. Die Asylieinschriften spiegeln also ein Aufeinanderfolgen von Vertragsofferte und Vertragsanerkennung und sind damit eindeutig als rechtsverbindliche Dokumente einzuordnen, die in ihrem Entstehungsprozess beispielsweise Isopolitiebeschlüssen ähneln. Die territoriale Asylie und die eventuell mitbeschlossenen Inhalte haben im Anschluss Bedeutung für die Bewerber und Verleiher: Es entsteht ein Asylienetzwerk, das eine gewisse Schutzzone garantiert. Dieser Aspekt des Schutzes erweist sich um ein vielfaches gesteigert, wenn die Asylieverleiher zeitgleich Sylaneinschränkungen aussprechen und den Prozessweg für Zuwiderhandlungen skizzieren, was zwar häufig, aber mitnichten ausschließlich seitens der Piraterie berüchtigter Staaten passiert. Gegen einen quasivertraglich geregelten Schutzzonenanspruch wird zumeist eingewendet, es gäbe durchaus gescheiterte Asylien, also Fälle, wo nach einer Asyliegewährung Gegenhandlungen stattgefunden hätten. Dabei gilt es zunächst zu betonen, dass einer solchen Gegenprobe wohl nicht wenige Verträge, die von der modernen Forschung als solche akzeptiert werden, nicht standhalten würden. Vielmehr geben die Berichte über oder Hinweise auf Plünderungen von unverletzlichen Örtlichkeiten Auskunft über die Notwendigkeit eines solchen Instruments. Viele Belege für missachtete Asylie sind nicht zuletzt wegen der geringen Resonanz des Phänomens in den literarischen Quellen ohnehin nicht auszumachen. Die meisten gehen auf Polybios zurück. Er beschreibt etwa in gewohnt wenig aitolerfreundlicher Manier die Plünderung des Itoniums in Koroneia gute 30 Jahre nach der Asylieanerkennung,920 oder verzeichnet im Rahmen der antirömischen Rede des Akarnanen Lykiskos in Sparta Plünderungen von vier ‚unverletzlichen Heiligtümern‘ zur Deklassierung bestimmter politischer Figuren, wobei jedoch nur in einem Fall epigraphische Hinweise auf Asylie vorliegen.921 Möglicherweise ist auch Polybios’ deutlich ablehnender Bericht über die Plünderung Antiocheia-Alabandas durch Philipp V. als ein Zeugnis gescheiterter Asylie zu werten. 201, also kurz nach der Asylieanerkennung, sei Philipp V. gegen Antiocheia-Alabanda wie gegen Fein920 Pol. 4, 25: Plünderung des Itoniums durch die Aitoler zwischen 229–224. 921 Pol. 9, 34: Plünderung des Poseidonions im Tanairon, des Heraions in Argos, des Poseidonions in Mantineia sowie des Artemisions in Lusi.

3.5 Die territoriale Asylie als Mittel politischer Interaktion

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desland vorgegangen und habe sich darauf zurückgezogen, dass Not kein Gebot kenne und er sein Heer ernähren müsse „τὴν δ᾽ Ἀλαβανδέων χώραν ὡς πολεμίαν κατέφθειρε, φήσας ἀναγκαῖον εἶναι πορίζειν τῷ στρατεύματι τὰ πρὸς τὴν τροφήν“.922 Die Rechtfertigung Philipps V. zeigt, dass seine Handlungen mit anderweitigen Abmachungen kollidierten. Dies wiederum könnte die kürzlich von den Seleukiden anerkannte Asylie sein oder sein Bündnis mit Antiochos III. In beiden Fällen wäre die Asylie allerdings ein Problemfaktor – entweder direkt, weil sie gebrochen worden wäre, oder indirekt, weil Antiocheia-Alabanda durch die Asylie mit Philipps V. Verbündeten Antiochos III. eine Schutzzone ausgehandelt hätte. Die Darstellung der gescheiterten Asylie wäre also in diesem Fall kein zwingendes Zeugnis ihrer Unwirksamkeit, sondern vielmehr ein ex negativo präsentierter Beleg ihrer Bedeutung. Neben den polybianischen Passagen sind auch einige epigraphische Zeugnisse anzuführen, die von Rigsby zur Darstellung der geringen Funktionalität der Asylie genutzt werden. Dabei handelt es sich zum einen um eine koische Inschrift aus der Zeit um 200, in der die Politen zur Absicherung Kriegsschiffe in Auftrag geben.923 Zum anderen um den Friedensvertrag zwischen Magnesia am Mäander und Milet aus dem Jahre 196, der keine Klauseln über die Asylie der beiden Poleis enthielte.924 Statt die Unwirksamkeit der Asylie im Kriegsfall zu demonstrieren, helfen die Dokumente eher zu verstehen, was von der Asylie erwartet werden kann und was nicht. Für das koische Flottenprogramm ist anzumerken, dass weder Friedensverträge noch beispielsweise traditionelle Formen von sakralem Schutz, wie ihn Heiligtümer oder etwa die Eleier zumindest zeitweilig beanspruchen konnten, jemals zu einer völligen Demilitarisierung geführt haben. Zum anderen – und das leitet bereits zum magnesisch-milesischen Vertrag über – stellt die territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts ein anerkennungsbedürftiges Instrument dar und das bedeutet, dass politische Akteure, die die Asylie nicht anerkannt haben, auch keine Veranlassung hatten selbige zu berücksichtigen. Dieselbe Erklärung würde auch das Fehlen der Asylie im Friedensvertrag zwischen Magnesia am Mäander und Milet schlüssiger erklären als die Annahme unwirksamer Diplomatie, denn für beide Gesuche ist die Anerkennung durch die jeweilig rivalisierende Stadt nicht belegt. Die Interpretation der Asylie als anerkennungsgebunden verweist wiederum auf den vertragsähnlichen Charakter des Instrumentes, und zwar gerade weil nicht dezidiert vereinbarte Asylie keine politische Relevanz besitzt. 922 Pol. 16, 24, 8. 923 IG XII 4, 1, 74. Zur Unwirksamkeit der Asylie in Zusammenhang mit dieser Inschrift vgl. Rigsby 1996, 110, 184 f. 924 Milet I 3, 148 (= Syll.3 588); Zur herkömmlichen Datierung auf das Jahr 196, vgl. den Kommentar zu Milet I 3, 148; vgl. ferner Herrmann 2016, 277. Errington 1989 datiert die Inschrift unter Bezug auf die Funktion des Vertrages zwischen Milet und Herakleia (Milet I 3, 50) als terminus post quem in die zweite Pentade der 180er Jahre; so auch Rigsby 1996, 184; Chaniotis 1996, 284 f. Wörrle 2004 entkräftet die Argumentation Erringtons mit Rückbezug auf die Quellen. Entscheidend scheint sein Einwand, dass die Ereignisse nach dem Frieden von Apameia 188 Milets Verfügung über Myus bereits voraussetzen; so auch Thonemann 2007, 160.

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

Darüber hinaus ist die benannte Materialhäufung in den letzten Dekaden des dritten Jahrhunderts und um die Jahrhundertwende besonders zu betonen. Es scheint kein Zufall, dass gerade in einer Zeit wechselnder Machtverhältnisse auf mannigfaltige Absicherungsstrategien zurückgegriffen wurde. Der ptolemäische Einfluss ging gerade in Westkleinasien und der Ägäis zurück, die Antigoniden und Seleukiden wandten sich den Regionen verstärkt zu, zudem drängten sich neuformierende Mittelmächte auf die politische Landkarte, etwa der Aitolische Bund, Rhodos und zum Teil sicher auch das Kretische Koinon. Diese Entwicklungen sind jedoch nicht als parallele unabhängige Ereignisse zu betrachten, sondern als kausal und konsekutiv vernetzte Phänomene, bei denen die hellenistischen Groß- und Mittelmächte zeitgleich in mehreren geographischen Regionen aktiv waren. Diese zumindest potentielle Bedrohungssituation bewegte die Städte zur Stabilisierung ihrer Lage dazu, ihre eigenen Netzwerke zu kultivieren und zwar sowohl in Hinblick auf ein eigenes Asyliegesuch als auch auf die Anerkennung eines fremden. Diese Annahme gilt vermutlich eher für diejenigen, die um Asylie ersuchen, als für diejenigen, die sie gewähren – die Bewerber sind schließlich zumeist der initiative Partner. Dennoch lässt sich ein gewisser netzwerkimpliziter Sicherheitsfaktor auch für die Verleiher annehmen, zumal manche Poleis, darunter Smyrna, Kos, Teos, AntiocheiaAlabanda, Tenos und Kolophon, als Bewerber und Verleiher auftraten. Auch die Begründungen der Gesuche um und Anerkennungen von Asylie deuten auf in der politischen zwischenstaatlichen Realität liegende Motive. Die Asyliebewerber argumentieren in einer Vielzahl der Fälle mit Freundschaft und Verwandtschaft, οἰκειότης und εὔνοια, die, wie bereits erwähnt, durch eine inhärente proleptische Komponente den vertragsähnlichen Charakter der Dokumente stützen. Daneben fokussieren sie auf diplomatische oder militärische Erfolge in der Vergangenheit, die nicht selten für große Teile Griechenlands bedeutsam waren, und in den Fällen der Asyliebitte für Heiligtümer verstärkt auf die Pflege der betreffenden Kulte. Diese beiden Facetten der Gesuchsargumentation lassen sich durchaus als Bestandteile der Selbstdarstellung im Sinne des idealen Bürgerverbandes verstehen. Dabei spielen die diplomatischen Verwicklungen unhinterfragbar eine Rolle im politischen Feld, während die auf das Kultische bezogenen Aussagen gerade von Rigsby zum Zeugnis des Sakralen in den Urkunden stilisiert werden. Vergleichbar ist die Verwendung der Motive Ruhm und Ehre und ihrer Steigerung in Zusammenhang mit den jeweiligen göttlichen Patronen in den Asyliegesuchen. Diese verweisen eben nicht auf leeren Gestus, sondern lassen sich unter Bezug auf die historischen Arbeiten zum Komplex der Ehre als gesellschaftlichem Regulativ durchaus realitätsaffin deuten. Ehre und Ehrsteigerung dienen im kompetitiven Wertesystem der Griechen als vorgebrachte Leistungen – τιμή fungiert geradezu als Mittel der Rangzuweisung sowohl in der Gesellschaft als auch im zwischenstaatlichen Raum. Den Ritualvollzug und die Steigerung der Ehre der Götter verbindet also das Merkmal des positiv besetzten Verhaltens gegenüber dem Sakralen, das als εὐσέβεια charakterisiert wird. Dabei werden die Bewertungskriterien für richtiges religiöses Agieren, die korrekten kultischen Gewohnheiten etc. im religiösen Feld verhandelt, die Tatsache jedoch, dass dieses positiv konnotierte Verhaltensmuster einen Teil der politischen Identität bildet, entstammt der Ausdifferenzierung des politischen Fel-

3.5 Die territoriale Asylie als Mittel politischer Interaktion

247

des. Die Argumentationen mit dem Ritualvollzug und der Steigerung der Ehre der Götter lassen sich folglich im Grenzbereich zwischen dem religiösen und politischen Feld ansiedeln. Auch die Asylieverleiher legitimieren ihr Handeln gern mit dem Bild der idealen Bürgerschaft. Sie berufen sich dabei im Großen und Ganzen auf drei Charakteristika: εὔνοια, εὐεργεσία und εὐσέβεια. Unter εὔνοια ist dabei die allgemein wohlwollende, loyale Geisteshaltung zu fassen, die die Asyliebewerber im Offertenteil darlegen und die Asylieverleiher bestätigen. Nicht selten wird diese Haltung zudem mit φιλία oder συγγένεια erläutert. Als Euergesie fassen die Asylieverleiher die vergangene diplomatische, militärische oder auch finanzielle Vermittlung oder Unterstützung zusammen, die nicht zwingend auf sie bezogen sein muss, sondern in den allermeisten Fällen sogar auf andere Städte oder panhellenische Orte rekurriert. Unter Eusebie werden sodann in positiv konnotierter Art und Weise ausgeführte Handlungen im kultischen Bereich subsumiert, wie die Opfer, Prozessionen und Agone für die jeweiligen Gottheiten. Zu diesem Punkt können darüber hinaus die Belege angeführt werden, in denen die Mehrung der Ehre der Götter anerkannt und befördert werden soll. Insgesamt kristallisiert sich in der Trias εὔνοια, εὐεργεσία und εὐσέβεια eine Auffassung der Asylieverleiher heraus, die positives Verhalten im zwischenstaatlichen Kontext aber auch in der eigenen Gemeinschaft zum Maßstab für die Asylieanerkennung macht. Diese Bindung der Asylievergabe an die Erfüllung bestimmter Normen verwundert nicht, wenn man den Netzwerkcharakter der territorialen Asylie betrachtet: Die Interaktionspartner gehen mit einander quasivertragliche Bindungen ein, die ihnen einen gewissen Schutz garantieren, der nicht durch mangelnde Zuverlässigkeit des Gegenübers aufs Spiel gesetzt werden soll. Gerade die vielfachen Legitimierungstrategien der Asylie seitens der Asyliebewerber aber auch der Asylieverleiher deuten folglich auf ihre Verortung und Relevanz im zwischenstaatlichen Verkehr. Für die Handlungsweise der hellenistischen Herrscher ist festzuhalten, dass auch ihre Involvierung durchaus politischen Motiven folgt. Dabei ist zunächst festzustellen, dass für die Könige deutlich weniger dezidierte Argumentationsstrategien ausgemacht werden können. Vielmehr begründen sie ihre Anerkennungen mit dem positiven Verhältnis gegenüber der jeweiligen Stadt und verteilen unter Umständen zusätzliche Privilegien, wie steuerliche Erleichterungen oder auch das Versprechen in Zukunft weiterhin Wohltaten zu verüben. Auch wenn in der Forschung ein besonderes Interesse der Seleukiden an der Anwendung und Beförderung der Asylie postuliert wird, kann diese Annahme auf die Antigoniden, die Attaliden und manche der nichtgriechischen Monarchen, wie Alexander II. von Epeiros, ausgeweitet werden: wenn die Asylie seitens der Könige anerkannt wird, sorgen sie häufig für weitere Verbreitung des Gesuchs. In dieser Hinsicht erweisen sich lediglich die Ptolemäer als zaghaft. Darüber hinaus liegen gewisse Unterschiede zwischen den genuin griechischen Herrschern und den gräzisierten indigenen Königen vor. Während die erstgenannten die Asyliegesuche in relativ klarer und knapper Form anerkennen, begründen Ziaëlas von Bithynien, Spartokos IV. vom Regnum Bosporanum und die Athamanen ihr Handeln ausführlicher. Dabei scheint die Darstellung der eigenen Zugehörigkeit zum griechischen Kulturkreis vordergründig und die

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3. Territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts

sonst üblichen diplomatischen oder militärischen Aktionen sowie geopolitischen Erwägungen lassen sich weniger gut nachweisen. Schließlich ist noch auf die inhaltliche Ausgestaltung der Asylieanerkennungen Roms im zweiten Jahrhundert hinzuweisen. Die wenigen Zeugnisse lassen zwar keine völlig abgesicherten Ergebnisse zu, dennoch ist eine Tendenz sichtbar. Die Römer verwenden die Asylie als diplomatisches Mittel. Dabei wird die formale Asylieanerkennung, die condicio sine qua non der Inschriftengattung, stets getätigt und auch das geläufige Vokabular der Anerkennungen verwendet. Allerdings verfügen die inhaltliche Füllung und der formale Aufbau der Dokumente über ein sehr eigenes Gepräge. Die Wiederholung der Motive der Asyliebewerber etwa weicht der ausführlichen Begründung der eigenen Handlungsweise. Die Begriffe εὔνοια und εὐσέβεια werden, um eine weiteres Beispiel zu nennen, nicht auf das Verhalten der Antragsteller, sondern römisches Vorgehen bezogen. Zudem sind die römischen Anerkennungen als Briefe zuständiger Beamter formuliert, was von römischer Seite zwar einen gewöhnlichen Vorgang, aber im Vergleich mit den Dokumenten der Griechenstädte eben eine Besonderheit darstellt. Auch der allgemeine Duktus dieser Briefe ist weniger integrativ und stärker auf die Machtverhältnisse fokussierend. Die römischen Asylieanerkennungen stellen also einen Sonderfall unter den Asyliedokumenten dar und zeugen von einem eigenen Verständnis des Phänomens bereits zu seiner Hochphase. Damit weisen die römischen Inschriften in eine Richtung, die im ersten Jahrhundert stärkere Wirkungsmacht entfaltet.

4. TERRITORIALE ASYLIE DES ERSTEN JAHRHUNDERTS UND DER FRÜHEN KAISERZEIT IN LITERARISCHEN UND EPIGRAPHISCHEN QUELLEN. KONTINUITÄTEN, EVOLUTIONEN, BRÜCHE Asylieanerkennungen in epigraphischer Form sind auch über das dritte/zweite Jahrhundert hinaus, und zwar sowohl an Orten, wo bereits zuvor Asylieverleihungen angestrengt wurden, wie auch an neuen Schauplätzen, belegt. Jedoch lassen sich sowohl formal als auch in Hinblick auf die inhaltlichen Entwicklungen durchaus weitreichende Veränderungen des Phänomens feststellen. Aus diesem Grunde sollen die Asylieanerkennungen des ersten Jahrhunderts und der frühen Kaiserzeit in Hinblick auf Prozedere, Argumentation und historischen Kontext durchleuchtet werden. Dabei gilt zu betonen, dass in Kap. 3 entwickelte Methoden ob des divergierenden Stoffes und der deutlich geringeren Materialmenge schwerlich stringent angewendet werden können und daher angepasst werden müssen. Es scheint zweckdienlich, die einzelnen Asyliefälle in chronologischer Ordnung zu untersuchen und abschließend gemeinsam zu interpretieren. 4.1 QUELLENSITUATION Die Quellen zur territorialen Asylie des ersten Jahrhunderts und der frühen Kaiserzeit sind recht disparat. Neben Inschriften, die inhaltlich noch recht nah an denjenigen des dritten und zweiten Jahrhunderts sind, lassen sich vielfach neue formale und inhaltliche Ausprägungen feststellen. Die Zuordnung zur territorialen Asylie erweist sich in dieser Periode als komplizierter, da sowohl formale Varianzen häufiger, als auch inhaltliche Abweichungen vom Signifiée der Asylie im Gros der Dokumente sehr verbreitet sind. Zudem sind seit dem ersten Jahrhundert vermehrt römische Asylieanerkennungen festzustellen, die sich bereits zur Hochphase des Phänomens territorialer Asylie als besonders darstellten und weiderum in der Spätphase ein sehr heterogenes Gefüge bilden. 4.2 ASYLIEZEUGNISSE – VERORTUNG UND CHARAKTERISIERUNG Die Asylieanerkennungen des ersten Jahrhunderts und der frühen Kaiserzeit lassen sich hauptsächlich im kleinasiatischen Raum verorten. Die Unruhen des ausgehenden dritten und beginnenden zweiten Jahrhunderts belebten die Bereitschaft um Asylie zu ersuchen und führten in der Folge zu einer gewissen Fokussierung der territorialen Asylie auf Kleinasien. Die Asylieverlautbarungen des ersten Jahrhunderts stammen ebenfalls schwerpunktmäßig aus der Asia Minor und müssen daher

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4. Territoriale Asylie des ersten Jahrhunderts und der frühen Kaiserzeit

auch vor dem Hintergrund der Verbreitung und Bekanntheit älterer Gesuche oder zumindest Erinnerung an den erreichten Status gesehen werden. a. Nysa, Heiligtum des Poseidon und der Kore Für Nysa lassen sich im ersten Jahrhundert zwei Asylieinschriften ausmachen, und zwar von Seiten eines Königs, möglicherweise Mithridates VI.,1 sowie Roms.2 Die Inschriften gehören zu einem Dossier des ersten Jahrhunderts, welches die Vorrechte des Heiligtums des Poseidon und der Kore memorieren sollte.3 Dabei werden jedoch nicht (vorgeblich) alte Texte wiedergegeben, sondern im Rahmen einer neuen kumulativen Anerkennung von Privilegien durch einen König und Rom ein status quo wiedergegeben beziehungsweise generiert.4 Im königlichen Brief5 werden Asylie, Hikesie und Atelie benannt (Z. 5 f.); Gesandte der Nysaier hätten sich darauf berufen, dass die Privilegien bereits bestünden und dem König entsprechende Beweise vorgelegt (Z. 9–11). Wann und in welchem Umfang zur Hochphase des Phänomens um Asylie ersucht worden wäre, wird nicht angedeutet und auch sonst gibt es darüber keinerlei verlässliche Zeugnisse. Aus Hasten oberhalb der Inschrift lässt sich der Name Antiochos’ des Großen lesen. Diese Hasten werden als das Ende eines vorangegangenen Dekrets gedeutet, das mit Antiochos III. in Verbindung zu bringen ist und das möglicherweise die Asylie Nysas belegt.6 Allerdings ist diese Verbindung nicht zwingend, da Königsbrife häufig zusammen publiziert wurden, ohne dass inhaltliche Kongruenzen zwischen den Briefen bestanden haben müssten. In der Folge wurde das Privileg in genau derselben Kombination (Asylie, Hikesie, Atelie) vom römischen Prokonsul Asiens bestätigt,7 was, sofern man von der Urheberschaft Mithridates’ VI. ausgeht, einen terminus ante quem böte, da sich eine solche Bestätigung nach der Ermordung tausender Römer auf Geheiß Mithridates’ VI. im Jahre 88 als schwierig erweisen würde. Bezogen auf das Prozedere lässt sich feststellen, dass die von einem nicht sicher zu bestimmenden König sowie Rom beurkundete Asylie Nysas im ersten Jahrhundert durchaus gewisse Referenzpunkte zu den Asyliezeugnissen der Hochphase aufweist. Es werden Gesandte angeführt, die auf einen bestehenden Asyliestatus 1 2 3 4

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Zur Zuordnung der königlichen Inschrift an Mithridates VI. vgl. Rigsby 1996, 410 f.; dagegen weniger plausibel Piejko 1989, 399, mit einer Zuordnung an Antiochos III. Rigsby 1996, Nr. 185; Nr. 186. Rigsby 1996, 400. Wegen der benannten königlichen und römischen Asylieanerkennungen, ist auch ein Brief Seleukos’ I. und seines Sohnes Antiochos (Welles 1934, Nr. 9), der auf das Jahr 281/280 zu datieren ist, zu diesem Komplex gezogen worden. Asylie und Hikesie sind darin allerdings stets ergänzt. Piejko 1988b, 43–45 datiert den Brief in die Regierungszeit Antiochosʼ III., und zwar unter der wenig schlüssigen Annahme, die Genannten seien Seleukos und Antiochos, die Söhne Antiochosʼ III., zu einem Zeitpunkt, als sie noch keinen Königstitel führten. Der Königstitel wiederum bezöge sich auf einen der athamanischen Könige. Das Problem, dass Asylie und Hikesie nur ergänzt wären, bestünde weiterhin. Rigsby 1996, Nr. 185. Rigsby 1996, 400; Orth 1977, 32. Rigsby 1996, Nr. 186.

4.2 Nysa, Mopsuestia

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Bezug nehmen (Z. 9–11). Andererseits erzeugen die Dokumente eher den Eindruck von Bekundungen eines gewissen Status, den die Bürger von bestehenden Autoritäten eingeworben haben, als von Zeugnissen zwischenstaatlicher Verhandlungen. Der König argumentiert innerhalb der betreffenden Inschrift – ähnlich wie es Monarchen des dritten und zweiten Jahrhunderts taten – mit Freundschaft. Allerdings betont er, er erkenne die Privilegien an, um die Freundschaft der Bürger Nysas zu vergrößern (Z. 9). Zudem betont er mehrfach, die Privilegien sollen auf die Art und Weise bestätigt sein, wie sie bereits bestünden und von anderen Monarchen bestätigt worden seien (Z. 10–12). Dieses Insistieren gemahnt an die Bemühungen der hellenisierten Monarchen des dritten und zweiten Jahrhunderts über die Anerkennung der Asylie ihre Zugehörigkeit zur griechischen Oikumene zu verdeutlichen.8 Dagegen ist zu bedenken, dass eben nicht die in der Hochphase der territorialen Asylie gebräuchliche Asylieanerkennungsformel Verwendung findet, sondern eine substantivische Verleihung der Asylie getätigt wird. Des Weiteren wohnt dem königlichen Brief und nachfolgend auch der römischen Anerkennung eine spezifische Verbindung von Asylie und Hikesie inne, die noch um Atelie erweitert wird. Gerade diese Koppelung erweist sich als ein- wie erstmalig und repräsentiert vermutlich bereits einen fortgeschrittenen Stand der Entwicklung hellenistischer Heiligtümer zu phyxima, Kultorten mit besonderem Schutzpotential und rechtlichem Status. b. Mopsuestia Die Geschichte der kilikischen Polis Mopsuestia ist über numismatische Quellen bis ins zweite Jahrhundert zurückzuführen, als es als Seleukeia eine seleukidische Prägestätte darstellte.9 Nach der erneuten Umbenennung in Mopsuestia ist möglicherweise bereits im späten zweiten Jahrhundert ein numismatischer Verweis auf die Verwendung des Titels ‚heilig und unverletzlich‘ gegeben.10 Ein isoliertes epigraphisches Zeugnis der Asylieanerkennung stammt von Sulla und Lucullus aus dem Jahre 86.11 Zwei Briefe mit Asylieverleihung sind verzeichnet, wovon der erste vermutlich auf Sulla (Z. 1–8) und der zweite auf Lucullus (Z. 9–30) zurückzuführen ist.12 Darin wird ein Heiligtum der Isis und des Sarapis für heilig und unverletzlich erklärt.13 Die Verbindung der Asylie mit ägyptischen 8 9 10 11

12 13

S. 222–224. Zur Münzprägung vgl. von Aulock 1963, 231–278; Schultz 1988, 136 f.; zur Geschichte Mopsuestias vgl. Sayar/Siewert/Täuber 1994, 126–130; vgl. ferner Aperghis 2004, bes. 92; Rigsby 1996, 466. von Aulock 1963, 239; auch Rigsby 1996, 469 f., gibt die Texte der Münzumschriften. Rigsby 1996, Nr. 217; Zur Datierung vgl. die editio princeps Sayar/Siewert/Täuber 1994, 117–212 mit gewichtigen Argumenten; zur alternativen Datierung der Inschrift auf das Jahr 81, vgl. Kreiler 2006. vgl. ferner die Zusammenschau der Editionen und den Kommentar von SEG 44, 1227. SEG 44, 1227. Rigsby 1996, Nr. 217, 11–13. Ob die Asylie in der fragmentarischen, vermutlich sullanischen Inschrift einem Heiligtum der Isis allein oder einem Heiligtum des Sarapis und der Isis zugesprochen wird, ist nicht zu entscheiden. Erhalten ist lediglich der Name der Isis (Z. 7 f.), aber

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4. Territoriale Asylie des ersten Jahrhunderts und der frühen Kaiserzeit

Gottheiten ist innerhalb des Asyliematerials einmalig, so wie die Belege von Isis und Sarapis in Kilikien zu der Zeit selten sind.14 Sulla ist hingegen Urheber mehrerer Asylieanerkennungen. So korrespondiert die Asylieanerkennung in Mopsuestia mit denjenigen für die Heiligtümer des Amphiaraos in Oropos und das des Zeus Panamaros in Stratonikeia. Zudem ist eine spätere in Zusammenhang mit den Mithridatischen Kriegen stehende Asylieanerkennung Sullas für das Artemision in Magnesia am Mäander bekannt.15 Als Gründe der Asylieanerkennung werden in der Inschrift lediglich Lobesworte an die Mopseaten gerichtet, die allerdings nicht mit den in älteren Asyliedokumenten üblichen Tugenden in Zusammenhang gebracht werden. Darüber hinaus verzeichnet der besser erhaltene lucullische Brief neben der Asylie des Heiligtums eine städtische Ehrung des Priesters Diodotos, S. d. Diodotos, mit der Herausnahme seiner Person wie Familie aus der Besteuerung von Feldfrüchten sowie einer Sicherheitsgarantie für seinen Besitz.16 Ob eine Ehrung des Lucullus angeschlossen wird und wie sie gegebenenfalls gestaltet wäre, bleibt ob des Erhaltungszustands der Inschrift unklar. Als Zeugnis der territorialen Asylie alten Schlags wären die Briefe des Sulla und Lucullusʼ ungewöhnlich. Das Anerkennungsprozedere scheint vom Regelfall der älteren Dokumente deutlich verschieden zu sein, ebenso differieren inhaltliche und formale Schwerpunkte. Auch die übrigen für Sulla nachzuweisenden Asylieanerkennungen bedienen römische Vorstellungen. Es scheint also durchaus möglich, dass die vorgestellte Asylieanerkennung die erste ihrer Art für Mopsuestia darstellt. Dagegen sprechen lediglich die genannten numismatischen Belege, die allerdings nur grob in die späte hellenistische Zeit datiert werden. Die numismatischen Zeugnisse sagen darüber hinaus nichts darüber aus, welchen inneren Zusammenhängen ein Sachverhalt folgt, da sie lediglich den Fakt etwa eines Privilegs verzeichnen. Es wäre also vorstellbar – unabhängig davon, ob an der Datierung der Münzen in das zweite Jahrhundert festgehalten werden kann –, dass potentielle Asyliegesuche der Mopseaten direkt an Rom gerichtet waren, das im späten zweiten Jahrhundert, und zwar schon vor der Einrichtung der Provinz Kilikien, die bedeutendste politische Entität in Kleinasien darstellte. Eine unter (zumindest) formalen Peers ausgehandelte territoriale Asylie nach klassischem Muster des dritten und zweiten Jahrhunderts wäre für Mopsuestia dann nicht zwingend anzunehmen.

14 15 16

Syntax (Isis ist im lucculischen Brief stets zuletzt genannt), Textzustand (vor der Nennung der Isis ist im lucculischen Teil in beiden Fällen eine Bruchstelle) und textimmanente Logik sprechen eher dafür, dass dasselbe Heiligtum gemeint ist. Sayar/Siewert/Taeuber 1994, 120–123. S. 253 f. (Oropos); 254 f. (Stratonikeia); 256 f. (Magnesia am Mäander). Zu Sullas Asylieverleihungen in Kleinasien vgl. Eckert 2016, bes. 112–114. Rigsby 1996, Nr. 217, 24–29.

