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German Pages 1008 Year 2020
Philosophische Bibliothek
Pirmin Stekeler Hegels Wissenschaft der Logik Ein dialogischer Kommentar Band 2: Die objektive Logik Die Lehre vom Wesen
Meiner
PIRMIN STEKELER
Hegels Wissenschaft der Logik Ein dialogischer Kommentar
Band 2 Die objektive Logik. Die Lehre vom Wesen
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 691
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar.
ISBN 978-3-7873-2976-2 ISBN eBook 978-3-7873-2979-3 © Felix Meiner Verlag Hamburg 2020. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§ 53 und 54 UrhG ausdrücklich gestatten. Satz: Tanovski Publ. Serv., Leipzig. Druck: Druckhaus Nomos, Sinzheim. Bindung: Josef Spinner, Ottersweier. Werkdruckpapier: alterungsbeständig nach ANSINorm resp. DIN-ISO 9706, hergestellt aus 100% chlorfrei gebleichtem Zellsto=. Printed in Germany. www.meiner.de
Inhalt
I
Einleitung: Wesenslogik als Reflexion über Wirklichkeit
9
I.1 Fragen nach dem Wesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
I.2 Was ist absoluter Idealismus? . . . . . . . . . . . . . . . .
24
I.3 Wahrheit und Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
I.4 Das Übersinnliche wirkender Kräfte . . . . . . . . . . . . .
51
I.5 Verstandeswelt der Gesetzmäßigkeiten . . . . . . . . . . .
54
I.6 Kontraste mit begri=lichen Normalfallinferenzen . . . . . .
61
I.7 Sinnäquivalenzen und Identitäten als Negation der Negation
62
I.8 Das Objektive im Sein und Wesen, das Subjektive im Begri=
64
I.9 Begri=liche Harmonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
67
I.10 Bemerkungen zur Idealität des Formalen . . . . . . . . . .
74
Zweytes Buch. Die Lehre vom Wesen
79
Zweytes Buch. Das Wesen
87
Erster Abschnitt. Das Wesen als Reflexion in ihm selbst
106
Erstes Kapitel. Der Schein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 A. Das Wesentliche und das Unwesentliche . . . . . . . . . 111 B. Der Schein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 C. Die Reflexion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 1. Die setzende Reflexion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 2. Die äußere Reflexion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Anmerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 3. Bestimmende Reflexion . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Zweytes Kapitel. Die Wesenheiten oder die ReflexionsBestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Anmerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 A. Die Identität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Anmerkung 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196
6
Inhalt Anmerkung 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 B. Der Unterschied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 1. Der absolute Unterschied . . . . . . . . . . . . . . . . 212 2. Die Verschiedenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Anmerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 3. Der Gegensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 Anmerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 C. Der Widerspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Anmerkung 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Anmerkung 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 Anmerkung 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 Drittes Kapitel. Der Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 Anmerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 A. Der absolute Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 a. Form und Wesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 b. Form und Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 c. Form und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 B. Der bestimmte Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 a. Der formelle Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 Anmerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 b. Der reale Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 Anmerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 c. Der vollständige Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 C. Die Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 a. Das relativ Unbedingte . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 b. Das absolute Unbedingte . . . . . . . . . . . . . . . . 483 c. Hervorgang der Sache in die Existenz . . . . . . . . . 502
Zweiter Abschnitt. Die Erscheinung
524
Erstes Kapitel. Die Existenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 A. Das Ding und seine Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . 549 a. Ding an sich und Existenz . . . . . . . . . . . . . . . . 552 b. Die Eigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 Anmerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573
Inhalt
7
c. Die Wechselwirkung der Dinge. . . . . . . . . . . . . . 582 B. Das Bestehen des Dings aus Materien . . . . . . . . . . . 589 C. Die Auflösung des Dinges . . . . . . . . . . . . . . . . . 598 Anmerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604 Zweites Kapitel. Die Erscheinung . . . . . . . . . . . . . . . . . 621 A. Das Gesetz der Erscheinung . . . . . . . . . . . . . . . . 638 B. Die erscheinende und die an-sich-seyende Welt . . . . . . 669 C. Auflösung der Erscheinung . . . . . . . . . . . . . . . . . 691 Drittes Kapitel. Das wesentliche Verhältniß . . . . . . . . . . . 702 A. Das Verhältniß des Ganzen und der Theile . . . . . . . . 712 Anmerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 729 B. Das Verhältniß der Kraft und ihrer Aeußerung . . . . . . 733 a. Das Bedingtseyn der Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . 738 b. Die Sollicitation der Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . 743 c. Die Unendlichkeit der Kraft . . . . . . . . . . . . . . . 748 C. Verhältniß des Aeußern und Innern . . . . . . . . . . . . 749 Anmerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 761 Dritter Abschnitt. Die Wirklichkeit
774
Erstes Kapitel. Das Absolute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 777 A. Die Auslegung des Absoluten . . . . . . . . . . . . . . . . 781 B. Das absolute Attribut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 792 C. Der Modus des Absoluten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 797 Anmerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 801 Zweytes Kapitel. Die Wirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 818 A. Zufälligkeit oder formelle Wirklichkeit, Möglichkeit und Nothwendigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 827 B. Relative Nothwendigkeit oder reale Wirklichkeit, Möglichkeit und Nothwendigkeit . . . . . . . . . . . . . . 843 C. Absolute Nothwendigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 864 Drittes Kapitel. Das absolute Verhältniß . . . . . . . . . . . . . 880 A. Das Verhältniß der Substantialität . . . . . . . . . . . . . 884 B. Das CausalitätsVerhältniss . . . . . . . . . . . . . . . . . 894 a. Die formelle Causalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 896
8
Inhalt b. Das bestimmte Causalitätsverhältniß . . . . . . . . . . 908 c. Wirkung und Gegenwirkung . . . . . . . . . . . . . . 944 C. Die Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 962
Literatur
985
Personenregister
991
Sachregister
995
I. Einleitung: Wesenslogik als Reflexion über Wirklichkeit I.1 Fragen nach dem Wesen Philosophie ist zunächst als Idee gemeinsamer wissenschaftlicher Forschung konzipiert.1 Sie beginnt, wie schon Platon und Aristoteles sagen, mit dem Staunen und dem selbständigen Fragen. Das gilt inzwischen als rhetorischer Gemeinplatz. Allerdings wird dann selten genug zwischen ganz verschiedenen Typen des Fragens unterschieden. Der wissenschaftliche Typ behandelt Themen, wie sie Heraklit in seinem provokativen Satz anspricht: »Die Sonne ist so breit wie ein Menschenfuß«.2 Da sie weit im Osten aufgeht, müsste sie, wie ein Turm, riesig sein, um sie in Ephesus noch so groß zu sehen. Besonderer Hintergrund für Heraklits ironisch verdeckte ›Beobachtung‹ ist wohl schon die fundamentale Einsicht thaletischer Geometrie3 in zentralprojektive Formgleichheiten und Proportionen. Die Unterschiede im Aussehen einer Sache aus verschiedenen Perspektiven führen zusammen mit dem Wissen darum, wie sie einander zuzuordnen sind, was also im Blick auf die Sache für sich gleich gültig ist, schon Heraklit zur logisch zentralen Unterscheidung zwischen Erscheinungen je von hier und jetzt her und dem wahren Wesen der Einer der ältesten Belege für das von Anfang an tiefe Verständnis von »philosophos« im Kontrast zu einem »Historiker« mit bloßem Wissen von empirischen Fakten wie Hekataios oder einem ›polymath‹ wie Pythagoras (Frgm. 40, 41) ist Heraklits Frgm. 35. »Chr¯e eu mala poll¯on historias philosophous andras einai«: »Wissenschaftler, d. h. Leute, die nach Wissen streben, müssen durchaus schon viele Kenntnisse haben.« 2 Heraklits Frgm. 3 besagt, dass man die Sonne durch die Breite (nicht, wie McKirahan falsch interpoliert, die Länge) des Fußes bei (halb) ausgestreckten Bein überdecken kann, aber natürlich auch durch den Daumen, wenn man ihn nahe genug vor das Auge bringt. Kirk, Raven und Schofield halten diese wichtige Gnome zur Perspektive erstaunlicherweise nicht für erwähnenswert. Siehe auch Frgm. 6 und Diogenes Laertius IX, 9–10. 3 Heraklit, Frgm. 38: »Thales war der erste Astronom«. 1
10
Einleitung: Wesenslogik als Reflexion über Wirklichkeit
Sache. Dass ich die Sonne mit dem Daumen oder dem Fuß verdecken kann, betri=t die Erscheinung. Ihre wahre Größe betri=t ihr Wesen, das Ding, das die Sonne für sich ist. Dass sich die wahre Natur einer Sache hinter ihren Erscheinungen zu verbergen beliebt, wie Heraklit sagt, bedeutet nicht nur, dass wir nach der Wahrheit sozusagen graben müssen. Viel häufiger müssen wir einfach nachdenken. Wir müssen dazu das O=enbare in seinem Gesamtzusammenhang ernst nehmen und gegen bloß angelernte Schemata eines Hörensagens, eines mythos, stellen, aber auch gegen die bloße Intuition unmittelbarer Anschauung, der doxa des ›Es scheint mir so von hier und jetzt her‹.4 Das Wort »logos« bedeutet zwar unter anderem das Gleiche wie »mythos«, nämlich »Rede«, steht dann aber gerade im Kontrast zu einem bloß üblichen Reden und verweist auf eine allgemeine Form oder Struktur, welche sich dadurch ergibt, dass man verschiedene Gestalten als form- oder strukturgleich bewertet. Die gleichen Worte einer ana-logia verbinden verschiedene Präsentationen von Gestalten in realer Anschauung oder dann auch deren symbolische Repräsentationen etwa in verschiedenen Sprachen oder Notationen mit ein und derselben Form. Die Form selbst wird aber immer auch ausgedrückt durch einen generisch bzw. eidetisch zu lesenden logos. Der Weg vom Mythos zum Logos (Nestle) führt demgemäß von Helden- und Götter-Sagen, deren Darstellungsform eine anthropomorphe Narration ist, zu einem Strukturwissen, dessen klarstes Modell das geometrische Wissen über im Prinzip beliebig genau herstellbare planimetrische Formen ist. Während das griechische Wort »idea« für eine reale Gestalt steht, gebraucht Platon das Wort »eidos« für eine Form bzw. Struktur, ausgedrückt durch einen logos. Das lateinische Wort »structura« nennt dabei zunächst ein zusammengeflochtenes Gewebe. Das Wort »logos« steht für eine entsprechende Zusammenlegung von Wörtern. Über das Lateinische wird aus der idea leider eine »Vorstellung«. Man unterscheidet nicht mehr terminologisch zwischen der Präsentation einer Figur (sch¯ema) an einer empirischen Sache hier und jetzt und Heraklit, Frgm. 123: »physis kryptesthai philei«: »Die wahre Natur pflegt sich zu verstecken«. 4
Fragen nach dem Wesen
11
der tätigen Repräsentation eines prototypischen Modells (paradeigma) oder einer Bildskizze (eidolon). Stattdessen fasst man Ideen ganz naiv als vermeintlich unmittelbar gegebene Inhalte mentaler Zustände auf. Dadurch wird die Vermittlung durch das leise Vorstellen von ö=entlich zugänglichen sprachlichen oder diagrammatischen Formen etwa im verbal planning und erst recht der abstraktive Weg von äußeren Formen zu Inhalten über eine Bewertung inhaltlicher Äquivalenz einfach übersehen. Hegels Wissenschaft der Logik ist zusammen mit der Phänomenologie des Geistes der erste Text der Philosophiegeschichte, der die abstraktionslogische Konstitution von Formen und Inhalten auf der Grundlage der Bewertung von form- und inhaltsgleichen Präsentationen und Repräsentationen rekonstruiert. Hegel erkennt damit, dass das Innere in unseren metaphorischen Reflektionen auf mentale und geistige Sachen, Prozesse und Kompetenzen in Wahrheit abstrakter Inhalt ist. Dieser ultrakurze Ausflug in die Wort- und Begri=sgeschichte von eidos als Form und Begri=, logos als Ausdruck einer Struktur und dem (geistigen) Inneren als dem wesentlichen Inhalt (content) von inhaltsäquivalenten Formen zeigt schon, warum Hegels Programm, der Philosophie Deutsch zu lehren, so wichtig ist. Autoren, die sich wie Will Durant darüber lustig machen, haben sich allein schon damit als Philosophen disqualifiziert.5 Hegels Texte sind allerdings deswegen so schwer zu verstehen, weil lokal nicht immer klar gesagt wird, was jeweils thematisch im Fokus steht, welches Vorwissen vorausgesetzt ist und welcher Autor oder welches Lehrstück gerade kritisch diskutiert oder dekonstruiert wird. Ganz allgemein geht es freilich in der Logik um den Begri= der Wahrheit. Konkret aber liefert sie eine Rekonstruktion der langen Debatte der Philosophie im Lauf ihrer Geschichte um Sein, Erscheinung, Wesen und Begri=. Zur Einführung in die Themen und Hintergründe der Wesenslogik brauchen wir daher etwas Geduld. Es gilt hier, wie sonst überall: Res 5
Will Durant, The Story of Philosophy New York: Simon & Schuster, 321.
2 1933,
12
Einleitung: Wesenslogik als Reflexion über Wirklichkeit
severa verum gaudium. Wahrhaft interessant wird etwas nur, wenn man sich ernsthaft mit den Schwierigkeiten beschäftigt. Wer lesen kann, wird am Ende sehen, dass gegenüber aller Belletristik bloßer Unterhaltung die großen Texte der Wissenschaft und Philosophie, dann aber auch der Religion und Kunst, die weitaus spannenderen sind. Um dabei die nachhaltige Bedeutsamkeit der vordergründig langatmigen und oft auch obskuren Textpassagen hervorzuheben, werden nun immer auch Entwicklungslinien bis in die Gegenwart gezogen. Nur so kann man vorschnelle, nur erst intuitive, also wertlose, historische Platzierungen überwinden, wie sie sich besonders in allerlei best selling stories über die Philosophie bei Autoren wie Will Durant, Bertrand Russell oder Karl Popper zeigen. Dazu ist es jeweils nötig, das gerade verhandelte allgemeine Thema in neuem sprachlichen Zugri= so zu skizzieren, dass man über die Zuordnungen der verschiedenen Zugänge zu dem im Wesentlichen gleichen Inhalt von Hegels zum Teil idiosynkratischer, zum Teil auch einfach inzwischen leicht veralteter Sprechweise unabhängig wird. Hegel selbst gehört mit Kant zu den Wenigen, die den schweren Kampf um gute Artikulationen von eigentlich selbstverständlichen Wahrheiten über den komplexen Begri= der Wahrheit und der mit ihm eng verbunden weiteren logischen Reflexionsbegri=e ernst genommen haben. Es sind dies natürlich neben dem Sein und der Existenz die Wirklichkeit und der Grund, die Ursache und die kausale Bedingung, die hier, und das darf nie vergessen werden, als Begri=e thematisch werden. Diese Warnung ist wesentlich, zumal angesichts der verbreiteten Unkenntnis über die systematische Bedeutung und die Mehrdeutigkeiten der Rede von einem Wesen. Man meint zumeist, es gehe dabei um einen als gegeben und schon bestimmt unterstellten Gegenstand, den manche sogar als ›metaphysisch‹ ansehen. Dass das nicht der Fall ist, versteht wohl nur, wer sich mit der Semantik nominalisierter Verben wie »das Sein« und dann eben auch »das Wesen« befasst und dann auch mit der generischen Grammatik von nominalisierten Adjektiven wie im Wort »Wirklichkeit«. Schon dann, wenn wir, was durchaus häufig geschieht, von dem Menschen sprechen, sprechen wir von einem Artbegri= und über eine Wesensart. In Aussagen über das Wesen oder die Wirklichkeit reflektieren wir,
Fragen nach dem Wesen
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nicht etwa nur Hegel, über das rechte Verständnis von Aussagen der Form »Das ist wirklich so« bzw. »Das ist im Wesentlichen so«. Die üblichen Missverständnisse dazu, was Philosophie und Metaphysik waren und sind, stammen im Grunde generell daher, dass die meisten Leute, welche ihre Sprache nur im Hausgebrauch voll beherrschen, die Ausdrucksformen der uralten Praxis der Reflexion auf Wahrheit und Welt, Wirklichkeit und Schein schlicht nicht begreifen. Einfachdeutsch kennt diese Formen so wenig wie ein bloß narratives Englisch. Besonders interessant ist dabei, dass alle Urformen holistischer und idealer, kurz: spekulativer Reflexionen von der Fiktion einer uns Menschen aufgrund unserer Endlichkeit scheinbar unzugänglichen göttlichen Perspektive Gebrauch machen. Man sagt dann allerlei über das Göttliche oder den Gott bzw. die Wahrheit oder die Wirklichkeit und ihre Existenz, häufig ohne zu sehen, dass wir alle diese Redeformen zum besonderen Zweck der Explikation perspektivischer Endlichkeiten und daher gerade im Interesse der Ausweitung unseres Wissens über die Allgemeinheit oder Unendlichkeit generisch-begri=lichen Wissens und die Endlichkeit empirischen Wissens in Bezug auf Einzeldinge hier und jetzt entwickelt haben. Im Ansatz allerdings erkennt schon die Philosophie der Antike die Analogie der Konstitution idealer Formen und Formaussagen der Geometrie mit idealen Formen des Verstehens und Wissens, also mit Bedeutungen, Begri=en oder Inhalten. Als ideale Formen gibt es schon ideale Kreise nicht in der empirischen Welt. Empiristen wie Protagoras oder Hume betonen das in einer etwas treuherzigen Kritik, als hätten Parmenides oder Platon nicht gerade das schon durch ihre Unterscheidung zwischen situationsinvariantem Formenwissen, epist¯em¯e, und einer möglichen empirischen Erscheinung, doxa, artikuliert. Dabei geht es um die rechte funktionale Anwendung der epist¯em¯e auf die doxa, wie der leider weitgehend verlorene zweite Teil des Lehrgedichts des Parmenides sogar noch in seinen wenigen Bruchstücken klarmacht. Es ist dann aber erst eine neuzeitliche Einsicht, dass und wie die ›Transzendenz‹ reiner (also idealer) Gegenstände und Wahrheiten ›an sich‹ von uns im redenden Denken hervorgebracht ist. Hegel erkennt z. B. die konstruktive Verfassung reeller Größen und Zahlen, wie das
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Einleitung: Wesenslogik als Reflexion über Wirklichkeit
in der Seinslogik schon vorgeführt wurde. Gottlob Frege arbeitet die syntaxbasierte Konstitutionsform der reinen natürlichen Zahlen und der durch Aussageformen ausgesonderten abstrakten Mengen (als ›Wertverläufe‹ oder ›Extensionen‹) heraus, scha=t dazu allerdings nur einen ersten Ansatz.6 Im Bereich der Logik treten dann aber nicht nur Fragen nach Wort und Begri=, Satz und Aussage, Gegenstand und Wahrheit auf, sondern auch nach dem Wesen der Zeit, des Raumes, der Dinge und Arten. Alle Dinge in der Welt sind zeitlich und schon daher endlich; alle gegenstandslogischen Weltbezugnahmen haben materialbegri=liche und daher ›unendliche‹ Voraussetzungen. Im guten Fall stützen wir uns, wenn wir Dinge in der Welt thematisieren, auf ein allgemeines Weltwissen. Hans-Georg Gadamer übertreibt mit leicht irreführendem Zungenschlag, wenn er dabei von »Vorurteilen« spricht. Im schlechten Fall wird unsere Weltbezugnahme aber in der Tat eingefärbt durch ein bloßes Weltbild, das als unbedachte und oft dogmatisch-doktrinär vermittelte Kollektivweltanschauung eine sogenannte Ideologie ist. Im Grunde bedeuten dabei die Wörter »Ideologie« und »Mythus« dasselbe, selbst wenn sich die französischen idéologues selbst als wissenschaftliche Aufklärer verstanden hatten. Napoléon, der das Wort polemisch prägte, tut sie als szientistische Mythologen ab und greift damit auf den sokratischen Unterschied zwischen einer angeblich wissenschaftlichen Weltanschauung von Sophisten und wahrer Wissenschaft zurück. Allerdings hat der Ausdruck »philosophes« häufig schon den gleichen negativen Beiklang. Sinnkritische Philosophie ist in Wahrheit immer auch Weltbild- und Ideologiekritik, die nie ohne die schwierige Unterscheidung zwischen Meinung (doxa, dogma) und Wissen (epist¯em¯e) begreifbar ist und sich eben diese Unterscheidung zum Thema macht. Zur Aufgabe gehört insbesondere die explizite Artikulation allgemeiner Grundtatsachen, welche den elementaren begri=lichen Unterscheidungen Vgl. dazu Vojt˘ech Kolman, Grundthemen Philosophie: Zahlen, Berlin: de Gruyter, 2016, und Pirmin Stekeler-Weithofer, Formen der Anschauung, Berlin: de Gruyter 2008. 6
Fragen nach dem Wesen
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zugrunde liegen, die ihrerseits in empirischen Aussagen relativ a priori vorausgesetzt werden. Die philosophische Frage nach einer Explikation impliziter Selbstverständlichkeiten z. B. im kategorialen Zeitbegri= enthält als Teilproblem die Anerkennung, dass das Sein zunächst In-der-Welt-Sein und als Dasein immer ein Werden ist. Heraklit und Hegel betonen das nicht anders als etwa schon Gautama (Buddha) oder Laotse und, im 20. Jahrhundert, dann wieder Martin Heidegger. Es geht dabei nicht nur um die zeitliche (und räumliche) Endlichkeit allen Lebens, sondern aller in der Welt vorhandenen Gegenstände.7 Eine andere Grundtatsache der Zeit ist, dass nichts ungeschehen gemacht werden kann, aber auch, dass die Zukunft modal o=en ist. Das führt, wie Heidegger klar sieht, gleich auch zur schwierigen Frage nach den Sinngrenzen der Frage von Gottfried Wilhelm Leibniz, warum es überhaupt etwas gibt und nicht vielmehr nichts. Nichts könnte nämlich falscher sein als die überhebliche Unterstellung der ›neuen Logik‹, wie sie Carnap bekanntlich gegen eine ›alte Logik‹ stellt, erst sie habe die logische Form des Ausdrucks »nichts« begri=en. Schon Parmenides und dann erst recht Hegel wissen, dass ein Satz der Form »Nichts hat die Eigenschaft E « die logische Form »Es gibt kein g aus einem implizit unterstellten Gegenstandsbereich G mit der Eigenschaft E « hat. Sogar Homer macht ja klar, dass ein Satz wie »Niemand hat mir mein Auge ausgestoßen« bedeutet, dass keine Person dies getan hat, und nicht etwa, dass eine Person mit Namen »Niemand« (outis, das ähnlich klingt wie ein verwaschenes »Odysseus«) es getan hat. Parmenides greift das in seinen (freilich schwer zu verstehenden) Metakommentaren zu semantisch wohlgeformten Benennungen auf. Diese setzen jeweils voraus, dass je ein im richtigen Bereich G existierender Gegenstand benannt ist. Es ist daher auch nur lächerlich, wenn Carnap Heideggers Satz »Das Nichts nichtet« nicht einfach als leicht ironischen Merksatz liest. Bei dem Ausdruck »das Nichts« handelt es sich nur um eine nominalisierte Thematisierung des negierten Existenzquantors. Heideggers Infrage steht damit implizit schon die aristotelische Annahme sich ›ewig‹ drehender Planeten. 7
16
Einleitung: Wesenslogik als Reflexion über Wirklichkeit
Satz sagt demnach, dass das Wort »nichts« sich auf einen jeweils vorausgesetzten und dabei immer begrenzten (bei Hegel auch: »endlichen«) Gegenstandsbereich G bezieht, nicht anders als das Wort »etwas«; im Fall von »nichts« aber wird verneint, dass es etwas in G gibt, das die betre=ende Eigenschaft hat. Die Unterstellung Freges, die Wörter »etwas« und »nichts« bezögen sich auf »alles, was es gibt«, oder, wie Quine später sagt, auf »alle« möglichen Werte der Variablen »etwas«, ist absolut nicht hilfreich. Einen solchen gesamtumfänglichen Bereich gibt es nämlich gar nicht, und zwar schon deswegen nicht, weil wir durch Einführung neuer basaler Eigennamen jeden Bereich G erweitern können. Bis heute ist das in der formalen Logik noch nicht ausreichend begri=en. Das Wort »nichts« ist also deswegen logisch so interessant, weil es immer in seiner Abhängigkeit von einer je begrenzten Gattung G von Gegenständen zu verstehen ist. Sagen wir etwa, es sei niemand im Zimmer, meinen wir, dass keine menschliche Person im Zimmer ist. Das ist auch dann wahr, wenn noch Katzen und Hunde im Zimmer sind. Sagen wir, es sei nichts im Zimmer, dann meinen wir, dass auch keine Möbel in ihm sind. Insekten und Staub, Luft usf. können dennoch in ihm sein. Der Ausdruck »gar nichts« sagt demnach gar nichts. Damit wird auch klar, dass jedes Entstehen von etwas, sagen wir, eines Lebewesens, eines Berges oder des Sonnensystems, von der logischen Form des Werdens aus nichts ist. D. h. aber nur, dass alles aus etwas anderem entsteht. Denn was immer vor dem Entstehen da gewesen sein sollte, z. B. ein Sperma und ein Ei, ein Meer oder ein Spiralnebel, es war noch kein Lebewesen, kein Berg, keine Sonne und keine Erde, also nichts in Bezug auf die relevante Existenzquantifikation. Das aber heißt, dass der wahrste logische Satz zum Werden lautet: »Alles entsteht aus nichts«, wenn man den Satz richtig zu lesen in der Lage ist. Der Satz gilt für jeden Anfang. Der größte Fehler der ›neuen Logik‹ besteht also im falschen Glauben, es könne einen umfassenden (Variablen-)Bereich aller (›wirklichen‹ und ›objektiven‹) Gegenstände geben, über welchen ›der‹ Existenzquantor des normalsprachlichen »Es gibt« ›eigentlich‹ läuft. Eine solche ›Ontologie‹ aller Sachen, die es gibt, gibt es nicht. Und es kann sie nicht geben. Das Problem ist nicht nur ein Problem der Logik.
Fragen nach dem Wesen
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Es ist ein Problem der Wissenschaft, gerade auch der Kosmologie, und damit unmittelbar auch jeder Gesamtweltanschauung. Die Menschen neigen bis heute dazu, an der Bedeutung derart grundlegender wissenschaftlicher und philosophischer Fragen achtlos vorbeizugehen oder sich mit Antworten zu begnügen, die den Frager nur subjektiv beruhigen, so also, wie sich Kinder durch Geschichten beruhigen lassen. Im Fall der Größe der Sonne hätte man sonst den Mythos von Helios und einem Sonnenwagen als völlig unzureichend ansehen müssen. Heraklit destruiert darüber hinaus schon alle Interventionen von Göttern etwa bei Homer, dem zufolge den Achill nicht etwa Paris Alexandros, der Bruder Hektors und Veranlasser des Krieges, sondern sein Beschützer Apollo getötet und den Telemachos nicht sein Lehrer Mentor, sondern Athene beraten haben soll. Heraklit deckt also auf, dass die Götter bei Homer als figurative Artikulation psychischer, manchmal auch natürlicher Kräfte (wie bei Poseidon) oder auch technischer Fähigkeiten (wie bei Athene) zu lesen sind, und das durchaus unabhängig von der bis heute noch nicht einmal ernsthaft genug gestellten Frage, wie bewusst Homer selbst in seiner Regie der Romane die Doppeldeutigkeiten darstellt.8 Die Vergöttlichung von Personen oder natürlichen Mächten erkennt aber Heraklit schon sicher und klar, wenn man seine paradoxen Merksätze lesen kann. Das setzt allerdings voraus, wie Heraklit selbst sagt, dass man sie nicht ›wörtlich‹, d. h. rein schematisch deutet, sondern dialektisch, d. h. als Schachzüge in einem Dialog mit dem Leser versteht. Das Problem wörtlicher Fehldeutungen zeigt sich auf besondere Weise in den nachträglichen dichterischen Überhöhungen realer Personen wie z. B. des Buddha, des Jesus von Nazareth oder, in der Konstruktion durch überschwängliche Anhänger schon klarer nachHeraklits Frgm. 56 besagt, dass es bei Homer so scheint, als würde er die falschen Erklärungen, nämlich die durch göttliche Interventionen, für wahr ausgeben und die wahren, etwa die psychologischen, für falsch, so wie die Buben, die seine Läuse fingen, sagten: »Die, welche wir gefunden haben, lassen wir da, die anderen nehmen wir mit.« Kirk, Raven und Schofield finden auch diese Gnome erstaunlicherweise nicht erwähnenswert. 8
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Einleitung: Wesenslogik als Reflexion über Wirklichkeit
prüfbar, für die Heiligengeschichten etwa um Benedikt von Nursia oder Franz von Assisi. Die Bedeutung dieser Personen ist unbestritten, zumal sie tiefe philosophische Fragen gestellt haben. Problematisch aber ist ihre maßlose Mythisierung, ihre Verwandlung in gottgleiche Wesen.9 Kindliche Gemüter gehen mit Helden- und Göttersagen ja heute noch so um wie viele Menschen früherer Zeiten mit Helios und Zeus, mit Herakles und Theseus, auch mit Moses und David. Dabei werden geschichtliche Entwicklungen als Taten von übergroßen Personen dargestellt, so wie man Einstein zu einem Pop-Idol gemacht hat durch Zuschreibung einer Gesamtleistung vieler Physiker und Mathematiker, von Maxwell über Lorentz, Minkowski und Hilbert u. a., oder, noch deutlicher und kindlicher, Marx, Lenin und Mao in Lesebüchern für die Schulen in ›kommunistischen‹ Ländern. Die Bedeutung von Personen heben wir freilich auch heute noch dadurch hervor, dass wir um sie einen mythischen Heiligenschein legen. Jugendliches Nachdenken gelangt daher in einem ersten Schritt In diese Kritiklinie gehört auch Frgm. 42, nach dem Homer, der weiseste der Griechen (Frgm. 56), nicht anders als Archilochos vom wissenschaftlichen Wettbewerb ausgeschlossen (›hinausgeprügelt‹) werden soll. Pythagoras, obwohl er sich am meisten um lehrbares Wissen bemüht habe, sei nicht anders als Xenophanes ein Guru, ein Anführer von Schwindlern (Frgm. 81 und 129). Das alles ist, wie auch die Kritik an Homers ›Astrologie‹ (Frgm. 105), o=enbar absichtlich überzogen, obwohl das bisher kaum jemand wahrgenommen hat. Es geht Heraklit wohl um das wichtigste Prinzip im philosophischen und wissenschaftlichen Diskurs: Nicht das Rechthabenwollen, sondern die Teilnahme am gemeinsamen Streit um kanonisierbares Wissen macht den wahren Philosophen bzw. Wissenschaftler aus. Heraklits eigene Kritik ist dabei ironischerweise zugleich besondere Anerkennung. Zustimmung zu den Lehren wäre viel zu viel verlangt – und auch überflüssig, da das Allgemeinwissen allen gehört (Frgm. 2, 112, 113, 114). Das Wahre ist nämlich am Ende das O=enkundige, die Plattitüde, auch wenn sich das Wesen der Erscheinungen gern versteckt, nicht einfach am Tag liegt. Im Blick auf das allgemeine Wissen, das die Einheit der Welt (Frgm. 50: »hen panta einai«, »dass alles eins ist«), d. h. den holistischen Zusammenhang von allem, in einer kohärent lehrbaren ›Theorie‹ darzustellen in der Lage ist, wäre es lächerlich, sich ein Copyright für Einzelteile vorzubehalten, eine Einsicht, die auch Sokrates in seine Kritik an jeder Bezahlwissenschaft übernimmt. 9
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auf dem Weg in die Selbständigkeit zu einer Kritik an derartigen Mythen. Es werden dabei alle Mythen zu Kindergeschichten erklärt. Und alle Metaphern werden für Irrlichter gehalten. Daher müssen wir in einem zweiten Schritt lernen, durch die tradierten Formen der Rede und Darstellung hindurch das wesentliche Wahre zu erkennen. Wenn z. B. Heraklit als obskurer Denker gilt, nicht anders als sein nach Sokrates größter Bewunderer Hegel, der nach eigenen Aussagen in seine Logik alle Sätze des Heraklit aufgenommen hat,10 dann schreit das geradezu nach Satire. Es ist nämlich ein Zeichen dafür, wie oberflächlich oder schematisch man üblicherweise denkt oder liest. Platon übertreibt übrigens nicht weniger drastisch als Heraklit, etwa in seinem Satz, dass die Dichter ›lügen‹. Seine sokratische Ironie greift die dialektische Vernunft des Heraklit sozusagen als Logik für Erwachsene auf. Dass und wie aus der Sicht des Verstandes ontologische Fragen nur banale Antworten zu erlauben scheinen, lässt sich gerade an der Frage von Leibniz erläutern, warum überhaupt etwas ist. Der Glaube, es ließe sich alles ›physikalisch‹ erklären, findet in der notwendigen Anerkennung von prinzipiellen Grundtatsachen sein Ende. Setzt man aber Gott als deren Grund, ist man nur zum größtmöglichen deus ex machina übergegangen. Wenn wir uns also nicht durch mythische Geschichten zur Beendigung allen Fragens verführen lassen und verbale Zirkelbewegungen oder unendliche Regresse etwa in der Zeitfolge einer Genealogie auszuschließen sind, dann gelangen wir am Ende dazu, manche Frage abzuwehren und etwa zu sagen, es sei einfach hinzunehmen, dass die Welt ist und dass allerlei Sachen, also Dinge und Tatsachen, in ihr existieren. Es ist dann nur noch auf den einfachen Unterschied des Seins der ganzen Welt, in der es endliche Sachen gibt, und diesen endlichen Sachen zu achten11 – und sich darum zu bemühen, WisHeraklit, Fragmente, hg. v. Bruno Snell, Zürich: Artemis und Darmstadt: Wiss. Buchg., 1995. 11 Da die Welt, anders als etwa das sich ausbreitende Sternensystem, der Kosmos, kein Gegenstand in der Welt ist, sollte man, um übliche Verwirrungen zu vermeiden, nicht sagen »Es gibt die Welt«. Auch dass der Satz »Die 10
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sen darüber zu erwerben, wie die Welt ist, also wie sich die Sachen verhalten und was es nicht in ihr gibt. Für unsere eigenen Kommentierungen der verschiedenen Arten von Fragen und Antworten können wir jetzt eine Frage wie die von Leibniz als »spekulativ« und den Ausdruck »Welt« in der tautologischen Antwort »Die Welt ist« als einen Totalbegri= auszeichnen. Weitere (spekulative) Totalbegri=e sind »Natur«, »Sein«, »Wesen« oder »Wirklichkeit«. Spekulative Fragen und Antworten sind o=enbar von einem anderen Typ als etwa die nach einer ›wissenschaftlichen‹ Erklärung von Tag und Nacht, des Sonnenlichts und Mondlichts, wie sie Heraklit nach meiner Lesart unter anderem gegen Hesiod einfordert. Die scheinbare Banalität der Antworten auf spekulative Fragen steht nun in einem gewissen Kontrast dazu, dass man sich zu den Grundtatsachen der Welt wie der oben schon skizzierten Lokalität allen Daseins in seiner Zeitlichkeit und Räumlichkeit durchaus falsch verhält, wenn man im Blick auf sie nur die Schultern zuckt. Es ist daher richtig und falsch zugleich zu sagen, dass alles so ist, wie es ist. Gerade aus der Zweideutigkeit dieser Formel, deren trivialer Sinn eine Tautologie ist, entsteht das Problem der Metaphysik, das es auf nicht metaphysische, d. h. nicht rein mythische, nicht erzählende Weise zu lösen gilt. Es ist das Problem erstens des rechten Verhaltens zum Vergangenen, das nicht änderbar ist, zweitens zu universalen Allgemeinheiten und Gesetzen, die wir ebenfalls als unveränderlich und vorgegeben betrachten und im guten Fall auch so zu betrachten haben, drittens aber auch zu o=enen Möglichkeiten, die nur als Möglichkeiten sind, wie sind. Die Unterscheidung zwischen Tatsachen, Möglichkeiten und Unmöglichkeiten im Allgemeinen auf der eine Seite, zwischen ganz verschiedenen konkreteren Bedeutungen des Möglichen auf der anderen Seite ist eine Hauptaufgabe von Wissen und Wissenschaft. Es gibt aber keine wahre Wissenschaft ohne Philosophie. Denn nur in der Philosophie wird zwischen bloß formalen und wirklichen Möglichkeiten explizit unterschieden, so nämlich, dass der Unterschied zwischen Welt ist« merkwürdig erscheint, ist gut so. Nicht gut wäre es dagegen, leicht wichtigtuerisch zu sagen: »Die Welt gibt es nicht«.
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einem sinnvollen Glauben an reale Möglichkeiten und einem verwirrten Glauben an rein formale Ausdrucksformen wie z. B. in der Rede (über eine mögliche Existenz) von Gott, oder dann auch an rein erfundene Wesen wie denkende Tiere und Roboter mit Bewusstsein hinreichend klar wird. Hinzu kommt das Verhalten zur Welt im Ganzen, etwa im staunenden Eingeständnis, dass es für viele Grundtatsachen der Welt keine weiteren Erklärungen gibt, als dass sie sind, wie sie sind. Angesichts der Grundtatsache, dass alles einen Anfang (und ein Ende) hat, sogar das Gesamt des Weltalls, sollte dieser Anfang wohl als unerklärbare Voraussetzung und Grundtatsache anerkannt werden, als »Wunder aller Wunder, dass die Welt ist«, wie Martin Heidegger irgendwo sagt, was mit einem entsprechenden Satz in Wittgensteins Tractatus übereinstimmt.12 Als falsch aber muss der Satz erkannt werden, der sagt, alles werde mit Notwendigkeit so sein, wie es sein wird. Auch die Verbindung der beiden anthropomorphen Metaphern Platons vom Architektengott als Bild für einen idealen Physiker und vom handwerklichen Demiurgen als Umsetzer von dessen Ideen, also als Schöpfergott, wie es die Theologie der theistischen Religionen des Judentums, Christentums und Islams wesentlich beeinflusst hat, mag zu kritisieren sein. Allerdings ist die bloße Rede von einem Alpha und Omega, einem Anfang und Ende von allem, noch keine allzu gefährliche ›Metaphysik‹ – wie sie nach Carnap »in Europa üblich« sei »als Bezeichnung für den Bereich angeblichen Wissens über das Wesen der Dinge«. Carnaps Kritik richtet sich gegen die philosophischen Systeme »von Fichte, Schelling, Hegel, Bergson und Heidegger«.13 Auch andere jugendliche Metaphysikkritiker wie David Hume und durchaus auch Wittgenstein wollen alle philosophischen Fragen für sinnlos erklären, Ludwig Wittgenstein, Tractatus Logico-Philosophicus, Frankfurt /M.: Suhrkamp 9 1973, Nr. 6.44: »Nicht wie die Welt ist, ist das Mystische, sondern daß sie ist.« 13 Rudolf Carnap, Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache (1932) in ders.: Scheinprobleme in der Philosophie und andere metaphysikkritische Schriften, ed. Thomas Mormann, Hamburg: Felix Meiner Verlag, 2005, 108. 12
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die nicht bloß nach Begri=serläuterungen fragen. Das Problem eines solchen Autodafés vermeintlich metaphysischer Texte hat aber schon Kant gesehen und Hegel geduldig herausarbeitet. Es würde dann nämlich mit der Philosophie auch alle Wissenschaft ins Feuer fliegen, da deren Reden über nicht unmittelbar wahrnehmbare theoretische Entitäten, etwa über kleinste Teilchen, Energien und Kräfte der Physik, mitverbrannt werden müssten. Am Ende wäre ein Kollaps jeder Sprache und jedes Denkens überhaupt die Folge. Denn es ist für deren Logik eine Di=erenzierung zwischen bloß subjektiven Erscheinungen und ihrem objektiven Grund, zwischen Schein und Sein, Phänomen und Wesen, Meinung und Wirklichkeit, Glaube und Wahrheit absolut zentral und in Hegels Sinn aufzuheben. Das wiederum heißt, dass die Unterscheidung in einer entsprechend guten Sinnbestimmung zu bewahren ist. Hierbei ist das Ungediegene, bloß erst Jugendliche, wörtlicher Lektüre ohne volle Erfahrung im Umgang mit Sprache und Welt hinter sich zu lassen.14 Dazu bedarf es nun durchaus auch eines Bemühens um eine metaphorische Lesart überkommener Mythen, in denen diese nicht bloß ein Hörensagen bleiben, sondern als Speicher von Wissen erkennbar werden, die es nur erst angemessen zu lesen gilt. Dazu gehört insbesondere die Technik des Verstehens von gnomischen Orakeln, die als solche ein Verstehen von Implikatur und Ironie und damit von Sprechhandlungen, nicht bloß von Satzfiguren, voraussetzen. Hegel ist sich dabei dessen klar bewusst, dass die spekulativen Sätze und Aussagen, in denen wir über Formen des Wissens und Denkens nachdenken, eine eigene logische Form haben. Wie im Fall figurativer Rede, also von Metapher und Ironie, setzt ein solches Nachdenken immer die Fähigkeit voraus, mit einem doppelten oder gar mehrfachen ›Schriftsinn‹ zu operieren. Denn unsere reflexionslogischen Ausdrucksformen, gerade auch jeder nicht bloß formalistischen Logik weltbezogener Sprache, verbieten es, bei einem ›wörtlichen‹ Verstehen nach Art von reinen Verstandesschemata, also nach Art des kalkülmäßigen Rechnens mit Ausdrücken wie in einer rein deduktiv Vgl. dazu auch Heraklit Frgm. 70: »Kinder (Buben) werfen ihr Spielzeug weg, wenn sie erwachsen (Männer) werden: die menschlichen Lernsätze, ta anthr¯opina doxasmata.« 14
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verfassten Mathematik, zu verharren. Hegel selbst sagt das explizit an diversen Stellen, und zwar auf durchaus ironische Weise, die selbst schon einige Lesefertigkeit voraussetzt, wie z. B. in einem »Fragment einer Einleitung in die Geschichte der Philosophie von 1823« (GW 18, S. 97). Dort steht: »Bei Gedanken, besonders bei spekulativen, heißt Verstehen ganz etwas anderes als nur den grammatischen Sinn der Worte fassen . . . Man kann daher eine Kenntnis von den Behauptungen, Sätzen oder, wenn man will, von den Meinungen der Philosophien besitzen, sich mit den Gründen und Ausführungen solcher Meinungen viel zu tun gemacht haben, und die Hauptsache kann bei allen diesen Bemühungen gefehlt haben, nämlich das Verstehen der Sätze. Es fehlt daher nicht an bändereichen, wenn man will gelehrten Geschichten der Philosophie, welchen die Erkenntnis des Sto=es selbst, mit welchem sie sich so viel zu tun gemacht haben, abgeht. Die Verfasser solcher Geschichten lassen sich mit Tieren vergleichen, welche alle Töne einer Musik mit durchgehört haben, an deren Sinn aber das Eine, die Harmonie dieser Töne, nicht gekommen ist.« Das heißt, erstens, dass Narrationen über Philosophen und ihre Meinungen zumeist noch nicht einmal als Einführungen in die Philosophie taugen. Ihr Tun, also das Nachdenken, zeigt sich nicht in den Ergebnissen, den Merksätzen oder Thesen. Es heißt, zweitens, dass man die Sätze im logischen Nachdenken nicht als Berichte oder Behauptungen lesen darf. In der Tat rauscht an den meisten Lesern der Logik Hegels der Inhalt einfach deswegen vorbei, weil man meint, es werde über gegebene Gegenstände mit schon gegebenen Eigenschaften etwas ausgesagt und Hegel meine, die Aussagen als wahr begründet oder bewiesen zu haben. Stattdessen wird eine Sprache der Nennung von Formen unter Appell an deren Bekanntheit entwickelt. Es werden also reflexionslogische Kommentare vorgeschlagen, in welchen kategorial verschiedene Redeformen und Inhalte unterschieden werden. Der Zweck ist, gewisse naheliegende Fehlverständnisse unserer üblichen Rede- und Reflexionsformen zu destruieren und ggf. einen haltbaren Sinn zu rekonstruieren, besonders wo von Gott und der Welt, vom Sein und Wesen, von Wahrheit und Wirklichkeit die Rede ist.
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I.2 Was ist absoluter Idealismus? Die ontologische Frage, was es wirklich gibt, führt, wie schon Platon ironisch sagt, zu einer Art Krieg der Giganten gegen die olympischen Götter. Das Bild steht im Mythos für den Streit zwischen einem Materialismus eines toten Kosmos und einem Idealismus lebendiger Wesen und personaler Subjekte. Zeus, der Gott des Lebens, ist der Vater der Götter des menschlichen Geistes. Zu diesen zählen besonders Apollo und Athene. In der Zeit und Welt der Giganten gibt es also nur die Welt der physischen Dinge. Seit Zeus Macht über die Erde hat, gibt es Pflanzen und Tiere. Seit es menschliches Leben gibt, gibt es kooperative, also ethische und politische, und dann auch technische, instrumentelle und künstlerische Intelligenz. Neben den scheinbaren Kontrastbegri=en wie z. B. auch »Realismus« ist das Wort »Idealismus« allerdings einer der di=usesten Titel für eine philosophische Position. Es ist z. B. ganz unklar, ob es sich um eine Entgegensetzung metaphysischer Glaubenshaltungen oder metastufiger Grundurteile zu Status, Methode, Reichweite und Grenze von Wissenschaft im Allgemeinen, der mathematischen Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften im Besonderen handelt. Manche reden sogar bis heute noch davon, ein Idealist meine, alle Dinge seien irgendwie durch den Geist erzeugt oder wenigstens mind-dependent. Hegel erkennt in der Tat, wie schon Heraklit und Platon, dass es keinen Gegenstandsbezug gibt, der nicht durch Begriffe und Denken, kurz: den Geist, vermittelt wäre. Das sollte als trivial wahr gelten und nicht mit der Vorstellung von einer Herstellung der Dinge durch einen gespenstartigen Geist verwechselt werden. Carnaps Versuch der Überwindung »der Metaphysik« durch »logische Analyse der Sprache« ist Entwicklung der Metaphysikkritik Humes, des logischen Atomismus Bertrand Russells und des frühen Wittgenstein. In Bezug auf den Streit zwischen Materialismus und Idealismus spricht Carnap von »Scheinproblemen«. Das ist so irreführend, wie wenn man es für ein Scheinproblem hielte, ob reine Physiker oder Gehirnforscher bessere Geschichtslehrer sind. Die Antwort sollte klar sein. Sie sind es nicht.
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Die Irreführung liegt in der impliziten Voraussetzung, es gehe im Idealismus um den Glauben an eine ›wirkliche‹ Existenz von Seele und Geist, nicht etwa um die Anerkennung der traditionell durch diese Wörter überschriebenen Phänomene und ihren grundsätzlichen Status in der Welt. Der sogenannte (materialistische) Realismus unterstellt nicht anders als sein vermeinter Gegner, ein Spiritualismus, der an die Existenz von Geistern und Seelen glaubt, dass die Rede von dieser Existenz schon verstanden sei. Die größte Leistung Kants bestand hier darin, dass er diese Unterstellung als logisch naiv erkannt hat. Kant fordert, dass erwachsenes Nachdenken die besondere Konstitution nicht im Sinn einer Konstruktion, sondern von Verfassung und Seinsweise zunächst des Lebens, dann aber erst recht der geistigen Fähigkeiten, also des Denkens und Handelns, in den Grundformen explizit zu machen habe. Während in der englischen Philosophie und Sprache das Wort »Idealismus« bedeutet, dass alles, was es gibt, irgendwie subjektiv sei, also auf irgendeine Weise aufgebaut sein soll aus meinen und deinen Sinnesdaten, bedeutet das Wort im Deutschen für alle, welche Kant und seine Nachfolger mit ausreichendem Verstand gelesen haben, dass jede ernstzunehmende Philosophie deswegen Idealismus ist, weil es um die Explikation der grundsätzlich di=erentiellen Formen bzw. Seinsweisen rein sto=licher Materie, bewegter, aber nichtlebender Körperdinge, des Lebens und schließlich des Geistes geht. Allerdings ist Kants Analyse gerade deswegen so schwer zu verstehen, weil ihre Kommentarsprache selbst schon partiell begri=lich verwirrt ist. Denn Kants Rede von Dingen an sich ist begri=lich inkohärent, so dass es rein sinnlos wird, von ihrer Existenz auch nur zu reden. Insgesamt begrenzt Kant außerdem wie schon Hume nur Wissensansprüche, statt die von uns gesetzten und kontrollierten Erfüllungsbedingungen genau genug zu betrachten. Die Folge ist eine Art Agnostizismus. Es wird, ähnlich wie später bei Carnap, erklärt, wir sollten uns um unentscheidbare und zugleich auch praktisch völlig irrelevante ›ontologische‹ Aussagen über ein ›wahres Wesen der Dinge‹ in einer transzendenten Hinterwelt nicht kümmern, jedenfalls nicht weiter, als zur Lösung des zentralen Problems jeder Philosophie nötig ist, nämlich des Freiheitsproblems. Es ist das Problem, wie in einer
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physischen Welt von sich relativ zueinander bewegenden Dingen, geleitet durch Naturgesetze, freies Denken und Handeln möglich ist. In Hegels Wesenslogik geht es nun gerade um den Sinn von Redeformen der Art »Etwas ist wirklich so«, nachdem schon die Seinslogik die Abwehr falscher Lesarten der Redeform »An sich ist x ein Y « gescha=t hat. Es wurde sogar dem falschen Prinzip Kants: »Was etwas an sich ist, kann man nie wissen« der trivial wahre Satz gegenüberstellt: »Was etwas an sich ist, weiß man a priori, weil es nur die Art des möglichen Gegenstandes begri=lich bestimmt«. Trotz Kants Verwirrung in seinen Thesen zur Welt der Erfahrung und zur Welt der Dinge an sich ist also jede kritische Wissenschaftslehre als Beitrag zur Weiterentwicklung von Kants Transzendentalem Idealismus zu verstehen, wie Fichte, Schelling und Hegel betonen. Der sogenannte Deutsche Idealismus dieser drei Autoren versteht sein Unternehmen dabei nicht anders als Carnap selbst das seinige – ohne dass dieser es weiß –, nämlich als radikale Kritik an jedem sinnlosen Glauben oder Meinen, so dass sich die formalanalytische Philosophie des 20. Jahrhunderts ganz falsche Gegnerschaften als Pappkameraden aufgebaut hat. Aber schon Platons Ideenlehre, wie das Buch von Paul Natorp unter diesem Titel bestätigt,15 gilt als Prototyp des Idealismus. Ihm zufolge sind nicht die räumlich und zeitlich endlichen Gegenstände der sinnlichen Erfahrung, sondern die ›Ideen‹ das wahre Thema situationsallgemeinen wissenschaftlichen Wissens. Es wird dabei eine bloße doxa (hier wohl als Inhalt von Perzeptionsurteilen über empirische Erscheinungen im Sinne des »dokein«, »es scheint mir so«) von einer epist¯em¯e als einem Wissen über eine je zugrunde liegende Form (eidos) unterschieden. Dabei sind zwei Ausdeutungen des platonischen Idealismus grundsätzlich auseinanderzuhalten. Nach der ersten wird dem vermeintlichen Schein bloß endlicher Erscheinungen eine Betrachtung der Welt als begrenztes Ganzes sub specie aeternitatis entgegengesetzt. Das Ein-und-Alles des Seins transzendiert gerade im Neuplatonismus (bei Plotin oder Proklos) alle endlichen Paul Natorp, Platons Ideenlehre: Eine Einführung in den Idealismus. Norderstedt: BoD, 2014. 15
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Dinge und wird im christlichen und dann auch islamischen Idealismus mit Gott identifiziert. Heraklits Einsicht, dass alle Dinge der Welt zusammenhängen, so dass wir ihre prozessualen Beziehungen in einer kohärenten Theorie darzustellen haben, wird damit aus einer Reflexion auf die Idee der Wissenschaft in eine vage, orakelartige Merkthese über die Einheit der Welt überführt oder auf eine Art mythisch-wörtlichen Sinn reduziert. Nach der kaum bekannten zweiten, logisch-methodologischen Lesart erkennt Platon in gewisser Nachfolge von Parmenides, dem ›Vater‹ seiner Seins- und Wahrheitslogik, dass die zeitallgemeinen Sätze der Wissenschaft nicht über empirisch Einzelnes in subjektiver Wahrnehmung sprechen. Sie gehen den Phänomenen im indexikalischdeiktischen Bezug je von hier und jetzt her (der bloßen empeiria und historia) dadurch auf den Grund, dass diese als besondere Fälle generisch-allgemeiner Formen zu verstehen sind. Die Formen wiederum werden vertreten durch paradigmatische, prototypische, idealtypische oder stereotypische Ur-Sachen (paradeigmata auch eid¯e und gen¯e). Prinzipien (archai) artikulieren basale Formen, Normen und Regeln. Ideen, Formen oder Begri=e – alle drei Übersetzungen von eidos konkurrieren bis heute miteinander, aber auch mit »Art« und «Typ« – sind also theoretische Gegenstände. Sie sind die wahren Ursachen (aitiai) in theoretischen Erklärungen der Phänomene. Nur in reflektierender Rede gibt es eine Form absolut, losgelöst von ›empirischen‹ Realisationen, der ›Substanz‹ eines Wesens oder ousia als Einheit von Materie (hyl¯e) und Form (auch morph¯e), von Substrat (hypokeimenon) und Artform. Letztere ist die ominöse ›zweite ousia‹ im aristotelischen Hylemorphismus. Dabei trägt die Kritik des Aristoteles, in der platonischen Akademie sei Wissenschaft (philosophia) zu bloßer Mathematik geworden, leider mit dazu bei, dass man Parmenides und Platon später neuplatonisch liest, so dass erst wieder Thomas von Aquin den Idealismus Platons bei Aristoteles selbst rekonstruiert. Dieser wird im Nominalismus bei Wilhelm von Ockham und Duns Scotus dann ironischerweise als vermeintlicher Universalienrealismus kritisiert. Begri=e werden in diesem ›Rechtsaristotelismus‹ oder empiristischen Individualismus zwar korrekt als durch Sprache konstituiert verstanden. Im Unterschied zum
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›Linksaristotelismus‹ eines Thomas aber, der das Primat der Gemeinschaft und freien Kooperation für alles Verstehen und Handeln noch kennt und anerkennt, wird aber die Gebrauchsform und die zugehörige Kompetenz ihrer Reproduktion oder Aktualisierung zugunsten eines bloß empirisch betrachteten Zeichenverhaltens unterschätzt – mit gravierenden Folgen. Diese reichen vom Britischen Empirismus bis zum Logischen Empirismus der Analytischen Bewegung. Nominalismus und Empirismus sind die Ursachen dafür, dass die allgemeine Form und enorme Bedeutsamkeit von Platons parmenideischer Unterscheidung zwischen einem generischen, begri=sbildenden, theoretischen wissenschaftlichen Wissen (epist¯em¯e) und dessen bloß empirischer Anwendung in Einzelinformationen und indexikalischen Urteilen über Wahrgenommenes und Wahrnehmbares (doxa) wieder vergessen wurden. Denn Platon gibt zu, dass jede empirische Aussage fallibel, bloße doxa ist, da man sich im ›Schluss‹ vom empfindend Wahrgenommenen, etwa Gesehenen oder Ertasteten, auf dessen ›wahre Ursache‹ täuschen kann. Wir müssen also immer mit Kontingenzen und Zufällen besonders auch der Sinnestäuschungen rechnen. Es ist dann aber der besondere logische Status des allgemeinen Wissens über generische, zeit- und ortsallgemeine Normalfälle, über Arten von Dingen und deren Artformen als nicht-empirisch im Sinn von nicht-indexikalisch zu begreifen. Es handelt sich nämlich um eine relativ apriorische math¯esis, d. h. um kanonisch gesetzte und lernbare di=erentielle Defaultinferenzen, die den begri=lichen Rahmen abgeben für jedes Normalfallverstehen von Sprache, also auch der Wörter in unseren Wahrnehmungsurteilen. Die Betrachtung von Kants (leicht verwirrten) Thesen zu einer Welt der bloßen Erscheinungen und einer Welt von Dingen an sich führt Hegel am Ende zu der Einsicht, dass es nur ein einziges Ding an sich gibt, nämlich die eine Substanz des Spinoza, die ganze Welt. Dieses Ding an sich, diese Substanz, kann, wie der klassische Gott der Theologen, keine Sache des Glaubens sein. Es ist nämlich schon falsch zu meinen, man könne nichts über dieses ›absolute Ansich‹ wissen. Denn spekulative Sätze über das Ansich, das Absolute, die Welt oder Spinozas Substanz sind der Art und Funktion nach große Handbewegungen, bestenfalls also hochstufige begri=liche Landkarten. Sowenig
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es Sinn hat zu sagen, dass ein U-Bahn-Plan einer Stadt einen bloßen Glauben ausdrückt, so wenig hat es Sinn, davon zu reden, das die logischen Kommentare zu Totalitätsbegri=en wie ›Natur‹, ›Welt‹ oder ›Substanz‹, auch ›Wesen‹ und ›Erfahrung‹, kein Wissen seien. Im Gegenteil. Es ist kanonisiertes Wissen über einen angemessenen Gebrauch dieser Wörter, so wie die Kenntnis des U-Bahn-Plans den guten Gebrauch des städtischen Verkehrssystems ermöglicht. Was Hegel »absoluten« Idealismus nennt, ist ironischerweise ein absoluter Realismus im Blick auf das, was wir in den Wissenschaften und anderen Institutionen tatsächlich tun. Kritisiert wird die naive Unterstellung unmittelbar verstehbarer Inhalte. Anerkannt wird das Generische sowohl in der Entwicklung von kooperativen Handlungsformen als auch in der Rede über diese kollektiven Entwicklungen. Die Objektivität der Gegenstände und Tatsachen, die wir als Wahrmacher oder Grund den von uns erfahrenen Erscheinungen und Aussagen über die Natur der Dinge unterstellen, ergibt sich nur im Rahmen einer theoretischen und dabei immer schon idealen Formierung des begri=lichen Zugangs zu einer einheitlichen Welt ›jenseits‹ bloß subjektiver und präsentischer Perzeptionen und Reaktionen, wie sie die Seinsweise eines Tieres prägen. Absolut sind die spontanen, handlungs- und damit praxisbezogenen Vollzüge unseres Urteilens und Handelns qua Performation oder Aktualisierungsversuche von Formen. Relativ zu den anerkannten (oder anzuerkennenden) Bedingungen aber sind die Erfüllungen der Normen, welche die Formen definieren. Subjektiv bleiben dabei zunächst die Urteile über vermeinte Erfüllungen, welche in leiblich vermittelten Befriedigungen (auch von sogenannten Intuitionen) ihre reale Grundlage haben. Skeptische Kritik macht all das gegen einen subjektivistischen Dogmatismus mit Recht geltend und expliziert die Unterschiede kanonisch. Mit anderen Worten, am Primat der Praxis, der Absolutheit des Vollzugs des Lebens und Wissenschaftsbetriebs, kann man nicht praktisch, sondern bloß rhetorisch zweifeln. Dazu ist die Bewertung der Erfüllung von Geltungs- bzw. Wahrheitsbedingungen aus der selbstfingierten Utopie absoluter Sicherheit, Notwendigkeit und erst recht aus der kontrafaktischen Sicht eines Gottes zurückzuholen in die wirkliche Welt realen Könnens. Hier gibt es im Blick auf je einzelne Kontex-
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te zumeist eine hinreichend gute und verlässliche Unterscheidung zwischen Wissen und Glauben, obwohl wir zugleich wissen, dass alles Wissen fallibel ist. Die Vorstellung von einem absoluten Wissen kommentiert eben diese Lage, wenn man sie recht versteht. Dabei ist das Verhältnis zwischen dem Ideal des Wahren und der realen Wahrheit durchaus analog zum Verhältnis zwischen den idealen geometrischen Formen, etwa der Ebene, des Kreises oder der Geraden auf der einen Seite, realen Gestalten oder Figuren auf der anderen. Schon Platon weiß, dass dieses Verhältnis der methexis oder Teilhabe an einer Form jeweils eine relevante Maßbestimmung voraussetzt und auf eine gewisse Genauigkeitsmarge hin zu beurteilen ist. Was für den Maurer hinreichend eben ist, ist es für den Schreiner oder Optiker noch lange nicht. Hegels objektiver Idealismus ist sozusagen eine ›schwäbische‹ No-Nonsense-Theorie konkreter Bewertung von Wissensansprüchen. Wenn ein solcher Anspruch als wahr bewertet wird, sagt er uns, was wirklich existiert. Damit verweist Hegel jeden Glauben an eine angeblich mögliche metaphysische Hinterweltenwirklichkeit jenseits eines robusten pragmatischen weltimmanenten Wissens in das Reich subjektiv-idealistischer und damit rein willkürlicher Vorstellungen. Das Wort »Idealismus« erhält hier seinen guten Klang durch die Einsicht, dass unsere gemeinsame Bewertung von Wissensansprüchen aufgrund guter praktischer Erfahrungen die Objektivität ihres Inhalts setzt oder festlegt. Relativ dazu wird zwischen bloß subjektiven Meinungen und gemeinsam als wahr bewertetem Wissen, gleichzeitig zwischen subjektivem Schein und objektiver Wirklichkeit, unterschieden.16 Karl Marx teilt immerhin Hegels Kritik am subjektiven Idealismus sowohl in der Form des Empirismus Berkeleys und Humes als auch in der Form von Kants Philosophie, aber auch am mechanischen Materialismus, dem Atomismus, trotz gewisser Sympathien für Leukipp, Demokrit und Epikur. Denn auch Marx richtet sich gegen das naive Weltbild der Physik, nach welcher alle Relativbewegungen von ›ewigen‹ atomaren Substanzen durch ewige Bewegungsgesetze erklärbar sein sollen. Die Gegnerschaft zwischen dem ›objektiven‹ bzw. ›absoluten‹ Idealismus Hegels und dem ›dialektischen‹ Materialismus von Marx, Engels und deren Nachfolger besteht aus 16
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Im Rückgri= auf Descartes cogitans sum hatte schon Fichte ein pragmatisches Argument gegen jedes Weltbild entwickelt, in das wir uns selbst als bloße Objekte stellen und eben damit unser wirkliches Sein und Tun abschatten. Wir können nie selbst bloß Gegenstand in einem solchen Bild sein. Dass das Argument nicht verstanden wird, ist erstaunlich. Stattdessen stellt man sich wie in dem Film »Matrix« vor, selbst möglicherweise ein Ergebnis eines von anderen gedrehten oder gar von einer Maschine produzierten holographischen Filmes zu sein. Was man hier übersieht ist dieses: Verbale Zuschreibungen sind so geduldig wie beliebig. Das sollte man seit Calderons Titel »Das Leben – ein Traum« oder gar Pindars »Der Traum eines Schattens ist der Mensch« schon kennen. Hegels Kritik in der Seinslogik an rein quantitativen, d. h. bloß erst mathematischen Modellen fügt dem die besondere Beobachtung hinzu, dass ohne konkrete Maßbestimmungen in der tätigen Projektion (methexis) der Modellformen auf die reale Welt das Modell und seine Struktur rein weltfern und weltfremd wären. Dabei gelangen wir mit Hegel sogar schon zur logischen Einsicht, dass es überhaupt keine reinen Konstatierungen und keine sortalen Mengen von Sinnesdaten, von momentanen Einzelereignissen, von Raumzeitpunkten oder von so genannten möglichen Welten außerhalb bloß mathematischer Modelle gibt. Diese aber haben je nur höchst begrenzte Anwendungsmöglichkeiten, die zu vermitteln sind durch reale Projektionen auf bestenfalls partiell analoge Weltbereiche. Mit anderen Worten, weit obskurer als alle Orakel bei Heraklit oder Hegel sind Reden von ›Entitäten‹ in einer formalanalytischen Philosophie, auf welche man z. B. durch Buchstaben für Dinge oder
der Sicht der letzteren bloß darin, dass man meint, Hegels angebliche ideentheoretische ›Geistphilosophie‹ vom Kopf auf materialistische Füße mit einem Primat des Leiblichen stellen zu müssen, als wäre das nicht längst schon Hegels eigenes Programm gewesen. Hegel seinerseits hält allerdings eine zu sehr auf die Ökonomie der bürgerlichen Gesellschaft reduzierte Institutionenwissenschaft für viel zu eng, um alles Wissen von geistigen Ursachen zu fundieren. Man geht an all dem vorbei, wenn man mit Carnap hier nur heillose Begri=sverwirrungen auf beiden Seiten sieht.