4.2 Oropos

253

c. Oropos, Heiligtum des Amphiaraos Aus Oropos ist ein Senatsbericht des Jahres 73 überliefert, laut dem Sulla gewillt war, dem Temenos und dem Heiligtum des Amphiaraos im Jahre 86 Asylie im Umkreis von einer Meile zu verleihen.17 Diese Asylie rekurriert – vergleichbar derjenigen für das Heiligtum der Isis und des Sarapis aus Mopsuestia und das Heiligtum des Zeus Panamaros aus Stratonikeia – auf einen Sieg Sullas und einen damit zusammenhängenden Eid. Daneben ist eine in Zusammenhang mit den Mithridatischen Kriegen stehende Asylieanerkennung Sullas für das Artemision in Magnesia am Mäander erhalten.18 Innerhalb derselben Inschrift,19 die die durch Sulla intendierte und vom Senat in der Folge (wohl 80) bestätigte Asyliegewährung überliefert, wird angezweifelt, dass die Asylie und die damit einhergehende Herausnahme des Heiligtums aus der Besteuerung seitens der publicani rechtens seien, da Amphiaraos nach Einwurf von L. Domitius Ahenobarbus kein Gott sei, was schließlich positiv für die Oropier geklärt wird.20 Der Senat operiert dabei ganz klar mit der bereits getätigten Asylieanerkennung durch Sulla und der Ratifikation durch den Senat in den Jahren 86 und 80 und bescheidet Amphiaraos damit den Status eines Gottes. Vincianne PirenneDelforge weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass dabei in den älteren Dokumentteilen stets das Wort θεός, nicht ἥρως verwendet worden sei.21 Die vor Ort in Rom geführten Verhandlungen in dieser causa haben sich sehr lange – wohl 10 Monate – hingezogen und evozierten ein Echo in der antiken Literatur.22 Der Fakt einer römischerseits anerkannten Asylie muss seitens der Bürger der betreffenden Gemeinde folglich einen recht hohen Stellenwert beigemessen bekommen haben. Zudem vermittelt dieser Senatsbericht in aller Deutlichkeit welche Kriterien die Römer an ein mit Asylie bedachtes Heiligtum angelegt haben: Asylie wurde an Heiligtümer verliehen, die Göttern geweiht waren und somit über ein Mindestmaß an Bedeutsamkeit verfügten. Asylie wirkte als eine Art sakrale Schutzzone mit einem näher zu charakterisierenden Radius und bedeutete eine steuerliche Privilegierung des Heiligtums. Das vorliegende Zeugnis reflektiert folglich genuin römische Überlegungen bezüglich der Asylie und rezipiert nicht während der Hochphase des Phänomens Asylie entwickelte Argumente oder Herangehensweisen. Die langwierigen und komplizierten Verhandlungen um den Beibehalt des von Sulla verliehenen Status sollten nicht als Zeugnis der gegenüber den älteren Zeugnissen gleich gebliebenen Verfahrenswege gedeutet werden, da hier statt des Aushandelns gewisser gemein17 18 19 20 21 22

RDGE 23 (= in Auszügen Rigsby 1996, Nr. 6); zur Asylie von Oropos vgl. ferner van Nijf/ Williamson 2016, 53–55. S. 251 f. (Mopsuestia); 254 f. (Stratonikeia); 256 (Magnesia am Mäander). Zu Sullas Asylieverleihungen in Kleinasien vgl. Eckert 2016, bes. 112–114. RDGE 23. Zum Diskurs um den Status Amphiaraosʼ vgl. Ehrhardt 2002, 144 f.; Pirenne-Delforge 2010, 381 f.; Rosillo-Lopez 2017, 72–76. Pirenne-Delforge 2010, 381 f. Cic. de nat. deor. 3, 19, 49; vgl. auch Rosillo-Lopez 2017, 72–76.

254

4. Territoriale Asylie des ersten Jahrhunderts und der frühen Kaiserzeit

samer Interessensphären und daraus resultierender Asylieanerkennung eine auf die Verwaltung der Steuererhebung zielende und konzise formulierte Frage klar im Zentrum steht. 4.2 Stratonikeia, Magnesia am Mäander d. Stratonikeia, Heiligtum der Hekate in Lagina und Heiligtum des Zeus in Panamara Zwei Heiligtümer in Stratonikeia – das Hekateheiligtum in Lagina und das Zeusheiligtum in Panamara – erlangten im ersten Jahrhundert die Asylie. Die Beleglage dafür ist vergleichsweise gut. Zum einen existiert ein spätes kaiserzeitliches Dekret, das die Asylie neben anderen Privilegien als gegeben verzeichnet,23 aber auch Epiphanien beider Götter im Einsatz für ihr jeweiliges Heiligtum benennt.24 Zum anderen sind für beide Heiligtümer römische Asylieanerkennungen des ersten Jahrhunderts vorhanden.25 Bei der fragmentarischen Inschrift aus dem Heiligtum der Hekate handelt es sich um einen römischen Brief, der ein von Sulla26 eingebrachtes senatus consultum des Jahres 81 hinsichtlich der Bitte einer stratonikeischen Gesandtschaft an die Römer verzeichnet, das erweiterte Territorium der Stadt zu wahren, die Asylie wie die Einrichtung eines vierjährigen Agons anzuerkennen.27 Wie beschrieben,28 spiegelt dieses Asylievorhaben in deutlicher Weise ältere Muster. Zunächst ist es über die Anerkennung im römischen Brief dokumentiert. Weiterhin suchen die Stratonikeier die Römer (Z. 27–30) und später auch die übrigen Griechenstädte29 zwecks Bitte um Asylieanerkennung auf, spenden einen Kranz (Z. 27 f.), fokussieren auf die bestehende Symmachie (Z. 44 f.) und betonen das eigene Wohlwollen (Z. 45). Die Römer für ihren Teil äußern sich positiv zum Gesuch und verleihen die Asylie vermittels einer substantivischen Formel (Z. 59–61). Daneben ist, wie erwähnt, ein Beschluss der Stratonikeier erhalten, der die Aufzeichnung der griechischen Städte, die die Asylie anerkannt haben, verabschiedet30 sowie eine Liste dieser Städte.31 Die breite Streuung reflektiert wiederum Herangehensweisen, wie sich auch zur Hochphase der Anwendung der territorialen Asylie üblich waren. 23 24 25 26 27 28 29 30 31

I.Stratonikeia 1101, 2–4; vgl. dazu die Korrekturen von Habicht 1999, 29. Zur historischen Einordnung des Dokuments, vgl. Chaniotis 2004b, 296–300; vgl. ferner Rigsby 1996, 418 f.; Delreux 2007, 212; van Nijf/Williamson 2016, 49 f. I.Stratonikeia 1101, 2 f. Rigsby 1996, Nr. 210; Rigsby 1996, Nr. 211. S. 274–276 (Mopsuestia); 251 f. (Oropos); 256 (Magnesia am Mäander). Zu Sullas Asylieverleihungen in Kleinasien vgl. Eckert 2016, bes. 112–114. I.Stratonikeia 505 (= in Auszügen Rigsby 1996, Nr. 210). S. 167–169. I.Stratonikeia 506, 11 f., legt nahe, dass die erhaltene Städteliste (I.Stratonikeia 507) tatsächlich mit dem neuerlichen Gesuch um Asylie in Zusammenhang steht und nicht etwa bereits vorhanden war. Die erhaltene Liste ist wohl mit Nollé 2003 im Jahre 78 zu verorten. I.Stratonikeia 506. I.Stratonikeia 507; vgl. dazu auch Williamson 2013, 212 f.

4.2 Stratonikeia, Magnesia am Mäander

255

Auch wenn also Rom ungewöhnlich bedeutsam für diese Anerkennung ist, so muss doch betont werden, dass die Verfahrensweisen durchaus mit den des dritten und zweiten Jahrhunderts übereinstimmen. In inhaltlicher und sprachlicher Hinsicht weicht die Inschrift zwar vom hellenistischen Standard ab, was allerdings für die römischen Inschriften des beginnenden zweiten Jahrhunderts ebenfalls gilt. Auch für das Zeusheiligtum in Panamara existiert eine römische, leider nicht sicher datierbare und zudem fragmentarische Inschrift, die von der Unterstützung Roms durch Stratonikeia während eines Krieges (mit den Parthern) berichtet.32 Im Rahmen der Auseinandersetzungen in stratonikeischem Gebiet kommt es zu einer Epiphanie des Zeus, der sein Heiligtum verteidigt.33 Rigsby plädiert für eine Gleichzeitigkeit zu den aus anderen Quellen bekannten römischen Ehrungen für Stratonikeia während der ersten Phase der Partherinvasion.34 Diese These ist durchaus haltbar, auch wenn die Chronologie der Ereignisse nach bisherigem Kenntnisstand nicht sicher zu fixieren ist. Vermutlich sind darüber hinaus auch die die Asylie benennenden Volksbeschlüsse sowie die Ehreninschrift für Leon, S. d. Chrysaor, aus Anlass seines Einsatzes für die Asylie Stratonikeias in diesen zeitlichen Zusammenhang zu stellen.35 Für hellenistische Zeugnisse der territorialen Asylie muteten diese Inschriften merkwürdig an,36 die lediglich nach paläographischen Erwägungen vorgenommene Datierung erlaubte auch eine Gleichzeitigkeit mit den römischen Zeugnissen.37 Auch in diesen Dokumenten wird offenbar mit einer bereits vorhandenen Asylie argumentiert, allerdings wird nicht klar, welcher Zeit das Zeugnis zuzurechnen ist. Ein Zeitpunkt nach der Anerkennung der Asylie der Hekate in den späten 80er Jahren ist allerdings nicht zuletzt wegen des Fehlens der Asylie des Zeus in der Inschrift aus Lagina zu präferieren. Die epigraphischen Zeugnisse der beiden stratonikeischen Heiligtümer erweisen sich als recht disparat. Während im Falle des Hekateheiligtums eine römische, noch an griechischen Mustern orientierte Inschrift vorliegt, lässt sich eine solche formale wie inhaltliche Ausgestaltung nicht für die Inschriften aus Panamara generalisieren. Zu diesen Asyliezeugnissen des ersten Jahrhunderts für die beiden zu Stratonikeia gehörenden Heiligtümer in Panamara und Lagina tritt das von Tacitus verzeichnete Postulat der Asylie im Zuge der Asylrevision durch Tiberius 22. n. Chr.38

32 33 34 35 36 37 38

Rigsby 1996, Nr. 211, 4–10. Die Parther in Z. 6 sind ergänzt; die Inschrift stellt kein eigenes Zeugnis der parthischen Invasion der Jahre 41–20 dar. I.Stratonikeia 10; I.Stratonikeia 1101, 2 f. Zur Argumentation mit Epiphanien in Asyliedokumenten vgl. Bonnechere 2010; Petridou 2015, 125 f.; grundsätzlich zu Epiphanien vgl. jetzt Petridou 2015. Rigsby 1996, 422 f.; 426; I.Stratonikeia 511; I.Stratonikeia 512. Vgl. ferner Delreux 2007, 214–222; Ferriès/Delrieux 2011. I.Stratonikeia 19; 20; 7. Zu Euergetismus städtischer Eliten in der frühen Kaiserzeit mit dem Schwerpunkt auf dem Peloponnes vgl. Lafond 2016, bes. 25 f. S. dazu 167 f. So auch Rigsby 1996, 427. Tac. Ann. 3, 60.

256

4. Territoriale Asylie des ersten Jahrhunderts und der frühen Kaiserzeit

e. Magnesia am Mäander Die territoriale Asylie Magnesias und des Umlandes wurde im ausgehenden dritten Jahrhundert im Rahmen zweier Gesuchserien durch einen Großteil der griechischen Oikumene sowie Rom anerkannt. Zudem wurde der Agon der Artemis Leukophryene zum Kranzagon erhoben.39 Auch im ersten Jahrhundert verzeichnet der Ort eine Asylieanerkennung. Im Nachklang seines Sieges über Mithridates VI. im Rahmen des 2. Mithridatischen Krieges ehrte Sulla neben anderen Städten auch Magnesia wegen ihres Widerstandes gegen den pontischen König. Appian und Livius überliefern, er hätte die Städte für frei erklärt und unter die Freunde Roms aufgenommen.40 Für Magnesia überliefert Tacitus auch eine Asylieanerkennung, die die Magnesier zur Begründung ihres Anspruchs bei der tiberianischen Revision des Asylwesens neben einer Asylieanerkennung L. Cornelius Scipios vorgebracht hätten.41 Eine gleichzeitige Asylieanerkennung Sullas ist epigraphisch für das Heiligtum des Zeus Panamaros in Stratonikeia fassbar.42 Zudem sind ein Schreiben Sullas und Lucullusʼ, in dem die Asylie des Heiligtums der Isis und des Sarapis in Mopsuestia anerkannt wird, aus dem Jahre 86 sowie die später im Zusammenhang mit den Streitigkeiten der Bürger mit den publicani vom Senat diskutierte Asylieanerkennung für das Heiligtum des Amphiaraos in Oropos zu nennen.43 In den epigraphisch dokumentierten Fällen wird deutlich, dass Sulla stets Heiligtümer mit der Asylie ausgestattet hat, so dass auch für Magnesia mit einer Asylieanerkennung des Heiligtums der Artemis Leukophryene zu rechnen ist. Auch legen die Inschriften nahe, dass die Terminologie und das Prozedere der Asylieverleihung gewichtige Neuerungen erfahren haben. Die Initiative liegt nicht mehr zwingend bei der jeweiligen Polis, vielmehr wirken die Texte wie Zeugen eines Gunsterweises gegenüber einem Heiligtum seitens einer übergeordneten Entität. Darüber hinaus können für Magnesia allerdings keine Aussagen – etwa zum Radius der Asylie oder den begleitenden Ehrungen – getroffen werden, da die genannte Tacitusstelle nur eine summarische Erwähnung darstellt. Für die magnesische Asylieanerkennung durch Sulla ist in Analogie zu vergleichbaren epigraphisch überlieferten Asylieverleihungen bereits von einem gegenüber der Hauptpahse des Phänomens deutlich gewandeltem Konzept der Asylie mit römischer Perspektive auszugehen.

39 40 41 42 43

S. 113–131. Liv. per. 81; App. Mithr. 61; zu Sullas Ehrung der Griechenstädte, die sich gegen Mithridates VI. gestellt haben vgl. Eckert 2016, 112–114 mit Sammlung der Belege. Tac. ann. 3, 62. S. 254 f. (Stratonikeia). S. 251 f. (Mopsuestia); 253 f. (Oropos); Zur alternativen Datierung der Inschrift aus Mopsuestia auf das Jahr 81 vgl. Kreiler 2006.

4.2 Tenos

257

f. Tenos, Heiligtum des Poseidon Das Heiligtum des Poseidon und der Amphitrite in Tenos wurde im dritten Jahrhundert mit territorialer Asylie bedacht44 und verzeichnet im ersten Jahrhundert möglicherweise die einzige erhaltene lateinsche Inschrift des Asyliecorpus.45 Die Datierung der im Meer gefundenen und stark verwaschenen Inschrift ist unklar. Die Schrift wird vom Erstherausgeber Paul Graindor auf die erste Hälfte des ersten Jahrhunderts geschätzt,46 was in Anbetracht zeitlicher Parallelen zu anderen römischen Asylieanerkennungen von den späteren Bearbeitern beibehalten wird. Rigsby formuliert, die Inschrift ginge entweder auf eine Initiative des Servilius Isauricus zurück oder sie rekurriert auf die tiberianische Asylrevision.47 Dass wir es hier mit dem einzigen erhaltenen dokumentarischen Zeugnis der tiberianischen Asylrevision zu tun haben, scheint aus näher zu erläuternden Gründen plausibel: Römische Asylieverleihungen des ersten Jahrhunderts bedachten mit Ausnahme des Amphiaraions in Oropos stets kleinasiatische Heiligtümer mit Asylie. Die Asylie des Amphiaraions ging – zeitlich zur paläographischen Datierung der betrachteten Inschrift passend – auf Sulla zurück, für den allerdings kein Aufenthalt auf Tenos gesichert ist.48 Der einzige römische Potentat des ersten Jahrhunderts, für den eine in der antiken Literatur überlieferte Verbindung zu Tenos besteht, ist Mark Anton. Er soll in Zusammenhang mit den römischen Bürgerkriegen die kykladischen Inseln zwischen Rhodos und Athen aufgeteilt haben, wobei Tenos an Rhodos ging.49 Strabon tradiert, dass Mark Anton im Falle Ephesosʼ durchaus am – wie auch immer verstandenen – Asyliephänomen partizipiert hat,50 inschriftlich ist allerdings nichts von dieser Initiative erhalten. In jedem Fall überrascht die Verwendung der lateinischen Sprache, denn alle römischen Funktionsträger des ersten Jahrhunderts haben Asylieanerkennungen auf Griechisch vollzogen und übermittelt, was auch sonst zum Modus der Kommunikation zwischen Römern und Griechen in der betreffenden Zeit passt.51 Eine lateinische Asylieinschrift lässt sich folglich keinem der für das erste Jahrhundert belegten römischen Macht- und Funktionsträger mit höherer Sicherheit zuordnen. Da im Falle Mark Antons keine griechischsprachige Asylieverleihung vorliegt und eine literarisch überlieferte Beziehung zu Tenos bestand, böte er sich am ehesten als Urheber der römischen Asylieverleihung an Tenos an. Das scheint in Anbetracht der Quellenlage jedoch höchst spekulativ.

44 45 46 47 48 49 50 51

S. 148–153. Rigsby 1996, Nr. 61; vgl. auch die diplomatische Edition der Inschrift wie die Synopsis der älteren Editionen in IG XII 5, 2, test. 1381; vgl. ferner ILGR 25. Graindor 1903, 296. Rigsby 1996, 163. Zur Asylie des Heiligtums des Amphiaraos in Oropos, s. 253 f. App. civ. 5, 7. Strab. geogr. 14, 1, 23; zur Asylieverleihung an Ephesos s. 261 f. Zu Modi der Kommunikation zwischen Römern und Griechen vgl. Hofmann 2014, bes. 199 f.

258

4. Territoriale Asylie des ersten Jahrhunderts und der frühen Kaiserzeit

Eine gute Möglichkeit die Eigen- und Einzigartigkeit der betrachteten Inschrift zu erklären, offeriert hingegen eine Verbindung zur tiberianischen ‚Asylrevision‘, im Rahmen derer für Tenos ein positives Ergebnis belegt ist.52 Der Text lautet dabei wie folgt:

5

– – –]violanṣ . . . . . . . . . . . . ọ – – – – – – – –]e · delubra quei ut impeṇ[– – – – – – – –]e · praesident · non solum – – – – – – – f]ugerint omnes sacṛạṣ ạn– – – – – – – – – –]ipsa · qua · lege quoquẹ iu[re – – – – – –]o consacratum est atqu[e – – – – – – – – –]que iuṛẹ ẹs[t- 2–3 –]ṛị .– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –53

Bereits Paul Graindor schlägt vor, in Z. 6 nach dem Fundort im Poseidonheiligtum „[templum Neptun]o consacratum est […]“ zu ergänzen. Das entbehrt nicht einer gewissen Logik, ist aber in Anbetracht des sehr fragmentarischen Zustands der Inschrift und der fehlenden Parallelen – in den römischen Asylieanerkennungen in griechischer Sprache ist eine vergleichbare Konstruktion, bei der ein Heiligtum einem Gott geweiht wäre, nicht belegt54 – kaum abzusichern. Darüber hinaus offenbart die tenische Inschrift wie weit die interpretatio Romana der hellenistischen Asylie tatsächlich fortgeschritten ist. So liegen Verweise auf die Flucht in Heiligtümer sowie den rechtlichen Status einer Weihung, oder gar der spezifischen Weihung dieses Heiligtums, vor.55 Das hier zu Grunde gelegte Konzept ist also – und auch das würde sehr gut zu einem Zeugnis der tiberianischen ‚Asylrevision‘ passen – das eines Fluchtheiligtums im Sinne des römischen asylum-Begriffs. Unter dieser Voraussetzung scheint es legitim in Zeile 6/7 in Anlehnung an Livius’ Beschreibung des Apollonions in Delion56 „[- – -templum Neptun]o consacratum est atqụ[e reli-]/[gione at]q̣ue iuṛẹ ẹṣ[t .] ḅl ̣ạ? [– – –].“ g. Pergamon, Heiligtum des Asklepios Caesar und Servilius Isauricus erneuerten nacheinander, etwa 47 und 44, die verlorene Asylie des Asklepieions in Pergamon.57 Die territoriale Asylie dieses Heiligtums ist für die hellenistische Zeit nur aus dieser wiederholten Vergabe zu re52 53 54

55 56

57

Tac. Ann. 3, 63. Text modifiziert, nach der diplomatischen Edition in IG XII 5, 2, test. 1381. Am ehesten vergleichbar wären die Erwähnung der durch die Vereinigung von Zeus und Leto evozierten Kathierosis der Landschaft bei Milet (Rigsby 1996, Nr. 172, 6; IG XII 4, 1, 153, 9 f., s. auch 133 f.; 188 f.) sowie die teische Argumentation mit der Kathierosis der eigenen Chora durch vorangegangene Asylieverleihungen (Rigsby 1996, Nr. 156, 10–13; Nr. 157, 12–14; Nr. 159, 12–14, s. ferner 196 f., 201). Rigsby 1996, Nr. 61, 4 f. Liv. 35, 51, 2; Übersetzung Hillen 1982: „Ubi et in fano lucoque ea religione et eo iure sancto, quo sunt templa, quae asyla Graeci appellant […]“ ‚Hier befanden sich in einem Heiligtum und in einem Hain, der durch religiöse Scheu und das Recht unverletzlich war, wie es die Heiligtümer sind, die die Griechen Asyle nennen‘. Rigsby 1996, Nr. 180; Nr. 181.

4.2 Pergamon

259

konstruieren, während die Asylie des pergamenischen Nikephorions breiter belegt ist.58 Die auf Caesar zurückgehende Inschrift ist stark gebrochen, weshalb die Frage nach dem Verhältnis römischen und griechischen Gedankenguts darin kaum zu beantworten ist. Deutlich wird, dass das Dokument, wie auch bei frühen römischen Asylieanerkennungen üblich, als Brief verfasst ist.59 Darüber hinaus ist Caesars Anerkennung für eine römische Asylieinschrift recht lang, was zumindest für einen gewissen Grad der diplomatischen Erläuterung der Asylie, jenseits eines faktischen constat spricht. Das beste Vergleichsstück zu der hier behandelten Inschrift bildet ein Grenzstein des sardischen Artemisions60, der die Asylieanerkennung des Artemisions durch Julius Caesar dokumentiert.61 Sowohl das verwendete Vokabular, die formelhaften Wendungen als auch die inhaltliche Ausführlichkeit deuten auf eine ähnliche Ausgestaltung der Inschriften aus Sardeis und Pergamon, zumal sich Urheber und Gegenstand gleichen. Darüber hinaus werden das pergamenische Nikephorion (!) sowie das ephesische Artemision bei der Erläuterung der Asylie in Sardeis zum Vergleich herangezogen.62 Auch wenn die Inschrift an der Stelle leider zu fragmentarisch ist, um genauere Analysen anzustreben, bleibt zu betonen, dass die zur näheren Charakterisierung herangezogenen Asylien Caesars Bild vom Phänomen besonders gut illustrieren: Das ephesische Artemision scheint als sakraler Schutzraum traditioneller Art fungiert zu haben, was das senatus consultum aus Aphrodisias nahelegt,63 während das pergamenische Nikephorion über eine von Eumenes II. international ausgehandelte Asylie verfügte. Caesar kann beide Fälle im Rahmen des Konzepts ‚sakraler Schutzraum‘ griechischer Art beiordnen und damit die Asyliegewährung in Sardeis erläutern. Beim Horos aus Sardeis ist aber bereits das Konzept des Fluchtempels entwickelt, was auf eine fortgeschrittene Evolution des Phänomens Asylie verweist.64 Unter diesen Vorzeichen könnte die wiederholte Verwendung des Ausdrucks χώρα in der fragmentarischen Inschrift vom Asklepieion in Pergamon durchaus auf eine sakral legitimierte Schutzzone im Sinne des asylum-Gedankens deuten.65 Die Inschrift des Servilius Isauricus für Pergamon ist ebenfalls in Briefform tradiert. Bereits die Überschrift „ἐπίκριμα περί τής ἀσυλίας“ ‚Urteil über die Asylie‘66 deutet auf den Zugang der Römer zu dieser Problematik: sie treffen ein Urteil in einem fraglichen Fall. Der erhaltene Teil der Inschrift offenbart einen Konflikt, bei dem die Asylie des Asklepieions von einem darüber hinaus unbekannten 58 59 60 61 62 63 64 65 66

S. 156–161. Rigsby 1996, Nr. 180, 1 f. S. 264. Rigsby 1996, Nr. 214. Rigsby 1996, Nr. 214, 45–49. Reynolds 1982, Nr. 8, 55–58. S. auch 262 f. Rigsby 1996, Nr. 214, 48. Rigsby 1996, Nr. 180, b 1; b 4; b 9; b 12. Rigsby 1996, Nr. 181, 2.

260

4. Territoriale Asylie des ersten Jahrhunderts und der frühen Kaiserzeit

M. Fannius, Sohn des Nemerius, angefochten und der von Servilius Isauricus mit Bezug auf eine Pergamener Gesandtschaft67 zu ihren Gunsten entschieden wurde. Über ein mit Asylie ausgestattetes Heiligtum zu verfügen war also einerseits erstrebenswert für die Bürger der betreffenden Gemeinde, andererseits blieb der Anspruch ob der steuerlichen Vorteile nicht unangefochten, wie auch der vergleichbare Fall des Amphiaraions von Oropos belegt.68 Die Asylieanerkennung des Servilius Isauricus folgt, um kurz zusammenzufassen, römischen Gepflogenheiten.69 Er fokussiert nicht auf die inhaltliche Ausgestaltung der Asylie oder erläutert Verfahrensweisen, vielmehr entscheidet er als römischer Amtsträger über eine Bestätigung eines bereits bestehenden Status. Dem liegt ein gewisser Prüfungsgedanke inne, dessen Geist sich schließlich und endlich auch in der Revision der griechischen asyla seitens Tiberiusʼ niederschlägt. Die sehr zeitnahen Inschriften Caesars und Isauricusʼ vermitteln den Eindruck einer Übergangssituation – einerseits werden ‚griechische‘ Ansprüche und in gewissem Sinne auch Vorgehensweisen noch reflektiert, andererseits scheint auf der Inhaltsseite bereits ein Bedeutungswandel vollzogen zu sein. In der frühen Kaiserzeit bemühen sich – wie wir von Tacitus wissen – die längst zum Imperium Romanum gehörigen Pergamener erneut um eine Anerkennung des Asyliestatus für das Asklepieion.70 h. Milet, Heiligtum des Apollon in Didyma In hellenistischer Zeit ist die territoriale Asylie Milets und des Heiligtums des Apollon in Didyma inklusive des Umlandes gesichert. Im Allgemeinen versuchte die Polis über den Aufbau von Netzwerken unterschiedlicher Natur eine gewisse Absicherung zu erlangen.71 Aus dem Jahre 44 ist eine Erweiterung des Asyliebezirks durch Caesar um zwei Meilen bezeugt.72 Die Inschrift stammt aus derselben Anerkennungsserie wie die aus Sardeis und es ist anzunehmen, dass Caesar die Ausführung nicht mehr erlebt hat.73 Der Text ist gegenüber dem aus Sardeis knapp gehalten und überliefert lediglich die Tatsache der Erweiterung des Asyliebezirks sowie die Beurteilung dieser als gerecht und εὐσεβής. Im Hinblick auf die hellenistische Asylieanerkennung fällt sofort auf, dass das Objekt und die inhaltliche Bestimmung der Asylieverleihung verändert sind – das Heiligtum des Apollon in Didyma, das seit den 80er Jahren bereits in gewisser Hin-

67 68 69 70 71 72 73

Rigsby 1996, Nr. 181, 10. S. dazu 253 f.; vgl. ferner Rosillo-Lopez 2017, 72–76, wo die Autorin auch einen Vergleichsfall aus Ilion anführt (ohne Asyliestatus). Vgl. Rigsby 1996, 384, verweist auf die Benennung des eponymen Beamten Pergamons als Prytanis, wohingegen in pergamenischen Quellen Stratege verwendet wird. Dieses Vorgehen ist in ähnlichen Zusammenhängen nicht selten. Tac. Ann. 3, 63. S. 131–135. I.Didyma 391. Rigsby 1996, 177.

4.2 Milet, Ephesos

261

sicht verwaltungsmäßig abgetrennt ist,74 bekommt eine Erweiterung seines Asyliebezirks. Die Asylieanerkennung Caesars ist damit der römischen Vorstellung von einem griechischen asylum bereits näher als der terminologisch noch greifbaren territorialen Asylie. Ein milesisches Asyliegesuch ist erst um 50 n. Chr. übermittelt, und zwar im Rahmen der posthumen Ehrung des C. Ioulios Epikrates durch seine Heimatstadt, unter anderem weil er die Asylie des Apollonions in Didyma von Kaiser Augustus erbeten hätte.75 Auch hier ist die Asylie auf das Heiligtum beschränkt, was unter Rückbezug auf die römische Konzeption der Radiuserweiterung durch Caesar rund hundert Jahre zuvor nicht überrascht. Eine gewisse Kontinuität der Terminologie der Asyliegewährung lässt sich innerhalb der späten römischen Zeugnisse gegenüber der Hochphase der territorialen Asylie also feststellen; der Sinngehalt ist jedoch im römischen Sinne geneuert und korrespondiert mit der berühmten Tacitusstelle über die Erneuerung des griechischen Asylwesens durch Tiberius im Jahre 22 n. Chr.76 i. Ephesos, Heiligtum der Artemis Für die territoriale Asylie Ephesos’ im dritten und zweiten Jahrhundert liegen zwar Indizien vor, zwischenstaatlich anerkannte Asylie kann jedoch keineswegs mit letzter Sicherheit angenommen werden, da die Hauptlast des Beweises auf einer Strabonpassage, die das Schicksal des Heiligtums von alexandrinischer Zeit bis zu den römischen Bürgerkriegen in sehr konziser Form zusammenfasst, liegt.77 Auch für die Asylie im ersten Jahrhundert ist dieselbe Strabonstelle anzuführen. Darin wird eine Erweiterung des Asyliebezirks unter Mark Anton, Caesar und Augustus nahelegt.78 Rigsby verbindet diese Passage für das erste Jahrhundert mit einer augusteischen Bilingue, in der ohne den geringsten Hinweis auf Asylie die Ummauerung des Tempels gepriesen wird.79 Darüber hinaus wird Ephesos unter den 22 n. Chr. um die Anerkennung ihres Asyliestatus in Rom erbittenden Städten geführt.80 Den stärksten Beleg aber für die im ersten Jahrhundert bestehende Asylie Ephesosʼ liefert ein senatus consultum81 aus Aphrodisias aus dem Jahre 39. Dort wird die Asylie Aphrodisiasʼ von römischer Seite anerkannt, und zwar mit folgenden Worten: […] ὃ ἱερὸν εἴτε κ[αὶ] τέμενος θεᾶς Ἀφροδείτης ἐν πόλει Πλαρασέων καὶ Ἀφροδεισιέω[ν] ἐστίν ἐκεῖνο τὸ ἱερόν ἐκεῖνο τὸ τέμενος ἄσυλον [ἔ]στω τούτῳ τῷ δικαίῳ ταύτῃ τε δισιδαιμονίᾳ ᾧ δικαίῳ καὶ ᾗ δεισιδαιμονίᾳ τὸ ἱερὸν εἴτε καὶ τέμενος Ἀρ-

74 75 76 77 78 79 80 81

Rigsby 1996, 177, Anm. 17. SEG 44, 938, 4 f. (Anhang 2). Tac. ann. 3, 63. Strab. geogr. 14, 1, 23. S. dazu 171. Vgl. dazu Dreyer 2015, 211–214. Rigsby 1996, Nr. 183. Tac. Ann. 3, 60. Zum Senat als Gremium in der Kaiserzeit vgl. Blochmann 2017, bes. 63–74, 87–101.

262

4. Territoriale Asylie des ersten Jahrhunderts und der frühen Kaiserzeit τέμιδος Ἐ[φε]σίας ἐστὶν ἐν Ἐφέσῳ κύκλῳ τε ἐκείνου τοῦ ἱεροῦ εἴτε τέμενός ἐστιν εἰς τὸ πάντῃ μέχρι ποδῶν ἑκατὸν εἴκοσι ἐκεῖνος ὁ τόπος ἄσυλος ἔστω […].82 […] Das Heiligtum und das Temenos der Göttin Aphrodite, das sich in der Stadt der Plarasier und Aphrodisier befindet, das Heiligtum und das Temenos seien unverletzlich, [und zwar] mit denselben Rechten und derselben eifrigen Religionsausführung, die das Heiligtum und das Temenos der Artemis Ephesia in Ephesos innehat, innerhalb eines Umkreises von 120 Fuß um Heiligtum und Temenos sei der Ort unverletzlich […].

Im Text klingt an, dass die Asylie des Artemisions vorhanden und überdies so beispielhaft ist, dass sie bei der Anerkennung anderer Asyliebitten durch die Römer als Vergleichsmaßstab herangezogen wird. Daneben ist auch die Asylieanerkennung für das Artemision in Sardeis zu nennen, in der das pergamenische Nikephorion sowie wiederum das ephesische Artemision zur Erläuterung der Asylie hergenommen werden.83 Auch die Strabonstelle reflektiert die Existenz eines sakralen Schutzraumes, der von mächtigen Königen oder zumindest politischen Repräsentanten von Alexander bis Augustus immer wieder modifiziert wurde und überliefert mit der Beschreibung der Asyliegewährung seitens Mark Antons und ihrer Reversion seitens Augustusʼ die neuerliche Verbindung zwischen Stadt und Heiligtum, wie sie für die hellenistische territoriale Asylie typisch ist. Damit steht also zu vermuten, dass die Römer die diplomatische Sprache der Asyliedokumente noch im späteren ersten Jahrhundert durchaus kannten. Doch auch trotz dieser vergleichbaren Terminologie bei Strabon und im senatus consultum aus Aphrodisias lassen sich für die Asylie Ephesosʼ keine weiteren zeitlichen, strukturellen oder inhaltlichen Konvergenzen zur territorialen Asylie der Hochphase finden. Der bei Strabon an dieser Stelle verwendete Asyliebegriff scheint sich stärker auf (den) einen heiligen Bezirk zu beziehen, der dem römischen Verständnis von asyla, von Schutzheiligtümern, entspricht. Auch das aphrodisische senatus consultum deutet die überregionale Bedeutung und die daraus resultierende Geltung als sakrale Schutzzone traditioneller Natur des Artemisions von Ephesos an. Somit unterstüzt es die faktische Vertrauenswürdigkeit der Strabonpassage, allerdings ohne Hinweise für eine zwischenstaatlich ausgehandelte und vereinbarte Asylie Ephesos’ zu liefern. j. Aphrodisias, Heiligtum der Aphrodite Aphrodisias beherbergt ein berühmtes Aphroditeheiligtum und ist seit dem dritten Jahrhundert historisch wie archäologisch fassbar, wobei die Blütezeit der Stadt in der ausgehenden Repuplik einsetzt und bis in die Spätantike reicht.84 Während der Hochphase der territorialen Asylie war Aphrodisias eine sehr junge Gemeinde; so 82 83 84

Reynolds 1982, Nr. 8, 55–58. Rigsby 1996, Nr. 214, 45–49; s. 258–260; 264. Zur historischen Situation und archäologischen Befundlage vgl. Erim 1986; Raja 2012, 11–17 mit älterer Literatur; zur unmittelbaren Situation in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts vgl. auch Ferriès/Delrieux 2011.

4.2 Aphrodisias

263

verwundert es nicht, dass von Asylieanerkennungen des dritten oder zweiten Jahrhunderts trotz guter epigraphischer Erschließung keine Zeugnisse erhalten sind. Im ersten Jahrhundert erfährt Aphrodisias durch den verstärkten Kontakt zu Rom eine Aufwertung, die sich auch im epigraphischen Material niederschlägt. So liegt ein senatus consultum des Jahres 39 vor, in dem die Konsuln C. Calvisius und L. Marcus Censorinus die Asylie des Heiligtums der Aphrodite anerkennen.85 Dieses Dokument geht auf eine Gesandtschaft unter der Führung des Solon, S. d. Demetrios, zurück, die die Asylieanerkennung des Heiligtums der Aphrodite auf Grund der εὔνοια der Aphrodisier gegenüber dem römischen Volk (Z. 18, 25) und der bereits durch Caesar und Mark Anton im Gegenzug für militärische Unterstützung erteilten Asylieanerkennungen ersucht (Z. 20–30). Das sehr ausführliche, in Zusammenhang mit der Asylie Ephesosʼ zitierte senatus consultum86 bestätigt die Anerkennung der Asylie des Aphroditeheiligtums in Aphrodisias, und zwar im selben Ausmaß und inklusive derselben Vorrechte, wie sie dem Artemision in Ephesos zustehen.87 Der Leiter der Gesandtschaft der Aphrodisier nach Rom, Solon, S. d. Demetrios, wird möglicherweise in einer eigenen Inschrift für seine Verdienste um die Aufwertung der Stadt, wozu auch die Asylieanerkennung durch die Römer zählt, geehrt.88 Auch ein heute fast gänzlich zerstörter, aber in den 1980er Jahren noch von Joyce Reynolds abgezeichneter und edierter Grenzstein bezieht sich vermutlich auf diese Asylieverleihung.89 Darüber hinaus berufen sich die Aphrodisier bei der Überprüfung der griechischen Asyle 22 n. Chr.90 und in spätantiken Dokumenten auf den Asyliestatus.91 Die Belege für die Anerekennung der territorialen Asylie Aphrodisias stammen allesamt aus Rom. Inhaltlich wie formal weichen die beiden Dokumente des ersten Jahrhunderts bereits stark von den älteren Normen ab: Es gibt zwar eine Gesandtschaft, doch diese scheint sich ausschließlich an die Römer zu richten. Die Argumentationsstrukturen der Römer verweisen eindeutig auf eine Konzeption der Asylie als territorialem Phänomen rund um den Tempelbezirk. Auch das zum Vergleich angeführte ephesische Artemision scheint eher als nach traditionellem Muster überregional bedeutsame Schutzzone fungiert, denn über eine zwischenstaatlich vereinbarte Asylie verfügt zu haben. Insgesamt deutet auch die aphrodisische Asylieanerkennung seitens Roms beireits auf einen fortgeschrittenen Stand der Entwicklung – weg von der bilateral ausgehandelten Asylie –, auch wenn hier nicht dezidiert auf Fluchtfunktionen oder Hiketai Bezug genommen wird.

85 86 87 88 89 90 91

Reynolds 1982, Nr. 8 (= in Auszügen Rigsby 1996, Nr. 212); Nr. 12 (Frustrum mit Asyliebezug); Zur Rolle des Senats vgl. Blochmann 2017, bes. 63–74, 87–101. S. 261 f. Reynolds 1982, Nr. 8, 55–58. S. 286. Reynolds 1982, Nr. 41 (Anhang 7). Rigsby 1996, Nr. 213 (= Reynolds 1982, Nr. 35). Tac. Ann. 3, 62. Rigsby 1996, Nr. 214; Reynolds 1982, Nr. 14; Nr. 43 (= in Auszügen Rigsby 1996, 431).

264

4. Territoriale Asylie des ersten Jahrhunderts und der frühen Kaiserzeit

k. Sardeis, Heiligtum der Artemis In hellenitischer Zeit ist für Sardeis keine territoriale Asylie belegt, was angesichts der Tatsache, dass die Stadt erst im dritten Jahrhundert verstärkt hellenisiert wurde, nicht überrascht.92 Im weiteren Verlauf der Geschichte entwickelte sich Sardeis zum seleukidischen Hauptort im westlichen Kleinasien.93 Nach dem Frieden von Apameia wurde es Teil des erweiterten Pergamenischen Reiches und als solcher nach dem Tode Attalos III. 133 an die Römer vererbt. Die Entwicklung griechischer Institutionen und Mechanismen in Sardeis schritt folglich mit der Ausbreitung der Asylie in der hellenistischen Welt einher, was die Nicht-Anwendung dieses Mittels in der Stadt während der Hochphase zu einem gewissen Teil erklären kann. Im Jahre 44 erhielt Sardeis von Caesar die Asylie für das Artemision. Erhalten ist ein Horos, der das Artemision als νάος φύξιμος kennzeichnet.94 Darüber hinaus ist das Dokument in Hinblick auf Vokabular, formelhafte Wendungen und die ausführliche Gestaltung der Asylieanerkennung Caesars für das Asklepieion in Pergamon recht nahe. Die Asylie des Artemisions in Sardeis wird von Caesar, wie beschrieben, mit der des pergamenischen Nikephorions sowie des ephesischen Artemisions verglichen.95 Es scheint, dass Caesar damit das Konzept sakraler Schutzräume, wie sie in Griechenland üblich sind, charakterisieren wollte. Diese Selbstverständlichkeit spiegelt folglich in besonders deutlicher Weise, wie weit die Entwicklung hin zu lat. asylum bereits im ersten Jahrhundert fortgeschrittten war. Auch für Sardeis überliefert Tacitus eine Petition Rom im Jahre 22. n. Chr. im Rahmen der tiberianischen Asylrevision.96 l. Hiera Kome Zeugnisse der Asylie Hiera Komes97 sind rar und verschiedenartig. Zum einen liegt ein lediglich auf den späten Hellenismus datierter Grenzstein des Artemisheiligtums mit der schlichten Aufschrift „ὅρος/ἱερὸς/ἄσυλο[ς]/[Ἀ]ρ̣τέ[̣ μι]-/[δος.]“ ‚heiliger, unverletzlicher Grenzstein der Artemis‘ vor.98 Über das Signifiée des Begriffs ἄσυλος in diesem Zusammenhang lassen sich keine konkreten Schlüsse ziehen. Es könnte lediglich die Eingrenzung des Heiligtumsareals vorliegen, ebenso könnte aber auch ein Bezug zu einer Form der Asylie hergestellt sein. Es ist folglich nicht zwingend, dass einem derartigen Horos eine Asylieverleihung vorausgegangen sein muss – die Wendung ‚heilig und unverletzlich‘ könnte sich auch auf den Grenzstein beziehen und somit die prinzipielle Sak-

92 93 94 95 96 97 98

Kaletsch 2001, 55 f. I.Magnesia Sip., S. 33. Rigsby 1996, Nr. 214, 48. Rigsby 1996, Nr. 214, 45–49; s. 258–262. Tac. Ann 3, 63. Zur Zuordnung der Inschrift nach Hiera Kome/Hierakaisareia/Saricam vgl. Rigsby 1995, 81– 83. Rigsby 1996, Nr. 215.

4.2 Hiera Kome

265

ralität von Heiligtümern ausdrücken. Sogar unter der Annahme, dass sich die Inschrift auf territoriale Asylie bezieht, liefert sie keine Belege, dass mehr als ein bloßes Postulat – im Sinne der Erklärung Eumenesʼ II., er habe Horoi aufgestellt, um den Asyliebezirk zu kennzeichnen –99 der Asylie vorhanden war. In der frühen Kaiserzeit forderte die Stadt als Hierokaisareia im Rahmen der tiberianischen Heiligtumsreform Berücksichtigung zu erhalten.100 Darüber hinaus ist eine kurze, auf wesentliche Fakten konzentrierte Inschrift vorhanden, die Rigsby auf Grund verwendeter Latinismen und typischer Kaiserwendungen Claudius zuweist,101 wobei jedoch auch spätere Kaiser nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden können.102 Die Inschrift, die im übrigen die späteste dezidierte Asylieanerkennung darstellt, enthält die Erneuerung der Asylieanerkennung der ‚persischen Göttin‘ auf Gesuch der Gesandten aus Hiera Kome, die der Kaiser mit folgenden Worten erläutert:

5

ἀσυλίαν τῆς παρ’ ὑμεῖν Περσικῆ[ς θεᾶς] ἐπὶ τούτωι βεβαιῶ ὑμεῖν{ν} ἐφ’ ᾧ μ[ηδὲν] ἐν τῆι δωρεᾷ ταύτηι ἀλλαγῆνα[ι τὴν] συνήθειαν, ἣν ἔχετε, εἴπερ ἀληθ[ῶς τὰ] γραφέντα λαβόντες παρά τε τ[ῶν πρέσβεσιν] καὶ τῶν ἐμῶν προγόνων ταύτῃ [χρῆσθε].103 Die Asylie der persischen Göttin unter Euch bestätige ich für Euch derart, dass in dieser Anerkennung, was unter Euch üblich ist, nicht geändert wird, weil ihr es wahrhaft über Schriftstücke seitens früherer [Könige?] und meiner Vorfahren erhalten habt.

Der Kaiser fokussiert auf die Traditionalität des Instruments und die bereits getätigten Anerkennungen. Darüber hinausgehende Erläuterungen seiner Beweggründe oder der der Bürger aus Hiera Kome werden nicht verzeichnet; vielmehr werden in knappem Stil die zwingend notwendigen Bestandteile genannt, bevor die Inschrift mit einer gemessen an der Gesamtlänge langen Publikationsbestimmung schließt. Diese jüngste bekannte direkte Asylieanerkennung bedient sich in gewisser Weise der üblichen Formeln der territorialen Asylie. Das überrascht insofern, als ältere römische Dokumente bisweilen weniger traditionell aufgebaut sind. Möglicherweise haben auch die vorgelegten Anerkennungen früherer Herrscher, wie sie durch den Grenzstein und die Ansprüche der Stadt bezüglich der Asylrevision zumindest potentiell wahrscheinlich waren, Einfluss auf die äußere Gestalt der Inschrift geübt. Die Frage, welche Entitäten zu welchem Zeitpunkt vor der frühen Kaiserzeit die Asylie Hiera Komes anerkannt haben, bleibt offen. Zudem bleibt festzustellen, dass die exzeptionelle Kürze des Dokuments – trotz aller formalen Übereinstimmungen – über den genauen Inhalt der Asylie wenig offenlegt. Die substantivische Gewährungsformel ist innerhalb des Materials ungewöhnlich, doch

99 100 101 102 103

Rigsby 1996, Nr. 176, 19; s. 159 f. Tac. Ann. 3, 62. Rigsby 1995, 80. Rigsby 1996, 441. Rigsby 1996, Nr. 216, 1–6.

266

4. Territoriale Asylie des ersten Jahrhunderts und der frühen Kaiserzeit

belegt; die Konstruktion ohne Artikel jedoch verweist bereits auf eine sprachliche Latinisierung.104 Eine alte Muster (zumindest) nachahmende Asylieanerkennung Hiera Komes durch einen römischen Kaiser macht also punktuelles Verständnis des hellenistischen Phänomens in der römischen Kaiserzeit auf der formalen Ebene wahrscheinlich. Welche inhaltliche Bedeutung der Asylie beigemessen wurde, lässt sich an Hand dieses Textes jedoch nicht klären. 4.3 DAS ENDE DER TERRITORIALEN ASYLIE IN DER PAX ROMANA Die Asylieinschriften des ersten Jahrhunderts und der frühen Kaiserzeit stellen eine ziemlich facettenreiche Gruppe dar, die dennoch klar von den Asyliedokumenten des dritten und zweiten Jahrhunderts abgegrenzt werden können. Das Level der Variation gegenüber den älteren Dokumenten ist zwar durchaus unterschiedlich, ein allgemeiner Trend zur stärkeren Hinwendung an Rom und der damit zusammenhängenden Neuinterpretation der betreffenden Begriffe und Inhalte lässt sich jedoch kaum negieren. Natürlich sind dabei Ausreißer in beide Richtungen zu bedenken, wie etwa die partiell schon sehr römischen Mustern verpflichteten sullanischen Asylieanerkennungen im frühen ersten Jahrhundert und die unerwartet hellenistisch wirkende Asylieverleihung des Kaisers Claudius an Hiera Kome im ersten Jahrhundert n. Chr.105 Die vermehrte Präsenz der Römer als Asylieverleiher überrascht mit Blick auf ihre Rolle als neue Großmacht im östlichen Mittelmeerraum nach den Siegen über die Antigoniden 197 und 168 sowie die Seleukiden 188 und 168 kaum. Denn die Präsenz der hellenistischen Königreiche wurde so in Griechenland und Kleinasien stark beschnitten. Auch die Einrichtung der Provinzen Macedonia und Asia in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts hat mit der politischen Landkarte sicher auch die Verfahrenswege modifiziert: Während die Matrix einer multilateral vernetzten Vielstaatenwelt bilaterale diplomatische Verhandlungen und gegenseitige Verträge und Abmachungen generiert, scheint in einer Provinz der Gang zum Proconsul effektiver. Dafür bedarf es keiner Verfolgung oder Verhinderung der Interaktion zwischen den Griechenstädten durch Rom, vielmehr reichen Utilitätserwägun104 Rigsby 1995, 78 f. vgl. ferner zur sprachlichen Analyse im Allgemeinen Rigsby 1995, 78–80. 105 Gelegentliche jüngere epigraphische Erwähnungen der Asylie werden an dieser Stelle aus der Betrachtung ausgenommen, da mit der frühen Kaiserzeit ein Status an Veränderung des Phänomens erreicht scheint, der im Regelfall keine Vergleichbarkeit mehr zu den hellenistischen Dokumenten erlaubt. Denn, wie bereits einleitend bemerkt (S. 12 f.), weichen die späteren Zeugnisse formal, inhaltlich und sprachlich, nicht selten bezogen auf die Materialgruppe sowie zeitlich und geographisch von den betrachteten Phänomenen ab. Um die späteren kaiserzeitlichen und spätantiken Belege des Terminus Asylie gebührend zu analysieren, bedarf es eines Ansatzes, der die Eigenheiten der jeweiligen Zeugnisse vermittels einer synchronen Betrachtung im Vergleich mit anderen Phänomenen der betreffenden Zeit herauszuarbeiten vermag. Im Umfang dieser Arbeit kann dies nicht geleistet werden und verbleibt ein Desiderat. Eine recht vollständige Sammlung orientalischer kaiserzeitlicher und spätantiker Asyliebelege liefert Rigsby 1996, 443–539.

4.3 Das Ende der territorialen Asylie in der Pax Romana

267

gen aus – es werden diejenigen Interaktionspartner erwählt, die auch in der Lage sind, das Gewünschte zu gewährleisten. Die Dokumente mit Bezug zur Asylie erweisen sich seit dem ausgehenden zweiten Jahrhundert folglich als deutlich gewandelt gegenüber den Bekundungen territorialer Asylie zu ihrer Hochphase zwischen den 260er und 140er Jahren und sind so als eine eigenständige Phase im Entwicklungsprozess von territorialer Asylie im engeren Sinne zum römischen asylum-Komplex zu begreifen. Diese Inschriften nehmen zwar bestimmte Aspekte des Asyliephänomens auf, eindeutige Unterschiede lassen sich jedoch in Hinblick auf Verfahrensweisen, strukturelle Besonderheiten und Inhalte der Dokumente feststellen. Darunter fallen etwa die verengten Adressatenkreise der jeweiligen Gesuche – die Gesandten, so es denn welche gibt, werden nicht mehr in die gesamte griechische Oikumene ausgeschickt, sondern gezielt an zumindest regional bedeutsame Machthaber, großteils Römer, gerichtet; der Modus der Kommunikation verändert sich – der Fokus liegt nun auf Briefen römischer Amtsträger und senatus consulta; die Argumente der um Asylie ersuchenden Politen lassen sich einerseits in weitaus geringerem Maße aus den Antworten rekonstruieren und wenn es möglich ist, so belegen die Bewerber um Asylie ihr Anliegen offenbar mit dem Alter oder der Autorität eines bereits vorhandenen Asyliestatus; die Asylie ist auf Heiligtümer beschränkt; die Kopplung des Asyliestatus an die Möglichkeit zum Vollzug der Hikesie ist geläufig; Asylie scheint darüber hinaus mit einer finanziellen Privilegierung des betreffenden Heiligtums seitens des Verleihers zusammenzuhängen. Bezogen auf die beschriebenen Veränderungen der Asylie scheint allerdings wichtig zu betonen, dass keinerlei Zwang zur Modifikation der Asylie sowohl in verfahrenstechnischer Hinsicht als auch mit Blick auf ihren Gehalt auszumachen ist. Vielmehr spielen die gegenüber der Hochphase der Asylie – die in den politisch instabilen Wandlungsjahren der hellenistischen Welt zu verorten ist – veränderten machtpolitischen Verhältnisse eine große Rolle. Der römische Machtausbau fördert die Utilität der zunehmenden Fokussierung der jeweiligen Bewerber um Asylie auf Rom. Etwa zeitgleich mit diesen Zeugnissen der beschriebenen ‚zweiten Phase‘ oder Nachblüte der territorialen Asylie sind auch die numismatischen sowie kurzen epigraphischen Hinweise auf die Asylie etwa auf Ehrenstatuen anzusetzen, die zwischen den 140er Jahren und der späten Kaiserzeit datieren und jenseits der Benennung bestimmter Städte als ‚heilig‘ oder ‚heilig und unverletzlich‘ keinerlei Interpretationen des Phänomens feststellen lassen.106 Die Zeugnisse lassen sich schwerlich ausdeuten, da sie einerseits disparat, andererseits geographisch völlig abweichend von den sonstigen Verbreitungsschwerpunkten zuvorderst in Kilikien, Phönikien und Syrien zu finden sind. Darüber hinaus lassen sie sich mit den entwickelten Modellen und Methoden kaum erfassen, so dass im Rahmen dieser Arbeit von le106 Eine Quellensammlung liefert Rigsby 1996, 442–539. Engels 2013, bes. 82–99 mit Quellensammlung und Literatur (sehr weiter Begriff der Asylie); Traulsen 2004, 237; für syrische Münzbeischriften vgl. ferner Kushnir-Stein 2005; für Judäa nach literarischen Quellen vgl. Ritter 2015, bes. 263–271; zu später kaiserzeitlicher Rezeption vgl. Dahmen 2007, 29, Anm. 214.

268

4. Territoriale Asylie des ersten Jahrhunderts und der frühen Kaiserzeit

diglich repetitiven Berichten des jeweiligen Status abgesehen und lediglich auf den Katalog Rigsbys verwiesen wird. Es ist allerdings hervorzuheben, dass eine Behandlung der Verweise auf den Asyliestatus auf Münzen unter Einbezug des übrigen numismatischen Materials der Orte mit international vereinbarter territorialer Asylie in hellenistischer Zeit, wie es Meyer für Magnesia am Mäander vormacht,107 ein Desideratum, das wohl ein eigenes Buch füllen würde, darstellt. Schließlich verdient in diesem Zusammenhang die vielerwähnte Tacitusstelle mit der Aufzählung der griechischen asyla, die nach der tiberianischen Revision noch immer als solche gelten konnten, zitiert zu werden. Das Bild, das Tacitus von diesen Heiligtümern – es sind in seinem Bericht immer Heiligtümer, was mit der beschriebenen Entwicklung seit dem ausgehendem zweiten Jahrhundert korrespondiert – zeichnet, entspricht dem erläuterten römischen asylum-Begriff genau: crebrescebat enim Graecas per urbes licentia atque impunitas asyla statuendi; complebantur templa pessimis servitiorum; eodem subsidio obaerati adversum creditores suspectique capitalium criminum receptabantur, nec ullum satis validum imperium erat coercendis seditionibus populi flagitia hominum ut caerimonias deum protegentis. igitur placitum ut mitterent civitates iura atque legatos. et quaedam quod falso usurpaverant sponte omisere; multae vetustis superstitionibus aut meritis in populum Romanum fidebant.108 Denn es wuchs in den griechischen Städten die Freiheit und Zügellosigkeit Heiligtümer einzurichten; Heiligtümer waren angefüllt von den übelsten Sklaven, im selben Schutz befanden sich Schuldner abgeschirmt von ihren Gläubigern und diejenigen, die der Kapitalverbrechen bezichtigt wurden und keine Autorität war stark genug die Spaltung eines Volkes zu umfassen, das die Verbrechen der Menschen schützte wie die Dienste gegenüber den Göttern. Daher wurde beschlossen, dass die Bürgerschaften ihre Urkunden und Gesandten schicken sollen; und manche, die fälschlich Privilegien angenommen hatten, gaben diese schnell auf; viele vertrauten auf alte Superstitionen und ihre Verdienste gegenüber dem römischen Volk.

In dieser Zustandsbeschreibung der griechischen asyla richtet Tacitus seinen Blick auf Heiligtümer mit spezifischem Hikesiebezug. Die Entwicklung solcher Hikesieheiligtümer lässt sich seit dem zweiten Jahrhundert archäologisch wie mit sprachwissenschaftlichen Mitteln (phyxima) fassen, steht aber zunächst in keinem sicher nachweisbarem Verhältnis zum Phänomen der territorialen Asylie.109 Erst während der ‚Nachblüte‘ der territorialen Asylie – im großzügig über die Jahrhundertwenden ausgedehnten ersten Jahrhundert – lassen sich tatsächlich berechtigte Interferenzen zwischen der Asylie und diesen Hikesiezentren herstellen. Daneben werden die Römer zunehmend zum ausschließlichen Adressaten von Asyliegesuchen, was die Kopplung des Signifiées der Asylie an römische Vorstellungen stärkt. Unter diesen Prämissen, das lässt sich abschließend festhalten, stellt die Asylreform des Tiberius eben nicht den Endpunkt der territorialen Asylie im engeren Sinne dar, vielmehr verliert letztere mit zunehmendem römischen Machtgewinn 107 Vgl. Meyer 2010. 108 Tac. Ann. 3, 60. Übers. nach: Cornelius Tacitus, Annalen. Lateinisch-Deutsch, hg. von Erich Heller, Düsseldorf und Zürich, 52005. Zum römischen Umgang mit griechischen Ansprüchen mit Bezug auf die zitierte Stelle vgl. Belloni 1984; Price 2005, 123 f.; vgl. ferner Dreher 2005b; Guzmán Armario 2009; Gibson 2014, bes. 128–134; Dreyer 2015, bes. 215. 109 S. 29–32.

4.3 Das Ende der territorialen Asylie in der Pax Romana

269

und somit sinkender Unsicherheit im Ägäisraum im ‚langen‘ ersten Jahrhundert allmählich ihre Bedeutung. Vielfache Modifikationen verändern die Asylie, wobei der römische Blick auf griechische Verhältnisse eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Die Überprüfung des Asylwesens durch Tiberius stellt in diesme Sinne aber durchaus einen gewissen Kulminationspunkt der an den Dokumenten des ersten vorchristlichen Jahrhunderts bereits nachvollziehbaren Entwicklung zu lat. asylum dar.

5. SCHLUSSBETRACHTUNG Die territoriale Asylie des dritten und zweiten Jahrhunderts erweist sich als ein spezifisches und historisch eng mit ihrer Epoche verbundenes Mittel des zwischenstaatlichen Verkehrs. Dabei ist allerdings einerseits die gewisse Einbindung in den facettenreichen älteren Komplex der Schutzgewährung und Konfliktdeeskalation sowie andererseits auch die Begründung nachfolgender Phänomene zu berücksichtigen. Als Vorläufer der territorialen Asylie fungieren die unterschiedlichen, häufig zum ‚antiken Asyl(recht)‘ zusammengefassten Vorgänge und Dokumente. Dabei handelt es sich um die in Teilen in einander verwobenen Zusammenhänge von συλᾶν und συλᾶν-Einschränkungen, persönlicher Asylie sowie Hikesie. Die betreffenden Vorgänge und Dokumente sind jedoch nicht im Sinne eines völlig kohärenten Gebildes, aus dem sich mehr oder minder von äußeren Faktoren gelöst die territoriale Asylie entwickelt hätte, zu verstehen; vielmehr stellen sich συλᾶν/Asylie und Hikesie als zunächst unabhängig voneinander konzipierte wie tradierte Instrumente dar, die im Laufe der Zeit gewisse Schnittmengen entwickeln. Die Begriffe συλᾶν, συλή und σῦλον sind in der Literatur wie in epigraphischen Quellen nachzuweisen und rekurrieren auf energische oder auch gewaltsame Bemächtigung sowohl in Bezug auf Gegenstände als auch Personen. Vor allem in epigraphischen Quellen wird dabei auf gezielten Raub und partiell auch Versklavung im zwischenstaatlichen Raum sowie eigenmächtige Selbsthilfe fokussiert. Auch wenn diese Vorgänge offenbar durchaus Legitimität besitzen, sind seit dem sechsten Jahrhundert zunehmend bilateral verhandelte Einschränkungen dieses Phänomens festzustellen. Die damit zusammenhängenden Symbola übermitteln in knapper Form die getroffenen Bestimmungen; Informationen über das Prozedere oder die Argumentation der Verhandlungen werden hingegen nicht verschriftlicht. Zudem lassen sich innerhalb dieser Dokumentengruppe keinerlei Hinweise auf religiöse oder kultische Legitimationsstrategien oder Begebenheiten finden. Das Einsetzen der Sylanbeschränkungen bedeutet allerdings nicht, dass die in der gewohnheitsrechtlichen Sphäre verwurzelten Gepflogenheiten prinzipiell abgebaut worden wären; vielmehr handelt es sich bei den Verträgen um Ausnahmen vom sonst weiterhin bezeugten συλᾶν. Zahlreiche Hinweise belegen, dass συλᾶν bis in die hellenistische Zeit durchaus opportun bleibt – und das nicht nur bei besonders ‚rückständigen‘ Piratenvölkern –, auch wenn seit der klassischen Zeit eine vor allem literarisch greifbare Diskussion um die Legitimität des συλᾶν nachzuweisen ist. Vergleichbar ist auch die Beleglage zur persönlichen Asylie. Die epigraphischen Quellen deuten auf ein an Hand der Sylaneinschränkungen entwickeltes Formular persönlicher Unverletzbarkeit, das zur Grundlage einer gewissen Absicherung des Reisens und damit auch des Handels außerhalb der eigenen Rechtsgemeinschaft dient. Denn auch die persönliche Asylie stellt die Herausnahme geehrter Personen oder auch Personengruppen aus dem συλᾶν dar und verfügt damit über

5. Schlussbetrachtung

271

ein vergleichbares, nicht sakral konnotiertes Bezugssystem. Lediglich über die bisweilen zusammen mit der persönlichen Asylie verliehenen kultischen Ehrenämter, kann eine assoziative Nähe zum Religiösen konstatiert werden. Dieses Phänomen wird allerdings erst im Hellenismus, nicht lange vor dem Einsetzen der territorialen Asylie, tatsächlich geläufig und kann schon daher nicht als maßgebliche Ursache kultischer Aspekte in den Dokumenten territorialer Asylie betrachtet werden. Mit negierten Begriffen zur Wurzel συλ- wird darüber hinaus seit klassischer Zeit auch die Unverletzlichkeit von sakralen Orten bedacht. Dabei werden bestimmte Lokalitäten in einem traditionellen, nicht selten mythisch begründeten Sinne als vom Krieg ausgenommen oder neutral wahrgenommen. Zu diesen heiligen Orten zählen etwa Delhpi, Delos oder Elis, aber auch das erst im Nachklang der Perserkriege zum Erinnerungsort stilisierte Plataiai und vermutlich auch Ephesos. Es werden folglich nicht nur Heiligtümer auf diese Weise vom Profanen abgegrenzt, vielmehr können auch Örtlichkeiten mit zumindest regionaler und häufig panhellenischer Geltung zu Teilen der so generierten sacred landscape werden. Diese sakralen Schutzzonen bedürfen keiner spezifischen Anerkennung, vielmehr scheint ihre Existenz ein Faktum und wird gerade durch die von antiken Autoren überlieferten Missachtungen ex negativo unterstrichen. In der klassischen Zeit entstehen zudem der platonische Neologismus ἱεροσυλία und das herodoteische Syntagma συλᾶν νεώς/ἱερά, die die gebrochene Unverletzlichkeit von Heiligtümern in besonderer Weise konkretisieren und verurteilen. Dabei ist nicht relevant, ob das entsprechende Heiligtum über panhellenische Bedeutung verfügt; jedes Heiligtum wird als von Gewalt ausgenommen konzeptualisiert. Die Sakralität bestimmter Orte trägt also, um noch einmal zusammenzufassen, zur Entstehung ausgewiesener sakral legitimierter Schutzzonen bei, die gerade in kriegerischen Auseinandersetzungen einen Ort für Verhandlungen über die Konfliktregulierung bieten können. In Zusammenhang mit der Sakralität von Orten steht auch die zumeist als zweiter Faktor des antiken Asyl(recht)s herangezogene Hikesie. Bereits in den ältesten literarischen Zeugnissen stellt sie eine an heiligen Orten vorgetragene rituelle Bitte um Schutzgewährung mit zunächst unhinterfragter Legitimität dar. Die Hikesie wirkt so als gesellschaftliches Regulativ, das Konflikte durch die Herausnahme einer Partei aus dem Zugriff der anderen durchaus zu deeskalieren und in Teilen sogar zu einer Lösung des Konflikts und Reintegration des Schutzsuchenden in den Bürgerverband beizutragen vermag. Seit klassischer Zeit allerdings wird die Allgemeingültigkeit des Hikesieanspruchs der steigenden Berücksichtigung von Gerechtigkeitsaspekten wegen verstärkt unterminiert. Die Hikesie wird für bestimmte Personengruppen, zumeist Kriminelle und Sklaven, oder Orte eingeschränkt, was allerdings keine Verhinderung ihrer konfliktregulierenden Wirkung erzeugt, sondern lediglich eine neue Strategie der Deeskalation darstellt. Gewalt wird auf diese Weise deutlich stärker mit moralischen Geboten konfrontiert und so delegitimiert. Beide Vorstellungen, die der unhinterfragten und der nach Gerechtigkeitskriterien eingeschränkten Hikesie, bleiben im Verlauf der griechischen Antike präsent, so dass gerade der Ausgleich zwischen beiden Vorstellungen ein nützliches Mittel der Konfliktbewältigung zu repräsentieren scheint.