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Ereignisse, also Gegenstands- und Ereignisvariablen, auch Variablen für ›mögliche Welten‹ Bezug nehmen möchte. Man spricht über Sinnesdaten, Raumzeitpunkte oder (elementare) Propositionen, ohne zu wissen, was sie sind, bzw. dass die Wörter bestenfalls rein formale Reflexionsbegri=e artikulieren und wie das höchst abstrakte Wort »Gegenstand« noch keineswegs einen bestimmten Bereich von ›Entitäten‹ bestimmen, die es irgend ›gibt‹. In der Tat ist es eine der basalen Einsichten Hegels, dass abstrakte Wörter wie »Wesen« oder »Erscheinung« nicht anders als »Ereignis«, »Tatsache«, »Menge«, »Zahl« oder »Gegenstand« für Variablen stehen, die noch nicht einmal unmittelbar belegbar sind. Aus formalen Aussagen wie »das Wesen muss sich in seinen Erscheinungen zeigen« entstehen nämlich konkrete Aussagen erst dadurch, dass je ein bestimmter Gegenstandsbereich festgelegt oder aus dem Kontext implizit erschlossen wird, wie man das schon an der einfachen Aussage, dass 4 − 2 gleich 2 ist, sehen kann. Da dazu zumeist die dialogische Situation und gemeinsame Urteilskraft eine Rolle spielt, nennt Hegel das Verfahren »dialektisch«.
I.3 Wahrheit und Begründung Hegels Überlegungen und Argumente werden zwar von allen Kennern der Materie als Aufhebung des kritischen Idealismus Kants verstanden; aber man kann zumeist nicht genau sagen, wie der Argumentationsgang verläuft. Hegels Kritik an Kant wird häufig als bloße Abkehr von dessen Kritizismus und als Rückkehr zu einer metaphysischen oder anderweitig dogmatischen System- oder Überzeugungsphilosophie gedeutet. Es bleibt ungeprüft, ob Hegels Kritikkritik nicht etwa nur den erkenntnistheoretischen Ansatz bis herunter zu Carnap als unzureichend für eine Klärung der schon blind unterstellten Begri=e Gegenstand und Wahrheit erkennt. Die Frage, was wir mit Gewissheit wissen können, kommt sozusagen viel zu spät, zumal Gewissheit ein bloß subjektiver Zustand ist. Radikale philosophische Kritik hat zuallererst nach dem vielfältigen Sinn unserer Reden über Wahrheit und Wirklichkeit zu fragen, damit auch der Rede über das Sein und sein Negatives, das Nichts. Verschiedene Aspekte des Seins oder
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Wirklichen werden dabei unter Titeln wie »Realität« und »Objektivität«, »Dasein« und »Aktualität« besprochen, auch »Grund« und »Ursache«; verschiedene Aspekte des Nichtseins unter den Titeln des Scheins, der bloßen Erscheinung, eines bloß subjektiven Eindrucks, eines Irrtums oder einer (Selbst-)Täuschung. Insbesondere ist nach der jeweiligen Verfassung unserer allgemeinen begri=lichen Setzungen von Geltungsbedingungen zu fragen, also nach dem wesensoder reflexionslogischen Kontrast von Sein und Schein, Wesen und Erscheinung, Grund, Ursache und Epiphänomen. Mit der Einsicht in die logische Ordnung, nach welcher die begri=liche Festlegung etwa von formalen Wahrheitswerten an sich wie in mathematischen Theorien jeder konkreten Feststellung oder Begründung einer Wahrheit methodisch vorhergehen muss, geht Hegels Kritik weit über die Abwehr von Tendenzen hinaus, die in einen epistemischen Skeptizismus, Agnostizismus oder in neue metaphysische Glaubensphilosophien führen. Dabei ist die anti-kantianische Einsicht bis heute aktuell, nach welcher der Aufweis einer formalen Konsistenz eines Glaubenssystems noch praktisch gar nichts darüber sagt, ob wir uns vernünftigerweise an ihm als einem möglichen Weltbild orientieren sollen oder sogar für dieses missionsartig werben dürfen. Es sind viel zu viel Verrücktheiten formal konsistent. Auf der anderen Seite sagt aber auch der Nachweis eines formalen Widerspruchs noch nichts endgültig gegen ein System von Sätzen. Alle unsere generischen Orientierungen beruhen auf Idealisierungen, Prototypen, Ceteris-paribus-Klauseln. Sie verlangen, wie Metaphern, von einem guten dialogisch-dialektischen Verstehen, dass unwesentliche Ausnahmen oder nicht ›intendierte‹ Deutungen, wie wir sagen, einfach übergangen werden, wenn ansonsten die allgemeine Orientierung stimmt. Das ist so, weil unser allgemeines Wissen ohnehin immer nur in passenden Umgebungen wirklich inferentiell verlässliche Orientierungen liefert, nicht in jedem Einzelfall. In jeder Einzelanwendung ist daher mit freier Urteilskraft und anhand guter Maßbestimmungen zu beurteilen, ob der Fall hinreichend nahe am Idealtyp oder Paradigma liegt, welcher das generische Normalfallschließen begründet. Eben diese Einsicht verbirgt sich schon hinter Platons Rede von einer ›Teilhabe‹ eidetischer Formen, seiner ›Ideen‹,
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mit den erfahrbaren empirischen Verhältnissen, die sich in der Güte der Orientierung an einer Projektion allgemeinen Strukturwissens auf die reale Welt zeigt. Spekulative Reflexionsaussagen über das Ganze eines Gegenstandsbereichs und erst recht über das Ganze der Welt, also etwa über die unendlichen Zahlen, Größen und Mengen der Mathematik oder über die indefiniten Gegenstandsarten mit indefinit vielen Elementen in unseren weltbezogenen Redeformen, enthalten aufgrund ihrer figurativen, anfangs immer anthropomorph-theologischen Form ohnehin immer Widersprüche. Das ist hier so wie bei allen Metaphern und Analogien. Verstehen verlangt hier die freie Aufhebung der mit den Metaphern oder Allegorien notwendigerweise verbundenen katachrestischen Widersprüche. Das o=enkundigste und wichtigste Beispiel ist die göttliche intellektuelle Anschauung. Ein die Welt so von der Seite anschauender Gott jenseits von Raum und Zeit soll radikal verschieden von uns sein und wird doch schon in der Rede davon, dass ›er‹ alles Vergangene, Gegenwärtige und Zukünftige sogar als seine eigene Schöpfung unmittelbar anschaut, anthropomorph vorgestellt. Wer aber auf einen Satz der Art »Richard ist ein Löwe« nur mit der humorlosen Antwort »Richard ist kein Löwe« reagiert, versteht die nötige Dialektik freien Verstehens figurativer Sprachformen noch nicht. Die Folgen zu einfacher Verständnisse der Sprache bloß auf der Ebene eines Einfachdeutsch oder common sense sind hier verheerend. Man begreift dann auch spekulative Reflexionen über den Sinn von Totalitätsbegri=en wie Wesen und Ursache, auch Gott und Welt nicht mehr. Wir müssen hier nämlich endliche Paradigmen metaphorisch überhöhen, so dass es zur Daueraufgabe wird, den guten Sinn einer auf allgemeine Formen des Seins reflektierenden Kommentarsprache von transzendenten, sozusagen wörtlichen, Fehlverständnissen abzuheben. Die Welt ist z. B. nicht einfach das Weltall der Körperdinge und aller anderen physikalischen Prozesse nach dem Urknall. Die Natur ist nicht dasselbe wie der physikalisch-chemisch-physiologische und biologische Gegenstandsbereich unserer Naturwissenschaften. Die Natur ist auch nicht schon in mathematischen Lettern vorgeschrieben und bloß noch in unsere Theorien zu übersetzen.
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Hinzu kommt bei Hegel die absolut basale, mit dem Empirismus bloß grob verschwägerte Einsicht, dass alle Geltung im Rahmen unserer Unterscheidungen steht. Schon Aristoteles bestimmt Wahrnehmungswissen als Unterscheidenkönnen. Jede Rede von einer Verschiedenheit in der Welt ist dann ebenso wie die von einer Wahrheit von Aussagen gegenüber dem Unterscheiden begri=lich nachrangig. Das heißt, die Reden von einem Unterschied, von einer Geltung oder von einer Richtigkeit gehören schon in die Ebene einer Reflexionslogik, in welcher wir evaluieren, wie gut oder schlecht eine dem Sinn nach gemeinsame Unterscheidung im Einzelfall getro=en wurde. Dabei ist zwischen dem unterscheidenden Reagieren von Tieren, einer bloß enaktiven Perzeption (Alva Noë), auf der einen Seite und einer geformten Unterscheidungspraxis bei Menschen im freien Unterscheidungshandeln auf der anderen unbedingt zu unterscheiden, dann aber auch zwischen bloß erst impliziten oder, wie Karl Bühler sagt, empraktischen Formen des Handelns im Vollzug und einer expliziten und damit schon reflektierten Artikulation von solchen Formen zunächst durch Titelwörter und dann schon durch ganze Sätze. Wenn wir auf schon etablierte Unterscheidungen reflektieren, sagen wir, dass wir entsprechende Verschiedenheiten feststellen. Das können wir selbst dann, wenn wir wegen der unaufhebbaren Endlichkeit unseres Weltzugangs von hier und jetzt aus nicht mehr oder noch nicht die unterstellten Kriterien samt zugehörigen inferentiellen Normalfalldispositionen als voll erfüllt überprüfen können. Jede Begründung einer Wahrheit oder Geltung erinnert daher, erstens, an die Voraussetzung, dass eine wesentliche Unterscheidung zwischen einem Fall A und einem Fall B (der vielleicht non-A impliziert und vielleicht auch aus non-A gefolgert werden könnte) ›an sich‹ oder im Allgemeinen bestimmt, also definiert ist. Sie zeigt dann, zweitens, dass die relevanten Bezugsfälle x unter den Falltyp A und nicht unter B fallen, genauer, dass wir sie unter sie subsumieren können, dürfen oder sollen. Robert Brandoms Rede von der Normativität jeder Richtigkeit besagt im Kern, dass das eben skizzierte Können, Dürfen und Sollen die Grundlage jeder ›Wahrheit‹ ist. Hegel erkennt darüber hinaus, dass nicht etwa, wie man bis heute meint, der Satz und seine Wahrheit, sondern die begri=s-
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gestützte und damit sprachlich vermittelte Unterscheidung sowohl zwischen den Ausdrücken als auch zwischen den über die Wahrnehmungsurteile vermittelten weltbezogenen Inhalten die Grundlage von Sinn, Bedeutung und Wahrheit von Aussagen ist. Eine Logik des Verstehens, wie sie in einer Wissenschaft der Logik explizit zu machen ist, hat uns also das gemeinsame Unterscheiden zu lehren und das Nichtunterscheiden, das Identifizieren. Hintergrund ist die gern übersehene Tatsache, dass man aus Einzelperspektiven immer viel zu viel unterscheiden könnte, was man aber im Interesse gemeinsamer Weltbezugnahmen nicht diskriminieren sollte. Daher betri=t Hegels Lehre von den Identitäten nicht etwa eine Unmöglichkeit, sondern einen gesetzten Verzicht im Unterscheiden. Wenn uns Wittgenstein Di=erenzen lehren möchte, so sollte er uns die Notwendigkeit der Unterscheidungen im konkreten Kontext allererst begründen. Hegels zentrale Einsicht ist dabei, dass nicht nur die formale, und das heißt: inhaltlich auf variable Weise von diversen Unterscheidungsinteressen abhängige Rede über die mögliche Wahrheit einer Aussage, sondern gerade auch über die (mögliche) Wirklichkeit (als ›Wahrmacher‹ der jeweiligen Aussage) eine reflexionslogische Verfassung hat. Mit anderen Worten, die Wörter »wirklich« und »Wirklichkeit« artikulieren nicht anders als die Wörter »Natur« und »Wesen« Reflexionsbegri=e, mit denen wir Kontraste hervorheben und kommentieren wie z. B. die zwischen Erscheinung, Schein und Wirklichkeit. Die Logik dieser Reflexionstermini behandelt Sinn und Bedeutung von Kategorien oder Aussageformen wie »Y gehört zur Natur bzw. zum Wesen von x «, »x erscheint als ein Y « oder »x scheint bloß ein Y zu sein, ist aber in Wirklichkeit ein Z «. Wirklichkeit ist damit nie als transzendente, ›unerkennbare‹ Hinterwelt aufzufassen, an die man willkürlich glauben könnte; sondern das Wirkliche ist das Vernünftige und das Vernünftige ist das Wirkliche. Das ist so, weil wir statt »Etwas ist in Wirklichkeit kein X , sondern ein Y « auch sagen können »Y ist eine (oder die) vernünftige Erklärung des betrachteten Phänomens«, wenn wir passende Gleichwertigkeiten unterstellen. Es ist daher ein ebenso ironischer wie plakativer, dialektisch-provokativer, Merksatz, wenn Hegel erklärt, die Wirklichkeit sei vernünftig. Wer hier von einer
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Geistesmetaphysik oder Bewusstseinsphilosophie spricht, hat den Grundgedanken klarerweise noch nicht begri=en. Hegel erklärt freilich, auch im Bereich des Staates sei das Wirkliche (an sich) das Vernünftige und umgekehrt. Was der Form einer Institution gemäß vernünftig ist, ist in der etablierten, instituierten Praxis in der Tat schon an sich wirklich. Das heißt nur, dass es trotz aller möglichen, vielleicht bloß kontingenten Mängel der Umsetzung der Form im Prinzip schon Moment der Institution ist. Umgekehrt besteht die Wirklichkeit einer Institution in ihrer prinzipiellen Anerkennung als vernünftiger Praxisform. Die übliche Rede von Hegels System führt gerade hier in die Irre. Sie liest Hegels Überlegungen als axiomatische Glaubensphilosophie. Stattdessen geht Hegel systematisch vor, und zwar in der Verfolgung der Frage, was Wahrheit ist und warum z. B. die Vorstellung eines physikalistischen Materialismus, nach welcher die Naturwissenschaften im Prinzip alles erklären und alle Zukunft vorhersagen könnten, auf einem grundsätzlichen logischen Fehlverständnis von Form und Status des entsprechenden Wissens beruht. Als Folge des Aufweises dieses Fehlers ergibt sich nicht bloß die Aufhebung der sogenannten Antinomie von Freiheit und Determinismus, sondern auch die Zurückweisung des Aberglaubens, nur eine mathematisierte Wissenschaft nach dem Muster von Newtons Mechanik sei wahre Wissenschaft, wie er sich leider auch noch bei Kant findet. Der allzu enge Gebrauch des englischen Wortes »science« kanonisiert dieses Fehlurteil. Als Aberglaube über Begri= und Idee der Wissenschaft hat das dramatische Folgen, und zwar gerade für das Wissen über uns Menschen selbst, also für die Geistes- und Sozialwissenschaften, besonders aber für die Philosophie und ihre Bemühung um ein Wissen des Wissens. Ein solches ist für jede selbstbewusste Wissenschaft nötig, die mehr sein soll als bloß empraktische Teilnahme an eingeübten Formen der Sachbearbeitung. Die Wesenslogik setzt die Zurückweisung der These, die eigentlichen Erklärungen der Erscheinungen würden in den quantitativen, mathematisierten Wissenschaften gegeben, aus der Seinslogik fort. Es geht jetzt gegen den (pythagoräistischen) Aberglauben, (nur) die mathematische Physik habe einen (unmittelbaren) Zugang zur Na-
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tur oder zum wahren Wesen der Dinge und damit zum Unterschied zwischen Schein und Sein, zwischen (Epi-)Phänomen und Wirklichkeit. Die Frage nach der konstitutiven Form der Rede über Wahrheit und Wirklichkeit liegt dabei systematisch vor jeder Frage danach, wie wir als Einzelne oder Gruppe eine Geltung erkennen und die zureichende Erfüllung der Bedingungen hinreichend begründen, in der Mathematik sogar beweisen können. O=enbar ist hier insbesondere zwischen einem generischen Wir oder Man und einem distributionellen Wir oder Alle zu unterscheiden, ganz analog dazu, wie schon Kant zwischen einem transzendentalen Ich und einem empirischen Ich unterscheidet. Eine in der Analytischen Philosophie der Gegenwart übliche Kritik wird auf fast dramatische Weise falsch, wenn man die entsprechenden Sprachformen nicht versteht. So fragt beispielsweise Derek Parfit in seinem Opus Magnum On What Matters noch 2011 in Kritik an Kants Satz, der Mensch sei nur durch Gesetze gebunden, die er sich selbst gegeben hat: »Does this mean that, if I don’t give myself Kant’s Imperative as a law, I am not subject to it?« (p. xlii). Parfit lässt seinen ›Kantianer‹ so antworten: »Du musst dir das Gesetz geben«, um dann festzustellen, dass die Argumentation, so geführt, in der Tat verrückt wäre. Das kommt davon, dass man die zugegebenermaßen in ihrer grammatischen und logischen Form schwierigen generischen Sätze über ›den Menschen‹ und ›das Ich‹ und damit auch in einem entsprechenden Gebrauch von Wörtern wie »man« oder »wir« nicht angemessen versteht. Parfit hätte zwar recht, wenn er monieren würde, dass gerade auch Kant den Unterschied zwischen generischer und universaler Allgemeinheit nicht zureichend beachtet, so dass er allgemeine Sätze über den Menschen oder die Person, auch über die Vernunft und den Willen (in Hegels Modus des An-Sich), allzu oft als allquantifizierte Aussagen über jede Einzelperson liest. Parfit kennt aber den logisch-grammatischen Unterschied selbst nicht. Wie ein Großteil derer, die sich einem gewissen Ausbildungsformat des 20. Jahrhunderts zurechnen, erklärt er den generischen Gebrauch von Wörtern generell für obskur. Man weiß dann aber nicht einmal, dass man auf relativ naive Weise einer vermeintlichen Sprachkritik folgt, wie sie über Fritz Mauthner und Max Stirner auf Hume zurückgeht
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und eine allgemeine Sprachunkultur bis heute prägt. Es wird nämlich in vermeintlich tiefer Weisheit erklärt, dass es ›den Menschen‹ oder ›den Deutschen‹ nicht gäbe, sondern nur Einzelmenschen, und dass insbesondere jede Rede von ›der Vernunft‹ oder ›dem Geist‹ angeblich ›metaphysisch‹ sei. Dementsprechend stellt sich Parfit in die Tradition Henry Sidgwicks, der in Kritik an Kants angeblich extremistischem ›Immer‹ und ›Nie‹ lieber über ein empirisches ›Oft‹ und ›Manchmal‹ zu sprechen vorschlägt. Das führe, wie Parfit fälschlicherweise meint, in eine strengere Betrachtung der Realität relativer Häufigkeiten. Man bemerkt unglücklicherweise nicht, dass man dabei längst über allgemeine Wahrscheinlichkeiten spricht, die in ihrer logischen Form selbst schon generische Sätze sind, in denen probabilistische A-prioriWerte als Grobabschätzung für allgemein zu erwartende Häufigkeiten gesetzt sind. Der rechte Umgang mit Aussagen der Art »Die Wahrscheinlichkeit, dass ein erwachsener Mensch eine Lautsprache sprechen kann (und nicht etwa taubstumm ist), ist größer als 99%« ist also schlicht von der gleichen generischen Form wie der Satz »Der Mensch hat Sprache«. Er ist auch ähnlich ›ungenau‹. Immerhin schließt er die allquantifizierte Lesart aus. Stochastische Setzungen werden übrigens ebenfalls immer nur pragmatisch und damit grob begründet. Parfit reproduziert außerdem eine übliche Kritik an dem angeblich horriden Stil von philosophischen Autoren wie Kant oder Hegel. In der Tat schreckt der extensive Gebrauch von Substantivierungen und ›bürokratischen‹ Nominalisierungen mit dem definiten Artikel einfach denkende Leser ab, sogar solche, die nicht schon vor mathematischen Formeln erschrecken. Dass das Problem an einem Mangel an grammatischem Verständnis generischer Sätze liegen könnte, ferner an falschen Mustern für philosophische Klarheit und Deutlichkeit, wird nicht weiter bedacht. In der englischsprachigen philosophischen Schreibtradition hält man sich an den Essay nach dem von Locke oder Hume vorgegebenen Muster einer Abhandlung. Aphoristische Reflexionen nach dem Muster eines Michel de Montaigne oder Blaise Pascal, später auch Destutt de Tracy und viele andere, prägen den französischen Stil. Schopenhauer und Nietzsche führen im Deutschen diese Stile publikumswirksam
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zusammen, die sich noch sehr an der antiken Rhetorik in der Vermittlung durch die kirchliche Predigt orientieren. Das Ergebnis sind teils erbauliche Selbstverständlichkeiten, teils werden Orakelsprüche als angebliche Thesen ›begründet‹ oder ›widerlegt‹ – oder beides. Übrigens enthält Kants scheinbar bescheidenes Bekenntnis, zu der Eleganz eines Hume nicht fähig zu sein, schon eine ganze Portion Gift gegen den vermeintlich guten Stil der Essayistik. Als allgemeine Diagnose kann man sagen, dass die Gedankenführungen des Deutschen Idealismus bis heute nicht verstanden sind, weil es erst seit kürzester Zeit einigermaßen verlässliche Übertragungen ins Englische gibt. Zuvor war der Inhalt dem mangelnden Verständnis der für ihre Lektüre notwendigen Sprachen Deutsch, Griechisch und Latein, der englischen Vorliebe für einen narrativen Berichts- und Erzählstil und der Perhorreszierung von generischen Titelsätzen und Passivkonstruktionen zum Opfer gefallen. Stilistisch schlägt sich das heute sogar in automatischen Korrekturvorschlägen von Sprachverarbeitungssystemen nieder. ›Lost in Translation‹ ist der passende Titel für diesen Aspekt englischsprachiger Philosophiegeschichten. An den Problemen logischer Sinnanalyse geht eine Rhetorik einfach vorbei, wenn sie mit tautologischem Lob von Klarheit und gutem Stil hantiert und sich in ebenfalls tautologischer Polemik gegen alle vermeintlich oder wirklich obskuren Ausdrucksformen wendet. Dabei machen namenbildende Abstraktoren wie die definiten Artikel etwa in »das Sein«, »das Denken« und sogar »das Nichts« und die entstehenden nominalen Ausdrucksformen die größten Schwierigkeiten, wenn man automatisch ›schließt‹, dass in solchen Fällen angeblich eine mystische Entität gekennzeichnet sei. Wer Artikel nur als Signale für Kennzeichnungen zu lesen vermag, kann sie als reflexionslogische Ausdrucksformen in der Tat nicht begreifen und wird sie daher als angeblich ›metaphysisch‹ aus dem Verkehr ziehen. Grundsätzlich aber sollte als Maxime gelten, dass es praktisch in keiner Sprache überflüssige Ausdrucksformen gibt. Jeder Einsatz eines nominalistischen Rasiermessers wie das des Rechtsaristotelikers Wilhelm von Ockham schneidet mit den gefährlichen Ausdrucksformen auch einen Teil des Nachdenkens, im Bild gesprochen: des Gehirns, mit weg. Daher sollten wir immer in skeptizismuskritischer Weise alarmiert sein,
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wenn vorgeschlagen wird, Wörter wie Wille und Seele, Gott und Geist, Bewusstsein und Vernunft zu vermeiden oder auch die Rede über den Menschen, über Sinn und Bedeutung, Wesen, Wahrheit, Natur und Wirklichkeit. Statt Vermeidung ist sprachtechnische Kompetenz gefragt. Das gilt z. B. auch für den Umgang mit sogenannten infinitesimalen Größen, den ›Di=erentialformen‹ dx und dy in der Mathematik, die synkategorematisch zu verstehen sind. Entsprechend sprechen etwa auch Sätze der Form »Sein Wille wurde gebrochen« oder »His will was overborne by the threat« nicht über einen (mentalen) Gegenstand. Sie drücken nur aus, dass ein Handeln nicht ganz als ›freiwillig‹ gelten kann, obwohl das Tun eine ›willentliche‹ Aktualisierung einer freien Handlung gewesen ist. Folter oder Drohung können also einen Willen nicht eigentlich unfrei machen. Die Handlungsform wird also, das sagt man damit, zwar bewusst und auch willentlich (›absichtlich‹) ausgeführt, man hätte sie auch unterlassen können, aber die Person hätte sich ohne die von anderen erzeugten Zwänge und Drohungen ganz anders entschieden. Der Widerspruch zwischen der Normalregel, dass eine Handlung ein frei gewolltes freies Tun ist im Kontrast etwa zu einem automatischen Benehmen, Verhalten oder Widerfahrnis, zu der Ausnahme, dass manche Handlungen als ›unfreiwillig‹ (»unvoluntary«) gelten, hebt sich so als rein idiomatisch auf: Es handelt sich um einen zwar schon konventionalisierten, aber immer noch ›übertragenen‹ Sinn. Das zeigt sich daran, dass ethisch-rechtliche Zuschreibungen personaler Verantwortung zur Debatte stehen. Unter Umständen geht die Verantwortung von der tätigen Person auf die Personen über, welche durch Drohung oder Folter den entsprechenden Druck ausüben. Hegels Einsicht in die dialektische Logik des Verstehens konkreter Rede und die mit ihr zusammenhängende Forderung nach kompetenter und kooperativer Aufhebung von immer möglichen Widersprüchen im Bemühen um ein Verstehen betri=t neben allen synkategorematischen Gebräuchen von Namen auch alle figurativen Verwendungsformen von Ausdrücken und Satzformen, eben damit o=enbar aber auch die Einsprüche einer bloß erst jugendlichen Metaphysikkritik.