272

5. Schlussbetrachtung

In der an Auseinandersetzungen reichen hellenistischen Epoche wandelt sich die Hikesie als Instrument der Konfliktregulation erneut. Aus archäologischen Quellen und sprachwissenschaftlichen Analysen lässt sich der Ausbau bestimmter Heiligtümer zu Hikesiezentren nachweisen. Die Lenkung des Zustroms der Schutzsuchenden in bestimmte Regionen mag bei der Befriedung kriegerischer Regionen als hilfreich empfunden worden sein, jedenfalls wird sie für den weiteren Verlauf der Geschichte prägend: Als die Römer zu politischen Akteuren der östlichen Mittelmeerwelt werden, nehmen sie zentralisierte Hikesieheiligtümer, sogenannte phyxima, wahr, die eine spezifische, in Rom unbekannte Form des sakral legitimierten Schutzes gewährleisten, wie die Entlehnungsgeschichte von lat. asylum aus den griechischen Syntagmen τὸ ἱερὸν ἄσυλον oder τὸ φύξιμον ἄσυλον spiegelt. Gleichzeitig erfahren die Römer von der Gepflogenheit, im Zuge der territorialen Asylie, bestimmte Orte aus der zwischenstaatlichen Gewaltanwendung herauszunehmen. Die Römer nehmen dieses diplomatische Mittel auf, deuten es aber bereits früh im Sinne ihres eigenen Selbstverständnisses sowie ihres Bildes der griechischen Poleis. Die Instrumente der Hikesie und territorialen Asylie werden fortan zunehmend verschmolzen und gewinnen mit dem römischen Machtausbau auf griechischem Gebiet in späthellenistischer Zeit zunehmend an Bedeutung. Dies geht in der Folge so weit, dass die Griechen selbst 22 n. Chr. ein dem römischen asylum-Verständnis entsprechendes Privileg von Kaiser Tiberius einfordern. Die territoriale Asylie – als Phänomen der vorrömischen Zeit – verfügt zum Zeitpunkt ihrer Entstehung in der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts allerdings keineswegs über sichere Berührungspunkte zur Hikesie. Die territoriale Asylie beschränkt sich nicht auf Heiligtümer; vielmehr befinden sich bereits unter den ältesten, und später auch unter den am besten verbreiteten, Belegen durchaus solche, die sich auf die jeweilige Polis und ihre Chora beziehen. Auch die Tatsache, dass territoriale Asylie ein epigraphisch festgehaltener Vorgang ist, während für die Hikesie nur wenige epigraphische Zeugnisse vorliegen, grenzt beide Phänomene in gewisser Weise ab. Darüber hinaus weist die Sprache der Inschriften in Richtung der συλᾶν-Verbote und der daraus abgeleiteten Formulare der Verleihungen persönlicher Asylie, die, wie erwähnt, bereits in klassischer Zeit auch en groupe vorliegen. Wenn nun die persönliche Asylie oder Sylaneinschränkungen bezeugenden Dokumente zur Grundlage für die Entwicklung des Instruments territorialer Asylie herangezogen werden, muss zunächst ein dem profanen Bereich zugeordneter Zuschnitt angenommen werden. Allerdings bezeugt die Verleihungsformel die ebenfalls vorhandene Verortung der Dokumente im religiösen Bereich unmissverständlich, denn die Poleis werden bis auf wenige Ausnahmen für ἱερὰ καὶ ἄσυλος erklärt. Es liegt also eine Kopplung von Heiligkeit an Unverletzlichkeit vor, die die Ausrichtung des neuen Phänomens bestimmt. Die religiöse Komponente muss allerdings nicht zwingend aus der später über römische Vermittlung mit der Asylie assoziierten Hikesie stammen. Ob der klar territorialen Ausrichtung der Dokumente scheint die traditionelle Neutralität bestimmter panhellenisch bedeutsamer Orte, die im Laufe der Zeit einen sakralen Schutzzonencharakter ausgebildet haben, eine geeignetere Vorlage zu sein. Denn gerade im Rahmen der Beschreibungen der in traditioneller Manier aus den Kriegshandlungen ausgeschlossenen Lokalitäten, also

5. Schlussbetrachtung

273

nicht notwendigerweise Heiligtümer, verfügt der Terminus ἱερὸς über eine gute Beleglage. Die Entwicklung der territorialen Asylie in der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts in Mittelgriechenland – sofern die erhaltenen Quellen tatsächlich die Ursprünge offenbaren – könnte eine Reaktion auf die mit dem Chremonideischen Krieg verbundenen politischen Unsicherheiten darstellen, wie auch spätere Gesuchskonzentrationen mit starken politischen Umwälzungen in der jeweiligen Region in Verbindung gebracht werden können. Die außenpolitisch diffizile Lage und die drohende Kriegsgefahr – wie sie in Ecksteins Dictum vom „dark example of the Hobbesian war of all against all“1 deutlich wird – könnten so zur Kombination der sakral legitimierten Schutzfunktion panhellenisch oder zumindest regional bedeutsamer Orte und den Verfahrensweisen der persönlichen Asylie und συλᾶνBeschränkungen geführt haben. Diese Verbindung wäre gewählt worden, weil durch die Adaption der Heiligung – die in den traditionellen Fällen primär Allgemeingültigkeit besaß – der Radius der Abkommen, die bei persönlicher Asylie und συλᾶν-Verboten bilateral funktionierten und von Fall zu Fall neu verhandelt wurden, vergrößert werden konnte. Das neu erschaffene Instrument wäre an vielen Orten zugleich vorlagefähig. Andererseits ist auch der Aspekt der religiösen Rückbindung des neuen diplomatischen Werkzeugs nicht zu unterschätzen. Die erfolgreiche Verstetigung der in den historischen Ereignissen verwurzelten territorialen Asylie betont darüber hinaus den bestimmenden Faktor der betreffenden Epoche: Die Instabilität der politischen Lage, die sich in wechselnden Machtverhältnissen und einer wiederholt veränderten Zusammensetzung der großen und mittleren politischen Akteure ausdrückt, verschafft dem neuerschaffenen Instrument weitere Einsatzmöglichkeiten. Diese Unsicherheitssituation ist verstärkt in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts vorzufinden. Das Nachlassen des ptolemäischen Einflusses in der Ägäis und im westlichen Kleinasien führt zu den damit zusammenhängenden Versuchen der Seleukiden und Antigoniden, aber auch aufstrebender Mittelmächte dieses Vakuum zu füllen. Dabei ist der Ereignisverlauf allerdings nicht linear, sondern von vielfachen Umformungen betroffen, was die Problematik der Lage der politisch weniger bedeutsamen Staaten noch fördert – denn auf diese Weise ist ihnen keine längerfristige Zuordnung zu einer großen, stabilen Schutzmacht möglich. Die Situation verlangt also nach einem flexiblen Instrument zur bestmöglichen Absicherung. Diese Absicherung, nicht nur, aber auch gegenüber den großen Mächten, die in ihre eigenen Auseinandersetzungen auch die kleinen Staaten involvierten, wird in einer Vielzahl der Fälle mit dem recht neuen Mittel der territorialen Asylie erzeugt, denn so sind Ausbau und Ausnutzung vorhandener Netzwerke möglich. Diese Asylienetzwerke vermögen den Poleis durchaus Handlungsspielraum zu gewähren und lassen in einigen Fällen auch handfeste Abwendung bevorstehender Angriffe, vor allem im Rahmen des Sylans seitens der Kreter, Aitoler und auch anderer Staaten, erkennen. 1

Eckstein 2006, 91.

274

5. Schlussbetrachtung

Diese Herleitung der Entstehung der territorialen Asylie aus den außenpolitischen Unsicherheiten zu Zeiten wechselnder Machtverhältnisse belegt allerdings die Verortung des Instruments in der Welt der zwischenstaatlichen Diplomatie unmissverständlich. Es ist kaum vorstellbar, dass ein bedeutungsleeres Privileg in kriegerischen Zeiten entwickelt, verbreitet und verwendet worden wäre; vielmehr ist ein sicherheitssteigernder Faktor anzunehmen. Da die Asylie jedoch ein zustimmungsbedürftiges Werkzeug des zwischenstaatlichen Verkehrs darstellt, ist die geschaffene Sicherheit natürlich nicht allumfassend; wobei gegen den Einwand, die Asylie sei bisweilen gebrochen worden, zu bedenken ist, dass kaum Schutzformen vorstellbar sind, die über Jahrzehnte hinweg – und das in Zeiten ohne einen ausgeprägten Hegemon, der den allgemeinen Frieden notfalls mit Waffengewalt erhalten könnte – niemals hinterfragt oder schlichtweg trotz bestehender genereller Akzeptanz nicht gebrochen worden wären. Der Netzwerkcharakter der territorialen Asylie und ihre Verbundenheit mit den kleineren politischen Akteuren spiegeln sich des Weiteren im ausgewogenen, nur geringfügige Nivellierungen erlaubenden Duktus der Dokumente. In der Mehrzahl der Zeugnisse treten die Bürgerverbände aktiv auf und im Sinne der peer polity interaction – die königlichen Briefe ausgenommen – miteinander in Interaktion. Das wiederum erweist sich als in vielfacher Hinsicht prägend für die am Modell der Idealbürgerschaft ausgerichtete Argumentationsweise der einzelnen Inschriften. Die vorgebrachten Begründungen ihres Anspruchs seitens der Antragsteller etwa rekurrieren in besonders auffälliger Art und Weise auf Freundschaft und Verwandtschaft sowie die dem Gegenüber grundlegend entgegengebrachten positiven Haltungen οἰκειότης und εὔνοια. Diese Argumente erfüllen proleptische Funktionen, oder anders gefasst: sie unterbreiten dem potentiellen Asylieverleiher eine Offerte für künftiges Verhalten im zwischenstaatlichen Aktionsraum. Mit ihrer Annahme der Asylie bestätigen die Verleiher diese Angebote und sagen damit ebenfalls εὔνοια zu oder bestätigen die οἰκειότης, φιλία oder συγγένεια; darüber hinaus gehen sie so aber auch vertragsähnliche Vereinbarungen mit den Antragstellern ein. Auch die ausführliche Argumentation der Asyliebewerber mit dem eigenen Verhalten in kultischen und religiösen Dingen sowie die Betonung der militärischen, diplomatischen oder finanziellen Engagements in der griechischen Oikumene lassen sich als Bestandteile des Verhaltens einer idealen Polis interpretieren. Dies wird vor allem in der Beurteilung dieser beiden geläufigen Argumentgruppen seitens der Verleiher deutlich, die das kultische und religiöse Agieren als εὐσέβεια, das außenpolitische und militärische als εὐεργεσία zusammengefassen. Eusebie und Euergesie werden also argumentativ beigeordnet, was unter Zuhilfenahme der bestmöglichen Art und Weise sich zu verhalten als tertium comparationis geschieht. Die Eusebie wird so allerdings zu einem religiös begründeten Mittel des politischen Agierens, denn: Was als εὐσεβής aufgefasst wird, ist Bestandteil der Aushandlungsprozesse im religiösen Feld; dass das ‚richtlinienkonforme‘ Verhalten in religiosis ein integrativer Bestandteil des politischen Leitbildes ist, stellt wiederum ein Ergebnis der Verhandlungen des politischen Feldes dar. Die Argumentation in den Asyliedokumenten erweist sich somit als im Grenzbereich zwischen religiösem und politischem Feld verortet.

5. Schlussbetrachtung

275

Daneben ist ein weiteres Motiv der Gesuche, das auch von den Verleihern aufgenommen wird, zu nennen – die Bitte um die Steigerung der Ehre des Schutzpatrons der Stadt oder des Heiligtums. Diese intendierte Steigerung der Ehre der Götter repräsentiert allerdings kein unmotiviertes Prestigestreben der jeweiligen Bewerber und auch kein inhaltsleeres Privileg der Verleiher; vielmehr fungiert τίμη und ihre erhoffte/gestattete Erhöhung – in Rückbezug auf die Ergebnisse der Forschung zum Themenkomplex Ehre in den historischen Disziplinen – als Instrument der Rangzuweisung im zwischenstaatlichen Raum. Damit ist Ehre aber kein über die Grenzen des Sakralen unbedeutendes Detail, sondern ein wichtiger Faktor innerhalb der Verhandlungen um und auch in der Ausgestaltung von Asylie. Analog zu den Ausführungen zur Eusebie kann auch für die Ehre der göttlichen Patronen eine Verortung im Grenzbereich zwischen religiösem und politischem Feld angenommen werden: Was die Ehre eines Gottes steigert, ist inhaltlich im religiösen Feld zu klären; dass die Ehrsteigerung politisch nutzbar gemacht werden kann, resultiert aus den Aushandlungsprozessen des politischen Feldes. Die Argumentationsweise der Asyliebewerber mit am Idealbild einer politischen Gemeinschaft orientierten Schilderungen – also der Betonung des erfolgreichen diplomatischen und militärischen Engagements in der Vergangenheit sowie der positiv konnotierten Verrichtung der kultischen Dienste und der religiösen Pflichten – zielt folglich auf die Darstellung der eigenen politischen Vertrauenswürdigkeit in Zeiten der Unsicherheit. Die Verleiher stützen diese Schilderung und erwirken durch ihre Anerkennung gewisse Erwartbarkeiten künftigen Verhaltens. Die territoriale Asylie fungiert so als Mittel der Absicherung für die Bewerber aber auch für die Verleiher. Die Ausrichtung der Asylie ist dabei an keine Vorgaben gebunden und kann je nach politischer Lage variiert werden. Gerade diese Flexibilität stellt wohl den entscheidenden Faktor dieses Instruments, das in keinem ausschließenden Verhältnis zu anderen Absicherungsmethoden – wie Symmachien, Isopolitien etc. – steht, dar. Die territoriale Asylie ist somit ein Mittel der Interaktion unter Poleis, aber auch zwischen Poleis und Bünden oder Königen. Es verwundert daher nicht, dass auch die Römer zur Anerkennung der Asylie aufgerufen werden können. Die römischen Asylieverleihungen allerdings weisen von Beginn an eigene Charakteristika in Form und Inhalt auf. Die römischen Beamten verfügen zwar das unbedingt Notwendige, argumentieren jedoch deutlich an eigenen Werten und Normen orientiert und verzichten zudem bereits früh auf die üblichen Formulare. Sie deuten auch das Vokabular der Anerkennungen um, was schon im zweiten Jahrhundert auf eigene Interpretationen der Möglichkeiten des Asylieinstruments deuten könnte. Der Duktus der Dokumente jedenfalls unterstreicht die wohl bewusste Abgrenzung von den sich gegenseitig als Peers wahrnehmenden griechischen Städten. Damit geben die frühen römischen Asyliedokumente bereits eine Richtung vor, die in den Zeugnissen der territorialen Asylie vom ausgehenden zweiten Jahrhundert bis in die frühe Kaiserzeit bedeutend häufiger anzutreffen ist. Diese Dokumente erweisen sich gegenüber dem Material des dritten und zweiten Jahrhunderts als strukturell und inhaltlich divergent. Die Verbindung von Hikesie und Asylie und die Beschränkung der Wirkungssphäre auf Heiligtümer entwickeln sich zum prä-

276

5. Schlussbetrachtung

genden Aspekt des Instruments. Zudem ändern sich die Gesuchsverläufe massiv, und zwar von möglichst breit angelegten oder an potentielle Gefährder gerichteten Gesuchen zu Ratifizierungen seitens römischer Autoritäten. Diese beiden Punkte verdeutlichen noch einmal die Verwurzelung der territorialen Asylie in ihrer Hochphase in der Gemengelage der politischen Diskontinuitäten der betreffenden Zeit. Mit verstärktem römischen Machtgewinn verliert sich die Notwendigkeit einer nach allen Seiten ausgerichteten Absicherung und der starke Friedensgarant ersetzt die vielen, sich in Teilen überdeckenden Asylienetzwerke. Andererseits wirkt die römische Wahrnehmung der griechischen Entwicklungen der Hikesieregulierungen und der Asyliebestrebungen auf die Griechen zurück und ermöglicht spätestens seit der Zeit der tiberianischen Asylrevision ein zumindest potentielles Verständnis der Asylie im Sinne von lat. asylum. Dies bedeutet alledings kein gewaltsames Ende der territorialen Asylie durch die Römer, sondern vielmehr den vorläufigen Abschluss eines Wandlungsprozesses, der bereits im ausgehenden zweiten Jahrhundert die territoriale Asylie im engeren Sinne stark modifiziert hat. Die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der territorialen Asylie an äußere Verhältnisse erklärt also auch ihre recht kurze Blütephase: Mit der zunehmenden Planungssicherheit der griechischen Städte im Zuge des römischen Machtgewinns verschiebt sich das Interesse von der Absicherung im zwischenstaatlichen Raum zur Konfliktregulation im Inneren.

ANHANG Dieser Anhang versteht sich nicht als vollständiges Corpus aller Belegstellen territorialer Asylie; vielmehr ist er als Sammlung von dokumentarischen Zeugnissen der territorialen Asylie vom dritten Jahrhundert bis in die frühe Kaiserzeit konzipiert, die nicht im bereits vorhandenen Corpus Rigsby 1996 aufgenommen oder seitdem maßgeblich und in größerem Umfang modifiziert wurden. Texte, die Rigsby 1996 für unsicher hält, aber dennoch vollständig verzeichnet, ohne ihnen eine Nummer zu geben, werden nicht aufgenommen. Ebenso werden geringere Modifikationen bezüglich der Lesung der Dokumente lediglich an entsprechender Stelle des Haupttexts der Untersuchung besprochen. Dabei ist territoriale Asylie im Sinne der im analytischen Teil dargelegten Charakteristika definiert; es werden nicht alle gefundenen Belege des von ἄσυλος und verwandter Termini aufgeführt. Da es sich um eine Sammlung bereits edierter Texte handelt, werden die Beschreibungen und Literaturangaben auf das Allernotwendigste beschränkt, inhaltliche Aspekte und Kommentare finden sich im Haupttext der Untersuchung; für weiterführende Informationen sei auf diesen und die jeweils einschlägigen Editionen verwiesen. 1. NEUE ASYLIEDOKUMENTE AUS KOS a) Königsbrief Alexanders II. von Epeiros (?) Kos. Seite C einer im nordöstlichen Säulengang des Asklepieions schon 1903 gefundenen dreieckigen, dreiseitig beschriebenen, oben und unter gebrochenen Stele aus bläulichem Marmor (Kyrbis nach Herzog 1928) mit vier Königsinschriften (Seite A: Antigonos Gonatas, Ziaëlas von Bithynien; Seite B: Seleukos II.). Ed. IG XII 4, 1, 211. a. 242 a.

5

10

15

––––––––––––– ΤΗ– – – – – – – – – – – Τ– – – – – – – – – – – – Τ– – – – – – – – – – – – Τ– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –ΕΙΝ – – – – – – – – – – τιμὰς – – – – – – – – – –ΣΑ – – – – – – – – – – –Σ – – – – – – – – –ΟΥΤΩ – – – – – – – – – –ΟΥ – – – – – – – – – – –Λ – – – – – – – – –ς τοὺς – – – – – – – –Σ[. .] ἡμᾶς – – – – – – – – – –ΛΝ – – – – – – – – – –ΟΥ

278

Anhang – – – – – – – – – –Σ[.]Ν – – – – –?– – – – – – –

b) Asyliebriefe und Asyliedekret kretischer Städte Kos. Links erhaltenes im Asklepieion gefundenes Fragment einer opistographen Stele aus weißem Marmor mit drei Asylieanerkennungen kretischer Städte (A I: Istron, II: Phaiston; B III: Hierapytna). Erwähnt schon bei I.Cret. I, S. 100, 269; Herzog – Klaffenbach 1952, 29; Rigsby 1996, Nr. 42–44, ohne Text. Edd. Rigsby/Hallof 2001, 335–338; IG XII 4, 1, 214; Übersetzung Hallof Telota. a. 242 a. A I 5

10

[Ἰσ]τ̣ρ̣ω̣ν̣[ίων οἱ κόσμοι καὶ ἁ πόλις Κώιων τᾶι βουλᾶι καὶ τῶι] δάμωι χαίρειν· ἀπεστή[λατε παρ᾿ ἁμὲ θεωροὺς Χά]ριππον, Δίωνα, Πλάτωνα̣, [οἳ ἐπήγγειλαν τάν τε θυ]σίαν καὶ τὰν πανάγυρ[ιν τὰν γενομέναν τῶι Ἀσ]κλαπιῶι καὶ παρεκάλο[υν ἁμὲ τὸ ἱερὸν τοῦ Ἀσ]κλαπιοῦ τὸ ἐγ Κῶι ἄσυ[λον δέχεσθαι, ἀγαθᾶι τύχαι], δεδόχθαι τᾶι πόλει τᾶ[ι Ἰστρωνίων· δέχεσθαι καθὰ] παρακαλοῦντι τάν τ[ε θυσίαν καὶ τὰν πανάγυ]ριν καὶ τὰν ἐκεχειρία̣[ν, καὶ ἄσυλον ἦμεν τὸ ἱερὸν] τοῦ Ἀσκλαπιοῦ ὑπό τε [Ἰστρωνίων καὶ τῶν κατοικούν]των ἐν Ἰστρῶνι· τὸ δὲ ψ[άφισμα τόδε ἀναγράψαι ἐν τῶι] πρυτανείωι ἐν τῶ[ι ἐπιφανεστάτωι τόπωι· τοῖς δὲ] θεωροῖς ἐς ἀπαρχὰν̣ [δόμεν στατῆρας δέκα.]

AI

Die Kosmen und die Stadt der Istrionier senden dem Rat und dem Volk der Koer Gruß. Ihr habt zu uns entsandt die Festgesandten Charippos, Dion (und) Platon, die angekündigt haben das Opfer und die Prozession, die für Asklepios stattfindet, und uns ersuchten, das Heiligtum des Asklepios in Kos als unverletzlich anzuerkennen, zu Glück und Heil! So wolle beschließen die Stadt der Istrionier: dass man anerkenne, wie sie erbitten, das Opfer und die Prozession und den Festfrieden, und dass unverletzlich sei das Heiligtum des Asklepios seitens der Istrionier und der Bewohner von Istron; dass man diesen Beschluss aufzeichne im Prytaneion an dem hervorragendsten Platz; dass man den Festgesandten zur Opfergabe zehn Statere gebe.

II 15

Φαιστίων οἱ κόσμοι καὶ [ἁ πόλις Κώιων τοῖς ἄρχουσι] καὶ τᾶι πόλει χαίρειν· ἐπ̣[εὶ Κῶιοι ἀποστείλαντες θεω][ροὺ]ς τάν τε ἀσυλ[ίαν τῶ ἱερῶ τῶ Ἀσκλαπιῶ καὶ τὰν θυσί][αν κα]ὶ τὰ λοιπά, ὧγ . [– – – – – – –, ἀξιοῦντι δέχεσθαι] – – – – – τ[α]ύτα δὲ . – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –desunt vv. non multi– – – – – – – – – – – – –

20 B

25

[τ]ὸ̣ [ἱ]ε̣[ρὸν τῶ Ἀσκλαπιῶ ἄσυλον] ὑπάρχη ὑπό τε Φαισ[τίων] [καὶ τῶν κατοικούντων ἐμ Φα]ιστῶι, ἀγαθᾶι τύχαι· ἦ[μεν] [ἄσυλον τὸ ἱερὸν τῶ Ἀσκλα]π̣ιῶ τῶ ἐγ Κοοῖ ὑπό τε Φαιστ̣[ί][ων καὶ τῶν κατοικούντων ἐ]μ Φαιστῶι· τὸ δὲ ψάφισμα̣ [τόδε ἀναγράψαι ἐν τῶι ἱερῶι τῶ Ἀπόλ]λωνος τῶ Πυθίω· [δόμεν δὲ καὶ τοῖς θεωροῖς εἰς] ξένια στατῆρας δέκα.

1. Asyliedokumente aus Kos

279

II

Die Kosmen und die Stadt der Phaistier senden den Magistraten und der Stadt der Koer Gruß. Da die Koer, indem die Festgesandte entsandt haben, die Unverletzlichkeit des Heiligtums des Asklepios und das Opfer und das übrige – – – anzuerkennen bitten – – – dies aber – – –. das Heiligtum des Asklepios unverletzlich sein soll seitens der Phaistier und der Bewohner von Phaistos, zu Glück und Heil: dass unverletzlich sein soll das Heiligtum des Asklepios in Kos seitens der Phaistier und der Bewohner von Phaistos; dass man diesen Beschluss aufzeichne im Heiligtum des Apollon Pythios; dass man auch den Festgesandten zum Festmahl zehn Statere gebe.

III

[ἔδοξεν Ἱεραπυτνίων τοῖς κόσμ]ο̣ις καὶ τῶι δ̣ά̣μωι· ἐπε̣[ι][δὴ Κῶιοι φίλοι ὄντες τῶ δάμ]ω τῶ Ἱεραπυτνίω θε[ωροὺς ἀπεστάλκαντι παρ᾿ ἁμὲ Χ]άριππον, Δίωνα, Πλά[τωνα, οἵτινες ἐπαγγέλλοντι] τὰν θυσίαν καὶ τὰν [ἐκεχειρίαν καὶ τὰν πανάγυρι]ν̣ τῶι Ἀσκλαπιῶι κ̣α[ὶ] [ἀξιοῦντι τὸ ἱερὸν τῶ Ἀσκλα]πιῶ[[.]] τὸ παρ᾿ αὐτοῖς ἄσ[υ][λον ἦμεν, ἀγαθᾶι τύχαι, δε]δόχθαι Ἱεραπυτνί[οις]· [ἀποδέχεσθαι τὰν θυσία]ν̣, καὶ τὸ ἱερὸν τῶ Ἀσκ[λαπιῶ] [ἄσυλον ἦμεν καθὼς ἀξι]οῦντι· ἀγγράψα[ι δὲ τό ψά][φισμα ἐν τῶι ἱερῶι τῶ Ἀσκ]λαπιῶ· δόμε[ν δὲ ἐς ἀπαρ][χὰν στατῆρας δέκα τοῖς θεω]ροῖς. – – – – – – – – – – – – – – – –ΙΤΑ– – – – – – – – – –––––––––––––––––––––––––––

B

30

35

III

Beschluss von Kosmen und Volk der Hierapytnier: da die Koer, die Freunde des Volkes der Hierapytnier sind, zu uns entsandt haben die Festgesandten Charippos, Dion (und) Platon, die angekündigt haben das Opfer und den Festfrieden und die Prozession für Asklepios und ersuchen, das Heiligtum des Asklepios bei ihnen als unverletzlich anzuerkennen, zu Glück und Heil! So wollen beschließen die Hierapytnier: dass man anerkenne das Opfer, und dass das Heiligtum des Asklepios unverletzlich sei, wie sie erbitten; dass man aufzeichne den Beschluss in dem Heiligtum des Asklepios; dass man zum Opfer zehn Statere den Festgesandten gebe.

c) Asylieanerkennung einer thessalischen Stadt Kos. Zwei im Asklepieion gefundene nicht anpassende Fragmente a (links vollständig) und b (überall gebrochen) einer weißen Marmorstele mit der Inschrift einer unbekannten thessalischen Stadt. Edd. Bosnakis/Hallof 2003, 234–236; IG XII 4, 217; Übersetzung Hallof Telota. a. 242 a. – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – [.]Α . . Ο . [– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – κάταπερ ἐπαγ]– γέλλοεν, δεδό[σθειν – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –] τοῖς θεουροῖς – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – 5 δουται, δόμε[ν – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – ἐν κίον]α̣ λιθθαν αυ– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – [– – – – – – – – – – – – – – – – – – δια]φυ̣λάσσει τὰν ἐξ̣ [ἀρχᾶς ὑπάρχονσαν τᾶ Κού][ουν πόλι καὶ κοινᾶ πὸτ τὸ ἔθνος τ]ὸ Πετθαλοῦν καὶ ἰδία πὸτ τὰν π̣[όλιν τὰν – – – καὶ] 10 [ἀποδεξάσθειν τὰς θύσσας τοῦ Ἀσκλ]απιοῦ καὶ τὰν ἐκεχείρραν προθύμους [καὶ– – – –] [– – – – – – – – – – καὶ ἄσυλον ἔμμεν] τὸ ἱαρὸν κατοῖα ἁ Κούουν πόλις ἄξουε[ν – – –] [– – – – – – – – – – – – – – – – – – – –β]α̣σομένος ἐν Κῶ πὸτ τὰ Ἀσκλαπίε[ια – – –]

280

Anhang – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –ς καὶ τᾶς Κού[ουν πόλ]– [λιος – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –] . . . – – – – – – ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

15

– – – wie sie ankündigen; dass man gebe – – – den Festgesandten – – –; dass gebe – – – auf einer Säule aus Stein – – – (das Wohlwollen) bewahrt, das von Anbeginn an der Stadt der Koer zu eigen war allgemein gegenüber dem Stamm der Thessaler und speziell gegenüber der Stadt der – – – und dass man anerkenne die Opfer für Asklepios und den Festfrieden wohlwollend und – – – dass unverletzlich sei das Heiligtum, so wie es die Stadt der Koer erbat – – – dass (die Festgesandten, die) – – – hingehen werden nach Kos zu den Asklepieia – – – und der Stadt der Koer – – –.

d) Asylieanerkennungen zweier unbekannter thessalischer Städte Kos. Zwei im Areal des Asklepieions gefundene anpassende Fragmente a (rechts erhalten) und b (überall gebrochen) Edd. a Helly 2004, 103–107; a und b IG XII 4, 218; Übersetzung Hallof Telota. a. 242 a. I

–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –στο – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – . κ̣ρατι[– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – παραγενο]μένουν 5 [θεουροῦν πὰρ τᾶς πόλιος τοῦν Κώιουν – – – – – – – – – – – – ἐπαγγε]λ̣λόντουν [τάς τε θύσσας καὶ τὰν ἐκεχείρραν καὶ τὰν πανάγυριν καὶ τὸς ἀγοῦνας] τὸς τοῦ Ἀσ[κλαπιοῦ καὶ ἀξούντουν τὸ ἱαρὸν ἄσυλον ἔμμεν, ἔδοξε τοῦ δάμου τοῦ – –]ᾶν·τὰς θύσσας [καὶ τὰν ἐκεχείρραν ἀποδεξάσθειν προθύμους κατοῖα ἄξουεν ἀ πόλις] τοῦν Κώιουν καὶ [τὸ ἱαρὸν ἄσυλον ἔμμεν· δόμεν μὰ τοῖς θεουροῖς δραχμὰς Ἀλεξαν]δρείας ἴκατι καὶ ΠΑ 10 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

I

– – – Da erschienen sind von der Stadt der Koer als Festgesandte – – – und ankündigen die Opfer und den Festfrieden und die Festversammlung und die Spiele für Asklepios, und bitten, dass das Heiligtum unverletzlich sei, beschloss das Volk der – -ai: dass man die Opfer und den Festfrieden wohlwollend anerkenne, so wie es die Stadt der Koer erbat, und dass das Heiligtum unverletzlich sei; dass man den Festgesandten zwanzig Alexander-Drachmen gebe und – – –.