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Erst recht nicht hilfreich ist ein ›Kannitverstan‹ als Verfahren, wie es gerade auch Schopenhauers Kritik an Hegel charakterisiert. Man versucht, die angebliche Sinnlosigkeit eines Textes dadurch aufzuweisen, dass ihn der kluge Kritiker nicht auf Anhieb versteht. Man schließt daraus messerscharf, dass der Text nicht verstehbar sei. Die immer nötige Kooperation zwischen Leser und Autor wird dabei einseitig aufgekündigt. Die meisten Fehleinschätzungen der Entwicklung der klassischen deutschen Philosophie, von Kant über Fichte und Schelling bis Hegel, resultieren in der Tat aus der subjektiv verständlichen Vorliebe für einfachere Denkstile, dem zumeist utopischen Wunsch nach einem rein schematischen Verstehen und aus einem Mangel an historischem Wissen. Hegels angebliche Ablehnung der Evolution, um ein Beispiel zu nennen, richtet sich nur dagegen, bloße Erzählungen zur Phylogenese unmittelbar für philosophisch relevant zu halten. Das sind sie zumeist nicht, selbst wenn es sich um die besten Geschichtsrekonstruktionen handelt, die gerade auf dem Markt sind. Hegel folgt damit Kants Di=erenzierung zwischen Entstehung und Geltung, aber ohne auf die Betrachtung einer systematischen Rekonstruktion einer Begri=s- und Ideengeschichte zu verzichten. Ein verwandtes Problem stellt die bis heute nachhaltig von Hume beeinflusste Popularphilosophie seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert dar, wie sie in der deutschen Tradition zum Wiener und Berliner Kreis führt und sich gegen ›den Idealismus‹ stellt. Man identifiziert diesen ohne tieferes Nachdenken entweder mit Berkeleys Empirismus, einem nachcartesianischen Rationalismus oder mit Kants Verbindungen beider. Diesem von Hegel selbst vehement abgelehnten ›subjektiven Idealismus‹ zufolge gibt es nur das, was von je mir oder uns (im distributiven Sinn eines Allquantors) oder vielleicht auch einem fingierten Wesen klar und deutlich wahrgenommen und/oder gedacht werden kann. Man liest dann Hegel so, dass auch er die Existenz von etwas mit der Denkbarkeit durch einen (unseren?) Geist oder Gott identifiziere. Nichts könnte falscher sein. Es hilft allerdings wenig, wenn ich versichere, dass Hegel das nicht gemeint habe. Andererseits sind Zuschreibungen von Lehrgebäuden an den ›verewigten großen Philosophen‹, ob apologetisch wie bei Karl Rosenkranz oder
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vermeintlich kritisch wie bei Rudolf Haym, als ›Interpretationen‹ dann untauglich, wenn sie sich bloß an einigen scheinbar besonders unmittelbar verständlichen Einzelzitaten aufhängen. Was als Provokation der Leser oder auch bloß als möglich vorgestellte und dann keineswegs vom Autor unterstützte Überlegung zu lesen ist, erkennt man manchmal erst dann, wenn man dem gesamten Text, Absatz für Absatz, einen Sinn geben kann und so allererst verstehbar macht, wie Hegel insgesamt denkt und wie man mit oder gegen ihn zu argumentieren hätte. Berichte über angebliche Thesen Hegels führen dagegen regelmäßig in die Irre. Nur mitdenkend kann man begreifen, worum es überhaupt geht. Merksätze liefern, wie Hegel selbst nicht müde wird zu betonen, bestenfalls skizzenartige Übersichten und Richtungsangaben. Ihre Formulierungen sind nur Wegweiser für ein weiteres eigenes Verstehen. Die Anforderungen an die konzentrierte Mitarbeit des Lesers mag diesem zu hoch sein. Aber es ist auch das Thema, das jede Ungeduld ohnehin verbietet. Wer daher erwartet, lernbare Ergebnisse schnell geliefert zu bekommen, oder nur die einfachen Formen der Darstellung im Erzählen lehrbuchartiger Texte versteht, ist schon ausgestiegen. Das gilt erst recht, wenn man, wie in einem bedingten Reflex, für alle Sätze ›Begründungen‹ verlangt. Weil die schriftliche Form den Redemodus nicht immer eindeutig markiert, ist nicht immer klar, was Hegel selbst in einer Passage jeweils sagen will. Wie mit partiellen Verneinungen in möglichen Distanznahmen des Autors zum Inhalt des Gesagten umzugehen wäre, zeigt zum Beispiel Hegels selbstironische Rede von den ›abstrusen‹ Gegenständen seines logischen Denkens (in einem Brief an Niethammer). Häufig sind dann auch noch die anaphorischen Rückbezüge durch Pronomina wie »es« oder »das« oder »dieses« aus dem Inhalt zu erraten. Andererseits hat Hegel selbst grundsätzliche Probleme mit Kants transzendentaler Analytik und Dialektik: Zwar haben alle Äußerungen Autoren. Empirische Aussagen haben sogar per definitionem einen indexikalischen Weltbezug. Sie beziehen sich also je von hier und jetzt her auf die Umwelt. Dabei spielen die konkreten Sprecher und Hörer in ihren konkreten Beziehungen und gemeinsamen Bezugnahmen aber eine ganz andere Rolle als im Fall zeitallgemeiner Regeln,
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artikuliert durch Sätze. In beiden Fällen ist zwar die je besondere raumzeitliche Perspektivität und die Subjektivität des Wissensanspruchs zu beachten. Das gilt auch für jede normative Bewertung oder Evaluation, etwa in Reflexionsurteilen der Form »Diese Aussage ist wahr«. Auch die Wörter »Wissen« und »Erkennen« sind in ihrer Evaluation hochgradig sprecherbezogen. In der ersten Person kann »Ich weiß, dass φ« daher immer nur eine Versicherung bzw. Selbstbeurteilung artikulieren. Aus der Gewissheit als Haltung zu einem Inhalt folgt aber noch kein Wissen. Ich übernehme zwar mit einer Versicherung eine Verpflichtung, stehe ein für die Verlässlichkeit des Gehalts der Aussage, worin immer dieser besteht. Das beinhaltet zumeist auch, dass ich auf Nachfrage sagen kann, woher ich etwas weiß oder wenigstens sicher glaube. Das gilt für empirische Aussagen ebenso wie für begri=liche Regeln. Die ›Beweislast‹, die ich mit der Aussage übernehme, wie man in Ausweitung einer rechtspraktischen Metapher auf unseren Fall sagen kann, ist aber je konkret im Dialog zu bestimmen, da der Inhalt des Ausgesagten nie völlig kontextfrei ist. Es gibt dann zwar einen Kontrast zwischen »Ich meine, dass φ« und »Ich weiß, dass φ«. Dabei geht die Aussage »Ich glaube, dass φ« über das bloße Bekenntnis oder die Expression einer Glaubenshaltung zumeist schon dadurch hinaus, dass mitversichert wird, der Inhalt der Glaubensäußerung korrespondiere einer ›wirklichen‹ Möglichkeit, mit der zu rechnen sei, was weit mehr ist als die konsistente Denkbarkeit eines Szenarios. Wer daher seine Überzeugung kund tut, an Gott zu glauben, hat damit schon mitversichert, man könne sinnvoll an Gott glauben, was immer das dann konkret bedeuten mag. Daher kann sich auch der Glaubende nicht einfach auf sein vermeintlich absolutes Recht zurückziehen, glauben zu können, was ihm beliebt. Dennoch geht die Ausdrucksform »Ich weiß, dass . . . « über die Form »Ich glaube, dass . . . « weit hinaus. Noch anspruchsvoller wird es, wenn wir nicht bloß einen Wissensanspruch geltend machen oder in allgemeiner Reflexion über ein solches Wissen sprechen, was auch dann möglich ist, wenn man sich des Urteils enthält, sondern behauptet, man wisse, dass φ. Aus »Man weiß, dass φ« folgt der Satz »φ ist wahr«, steht aber trotzdem noch im Skopus des Sprechers oder der ihm zustimmenden Gruppe.
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Mitbehauptet wird, dass derjenige, der das Wissen oder Können nicht teilt, die Beweislast für seinen Zweifel trage – was natürlich seinerseits infrage gestellt werden kann. Es ist daher keineswegs allgemein klar, ob der, welcher an ein Wissen erinnert, den Inhalt seiner Aussagen ›begründen‹ muss, oder der, welcher sich nicht erinnert oder zweifelt, sein Nichtwissen oder seinen Zweifel als allgemein sinnvoll zu rechtfertigen hat. Wir können daher nicht, wie in einem bedingten Reflex, alles begründen, auf alle Fragen der Form »warum« sinnvoll antworten. Schon die Frage, warum 2 + 2 = 4 gelte, ist entsprechend unklar. Denn die Antwort besteht nur im Zeigen und Erläutern unserer Sprachtechnik des Zählens mit Zahltermen und des daran angepassten Addierens. Beweisen zu wollen, dass 2 + 2 = 4 gilt, ist, so gesehen, widersinnig. Ähnlich sinnlos ist, sich beweisen zu lassen, dass die rekursive Ausführung der Operation oder Funktion f (x ) = x + 2 mit 0 als Ausgangspunkt als Nachfolger von 1000 in den Dezimalzahlen 1002 und nicht etwa 1004 liefert. Es geht nie darum, jemanden mit Argumenten ›zu zwingen‹, etwas so . . . und nicht so . . . zu verstehen oder so . . . und nicht so . . . zu handeln. Das Einzige, was man tun kann, ist zu zeigen, wie wir gemeinsam etwas tun können, wie wir vertrauensvoll ho=en, dass die anderen es auch wirklich tun und wie wir jedes Gerede verwerfen, das angeblich ›begründen soll‹, warum man es angeblich nicht lernen könne. Die Kooperation im gemeinsamen Urteilen ist am Ende der einzig wirkliche Aufweis des hier relevanten Verstehens und der hier relevanten Wahrheit. Dabei hat ein bloß erst intuitives Verständnis (oder Unverständnis) nie das letzte Wort. Das Gefühl des Verstehens kann auf eine bloß oberflächliche Befriedigung mit vertrauten Sätzen zurückgehen. Das Nichtverstehen kann an einer Unfähigkeit oder Unwilligkeit des Hörers liegen. Für das Verständnis der Praxis der Setzung und Kontrolle von Wahrheitswerten extrem hilfreich ist hier die Einsicht der sogenannten Regellogik. Sie zeigt, wie Sätze ganz generell so lesbar sind, dass sie allgemeine Schluss- und Rechenregeln artikulieren. Die Wahrheit der Sätze besteht damit in der Zulässigkeit der ausgedrückten Regel. Diese besteht im allgemeinen Fall in der je relevanten Richtigkeit. Zumeist liegt sie darin, dass die Regel eine grob richtungsrichtige Orientierung liefert, gerade so wie gute Wegweiser.
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Es gilt dann ganz allgemein: Sätze sind Regeln. Und Regeln sind Sätze. Entsprechendes gilt für Begri=e als wesentliche Formbestandteile der Sätze. Zeitallgemeine Sätze artikulieren dementsprechend situationsallgemein anwendbare di=erentiell bedingte Inferenzformen. Dabei gibt es allerdings kontextuelle und zumeist implizite Sinnbedingungen angemessener Anwendung, die nicht schon in Regeln der Form »Wenn A, dann B« oder Ausdrucksalternativen wie »Ein A ist ein B« artikuliert sind. Daher ist das gute Regelfolgen oder Satzverstehen außerhalb reiner Mathematik nie rein schematisch und nie nach bloßen Verfahren kontrollierbar. Es ist ›dialektisch‹ in dem Sinne, dass freie Urteilskraft und empraktische Erfahrung vorauszusetzen sind. Es lassen sich insbesondere nie alle Anwendungsbedingungen in Sätzen oder Regeln explizit machen. In der Logik der Rede über die Welt ist daher Searles principle of expressibility hochproblematisch. Urteilen und Schließen besteht nicht nur in der Anwendung expliziter Regeln. Schon Wittgenstein und Karl Bühler zusammen mit der Philosophischen Phänomenologie in der Nachfolge Edmund Husserls, wie übrigens zuvor schon der Logiker Lewis Caroll, haben das gezeigt. Die Artikulation von Sätzen oder Regeln kommt in den meisten Fällen sozusagen zu spät. Das heißt, nicht alle implizit beherrschten Normen und Formen des rechten Unterschneidens und folgernden Erwartens sind vollständig satz- oder regelartig explizit zu machen. Das wiederum bedeutet, dass die praktische Fähigkeit der richtigen Reproduktion von Vollzugsformen dem Folgen expliziter Regeln (mit Regelausdruck) im Allgemeinen vorhergeht. So wie Vollzugsformen (etwa das Ziehen einer geraden Linie) reflexionslogisch durch gegenständlich ansprechbare Formen (wie in der Rede von einer Geraden) explizit gemacht werden, ist auch die Artikulation von impliziten Normen durch explizite Regeln eine ganz besondere, häufig recht späte Tätigkeit. Da die Formen des Unterscheidens und Schließens materiale Formen sind, muss eine allgemeine Logik eine Analyse der Begri=e der (realen) Wirklichkeit und (objektiven) Welt enthalten, die als solche weit über eine Analyse bloß verbaler Formen der Ausdrucks- und Satzbildung und der mit diesen artikulierten Urteils- und Schlussformen hinaus reicht. Das, was wir »(objektive) Wirklichkeit« nennen, ist da-
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bei immer nur das, was wir selbst unseren realen Wissensansprüchen als ›Wahrmacher‹ gegenüberstellen. Fichte entdeckt dabei sozusagen das Gesetztsein des Wirklichen und die Absolutheit der Freiheit im Vollzug des Handelns, gerade auch des Urteilens und der urteilsanalogen Gesamthaltungen zur Welt. Diese Einsicht verständlich zu machen und als richtige Sicht anzuerkennen, ist in gewissem Sinn das zentrale Beweisziel von Hegels Logik.17 Eine besondere Bedeutung erhält Hegels Unternehmung der Ausarbeitung der Ideen Fichtes in der endgültigen Widerlegung einer in den speziellen Naturwissenschaften angeblich unmittelbar erkannten Wirklichkeit und der sich aus diesem Glauben ergebenden Mystifizierungen des menschlichen Denkens, Wollens und freien Handelns innerhalb und außerhalb akademischer Wissenschaft. Wenn dieser Glauben bis heute herrscht, so ist das damit zu parallelisieren, dass der Glaube an Zeus und Helios einen Thales und Heraklit ebenfalls um Jahrhunderte überlebt hat. Aber auch in Urteilen über das Gute dürfen die Sprecher und Hörer nicht einfach wegabstrahiert werden. Im Reflexionsurteil der Form »Diese Handlung (in dieser Situation) ist gut (oder moralisch oder rechtlich erlaubt bzw. geboten bzw. verboten)« artikuliert der Sprecher zugleich expressiv, wie er urteilt, appellativ, wie er möchte, dass andere urteilen, und deklarativ, wofür er einsteht. Dabei gibt es eine gewisse Zweideutigkeit in der Rede von Deklarationen. In einem Gebrauch handelt es sich um die explizite Übernahme einer Selbstverpflichtung, eines Commitments, wie in den Fällen, in denen ich ö=entlich erkläre, dass ich dieses oder jene tun werde oder zu tun versuche, was noch nicht unbedingt ein Versprechen sein muss, sondern bloß erst eine Absichtserklärung sein kann. Auch Steuer- und Zolldeklarationen sind von diesem Typ. In einem anderen Falltyp erklärt etwa ein Priester oder der Standesbeamte zwei Personen zu einem Ehepaar und schließt damit die Ehe. Auch wenn ein Gremium eine mögliche Regel zu einem geltenden Gesetz erklärt, liegt dieser Fall vor. Spielerisch Dass sich Hegel hat neben Fichte begraben lassen, ist weit mehr als nur eine allgemeine Verbeugung vor dessen Person. Es ist ein demonstratives, inhaltlich bedeutsames Signal. 17
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eingeübt werden Deklarationen in einem So-tun-als-ob, etwa wenn ein Stück Holz zu einer Schachfigur, sagen wir dem weißen König, erklärt wird oder zu einem Hund oder einer Person in einem Repräsentationsspiel, wie es Kinder ab einem gewissen Alter lernen und lieben. Ein weiterer Punkt betri=t die Unklarheit in jeder Rede von einem Ding an sich, gerade auch noch bei Kant, auf die wir mit Hegel immer wieder zurückkommen. Wir können trivialerweise kein Ding betrachten oder bedenken und zugleich jede Form der Betrachtung oder des Denkens aus seiner Bestimmung wegabstrahieren, also so über es reden, als würde es gar nicht betrachtet oder bedacht werden. Es gibt auch keinen Referenten einer sprachlichen Bezugnahme, der nicht wesentlich durch das Denken bzw. die denkende, also begri=liche, Bezugnahme mitbestimmt wäre. Es ist dann aber nicht etwa so, wie zumindest jede erkenntnistheoretische Lesart Kants suggeriert, dass das Wahrnehmen und das Denken bloß zwei subjektive Formen unseres Zugri=s auf die Dinge wären, so dass wir nie wissen könnten, was die Dinge an sich selbst sind. Vielmehr ist schon die Vorstellung eines Dinges an sich selbst in Kants Redeform des Ansich in sich widersprüchlich, und zwar weil ein so gedeutetes Ding an sich überhaupt nicht als Gegenstand sinnvoller Rede bestimmt sein kann. Das Argument betri=t aber nicht nur Kant. Es tri=t auch die allgemeine Meinung, unser reales Wissen sei nie ein absolut wahres Wissen, sondern immer nur ein gut begründeter Glaube. Das widerspricht der begri=lichen Unterscheidung zwischen Glauben und Wissen. Die begri=liche Regel, dass aus dem Wissen, dass etwas so ist, die Wahrheit der entsprechenden Aussage folgt, gilt zunächst nur formal, nur abstrakt. Wenn ich sage, dass Peter weiß, dass p, sage ich zwar auch schon, dass p wahr ist. Aber man kann daraus noch nicht schließen, dass p wahr ist. Dinge sind in ihrer Artbestimmung und ihren erwartbaren dispositionellen Eigenschaften nicht unmittelbar in der Wahrnehmung gegeben. Tiere reagieren zwar aufgrund angeborener Reaktionsmuster (Instinkt) und eigener Erfahrung. Aber unsere Bezugnahmen auf Dinge betri=t auch Möglichkeiten, die weit über diese Formen animalischer ›experience‹ hinausreichen. Andererseits berühren die
Wahrheit und Begründung
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Wahrnehmung und ein Common sense nicht nur die Außenansicht der Dinge. Es ist naiv zu glauben, die Physik habe unmittelbaren Zugri= darauf, was es wirklich gibt. Richtig ist dennoch: Nur durch theoretisches Denken gelangen wir zu der Wirklichkeit, die wir den Erscheinungen als Wesen oder Natur (physis) zu Grunde legen und die sich dem unmittelbaren Zugri= bloß durch die Sinne entzieht. Ein noch grundsätzlicheres Problem liegt in einer aufgrund langer Schultradition allgemein verbreiteten Vorstellung von einem begründenden Argumentieren und logischen Schließen. Gemäß dem üblichen ›reduktiven‹ Verständnis einer Analysis sucht man (›abduktiv‹) nach Axiomen und deduktiven Argumenten, um eine These zu begründen. Man meint, man bräuchte eine Übergangsregel von der Form des sogenannten Modus Ponens, um eine These »φ« dadurch zu ›begründen‹, dass man einen zustimmungsfähigen Bedingungssatz »Wenn ψ, dann φ« findet und eine Prämisse »ψ«, für die man dann weiter argumentiert. Am Ende formuliert man die Axiome als erste Prämissen, aufgrund deren Setzung man φ für beweisbar hält, und argumentiert jetzt auf andere Weise, indem man die Axiome für irgendwie intuitiv plausibel erklärt. Sowenig die Menschen in der Antike über die Größe der Sonne nachgedacht haben, so wenig denken Anhänger einer formalen Logik, besonders nach Hilberts und Carnaps axiomatizistischer Wende der Fregeschen Logik und Cantorschen Mengenlehre, darüber nach, dass das Verfahren der logischen Deduktion nur eine Auswicklung formallogischer Verdichtungen ist, wie wir sie in der Technik der Definition komplexer Prädikate in sortalen Bereichen durch Wörter wie »und«, »nicht« und »für alle« lernen. In einem formalen Beweisen von Sätzen geht es nicht, wie man meint, um ein Argumentieren, sondern nur um die Prüfung, ob eine Figur sich nach schematischen Regeln aus einer anderen Figur ergibt oder nicht. In den Figuren selbst geht es nur um formallogische Stenographie. So dienen z. B. formallogisch komplexe Axiome dazu, die vielen wahren Sätze, die aus ihnen in allen Modellen folgen, zusammenfassend zu artikulieren. Die Axiome begründen dabei die deduzierten Theoreme nicht, eher die Theoreme die Axiome. Nur wenn die Axiome für den intendierten sortalen Gegenstandsbereich G , wie z. B. die Zahlen und ihre Relationen, schon
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als wahr bewiesen sind, kann man aus ihnen vermöge ›allgemeingültiger‹ Schlussregeln oder Ableitungsschemata weitere in G wahre Sätze produzieren. Die Allgemeingültigkeit eines formallogisch komplexen Satzes bedeutet dabei nur, dass der Satz eine zulässige Schlussregel für alle sortalen Bereiche artikuliert.18 Für Anwender wie Ingenieure sind Axiome freilich mnemotechnisch sehr hilfreich. In Wirklichkeit liefern also z. B. die Peano-Axiome der Arithmetik bloß deduktiv verfasste Partialbeschreibungen mancher wahren Sätze der Zahlentheorie. Die euklidisch wahren Sätze der Elementargeometrie sind weder durch unmittelbare Beobachtung begründet, noch sind sie empirisch widerlegbar. Sie artikulieren vielmehr ideale Normen der generischen Formbarkeit von ebenen Flächen auf Quadern ›beliebiger Größe‹ und damit die geometrische Urform guter (rechtwinkliger) Dreiecke. Im Grunde ist die Euklidische Geometrie daher eine ideale Theorie architektonischer Planzeichnungen mit Lineal und Zirkel in variablen Größen, so wie eine Grammatik einer Sprache eine formale Theorie der Schemata von Satzbildungen variabler Länge ist. Das generische Normideal der Geometrie verlangt z. B., dass die Summe der Winkel im Dreieck zwei Rechte oder 180 Grad ist. Das ist ein Äquivalent zum berüchtigten Parallelensatz. Dass es in der realen Welt keine wirklich beliebig großen ebenen Flächen gibt, tut wenig zur Sache. Es gibt in ihr auch keine vollkommenen Kreise. Aber nicht nur der Sinn der Deduktionstechnik in mathematisierten Theorien mit Axiomen als Teil übersichtlicher Artikulationstechnik ist weitgehend unbekannt. Noch schlimmer steht es mit den sogenannten ›Thesen‹ in der Philosophie. Auch diese gehören nämlich zu einer stenographischen Methode mnemonischer Verdichtung von Gedanken und werden begründet über die Güte ihrer Folgerungen – Man spricht von einer sogenannten Interpretation der Formeln durch ein sogenanntes Modell, das man als relational strukturierte Menge auffasst und mit einem Element der kumulativen Hierarchie der Naiven Mengenlehre identifiziert. Auf die (hochtechnische) Variante Alfred Tarskis, die Modelle und Interpretationsrelation und damit einen formalen Wahrheitsbegri= für formalisierte Sprachen im Rahmen einer axiomatischen Mengentheorie partiell zu formalisieren, gehe ich hier nicht näher ein. 18
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wobei man hier an die freie Technik des rechten Lesens gnomischer Merksätze zu denken hat, die man schon beherrschen muss, um die orakelartigen Titelsätze auch nur zu verstehen. Diese helfen insbesondere, Texte zu gliedern oder wesentliche Momente einer Überlegung leichter erinnerbar zu machen.
I.4 Das Übersinnliche wirkender Kräfte Die mit der Rede von einem wirklichen Grund der Existenz einer realen Erscheinung und damit der kausalen Ursache verbundenen begri=lichen Probleme einer modalen Logik von Möglichkeiten und Notwendigkeiten waren schon Thema der Abschnitte zur Kraft in der Phänomenologie gewesen. Das Wort »Kraft« überschreibt dabei auch die übliche Vorstellung, dass Dinge auf unseren Leib bzw. unsere Sinne wirken: Es soll von den Dingen eine Art Kraft ausgehen, welche die sinnliche Wirkung verursacht, gerade so, wie eine Billardkugel, die an eine andere stößt, an diese einen Teil ihrer Energie überträgt und damit eine gewisse Veränderung der Bewegung der Kugel bzw. eine Änderung ihrer kinematisch-dynamischen Eigenschaften verursacht. Zentral ist hier Hegels Einsicht, dass die Begri=e der Kraft und der Ursache wie alle anderen modalen Dispositionsbegri=e Verstandesbegri=e sind. Sie gehören zu unserer Form der Darstellung von erwartbaren Möglichkeiten, die von einem empirischen Bericht historischer Ereignisse ebenso zu unterscheiden sind wie von reinen Willkürprognosen. Dazu aber muss man den Unterschied zwischen rein di=erenzierenden Konstatierungen und modal dichten, also inferentiell aufgeladenen begri=lichen Fassungen von Urteilen und deren Begründungen in einem verständigen Schließen allererst begreifen. Das geschieht zwar alles im Rahmen unserer endlichen innerweltlichen Erfahrungen, aber nicht ohne wesentliche Beteiligung symbolischer, d. h. im weitesten Sinn sprachtechnischer Repräsentationen von nicht präsentischen Möglichkeiten. Eine Möglichkeit ist, wie Hegel erkennt, immer eine Allgemeinheit. Daher ist die in der formalen Semantik der Gegenwart extensiv gebrauchte Form der Quantifikation über ›einzelne‹ mögliche Welten so
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irreführend. Es gibt diese nie als reine ›Token‹ oder ›Elemente‹ sortaler Mengen. Die Gegenstände und Mengen der sogenannten MöglicheWelten-Semantik sind, wo sie wohldefiniert sind, rein mathematische Strukturen mit mehr oder weniger schematisch-oberflächlichen Analogien zu unserem wirklichen Reden über mögliche Situationen. Möglichkeiten sind immer generische Allgemeinheiten. Die Zukunft ist eine solche o=ene Möglichkeit. Das ist sie gerade auch in der Form unseres Wissens über die Welt. Die Vorstellung eines perfekten göttlichen Physikers oder Weltarchitekten, der alles vorherbestimmt und vorhersagen kann, steht daher im krassesten Widerspruch nicht nur zu den Tatsachen der Welt, sondern auch zu den kategorialen Begri=sbestimmungen von Zeit und Zukunft, von Möglichkeit und Modalität und damit am Ende auch zum Realbegri= kausaler Erklärung. Wäre es nur dies, was uns Hegels Logik zeigen kann, so bedeutete das schon eine Revolution für alle Philosophie und Wissenschaft. Es ist freilich nicht einfach zu sehen, dass und wie Hegel diese Einsichten aus der folgenden Frage entwickelt: Wie ist der Begri= der Kraft bzw. der Energie und dann auch der Begri= der kausalen Verursachung im Sinne einer causa e;ciens zu begreifen? Die erste, rahmenartige Antwort auf diese Frage im Abschnitt Kraft und Verstand der Phänomenologie sagt das Folgende: Der Begri= der Kraft bestimmt das Ansichsein der Dinge als Anfangsgrund einer Wirkungskette möglicherweise wahrnehmbarer Erscheinungen. Das geschieht systematisch, also im Rahmen eines Systems von Gesetzen für normale Fälle, also im logischen Modus generischer Allgemeinheit. Ein Ansichsein der Dinge gibt es nur in unseren generischen Darstellungen ihrer Seinsweise, zumeist vermittelt über den Normalvollzug eines prototypischen Gegenstandes der zugehörigen Gattung oder Art. Kants sinnlose Deutung der Rede von einem Ding an sich wird bei Hegel, wie in der Normalsprache, verstanden als Aussage über einen Artform. Erst in einer begri=lichen Verknüpfung der Wahrnehmung eines Einzelfalles mit einem verständigen Urteil über seine Art sind die Gegenstände, auch körperliche Dinge, in ihrer Konkretheit, ihrem An-und-für-sich-sein, also der Manifestation ihrer Artform bestimmt. Das geschieht in der Rede über ihre je besonders ausgeprägte einzelne Realisierung oder Aktualisierung.
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Das Einzelne ist dabei immer schon Besonderheit einer Allgemeinheit. Besonderheiten aber lassen sich grundsätzlich selbst als Subspezies allgemeinerer Gattungen thematisieren. Daher ist der Kontrast zwischen genos oder Gattung, eidos oder Art und schließlich dem einzelnen Gegenstand nicht einfach extensional, quantitativ, d. h. klassenlogisch oder mengentheoretisch, als sortale Oberklasse, Teilmenge und Element zu verstehen. Es handelt sich vielmehr um die auf vielfältige Weise anzuwendenden kategorialen Momente der generischen Allgemeinheit, eidetischen Besonderheit und singulären Einzelheit im je konkreten Redebereich. Es erhellt schon jetzt, dass die physische Natur der Körperdinge, ihr Wesen, nicht einfach gegenstandsartig, sondern prozessförmig zu begreifen ist. Das Sein eines Dings ist wie das Leben eines Lebewesens ein Sein im Vollzug. Es ist empirische Aktualisierung einer Seinsform in der Zeit. Zwar ist jeder perzeptivische Zugang zu einem Ding je momentan, präsentisch. Er findet im Dasein hier und jetzt statt. Aber Dingerfahrungen gehen im Unterschied zu reinen Reaktionen animalischer experience weit darüber hinaus. Sie setzen eine denkende Bezugnahme auf das Sein des Dinges voraus. Eben das verlangt immer schon Verstand und Vernunft. Der Verstand besteht im richtigen schematischen Umgang mit generischem Wissen als Ausdruck impliziter materialbegri=licher Inferenznormen, welche die notwendigen oder normalen dispositionellen Eigenschaften des Dinges nach allgemeinem Genus und besonderer Art generisch oder an sich bestimmen. Freie Vernunft wird nötig schon bei der urteilskräftigen Subsumtion konkreter Sachen unter einen Begri= und bei der Beurteilung möglicher Ausnahmen oder auch von tropischen, frei figurativen Redeformen. Schematische Inferenznormen kanonisieren auf formale bzw. abstrakte Weise so genannte Default-Schlüsse oder, einfacher gesagt, Normalerwartungen. Sie werden unter anderem artikuliert in einem System von Naturgesetzen, die uns sagen, was unter begri=lich di=erentiell bestimmten Bedingungen in der handlungsfreien Welt von sich aus geschieht. Natur im engeren Sinn ist also das, was ohne weitere Intervention durch uns handelnde Menschen geschah, ge-
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schehen wird oder geschehen würde bzw. zu erwarten ist. Womit man dabei aber als ernst zu nehmende Möglichkeit rechnen sollte, das sagt uns unser Allgemeinwissen.
I.5 Verstandeswelt der Gesetzmäßigkeiten Was heißt es nun, den Dingen entsprechende Kräfte und Dispositionen zuzuschreiben? Die Rede von einem Besitz von Fähigkeiten oder einem Bestehen einer Möglichkeit hat dabei schon reflexionslogisch die Verwandlung von Zuschreibungen in bewertete Inhalte solcher Zuschreibungen im Rücken, gerade so wie der Begri= des Unterschieds ein Unterscheiden oder der Begri= der Identität ein Gleichsetzen. Wahre transzendentale Analyse ist Analytik präsupponierter Formen und hat als solche diese Verwandlungen zu erkennen und darzulegen. Der Weg der Präsuppositionsanalyse führt so von einem unterstellten Unterschied zwischen Wesen und Erscheinung zur Praxis unserer Unterscheidung zwischen wahren Aussagen und oberflächlichen Meinungen, epist¯em¯e und doxa. Das Unterscheiden beginnt hier schon im enaktiven Umgang mit den Fernsinnen des Hörens, Sehens und Riechens im Kontrast zu den Nahsinnen des Schmeckens und Ertastens. Schon Tiere können und müssen so die ›Ur-Sache‹ sogenannter Sinneseindrücke, Impressionen, eruieren und können sich dabei täuschen. Das bleibt bei ihnen aber in der Sphäre einer ausgedehnten Gegenwart und ihrer Präsentationen. Selbsterzeugte Repräsentationen, die über bloße Signale hinaus gehen, gibt es nur im symbolischen, vorzugsweise sprachlichen Handeln. Erst in Problemfällen, wenn wir uns täuschen, wendet sich die Aufmerksamkeit auf die Unterschiedlichkeit der Sinne. Im Normalfall ist Perzeption holistisch, auf die Sache, nicht auf sich selbst fokussiert. Im vollen Begri= menschlicher Wahrnehmung aber ist die wahrgenommene Sache schon von anderen Sachen begri=lich unterschieden. Ein Ding als von einer gewissen Art wahrzunehmen, heißt daher zumeist schon, empraktisch zu urteilen, dass das Ding bestimmte Eigenschaften hat. Die Eigenschaften sind Dispositionen des normalen Wirkens. Explizit und damit bewusst werden solche
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Urteile erst über die Vermittlung von Sätzen der Form »N hat die Eigenschaft E «. Für ein bewusstes Wahrnehmen von etwas als etwas reicht daher weder bloße Vigilanz (Wachheit) noch eine bloß auf die präsentische Umwelt gerichtete Aufmerksamkeit (awareness, attention) aus. Hier trennt sich das bewusste Wahrnehmen als personale Fähigkeit von bloß erst animalischen Perzeptionen. Worin besteht dann aber konkret die bewusste Wahrnehmung eines objektiven Gegenstandes und wie ist zwischen erfolgreicher Wahrnehmung und irrtümlicher Wahrnehmung zu unterscheiden? Zur Beantwortung der Frage bedarf es einer Reflexion auf das Verhältnis zwischen den Akten des Wahrnehmens und den immer schon verstandesgeleiteten Wahrnehmungsurteilen, samt einer Erläuterung, wann ein Wahrnehmungsurteil wahr ist. Es ergibt sich aber gleich eine systematische Ambiguität sowohl in Bezug auf diese Wahrheit als auch auf den Gegenstand der Wahrnehmung. Denn wir alle, nicht etwa nur irgendwelche Philosophen, unterscheiden zwischen Erscheinungen – wie uns also die wahrgenommenen Dinge erscheinen – und dem je wahrgenommenen Ding (›an und für sich‹) bzw. seinen wirklichen Eigenschaften. Wir sagen etwa, dass der Stab im Wasser geknickt aussieht, in Wirklichkeit aber nicht geknickt ist. Wie aber ist diese Unterscheidung zwischen Erscheinung und objektiver Wirklichkeit konkret zu verstehen? Das ist die zentrale Frage jeder sinnkritischen Philosophie und steht im Zentrum der Analysen von Hegels Wesenslogik. Um die Frage aber überhaupt stellen zu können, muss man schon bemerkt haben, dass wir uns gerade dann, wenn wir einen Unterschied zwischen Erscheinung und objektiver Wirklichkeit nur unterstellen, erst noch in einem abstrakten Denken in Hegels Sinne herumtreiben, also nur erst formal denken. Während eine unmittelbare sinnliche Gewissheit weder an sich (also generisch, allgemein, für typische Fälle) noch für sich (also in einem empirischen Bezug) Begri= ist, ist die Wahrnehmung, wie sich Hegel ausdrückt, an sich Begri=. Das ist so, weil das jeweils Wahrgenommene immer schon begri=lich von Anderem di=erenziert ist. Die Wahrnehmung besteht selbst schon in einem Wahrnehmungsurteil
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mit inferentieller Kraft. Jedes wahrnehmende Bewusstsein ist daher längst schon konzeptuell verfasst. Der Inhalt der Wahrnehmung und der Inhalt des möglichen Wahrnehmungsurteils sind ›identisch‹. Das sagt auch John McDowell in Mind and World.19 Dabei sehen wir bei Hegel, dass diese ›Identität‹ aufruht auf einer gelernten Zuordnung, welche nur im Idealfall die Form einer Äquivalenzbewertung annimmt. Durch diese werden Wahrnehmungen nicht bloß unter gewisse sprachliche Obertitel sortiert. Es werden ihnen auch Untertitel beigegeben, in welchen eine Vielzahl von Präsentationen und Re-Präsentationen des Wahrgenommenen von uns auf allgemeine Weise einander schon zugeordnet sind. In unseren wahrnehmenden Weltbezug sind also immer schon begri=liche Schemata der generischen Di=erenzierungen des Wahrgenommenen und zugehörige inferentielle oder dispositionelle Normalerwartungen eingelassen. Man sagt dazu, dass wir unseren Verstand gebrauchen. Gemeint ist die Fähigkeit, Formen oder Normen des richtigen Di=erenzierens, Identifizierens und empraktischen bzw. verbal expliziten Schließens anzuwenden. Der Verstand ist also das Knowhow oder die Kompetenz des Umgangs mit Schematisierungen oder, wenn man will, mit normativen Regelungen des richtigen Unterscheidens (Urteilens) und empraktischen inferentiellen Schließens. Hinzu kommt das Vermögen der vernünftigen Reflexion auf den je konkret angemessenen Umgang mit Regeln und Prinzipien. Nach meinem terminologischen Vorschlag sind solche Regeln und Prinzipien immer schon (also a fortiori) in der einen oder anderen Form satzförmig repräsentiert. Es gibt also schon symbolische Handlungen, in denen die äußere Form oder der Ausdruck der Regel oder des Prinzips präsentiert bzw. repräsentiert werden kann, und es gibt Bewertungen der formalen Äquivalenz solcher Präsentationen und Repräsentationen. Soweit Handeln immer schon partiell explizit reflektiert ist – nur dann ist es bewusst –, setzt Handeln ein Sprechhandeln voraus. In der normalen Wahrnehmung sind also die wahrgenommenen Dinge schon begri=lich gegliedert. Das wahrnehmende Bewusstsein John McDowell, Mind and World, Cambridge / Mass.: Harvard Univ. Pr. 1994. 19
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selbst aber ist ›das Begri=liche‹. Es besteht, besser gesagt, in der begri=lichen Bestimmung von Wahrnehmung. Das ist am Ende auch der Grund, warum das Bewusstsein sich in der wahrnehmenden Erkenntnis des Gegenstandes selbst erkennt. Diese Aussage klingt nur dann wie ein Panpsychismus, wenn man das Thema aus den Augen verloren hat. Das gilt insbesondere auch für die Formel »Alles ist Bewusstsein«. Als provokativer Satz drückt sie nur einen absoluten Realismus in Bezug auf unsere wirklichen Weltbezugnahmen, Urteile und Schlüsse aus. Wir setzen dabei immer schon ein generisches Vorherwissen über den Gegenstand an sich, also seine Artform, voraus. In präsentischen Bezugnahmen zeigt sich das Fürsichsein einer Sache – also die Relationen der Sache bloß zu sich selbst – gemäß den Identitätsbestimmungen der Art der Sache. Äußere Form und Inhalt unterscheiden sich dabei je in Abhängigkeit vom relevanten di=erentiellen Aspekt. Es gibt keine Inhalte ohne die sie tragenden Formen, die als inhaltsgleich bewertet werden. Und es gibt keine Formen ohne empraktisch als formgleich gewertete oder bewertbare Repräsentationen, die erst durch die Unterstellung dieser Bewertung von Formgleichheiten zu Repräsentationen der Form bzw. dann auch des Inhalts werden. Alles Geistige ist Formkompetenz, die als solche rezeptiv ist, nämlich im unterscheidenden Verstehen, aber auch produktiv in der Herstellung geformter Gestalten. Man denke zunächst an Laut- und Schriftformen, dann an inhaltliche Di=erenzierungsformen und Inferenzformen, in einem gestuften Aufbau von Formen und Inhalten mit gröberen und feineren Äquivalenzen für Formen und für Inhalte. Die Inhalte von Wörtern und Sätzen verschiedener Sprachen sind zum Beispiel dann im Wesentlichen identisch, wenn sich die Di=erenz- und Inferenzformen einander zuordnen lassen, so wie die von »eins« und »one« oder die von »Vater« und »pater«. Dabei ist eine mehr oder weniger gemeinsame Beurteilung der Form- und der Inhaltsgleichheiten schon unterstellt. Eine solche Gleichheit ist immer bloß Negation der Negation: Als gleich gilt, was zu unterscheiden als irrelevant zu bewerten ist. Unsere Unterscheidung zwischen (einzelnen) Dingen in einem Raum von sich bewegenden und sich verändernden, ja oft auch sich
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auflösenden, also verschwindenden Dingen (Körpern) ist nun nicht einfach so zu verstehen, dass wir das einzelne Ding völlig kontextfrei und unabhängig von seiner Form der Bewegung und seiner Form des sich Veränderns oder sich Entwickelns identifizieren könnten. Uns sind die Dinge nicht wie Murmeln oder Billardkugeln in einem Sack gegeben, die wir dann irgendwie zueinander in Bewegung setzen und dabei, erstens, selber Kraft aufwenden, so dass wir am Ende, zweitens, die Bewegungen der Murmeln oder Kugeln als durch bewegende Kräfte verursacht darstellen können. Der Begri= der Kraft ergibt sich, wie Hegel erkennt, vielmehr mit materialbegri=licher Notwendigkeit daraus, dass der Verstand, also wir in unseren sprachlichen Schematisierungen, die Welt, in der sich die Dinge relativ zueinander bewegen und in der sie sich ändern, einerseits in sto=liche Dinge, andererseits in dingleere Räume einteilen. Dabei unterstellen wir ›momentane‹ räumliche Relationen, indem wir an den Bewegungs- und Veränderungsformen des Werdens das Räumliche vom Zeitlichen abtrennen. Raumausdehnungen werden dabei als extensional gleich bewertet, wenn sich feste (›starre‹) Körper wie Quader in sie als ›Hohlformen‹ ohne Rest einpassen lassen – was ihre Beweglichkeit voraussetzt. Unsere Vorstellungsbilder von synchronen Ruhelagen der Dinge zueinander haben diese Praxis im Rücken. In unseren Darstellungen von Welt spielen dann Erklärungen für die realen relativen Bewegungen der Dinge zueinander durch sich wiederholende Bewegungsformen bzw. dann auch von Veränderungen durch Prozessformen eine zentrale Rolle. Es ist eben daher die (potentielle) Bewegung der Dinge zueinander im Wesentlichen dasselbe, was Kraft genannt wird, wie Hegel sagt – wobei wir sozusagen einen synchronen Schnitt durch die Welt betrachten, in dem alle Dinge (mangels jeder Ausdehnung von Zeit) als gegeneinander momentan in Ruhe vorgestellt werden. Mit anderen Worten, der Begri= der Kraft ist wesentlich abhängig von unserer Einteilung der Welt in räumlich situierte Dinge und in Bewegungen bzw. Veränderungen, welche in der empirischen Dimension der Zeit aktual ablaufen. Die Vermittlung übernehmen Formen generischer Bewegung oder Veränderung. Wir projizieren also Kräfte als potenzielle Wirkungen in Bezug auf Relativbewegungen anderer Dinge in die Dinge und verteilen sozusagen die
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Beiträge für die Änderungen der Gesamtkonstellation auf die räumlich lokalen, endlichen Dinge. Insofern wir das gelernt haben, ist es ›der Verstand‹, der das alles tut. Seine Grundlage ist eine allgemeine, materialbegri=liche Erfahrung, dass Dinge eine Weile lang trotz aller Relativbewegungen und Veränderungen mit sich gleich bleiben bzw. wiedererkennbar sind. Worauf es Hegel hier ankommt, ist dies, dass der Begri= der Kraft ein theoretischer Begri= ist, sogar eine Art Kategorie unserer gedanklichen Darstellung von Welt und als solcher im Unterschied zu präsentisch kontrollierbaren Bewegungen gerade nicht unmittelbar empirisch wahrnehmbar ist. Relativ unmittelbar wahrnehmbar und erfahrbar sind nur Veränderungen an und Relativbewegungen zwischen präsentischen Dingen, nicht die Kraft, die ›der Verstand‹ als ihre Ursache postuliert. Anders gesagt, die Beziehung zwischen Kräften als Verursachungen von Bewegungen oder Veränderungen der Dinge und den Wirkungen in den real stattfindenden Bewegungen und Veränderungen ist eine materialbegri=liche, keine empirische, aber auch keine bloß analytische, nur auf der Ebene der verbalen Ausdrücke oder Symbole definierte Beziehung. Die Kraft als wirkender Grund ist gerade kein empirischer Gegenstand, sondern in der eben vorgetragenen Überlegung mit begri=licher Notwendigkeit als ein reines Gedankending des Verstandes ausgewiesen, freilich als ein solches, das längst schon begri=lich mit seinen Erscheinungen verbunden ist. Allerdings spüren wir die Kraft unserer Arme und den Widerstand der Dinge. Aber gespürte Kraft verhält sich zum Begri= der Kraft wie eine Vollzugsform zu einer Reflexionsform. Analoges wie für die Kraft gilt für den Begri= der Ursache, wie Hegel in der Wesenslogik näher ausführt. Wenn wir generische Abläufe darstellen, sagen wir, dass die typischen Vorgänger-Ereignisse die Nachfolge-Ereignisse ›verursachen‹. Hegel widerspricht der Meinung, das Innere als System innerer Kräfte sei nicht erkennbar. Die vermeinte Unerkennbarkeit liegt nicht etwa an der Kurzsichtigkeit unserer Anschauung etwa im Vergleich zu einem Engel mit schärferen Sinnen und schnelleren Reisemöglichkeiten oder gar einem überzeitlichen, damit aber auch schon außerweltlich vorgestellten Gott. Das wahre Problem ist, um es in einer Plattitüde zu sagen, dass Kräfte und Ur-
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sachen generische Denkgegenstände sind. Sie sind Momente von Darstellungsformen, die aber nur dort funktionieren, wo sie funktionieren. Die realen Formen, wie sich die Kraft äußert, ist das, was wir metaphorisch das Innere nennen. Die Kraft selbst ist, ganz allgemein gesehen, leere Form, die gegebenenfalls so tautologisch sein kann wie Molières Erklärung des Einschlafens durch eine »Schlafkraft«, »vis dormitiva«. Kräfte und Dispositionen sind insofern etwas »Übersinnliches«, als sie gewissermaßen den Dingen modal zugeschrieben werden, aber ho=entlich gerade so, dass sich im Sinnlichen und Wahrgenommenen zeigt, wie sich Erscheinungen als Erscheinungen eines Wesensgrundes »wahrhaft« und »allgemein« erklären lassen. Damit wird, wie Hegel selbst explizit erklärt, ›die Welt des bloß sinnlichen Wissens‹ aufgehoben. Es wird eben so von der ›wahren Welt‹ der Erklärung der Erscheinungen abgehoben. Wichtig ist nun noch, dass wir unsere eigenen Modelle oder Weltpläne ändern, genauer, dass sie sich im Laufe des Fortgangs und der Entwicklung der Wissenschaft ändern. Das bedeutet, wir müssen unterscheiden zwischen einem Ideal stabilen Wissens bzw. einer ewigen, situationsinvarianten allgemeinen Wahrheit auf der einen Seite und dem, was je zu unserer Zeit als reales Wissen erreichbar ist, auf der anderen. Dabei gilt es den Fehler zu vermeiden zu glauben, dass unser reales Wissen Pseudowissen sei, da es nie ›absolut wahr‹ sei. Unsere Ideale artikulieren immer bloß Richtungen. Wir wissen, dass es keine perfekte Zielerreichbarkeit gibt, gerade so, wie es keine perfekten Kreise in der realen Welt gibt. Auch alle kartenförmigen Modelle sind nie ›absolut wahr‹. Man muss sie anzuwenden wissen. Zugleich befinden wir uns in der realen Wissenschaft sozusagen dauerhaft auf einer Art Baustelle. Indem man daraus aber ›schließt‹, die Rede von Wahrheit und Wissen sei völlig leer, verkennt man den reflexionslogischen Status idealer Redeformen. In schöner Liebe zu einem Pluralismus meint man, es gäbe keine Idealform, keinen normativen Bauplan und keine erreichbaren Zwischenziele in unserem Bau lehrbaren Wissens, keine Systeme hinreichend situationsübergreifender Gesetze. Diese wünschen wir
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uns idealiter als ›ewig verlässliche‹ Formen des Schließens, gerade auch für Prognosen, was weiter geschehen wird oder zu erwarten ist. Aber wir wissen, dass diese ›Ewigkeit‹ nur formal gilt. Das Interesse an der Einheitlichkeit und Allgemeinheit eines Systems der Gesetze motiviert dennoch unsere Versuche, solche einheitlichen Systeme zu scha=en. In diesem Punkt stimmt der Logische Empirismus Carnaps und Quines mit Hegel sogar überein.
I.6 Kontraste mit begri=lichen Normalfallinferenzen In seinen logischen Überlegungen zum Inhalt von Aussagen und zum Weltbezug gerade auch von Namen stützt sich Hegel auf die Vorüberlegungen des Aristoteles und des Spinoza erstens zu dem, wie wir etwas über etwas aussagen können, und zweitens, was eine Substanz überhaupt sein könnte. Eine aristotelische Substanz wird nach dem Paradigma des Menschen oder eines höheren Lebewesens modelliert. Dessen Identität und Individualität ist mit seinem Sein und Leben einfach mitgegeben. Daher kann man es taufen, ihm also einen Namen als rigiden Designator im Sinne Saul Kripkes zumindest für die Epoche seines Seins, etwa die Zeit des Lebens, zuordnen. Spinoza sieht hier, wie schon Heraklit (und viele andere), dass das einzig wirklich Bleibende in der Welt der Veränderungen aller Dinge die ganze Welt selbst ist. In ihr spielen sich alle realen Prozesse ab. Es gibt also nur eine bleibende Substanz, die ganze Welt. Sie oder das gesamte Sein ist das einzige Absolute. Spinoza nennt dieses Ganze »Natur«. Hegel selbst spricht schon in dem Text Metaphysik, Logik, Naturphilosophie von 1804/5 von Welt. In der Welt, in der wir leben, unterscheiden wir die Natur als das handlungsfreie Geschehen von der Welt des individuellen und gemeinsamen Handelns, auch des Sprechhandelns oder Denkens, ebenso der Handlungsfolgen. Außerdem nennen wir häufig nur das Natur, was gegenstandsförmig besprochen wird. Das Sein als Vollzug ist noch nicht von dieser Form. Es ist daher als Sein gar kein Objekt der Naturwissenschaft. Eine Form ist als solche eine generische Allgemeinheit in ihrer Reproduzierbarkeit.
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I.7 Sinnäquivalenzen und Identitäten als Negation der Negation Die begri=liche Abhängigkeit jedes Unterschieds von einem Unterscheiden war schon genannt worden. Ein Unterschied ist eine Unterscheidung, die man gemeinsam tre=en kann und in gewissen Redekontexten tre=en sollte. Was immer wir aber als Besonderes unterscheiden, etwa als Klasse, Art oder dann auch als einzelnen Gegenstand bestimmen, es ist als Negation der Negation bestimmt. Das heißt, es ist so bestimmt, dass feinere Unterscheidungen als irrelevant für die entsprechende Bestimmung des Gegenstands der Rede zählen. Sprechen wir zum Beispiel von dem Menschen an sich, dann spielt die Unterscheidung zwischen Mann und Frau (in gewissem Sinn) keine Rolle. Sprechen wir von rationalen Zahlen, dann spielt die Unterscheidung zwischen verschiedenen Brüchen als unterschiedliche Vertreter derselben Zahl keine Rolle. Dasselbe gilt für alle Aussagen über generische Gegenstände an sich, etwa den Löwen20 oder den Deutschen an sich. Details sind hier nicht so wichtig wie die Einsicht in die allgemeine Form abstrakter Reden über das, was an sich gilt, im Kontrast zu dem, was etwas für sich, in reiner Beziehung auf sich selbst ist. Es ist außerdem immer wieder daran zu erinnern, dass »Fürsichsein« Titel für alle Relationen x R y ist, für welche in Bezug auf eine relevante Gleichheit x = y folgt. So ist z. B. die Relation mk = nl zwischen ganzen Zahlen eine Relation des Fürsichseins zwischen Brüchen für die rationale Zahl m/n = l /k . Es gibt keinen Gegenstand der Rede ohne Festlegung des Fürsichseins als Relation der Gleichgültigkeit für Präsentationen und Repräsentationen des Gegenstandes. Diese Einsicht in die logische Verfassung (semi-)sortaler Gegenstandsbereiche mit ihren Individuen und deren Identität kann gar nicht überschätzt werden. Es handelt Der definite Artikel markiert dabei nicht in erster Linie eine Kennzeichnung, wie man in der formalanalytischen Philosophie nach Russell weithin meint, sondern reflexionslogische Abstraktionen. Dabei sind die logischen Formen der generischen Abstraktion einer Artbestimmung (»Der Löwe frisst Impalas«) von einer ideativen Abstraktion (»Der reine Kreis hat nur einen Punkt mit einer Tangente gemeinsam«) durchaus noch zu unterscheiden. 20
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sich um eine logische Fortentwicklung von Kants Konstitutionsanalyse des Redebereiches der Dinge, und zwar vor dem Hintergrund einiger Kenntnis aus der Geschichte der Mathematik und Philosophie. Frege spricht später so, als sei der Sinn einer Kennzeichnung die Art und Weise des Zugangs zum gekennzeichneten Gegenstand. Im Fall eines Wertverlaufnamens ist das eine Wahrheitswertfunktion, im Fall einer Menge oder Klasse von Gegenständen ist es ein Prädikat, das genau diesen zukommt. Nun ist aber der Sinn eines prädikativen Begri=s keineswegs auf die Art und Weise der Klassifikation zu reduzieren, und das nicht einmal im engen Bereich der Arithmetik. Der prädikative Ausdruck ist nämlich in gewissem Sinn immer auch Träger von inferentiellen Inhalten. Wir sind, heißt das, an so und so benannten Klassifikationen nie rein für sich interessiert, sondern immer nur deswegen, weil für die Gegenstände der Klasse noch weiteres gilt oder geschlossen werden kann, und zwar entweder für alle oder für die meisten oder wenigstens für gewisse paradigmatische Normalfälle. Die neuere Logik fokussiert dabei, wie in der Mathematik notwendigerweise, auf universale oder allquantifizierte Folgerungen ohne jede Ausnahme. Diese Fokussierung ist formalistisch und gilt nur für die reinen mathematischen Ideen, die reinen Zahlen, Mengen und Formen. Das Problem betri=t gerade auch noch Kants irreale Vorstellungen von vollständigen definitorischen Fallunterscheidungen. Denn die meisten prädikativen Unterscheidungen und inferentiellen Schlussformen, mit denen wir in der Sprache realiter operieren, sind generisch-allgemeine Normalfallschlüsse oder Defaultschlüsse, für deren gute Einzelanwendung wir erstens ein tiefes Vorwissen brauchen und zweitens Urteilskraft, welche Ausnahmen sozusagen filtert. Das geschieht in einer dialektisch-dialogischen Logik der Bestimmung kontext- und sprechaktbezogener Inferenzerlaubnisse auf Seiten des Hörers sowie der Kontroll- und Begründungsverpflichtungen auf Seiten des Sprechers: Erst in der Konkretisierung des Allgemeinen durch das Besondere im partikulären Sprechakt werden allgemeine Inferenzformen richtig angewendet. So gilt zwar an sich, im Prinzip, dass Katzen vier Beine haben. Wenn aber die Katze Emily einen Unfall hatte, dann kann man vielleicht nicht mehr schließen, dass sie vier Beine hat. Dennoch ist sie
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noch eine Katze. Wenn es auf die Zahl der Beine ankommt, muss der Sprecher uns vom Sonderfall informieren, um falsche Normalfallerwartungen gar nicht erst aufkommen zu lassen. Wenn ich meiner Tochter zu Weihnachten eine Katze verspreche, so darf diese weder eine Plüschkatze sein noch eine dreibeinige Katze, es sei denn, ich hätte sie vorgewarnt. Das ist ein Beispiel für die dialogische Dialektik des akkuraten Redens und des Normalfallverstehens. Alle konkreten Gegenstandsbezüge sind Bezugnahmen an und für sich. Man muss, heißt das, erstens das Genus oder den Redebereich kennen. Man muss also wissen, wovon allgemein die Rede ist, etwa von Kaninchen statt von Kaninchenschwänzen oder einem bloßen Vorbeihuschen von irgendetwas. Der entsprechende Verweis auf W. V. O. Quines Überlegungen zur logischen Ontogenese der Referenz liegt hier nahe. Wenn man nämlich auf ein ganz bestimmtes Kaninchen verweisen möchte, ist zumindest die Gattung (des Tieres) und die Art (eben der Kaninchen) vorauszusetzen. Dieses ist dann ggf. noch in seiner besonderen Identität zu bestimmen, vielleicht in der Deixis oder durch eine Kennzeichnung, die als solche einen Zugang zum Fürsichsein des Gegenstandes liefert, so wie mein Dasein, mein Name oder eine Anrede einen Zugang zu mir bietet.