II

[– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –άρ]χοντος, Ξενοφῶντος τοῦ [– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – τοῦ – –]δόμου, Ἀντιπάτρου τοῦ Φε[– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – τοῦ – – –]άνδρου, Τιμοθέου τοῦ Λευ[– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – ἔδοξε τῆι πό]λ̣ι· ἐπειδὴ παραγενόμ̣ενοι 15 [θεωροὶ παρὰ τῆς Κώιων πόλεως – – – – – – – – – – – – – – – – κα]ὶ ἐπαγ̣γέ̣ λλουσι [τήν τε θυσίαν καὶ τοὺς ἀγῶνας τοῦ Ἀσκληπιοῦ καὶ ἀξιοῦσι τὸ ἱερὸν] ἄσυλον εἶνα[ι], [δεδόχθαι – – – –· ἀποδέχεσθαι τήν τε θυσίαν καὶ τοὺς ἀγῶνας καὶ] ἄ̣συλον εἶναι τ[ὸ] [ἱερὸν τοῦ Ἀσκληπιοῦ – – – – – – – – – – – – – – – – – – – ἀποσ]τέλλειν δὲ ε̣[ἰς] ––––––––––––––––––––––––––––––––––––.–––

II

(Beschluss) der – –: Als Tagoi? waren – – –, S. d. -archon, Xenophon, S. d. – – –, – – –, S. d. – – –, – – –, S. d. -domos, Antipatros, S. d. Phe– – –, – – –, S. d. – – –, (und Sekretäre) – – –, S. d. -andros, Timotheos, S. d. Leu– – –, – – – Beschluss der Stadt: Da erschienen sind als Festgesandte von der Stadt der Koer – – – und ankündigen für Asklepios Opfer und Festspiel, und bitten, dass das Heiligtum des Asklepios unverletzlich sei, möge beschließen – – –: dass man anerkenne Opfer und Festspiel,

1. Asyliedokumente aus Kos

281

und dass unverletzlich sei das Heiligtum des Asklepios – – – dass man entsende nach – – –

e) Asyliedekret mit möglicher Gesandtennennung Kos. Im Asklepieion gefundenes, an allen Seiten gebrochenes, opistographes Fragment einer Stele aus weißem Marmor. Ed. IG XII 4, 1, 219. a. 242 a. A

5 B

10

15

–––––––––––––– – – – – – –Ξ̣Ε– – – – – – – – – – – – –ΕΝΔ– – – – – – – – – – – –ΑΙΘΟΥ– – – – – – – – – – –αι τας– – – – – – – – – – – –ν̣ Κώιω[ν – – – –] –––––––––––––– ––––––––––––––– – – – – – Ἀσ]κλ– – – – – – – [– – – – – ἄ]συλο[ν – – – – –] – – – – – –ΘΗΚΓΥ̣– – – – [– – – – – θ]υσίαν κα[ὶ – – –] – – – – – –ου καὶ τ– – – – – – – – – – – θεωρὸς – – – – – –––––––––––––––

f) Asylieanerkennung aus Leukas Kos. Nicht anpassendes Fragment b einer im Asklepieon gefundenen Stele aus weißem Marmor. Auf Fragment a sind die Inschriften aus Kassandreia (I), Amphipolis (II), Philippi (III) und Korkyra (IV) aufgetragen. Edd. Rigsby/Hallof 2001, 342–345; IG XII 4, 220 V; Übersetzung Hallof Telota. a. 242 a. V 65 Λ ε υ [κ α δ ί ω ν ἔ χ ο ν ἐ π ί σ α μ ο ν – – – – – – – – – – – –]· βασιλεύοντος Ἀλ[εξάνδρου ἔτους – – – – –, – – – – – – – – – – –, μηνὸς – – – ἕ]κται ἐφ᾿ ἱκάδι, ἀγαθᾶι [τύχαι· – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –] με̣ν Πεισανδρο[– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – τὰν] ἐκεχειρίαν τοῦ [Ἀσκλαπιοῦ – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –] 70 ων τάν τε ἐκεχ[ειρίαν καὶ – – – – – – – – – – – – – – – – – –, καθάπερ καὶ ὁ βασι]λεὺς Ἀλέξανδ[ρος προαιρεῖται – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –] ἐνέστιον καὶ Ε– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –. (Beschluss) der Leukadier mit – – – als Siegel. Als König war Alexander, im – – – Regierungsjahr, im Monat – – – am sechsundzwanzigsten, zu Glück und Heil! – – – Peisandr– – – den Festfrieden des Asklepios – – -, so wolle beschließen die Stadt der Leukadier: dass man den Festfrieden anerkenne und dass das Heiligtum in Kos unverletzlich sei, wie es auch der König Alexandros wünscht. – – – (Die Festgesandten sollen erhalten – – -) als Herdopfer und für die Feier des Festfriedens – – –.

282

Anhang

g) Asylieurkunden von Kios, Kalchedon und weiteren kleinasiatischen Städten Kos. Im Asklepieion gefundene, aus zehn Fragmenten a – k bestehende und heute partiell mit Gips zusammengesetzte (g – j) opistographe Stele aus weißem Marmor mit den Asylieanerkennungen kleinasiatischer Städte. Edd. d Rigsby 1996, Nr. 36; i Herzog/Klaffenbach 1952, 24–25; ab.de Rigsby/Hallof 2001, 338–340; ab.d – f Bosnakis/Hallof 2003, 237–240; IG XII 4, 1, 226; Übersetzung Hallof Telota. a. 242 a. A I

5

[– – – –ν· ἔδοξε τῶι δάμωι, – – – – – – εἶπεν· ἐπειδὴ Κῶι]οι φίλοι ὄντες καὶ [σύμμαχοι ἐκ παλαιῶν χρόνων ἀποστείλαντες μὲν θεαροὺ]ς Αἶσχρον Θευδότου, [Ἐπικλῆ Ἀγορακρίτου καὶ ἀρχιθέαρον Ἱππότην Ἱπποκρίτου ἐ]π̣αγγέλλοντί τε [τὰν θυσίαν – – – – – καὶ τὸν ἀγῶνα, ὃν συντελεῦντι τῶι Ἀσκ]λ̣απιῶι, καὶ ἀ[ξι][οῦντι – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –], δεδόχθ[αι] [τῶι δάμωι· – – – – – – – – – – – – – – – – – – τὸ ἱερὸν τοῦ Ἀσκλ]απιοῦ ἄ[συ][λον ἦμεν – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –]

AI

(Beschluss) der – – -. Beschluss des Volkes, – – – stellte den Antrag: da die Koer, die Freunde sind und Verbündete seit alter Zeit, entsandt haben die Festgesandten Aischros, S. d. Theodotos, (und) Epikles, S. d. Agorakritos, und den Leiter der Festgesandtschaft Hippotes, S. d. Hippokritos, und verkündet haben das Opfer – – – und das Festspiel, das sie veranstalten für Asklepios, und ersuchen – – –, möge beschließen das Volk: – – – dass das Heiligtum des Asklepios unverletzlich sei – – –

II 10

[– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – τὴ]ν θυσ[ί][αν – – – – – – – – – – – – – –] . ΑΣΤ– – – – – – – – – – – – – τὸν ταμίαν

II 10

– – – das Opfer – – – der Schatzmeister

III

– – – – – – – – – . – – – – ε̣ἰς τὰ δη̣[μόσια γράμματα. Καλχ]α̣δονίων· [– – –c.8– – – σ]υνεγρ̣ά[̣ ψα]ντο· ἐπει[δὴ Κῶιοι φίλοι ἐόντες τ]ῶι δά[μ]ωι ἐκ πα[λαιῶν χρόν]ω̣ν ἀποσ[τ]είλαντες [μὲν θεαροὺς Αἶσχρον Θ]εοδότου, Ἐπικλ[ῆ] [Ἀγορακρίτου] καὶ ἀρχ[ι]θέαρον Ἱππό[την Ἱπποκρίτου τά]ν τε θυσ̣[ίαν] ἐπα[γ][γέλλοντι κα]ὶ τὰμ π[α]νάγυριν τοῦ [Ἀσκλαπιοῦ, ἀξιοῦ]ντι δὲ κ[αὶ τ]ὸ ἱερὸν [τὸ παρ᾿ αὐτοῖ]ς ἄσυλ[ον] νομίζειν, τ[ύχαι ἀγαθᾶι, δεδό]χθαι τῶι δά̣μωι· [δέχεσθαι τ]ὰν θυσ[ία]ν καὶ τὰν ἐ[κεχειρίαν· εἶμ]εν [δὲ] καὶ τὸ ἱερὸν ἄσυ[λον καθάπερ] ἀξιοῦ̣[ν]τ̣ι Κῶιοι κ̣– – – – – – – – –ειμε[ν] κατὰ τὸν ΛΔΙ[.] [– – – – – – π]ερὶ τὸ ἱ[ερὸ]ν καθάπερ – – – – –ΩΝ τὰ λο[ι]πὰ ἱερὰ τὰ ἄσ̣υλα [– – – – – –· ὅ]πως δ[ὲ] καὶ ἁ θεαρ̣ία π̣[εμφθῆ]ι ἐς τὰμ πανάγ[υ]ριν, τ[ὸ]ν ἱε[ρομνάμονα τὸ]ν ἐπὶ [Δι]οδώρου εἰσα[γγεῖλ]αι εἰς τὰμ [β]ουλ[ὰν] ἐν τῶι Ἀρ[ταμιτίωι μηνὶ κ]ὰ̣τ τ[ὸ]ν νόμον· δόμε[ν δὲ] καὶ τοῖς θεα[ρ]οῖς τὸ[ν] ταμίαν [– – – – – – – – – – –· κ]αλέσαι δὲ τὸ[ν βα]σ̣ιλῆ[[ι]] καὶ ἐπὶ ξ̣ένια το[ὺ]ς θεα-

15

20

III

– – – zu den öffentlichen Urkunden. – (Beschluss) der Kalchedonier: – – – verfassten die Vorlage: Da die Koer, die Freunde des Volkes sind seit alter Zeit, entsandt haben die Festgesandten Aischros, S. d. Theodotos, (und) Epikles, S. d. Agorakritos, und den Leiter der Festgesandtschaft Hippotes, S. d. Hippokritos, und das Opfer verkündet haben und die Prozession des Asklepios, und ersuchen, das Heiligtum bei ihnen für unverletzlich zu erachten, zu Glück und Heil, möge beschließen das Volk: dass man anerkenne das Opfer und den Festfrieden; dass auch das Heiligtum unverletzlich sei, wie es die Koer erbitten, – – – gemäß – – – um das Heiligtum wie – – – die übrigen unverletzlichen Heiligtümer– – –; damit

1. Asyliedokumente aus Kos

283

nun auch eine Festgesandtschaft zu der Prozession entsandt wird, dass der Hieramnamon unter Diodoros darüber eine Meldung macht an den Rat in dem Monat Artamitios gemäß dem Gesetz; dass der Schatzmeister den Festgesandten – – –; dass der die Festgesandten auch zum Bankett lade. IV 25

30

[ροὺς – – – – – – – – – –.] Κιαν[ῶν· ἔ]δοξεν τῶι [δή]μω[ι], Ἀ̣[θη]ναγό[ρας – – – – – – – – εἶπε· ἐπειδὴ] Κῶιοι [φίλοι ὄ]ντες ἐκ [παλ]α[ιῶ]ν [χ]ρόνων [ἀφεστάλκασι θεωροὺς μὲν Αἶ]σχρον [Θεοδότ]ο̣υ, Ἐπι̣[κλ]ῆ Ἀγορακρίτου κα[ὶ] [ἀρχιθέωρον Ἱππότην Ἱπποκ]ρίτου ἐπα[γγέλλο]ν̣τε[ς] τήν τε θυσίαν καὶ [τοὺς ἀγῶνας, οὓς Κῶιοι συντε]λοῦσιν τῶι Ἀ[σκληπιῶι], καὶ ἀξιοῦσιν τὸ ἱερ[ρὸν τοῦ Ἀσκληπιοῦ τὸ παρ᾿ α]ὐτοῖς ἄσυλον [εἶναι, δεδόχ]θαι τῶι δήμωι· τήν τε [θυσίαν καὶ τὴν ἐκεχ]ειρίαν δέχεσ[θαι· εἶναι δὲ τὸ] ἱερὸν τοῦ Ἀσκληπιοῦ ἄ[συλον καθάπερ ἀ]ξιο[ῦ]σ̣[ι]ν· δοῦνα[ι δὲ αὐτοῖ]ς τὸν τα[μ]ί̣[αν Μ]ητρόδω[ρον εἰς θυσίαν τῶι θε]ῶι τὸ ἐκ̣ [τ]οῦ νόμ[ου – – –]Μ[..]ΣΤΕ– – – –χ̣οντα δυ– – – – – – – – – – –γ̣ καὶ εἰς Ω̣– – – – – – – –ΕΙΑΝ– – – – – δύο.

IV 25

– – –; (Beschluss) der Kianer: Beschluss des Volkes, Athenagoras – – – stellte den Antrag: da die Koer, die Freunde sind seit alter Zeit, entsandt haben die Festgesandten Aischros, S. d. Theodotos, (und) Epikles, S. d. Agorakritos, und den Leiter der Festgesandtschaft Hippotes, S. d. Hippokritos, und verkündet haben das Opfer unddie Spiele, die die Koer veranstalten für Asklepios, und ersuchen, dass das Heiligtum des Asklepios bei ihnen unverletzlich sei, möge beschließen das Volk: dass man das Opfer und den Festfrieden anerkenne; dass auch das Heiligtum unverletzlich sei, wie sie es erbitten, dass ihnen der Schatzmeister Metrodoros zum Opfer an den Gott gebe, was nach dem Gesetz ist; – – – und für – – – zwei.

V 35

[– – – – – –ν· ἔδοξε] τῆι βουλῆι καὶ [τῶι δήμω]ι, Τελεσ– – – – – – –τ̣ι̣δώρου [εἶπεν· ἐπειδὴ Κῶιοι φ]ίλοι ὄντες τῆς [πόλε]ως πρ̣ον̣ο̣[ούμενο]ί τ[ε] περὶ τὴν [θυσίαν τοῦ Ἀσκληπ]ιοῦ καλῶς κα[ὶ ἐνδόξως – – – – – – – – – –] ἀ̣πέστει[λαν πρὸς τὴν πόλιν ἡμῶ]ν θεωροὺς τοὺ[ς ἐπα]γγέ̣[λλοντας τὴ]ν θυσίαν, ἣν [θύουσιν Κῶιοι, καὶ τὸ]ν ἀγῶνα, ὃν τι[θέα]σ[ι – – – – – – – –]Σ̣ΟΝΤΑΣΜ[.] [– – – – – – – – – – βο]υλόμενος [– – – – – – – – – – συνεπαύ]ξειν τὴν θυ[σίαν καὶ τὸν ἀγῶνα τῶν] Ἀσκληπ[ι]εί̣ω̣[ν – – – – – – – – – – – –]ΛΙΛΕΙΝ τὴν – – – – – – – – – – – – –αγ Κωι[.]ΑΙΝ– – – – – – – – – – – – – – –Ν ἀρχιθέω[ρον Ἱππότην Ἱπποκρίτου καὶ θ]εωρ[ο]ὺς [Αἶσχρον Θεο]δ̣[ότου, Ἐπι]κλῆ Ἀγορακρί[του – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – τύχ]ηι ἀγαθῆι, δε[δόχθαι τῆι βουλῆι καὶ τῶι δήμωι· ὑπάρχειν δὲ τὸ ἱερὸν τὸ ἐγ] Κῶι ἄσυλον κα[θ][άπερ ἀξιοῦσι – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –] τοῖς ἐπιζημ[ί][οις – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –] ἀδικούντω[.] – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – τ]ὸν ἀστυνό[μον – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –]η̣ν καὶ Σ[. .] – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –ναι· ὅπως [δὲ] – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – αι δὲ τοῖς [. .] – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –Ιεικης Εἰκα[. .]

40

45

50

V 35

(Beschluss) der – – –: Beschluss von Rat und Volk, Teles- – –, S. d. -tidoros, stellte den Antrag: da die Koer, die Freunde der Stadt sind, Planungen getroffen haben für das Opfer für Asklepios in guter und ehrenvoller Weise – – – entsandt haben in unsere Stadt Festgesandte, die verkündet haben das Opfer, das die Koer opfern, und das Festspiel, das sie veranstalten, – – – in der Absicht – – – zu mehren das Opfer und das Festspiel der Asklepieia – – – Kos – – – den Leiter der Festgesandtschaft, Hippotes, S. d. Hippokritos, und die Festgesandten Aischros,

284

Anhang S. d. Theodotos, (und) Epikles, S. d. Agorakritos, – – – zu Glück und Heil, möge beschließen der Rat und das Volk: dass das Heiligtum in Kos unverletzlich sei, wie sie ersuchen, – – – den bestraften – – – Unrecht tun – – – der – – – und – – – damit nun – – – den – – –. VI 55

60

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –Λ . [.]Γων· ἔδοξεν . . . . [– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – πό]λεως κα[. .] – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – Ἀσκληπιοῦ – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – ἀπέσ]τειλαν θ[ε]– [ωροὺς – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –]αι τὸν̣ – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –ον Διο– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –Τ̣ΑΤ[.]Ι̣ΑΣ– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – . . Σ– – –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

VI

– – – (Beschluss) der – – –: Beschluss – – – der Stadt – – – des Asklepios – – – entsandt haben Festgesandte – – –

B VII

ἔδοξε τῆι βουλ[ῆι κα]ὶ τῶι δήμω[ι], Ἀγαθοκλῆς ἐπαμείνονος εἶπεν· ἐπεὶ Κῶιοι [φίλοι ὄ]ν̣τες ἐκ παλαιῶν χρόνων ϑεωροὺς ἀποτε[ί]λαντες πρὸς ἡ[μᾶς Αἶσ]χρον Θευδότου, Ἐπ[ικ]λ̣ῆ̣ [Ἀγ]ορ[α]κρίτου καὶ ἀρ[χι]θέωρον Ἱππότ[ην Ἱπποκρίτ]ου ἐπαγγέλλουσι τήν τ[ε ̣ θυσ]ίαγ καὶ τὸν ἀ[γῶ]να, ὃν συντ̣[ελοῦσι Κῶιοι τῶι Ἀ]σκληπιῶι διὰ πεντ[αετη]ρίδος, καὶ ἀ[ξιοῦ]σι ψηφίσα̣[σθαι καὶ τὸ ἱερὸ]ν̣ τοῦ Ἀσκληπιο[ῦ τὸ παρ᾿ αὐτο]ῖς ἄσυλον καϑ[ά]περ κ . [– – – – – – – – – – – Κῶ]ιοι, τύχ̣ηι ἀ[γαθῆι, δεδόχθαι τῶ]ι δήμωι· δέχε[σθαι τὴν ἐπαγγελίαν ἐπὶ ὑγιείαι καὶ σωτηρίαι τῶν πόλε]ων ἀμφοτέρων· [ὑπάρχειν δὲ καὶ τὴν ἀσυλίαν τῶι ἱερῶι τοῦ] Ἀσ̣[κ]λ̣ηπ̣ιοῦ· τὸν δὲ παραβαί[νοντα – – – – – – – – – – – – – – – – – – – τῆ]ς ἀσυλίας τῶν ἐκ [. .]ΣΑΙΙ [– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –]ων ἔνοχον εἶναι το. . .οις ἐπ[– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – τ]ὸ θεῖον ἀσεβοῦσι· ὅπω̣[ς δὲ] – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –ν, ἀναγράψαι τόδε τ[ὸ ψήφισ][μα ἐν στήληι λιθίνηι καὶ ἀναθεῖναι εἰς τὸ ἱερ]ὸν τοῦ Ἀσκ[λη]πιοῦ – – – – – – [– – – – – – – –] [– – – – – – – – – – κα]τ̣ὰ ψήφισμ[α– – – – – – – –] – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –ναι το– – – – – – – – – – – – – – – – – – – 17 vv. evanidi – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –vestigia– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –ΑΓΓ– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – [– – – – – – – – – καθ]άπε[ρ – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –] – – – – – – – – – – – –ΤΟΥ– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – [– – – – – – – – – – ἀ]συλία[– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –] – – – – – – – – – – – –ΑΝΤΕ– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – [– – – – – – – – – – – κ]αθότ[ι– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –] – – – – – – – – – – – – –ΙΙΝΝ– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – τοῖς θεω[ροῖς – – – – – – – – – – – – – – – – – – –] – – – – – – – – – – – – – –ΝΑΙΔΕ– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

65

70

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85

B VII

Beschluss von Rat und Volk, Agathokles, S. d. Epameinon, stellte den Antrag: da die Koer, die Freunde sind seit alter Zeit, entsandt haben zu uns die Festgesandten Aischros, S. d. Theodotos (und) Epikles, S. d. Agorakritos, und den Leiter der Festgesandtschaft Hippotes, S. d. Hippokritos, und verkündet haben das Opfer und das Festspiel, das die Koer veranstalten für Asklepios in jedem fünften Jahr, und ersuchen, zu beschließen, dass auch das Heiligtum des Asklepios bei ihnen unverletzlich sei so wie – – – die Koer, zu Glück und Heil, möge beschließen das Volk: dass man die Ankündigung anerkenne, zu Wohl und Rettung der beiden Städte; dass auch die Unverletzlichkeit für das Heiligtum des Asklepios sei; dass

1. Asyliedokumente aus Kos

285

der Übertreter – – – der Unverletzlichkeit – – – soll verfallen sein – – – wie einem Frevler gegenüber dem Göttlichen; damit nun – – –, dass man diesen Beschluss aufzeichne auf eine steinerne Stele und weihe in das Heiligtum des Asklepios – –– – – – gemäß Beschluss – – – so wie – – – Unverletzlichkeit – – – so wie – – – den Festgesandten – – –. XI 90

95

XI 90

– – – – – – – – – – – – – –μος περι– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – θέωρος ΟΕΝ̣– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – [– – – – – – – – – – Αἶσχρ]ος Θεοδότ[ου – – – – – – – – – – – – – – – – – –] – – – – – – – – – – καὶ τὰμ πανάγυρ[ιν – – – – – – – – – – – – – – – – – –] – – – – – – – – – – – – τῶ Ἀσκλαπ[ίω – – – – – – – – – – – – – – – – – – –] – – – – – – – – – – – – –ΑΙΤΩΙ̣ΤΕΔΙ– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – [– – – – – – – – – – – – κ]αθάπερ ὁ ἀρχ– – – – – – – – – – – – – – – – – – – [– – – – – – – – – – – ἱερ]ὸν τῶ Ἀσκλαπ[ίω – – – – – – – – – – – – – – – –] – – – – – – – – – – – τὰν ἐπ]αγγελίαν πεπ[οιη– – – – – – – – – – – – – – –] – – – – – – – – – – – – – – – τὰ ἐν νόμωι διαΙ– – – – – – – – – – – – – – – – – – der Festgesandte – – – Aischros, S. d. Theodotos, – – –und die Prozession – – – – – – des Asklepios – – – wie der – – – das Heiligtum des Asklepios – – –die Ankündigung – – – das, was im Gesetz – – –

XII 100 [ἔδοξε – – – – – – – – – – –]ς̣ Ἰφ[ι]τίωνος εἶπε· – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –Ε̣ΙΣΙΚ̣ΑΙ Κῶιοι ἀπο[στέλλαντες πὸτ ἄμμε ἀρχι][θέαρον Ἰππότην Ἰπποκρίτου καὶ θ]ε[ά]ρους Ἐπίκλη Ἀγ[ορακρίτου καὶ Αἶσχρον] [Θεοδότου ἐπαγγέλλοισι τὰν θυσία]ν, ἂν συντέλει – – – – – – – – – – – – – – [– – – – – – – – – – – – – – – κα]ὶ τὰν ἐκεχ[ερρίαν – – – – – – – – – – – –] 105 [– – – – – – – – – – – – – ἄσυ]λον ἔμμ[εναι – – – – – – – – – – – – – – – –] – – – – – – – – – – – – –ν κάθαπ[ερ – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –] – – – – – – – – – – – – τε Κώιων – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –ΘΑ– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –––––––––––––––––––––––––––––––––––––– XII 100 Beschluss – – –, – – –, S. d. Iphition, stellte den Antrag: – – – die Koer zu uns entsandt haben den Leiter der Festgesandtschaft Hippotes, S. d. Hippokritos, und die Festgesandten Epikles, S. d. Agorakritos, und Aischros, S. d. Theodotos, und angekündigt haben das Opfer, das sie veranstalten – – – und den Festfrieden – – -unverletzlich sein – – – so wie – – – der Koer – – –

h) Asyliedekret einer unbekannten kleinasiatischen Stadt Kos. Im Asklepieion gefundene fünf Fragmente a – e einer Stele aus weißem Marmor mit drei Asylieanerkennungen seitens zweier unbekannter kleiasiatischer Städte (I und III) sowei Lesbos (II). Ed. IG XII 4, 1, 227 I; Übersetzung Hallof Telota. a. 242 a. I

5

[– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – ἀφεστάλκασι ἀρχιθέωρον] [Ἱππότην Ἱπποκρίτου] καὶ θεωροὺ̣[ς Αἶσχρον Θευδότου, Ἐπικλῆ Ἀγορα][κρίτου, οἵτινες τ]ήν τε θυσίαν κα[ὶ τὴν πανήγυριν ἐπήγγειλαν τοῦ Ἀσκλη][πιοῦ καὶ τὸν] ἀγῶνα μουσικὸν κα[ὶ γυμνικὸν καὶ ἠξίουν τὴν πόλιν ἡμῶν] [ψηφίσα]σθαι τὸ ἱερὸν τοῦ Ἀσκλ[ηπιοῦ τὸ ἐγ Κῶι ἄσυλον ὑπάρχειν, ἀγαθῆι] [τύχηι, δε]δόχθαι τῆι βουλῆι κα[ὶ τῶι δήμωι· – – – – – – – – – – – – – – –] – – – – – – καὶ τῆς πόλεως κα[– – – – – – – – – – – – – – δέχεσθαι – – –] [τὴν ἐπαγγε]λίαν καὶ τἆλλα κα[θάπερ ἐπαγγέλλουσι οἱ θεωροί· εἶναι δὲ τὸ ἱε]-

286

Anhang

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[ρὸν τοῦ Ἀσκ]ληπιοῦ τὸv ἐγ Κῶ[ι ἄσυλον καθά]περ ἀ[ξιοῦσι Κῶιοι· δοῦναι δὲ] [καὶ εἰς ἀπα]ρχὴν τὸν ταμί[αν τοῖς θεωροῖς τὸ] κατ[ὰ τὸν νόμον.] – – – entsandt haben den Leiter der Festgesandtschaft Hippotes, S. d. Hippokritos, und die Festgesandten Aischros, S. d. Theodotos, (und) Epikles, S. d. Agorakritos, die das Opfer und die Prozession für Asklepios angekündigt haben und die musischen und gymnischen Spiele und unsere Stadt gebeten haben, zu beschließen, dass das Heiligtum des Asklepios in Kos unverletzlich sei, zu Glück und Heil, mögen beschließen Rat und Volk: – – – und der Stadt – – – ; dass man anerkenne – – – die Ankündigung und alles andere, wie es die Koer angekündigt haben; dass das Heiligtum des Asklepios in Kos unverletzlich sei, wie es die Koer erbitten; dass der Schatzmeister zum Opfer den Festgesandten gebe, was nach dem Gesetz ist.

i) Asyliedekrete zweier unbekannter kleinasiatischer Städte Kos. Im Asklepieion gefundenes, links gebrochenes Fragment einer Stele aus weißem Marmor mit Asylieinschriften zweier unbekannter kleinasiatischer Städte. Edd. Hallof/Bosnakis 2003, 241 f.; IG XII 4, 1, 228; Übersetzung Hallof Telota. a. 242 a. I

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I 5

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II

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––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –ΤΑΣΚ̣– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – νομίει[ν – – –] [– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – τὸ ἱερὸ]ν τοῦ Ἀσ[κλαπιοῦ] – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –τας καὶ εἰς ἱε– – – – [– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – τὸν τα]μίαν· χειροτονῆσα̣[ι δὲ] – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –α̣ς ἑκάστας· τοὺς δ[ὲ] [χειροτονηθέντας – – – – – – – – – – – – – – – – – – – τ]ῶν ἀρχόντων τῶν [. .] [– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – ταῖς πόλεσσιν] ἀμφοτέραις· τοὺς δὲ – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – ἐφ]όδιον τὸ κατὰ τὸν νόμον̣ – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – τ]οὺς θεαροὺς τὸν ἱερομνά[μονα – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –]ων Αἰσχύλος Ἡραγόρα – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –ρος Ἑκαταίου. ––– – – – zu erachten – – – – – – das Heiligtum des Asklepios – – – und für – – – – – – der Schatzmeister; dass man erwähle – – – jeder; die Gewählten – – – der Magistrate – – – – – – den beiden Städten; die – – – Zutritt gemäß dem Gesetz – – – dass der die Festgesandten – – – Aischylos, S. d. Heragoras, – – –ros, S. d. Hekataios. – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –στρατος Ἀπολλωνίου – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –α̣ς καὶ σωτηρίας τῆ[ς] [πόλεως – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –] . τὰ Ἀσκληπίεια – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – ἀρχιθέω]ρος Ἱππότας Ἱππ̣[οκρί][του – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –]αι, δεδόχθα[ι – – – –] [– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – τὸ ἱερὸν] ἄσυλον εἶνα[ι – – –]

1. Asyliedokumente aus Kos 20 II

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–––––––––––––––––––––––––––––––––.Π.––––– –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– – – –stratos, S. d. Apollonios, – – – zu – – – und Rettung der Stadt – – – die Asklepieia – – – der Leiter der Festgesandtschaft, Hippotes, S. d. Hippokri– tos, – – –, möge beschließen – – – – – – dass das Heiligtum unverletzlich sei – – –

j) Asyliedekret einer (?) unbekannten Stadt Kos. Schon 1903 im Asklepieion gefundenes Frustrum einer Stele aus weißem Marmor mit sehr fragmentarischer Inschrift; Hallof macht einen ausgiebigen Vorschlag nach den vielfachen Parallelen des Dossiers. Ed. IG XII 4, 1, 229; Übersetzung Hallof Telota. a. 242 a.