I.8 Das Objektive im Sein und Wesen, das Subjektive im Begri= Die Seinslogik ist objektive Logik, insofern der Modus der Analyse die Redeformen sind, in denen wir über qualitative Unterschiede in der Welt und über Gegenstände, Objekte, Gegenstandsmengen und Anzahlen sprechen. Gerade wenn wir von reinen Größen wie in der Arithmetik sprechen, scheinen wir die einzelnen Subjekte aus der Analyse ganz ausklammern zu können, was dort nicht der Fall ist, wo noch auf ein empirisches »Dies« oder »Hier« verwiesen ist. Die ›objektiven‹ Geltungen setzen eine gemeinsame Bezugnahme voraus. Insbesondere werden Geltungsbedingungen, die wir als gemeinsam erkannt und anerkannt unterstellen, als erfüllt oder nicht erfüllt beurteilt. Nur im unmittelbaren, wenn man will, noch naiven Zugang werden die Themen der Wesenslogik wie die Wirklichkeit im Kontrast
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zu einem bloßen Schein oder einer oberflächlichen Erscheinung als ›objektive‹ Gegenstände behandelt, also noch nicht als Formen des subjektiven Weltbezugs. Allerdings tritt schon im Streit darum, was für welche Zwecke das rechte Maß und die passenden Maßeinheiten sind, ein gewisses ›subjektives‹ Element in die nur scheinbar völlig ›objektive‹ Haltung zu Qualitäten, Quantitäten und den Ergebnissen von Messungen ein. Insbesondere Fragen der Relevanz führen zu einer verstärkten Betrachtung der sprechenden und hörenden, begründenden und nachfragenden Subjekte. Aber schon die subjektiven Betonungen des Sprechers, die emphatischen Versicherungen, seine Aussagen seien wahr, seine Erklärungen träfen das Wesen und die Wirklichkeit, nicht bloß eine oberflächliche Realität der Erscheinung, die zufälligerweise so ist, wie sie ist, zeigen das Problem, das Hegel in der Wesenslogik entwickelt. Es ist, wie man am Ende sieht, ihr subjektiver Gebrauch mit performativer Emphase in Deklarationen und Versicherungen zu unterscheiden von ›objektiven‹ Aussagen über ›zureichende‹ Erfüllungen der ›wesentlichen‹ begri=lichen Bedingungen, ausgedrückt in allgemeinen Normalfalldifferenzen und Normalfallinferenzen. Interessanterweise sind gerade die ›nichtempirischen‹, ›begri=lichen‹ Wahrheiten, die zeitallgemeinen Sätze der Begri=slogik in dem Sinn ›subjektiv‹, als sie von uns gesetzt sind, während die ›empirischen‹ Feststellung qualitativer Unterscheidungen ›objektiv‹, weil ›rezeptiv‹ sind. Diese ›verkehrte Welt‹, in der das allgemein Wahre als subjektiv und die perspektivenabhängige Rezeption der Perzeption als objektiv erscheint, ergibt sich daraus, dass die theoretischen Normalfallinferenzen als allgemeine Normen des rechten Unterscheidens und Schließens a priori zu kanonisieren sind – während uns die empirischen Tatsachen a posteriori gegeben sind. Das ist selbst dann so, wenn wir sie begri=lich überformt in empirischen Aussagen artikulieren. Der Weg der Entwicklung der Logik jedenfalls führt eben deswegen aus der ›objektiven Logik‹ in die ›subjektive Logik‹, also von der Vorstellung, das allgemein Wahre und die Objektivität seien schlicht gegeben, in das Wissen um die transsubjektive Konstitution der Geltungsbedingungen von Aussagen und die subjektive Anwendung dieser Formen im performativen Urteil.
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Es gibt noch einen weiteren Grund, warum die Begri=slogik subjektive Logik heißt, über die Einsicht hinaus, dass die Normalfalldi=erenzen und Normalfallinferenzen des begri=lichen Allgemeinen von uns in der geschichtlichen Entwicklung von Theorien als Kanonisierung materialbegri=licher Normen (des ›Normalen‹) gesetzt sind, sich also nicht einfach ›objektiv‹ von der ›Natur‹ her ergeben. Dieser weitere Grund hängt zusammen mit der Stufenleiter von Körperding, Lebewesen und geistigem Wesen, von (physikalischem) Materialismus, dem Chemismus der Sto=e, dem Leben und dem Bewusstsein. Das Leben und der Geist gehören dabei in die Logik nicht bloß deswegen, weil die Seinsweise von Lebewesen und denkenden Wesen ganz anders ist als von physischen Körperdingen, chemischen Sto=en und elektromagnetischen Prozessen. Sie gehören in die Logik, weil jede Erfüllung von Bedingungen in gewissem Sinn ›teleologisch‹ ist – und mit der Befriedigung von ›Begierde‹ von (animalischen) Lebewesen beginnt. Das geistige Leben verwandelt diese Befriedigung in kollektive Erfüllungen von Normen und Formen eines glückenden Gattungslebens als Menschen und Personen. Die Rückbindung aller Erfüllungen an subjektive Wertungen der Erfüllungen ist das zentrale Ergebnis dieser Analyse. Je ich und je wir müssen über die Erfüllungen befinden. Es gibt keinen Automatismus der Geltungserfüllung, keine rein ›objektive‹ Wahrheit völlig jenseits unserer Bewertung der Erfüllung von uns gesetzter Wahrheitsbedingungen. Daher und nicht aufgrund eines dogmatischen Glaubens an einen subjektiven Idealismus ist ›der Geist‹ Maßstab von aller Wahrheit und Objektivität: Wir setzen die Maßstäbe und wir kontrollieren sie, freilich unter Bezugnahme auf die Welt, in der wir leben. Die Welt spricht nicht einfach selbst zu uns: Wir müssen schon zu uns und unter uns über die Welt sprechen. Das steht durchaus noch in der Traditionslinie, die von Francis Bacon zu Kant und Hegel führt.
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I.9 Begri=liche Harmonie Jede Sach- oder Begri=sanalyse beginnt mit einer allgemeinen Problemexposition, der Nennung einer schon implizit bekannten Sache oder Praxis und dem Aufweis von Schwierigkeiten einer Explikation. Dabei kann man, wenn man unbedingt will, die implizite Praxis formal als ›These‹, das Problem einer expliziten Beschreibung als ›Antithese‹ analogisch ansprechen. Die Analyse würde dann als eine Art Dialog oder Gespräch im Hin und Her zwischen Sache und Kommentar stilisiert. Die ›synthetischen‹ Aufhebungen in expliziten Rekonstruktionen würden Spannungen zwischen These und Antithese, Praxis und Explikation, Sache und Wort aufheben. Verlangt ist dabei eine Anerkennung der Aufhebung. Es geht darum, die Anerkennungswürdigkeit auszuweisen bzw. zu begründen. Das ist formal nicht bloß das Verfahren der Logik qua Begri=sreflexion. Es ist zugleich das Verfahren der Wissenschaft überhaupt, die selbst immer auch schon Begri=sentwicklung, Arbeit an explizierenden Begri=en ist. In eben diesem Sinn war auch schon die Phänomenologie des Geistes eine Wissenschaft vom erscheinenden Bewusstsein. Der relative Ausgangspunkt jeder Begri=sentwicklung ist dabei das, was bisher als Wissen gilt. Es geht darum, dieses Wissen zu vertiefen und zu erweitern – über die Artikulation neuer Probleme, die uns zu einer di=erentiellen und inferentiellen Präzisierung des Begri=s führen. Im Fall des Wissens über das (Selbst-)Bewusstsein machen z. B. die Beziehungen zu Begleitbegri=en wie Verstand, Vernunft oder Geist eine weitere Entwicklung notwendig. Im Fall der Seinslogik waren es die Relationen zwischen Sein, Werden und Dasein, qualitativem Sound Anderssein und quantitativem oder extensionalem Gleichsein. Im Fall der Wesenslogik sind es die Beziehungen zwischen Wesen und Erscheinung, Wirklichkeit und Realität, Grund und Existenz. Im Fall der Begri=slogik werden es die Zusammenhänge sein zwischen Wesen und Begri=, Urteil und Schluss, Ursache und Zweck, Idee und Seinsform, zwischen menschlichem Leben und Geist. Den Zusammenhang zwischen gewissen Grundproblemen von Logik und Ethik kann man dabei an dem wohl schönsten aller Frühdialoge Platons zeigen, am Charmides. Es geht in dem Dialog um die
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Besonnenheit, die s¯ophrosyn¯e. Was ist sie? Wer ist s¯ophron? Gefragt wird dabei ein absolut wohlerzogener junger Aristokrat, Charmides. Sein Charme drückt sich schon im Namen aus. Die tiefe Ironie im Dialog zeigt sich spätestens dann, wenn man sich erinnert, dass Charmides als einer der sogenannten dreißig Tyrannen zusammen mit dem Rädelsführer, seinem Onkel Kritias, Vetter von Platons Mutter, fallen werden wird. Charmides hat o=enbar allzu brav ›gefolgt‹, wie wir bis heute sagen. Charmides ist daher gerade der Richtige, den man fragen soll, was Sophrosyne, temperance sei, was es also heißt, brav im heutigen Wortsinn zu sein, das ja längst nicht mehr »mutig« und »perfekt« meint, wie in der italienischen Oper das »bravo!« und »brava!«, in denen Bravour gelobt wird. Das Brave reicht heute analog zum Wort »s¯ophron«, das auch für »weise« und »klug« stehen kann, bis zur Langeweile der Konvention. Charmides antwortet nun auf die Frage, wer s¯ophron sei und was die Sophrosyne ausmache, wie es sich für einen hochadeligen Jüngling geziemt. Er stellt sich in Positur, das heißt, er nimmt die Züge eines schüchternen und bescheidenen Schülers an. Zugleich spricht er langsam und bedächtig, mit etwas tieferer Stimme als sonst, wenn er sagt, s¯ophron sei, wer bedächtig sei im Nachdenken, Urteilen und Handeln. Sokrates lobt den braven Schüler und die brave Antwort. Denn es ist in der Tat nur der besonnen, der nicht vorlaut urteilt, bevor er gefragt ist, unbescheiden vielleicht oder vorschnell in irgendeiner anderen Art. Sokrates gibt dann aber zu bedenken, dass es sehr viele langsame Denker gibt, die nur dumm sind, und dass es oft schneller Entscheidungen bedarf, so dass jemand im positiven Sinn der Sophroysne, der besonnenen und guten Urteilskraft, nicht nur manchmal, sondern in vielen Dinge auch schnell sein muss. Platon denkt nicht nur an Heerführer. Schon das Rechnen und erst recht das mathematische Denken verlangt immer auch eine gewisse Schnelligkeit, zumindest der Auffassungsgabe, dann auch der Beherrschung von Schematisierungen. Für das schriftliche Dividieren muss man sogar schon gut schätzen können. Wer hier zu langsam ist, der bleibt besonders in unserem Schulsystem zurück. Interessant an der Antwort und ihrer Kritik sind nicht die Details. Interessant ist die allgemeine Form. Sokrates erklärt, dass die Kriteri-
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en, nach denen wir der äußeren Erscheinung nach eine Person als s¯ophron klassifizieren, nämlich über ihre an den Tag gelegte bedächtige Haltung, nicht ausreicht, um allgemein die Schlüsse zu ziehen, die wir ziehen dürfen, wenn jemand wirklich s¯ophron ist, also besonnene Urteilskraft zu seinem Wesen gehört. Damit bemerkt Platon eine zentrale Spannung in unseren begri=lichen Unterscheidungen. Das gilt für jeden Begri= qua semantischer Form (eidos). Es handelt sich um die Spannung zwischen dem System von Klassifikationsmerkmalen und dem zugehörigen inferentiellen Gehalt. Die Spannung herrscht zwischen dem Begri=smoment der Klassifikation und dem Begri=smoment des Inhalts, das sich als eine Art System generischer materialer Inferenzerlaubnisse oder Normalerwartungen darstellt. Wir haben also zwischen Klassifikationsaspekt und Inferenzmoment an einem Begri= zu unterscheiden. Wir wollen nämlich aus der ›Bedächtigkeit‹ die ›Urteilskraft‹ erschließen. Wir wollen so der durch das Wort benannten Di=erenzierung eine ›normale Inferenzerlaubnis‹ zuordnen. Erst wenn man so einen deskriptiven Di=erenzbegri= mit einem teleologischen bzw. normativen Funktionsbegri= oder Dispositionsbegri= verbunden hat, entsteht ein voller Begri=, der als solcher immer ein inferentiell und normativ dichter Begri= ist, und zwar nicht bloß im Falle der dianoetischen und ethischen Normativitäten des guten Denkens und Handelns, also der Tugend- oder besser Kompetenzbegri=e der Arete. Dass Platon selbst diesen Überlegungen sehr nahekommt, zeigt gerade unser Dialog sehr schön. Denn im Lauf des Dialogs zeigt sich Kritias mehr und mehr genervt und schaltet sich in das Gespräch auf durchaus unbesonnene Weise ein. Am Ende erklärt er, auf scheinbar unwiderleglich richtige Weise, besonnen sei derjenige, welcher »das Seinige tue«, also je das tue, was ihm anstehe und zustehe und was für ihn richtig ist. Die meisten Leser des Dialogs merken nicht, dass und warum gerade diese Formel es ist, die den Dialog in einer Sackgasse, einer Aporie, enden lässt. Denn so richtig es ist zu sagen, dass, wer s¯ophron ist, eine richtige Haltung hat, so tautologisch und leer ist die Auskunft. Denn wir wollen ja wissen, in welche besondere Sphäre des Richtigen die Sophrosyne gehört und wie sie z. B. von der Dikaiosyne als normativer Richtigkeit im Allgemeinen unterschieden
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werden kann. Diese wird ja nicht zufälligerweise in Platons Politeia als allgemeine Tugend begri=en, das je Richtige zu tun – und dabei unter die tautologische Formel des »das Seinige Tun« gebracht. Es sind also die dianoetische Besonnenheit wie die ethisch-praktische Gerechtigkeit jeweils Spezialfälle allgemeiner normativer Richtigkeit. Das Beispiel zeigt: Wir brauchen eine Art »Harmonie« zwischen Di=erenz- und Inferenzbegri=. Das Wort selbst liefert dabei den Zusammenhalt dieser beiden notwendigen Begri=saspekte. Dass dem so ist, sieht man am besten, wenn man ein von Michael Dummett und Robert Brandom diskutiertes Beispiel betrachtet, das Beispiel des Schimpfwortes »boche«. Sein Di=erenz- oder Klassifkationsbegri= ist äquivalent zu dem des Wortes »Deutscher«, genauer vielleicht »Bürger des preußisch-deutschen Reiches«. Sein inferentieller Sinn aber ist nicht bloß latent rassistisch: Ein boche ist besonders barbarisch, gewalttätig, unzivilisiert, grausam. Französische Kinder haben noch 1970 deutsche Touristen als boches begrüßt, so wie bis heute in England deutsche Mitschüler mit »Hitler« anreden. Allein schon die Verwendung der Wörter unterstellt ein gewisses inferentielles Normalurteil. Semantische Harmonie heißt aber, dass die Defaultinferenzen und die Unterscheidungskriterien angepasst sind. In gewisser Weise korrespondiert die semantische Harmonie als (prekäre) Präsupposition für die prädikativen Begri=e der Existenzund Eindeutigkeitspräsupposition der Namen und Nennungen. Parmenides beginnt seine kritische logische Sinnanalyse mit der Forderung, keine namenartigen Ausdrücke in normalen Aussagen zu gebrauchen, für welche die Existenz- und Eindeutigkeit des Benannten nicht schon geklärt ist: »Sage nur, was ist«. Platon fordert dann noch dazu auf, eine Harmonie zwischen di=ererentiellem und inferentiellem Moment, also zwischen deskriptivem Klassifikations- und teleologisch-normativem Funktionsbegri=, in unseren immer schon dichten Wortgebräuchen sinnkritisch herzustellen. Damit lässt sich die vermeintlich Seinsmetaphysik des Parmenides ebenso wie Platons Ideenlehre als absolut geniale und epochale sinn- und schlusskritische logische Analyse lesen. Sie ist bei beiden gerichtet gegen ein rein schematisches schließendes Rechnen von pythagoräistischen und anderen formalistischen Sophisten.
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Wie verhält sich dann noch eine normale Verneinung zur Infragestellung von Präsuppositionen? Eben diese Frage führt zur klassischen Strukturtheorie des Elementarsatzes bei Platon und dann auch bei Aristoteles, zur Satz- und Urteilsform »N ist P « und zur Auffassung, dass N in einem solchen Satz einen Gegenstand in einem semisortalen Gegenstandsbereich G mit Gegenstandsgleichheit und Ungleichheit benennt, P aber einen inferentiell dichten Begri=, also eine Klassifikation mit inferentieller Artbestimmung. Aus dieser platonischen Logik erwächst die aristotelische Metaphysik. Diese ist als Reflexion auf die Form unseres Wissens von der physis der realen Dinge oder Wesen in der Welt oder Natur zu lesen. Sie enthält insbesondere die Unterscheidung zwischen einer bloß taxonomischformalen Klassifikationslogik von Arten und Gattungen mit ihren bloß mereologischen Teil-Ganzes-Schlüssen und einem System materialbegri=licher Inferenzen. Beispiele für diese finden wir in jeder Ethologie mit ihren natural history judgments über die Lebensformen der Arten, wie dies bei Michael Thompson analysiert ist. Eine Taxonomie wie bei Linné betrachtet nur den klassifikatorischen Teilaspekt eines Begri=es oder einer Art (eidos, genos). Eine Naturhistorie wie bei Bu=on betrachtet nur das lebensformfunktionale Wesen (eidos, ousia) einer Art, das Artwesen.21 Der volle Begri= muss immer beides miteinander verbinden. Und es muss klar sein, dass generische Aussagen über ein paradigmatisches Wesen (den Löwen an sich, den Menschen an sich) eigentlich allgemeine Grobaussagen über das Artwesen sind. Der eigentliche Gegenstand theoretischer Wissenschaft ist also nicht das Einzelwesen, die prima substantia oder erste ousia, sondern die zweite ousia, die Form (eidos) und Seinsweise der Wesen der betre=enden Gattung oder Art. Der methodische Individualismus ist zwar ganz richtig dort, wo es um die Existenz der Art geht: Es gibt Arten nur, wo es die Individuen gibt. Es ist auch richtig, dass die generischen Allgemeinaussagen über einen Löwen oder eine Löwin an sich, also über die Art, selbst immer nur wahr sind, insofern sie eine gute allgemeine Orientierung für den Umgang mit Einzellöwen artikulieren, etwa für Erwartungen dazu, was sie tun usf. Aber 21
Vgl. dazu Peter Heuer, Art, Gattung, System, Freiburg: Alber 2008.
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es gibt die Individuen und ihr Sein ihrerseits nur als Instantiierung, Aktualisierung der Artform in einer der möglichen Varianten. Am liebsten hätten wir dabei, dass alle generischen Urteile über das genos oder die Art universal für alle Einzelwesen der Spezies gelten, also universelle Quantifikationen ohne Ausnahme artikulieren. Das aber ist leider viel zu viel verlangt. Denn es gibt einfach keine ausnahmefreie Form und kein ausnahmefreies Weltwissen, wo es um empirische Einzeldinge geht. Das liegt nicht zuletzt an der Endlichkeit aller Dinge, einer fundamentalen Rest-Kontingenz in der Welt und der O=enheit der Zukunft, die es anzuerkennen gilt. Nicht alle Säugetiere haben z. B. vier Beine, selbst wenn sie der Art nach Vierbeiner sind. Die generisch-inferentiellen Normalaussagen der Wissenschaft, so harmonisch wir sie auch an die klassifikatorischen Taxonomien angepasst haben, lassen immer noch einen Spielraum für besondere und einzelne Ausnahmen o=en. Daraus ergibt sich für den Sprecher eine Pflicht, auf ihm bekannte Ausnahmen hinzuweisen, da der Hörer sich sonst auf die Normalfallinferenzen verlässt. Daher ist eine Logik des allgemeinen Wissens von der Logik der einzelnen Informationshandlung, der empirischen Aussage, zu unterscheiden. Empirisch wäre etwa das Urteil, dass alle Gnus in diesem Gehege bloß drei Beine haben. Das Gehege könnte ja eine Art Krankenstation für von Autos überfahrene Gnus in Südafrika sein. Das merkwürdige Beispiel wurde gewählt, um deutlich zu machen, dass das Vorkommen eines Allquantors eine Aussage nicht zu einem Allgemeinurteil über eine Art macht. Es wird also zwischen Allgemeinurteilen über eine Art oder einen Typ von Dingen und damit Urteile im Modus des ›an sich‹ auf der einen Seite und universell quantifizierten Aussagen (wie z. B. über alle Äpfel in einem Korb oder alle Zahlen einer gewissen Zahlmenge, sagen wir die Primzahlen) auf der anderen unbedingt zu unterscheiden sein. Hegel unterscheidet demnach die Kategorie der Allgemeinheit als Modus der Aussage ganz anders von der Kategorie der Besonderheit und Einzelheit als Kant. Bei Kant geht es um den quantifikationellen Status der Nominalphrase, die einen einzelnen Löwen (wie Jonathan) benennen kann oder alle Löwen oder manche Löwen. Bei
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Hegel geht es um den Status der Sätze bzw. Aussagen überhaupt. Kant fragt dementsprechend: Was ist ein einzelner objektiver Gegenstand der Erfahrung? Was also sind die Bedingungen, die erfüllt sein müssen, dass eine Einzelbenennung wirklich auf objektive Erfahrungsgegenstände referiert? Kurz, die Frage nach den (präsupponierten, transzendentalen) Bedingungen der Möglichkeiten sprachlich artikulierter objektbezogener und wahrer Welt-Erfahrung reduziert sich bei Kant, wie er selbst sagt, auf die Frage nach den (präsupponierten, transzendentalen) Bedingungen der Möglichkeiten eines sprachlich artikulierten Objektbezugs und damit der Gegenstände weltbezogener Erfahrung. Alles andere ergibt sich nach Kant aus der formalen Logik der Satzform ›N ist P ‹ über die Quantifikation für die Nominalphrasen, die formale Logik der Prädikatverneinung für die Verbalphrasen, die Relation der Kopula, der Implikation und der Disjunktion. Hinzu kommt dann noch die performative Modalität des Fürwahrhaltens, Fürmöglichhaltens und für notwendig Erklärens. Hegel wird zeigen, dass und wie wir die Modalitäten selbst nicht einfach als performative Haltungen verstehen können. Implikative Relationen zwischen Urteilen werden explizit gemacht durch Sätze der Form »wenn φ, dann ψ«. Disjunktive Urteile führen so zu Sätzen der Form »φ oder ψ«. Man kann die Relationen des Urteilens mit der Negation der Prädikate dadurch verbinden, dass man aus Sätzen φ(N ), in denen ein Name N vorkommt, Satzformen φ(x ) und Prädikate λx .φ(x ). bildet. Ein durch ein Prädikat beschränkter Allquantor wie »alle Menschen« ist als Nominalphrase der Kategorie des Allgemeinen ein Prädikatenprädikat, das zum Beispiel auf das Prädikat »x ist sterblich« passt, aber nicht auf das Prädikat »x ist männlich«. Eine normale Satzverneinung ¬φ(N ) korrespondiert der endlichen Prädikatverneinung φ C (N ). Unter Verwendung eines Minuszeichens für die ›Mengensubtraktion‹ lässt sich diese so definieren: N ε G –λx .φ(x ). G verweist auf das Genus, den Gegenstandsbereich. Die Verneinung »nicht alle« müsste durch »es gibt nicht« und die Verneinung »nicht es gibt« durch »für alle nicht« ersetzt werden. Dann entstünde aus Kants Logik eine Art Ausdrucksvariante der fregeschen Logik.
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I.10 Bemerkungen zur Idealität des Formalen Nichts ist in der realen Erfahrungswelt wörtlich so, wie wir es im Denken und damit im Sprechen darstellen. Aufgrund der idealen Prinzipien und Regeln des Begri=sverstehens tragen sozusagen alle Wörter einen kontrafaktisch-utopischen Heiligenschein. Das gilt nicht etwa nur für so hehre Prädikate wie »gerecht« und die unparteiische Göttin der Gerechtigkeit oder auch für »ist ein Kreis« und die reine Kreisform, sondern auch, wie Platon im Dialog Parmenides auf tief ironische, weil zweideutige, Weise sagt, für ganz normale und scheinbar un-reine, also anti-ideale Wörter wie »Dreck« und die generischen Bestimmungen dessen, was ›wirklich schmutzig‹ ist. Noch weit schwieriger zu verstehen ist, dass es auch für logische Wörter wie »nicht«, »oder« und »es gibt« gilt, erst recht für »ist wahr« und »ist möglich«. Die formalanalytische Philosophie begreift dies bis heute nicht. Sie begreift nicht, dass alle Schematisierungen dieser Wörter, alle vollrekursiven Regelungen ihres Gebrauchs, ob wahrheitswertsemantisch wie bei Frege, axiomatisch wie bei Tarski, konstruktivintuitionistisch wie bei Arend Heyting und Paul Lorenzen oder inferentialistisch, nichtmonoton und auf der Basis der idealen Annahme modal robuster materialer Inkompatibilitäten wie bei Robert Brandom diesen Wörtern eine Art Heiligenschein umhängen. Das bedeutet, dass jede reine Gebrauchsform dieser Wörter so ideal und formal ist wie die Formen und Zahlen in rein mathematischen Strukturen. Das schematische Rechnen in diesen reinen Formen unterscheidet sich wesentlich von innerweltlich angemessenen Gebrauchsweisen. So ist es zum Beispiel außerhalb der Mathematik fast immer falsch, rein schematisch von »non non φ« bzw. »¬¬φ« auf »φ« zu schließen, von »nicht für alle x gilt ¬φ(x )« auf »es gibt ein x so dass φ(x )« oder auch nur mit der Schlussform »ex falso quodlibet« zu hantieren, nach welcher aus etwas Falschem Beliebiges ›folgen‹ soll. Die Regel wird in der Mathematik aufgrund der besonderen Einrichtung ihrer Satzmengen mit Recht hinzugenommen, um ein einfaches kalkülmäßiges Rechnen mit negierten Formeln der Form ¬φ allgemein zu ermöglichen. Wir müssen aber in allen Anwendungsfällen außerhalb der Mathematik erst einmal prüfen, ob der jeweilige Rede- oder Gegen-
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standsbereich wirklich schon so eingerichtet ist, dass ›Schlussregeln‹ der obigen Art nicht irreführen. Dazu gehört zum Beispiel die Klärung, wie wir das »oder« oder »es gibt« zu lesen gedenken. Insbesondere ist die Frage allererst zu beantworten, ob für die Variable x ein sortaler, Hegel sagt: diskreter Gegenstandsbereich überhaupt passend zu den Regeln einer zugehörigen Prädikaten- oder besser Relationenlogik definiert ist. Am Ende sollte keine schematische Regel irgendeiner formalen Logik ohne dialektische Prüfung im Hin-und-Her von bestimmender und reflektierender Urteilskraft auf weltbezogene Aussagen in blindem Regelfolgen angewendet werden. Es ist, heißt das, zu prüfen, wie das entsprechende mathematische Modell als lokales Sprachspiel im Sinne des späteren Wittgenstein, und das heißt, als eidolon im Sinn Platons anzuwenden ist. Die einzige Sprache, die uns einen Weltbezug liefert, ist nämlich die nichtformale normale Sprache. Das ist auch schon das zentrale Ergebnis von Hegels Seinslogik gewesen, ausgearbeitet in der Maßlogik. Diese besagt, dass es ohne Setzung eines Maßes keine Projektion rein quantitativer, mathematischer Redeformen auf die wirkliche Welt gibt.22 Die Maßbestimmungen aber sind alle inhaltlich, normalsprachlich, auch empraktisch zu erläutern. Das geschieht mit Notwendigkeit unter Gebrauch weltbezogener Normalsprache.
Vgl. dazu z. B. die überraschende Naivität des von Fichte und einer utopischen Mathematik der Natur begeisterten Friedrich von Hardenberg, der aber nur explizit macht, was viele andere auch meinen, ohne es zu merken (1799/1800): »Der Begri= der Mathematik ist der Begrif der Wissenschaft überhaupt. Alle Wissenschaften sollen daher Mathematik werden. . . . Sie (die Mathematik) ist der vollgültigste Zeuge des Naturidealism. . . . Die reine Mathematik ist die Anschauung des Verstandes, als Universum. . . . Das höchste Leben ist Mathematik. . . . Das Leben der Götter ist Mathematik. . . . Reine Mathematik ist Religion. . . . Der Mathematiker weiß alles.« Novalis, Schriften, Bd. 2, hg. v. H. J. Mühl, München (Hanser) 1978 und Darmstadt (Wiss. Buchg.) 1999, 790 f. Immerhin findet sich auch: »Eine Formel ist ein mathematisches Recept« (a. a. O.), neben ziemlich abwegigen Kommentaren zur Infinitesimalrechnung (vgl. dazu etwa a. a. O. 449, 525 f., 624 f.). 22
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Einleitung: Wesenslogik als Reflexion über Wirklichkeit
Insgesamt ist Aufgabe von Wissenschaft die theoretische Arbeit am Begri=, von Philosophie die Entwicklung logischer Kommentarsprachen zum Zweck der Reflexion. Ziel ist nicht bloß ein partiales Selbstwissen, sondern die no¯esis no¯ese¯os, bewusst denkendes Mitwissen in allem Wissen und Können, das Aristoteles bekanntlich für göttlich erklärt. Genauer erkennt Aristoteles, dass alles Göttliche im Grunde Nous, klares Denken, deutliches Erkennen und gemeinsames Wissen ist. Es handelt sich insgesamt darum, dass wir Menschen nicht, wie die Tiere, nur Präsentisches im Blick auf ein enaktives autistisches Begehren perzipieren und wiedererkennen, sondern denkend auch Zugang zu nicht vorhandenen Möglichkeiten haben und sogar das, was als wirklich gilt, aus einem Bereich möglicher Erklärungen präsentischer Phänomene aussondern müssen. Dass dem so ist, zeigt Hegels Wesenslogik. Damit wird die Wirklichkeit zu einem modalen Begri=. Das Wirkliche transzendiert die endliche Realität des präsentischen Daseins, der bloß empirischen Welt je meines perspektivischen Gewahrseins von Erscheinungen. Wahre Antimetaphysik darf diese Tatsache und damit den Kontrast zwischen Erscheinung und Wesen, Realität und Wirklichkeit, die phänomenale Existenz einer sich zeigenden Ur-Sache und der Ursache als Grund dieser Existenz nicht als ›metaphysisch‹ dem Feuerofen vermeintlicher Sinnkritik überantworten. Gediegene sinnkritische Philosophie ist negative Philosophie. Sie führt eine explizite Debatte um Weltbilder im Kontrast zu Grundtatsachen. Sie hebt die geschichtlichen Leistungen im Streit um die metaphysischen Fragen und spekulativen Titelwörter auf. Sie überführt diese in eine Art systematische Weltlandkarte. Das geschieht im klaren Wissen darum, dass keine Ideologie so verführerisch und so folgenreich ist wie die bloß implizite. Die zweite Kritik richtet sich gegen die Romantik, welche mit Novalis und Friedrich von Schlegel das Fragmentarische allzu sehr liebt und sozusagen Ruinen, auch neuerscha=ene, den ganzen Burgen und Schlössern vorzuziehen scheint. Vielleicht ist es da doch besser, wieder systematisch über das Wesen der Dinge nachzudenken, auch darüber, worüber man dabei nachdenkt oder zu sprechen versucht.
WISSENSCHAFT DER LOGIK Erster Band. Die objective Logik
Die Wahrheit ist die Grundlage der Sprache; auf der Wahrheit ist das All gegründet. Aus den Upanischaden
Zweytes Buch. Die Lehre vom Wesen
Bevor wir mit einer Kommentierung der Sätze der Wesenslogik beginnen, betrachten wir die Inhaltsangabe und die dreigliedrige Struktur in der Hegelschen Logik überhaupt, auch in einem groben Rückblick auf die Seinslogik. Die gesamte Wissenschaft der Logik ist in dreimal drei Abschnitte gegliedert mit je drei Kapiteln und je drei Unterteilungen A, B, C. Es folgen jeweils drei weitere Unterparagraphen 1, 2, 3, a, b, c, und ggf. α, β, γ, mit eingeschobenen kürzeren oder längeren Anmerkungen. Nur in zwei Ausnahmen der Begri=slogik gibt es vier Unterabteilungen. Für das Schema spielt die Dreiteilung einer Betrachtung des Allgemeinen, Besonderen und der konkreten Einzelfälle die zentrale Rolle. Zu beginnen ist nämlich praktisch immer mit dem An-sich-Sein des jeweiligen allgemeinen Gegenstands- oder Themenbereiches G . Es folgt das Für-sich-Sein der konkreten Einzelsachen in G in ihrer Identität oder die Besonderheit einer Unterteilung der Gattung G etwa in Arten. Das An-und-für-sich-Sein thematisiert dann den empirischen Weltbezug in der Spannung zwischen generischer Gattung, eidetischer Art und je besonderem Einzelfall hier und jetzt, dort und damals oder in einer möglichen Zukunft. Die Seinslogik gliederte sich dementsprechend in die drei Abschnitte der qualitativen Unterscheidungen als Ausgangspunkt für jede Rede von Unterschieden und Verschiedenheiten, der quantitativen Reden über (reine und konkrete) Elemente, Mengen und Größen und der Maßbestimmungen in der Anwendung dieser Redeformen auf die empirische Welt. Das Thema der Qualität bildet hier den allgemeinen Anfang. Unter dem Titel »Quantität« wurden dann die Grundformen des Fürsichseins in den Definitionen der Identität von Einzelgegenständen der Rede in diskreten Mengen oder kontinuierliche Größenordnungen diskutiert. Die Frage nach dem Maß betraf die schwierige Frage der Projektion dieser Formen auf die empirische Welt.
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Zweytes Buch. Die Lehre vom Wesen
Die drei Kapitel der Logik der Qualität, nämlich Sein, Dasein und Fürsichsein beginnen jeweils wieder mit dem Allgemeinen, der Unterscheidung von Sein und Nichtsein, Bejahung und Verneinung im Werden, das sich als solches im präsentischen Dasein konkret zeigt. Das Fürsichsein der Dinge tritt in der Seinslogik auf als je besondere innere Beziehung einer Sache auf sich, so wie sich Tiere oder auch Tierarten in ihrem Selbsterhalt sogar tätig auf sich beziehen. Die etwas mysteriöse Rede von einer Aufhebung des Werdens markierte in der Seinslogik den Übergang zum Dasein. Sie weist darauf hin, dass in allem, was eine Zeit lang da ist, das scheinbar flirrende Werden zu einem relativen Stillstand kommt. Im Unterschied zum dauernd neuen Zufluss neuen Wassers und einer stetigen Verschiebung des Flussbetts bleibt z. B. ein Fluss als ganzer da. Wir wissen, was es heißt, dass er mit sich identisch ist. Eben darauf verweist Heraklits Bemerkung: In die gleichen Ströme steigen wir und steigen wir nicht, wir sind es und sind es nicht – wenn man sie zu lesen versteht. Die Reflexion auf das Dasein beginnt in der Seinslogik wieder mit dem Allgemeinen, nämlich dem Dasein als solchem, der präsentischen Gegenwart, in der wir qualitative Unterscheidungen tre=en – wie ›es regnet‹ und ›es ist trocken‹ – um dann etwas von Anderem zu unterscheiden. Der Unterschied von Endlichkeit und Unendlichkeit im Kapitel Dasein ergibt sich im Ausgang von der Bestimmung einer Gegenstandsart in einem schon begrenzten Gegenstandsbereich, wie z. B. einer Tierart im Bereich der Tiere. Tiere haben Bescha=enheiten. Ihr Reich hat eine Grenze, so wie auch das Reich der Körperdinge, die als solche raumzeitlich lokal sind. Allerdings sind diese Grenzen nicht etwa prädikativ in einem schon gegebenen Universum aller gegenständlich beredbaren Sachen bestimmbar. Lebende Tiere sind nicht bloß spezielle physische Körper, wie ihre Kadaver es sind. Wie körperliche Dinge und chemische Sto=e sind sie Sachen sui generis. Es gibt daher kategoriale Schranken der Endlichkeit der Dinge oder Lebewesen. Kein Sollen (etwa im Wunsch nach Unsterblichkeit oder dem Wunsch, die Zeit anzuhalten, aus dem Dasein und Werden auszusteigen) kann diese überwinden. Der Übergang ins Unendliche in unserem Reden ist von anderem Typ. Es ist ein kategorialer Übergang zu zeit- und ortsallgemeinen Sätzen, die, als situationsübergreifende,
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allgemeine, Regeln artikulieren und dabei über generische Formen sprechen, die als sich reproduzierende oder reproduzierbare Formen nicht einfach empirisch, nicht hier oder dort sind. Wahrer Idealismus ist nicht bloß, wie im subjektiven Idealismus der empiristischen und rationalistischen Nachfolger von Hobbes und Descartes, Einsicht in die Endlichkeit der Subjektivität, des Vollzugs des Lebens im Dasein, sondern immer auch in die abstrakte Verfassung aller generischen ›Unendlichkeit‹. Während es im Bereich der Mathematik unendliche Bereiche reiner Größen gibt, also von Zahlen und Mengen, gibt es keinen wohlkonstituierten Bereich aller Redegegenstände. Hier gibt es bestenfalls eine Art spekulative Handbewegung. Die ›Unendlichkeit‹ aller thematisierbaren Gegenstände ist eben deswegen von der bloß negativen Form einer unendlichen Verneinung. Paradigmen für eine solche unendliche Verneinung liefern Sätze wie »Cäsar ist keine Primzahl« (Carnap) oder »Der Geist ist kein Elephant« (Hegel). Es werden durch sie Kategorienfehler artikuliert. Wir müssen spekulative Sätze wie »Gott ist nicht endlich« oder »Die Welt aller Sachen ist unendlich« als unendliche Verneinungen erkennen. Das gilt sogar für Wittgensteins Satz »Die Welt ist alles, was der Fall ist«. Auch dieser artikuliert nur eine verbale Handbewegung. Alle reale Wahrheit bleibt endlich und lokal. Der Ausdruck »alles, was der Fall ist« enthält dagegen einen indeterminierten Quantor, eine unendliche Verneinung, verweist also auf einen nicht wohldefinierten Bereich. Es gibt keine feste Menge von Sachverhalten, die der Fall sein könnten oder nicht. Andererseits ist die Wahrheit das Ganze. Das Ganze aber ist nicht aus endlicher Perspektive erkennbar und nur spekulativ, im Modus einer unendlichen Verneinung, denkbar bzw. artikulierbar. Das aber heißt, dass der folgende Schluss falsch ist: »Also ist die Wahrheit unerkennbar.« Er ist ebenso falsch, wie wenn man aus »Cäsar ist keine Primzahl« schließen würde, dass Cäsar durch eine kleinere Zahl teilbar ist. Die Spannung zwischen dem realen, endlichen, menschlichen und relational-perspektivischen Wissen und einem von uns ideal vorgestellten unendlichen oder göttlichen Wissen artikuliert dennoch den Grundwiderspruch jeder ernst zu nehmenden Logik eines Wissens
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und einer Wahrheit, die nicht bloß, wie in der Mathematik, rein formal ist, sondern Logik unserer wirklichen Bezugnahme auf die wirkliche Welt ist. Dabei ist das menschliche Wissen realiter absolut, indem es Wissen im Vollzug ist. Die göttliche Wahrheit wird dagegen inhaltlich absolut vorgestellt, indem man von jeder Relation zu je unserem provinziellen Wissen idealiter absehen ›soll‹. Im dritten Kapitel der Seinslogik wurde unter dem Titel »Fürsichsein« die Konstitution gegenstandsförmiger Identität analysiert, wobei wieder die allgemeine Form, also die Gleichheit an sich, am Anfang steht, gefolgt von der Unterscheidung von Einheiten oder Elementen und Vielheiten oder Mengen und Klassen. Repulsion bzw. Attraktion sind dann Titel für eine raumzeitlich begrenzte Verschiedenheit bzw. für den Zusammenhalt von Dingen oder Sachen. Die Analyse der Konstitution quantitativer Redeformen beginnt in der Seinslogik mit der abstrakten Form der Quantität. Sie wird konkretisiert in Systemen von diskreten Mengen oder kontinuierlichen Größen, wobei das kurze Kapitel zur ›Begrenzung der Quantität‹ nur auf die im Einzelfall anzugebenden Bestimmungen der Bereiche – etwa der Längen- oder Winkelgrößen oder reinen Mengen und Zahlen – hinweist. Damit ist schon der Übergang zum mathematischen Begri= des reinen Quantums, etwa der reellen Größe, heute: der reellen Zahlen, gemacht. Die Anwendung quantitativer Formen auf die empirische Welt über Messungen bildeten dann den Übergang zur Logik des Wesens – nämlich vermöge der Suche nach solchen Maßbestimmungen, welche nicht bloß an ein zufälliges Interesse bei uns Menschen hier und heute ausgerichtet, sondern an die Sachen selbst in ihrem Fürsichsein, ihrem Artwesen und ihrer Wirklichkeit angepasst sind. Die jetzt folgende Reflexion auf den Unterschied zwischen empirischen Erscheinungen für uns und Wesen an sich gliedert die Wesenslogik in drei Abschnitte: Das Wesen als Reflexion in ihm selbst wird zunächst als An-sich-Sein so vorgestellt, als könnte man von unserer Bezugnahme völlig absehen. Es folgt die Analyse der manifesten und aktualen Erscheinungen für uns und, im dritten Abschnitt, die Analyse der Wirklichkeit als An-und-für-sich-Sein in der konkreten Verbindung des Ansichseins des Wesens als Artbestimmung und seiner manifesten Aktualisierung im empirischen Dasein.
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Der erste Abschnitt beginnt im ersten Kapitel mit dem Schein, gefolgt von einer Analyse der Wesenheiten als Reflexionsbestimmungen. Das dritte Kapitel zum Ansichsein des Wesens analysiert seine funktionale Rolle als Grund der Erscheinung in der Existenz, dem manifesten ›Herausstehen‹ des Wesens im empirischen Dasein. Das Kapitel zum Schein gliedert sich in die Unterscheidung des Wesentlichen und des Unwesentlichen, vor deren Hintergrund ein Schein als bloß oberflächliche Gestalt, wie eine Fata Morgana, falsche Folgerungen nahelegt. Sie wird daher der relevanten Sache gegenübergestellt. Die konkrete Aufhebung der Spannung zwischen dem Wesentlichen und dem Schein, der generisch-allgemeinen Sache und dem empirischen Anschein, liegt in der Reflexion. Genauer ist auf das Verhältnis von Wesen und Phänomen zu reflektieren. Das Aufheben selbst ist ein reflektiertes allgemeines Urteilen. Hegel unterscheidet dabei zwischen setzender, äußerer und bestimmender Reflexion, also einem allgemeinen Reflexionsurteil, das z. B. im Ausgang von einer konkreten Perzeption eine mögliche Artbestimmung setzt oder unterstellt (»Was wir da sehen, ist eine Oase«), einem äußeren Nachdenken (»aber es könnte auch eine Fata Morgana sein«) und einer bestimmenden Reflexion (»es ist doch eine Oase«). Das Kapitel zu den Wesenheiten beginnt mit einer Anmerkung dazu, dass sich die zugehörigen Reflexionsbestimmungen in der Form von Sätzen präsentieren. Es folgt die Analyse der allgemeinen Identität eines Wesens als dem Ding oder der Sache hinter einer Erscheinung. Hier ist das allgemeine Denkgesetz des Leibnizprinzips zu beachten, das besagt, dass jede Identität als Verneinung einer Verschiedenheit angepasst ist an die relevanten prädikativen Unterscheidungen im je richtig zu bestimmenden Gegenstandsbereich. In einem solchen Bereich gibt es Unterschiede von Arten und eine zugehörige Verschiedenheit oder Ungleichheit der jeweiligen Individuen oder Einzelwesen. Als Beispiel betrachte ich die besonders schwierigen Aussagen über mich selbst: Ich bin als Gesamtperson trotz aller Unterschiede gestern, heute und morgen schon über mein Leben und seinen Zusammenhang ein Individuum und stehe als solches allen anderen personalen Individuen und allen innerweltlichen Sachen und Dingen gegenüber. Sprechen wir über feinere Unterscheidungen, etwa die
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verschiedenen Phasen meiner Entwicklung als Person und der Rollen, die ich spiele, dann sprechen wir schon nicht mehr bloß über mich als Individuum. Irritierend ist dann zunächst, dass sich die Spannung zwischen Identität und Unterschied im Widerspruch aufheben soll. Allerdings geht es unter diesem Titel nur um den beschränkten logischen Status des Prinzips vom ausgeschlossenen Dritten, nach welchem viele Sätze und Aussagen außerhalb der reinen Mathematik weder wahr noch falsch sind. Entsprechendes gilt für den Satz vom auszuschließenden, aber nie schon voll ausgeschlossenen Widerspruch. Das dritte Kapitel behandelt den Begri= des Grundes und gliedert sich in den absoluten Grund, mit den drei Teilbeziehungen Form und Wesen, Form und Materie und Form und Inhalt, gefolgt vom bestimmten Grund als dem formellen, realen und vollständigen Grund und der Bedingung. Das Wort »absolut« steht dabei erstens für »allgemein« und zweitens für den Übergang von Begründungen und kausalen Erklärungen zu Gründen und Ursachen. Gründe und Ursachen sind allgemeine Gegenstände der Reflexion und als solche selbst bloß Formen, wobei wir zwischen Artform und Wesen, Sto= und Form bzw. Form und Inhalt unterscheiden müssen. Als formelle Relation heißt die Beziehung zwischen Artform und Wesen seit Aristoteles »causa formalis«. Es handelt sich um Antworten auf die Frage, was das Ding ist. Die Relation zwischen Form und Materie und wohl auch zwischen Form und Inhalt stand unter dem Titel »causa materialis«. Der Zahlausdruck ist so materialer Grund der durch ihn benannten Zahl. Der zur Statue geformte Stein ist materiale Ursache der Skulptur (etwa des David Michelangelos). Die Relation zwischen Form und Zweck ist die »causa finalis«. Die »causa e;ciens« ist der vollständige, zureichende Grund, die reale Ursache, wobei sich allerdings die üblichen Angaben von Gründen oder Ursachen in der Regel als bloß notwendige aitiologische oder kausale Bedingungen sine qua non herausstellen, ohne welche es die Sache nicht gäbe, wie sie aber für deren Existenz zumeist noch keineswegs hinreichend sind. Häufig ist sozusagen nur die ganze Welt, also das Gesamt aller Kontexte, ein wirklich zureichender Grund – was im Nachhinein auch zeigt, in welchem Sinn Hegel hier von einem absoluten Grund spricht.
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Dabei wird das folgende sinnkritische Argument zumeist übersehen: Wohlbegründete Normalfallerwartungen werden von den Leuten als endliche e;zienzkausale Ursachen angesprochen. Indem man das Generische übersieht und die bloß im Allgemeinen hinreichenden Bedingungen ideal als vollständige Ursachen ansieht, meint man, die Folgen seien mit prädeterminierter Notwendigkeit eingetreten. Man verwechselt damit sozusagen das relativ Unbedingte mit etwas, das absolut unbedingt sein soll. Das absolut Unbedingte ist immer nur das Ganze der Welt. Es wird spekulativ, also im Modus einer Handbewegung, als Natur oder als Gott angesprochen. Das gilt z. B. für die Formel natura sive deus des Spinoza. Dieses Ganze kann je nur in spekulativen Negationen von uns besprochen werden. Der Hervorgang der Sache in die Existenz enthält im empirischen oder historischen Fall des Berichts von Geschehenem a posteriori in aller Regel zufällige Umstände und damit die große Kontingenz, wie sie den bisherigen Gesamtlauf der Welt ebenso prägt wie viele freie Entscheidungen im Handeln. Diese haben immer auch zufällige Aspekte, neben den vorbedachten Gründen und den vorlaufenden kausalen Bedingungen. Im zweiten Abschnitt geht es dann um das Verhältnis von wesenslogischem Grund – auch als Ursache – zu seiner Manifestation oder ›O=enbarung‹ in der Erscheinung, in der sich seine Existenz zeigt. Wieder sind das endliche Ding und seine sich ändernden Eigenschaften von der reinen Form der Dingheit und des Attributs (›an sich‹ im generischen Sinn) zu unterscheiden. Ein Ding an sich ist anders als bei Kant einfach das Artwesen, nicht etwa eine unerkennbare Sache hinter den Erscheinungen. Kants Ding an sich dagegen ist das unerkennbare Ganze der Welt, die große Handbewegung in der Rede von der Natur oder dem einen Gott. Das heißt, Kants Ding an sich ist als Totalitätsbegri= in der Reflexion gar kein (endlicher) Gegenstand. Als ›unendlicher‹ Gegenstand aber ist das Ding an sich einfach tautologische bzw. formale Ursache von allem, was in der Welt geschehen ist, geschieht und geschehen wird. Das Bestehen der Dinge aus Sto=en und die verschiedenen Aggregatzustände des Festen, Flüssigen und Gasförmigen zeigen, dass
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sich und wie sich Körperdinge als middle sized dry objects auflösen lassen und in hinreichend langer Zeit in der Tat alle auflösen. Die Gesetze generischer Veränderungen sind Gesetze für die Erscheinungen, auch wenn sie ihrer Form nach eidetisch bzw. generisch, damit zeitallgemein und im Prinzip situationsinvariant, auch raumunspezifisch, formuliert bzw. zu formulieren sind. Die Auflösung der Erscheinung als Erscheinung markiert dann den Übergang zum dritten Kapitel, dessen Thema das wesentliche Verhältnis der Kausalität in der Wirkung von in die Dinge gelegten Kräften und Dispositionen gerade auch im Bereich der Erscheinungen für uns ist: Kräfte sind bedingt und sie wirken unter Bedingungen. Die Sollizitation der Kraft meint die Verwandlung einer latenten Disposition oder Fähigkeit in eine manifeste Wirkung oder Folge. Die Unendlichkeit der Kraft ist ein spekulativer Totalitätsbegri=, nicht anders als das Absolute oder die ganze Welt. Wir brauchen diese Begri=e in der Reflexionslogik deswegen, weil sich wegen der holistischen Lage der kontextuellen Bedingtheiten die Gesamtursachen und Gesamtwirkungen der Kräfte von den durch uns lokalisierten Kräften in funktionstüchtigen, aber endlichen, Zuschreibungen von Dispositionen, Vermögen oder Kräften durchaus unterscheiden, auch wenn es das Ziel unserer Bemühung ist, die realen Gesamtwirkungen nach Möglichkeit aus den lokalisierten Ursachen und, im Fall von Handlungen, auch von Gründen einigermaßen passend bzw. allgemein richtungsrichtig aufbauen zu können. Dabei ist das Innere, soweit es modale Dispositionen und Fähigkeiten betri=t, nicht einfach durch das äußere Verhältnis des Ganzen zu seinen Teilen bestimmt. Im Fall von Lebewesen bzw. Organismen ist das Ganze trivialerweise ›mehr als seine Teile‹. Das gilt aber auch für Institutionen und ihren Gesamtrahmen, den Staat. Der dritte und letzte Abschnitt der Wesenslogik behandelt die Wirklichkeit als Einheit von innerem Wesen und äußerer Erscheinung, damit auch von generischen Formen und empirischen Gestaltungen. Im ersten Kapitel geht es wieder um das Absolute, das sich als allgemeines An-sich vom totalen Für-sich des Vollzugs oder Waltens von Welt unterscheidet. Im zweiten Kapitel di=erenziert Hegel die modallogischen Begri=e der absoluten oder unendlichen Notwendigkeit bzw. Wirklichkeit in spekulativer Sicht von den einzig realistischen
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Verwendungen des Notwendigkeitsbegri=s in relativen Notwendigkeiten oder generischen Prognosen unter allgemeinen und besonderen Bedingungen. Am Ende steht vor dem Übergang zur Betrachtung der intersubjektiven Konstitution unseres Begri=ssystems in der subjektiven Logik des Begri=s eine Zusammenfassung der sinnkritischen Analyse üblicher Reden von einer Substanz (Aristoteles, Thomas, Spinoza, Kant) und von Kausalität (Ursachen, Wirkungen, Gegenwirkungen und unendlich-holistischen Wechselwirkungen).
Zweytes Buch. Das Wesen Der erste Satz der Wesenslogik, mit dem wir unsere Kommentierung des Textes beginnen, lautet nun: Die Wahrheit des Seyns ist das Wesen. (241 | 1) Wenn wir sagen, etwas sei wahr oder es sei wirklich so, wie wir sagen, dann betonen wir die Wahrheit. Wirklichkeit und Wahrheit sind Reflexionstermini. Die Aussageform des ›es ist so‹ oder ›des Seins‹ wird bei Frege schriftlich artikuliert in der folgenden Form: ` φ.
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Das Zeichen »`« heißt auch »Performator« und drückt das behauptende Urteil selbst aus. φ steht für einen Aussage- oder Behauptungssatz. Die wesenslogische Aussageform, in der über die Wahrheit des Satzes explizit etwas gesagt wird, müssten wir dann schon so notieren können: (I.2) ` Es ist wahr, dass φ. Dabei ist der Ausdruck »dass« als Teil einer abstraktiven Nominalisierung zu lesen, sozusagen eine Kurzform für »das Urteil ` φ«. Damit sieht man, dass in wesenslogischen Aussagen neben den neuen Prädikaten »ist wahr« und »ist falsch« immer auch neue gegenstandsbildende Abstraktoren vorkommen. Daher sind diese Aussagen logisch weit komplexer als direkte Aussagen über Sachen. Insbesondere ist zwischen Abstraktoren wie »der Satz φ«, »der Inhalt von φ« und »die Aussage, dass φ« im Sinne von »das Urteil ` φ« zu unterscheiden. Dass dem so ist, hat Frege implizit gezeigt, aber niemand hat es bisher ernsthaft genug aufgegri=en.