[μὰς εἴκο]σ̣ι. [– – – – –· ἔδοξε τῶι δήμωι· ἐπειδὴ Κῶιοι φίλοι ὄντες ἀφεστάλ]– [κασι ἀρχι]θέωρ[ον Ἱππότην Ἱπποκρίτου καὶ θεωροὺς Αἶσχρον Θευδότου, Ἐπικλῆ] [Ἀγορακ]ρίτου ἐ̣[παγγέλλοντες τήν τε πανήγυριν καὶ τὴν θυσίαν, ἣν συντελοῦσι] 5 [τῶι Ἀσκλη]πιῶ[ι, καὶ τὸν ἀγῶνα μουσικὸν καὶ γυμνικὸν καὶ ἀξιοῦντες τὴν πόλιν] [ἡμῶν ψηφίσα]σθ[αι τὸ ἱερὸν τοῦ Ἀσκληπιοῦ τὸ ἐγ Κῶι ἄσυλον νομίζειν, ἀγαθῆι τύχηι] [δεδόχθαι τῆ]ι βο[υλῆι καὶ τῶι δήμωι κτλ.– – – – – – – – – – – – – – – – – – – –] – – – – – – –Ο– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – zwanzig Drachmen. (Beschluss) der – – -. Beschluss des Volkes: da die Koer, die Freunde sind, entsandt haben den Leiter der Festgesandtschaft Hippotes, S. d. Hippokritos, und die Festgesandten Aischros, S. d. Theudotos, Epikles, S. d. Agorakritos, und angekündigt haben die Prozession und das Opfer, das sie ausrichten für Asklepios, und die musischen und gymnischen Spiele, und unsere Stadt ersucht haben, zu beschließen, das Heiligtum des Asklepios in Kos als unverletzlich zu erachten, zu Glück und Heil, mögen beschließen Rat und Volk: – – – – –.

k) Asyliedekrete zweier unbekannter kykladischer Städte Kos. 1906 gefundene und links erhaltene Stele mit drei Asylieinschriften; zwei (I und II) stammen von Seiten unbekannter Städte, die dritte (III) von Minoa auf Amorgos. Hallof vermutet auf Grund von Ähnlichkeit, dass zumindest II auch zu einer amorgischen Polis gehört. Ed. IG XII 4, 1, 230 I, II; Übersetzung Hallof Telota. a. 242 a. I

–––––––––––––––––––––––––––––––––––––– [– – – – – – – – – – τὸ] ἐκ τοῦ ν̣[όμου ξένιον – – – – – – – – – – – – – – –] [οἵδε ἐπήγγειλαν· ἀρχιθ]έωρος Ἡρι[ππίδας – – – – – – – – – – – – – – – – –].

I

––– – – – das Bankett gemäß dem Gesetz – – – Es haben die Ankündigung vollzogen: als Leiter der Festgesandtschaft Herippidas – – –

II

[ἔδοξεν τῆι βουλῆι κ]αὶ τῶι δήμ[ωι· ἐπειδὴ παραγενόμενοι παρὰ τῆς πόλεως τῆς] [Κώιων ἀρχιθέωρός] τε Ἡριππίδας [καὶ θεωρὸς – – – – – – – ἐπαγγέλλουσιν] [ἐκεχειρίαν καὶ θ]υ̣σ̣ίαν καὶ ἀγῶ[νας – – – – – – – – – – – – – – – – – – –]

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Anhang

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II

[ἀξιοῦσι καὶ ἄσ]υ̣λον τὸ ἱερὸν ψη[φίσασθαι – – – – – – – – – – – – – – – –] [τὰ ἀπὸ – – –]ων· ὅπως ἂμ φαίνη[ται – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –] [– – – – – τ]ήν τε πρὸς τοὺ[ς θεοὺς εὐσέβειαν, δεδόχθαι τῆι βουλῆι καὶ τῶι δήμωι]· [τὸ ἱερὸν τοῦ] Ἀσκληπιοῦ ἄσ̣[υλον εἶναι – – – – – – – – δέχεσθαι δὲ καὶ – – –] [– – – – – κ]αὶ τὸν ἀγῶνα [– – – – – – – – – – – – δοῦναι δὲ καὶ τοῖς θεωροῖς] [τοῖς] Κώιων εἰς ἐκ[έχειρον – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –] [ἐκ] τῶν ἱερῶν προσ̣[όδων – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –]. Beschluss von Rat und Volk: da seitens der Stadt der Koer erschienen sind als Leiter der Festgesandtschaft Herippidas und als Festgesandter – – – und ankündigen Festfrieden und Opfer und Spiele – – – und bitten, zu beschließen, dass das Heiligtum auch unverletzlich sei – – – seitens der – – –; damit in öffentlicher Weise – – – die Frömmigkeit gegenüber den Göttern, mögen beschließen Rat und Volk: dass das Heiligtum des Asklepios unverletzlich sei – – –; dass man annehme auch – – – und das Festspiel – – –; dass man auch den Festgesandten der Koer zu dem Festfriedens(opfer) gebe – – – aus den sakralen Einkünften – – –

l) Asyliedekrete von Rhodos(?) und Knidos(?) Kos. Im Asklepieion gefundenes Frustrum aus weißem Marmor mit zwei Asylieinschriften – nach Herzog – möglicherweise von Rhodos (I) und Knidos (II). Erwähnt bei Boesch 1908, 72; Herzog/Klaffenbach 1952, 27, 29; Rigsby 1996, Nr. 40, 41 ohne Text und Zuweisung. Ed. IG XII 4, 1, 232; Übersetzung Hallof Telota. a. 242 a. I

5

––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– [– – – – – – – – – – – – – – – – – – π]ερὶ ταν ἀ– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –ν̣ θεωρῶν τῶν ε– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – . ων γέγραπται· τοὺς̣ [δὲ – – – – – – – – – – – – –] [– – – – – – – – – – – – – ἐπ]ὶ ξένια εἰς τὸ ἱεροθ[υτεῖον.]

5

––– – – – über die – – – – – – der Festgesandten – – – – – – geschrieben ist; dass die – – – – – – zum Bankett in das Amtsgebäude der – – –

I

II

– – – – – – – – – – – – – – –I· ἐπειδὴ Κῶιοι συ[γγενεῖς – – – – – – – – – – – – –] [– – – – – – – – – – – – – Λυ]κόφρονα Λυκέ[α – – – – – – – – – – – – – – – – – –] – – – – – – – – – – – – – – – –ντι τὸν δᾶ[μον– – – – – – – – – – – – – – – – – – –] ––––––––––––––––––.Υ.–––––––––––––––––––––

II

– – – Da die Koer, die Verwandte sind – – – – – – den Lykophron, S. d. Lykeas – – – – – – das Volk – – – –––

2. Asyliedokumente aus Milet

289

m) Asyliedekret einer unbekannten Stadt Kos. Im Asklepieion gefundenes, rechts vollständiges Fragment einer Stele aus weißem Marmor. Ed. IG XII 4, 1, 233; Übersetzung Hallof Telota. a. 242 a.

–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– [– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – πανάγ]υριν ἃμ

π̣[οι]– 5

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[οῦντι – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –] . τοὶ πολῖται [– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – ἐπὶ τοῦ π]α̣ρόντος δόμεν – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –αι εὔξασθαι [[.]] – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – π̣άντες ἐς τὸ αὐ– [τὸ – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –]α̣ι γένηται πολιτεί– [α – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – ἵνα – – – ἄξια γίνητ]α̣ι τᾶμ πολίων ἀμφο– [τερᾶν – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –]μες τῶι Ἀσκλαπιῶι [– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – ἄσυ]λ̣ον ἦμεν ἐς τὸμ πάν– [τα χρόνον – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –]γ̣ Κώιων διαφυλάσ– [σ– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –]ν̣οι πρόγονοι τοι . – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – τᾶς πόλιος [. .] – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – ἐ̣σφραγι̣[σμέ]– [ν– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –] ––– – – – die Prozession, die sie veranstalten – – – die Bürger – – – sollen im Moment geben – – – erflehen – – – alle für dasselbe – – – Bürgerrecht – – – damit alles geschieht würdig den beiden Städten – – – dem Asklepios – – – unverletzlich sei für alle Zeit – – – der Koer bewahren – – – die Vorfahren – – – der Stadt – – – gesiegelt

2. ASYLIEDOKUMENTE AUS MILET a) Milesische Bitte an Kos um die Anerkennung des Kranzspielstatus der Didymeia Kos. 1904 im Gang vor der östlichen Halle des Asklepieons gefundene opistographe Stele aus weißem Marmor; in zwei anpassende Fragemente a und b gebrochen; auf der Vorderseite (A) ist der Brief der Milesier, auf der Rückseite (B [hier 2c]) die Antwort der Koer verzeichnet; heute im Archäologischen Museum in Istanbul.

290

Anhang

Rigsby 1996, 174 f. zitiert einen Ausschnitt von Fragment a, ohne Nummer. Edd. a Herzog 1905, 979–993; Milet VI 3, 1052; a.b IG XII 4, 1, 153; Übersetzung Hallof Telota. ca. a. 216 a. A

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ἐπὶ Ἱποκράτευς, μηνὸς Ἀρτεμιτίου. ἔδοξε τῆι βουλῆι καὶ τῶι δήμωι, γνώμη ἐπιστατῶν, Ἡρακλεώτης Διονυσοδώρου εἶπεν· ἐπειδὴ τοῦ δή̣μου κατὰ τὰ πάτρια τάς τε πανηγύρεις καὶ τοὺς ἀγῶνας συντελοῦντος ἐν Διδύμοις τῶι Ἀπόλλωνι τῶι Διδυμεῖ, τῆς τε πόλεως καὶ τῆς χώρας καθιερωθείσης διὰ τὴν ἐν τῶιδε τῶι τόπωι Λητοῦς καὶ Διὸς μεῖξιν καὶ τὰς τοῦ θεοῦ μαντείας, ἐξ ὧν ἔθνη τε οὐκ ὀλίγα καὶ πόλεις καὶ τῶν βασιλέων οἱ τετευχότες τῶν μεγίστων τῆς παρὰ τοῦ θεοῦ συμβουλίας τήν τε καθιέ[[Ε]]ρωσιν καὶ τὴν ἀσυλίαν ἀνηγόρευσαν ἀπαράκλητοι αὐτοί, τῶι τε θεῶι καὶ τῆι πόλει τὴν ἀξίαν περὶ τούτων ἀπονείμαντες χάριν, προσήκει δὲ τῶι δήμωι πράσσοντι τοῖς ἐξενηνεγμένοις χρησμοῖς ἀκόλουθα τόν τε ἀγῶνα τιθέναι τῶν Διδυμείων στεφανίτην καὶ τοὺς Ἕλληνας εἰς ταῦτα παραλαμβάνειν, κοινῶν τῶν εὐεργεσιῶν εἰς πάντας αὐτοὺς ὑπὸ τοῦ θεοῦ γεγενημένων, v δεδόχθαι τῆι βουλῆι· ἑλέσθαι πρεσβευτὰς πρὸς Κώιους φίλους καὶ συμμάχους ὑπάρχοντας τοῦ δήμου, τοὺς δὲ αἱρεθέντας ἀφικομένους ἀπολογίσασθαι περὶ τῶν διὰ τοῦ μαντείου γεγονότων τοῖς βασιλεῦσι καὶ τοῖς ἄλλοις Ἕλλησι καὶ περὶ τῶν ὑπὸ τοῦ δήμου πεπραγμένων εἰς αὐτοὺς εὐεργεσιῶν, καὶ παρακαλεῖν καὶ ἀξιοῦν, θεωροῦντας τὴν προαίρεσιν ἣν ὁ δῆμος διὰ παντὸς τοῦ χρόνου διατελεῖ ποιούμενος τῶν κατὰ τοὺς ἀγῶνας ἐνδόξων, καὶ αὐτοὺς ἀκόλουθα πράξαντας συναυξῆσαι τάς τε τοῦ θεοῦ τιμὰς καὶ τὴν τοῦ δήμου περὶ ταῦτα σπουδὴν καὶ φιλοτιμίαν, ἀποδεξαμένους τὸν ἀγῶνα στεφανίτην, καὶ τάξαντας τοῖς νικῶσι τιμὰς ὡς μεγίστας, εἰδότας̣ ὅτι ὁ δῆμος εὐχάριστος ὢν πειράσετα[ι] συναντᾶν αὐτοῖς ἀξίως τῆς εἰς̣ τὸ θεῖον εὐσεβείας καὶ τῆς πρὸς τὴν πόλι[ν] εὐνοίας. v πρεσβευταὶ v ἁιρέθησαν· Δημοσθένης Ἐργίνου, Σῖμος Ἀριστοφῶ[ντος].

2. Asyliedokumente aus Milet A

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Unter (dem) Hippokrates, im Monat Artemitios. Beschluss von Rat und Volk, nach Vorlage der Vorsteher; Herakleotes, S. d. Dionysodoros, stellte den Antrag: Da das Volk entsprechend dem Brauch der Väter die Prozessionen und die Spiele in Didyma veranstaltet für Apollon von Didyma, und da die Stadt und das Land geheiligt sind durch die Vereinigung von Leto und Zeus an eben diesem Ort und durch das Orakel des Gottes, weswegen nicht wenige Stämme und Städte und diejenigen Könige, denen durch die Ratschläge des Gottes die größten (Erfolge) zuteil wurden, die Heiligung und die Asylie ohne Aufforderung von selbst proklamierten und damit dem Gott und der Stadt die hierfür gebührende Anerkennung erwiesen; und da es wohl ansteht dem Volk, indem es entsprechend den ergangenen Orakelsprüchen handelt, die Spiele der Didymeia als einen Kranzagon auszurichten und die Griechen dazu einzuladen, weil die Wohltaten insgesamt für sie alle durch den Gott geschehen sind, so wolle beschließen das Volk: dass man Gesandte wählt zu den Koern, die Freunde und Bundesgenossen des Volkes sind; dass die Gewählten nach ihrer Ankunft Bericht geben über das, was durch das Orakel den Königen und den anderen Griechen widerfahren ist, und über die vom Volk ihnen erwiesenen Wohltaten, und sie ersuchen und bitten, angesichts der Art und Weise, mit der das Volk die ganze Zeit hindurch fortwährend das Ansehen der Spiele behandelt, selbst entsprechend zu handeln und ebenfalls zu mehren die Ehren für den Gott und den diesbezüglichen Eifer des Volkes und seinen Eifer, indem sie Spiele als Kranzagone anerkennen und möglichst hohe Ehrungen für die Sieger festsetzen – in dem Bewußtsein, dass das Volk dankbar sein und trachten wird, sich ihnen erkenntlich zu zeigen in einer ihrer Frömmigkeit gegenüber der Gottheit und ihrem Wohlwollen gegenüber der Stadt angemessenen Weise. Als Gesandte wurden gewählt: Demosthenes, S. d. Erginos, Simos, S. d. Aristophon.

b) Koischer Beschluss hinsichtlich der Didymeia für Milet Kos. 1904 im Gang vor der östlichen Halle des Asklepieons gefundene opistographe Stele aus weißem Marmor; auf der Vorderseite (A [hier 2a]) ist der Brief der Milesier, auf der Rückseite (B) die Antwort der Koer verzeichnet; heute im Archäologischen Museum in Istanbul.

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Anhang

Rigsby 1996 erwähnt die Inschrift nicht. Edd. Herzog 1905, 982; IG XII 4, 1, 154; Übersetzung Hallof Telota. ca. a. 216 a. B

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ἐπὶ Φιλίνου, νουμηνίαι μηνὸς Ὑακινθίου· ἔδοξε τᾶι βουλᾶι καὶ τῶι δάμωι, γνώμαι προστατᾶν· ἐπειδὴ τοὶ θεωροὶ τοὶ παραγε̣ν̣ό̣[μενοι παρὰ] Μιλησίων φίλων εὔντων [καὶ συμμάχων – – – – τῶν Διδ]υ̣μέων [– – – – – – – – – – – –]θ̣ος [ἐ]πελθόν[τες ἐπὶ τὰν βουλὰν καὶ τὸν δᾶμο]ν κα̣ὶ ποιη̣[σάμενοι λόγους τάν τε φι]λίαν̣ ἐνεφά̣[νιξαν καὶ ἀπελογίξαντο τὰ] δεδ̣ογμέ̣[να Μιλησίοις περί τε τᾶν] θ̣υσ[ι]ᾶν ἇν [συντελεῦντι τῶι Ἀπόλλων]ι̣, καὶ̣ τ̣ῶν ἀγώ̣[νων, οὓς προαιρεῦνται αὐτῶι τιθ]έμεν̣ [στεφανίτας, τύχαι τᾶι] ἀγ[αθᾶι], δεδόχ̣θ̣[αι] τ[ῶι δάμωι· ἀποδέχε]σ̣θ̣[αι τ]ὰ̣ν ἀν[αγγελίαν – – – – – – – – – –] σ̣τάλα– – – – – – – – – – – – – – – –ον ὅπω[ς – – – – – – – – – – – – – –]νομε– – – – – – – – – – – – – – – –Ι το– – – – – – – – – – – – – – – –αν πο– – – – – – – – – – – – – – –ς, δοθῆ[μεν ἐς – – – – – – – – – τοῖς] ἁιρημέ[νοις – – – – – – – – – – – –] τῶν Διδ[υμείων – – – – – – – – Μιλ]η̣σίου[ς – – – – – – – – – – – – – –] τε στ[ά]λ̣[α]ς̣ [–– – – – – – – – – ἀν]αγρα̣[– – – – – – – – – – – – – γι]νομεν̣[– – – – – – – – – – – – – – τ]ο̣ὶ χιρίζ[οντες τὰ – – – – – – – – – – –] χρ[ήματα – – – – – – – – – – – –]. Unter (dem) Philinos, am Ersten des Monats Hyakinthios. Beschluss von Rat und Volk, nach Vorlage der Vorsteher: da die Festgesandten, die gekommen sind von den Milesiern, Freunden und Verbündeten – – – der DidymeiaSpiele – – – bei ihrem Auftritt vor dem Rat und dem Volk Reden gehalten und darin die Freundschaft unter Beweis gestellt und berichtet haben über die Beschlüsse der Milesier betreffs der Opfer, die sie für Apollon ausrichten, und der Spiele, die sie beabsichtigen ihm als Kranzspiele auszurichten, zu Glück und Heil!, möge beschließen das Volk: dass man diese Ankündigung (der Spiele) billige – – – Stele ––– ––– ––– ––– – – – geben

2. Asyliedokumente aus Milet

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– – – den Gewählten – – – der Didymeia–Spiele – – – die Milesier – – – und Stelen – – – aufzeich– nen – – – – – – die ver– walten – – – Gelder – – –.

c) Posthume Ehreninschrift für C. Iulius Epikrates Milet. Hellgraue Marmorsäule, links versintert, oben profiliert, mit Dübellöchern an der Oberseite; heute im Inschriftenhof von Balat. Ed. Herrmann 1994, 206–219 (SEG 44, 938); Übersetzung Herrmann. ca. a. 50 p.

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[Γ]άϊον Ἰούλιον Ἐπικράτη ἥρωα φιλόπατριν, πατέρα [Ἰ]ουλίας [τῆς θε]ίης Γν. Οὐεργιλίου Καπίτωνος, φίλον [5–7]ον γενόμενον Αὐτοκράτορος Καίσα[ρος θε]οῦ υἱοῦ θεοῦ Σεβαστοῦ καὶ αἰτησάμεν[ον τή]ν τε ἀσυλίαν τοῦ Ἀπόλλωνος καὶ τὴν ἀπ[ο]γα̣ι[̣ ου]μένην χώραν ὑπὸ τοῦ Μαιάνδρου καὶ τοὺς γαι̣ε̣ῶνας καὶ τὴν ἀ̣[τ]έ̣λ̣ειαν τῶν Διδυμείων καὶ τῶν νήσων, ἀρχιερέα Ἀσίας καὶ τῶν Ἰώνων διὰ βίου καὶ ἀγωνοθέτην διὰ βίου καὶ γυμνασίαρχον πάντων τῶν γυμνασίων καὶ πάσας τὰς λειτουργίας ἐπιτελέσαν τα καὶ διά τε λόγω,ν καὶ ἔργων καὶ ἀναθημάτων καὶ δωρεῶν κοσμήσαντα τὴν πατρίδα καὶ ἐπιχ[ορηγή]σαντα, εὐεργέτην τῆς πόλεως κ[αθὼ]ς τὰ περὶ αὐτοῦ ψηφίσματα περιέχει Γάϊος Ἰούλιος Διαδούμενος τὸν ἀνδριάντα ἐμπρησμῷ διαφορηθέντα ἐν τῷ γυμνασίῳ ἐπισκευάσας ἀποκατέστησε α̣ἰ̣τ̣ησάμενος ἀπὸ τῆς βουλῆς ψήφισμα περὶ τούτου. (Ehrung für) Gaius Iulius Epikrates, Heros, den Vaterlandsliebenden, den Vater der Iulia, der Tante (?) des Gnaeus Vergilius Capito, der ein […] Freund des Imperator Caesar, Sohnes des Vergöttlichten, Gott Augustus geworden ist und der (die folgenden Privilegien) erbeten hat: die Asylie (für den Tempel) des Apollon, das durch den Mäander (angeschwemmte und) festgewordene Land sowie die Flußbänke, die Abgabenfreiheit für die Didymeen und die Inseln, den Oberpriester von Asia und der Ioner auf Lebenszeit, Agonotheten auf Lebenszeit, Gymnasiarchen aller Gymnasien, der alle Leiturgien übernommen hat und der durch Worte und Taten, durch alle (Gebäude-)Weihungen und Geschenke seine Vaterstadt ausgeschmückt und gefördert hat, den Wohltäter der Stadt, so wie es die hinsichtlich seiner Person gefaßten Volksbeschlüsse zum Inhalt haben. Gaius Iulius Diadumenos hat die durch Brand zerstörte Statue im Gymnasium wiederherstellen lassen, nachdem er diesbezüglich einen Ratschluss erbeten hatte.

294

Anhang

3. ASYLIEDOKUMENTE AUS DION a) Empfehlungsschreiben Philipps V. an Dion bezüglich der Asylie von Kyzikos Dion. Giebelstele aus hellem Marmor. Erwähnt bei Hatzopoulos 1998, 1194; Hatzopoulos 2000, 453; Hatzopoulos 2009, 54. Ed. Pandermalis 1997 (SEG 48, 785). s. 2II a. 4

8

12

Βασιλεὺς Φίλιππος Διεστῶν Εὐρυλόχωι τῶι ἐπιστάτει καὶ τοῖς πελειγᾶσι καὶ τοῖς λοιποῖς πολίταις χαίρειν· οἱ ἀποδιδόντες ὑμῖν τὴ[ν] ἐπιστολὴν παννραγεγόνασιν παρὰ τῆς τῶν [Κ]υ̣ζ̣ι̣κ̣ηνῶν πόλεως ἐ[παγγ]έλλοντες τὴν τε [πόλιν κα]ὶ τὴν χώραν ἱερὰ[ν οὖσαν καὶ τοὺ]ς ἀγ[ῶ][νας οὓς τιθέασι τῆι θεῶι] [– – – – – – – – – – – – – – – – – –] 1–2: Διέσται ist das Ethnikon der Bürger Dions, so Hatzopoulos brieflich an Chaniotis (SEG 48, 785). König Philipp grüßt Eurylochos, den Epistates, und den Rat und die übrigen Bürger Dions. Die Euch den Brief übergeben, begleiteten die Gesandten der Polis der Kyzikener, die [erbitten], dass die Polis heilig und unverletzlich und die Festspiele, die sie der Göttin abgehalten haben…

b) Asyliesanerkennung der Bürger Dions für Kyzikos Dion. In den 1990er Jahren von auf der Agora Dions gefundene Stele. Hatzopoulos 2009, 54, Hatzopoulos 1996, Nr. 32 und Rigsby 1996, 171 (alle ohne Text), erwähnen eine Asylieverleihung aus Dion für Kyzikos, die Dimitris Pandermalis 1993 auf der Tagung Epigraphes tes Makedonias vorgestellt hat. Ineditum. Kein Text publiziert. Eine Edition der Inschrift steht weiter aus. Es war leider nicht möglich, diese Inschrift zu sichten. Der Stein ist weder im Museum2 noch im Archäologischen Park von Dion zugänglich. Unser Wissen über die Inhalte der Asylieanerkennung verdanken wir den Mitschriften Miltiadis Hatzopoulos, der den Text der Inschrift – wie er mir brieflich

2

An dieser Stelle möchte ich Frank Daubner für die Sichtung seines Photoarchivs, die leider ebenso ergebnislos blieb wie meine Suche, danken.

4. Potentielle Asylieanerkennung für Samos aus Gortyn

295

erklärte – bei der besagten Präsentation im Jahre 1993 lediglich als Projektion gesehen hat. Nach den Angaben Hatzopoulosʼ scheint der Text die auch im Königsbrief benannten Magistrate zu verzeichnen. Die Asylieanerkennung soll für die Stadt, die Häfen und die Chora Kyzikosʼ gelten. Ein expliziter Bezug auf die Häfen und das Umland wäre eine in Anbetracht des Asyliematerials sehr interessante Ergänzung der üblichen Formulare. 4. POTENTIELLE ASYLIEANERKENNUNG FÜR SAMOS AUS GORTYN Samos. Im Lapidarium des Heraions 1936 gefundene, links vollständige Tafel aus weißem Marmor. Ed. IG XII 6, 1, 144. s. III2 a.

5

ἔδοξε τοῖ̣[ς κόσμοις καὶ τᾶι πόλι τ]– ῶν Γορτυνί[ων· ἐπειδὴ Σάμιοι φί]– λοι καὶ εὖνο[ι ὄντες ἁμῖν ἀπέστειλαν] ψάφισμα κ[αὶ πρειγευτὰν – – – – –] Φράσωνος – – – – – – – – – – – – αὐτοῖς ΟΙ . – – – – – – – – – – πρειγευτα– – – – – – – – – – – – [δ]ιὰ πλιόν[ων – – – – – – – – – –] … χ̣ρ̣όν.– – – – – – – – – – – –

5

Beschluß der Kosmen und der Stadt Gortyn: Da die Samier Freund und wohlwollend waren und uns geschickt haben einen Beschluß und als Gesandten – – –, S. d. Phrason, – – – gemäß der Verwandtschaft, die zwischen ihnen und uns besteht – – – Gesandtschaft – – – wegen vieler – – – Zeit – – –

5. ZEUGNISSE ZUR POTENTIELLEN ASYLIE AMYZONS a) Königlicher Brief an die Soldaten Amyzon. In einer spätantiken Mauer verbauter Block aus Kalkstein, der einen Brief Antiochos III. an seine Soldaten beinhaltet. Edd. Patton/Myres 1896, 231; OGIS 217; J. und L. Robert 1983, Nr. 10; Ma 1999, 294 f. s. III/II a.

5

βασιλεὺς Ἀντίοχος στρατηγοῖς, ἱππάρχαις, πεζῶν ἡγεμόσι, στρα{στρα}τιώταις καὶ τοῖς ἄλλοις [χ]αίρ[ε]ιν. τὸ ἱερὸν τοῦ Ἀπόλλω[νος καὶ τῆς Ἀρτ]έμιδος τὸ ἐν [Ἀμυζῶνι ἄσυλον εἶναι βουλόμεθα?] –––––––––––––––––––––

296

Anhang 1: Dass es sich um Antiochos III. handeln muss, stellt Dittenberger fest. 6: Ergänzung von Piejko 1988a, 687. König Antiochos grüßt die Strategen, die Hipparchen, die Führer des Fußvolks, die Soldaten und die Anderen. [Wir wünschen, dass] das Heiligtum des Apollon und der Artemis, dasjenige in [Amyzon unverletzlich sei…].

Ma 1999, 294, datiert den Brief auf das Jahr 203. b) Brieffragmente des königlichen Beamten Zeuxis bezüglich des Heiligtums in Amyzon Amyzon. Nach Abschriften des 19. Jahrhunderts geben die Roberts einen Textausschnitt wieder. Sollte der Bezug zu Zeuxis und Antochos III. korrekt sein, stammt das Dokument aus dem späten dritten oder frühen zweiten Jahrhundert. Rigsby 1996, 336 f. erwähnt den Brief des Zeuxis. Edd. CIG II 2899; J. und L. Robert 1983, Nr. 11; Ma 1999, 269 f.; Ma 2003, 43–45. s. III/II a.

Ἀμυζονέων χαίρειν […]/ τὸ ἱερὸν ἄσυλον […]/ βασιλέως εὔνοιαν […]/ καὶ μηδενὶ ἐνοχλεῖν ὑμᾶς […]/ ἔρρωσθε. grüßt die Bürger von Amyzon […]/ das Heiligtum unverletzlich […]/ Loyalität des Königs […]/ und dass niemand von Euch belästigt wird […]/ Seid gegrüßt!

c) Horos des Heiligtums Amyzon. Frustrum aus weißem Marmor. Ed. J. und L. Robert 1983, Nr. 12; vgl. ferner Piejko 1988a, 613; Ma 1999, 297. s. III/II a.

5

[ο]ἱ βασιλεῖς [ἀ]πέδωκαν [τὸ ἱερ]ὸν ἄσυ[λον ..]. ΗΛ [–].. Die Könige haben gesetzt. Das Heiligtum sei unverletzlich […].

6. POTENTIELLES ASYLIEGESUCH DER INSEL DELOS AN ROM Delos. Oberer Teil einer Stele aus weißem Marmor; linke obere Ecke fehlt. Edd. Homolle 1884, 87; IG XI 4, 756; Erskine 1997, 133–136. fin. s. II a.

[θε]οί. ἔδοξεν τῆι βουλῆι καὶ τῶι δήμωι· Τηλέμνηστος Ἀριστείδου εἶπεν· ἐπειδὴ ἀποστείλαντος 5 τοῦ δήμου πρεσβευτὰς εἰς Ῥώμην τήν τε οἰκειότ[ητα καὶ] τὴν φιλίαν ἀνανεω[σομένους]

7. Ehrendekret der Stadt Aphrodisias für Solon, S. d. Demetrios(?)

10

297

καὶ ὑπὲρ τῶν συμ[φερόντων] τῶι τε ἱερῶι καὶ̣ [τῶι δήμωι, ἐν?] ὧι τὴμ πᾶσαν̣ [σπουδὴν καὶ φι]λοτιμίαν ἐ[ποίησαν? – – – – –] ΤΑΕΓ– ΔΗ̣– Bei den Göttern! Der Rat und das Volk haben beschlossen. Telemnestos, S. d. Aristeides sagt: Weil das Volk Gesandte nach Rom geschickt hat, das enge Verhältnis und die Freundschaft zu erneuern und über die Vorteile [gegenüber] dem Heiligtum und dem Volk […] den ganzen Eifer und Philotimie machten sie […].

7. EHRENDEKRET DER STADT APHRODISIAS FÜR SOLON, S. D. DEMETRIOS(?) Aphrodisias. Weiße Marmorbasis mit Befestigungsspuren an der Oberseite; an allen Ecken beschädigt. Ed. Reynolds 1982, Nr. 41. fin. s. I a.

5

–––––––––––––––––––––––––––––––– [γ]ε̣νόμενος δὲ καὶ ἀστυνόμος καὶ νεωπο̣[ιὸ]ς̣ καὶ στρατηγὸ̣[ς] ἐ̣πὶ̣ χώρας ω στρατηγήσας δὲ πλεονάκις τῆς πόλεως πρεσβεύ[σ]ας δὲ πλείστας καὶ μεγίστας πρεσβήας ἐπιτυχῶς ὑπὲρ τῆς πατ[ρί]δος ω ἀγωνισάμενος δὲ καὶ περὶ τῆς ἐλευθερίας καὶ τῶν̣ [? vac] νόμων καὶ τῆς ἀσυλίας v. καὶ τῶν δεδομένων vac. [φι]λανθρώπων ω καὶ ἐνὶ πᾶσιν τούτοις τοῖς γενομένοις ὑ̣π’ αὐτοῦ καὶ τ[αῖς ἀρχ]α̣ῖ̣ς καὶ λιτουργίαισ̣ τιμηθείς [? vac] […] nachdem er astynomos, neopoios und strategos im Umland und mehrfach in strategos in der Stadt war und erfolgreich eine große Zahl von Gesandtschaften für seine Stadt ausgeführt hatte; und er war engagiert für die Freiheit und Gesetze, die Asylie, und die gegebenen Dinge. Und er wurde für die ganzen [Dinge], die er in seinen Ämtern und Liturgien zu Wege brachte, geehrt […?].

298

Anhang

8. TABELLARISCHE AUFLISTUNG DER GESANDTSCHAFTEN Rigsby-Nr. (IG XII 4, 1, Nr.)

von

nach

Bezeichnung

Teilnehmer

7

Smyrna

Delphische Amphiktyonie

presbeutai

Hermodoros Demetrios

8 (212)

Kos

Ptolemaios III.

architheōros theōroi

Phainis Philophron Archepolis

9 (210)

Kos

Seleukos II.

umschrieben

Diogeitos

11 (209)

Kos

Ziaëlas

umschrieben

Diogeitos Aristolochos Theudotos

12 (213)

Kos

Spartakos IV.

theōroi

ohne Namen

14 (215)

Kos

Sparta

archithearos

Aristolochos Herakleitas Makareus

15 (215)

Kos

Messene

architheōros theōroi

Aristolochos Herakleitas Makareus

16 (215)

Kos

Telphusa

archithearos

Aristolochos, S. d. Zmendron Makareus, S. d. Aratos Herakleitos, S. d.Timaithos

thearoi

17 (215)

Kos

Elis

archithearos thearoi

Aristolochos Herakleitas Makareus

18 (215)

Kos

Aigeira

architheōros theōroi

Aristolochos Herakleitas Makareus

19 (216)

Kos

Theben in der Phthiotis [theōroi]

Theben in der Phthiotis

Kos zum Opfer

theōroi

ohne Namen

Kos

Megara

architheōros theōroi

Aristolochos Herakleitas Makareus

Megara

Kos zum Opfer

theōroi

ohne Namen, evtl. S. d. Aristokles

20 (216)

[Aristolochos, S. d. Zmendron Makareus, S. d. Aratos Herakleitos], S. d.Timaithos

299

8. Tabellarische Auflistung der Gesandtschaften Rigsby-Nr. (IG XII 4, 1, Nr.)

von

nach

Bezeichnung

Teilnehmer

21 (216)

Kos

Gonni

[architheōros]

[Aristolochos], S. d. Zmendron [Makareus, S. d. Aratos]

[theōros] 22 (216)

Kos

Homolion

architheōros theōroi

23 (221)

Kos

Pella

architheōros theōroi

46 (221)

Kos

Neapolis

architheōros theōroi

47 (221)

Kos

Elea

architheōros theōroi

Aristolochos, S. d. Zmendron Makareus, S. d. Aratos Aristolochos, S. d. Zmendron Makareus, S. d. Aratos Epidaurios, S. d. Nikarchos Philophron, S. d. Dardanos Simias, S. d. Timasiphon Epidaurios, S. d. Nikarchos Philophron, S. d. Dardanos Simias, S. d. Timasiphon

25 (220)

Kos

Kassandreia

theōroi

Aristolochos, S. d. Zmendron Makareus, S. d. Aratos

26 (220)

Kos

Amphilochos

architheōros

Aristolochos, S. d. Zmendron Makareus, S. d. Aratos

theōros 27 (220)

Kos

Philippi

architheōros theōros

Aristolochos, S. d. Zmendron Makareus, S. d. Aratos

Philippi

Kos

haben die theōria inne

Herakleodoros, S. d. Aristion

45 (220)

Kos

Korkyra

theōros, dann gebrochen

ohne Namen

32 (226)

Kos

Kios

architheōros

Hippotes, S. d. Hippokrites Aischros, S. d. Theodotos Epikles, S. d. Agorakritos

theōroi

300

Anhang

Rigsby-Nr. (IG XII 4, 1, Nr.)

von

nach

Bezeichnung

Teilnehmer

(226 I)

Kos

unbekannt

architheōros

Hippotes, S. d. Hippokrites Aischros, S. d. Theodotos Epikles, S. d. Agorakritos

theōroi

(226 III)

Kalchedon

Kos

theōria

ohne Namen

(226 IV)

Kos

unbekannt

architheōros

Hippotes, S. d. Hippokrites Aischros, S. d. Theodotos Epikles, S. d. Agorakritos

theōroi

(226 VI)

Kos

unbekannt

architheōros theōroi

Hippotes, S. d. Hippokrites Aischros, S. d. Theodotos Epikles, S. d. Agorakritos

(226 VII)

Kos

unbekannt

theōros

Aischros, S. d. Theodotos

(226 VIII)

Kos

unbekannt

architheōros

Hippotes, S. d. Hippokrites Aischros, S. d. Theodotos Epikles, S. d. Agorakritos

theōroi

(230 I)

Kos

unbekannt

architheōros theōros

Herippidas ohne Namen

(230 II)

Kos

unbekannt

architheōros theōros

Herippidas ohne Namen

39 (230 III)

Kos

Minoa

architheōros theōros

Herippidas ohne Namen

44 (214)

Kos

Istron

theōroi

Charippos Dion Platon

42 (214)

Kos

Phaistion

theōroi

ohne Namen

43 (214)

Kos

Hierapytna

theōroi

Charippos Dion Platon

48 (222)

Kos

Kamarina

architheōros

Epidaurios, S. d. Nikarchos Sosistratos, S. d. Kaphisios

theōros

301

8. Tabellarische Auflistung der Gesandtschaften Rigsby-Nr. (IG XII 4, 1, Nr.)

von

nach

Bezeichnung

Teilnehmer

49 (223)

Kos

Gela

architheōros

Epidaurios, S. d. Nikarchos Sosistratos, S. d. Kaphisios

theōros (217 neu)

Kos

Thessalische Stadt

theōroi

ohne Namen

Thessalische Stadt

Kos

theōroi

ohne Namen

(218 I)

Kos

Thessalische Stadt

theōroi

ohne Namen

(218 II)

Kos

Thessalische Stadt

theōroi

ohne Namen

(225)

Kos

unbekannt

theōroi

ohne Namen

(227 I)

Kos

unbekannt

architheōros

Hippotes, S. d. Hippokrites Aischros, S. d. Theodotos Epikles, S. d. Agorakritos

theōros

(227 II)

Kos

unbekannt

architheōros theōroi

35 (227 III)

Kos

unbekannt

architheōros theōroi

Hippotes, S. d. Hippokrites Aischros, S. d. Theodotos Epikles, S. d. Agorakritos Hippotes, S. d. Hippokrites Aischros, S. d. Theodotos Epikles, S. d. Agorakritos

(228 I)

unbekannt

Kos

thearoi

Aischylos, S. d. Heragoras -ros, S. d. Hekataios

(228 II)

Kos

unbekannt

architheōros

Hippotes, S. d. Hippokrites

(229)

Kos

unbekannt

architheōros

Hippotes, S. d. Hippokrites Aischros, S. d. Theodotos Epikles, S. d. Agorakritos

theōroi

(231)

Kos

Ionische Stadt

theōroi

ohne Namen

Ionische Stadt

Kos

theōroi

ohne Namen

302

Anhang

Rigsby-Nr. (IG XII 4, 1, Nr.)

von

nach

Bezeichnung

Teilnehmer

(232 II)

Kos

unbekannt

unklar

Lykophron, S. d. Lykeas

(234)

Kos

unbekannt

unklar

Lykophron, S. d. Lykeas

(235)

Kos

unbekannt

unklar

unklar

(239)

Kos

unbekannt

theōroi

unklar

(241)

Kos

unbekannt

theōroi

unklar

(245)

Kos

unbekannt

theōros

-oros, S. d. Euthy-

53 (IG IX 1, 97)

Tenos

Phokischer Bund Elateia(?)

theōros

Thestias, S. d. Diaites

54 (?)

Tenos

Aitolischer Bund

presbeutai

unklar

57 (?)

Tenos

Tylisos

umschrieben

unklar

58

Tenos

Aptera?

presbeutai

unklar

59

Tenos

Lappa

presbeutai

unklar

63

Kalchedon

Phokaia

presbeutai

Antikrates Demylos

64

Kalchedon

Tenedos

presbeus

Demylos

(153)

Milet

Kos

presbeutai

Demosthenes, S. d. Erginos Simon, S. d. Aristophon

(154)

Kos

Milet

66

Magnesia

Könige, Bünde, Poleis

umschrieben

ohne Namen

67

Magnesia

Aitolischer Bund

presbeutai

Mnasiptolemos Hipponikos

68

Magnesia

Attalos I.

umschrieben

Pythios Lykomedes

69

Magnesia

Antiochos III.

theōroi

Demophon Philiskos Pheres

70

Magnesia

Antiochos Sohn Antiochosʼ III.

theōroi

Demophon Philiskos Pheres

71

Magnesia

Ptolemaios IV.

presbeutai

Diopeithes Ithalides

ohne Namen

303

8. Tabellarische Auflistung der Gesandtschaften Rigsby-Nr. (IG XII 4, 1, Nr.)

von

nach

73

Magnesia

Boiotischer Bund

75

Magnesia

Laris(s)a?

theōroi

ohne Namen

79

Magnesia

Delphi

presbeutai

Aristodamos, S. d. Diokles Aristeas, S. d. Gorgasos Antanor, S. d. Kolotion

81

Magnesia

Akarnanischer Bund

presbeutai

Aristodamos, S. d. Diokles Aristeas, S. d. Gorgasos Antanor, S. d. Kolotion

Akarnanischer Bund

Magnesia

theōroi

ohne Namen

82

Magnesia

Epeirotischer Bund

presbeutai

Aristodamos, S. d. Diokles Aristeas, S. d. Gorgasos Antanor, S. d. Kolotion

83

Magnesia

Gonnoi

umschrieben

Diagoras, S. d. Kratinos Zopyros, S. d. Hermonax Diotimos, S. d. Lykomedes

Gonnoi

Magnesia

theōroi

ohne Namen

Magnesia

Phokischer Bund

theōroi

Apollophanes, S. d. Aischylos Euboulos, S. d. Anaxagoras Lykomedes, S. d. Charisios

84

Bezeichnung

Teilnehmer Apollophanes, S. d. Aischylos Euboulos, S. d. Anaxagoras Lykomedes, S. d. Charisios

304

Anhang

Rigsby-Nr. (IG XII 4, 1, Nr.)

von

nach

Bezeichnung

Teilnehmer

85

Magnesia

Same

architheōros

Sosikles, S. d. Diokles Aristodamos, S. d. Diokles Diotimos, S. d. Menophilos

theōroi

Same

Magnesia

theōroi

ohne Namen

Magnesia

Ithaka

presbeutai

Sosikles, S. d. Diokles Aristodamos, S. d. Diokles Diotimos, S. d. Menophilos

Ithaka

Magnesia

theōroi

ohne Namen

87

Magnesia

Athen

theōroi

Apollophanes, S. d. Aischylos Euboulos, S. d. Anaxagoras Lykomedes, S. d. Charisios

88

Magnesia

Megalopolis

theōroi und presbeutai

Philiskos, S. d. Pythagoros Konon, S. d. Dionysos Lampetos, S. d. Pythagoras

Megalopolis

Magnesia

presbeutai

Proxenos Agis Aristopamon

89

Magnesia

Achaiischer Bund

theōros presbeutas

Philiskos, S. d. Pythagoras

90

Magnesia

Argos

theōroi presbeutai

Philiskos, S. d. Pythagoros Konon, S. d. Dionysos Lampetos, S. d. Pythagoros

91

Magnesia

Sikyon

theōroi presbeutai

Philiskos Konon Lampetos

Sikyon

Magnesia

theōroi

ohne Namen

Magnesia

Korinth

theōros

Lampetos, S. d. Pythagoros

86

92

305

8. Tabellarische Auflistung der Gesandtschaften Rigsby-Nr. (IG XII 4, 1, Nr.)

von

nach

Bezeichnung

Teilnehmer

93

Magnesia

Messene

presbeutai

Philiskos, S. d. Pythagoros Konon, S. d. Dionysos Lampetos, S. d. Pythagoros

94

Magnesia

Korkyra

presbeutai thiaroi

Sosikles, S. d. Diokles Aristodamos, S. d. Diokles Diotimos, S. d. Menophilos

Korkyra

Magnesia

thiaroi

ohne Namen

Magnesia

Apollonia

presbeutai theōroi

Sosikles, S. d. Diokles Aristodamos, S. d. Diokles Diotimos, S. d. Menophilos

Apollonia

Magnesia

theōroi

ohne Namen

Magnesia

Epidamnos

presbeutas thiaroi

Sosikles, S. d. Diokles Aristodamos, S. d. Diokles Diotimos, S. d. Menophilos

95

96

Epidamnos

Magnesia

thiaroi

ohne Namen

97

Magnesia

Chalkis

theōroi

Apollophanes, S. d. Aischylos Euboulos, S. d. Anaxagoras Lykomedes, S. d. Charisios

98

Magnesia

Eretria

theōroi

Apollophanes, S. d. Aischylos Euboulos, S. d. Anaxagoras Lykomedes, S. d. Charisios

Eretria

Magnesia

theōroi

ohne Namen

Magnesia

Delos

theōroi

Demetrios Molossos Kallikrates

99

306

Anhang

Rigsby-Nr. (IG XII 4, 1, Nr.)

von

nach

Bezeichnung

Teilnehmer

100

Magnesia

Paros und die Kykladen außer Delos

theōroi

Demetrios Molossos Kallikrates

Magnesia

theōroi

ohne Namen

Paros und die Kykladen außer Delos 101

Magnesia

Mytilene und zwei weitere lesbische Städte

theōroi

fragmentarisch

102

Magnesia

Klazomenai und weitere ionische Städte außer Milet

theōroi

Diomedon, S. d. Dionysios Neaithos, S. d. Neaithos Menekrates, S. d. Polyarkos

103

Magnesia

Dionysische Techniten in Teos

presbeutai

Pythodotos, S. d. Charisios Epikouros, S. d. Agaristos Prytanis, S. d. Pyronidos

Dionysische Techniten in Teos

Magnesia

theōroi

ohne Namen

104

Magnesia

Rhodos

umschrieben

Lampon Diagoras Pythodemos

105

Magnesia

Knidos

umschrieben

Lampon, S. d. Phanios

Knidos

Magnesia

theōria

ohne Namen

106

Magnesia

Kos

umschrieben

Lampon Diagoras Pythodemos

107

Magnesia

Südwestliche kleinasiatische Polis

presbeutai

Lampon, S. d. Phanios

theōroi

ohne Namen

paresbeutai

ohne Namen

unbekannt 108

Magnesia

Magnesia unbekannte Stadt

307

8. Tabellarische Auflistung der Gesandtschaften Rigsby-Nr. (IG XII 4, 1, Nr.)

von

nach

Bezeichnung

Teilnehmer

109

Magnesia

Laodikeia am Lykos

presbeutai

ohne Namen

Magnesia

theōroi

ohne Namen

Magnesia

Antiocheia in der Persis

presbeutai

Demophon, S. d. Lykideus Philiskos, S. d. Philios Pheres, S. d. Pheres

Antiocheia

Magnesia

theōroi

ohne Namen

112

Magnesia

unbekannt

fragmentarisch

Hippias

113

Magnesia

unbekannt

fragmentarisch

-archos, S. d. Parmenion

114

Magnesia

unbekannt

fragmentarisch

fragmentarisch

115

Magnesia

Kretische (?) Stadt

fragmentarisch

fragmentarisch

116

Magnesia

unbekannt

theōroi

S. d. Klearchos Klearchos, S. d. Mikkos

117

Magnesia

unbekannt

theōroi

fragmentarisch

118

Magnesia

unbekannt

presbeutai

Theodotos

119

Magnesia

unbekannte Stadt

fragmentarisch

fragmentarisch

120

Magnesia

Syrakus

presbeutai theōroi

Diotimos, S. d. Menophilos

Laodikeia am Lykos 111

Syrakus

Magnesia

theōroi

ohne Namen

124

Magnesia

unbekannte dorische Stadt

presbeus

Philiskos, S. d. Pythagoros

125

Magnesia

Antiocheia in Pisidien?

presbeutai

Lykomedes, S. d. Lykomedes Demetrios, S. d. Demophon Dionysarchos, S. d. Anaxagoras

126

Magnesia

Antiocheia

architheōros theōroi

fragmentarisch

127

Magnesia

unbekannte Stadt

theōroi

Philenor, S. d. Zenodotos Prytanis, S. d. Pyronidos

128

Magnesia

Attalidische Stadt

fragmentarisch

fragmentarisch

308

Anhang

Rigsby-Nr. (IG XII 4, 1, Nr.)

von

nach

Bezeichnung

Teilnehmer

129

Magnesia

Tralleis

presbeutēs

Nikodemos, S. d. Mandrokleios

Tralleis

Magnesia

theōroi

ohne Namen

130

Magnesia

Attalidische Stadt

theōroi

ohne Namen

131

Magnesia

Attalidische Stadt

presbeutas theōroi

Leontiskos Apollonion

Attal. Stadt

Magnesia

theōroi

ohne Namen

132

Teos

Aitol. Bund

presbeutai

Pythagoras Kleitos

133

Teos

Delphische Amphiktyonie

presbeutai

Pythagoras, S. d. Kleitos Kleitos, S. d. Kleitos

134

Teos

Delphi

presbeutas

Pythagoras, S. d. Kleitos Kleitos, S. d. Kleitos

135

Teos

Athamanische Könige

presbeutai

Pythagoras Kleitos

136

Teos

Knossos

umschrieben, frg.

Apollodotos, S. d. Astynax Kolotas, S. d. Hekatonymos

137

Teos

Polyrrhenia

presbeutai

Apollodotos Kolotas

138

Teos

Rhaukos

preigeutai

Apollodotos, S. d. Astynax Kolotas, S. d. Hekatonymos

Antiochos III.

Rhaukos

preigeutas

Hagesandros

139

Teos

Kydonia

presbeutai

Apollodotos Kolotas

140

Teos

Oaxos

preigeutas

Apollodotos Kolotas

Philipp V.

Oaxos

preigeutas

Perdikkas

Philipp V.

Sybrita

presbeutas

Perdikkas

Teos

Sybrita

presbeutai

ohne Namen

Teos

Lato

presbeutai

Apollodotos Kolotas

Philipp V.

Lato

indirekt bezeugt

Perdikkas

141 142

309

8. Tabellarische Auflistung der Gesandtschaften Rigsby-Nr. (IG XII 4, 1, Nr.)

von

nach

Bezeichnung

Teilnehmer

143

Teos

Lappa

presbeutai

Apollodotos, S. d. Astynax Kolotas, S. d. Hekatonymos

Antiochos III.

Lappa

presbeutos (ergänzt)

Hagesandros

Teos

Istron

presbeutai

Apollodotos Kolotas

Philipp V.

Istron

presbeutas

Perdikkas

Teos

Eleutherna

presbeutai

Apollodotos Kolotas

Antiochos III.

Eleutherna

presbeutai

Hagesandros, S. d. Eukrates aus Rhodos

Philipp V.

Eleutherna

umschrieben

Perdikkas

Teos

Arkades

preigeutas

Apollodotos Kolotas

Philipp V.

Arkades

presbeutas

Perdikkas

Teos

Allaria

presbeutas

Apollodotos Kolotas

Philipp V.

Allaria

presbeutas

Perdikkas

Teos

Lato

preigeutas

Apollodotos Kolotas

Philipp V.

Lato

preigeutas

Perdikkas

153

Antiochos III. und Teos

Rom

presbeutēs

Menippos

154

Teos

Aptera

preggeutai

Herodotos, S. d. Menodotos Menekles, S. d. Dionysios

155

Teos

Eranna

preggeutai

Herodotos, S. d. Menodotos Menekles, S. d. Dionysios

156

Teos

Biannos

preggeutai

Herodotos, S. d. Menodotos Menekles, S. d. Dionysios

148

149

150

151

152

310

Anhang

Rigsby-Nr. (IG XII 4, 1, Nr.)

von

nach

Bezeichnung

Teilnehmer

157

Teos

Malla

preggeutai

Herodotos, S. d. Menodotos Menekles, S. d. Dionysios

159

Teos

Arkades

preggeutai

Herodotos, S. d. Menodotos Menekles, S. d. Dionysios

160

Teos

Hyrtakina

preggeutai

Herodotos, S. d. Menodotos Menekles, S. d. Dionysios

162

Alabanda

Athen

presbeis

Pausimachos, S. d. Iatrokleus Aristophanes, S. d. Iatrokles

163

Alabanda

Delphische Amphiktyonie

Verbalform von persbeuō

Pausimachos, S. d. Iatrokles

166

Kyzikos

Rhodos

architheōros theōroi

Apa[tourios] Oinobios, S. d. Eoneos Hikesios, S. d. Dionysios

167

Kyzikos

unbekannte Stadt

fragmentarisch

[Oino]pion Dionysas

168

Kyzikos

Medion

fragmentarisch

Oinopion

172

Kolophon

unbekannt

presbeutai

Poses, S. d. Euporos Ze[…]

173

Kolophon

Rom

presbeis

Agamedes

174

unbekannt weitere Stadt?

Bargylia?

architheōros

Damatrios

presbeutas

Damokrates, S. d. Astyteles

theōroi

- aus Myrina Megon aus Ephesos (‚aus der Reihe der ersten Freunde‘) Kalas aus Pergamon

176

Eumenes II. von Pergamon

Kos

311

8. Tabellarische Auflistung der Gesandtschaften Rigsby-Nr. (IG XII 4, 1, Nr.)

von

nach

Bezeichnung

Teilnehmer

177

Eumenes II. von Pergamon

Iasos?

theōroi

Megon aus Ephesos (‚aus der Reihe Freunde‘) Kalas aus Pergamon

178

Eumenes II. von Pergamon

Aitolischer Bund

theōroi

Persas, S. d. Dionysios aus Syrakus Theolytos, S. d. Ariston aus Aigina Ktesippon, S. d. Damatrios aus Pergamon

Aitolischer Bund

Nikephorien

theōroi

ohne Namen

179

Eumenes II. von Pergamon

Delphische Amphiktyonie

theōroi

ohne Namen

181

Pergamon

Servilius Isauricus

presbeutai

ohne Namen

185

Nysa

Mithridates VI.

theōroi

ohne Namen

186

Nysa

Rom

umschrieben

Artemidoros Papas S. d. Demetrios

188

Mylasa

kretische Stadt

umschrieben, frg.

unklar

190

Mylasa

kretische Stadt

presbeuein

unklar

198

Mylasa

kretische Stadt

preigeutai

ohne Namen

201

Mylasa

kretische Stadt

fragmentarisch

Aristeas, S. d. Iatrokles?

202

Mylasa

kretische Stadt

fragmentarisch

Iason, S. d. Diotimos? Iatrokles, S. d. Oulias?

204

Mylasa

kretische Stadt

fragmentarisch

unklar

207

Mylasa

kretische Stadt

fragmentarisch

Dionysios Apollonios

208

Mylasa

kretische Stadt

fragmentarisch

Dionysios Apollonios

209

Mylasa

kretische Stadt

preigeutai

unklar

216

Hiera Kome

Rom/röm. Kaiser

presbeis

ohne Namen

312

Anhang

9. TABELLARISCHE AUFLISTUNG DER VERÖFFENTLICHUNGSWEGE DER ASYLIE Rigsby-Nr. (IG XII 4, 1, Nr.) 3

Gesuch

Anerkennung

Publikationsorte oder Veröffentlichungswege

Akraiphia

Delphische Amphiktyonie

Apollonheiligtum in Delphi Heiligtum des Apollon Ptoios in Akraiphia Heiligtum der Demeter Amphiktyonis bei den Thermopylen Hieromnemones sollen in ihren Poleis verkünden

4

Theben

Delphische Amphiktyonie

Apollonheiligtum in Delphi Sekon der Semele in Theben

7

Smyrna

Delphi

Psephisma am Apollonheiligtum Brief an der Mauer des Archeion Pythienverkünder sollen Seleukos II. loben

34 (227 II)

Kos

Kleinasiatische Küstenstadt

fragmentarisch

36 (226 VII)

Kos

Ionische Stadt

Asklepiosheiligtum

(226 VI)

Kos

Ionische Stadt

steinerne Stele ohne Ortsangabe

42 (214 II)

Kos

Phaistion

Heiligtum des Apollon Pythios

43 (214 III)

Kos

Hierapytna

Asklepiosheiligtum

44 (214 I)

Kos

Istron

Prytaneion

(217)

Kos

Thessalische Stadt

Steinsäule

53

Tenos

Phokischer Bund

Atheneheiligtum in Kranai Agora in Elateia Delphi

62

Kalchedon

Delphi

Delphi

(154)

Milet

Kos

auf Stelen, Rest fragmentarisch

67

Magnesia

Aitolischer Bund

Thermos Delphi

75

Magnesia

Larissa

Steinstele neben Königsbildnis

77

Magnesia

Kalydon

Artemisheiligtum in Kalydon

78

Magnesia

Aitolischer Bund

Delphi Thermos

81

Magnesia

Akarnanischer Bund

Apollontempel in Aktion

9. Tabellarische Auflistung der Veröffentlichungswege der Asylie Rigsby-Nr. (IG XII 4, 1, Nr.)

Gesuch

Anerkennung

Publikationsorte oder Veröffentlichungswege

313

82

Magnesia

Epeirotischer Bund

Zeustempel in Dodona

83

Magnesia

Gonnoi

Publikation ohne Ortsangabe

84

Magnesia

Phokischer Bund

Atheneheiligtum in Kranai

85

Magnesia

Same

Artemisheiligtum Agora

86

Magnesia

Ithaka

Odysseion Atheneheiligtum

87

Magnesia

Athen

Heiligtum

89

Magnesia

Achaiischer Bund

Bundesheiligtum des Zeus Armaios

94

Magnesia

Korkyra

Publikation ohne Ortsangabe

95

Magnesia

Apollonia

Apollonheiligtum

96

Magnesia

Epidamnos

Bouleuterion

100

Magnesia

Paros

Artemisheiligtum in Magnesia

103

Magnesia

Dionysische Techniten

Agora Heiligtum der Artemis Leukophryene in Magnesia

114

Magnesia

unbekannt

Publikation an Stoa

132

Teos

Aitolischer Bund

Bei den Gesetzen

134

Teos

Delphi

Apollonheiligtum in Delphi

136

Teos

Knossos

Apollonheiligtum in Delphi

142

Teos

Lato

Heiligtum der Eleuthyia

146

Teos

Biannos

Aresheiligtum

147

Teos

Apollonia

Heiligtum des Apollon

148

Teos

Istron

Tempel der Athene Polias

150

Teos

Arkades

Asklepiosheiligtum

152

Teos

Lato

Heiligtum der Eleuthyia

154

Teos

Aptera

Dionysosheiligtum in Teos Artemisheiligtum in Aptera

155

Teos

Eranna

Asklepiosheiligtum

156

Teos

Biannos

Aresheiligtum

157

Teos

Malla

Heiligtum des Zeus Monnitios

159

Teos

Arkades

Asklepiosheiligtum

160

Teos

Hyrtakina

Heraheiligtum

161

Teos

Kretische Stadt

Atheneheiligtum

162

AntiocheiaAlabanda

Athen

Agora

314 Rigsby-Nr. (IG XII 4, 1, Nr.)

Anhang Gesuch

Anerkennung

Publikationsorte oder Veröffentlichungswege

163

AntiocheiaAlabanda

Delphische Amphiktyonie

Auf der Basis der Statue Antiochos’ III. im Heiligtum des Apollon Pythios

178

Eumenes II. von Pergamon

Aitolischer Bund

Thermos

179

Eumenes II. von Pergamon

Delphische Amphiktyonie

Auf der Basis der Statue des Vaters in Delphi

198

Mylasa

Kretische Stadt

Heiligtum des Apollon Pythios in kretischer Stadt Heiligtum des Zanopoteidas in Labraunda

201

Mylasa

Kretische Stadt

Heiligtum des Zanopoteidas in Labraunda

Verkündung

BIBLIOGRAPHIE Die Werke antiker Autoren werden nach den einschlägigen Ausgaben der Oxford Classical Texts oder der Bibliotheca Teubneriana zitiert. Abweichend von dieser Regel benutzte Ausgaben und verwendete Übersetzungen werden an betreffender Stelle im Text angegeben; die nicht gekennzeichneten Übersetzungen stammen von mir. Die Publikationen der Inscriptiones Graecae sowie des Supplementum Epigraphicum Graecum werden an Ort und Stelle zitiert. Die Abkürzungen der Zeitschriftentitel folgen den Richtlinien der Année Philologique. EPIGRAPHISCHE UND NUMISMATISCHE QUELLEN Claudia Antonetti, Peter Funke u. a., Collezioni epigraphiche della Grecia occidentale I. Catalogo delle iscrizioni dal Museo di Agrinio (Akarnanien-Forschungen 2,1), Bonn 2018. Claudia Antonetti, Peter Funke u. a., Epigraphische Sammlungen aus Westgriechenland II. Katalog der Inschriften des Museums von Thyrreion (Akarnanien-Forschungen 2,2), im Druck, erscheint 2018. Hans von Aulock, Die Münzprägung der kilikischen Stadt Mopsos, in: AA 1963, 231–261. Johannes Baunack, Sammlung der griechischen Dialekt-Inschriften II. Epirus, Akarnanien, Aetolien, Aenanien Phthiotis, Lokris, Phokis, Dodona, Achaia und seine Kolonien, Delphi, Göttingen 1899. Friedrich Bechtel, Sammlung der Griechischen Dialektinschriften, 4 Bde., Göttingen 1884–1915. Hermann Bengtson, Staatsverträge im Altertum. II. Die Verträge der griechisch-römischen Welt von 700 bis 338 v. Chr., München 21975. Filippo Canali De Rossi, Iscrizioni dello estremo oriente greco. Un repertorio (Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien 65), Bonn 2004. Gaston Colin, Fouilles de Delphes III 4. Inscriptions de la terrasse du temple et la région nord du sanctuaire I, Paris 1930. Catherine Dobias-Lalou, Le dialecte des inscriptions grecques de Cyrène, Paris 2000. Laurent Dubois, Recherches sur le dialecte arcadien, Louvain-La-Neuve 1986. Joachim Ebert, Zur Stiftungsurkunde der ΛΕΥΚΟΦΡΥΗΝΑ in Magnesia am Mäander, in: Philologus 126, 1982, 198–216. Roland Étienne, Ténos et les Cyclades, 2 Bde., Paris 1990. Roland Étienne und Maurice Piérart, Un décret du Koinon des Héllènes à Platées en l’honneur de Glaucon, fils d’Etéoclès, d’Athènes, in: BCH 99, 1975, 51–75. Paul Graindor, MusB 7, 1903, 296–300. Margherita Guarducci, Inscriptiones Creticae. Opera et consilio Friderici Halbherr collectae, 4 Bde., Rom 1935–1950. Silvio Ferri, La lex catharica di Cirene. Documenti di rituale e di diritto delfici, in: NAMC 4, 1027, 91–145. Wilhelm Dittenberger, Orientis Graeci inscriptiones selectae, 2 Bde., Leipzig 1903–1905. Bruno Helly, Décrets de cités thessaliennes à Cos, in: Chrion 34, 2004, 87–107. Christian Habicht, Hellenistische Inschriften aus dem Heraion von Samos, in: MDAI (A) 87, 1972, 191–228. Klaus Hallof und Dimitris Bosnakis, Alte und neue Inschriften aus Kos I, in: Chiron 33, 2003, 203–262.

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INDIZES PERSONEN – aus Myrina 157, 158, 310 – S. d. Klearchos 128, 307 – S. d. Phrason 164, 295 Agamedes 154, 310 Agis 124, 304 Aischros, S. d. Theodotos 94, 282–286, 299–301 Aischylos, S. d. Heragoras 286, 301 Alexander der Große 72, 171, 262 Alexander II. von Epeiros 100–102, 223, 247 f., 277 f., 281 f. Amynandros von Athamanien 213, 223, 232 f., 247, 250, 308 Antanor, S. d. Kolotion 118–121, 303 Antigonos Gonatas 83, 100, 131, 184, 234 f., 277 Antigonos Monophtalmos 84 Antikrates 112, 302 Antiochos Hierax 85–87, 100, 128, 231, 242 Antiochos I. Soter 250 Antiochos II. Theos 84 f., 100, 131 f., 231 Antiochos III. Megas 77 f., 86, 112, 116, 128–131, 137–148, 156 f., 160, 165–167, 170 f., 184, 201–203, 208, 213 f., 220 f., 223, 225, 234, 236, 242, 245, 250, 295 f., 302, 308, 309, 314 Antiochos, S. d. Antiochos II. 85 Antiochos, S. d. Antiochos III. 116 f., 129, 165 f., 220 f., 229, 250, 296, 302 Apatourios 162, 310 Apollodotos, S. d. Astynax 142, 308 f. Apollonios 128, 308 (Magnesia am Mäander) 155 f., 311 (Mylasa) 286 f. (kleinasiat. Stadt) Apollophanes, S. d. Aischylos 118 f., 303–306 Archepolis 98 f., 298 – -archos, S. d. Parmenion 128, 307 Aristeas, S. d. Gorgasos 118, 121, 303 Aristeas, S. d. Iatrokles 155 f., 311 Aristodamos, S. d. Diokles 118–121, 303–306 Aristolochos, S. d. Zmendron 89, 93, 298 f. Aristopamon 124, 304 Aristophanes S. d. Iatrokles 146 f., 310 Artemidoros 250, 311 Aśoka 100

Attalos I. Soter 116, 128, 139, 222 f., 302 Attalos II. Philadelphos 157 Attalos III. Philometor Euergetes 264 Augustus 261 f., 293 Berenike Phernephoros 85 f., 221 C. Iulius Caesar 258–264, 293 C. Iulius Epikrates 293 f. Charippos 96, 278, 300 Claudius 265 f. Damatrios 310 Damokrates, S. d. Astysteles 310 Demetrios 86 f., 298 (Smyrna) 118, 126, 305 (Magnesia am Mäander, evtl. identisch mit Demetrios, S. d. Demophon) Demetrios Poliorketes 137–139 Demetrios, S. d. Demophon 118, 128 (evtl. identisch mit Demetrios, Magnesia am Mäander) Demophon, S. d. Lykideus 307 Demosthenes, S. d. Erginos 291, 302 Demylos 302 Diagoras 306 (evtl. identisch mit Diagoras, S. d. Kratinos) Diagoras, S. d. Kratinos 127, 303 (evtl. identisch mit Diagoras) Diogeitos 98, 100, 226, 298 Diomedon, S. d. Dionysios 126, 306 Dion 96, 278–279, 300 Dionysarchos, S. d. Anaxagoras 118, 128, 307 Dionysas 162, 310 Dionysios 156, 307 Diopeithes 129, 302 Diotimos, S. d. Lykomedes 127, 303 Diotimos, S. d. Menophilos 118, 127, 304 f., 307 Epidaurios, S. d. Nikarchos 89, 299 f. Epikles, S. d. Agorakritos 94, 282–287, 299–301 Epikouros, S. d. Agaristos 118, 127, 306 Euboulos, S. d. Anaxagoras 118, 303 Eumenes I. 99 Eumenes II. 75, 133, 156–167, 178, 180, 188 f., 192, 196 f., 200, 223, 228, 232, 241–243, 259, 265, 310 f., 314 Gelon, Sohn Hierons II. 101

342

Indizes

Gn. Vergilius Capito 293 Hagesandros, S. d. Eukrates 142–144, 203, 225, 308 f. Herakleitos, S. d. Timaithos 80, 89, 298 Herakleodoros, S. d. Aristion 299 Hermodoros 86, 298 Herodotos, S. d. Menodotos 145, 309 f. Hikesios, S. d. Dionysios 162, 310 Hippias 128, 312 Hipponikos 116, 215, 302 Hippotes, S. d. Hippokrites 94, 299–301 Ithalides 129, 302 Iulia, Tochter des C. Iulius Epikrates 293 Kalas aus Pergamon 157 f., 310 f. Kallikrates 118, 126, 306 f. Klearchos, S. d. Mikkos 128, 307 Kleitos, S. d. Kleitos 140, 308 Kolotas, S. d. Hekatonymos 142, 308 f. Konon, S. d. Dionysos 124, 304 f. Ktesippon, S. d. Damatrios aus Pergamon 160, 311 L. Cornelius Scipio 129–131, 153, 212, 256 L. Cornelius Sulla Felix 168, 252–257, 266 L. Domitius Ahenobarbus 253 f. Lampetos, S. d. Pythagoras 304 Lampon, S. d. Phanios 127, 306 Laodike 231, 242 Leon, S. d. Chrysaor 78, 255 Leontiskos 128, 308 Leukon II. vom Regnum Bosporanum 102 Lykomedes 128, 302 Lykomedes, S. d. Charisios 118, 303–305 Lykomedes, S. d. Lykomedes 118, 128, 307 Lykophron, S. d. Lykeas 95, 302 Lysimachos 84, 137–139 M. Terentius Varro Lucullus 251 f., 256 M. Valerius Messala 212–214 Magas von Kyrene 100 Makareus, S. d. Aratos 80, 89, 93, 298 f. Mark Anton, M. Antonius 257, 261–263 Megon aus Ephesos 157 f., 310 f. Menekles, S. d. Dionysios 145, 309 f. Menekrates, S. d. Polyarkos 126, 306 Menippos 144, 212–214, 225 f., 236, 309 Mithridates VI. 171, 250 f., 256, 311 Mnasiptolemos 116, 215, 302 Molossos 118, 126, 305 f. Neaithos, S. d. Neaithos 126, 306 Nikodemos, S. d. Mandrokleios 128, 308 Oinobios, S. d. Euneos 162, 310 Oinopion 310 P. Cornelius Scipio 129 f., 153, 212 P. Servilius Isauricus 161, 257–260, 311

Pairisades II. vom Regnum Bosporanum 102 Papas, S. d. Demetrios 314 Pausimachos, S. d. Iatrokles 146 f., 192, 215, 310 Perdikkas 142 f., 221, 226, 311 Persas, S. d. Dionysios aus Syrakus 160, 311 Phainis 98, 298 Pheres, S. d. Pheres 128 f., 302, 307 Philenor, S. d. Zenodotos 118, 128, 307 Philipp V. 109, 112, 119, 129, 142–148, 160–163, 201, 203, 221, 226, 234, 244 f., 294, 308 f. Philiskos 302 Philiskos, S. d. Philios 124, 304 f., 307 Philiskos, S. d. Pythagoras 128, 307 Philophron 98, 298 Philophron, S. d. Dardanos 89, 93, 299 Platon 96, 278 f., 300 Poses, S. d. Europos 154, 310 Proxenos 304 Prytanis, S. d. Pyronides 118, 127 f., 306 f. Ptolemaios II. Philadelphos 100, 102, 131 Ptolemaios III. Euergetes I. 85–87, 97–100, 112, 215, 221, 227, 231, 235, 242, 298 Ptolemaios IV. Philopator 129, 194, 221, 302 Pythagoras, S. d. Kleitos 140, 308 Pythios 128, 302 Pythodemos 306 Pythodotos, S. d. Charisios 118, 127, 306 – -ros, S. d. Hekataios 286, 301 Seleukos I. Nikator 250 Seleukos II. Kallinikos 85–87, 99 f., 131 f., 162, 192, 219 f., 225 f., 231, 277 f., 298, 312 Seleukos IV. Philopator 250 Simias, S. d. Timasiphon 93, 299 Simon, S. d. Aristophon 302 Solon, S. d. Demetrios 263, 297 Sosikles, S. d. Diokles 118, 122, 304 f. Sosistratos, S. d. Kaphisios 94, 300 f. Spartokos IV. vom Regnum Bosporanum 102 f., 223, 232 f., 247 Stratonike, Mutter Antiochosʼ II. 84 f., 231 f., 242 Telemnestos, S. d. Aristeides 169, 297 Theodoros von Athamanien 213, 223, 232 f., 247, 250, 308 Theolytos, S. d. Ariston aus Aigina 160, 311 Thestias, S. d. Diaites 302 Tiberius 23, 30, 129, 255–265, 268 f., 272, 276 Ziaëlas von Bithynien 90, 98–103, 221, 223, 232, 240, 247, 277, 298 Zopyros, S. d. Hermonax 137, 303

Mythologische/literarische Personen und Orte

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MYTHOLOGISCHE/LITERARISCHE PERSONEN UND ORTE Achaier 33 Achilles 197 Alkinoos 44 Arete 44 Danaiden 26, 38, 46 f., 67 Danaos 46 Echeneos 45 Falstaff 197 Faust 188 Gretchen 188

Ion 67 Kleitophon 64 Kreousa 67 Leukippe 64 Neoptolemos 64 Odysseus 33, 43 f. Phäaken 43 f. Priamos 67 Scheria 43–45 Troja, Trojaner 33

GÖTTER Amphiaraos 168, 252 f., 256 f. Aphrodite 262 f. – Stratagis 84 – Strateia 84 – Stratonikis 84–87 Apollon 20, 30, 55 f., 58 f., 70, 114, 119 f., 166, 170 f., 200, 238, 295 f. – Asgelates 135 – Chresterios 110 f., 200 – Didymaios 48, 51, 131–134, 260 f., 290–291, 293 – Isotimos 146 f. – Klaros 154 – Ptoios 104–106, 192, 312 – Pythaios 110 f. – Pythios 70, 87, 96, 155, 162, 193, 279, 312, 313 Ares 313 Artemis 30, 32, 70, 165 f., 170 f., 234, 252, 264, 295 f., 312 f. – Ephesia 171, 261–263 – Hemera 108 f., 244 – Hyakintotrophos 165 – Leukophryene 78, 113, 119–121, 125, 129 f. 154, 189–196, 238, 256 f., 313 – Sardiane 259, 264 Asklepios 80, 87–90, 95 f., 99, 156, 258, 278–289, 312 f. Athene 51, 67, 312 f. – Alea 48, 54 f. – Chalkioikos 49 – Itonia 82 f.

– Kranaia 149 f., 312 f. – Nikephoros 75, 81, 156–160, 180, 189, 196, 200 – Polias 49, 313 Demeter Amphiktyonis 105, 312 Dionysos 142, 195–197, 234 f., 313 – Bakchos 52 f., – Kadmeios 70, 104, 106 f. Eleuthyia, Eileithyia 313 Hekate 167 f., 254 f. Helios 161 Hera 52, 62, 68f, 164, 244, 313 Hestia 44 Isis 251–253, 256 Kore 162, 250 Leto 170, 188 f., Poseidon 44, 49, 68, 148–152, 244, 250, 257 f. Sarapis 251–253, 256 Semele 107, 312 Sinuri 156 Vesta 44 Zano Poteidas 314 Zeus 44, 71, 133, 188 f., 200, 238, 258, 290 f. – Armaios 313 – Chrysaores 146 f. – Elasteros 61 – Hikesios, – Hiketesios 44 – Monnitios 313 – Naios 50, 313 – Panamaros 167 f., 252–256

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Indizes

ORTE, LANDSCHAFTEN UND BÜNDE Achaia, Achaiischer Bund 124 f., 219, 239 f., 298, 304, 313 Ägypten 16, 23, 28, 104, 174, 22, 224, 243, Aigeira 89 f., 207, 298 Aitolien, Aitolischer Bund 77, 85, 108 f., 115–118, 121, 124, 131 f., 140–142, 152, 152, 159f, 201–203, 207–210, 216–219, 223, 229, 232, 242, 246, 302 f., 312–314 Akarnanien, Akarnanischer Bund 84, 100, 121 f., 219, 244, 303, 312 Akraiphia 70, 104–106, 192, 215, 312 Aktion 80, 312 Alexandria im Iran? 207 Alinda 207 Allaria 29, 142 f., 181, 207, 221, 309 Alyza 207 Ambrakia 207 Amphilochos 299 Amyzon 165–167, 220, 295 f. Anaktorion 207 Anaphe 135 Antiocheia am Orontes 85 Antiocheia im Iran? 207 Antiocheia in der Persis 116 f., 124, 129, 184, 186, 207 f., 234 f., 307 Antiocheia in Karien 207 Antiocheia in Pisidien 117, 126, 128, 207, 235, 307 Antiocheia, unsichere Lage 128, 307 Antiocheia-Alabanda 109, 146–148, 192, 207, 215, 244–246, 313 f. Apameia am Seleias 207 Apollonia 122, 143 f., 203, 207, 305, 313 Aptera 131, 134, 143–145, 152, 203, 207, 211, 302, 309, 313 Argos 69, 88, 116, 124 f., 244, 304 Argos in der Amphilochis 207 Arkades (Kreta) 142, 145 Arkadia 309 f., 313 Arsinoe in Aitolien 132, 207 Asia Minor, s. Kleinasien Athen 26, 41, 49–55, 63, 67, 70, 83, 102, 114, 118 f., 146–150, 198, 207, 217, 257, 304, 310, 313 Bargylia 164, 207, 309 Biannos 143–145, 203, 310, 313 Bithynien 89 f., 98–103, 232, 240, 247, 277 Boiotien, Boiotischer Bund 27, 82f, 104, 118 f., 164, 219, 303 Chalkis 116–119, 129, 207, 305 Chios 88 f., 207

Delos 39, 69–71, 76, 116 f., 126, 154, 162, 169–171, 212, 271, 296 f., 305 f. Delphi, Delphische Amphiktyonie 41, 52, 69–71, 82–87, 104–107, 110 f., 116–118, 121, 132, 140 f., 146–154, 159–164, 169–171, 187, 190, 192 f., 201–203, 207 f., 212, 214 f., 220, 225, 227 f., 232, 236, 238, 241 f., 298, 303, 308, 310–314 Didyma 131–134, 167, 188 f., 192, 194, 200, 238, 260 f., 289 f. Dikaia 55 Dion 161–163, 207, 221, 226, 294 f. Dodona 50, 134, 313 Elateia 149 f., 302, 312 Elea 93 f., 299 Eleutherna 142, 144, 181, 207, 221, 307 Elis 69–72, 76, 89, 92, 207, 271, 298 Epeiros, Epeirotischer Bund 10, 102, 121 f., 190, 219, 223, 226, 247, 277 f., 303, 312 Ephesos 30, 32, 50, 64, 81, 85, 157–161, 171, 207, 257, 257, 259, 261–264, 271, 310 f. Epidamnos 122 f., 182, 187, 207, 227, 305, 131 Eranna 145, 207, 309, 331 Eretria 33, 118–122, 207, 305 Euromos 207 Gela 94, 101 Gonni 89, 92, 117, 127, 207, 299 Herakleia am Latmos 113, 245 Herakleia in Aitolien 207 Hiera Nesos 242 Hierapytna 96, 143 f., 203, 207, 278 f., 300, 312 Homolion 179–181, 186, 228, 231, 301 Hyrtakina 145, 207, 310, 313 Ionien, Ionische Dodekapolis 89, 94, 118, 122–124, 126, 207, 227, 230, 239, 301, 306, 312 Istron 96, 142, 221, 278, 30, 309, 312 Ithaka 122 f., 207, 304, 313 Kalchedon 90 f., 94, 110–112, 138, 146, 173, 192, 195, 200, 202, 282 f., 300, 302, 312 Kalydon 207, 312 Kamarina 94, 179–181, 186, 228, 231, 300 Kardia 39 f. Kassandreia 89–92, 99, 184, 207, 221, 226, 239, 281, 299 Kephallenia 124 Kilikien 251 f., 267 Kios 94, 207, 282, 299

Orte, Landschaften und Bünde Klaros 129, 153 f., 212, 238 Klazomenai 124, 126, 174, 207, 227, 230, 239, 306 Kleinasien 12–14, 39, 75, 84–86, 95, 97 f., 101, 104 f., 112, 115, 117, 124, 126 f., 133, 135, 137–142, 146, 153 f., 156 f., 163, 165, 168, 172, 199 f., 207–209, 220, 222 f., 227 f., 233, 239, 243, 246, 249, 252–254, 257, 264, 266, 273, 282–287, 306, 312 Knidos 95, 116, 127, 165, 207, 288, 306 Knossos 142 f., 155, 186 f., 207, 209, 308, 313 Koinon der Chrysaorier 146 f. Kolophon 120, 129, 153–155, 200, 207, 212, 238, 246, 310 Korinth 38 f., 50, 116, 124 f., 207, 304 Korkyra 48, 50, 52, 93 f., 116, 122 f., 161 f., 173, 281, 299, 305, 313 Koroneia 82 f., 109, 149 f., 174, 202, 214, 244 Kos 80, 85–104, 106, 120, 127, 131, 133 f., 140, 150, 154, 157, 160, 173 f., 178–186, 192, 195 f., 203 f., 215, 220–228, 231–234, 239, 241–243, 246, 277–293, 299–302, 306, 309, 312 Krane 124, 207 Kreta, Kretisches Koinon 29, 80, 96 f., 104, 113, 135–146, 148, 152–156, 164, 178, 181, 187, 201, 203 f., 207–211, 216, 218–221, 225, 228, 278 f., 307, 311, 313 f. Kydonia 142 f., 308 Kykladen 95, 118, 126, 128, 130, 257, 287 f., 306 Kyrene 56 f., 60–62, 100 Kyzikos 161–163, 221, 226, 294 f., 310 Labraunda 314 Lagina 167 f., 254 f. Laodikeia am Lykos 207, 307 Lappa 142, 144, 152, 155, 181, 207, 302, 309 Larissa 128, 207, 312 Lato 142 f., 207, 210 f., 221, 226, 309, 313 Lato bei Kamara 142, 221 Leukas 93 f., 96, 100, 102, 207, 281 Lusi 108–110, 207, 244 Magnesia am Mäander 13, 109 f., 113–131, 133 f., 138, 140, 150 f., 154, 157, 162, 165, 173 f., 178 f., 181 f., 184–196, 199 f., 202, 204, 208, 121, 214 f., 217–224, 227, 229 f., 235–238, 241, 243, 245, 252–256, 264, 268, 302–308, 312 f. Magnesia am Sipylos 76, 78, 84–87 Makedonien 55, 89, 92, 100, 102, 112, 142 f., 151, 153, 161, 163, 185, 207–209, 221, 226 f., 234, 239, 294

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Malla 145, 207, 310, 313 Mantineia 48, 54 f., 244 Medion 162, 207, 310 Megalopolis 124 f., 187, 304 Megara 89, 93, 207, 298 Messene 89, 91 f., 96, 124 f., 184, 207, 298, 305 Milet 78, 85, 103, 110, 113, 115, 124, 126 f., 131–135, 138, 154, 157, 165–167, 188–194, 200, 204, 208, 216, 227, 238, 245, 258, 260 f., 289–293, 302, 306, 312 Minoa 95, 207, 287, 300 Mopsuestia 251–256 Mylasa 84, 155 f., 178, 181, 211, 311, 314 Mytilene 207, 306 Myus 113, 245 Naxos 207 Neapolis 93 f., 299 Nesiotenbund 153 Nysa 250 f., 311 Oaxos 142 f., 152, 207, 221, 308 Oinidai 207 Olymos 167 Orikon 207 Oropos 168, 252–257, 260 Palairos 207 Palästina 13, 146 Pale 124, 207 Paros 29, 61, 126, 207, 306 Pella 89–92, 99, 184, 207, 234, 239, 299 Pergamon 81, 110, 146, 156–162, 165, 190 f., 194, 204, 214, 222, 232, 241, 243, 258–260, 264, 310 f., 314 Phaistion 96, 152, 279, 300, 312 Philippi 89, 91–93, 99, 173, 207, 215, 221, 226, 239, 281, 299 Phokaia 110, 195, 207, 302 Phokis, Phokischer Bund 118 f., 148–153, 219, 302 f., 312 f. Phokris 207 Phönikien 267 Phytaion 207 Plataiai 69, 72, 271 Polyrrhenia 142 f., 203, 308 Pronnoi 124 Ptolemais in Karien 207 Regnum Bosporanum 101–103, 223, 232, 247 Rhaukos 142, 144, 203, 308 Rhodos 95, 112, 116 f., 127, 142 f., 151, 153, 161–163, 209, 246, 257, 288, 306, 309 f. Rom, Römer 13, 16, 22 f., 28–32, 38, 44, 68, 70, 72, 74, 76, 81, 112 f., 129–131, 138, 144–146, 153 f., 157, 160, 163, 167–171,

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Indizes

178, 181, 201, 207, 211–214, 223, 226, 228, 236 f., 241–244, 248–269, 272, 275, 276, 296 f., 309–311 Same 122 f., 181, 227, 304, 313 Samothrake 88 Sardeis 111, 259 f., 262, 264 Schwarzmeerraum 104, 174, 243 Seleukeia am Hedyphon 207 Seleukeia am Roten Meer 207 Seleukeia am Tigris 207 Seleukeia bei Susa 207 Seleukeia, s. Mopsuestia Sikyon 116, 124, 207, 304 Sizilien 87, 94, 97, 174, 207, 243 Smyrna 76, 78, 84–83, 132, 162, 166 f., 174, 192, 207, 220, 225, 231, 242, 246, 298, 312 Sparta 48–50, 70–72, 80, 89 f., 198 203, 207, 244, 298 Stratonikeia 30, 78 110, 146, 157, 165–168, 252–256 Stratos 207 Sybrita 142 f., 207, 221, 308

Syrakus 128, 160, 307, 311 Syrien 13, 104, 129, 146, 174, 267 Tegea 50, 207 Telphusa 93, 298 Tenedos 110, 302 Tenos 78, 110, 146, 148–153, 162, 203, 207, 218 f., 246, 257 f., 302, 312 Teos 29, 77, 86, 118, 120, 127, 129, 136–145, 153 f., 162, 166 f., 181, 201–204, 207, 210–214, 220, 223, 227, 233, 236, 242 f., 246, 306, 308–310, 313 Theben 70, 106 f., 215, 306 Theben in der Phthiotis 89, 93, 207, 298 Thermopylen 105, 312 Thermos 116, 312, 314 Thessalien, Thessalischer Bund 38, 88 f., 279–281, 301, 312 Thronion 207 Thyrreion 84, 207 Tralleis 52 f., 71, 116, 128, 131, 236, 308 Trichoneion 207 Tylissos 152 Xanthos 170, 220

SACHEN UND BEGRIFFE ἄγειν 34–37, 46, 107, 109, 141, 143 f., 152, 156, 160, 181, 203, 211, 217 f. Agon 41, 70–72, 75, 78, 88, 90, 92 f., 104 f., 107, 113–125, 127–130 f., 133, 147, 154 f., 157 f., 160, 165 f., 168, 172, 175, 180, 188–196, 200, 214, 235, 240, 242 f., 247, 254, 256, 280–283, 285–291, 293 Asebie 54 Asklepieia 88, 90, 93, 95, 97–99, 103, 174, 190, 279f, 283 f., 286 f. Asphalie 23, 41, 105–109, 120, 122, 133, 141, 143, 210 asylum 13, 16, 22 f., 28–32, 68, 74–76, 81, 259–211, 264, 267–269, 272, 276 Atelie 38–41, 101, 121–123, 145, 250 f. Autonomie 103, 131, 163, 185 f., 227 αὐτορέκτας 61 αὐτοφόνος 58, 60 f. Bankett 79, 92, 94–97, 119, 123, 127, 145 f., 156, 160, 163, 282 f., 287 f. bekränzt, s. Kranz Bundesgenossenkrieg 108 Dämonenhypothese 56 f., 61 Demokratie 41 f., 131, 185 f. δόξα, s. Ruhm

εὔνοια 166, 175, 177, 180 f., 183–185, 203, 205, 212–214, 229–237, 241, 244, 246–248, 263, 274, 290 f., 296 doppelte Orakelbefragung 193 f., 238 δραπέται 63 Ehre 14, 39–41, 73, 78, 86, 115, 131, 138 f., 141, 146 f., 156, 163 f., 167 f., 182, 190, 195, 197–199, 220, 242, 255, 267, 271, 293, 296 f. Ehre der Götter 14, 75, 77, 84, 88, 158, 190–193, 195–197, 205, 212 f., 235, 238–240, 246 f., 283 f., 275, 289–291 Eid 55 f., 253 ἐλάστερος 61 ἐλευθερία, s. Freiheit Eleuthéria 72 Epiphanie 78, 113 f., 154, 167, 189, 193, 199 f., 237, 239–240, 254 f. Euergetes, Euergesie 38–41, 122, 124, 187, 189, 192, 219, 227, 232, 236, 242, 247, 255, 274 Eusebie 167, 184 f., 191, 197, 212 f., 234–238, 247, 274 f. Festspiele, s. Agon Festverkünder, s. Anhang

Sachen und Begriffe Freiheit 14, 17, 46, 65, 131, 170, 268, 297 Fremdenrecht 11, 24, 35, 37–40, 43–47, 57, 77, 96, 122 Freundschaft 29, 96, 101, 132, 152, 158, 169, 175–185, 203 f., 221, 225, 228–236, 244, 246, 251, 274, 292, 296 f. Frieden von Apameia 113, 157, 245, 264 Friedenszustand 11, 35–40, 48, 54–56, 64, 71 f., 80, 113, 120, 157, 187, 148, 245, 274–276 Gesandtschaften, s. Anhang Heiliger Krieg, dritter 149–151 Hierosylie 30, 34, 44 f., 48, 55, 69 f., 90, 108, 211 Hikesie 11 f., 15–18, 22–26, 31 f., 42–68, 73–76, 171, 250 f., 267 f., 270–272, 275 f. Hikesieritual 43–46 Hiketeumata 45, 52, 67 isolympisch 94, 160 isonemeisch 124 Isopolitie 36, 41, 84, 87, 96, 149–152, 179 f., 216 f., 220, 231, 244, 275 isopythisch 70, 119–123, 125, 190, 240 Isthmien 125, 212 Isthmische Techniten 107 καθιέρωσις 71, 127, 133, 141, 147, 170, 188 f., 196 f., 200 f., 273, 290 f. Konkurrenz 20, 41, 113, 115, 125, 127, 131, 134 f., 143, 154, 198–200, 209, 223, 238 f., 245 Kranz, Kranzspiele 78, 90, 92, 113–115, 119–133, 146 f., 156 f., 160, 165, 168, 172, 174, 189–191, 206, 240, 243, 254, 256, 289–292 Kretischer Krieg 137, 140, 142–145, 153, 164, 187, 209 f. Leges Sacrae 56, 59, 61 f. Leukophryeneia 113–130, 135 Lyttischer Krieg 137, 209 Makedonischer Krieg, zweiter 112, 151 Miasma 24, 47, 49, 56, 64 Mittelmächte 133, 246, 273 Nemeen 125 Nemeische Techniten 107 Netzwerk 41, 82, 104, 112, 117, 130 f., 133, 135 f. 140, 144, 146, 152f, 160, 170–172, 177, 205, 216, 231 f., 244, 246f, 260, 273–276 Nikephorien 157 f., 311 οἰκειότης 149 f., 169, 175–182, 229 f., 237, 296 Olympien 71, 94, 125, 160 olympisch 114

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Opfer 44, 60–62, 68, 72, 92, 94–97, 99, 104, 107, 119 f., 122 f., 125, 127, 132, 134, 160, 180, 189 f., 196, 205 f., 235, 247, 278–292, 298 Orakel, Orakelspruch 47, 49, 50–52, 55, 59 f., 69, 106, 111 f., 114–117, 119–122, 133 f., 147, 153–155, 161 f., 188–195, 200, 214 f., 237 f., 289–291 Panathenaia 147 panhellenische Heiligtümer 69–72, 169, 214, 247, 271, 273 panhellenisches Fest 94, 114 f. paritätischer Duktus 81, 99, 162, 172, 206, 211, 213, 248, 274 f. persönliche Asylie 12, 22–24, 38–41, 50, 73, 75 f., 81, 101, 106 f., 109 f., 119 f., 122, 131, 133, 141, 211, 216, 270–273 Piraten 14 f., 34–37, 92, 108 f., 132 f., 136–140, 143 f., 201, 203, 209–211, 216–218, 244, 270 πίστις 222 Proxenos, Proxenie 40 f., 101, 120, 122, 124, 141, 160 f., 163 Prozession 88, 158, 188–190, 235, 247, 278 f., 282–291 Ptolemaia 83, 147, 242 Pythien 82–86, 94, 125 Rat 29, 39 f., 69 f., 96, 112, 119 f., 169, 212 f., 278, 282–294, 296 f., 313 Reinigungsritual 56–62, 76 Rivalität, s. Konkurrenz Ruhm, s. Ehre ῥυσιάζειν 34, 46, 215 sakraler Raum 22, 42–67, 68–72, 90 f., 106, 108, 112, 148, 166, 169–173, 200, 214 f., 222, 235, 245 f., 253, 259, 262, 264, 271–274 Sakralfrevel, s. Hierosylie Schutzflehende, s. Hikesie senatus consultum 30, 168, 214, 253 f., 259–263, 267 Sklaven 30, 36, 39, 43, 47, 62–66, 74, 268, 271 Sklavenhikesie 62–66 Söldner 62, 93, 137–140 Spiele, s. Agon Stasis 48, 50, 52 f., 55 σπουδή 169, 188–191, 197, 199, 212 f., 290 f., 296 f. συλᾶν, συλή, σῦλον 17, 24, 27 f., 32–40, 42, 70, 73 f., 76 f., 80, 105, 109, 122, 135–137, 140, 144, 209–211, 217, 270–273

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Indizes

Sympolitie 76, 78, 216 Synoikismos 55, 88 Syrischer Krieg, dritter 85 f., 100 Theorodoke, Theorodokie 39 f., 79, 88, 92, 122 f., 165 Verwandtschaft 149 f., 163 f., 175–187, 203 f., 228–236, 244, 246, 274, 295

τιμή, s. Ehre Volksversammlung 43, 79, 88, 91, 94, 98, 112, 119, 139, 143, 153, 160, 162, 172, 175, 184 f., 206, 244 φέρειν 34, 36 φύξιμον 31 f., 68, 74, 111, 272 Xenodoxie, s. Fremdenrecht

Die politische Landkarte der hellenistischen Welt veränderte sich im dritten Jahrhundert v. Chr. wiederholt und tiefgreifend. Gerade die Poleis der Ägäis und Kleinasiens waren von vielfachen Krisen und Umwälzungen betroffen, die die üblichen Mechanismen der Absicherung, wie etwa die Angliederung an eine stabile Schutzmacht, beeinträchtigten. Katharina Knäpper untersucht eine der Möglichkeiten, diesen politischen Diskontinuitäten zu begegnen: die territoriale Asylie. Diese ist vorwiegend aus epigraphisch überlieferten Proklamationen des dritten bis ersten Jahrhunderts v. Chr. mit geographischem Fokus auf Kleinasien und

der Ägäis bekannt und lässt sich als ein auf Grund der desolaten politischen Situation etabliertes, anpassungsfähiges Instrument des zwischenstaatlichen Verkehrs beschreiben. Knäpper nimmt sowohl das Prozedere der Asylie als auch die Argumentation der beteiligten Akteure in den Blick und analysiert, wie und zu welchem Zweck territoriale Asylie auf dem Wege zahlreicher bilateraler Verhandlungen installiert wurde. Darüber hinaus kontextualisiert sie die jeweiligen Asyliegesuche wie Anerkennungen und ordnet das Phänomen in den Kanon sakral wie säkular legitimierter Strategien der Konfliktbewältigung ein.

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isbn 978-3-515-11992-4

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