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Der Unterschied zwischen (I.1) und (I.2) besteht, wie man weiß, nicht in den Geltungsbedingungen. Diese sind äquivalent. Trotz dieser gleichen Gültigkeit sind die Aussagen völlig verschieden, weil in der ersten objektstufig und im Sprechmodus unmittelbar über eine Sache gesprochen wird, im zweiten eine Aussage (ein Urteil) benannt wird. Ich sage es noch einmal: Dass-Sätze sind solche Benennungen, die als solche sogar im Allgemeinen präsupponieren, dass das Urteil, auf das sie sich beziehen, wahr oder falsch ist, was für reine Sätze keineswegs gilt. Ein Ausdruck der Form »dass farblose Ideen schlafen« ist z. B. präsuppositionslogisch falsch gebildet. Daher ist »Peter glaubte, dass farblose Ideen schlafen« weder wahr noch falsch, sondern sinnlos. Wenn wir sagen, dass Peter das nicht glauben kann, artikulieren wir eine unendliche Verneinung. Diese nennt den Kategorienfehler: Der Satz: »farblose Ideen schlafen« ist zwar syntaktisch wohlgebildet, drückt aber kein Urteil aus. Er drückt keine (sinnvolle) Unterscheidung zwischen schlafenden und nicht schlafenden (farblosen) Ideen aus. Im wesenslogischen Fall wird also über Urteile gesprochen. Sie sind Gegenstand der Reflexion. Die Benennung der Aussage (des Urteils) im dass-Satz unterstellt insbesondere implizit oder empraktisch, erstens, dass der Satz φ im erläuterten Sinn eine sinnvolle Aussage artikuliert bzw. artikulieren würde, wenn er objektstufig geäußert würde, zweitens, dass wir die relevante Sinnäquivalenz für diese Aussage schon kennen. Denn nur auf dieser Grundlage wird der dass-Satz zu einer Benennung einer Aussage, auf die man sich anaphorisch rückbeziehen und über die man daher etwas sagen kann, z. B., dass sie wahr ist. Würde man diese im Grunde einfachen Sachverhalte streng genug zur Kenntnis nehmen, würde sich zum Beispiel schon die berühmte Paradoxie des Lügners, die vermeintliche Aussage »Ich lüge hiermit«, deren Diskussion ganze Bibliotheken füllt, auf einfache Weise auflösen. Denn mit dem äquivalenten Satz »Diese Aussage ist falsch« kann man, wie man sich leicht vergewissert, keine Aussage artikulieren, die wahr oder falsch wäre. Das liegt daran, dass der anaphorische Ausdruck »diese Aussage« auf gar nichts referiert. Genauer gilt, dass
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diese Nichtreferenz äquivalent dazu ist, dass gar keine wahre oder falsche Aussage vorliegt. Die übliche Rede von einer ›Selbstreferenz‹ in dem Satz ist von vorneherein falsch bzw. irreführend. Man meint, »diese Aussage« beziehe sich auf eine Aussage. Aber es gibt keine Aussage. Würde man stattdessen den Satz »Dieser Satz ist falsch« betrachten, so gäbe es keine Paradoxie. Denn Sätze als bloße Satzfiguren sind gar nicht alle von der Art, dass sie im relevanten Sinn falsch sein können, so also, dass man mit ihnen lügen könnte. Wie der Satz »Farblose Ideen schlafen nicht«, ein Beispiel Noam Chomskys, ist auch der Satz »Dieser Satz ist falsch« im Sinne von Hegels ›unendlichen‹ Urteilen in der Tat immer wahr. Die unendliche Falschheit der unbestimmten Negation korrespondiert einer formalen Richtigkeit der unendlichen Verneinung. Diese ist dann aber so zu lesen, dass sie nur ausdrückt, dass der Satz semantisch nicht wohlgebildet ist, also keine Aussage ausdrückt, die je wahr oder falsch im normalen Sinn sein könnte. Unendlich bzw. kategorial falsch sind dann z. B. auch die Sätze »Der gegenwärtige König von Frankreich ist kahlköpfig« oder »Die größte Zahl ist ungerade«, weil es die angesprochenen Gegenstände gar nicht gibt. Analoges gilt auch für unser obiges Beispiel »Cäsar ist eine Primzahl«, weil das Prädikat keine determinierte Negation oder Unterscheidung im Bereich der Personen bestimmt. Jetzt können wir auch den o=enbar hochgradig verdichteten spekulativen Kernsatz »Die Wahrheit des Seins ist das Wesen« einfach als Aussage über die logischen Satz- bzw. Aussageformen »Es ist wahr, dass φ« lesen. Er besagt, dass alle Gebräuche von Ausdrucksformen wie »Es ist wahr« »Es ist wirklich so«, »Etwas ist eigentlich dieses«, »Die Natur oder das Wesen von etwas ist dieses« als wesenslogische Reflexionsaussagen über Aussagen oder Sachbezugnahmen und nicht einfach über objektstufige Tatsachen oder Dinge zu verstehen sind. Allerdings greifen wir dabei auch schon auf spätere Erläuterungen vor und ändern damit den Gedankengang Hegels ein wenig ab. Ohne diesen Vorgri= sind Hegels Orakel an dieser Stelle kaum verständlich. Das Seyn ist das Unmittelbare. Indem das Wissen das Wahre erkennen will, was das Seyn an und für sich ist, so bleibt es nicht beym Unmittelbaren und dessen Bestimmungen stehen, sondern
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dringt durch dasselbe hindurch, mit der Voraussetzung, daß hinter diesem Seyn noch etwas anderes ist, als das Seyn selbst, daß dieser Hintergrund die Wahrheit des Seyns ausmacht. Diese Erkenntniß ist ein vermitteltes Wissen, denn sie befindet sich nicht unmittelbar beym und im Wesen, sondern beginnt von einem Andern, dem Seyn, und hat einen vorläufigen Weg, den Weg des Hinausgehens über das Seyn oder vielmehr des Hineingehens in dasselbe zu machen. Erst indem das Wissen sich aus dem unmittelbaren Seyn erinnert, durch diese Vermittlung findet es das Wesen.– (241 | 1) Der Satz »Das Sein ist das Unmittelbare« ist als Kommentar zum ›normalen‹ Verständnis einer Aussage zu lesen, die einfach sagt: Es ist so. Dabei wird unter Umständen schon unterstellt, dass man irgendwie unmittelbar wahrnehmen kann, dass es so ist. Doch man muss nur einen Schritt zurücktreten und nachfragen, ob es wahr ist, dass es so ist, ob ich also wirklich weiß, dass es so ist. Dann verlässt man schon die Illusion eines unmittelbaren Wahrnehmens und Sagens. Man bemerkt dann nämlich die Unterstellung des Unterschieds, also einer guten Unterscheidung, zwischen dem, wie etwas unmittelbar ist, d. h. wie es erscheint oder zu sein scheint, zu dem, was ›hinter diesem Phänomen‹ ist, das »noch etwas Anderes ist«, das Wesen, der Grund oder die Ursache des Seins der Erscheinung. Schon die Wahrheit der scheinbar unmittelbaren Erfahrungsaussage ist »vermitteltes Wissen«. Das ist so, weil die Aussage etwas über die Wesensart des Bezugsgegenstandes sagt und diese inferentiell weit über das hinaus geht, was man unmittelbar wahrnehmen kann. Man kann sozusagen nie etwas völlig unmittelbar als etwas wahrnehmen. Noch nicht einmal die Perzeptionen von Tieren sind unmittelbar, da schon diese enaktiv auf ein Telos ausgerichtet sind und sich daher schon Tiere im präsentischen Unterscheiden täuschen können. Sie können, heißt das, in einem gewissen Ausmaß falsche Erwartungen haben und dann so reagieren, wie wenn sich wunderten. Die Allegorie in der Rede über einen Weg vom Äußeren der Erscheinung ins Innere der Dinge ist keine Erfindung Hegels. Sie gehört zu den semantischen Metaphern, mit denen wir längst schon leben – ganz im Sinne des Buches mit dem Titel »Metaphors We Live By« der
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populären Linguisten George Lako= und Mark Johnson.23 Außerdem spielt Hegel auf Platons »Anamnesis« an, den Gedanken der »Wiedererinnerung«, den man sich im Fall eines ›plötzlichen‹ Erkennens so denken kann, dass man sich an die Stirn schlägt und sagt, »ach, jetzt weiß ich, was es ist«. Die Sprache hat im Zeitwort: Seyn, das Wesen in der vergangenen Zeit: gewesen, behalten; denn das Wesen ist das vergangene, aber zeitlos vergangene Seyn. | (241 | 2) In einer weiteren Anspielung erinnert Hegel an Aristoteles, der in einem interessanten künstlichen Ausdruck »to ti e¯n einai«, »das, was es in seinem Sein gewesen ist«, das Wesen hinter der Erscheinung terminologisch nennt. So wie im Deutschen die erste und zweite Person Singular des Zeitworts »sein«, nämlich »bin« und »bist«, den Zusammenhang mit der physis, dem Sein der Natur und Welt, bewahrt, so bewahrt das Perfekt »ist gewesen« die Beziehung von Sein und Wesen. Hegels Formel vom Wesen als dem »zeitlos vergangenen Sein« tritt zunächst allerdings als ein orakelartiges Rätsel auf. Es löst sich auf im Kontext mit der aristotelischen Formel. Denn was das Wesen ist, ist Antwort auf die Frage: »Was war das nochmal gewesen?« Diese enthält eine zeitlose Antwort, weil es um die Nennung des Genus, des Ansich, der Wesensart des Gegenstandes geht. Das An-undfür-sich-Sein ist die Manifestation der Art im einzelnen Gegenstand. Diese Bewegung, als Weg des Wissens vorgestellt, so erscheint dieser Anfang vom Seyn und der Fortgang, der es aufhebt und beym Wesen als einem Vermittelten anlangt, eine Thätigkeit des Erkennens zu seyn, die dem Seyn äusserlich sey und dessen eigene Natur nichts angehe. (241 | 2) Den Fortgang von einer Erscheinung zu seiner Ursache, Grund oder Wesen stellt man sich gern als Weg vom (scheinbar) unmittelbaren Phänomen (dem Edmund Husserl in seiner Epoché der Einklammerung theoretischen Vorwissens sozusagen auf die Schliche kommen will) zum Wesen »als einem Vermittelten«, vielleicht als einer begri=lich-theoretischen Konstruktion vor. Man meint, es hanGeorge Lako=, Mark Johnson, Metaphors We Live By, Chicago: Univ. of Chicago Press 1980. 23
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dele sich um eine »Tätigkeit des Erkennens«, die als solche unsere Angelegenheit sei. Das Sein des erkannten Objektes und sein Wesen oder ›eigene Natur‹ seien davon völlig unberührt. Diese seien, wie man gern sagt, so, wie sie sind, unabhängig davon, ob sie von uns erkannt werden oder nicht. Doch so ist es nicht. Aber dieser Gang ist die Bewegung des Seyns selbst. Es zeigte sich an diesem, daß es durch seine Natur sich erinnert, und durch diß Insichgehen zum Wesen wird. (241 | 2) Hegel erinnert hier an den Gang der bisherigen Überlegung. Er behauptet also nicht einfach, der Gang vom Sein der Erscheinung zum Grund des Wesens sei »die Bewegung des Seins selbst« und nicht etwa die unseres Erkennens. Es steht außer Frage, dass hier Metaphern stehen. Die Frage ist nur, wie sie zu lesen sind. Hier ist mein Vorschlag: Hegel spricht nicht von der Bewegung eines Dinges oder einer Sache. Der Titel »Sein« steht ohnehin nicht für Sachen, die etwas tun oder sich bewegen. Die Metapher von der Bewegung des Seins steht vielmehr für die ›logische‹ Bewegung von einem ›unmittelbaren‹ Wahrnehmen und Sagen ›es ist so‹ zu einem ›reflektierteren‹ oder ›bewussteren‹ Urteilen der Formen ›es ist wirklich, in Wahrheit, in seinem Wesen, von seiner Natur her so‹ – und der sich dadurch verkomplizierenden ›Logik‹ des Sagens. Wenn also das Absolute zuerst als Seyn bestimmt war, so ist es itzt als Wesen bestimmt. Das Erkennen kann überhaupt nicht bey dem mannichfaltigen Daseyn, aber auch nicht bey dem Seyn, dem reinen Seyn, stehen bleiben; es dringt sich unmittelbar die Reflexion auf, daß dieses reine Seyn, die Negation alles Endlichen, eine Erinnerung und Bewegung voraussetzt, welche das unmittelbare Daseyn zum reinen Seyn gereinigt hat. Das Seyn wird hiernach als Wesen bestimmt, als ein solches Seyn, an dem alles Bestimmte und Endliche negirt ist. So ist es die bestimmungslose einfache Einheit, von der das Bestimmte auf eine äusserliche Weise hinweggenommen worden; dieser Einheit war das Bestimmte selbst ein Aeusserliches, und es bleibt ihr nach diesem Wegnehmen ¦ noch gegenüber stehen; denn es ist nicht an sich, sondern relativ, nur in Beziehung auf diese Einheit, aufgehoben worden. – (241 f. | 2) Das Absolute als das Sein zu bestimmen, bedeutet zu erklären,
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dass unsere unmittelbaren Wahrnehmungen oder Aussagen uns sagen, wie die Welt ist. Das bedeutet, dass die Absolutheit des Vollzugs des Wahrnehmens und des bloß präsentischen Urteilens unbedacht schon im Blick auf die Existenz des Gegenstandes und die Wahrheit des Inhalts für absolut erklärt wird. Das wiederum heißt, man geht unbesehen von einer subjektiven Gewissheit zu einem Wissensanspruch über. Die Relation zwischen Gegenstand und Bezugnehmer fällt damit aus dem Blick. Wenn diese in der Reflexion aufscheint, gelangen wir dahin zu sagen, dass die Wirklichkeit, die als objektiver Wahrmacher unserer Wissensansprüche gelten soll, ›als Wesen bestimmt‹ ist, d. h. als etwas, das vom Sein des unmittelbaren ›es ist‹ eben dadurch unterschieden ist, dass jenes zur Erscheinung wird. Der Gedanke ist m. E. wieder nicht ganz ohne Vorgri=e klar artikulierbar. Man kann die Reflexion über ›das Absolute‹ auch so verstehen, dass zunächst die Wahrheit mit dem unmittelbaren Weltbezug identifiziert wird, in dem zwischen Subjekt und Objekt gar nicht di=erenziert wird. »Sein« ist hier Titel für das ungeschiedene In-der-Welt-Sein eines Tieres (oder Dinges) ohne mitwissende oder bewusste Reflexion auf entsprechende perspektivische Di=erenzen – so jedenfalls kann man den Gedanken demjenigen grob anschaulich machen, der Probleme mit den abstrakten Kommentaren zu kategorialen Formen des Weltbezugs hat. Wenn Hegel hier vom Erkennen spricht, meint er jedoch gerade nicht die enaktive Perzeption und reaktive Rezeption eines Tieres, sondern das menschliche Wahrnehmen und personale Erkennen, das als solches erstens begri=lich bestimmt ist und zweitens um seine Perspektivität und Lokalität, daher um das Relationale der Weltbezugnahme weiß. Eben daher ist menschliches Erkennen im Unterschied zu animalischer Perzeption der logischen Form nach ›unendlich‹ in sich reflektiert. Das bedeutet konkret, dass wir einen unendlichen Regress der Reflexion auf Reflexionsakte beginnen und fortsetzen können: Du kannst meine Urteile beurteilen und ich deine. Und ihr könnt dann hinzukommen und unsere Urteile beurteilen usf. Im Blick auf den sensualistischen Empirismus bei Hume und auch noch auf den ›rationalistischen‹ oder transzendentallogischen Empirismus bei Kant ergibt sich, dass der Begri= des Erkennens eines Gegenstandes oder einer Sache weder beim Tier noch beim Men-
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schen mit einer di=usen Mannigfaltigkeit gegebener Sinnesdaten beginnen kann. Kein Wesen ›ordnet‹ solche Daten nach irgendwelchen angeborenen oder formalen Prinzipien oder Regeln. Erkennen ist aber auch keine unmittelbare Beziehung zum Ganzen der Welt. Vielmehr sind die Totalitätsbegri=e wie »Sein« und »Welt« nicht anders als die Reden von »gegebenen Daten« und manifesten »token« von generischen »types« selbst nur im Rahmen höchst idealisierender Abstraktionen und Reflexionen konstituiert – in einem Prozess der ›Reinigung‹, der aus der Vielfalt von endlichen Unterscheidungen sozusagen in einem Mittelbereich zur Rede über die Extreme des absolut Einzelnen und einer absoluten Allheit der Welt oder des Gottes führt. Es sind dies aber bloß handbewegungsartige Bezugnahmen auf das ›reine Sein‹ des Einzelnen oder des Ganzen. Es ist nicht leicht, Hegels Doppelperspektive auf Kategorien als Denk- und als Seinsformen sowohl zusammen als auch getrennt zu rekonstruieren. Doch ›das Wesen‹ ist o=enbar Titel für reflexionsund relevanzlogische Aussageformen der Art ›Die Natur/das Wesen von x ist Y ‹. Entsprechend ist mit Titeln wie »Sein« und »Welt« zu verfahren, aber auch mit »Ursache« (bei Hegel: »Grund«) für phänomenale »Existenz«, also für das erfahrbare Sein. Dieser Aspekt wird artikuliert durch einen Satz wie »Das Sein ist (als) das Wesen (bestimmt)«, der (auch) bedeutet, dass man die Welt jetzt auffasst als das, was von meiner Welt je meines unmittelbaren ›Weltzugangs‹ abgetrennt oder losgelöst und meinen Erfahrungen als Gegenstand ›absolut‹ gegenübergestellt wird. Wieder wird von endlichen Unterscheidungen abstrahiert, da diese es unmöglich machen würden, von einem ›reinen‹ Wesen zu sprechen, oder auch von der ›reinen Natur‹, wie sie für sich ist. In gewissem Sinn rekonstruiert Hegel hier die Gedankenführung, die zu Vorstellungsbildern führt, welche man mit Kants Rede von einem Ding an sich verbindet. Ziel ist – in meiner Rekonstruktion – die Einsicht, dass es sich um abstraktive Sprachkonstruktionen zum Zwecke spekulativer, d. h. hochstufig-allgemeiner Reflexion auf prinzipielle logische Formen wie die Einzelheit, wie sie konkret nur bestimmbar wird in semi-sortalen Gegenstandsbereichen, oder eine indefinite Ganzheit handelt, die als solche nie zu einem konkreten Bereich zu machen ist. Die abstraktive ›Einklammerung‹
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konkreter Unterscheidungen artikuliert also nur eine Art ›ideales Sollen‹. Man weist formal oder in einer Handbewegung darauf hin, dass von besonderen subjektiven Unterscheidungen und Identifikationen zu abstrahieren sei – ohne zu sagen, welche es sind. Denn von allem kann man nicht abstrahieren, ohne die Titel »das Sein«, dann auch »die Natur« bzw. »das Wesen« völlig zu entleeren, so wie Kants Ding an sich völlig entleert ist – oder aber die einzige Substanz benennt, die es gibt, nämlich Gott bzw. die Welt in ihrer Totalität. Um auch nur die Beziehungen zwischen ›meiner Welt‹ und ›der Welt‹ zu artikulieren, bedarf es einer Überwindung des subjektiven Empirismus Humes und des subjektiven Idealismus Kants in Richtung gemeinsamer Bezugnahmen auf Welt durch systematisch von uns selbst entwickelte Gleichgültigkeiten, Äquivalenzen bzw. Invarianzen oder Ko-Varianzen bei wechselnden Perspektiven in Bezugnahmen auf ›dasselbe‹. Es wurde oben schon erinnert, daß wenn das reine Wesen als Inbegri= aller Realitäten bestimmt wird, diese Realitäten gleichfalls der Natur der Bestimmtheit, und der abstrahirenden Reflexion unterliegen, und dieser Innbegri= sich zur leeren Einfachheit reducirt. Das Wesen ist auf diese Weise | nur Product, ein gemachtes. Die äusserliche Negation, welche Abstraction ist, hebt die Bestimmtheiten des Seyns nur hinweg von dem, was als Wesen übrig bleibt; es stellt sie gleichsam nur an einen andern Ort, und läßt sie als seyende vor wie nach. Das Wesen ist aber auf diese Weise weder an sich, noch für sich selbst; es ist durch ein anderes, die äusserliche, abstrahirende Reflexion; und ist für ein anderes, nemlich für die Abstraction und überhaupt für das ihm gegenüber stehen bleibende Seyende. In seiner Bestimmung ist es daher die in sich todte, leere Bestimmungslosigkeit. (242 | 2 f.) Hegel erinnert noch einmal daran, dass die Rede von einem reinen Wesen als ›Inbegri= aller Realitäten‹ in sich widersprüchlich ist: Einerseits soll von allen unseren Unterscheidungen abstrahiert werden, andererseits sollen ›diese Realitäten der Natur der Bestimmtheit unterliegen‹. Sie setzen dann aber Wesensbestimmungen voraus, auf die zu reflektieren ist. Wir haben also in Ausdrücken der Form »das Wesen der Welt« (vielleicht auch »die Natur für sich«) zunächst nur
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die leere Form der ›Einfachheit‹ des Ganzen hergestellt – so dass das Wesen oder die Natur im Sinne des Inhalts der Ausdrücke als von uns gemacht, hergestellt, durchschaubar wird. Es wäre allerdings falsch, dies ›objektstufig‹ zu lesen und zu glauben, Hegel behaupte, die Natur sei von uns gemacht oder die Wirklichkeit sei – als Grund des erfahrbaren Seins – bloße theoretische Konstruktion. Hegel reflektiert hier o=enbar auf die logische Form abstraktiver Nennungen, besonders auf der Ebene spekulativer Totalbegri=e oder Gesamtcharakterisierungen von Welt, Sein oder Wesen, und spricht selbst ›topographisch‹ von Ortsbestimmungen: Es ›gibt‹ das Wesen weder ›an sich‹ noch ›für sich selbst‹. Es ist weder Gattung noch Einzelnes: Es ›existiert‹ nur synkategorematisch im Wortfeld Sein und Wesen, Wesen und Erscheinung. Der reine Unterschied ist aber ohne Spezifizierung in konkreten Aussageformen bloß erst ›leere Bestimmungslosigkeit‹. Das Wesen aber, wie es hier geworden ist, ist das, was es ist, nicht durch eine ihm fremde Negativität, sondern durch seine eigne, die unendliche Bewegung des Seyns. Es ist An-und-Fürsichseyn; absolutes Ansichseyn, indem es gleichgültig gegen alle Bestimmtheit des Seyns ist, das Andersseyn und die Beziehung auf anderes schlechthin aufgehoben worden ist. Es ist aber nicht nur diß Ansichseyn; als bloßes Ansichseyn wäre es nur die Abstraction des reinen Wesens; sondern es ist eben so wesentlich Fürsichseyn; es selbst ist diese Negativität, das sich Aufheben des Andersseyns und der Bestimmtheit. (242 | 3) Wir dürfen die Rede über das ›Werden des Wesens‹ nicht ›objektstufig‹ lesen, so wenig wie die über die ›Bewegung des Seins‹. Vielmehr entsteht das Bedürfnis, Sein und Wesen zu kontrastieren, aus der Einsicht, dass die scheinbar unmittelbaren Unterscheidungen in der Sphäre ›des Seins‹ unsere Unterscheidungen sind, so dass das Wesen das ›An-und-Fürsichsein‹ (der Sachen) der Welt sein soll, also ›gleichgültig gegen alle Bestimmtheit des Seins‹ und d. h. unseren Bestimmungen jedenfalls als etwas Anderes entgegensetzt. Nachdem wir aber schon wissen, dass das Ansichsein generische Allgemeinheit und absolutes Ansichsein eine reine Abstraktion ist (in unserem Fall: ›des reinen Wesens‹), muss das Wesen auch ›Fürsichsein‹ sein – und
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es fragt sich, wie diese Relationen des Wesens zu sich überhaupt konkret bestimmt sein sollen. Ohne dass den Lesern das immer klar ist, gliedert Hegel hier die folgende Untersuchung nach seinem Grundschema und erklärt, dass zunächst das Wesen als Ansichsein, also die generischen Unterschiede zwischen wesenslogischen und phänomenalen Aussagen, thematisiert wird, dann aber auch als Fürsichsein. In der relationalen Verortung der Rede vom Wesen einer Sache in seiner Individualität und Identität heben sich ›Anderssein‹ und ›Bestimmtheit‹ auf. Der schwierige und gern mystifizierte Titel »Negativität« besagt hier eben das, was schon in der Seinslogik erörtert wurde: Jeder Gegenstand ist durch seinen Ort in einem relationalen Gefüge bestimmt, der in sich nicht weiter di=erenziert wird und gleichgültig gegenüber verschiedensten Zugängen zu den Orten ist, gerade so, wie das ja auch im Urbild der räumlichen Orte der Fall ist. Der Titel »Negativität« steht also ganz allgemein für die inzwischen schon fast zu oft hervorgehobene und doch immer wieder zu erinnernde Einsicht, dass jedes ›Etwas‹ durch Unterscheidungen und Nichtunterscheidungen bestimmt ist. Das gilt eben auch für die Bestimmung wesenslogischer Redegegenstände wie die Ursache einer phänomenalen Wirkung oder den Grund einer Existenz in der Welt der Erscheinungen (oder des ›unmittelbaren‹, ›phänomenalen‹ Seins). Das Wesen als die vollkommene Rückkehr des Seyns in sich ist so zunächst das unbestimmte Wesen; die Bestimmtheiten des Seyns sind in ihm aufgehoben; es enthält sie an sich; aber nicht wie sie an ihm gesetzt sind. Das absolute Wesen in dieser Einfachheit mit sich hat kein Daseyn. (242 | 3) Das Wesen ist die Rückkehr des Seins in sich, wenn man sich die Metapher des ›Wegs‹ klarmacht, der zum Begri= des Wesens führt, nämlich in der Vorstellung, wir müssten absehen von allen unseren perzeptivischen oder denkenden, sensitiven oder intellektuellen Zusätzen und Zugängen zum Sein – und nur das Sein betrachten, wie es an sich oder für sich ist. Im Unterschied zu Kant, der sein ›Ding an sich‹ per definitionem zugangslos macht, sieht Hegel, dass wir über objektive Gegenstände reden unter der Annahme, dass wir die ver-
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schiedenen Zugänge einander richtig zuordnen. Objektivität entsteht also in einer Praxis des Perspektivenwechsels. Der Weg beginnt in der Seinslogik mit einem ›gemischten‹ Seinsbegri=. Der Begri= des Wesens versucht sozusagen, das Sein an sich, für sich oder auch an-und-für-sich (wir lassen alle diese Unterschiede hier o=en) von ›unseren‹ Zusätzen zu ›reinigen‹ und aus unwesentlichen Relationen bloß meines oder unseres Zugangs zu ihm zu lösen. Dass diese Vorstellung dann ›leer‹ und ›in sich widersprüchlich‹ wird, wenn alle Zugänge gekappt werden, sollte einleuchten. Wir können nicht über etwas sprechen, von dem wir sagen, es sei so ähnlich wie ein uns bekanntes Ding, aber ganz anders. Aber hier ist nicht alles falsch. Vielmehr ist Kants Kontrastierung zwischen ›dem‹ Ding an sich und ›einem‹ Gegenstand in der Welt der Erscheinungen in einem haltbaren Sinn zu rekonstruieren. Dabei können wir aufgrund der Seinslogik schon so viel sagen: Hegel unterscheidet das Ansichsein des Dings oder der Sache als seine generische Bestimmung, also als Typ, vom Fürsichsein als vereinzelnde Exemplifizierung, also als Token. Anders aber als das heute übliche Verständnis der Type-TokenBeziehung erkennt er diese als hochgradig kontextsensitiv, zumal es kein Token gibt, das nicht als Instantiierung des Arttyps durch die Art bestimmt wäre. Dabei signalisiert das »für sich«, dass wir von den für die Sache unwesentlichen Relationen auf uns oder andere Sachen abstrahieren. Das Ergebnis ist wieder, dass Kants Bestimmung des Ansichseins durch Abstraktion von allen Relationen zu uns sinnlos, leer, wird – oder aber nur zu Spinozas Substanz, dem Ganzen der Welt sub specie aeternitatis führt. Konkreter wird Hegel zeigen, dass eine Sache an und für sich sozusagen das Gesamt seiner Erscheinungen ist. Jede ihrer Erscheinungen präsentiert die Sache. Wir aber repräsentieren sie durch verschiedene Benennungen und Charakterisierungen. Die Folge ist, dass die Sache als Grund ihrer Erscheinungen zu diesen in einer logischen Beziehung steht und dass wir daher unsere Rede davon, dass die Sache und für sich Ursache der Erscheinungen sei, entsprechend neu, sinnkritisch, zu verstehen haben. Eine solche Ursache ist also kein ›Impression‹ auf unser Wahrnehmungskostüm wie bei Locke und Hume.
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Im Wesen, spezieller: im Grund einer Erscheinung müssen deren Bestimmtheiten, die immer irgendwie aus unseren Unterscheidungen stammen, ›aufgehoben‹ werden. Der schwierige Satz »Es enthält sie an sich; aber nicht, wie sie an ihm gesetzt sind« besagt noch in Kritik an Kant eben dies, dass von unseren Setzungen der generischen Di=erenzen und Normalfallinferenzen oder Dispositionserwartungen zwar immer auch abgesehen werden soll – und dennoch soll das Wesen einer Sache an sich bestimmt sein. Das aber geht nicht; daher hat das Wesen, so als ›absolut‹ und losgelöst von unserem Denken und Erfahren betrachtet, gar »kein Dasein«, keine Anwendung auf irgendeine Realität. Aber es muß zum Daseyn übergehen; denn es ist An-und-Fürsichseyn, das heißt, es unterscheidet die Bestimmungen, welche es an sich enthält; weil es Abstossen seiner von sich | oder Gleichgültigkeit gegen sich, negative Beziehung auf sich ist, setzt es sich somit sich selbst gegenüber, und ist nur insofern unendliches Fürsichseyn als es die Einheit mit sich in diesem seinem Unterschiede von sich ist. – (242 | 3 f.) Wenn die Rede vom Wesen sinnvoll sein soll, muss es einen bestimmten relationalen Übergang zum empirischen Dasein, der Welt der Erscheinungen, geben, also zu dem, was je hier und jetzt oder dort und dann gegenwärtig da ist. Denn das Wesen ist ja als An-undFürsichsein dessen konzipiert, worauf wir uns über die Vermittlung seiner Erscheinungen beziehen (wollen). Das aber heißt: Am Wesen gibt es Bestimmungen, welche für es ›an sich‹ oder als Gegenstand eines Genus von Gegenständen gelten. Weil außerdem das Wesen einer Sache ein »Abstoßen seiner von sich ist«, d. h. als Sache selbst der bloßen Erscheinung der Sache gegenübergestellt wird, womit zugleich eine Äquivalenz oder Gleichgültigkeitsrelation zwischen verschiedenen Erscheinungen derselben Sache gesetzt ist, ist es »negative Beziehung auf sich«. Es ist unendliches Fürsichsein nur insofern, als es einen indefiniten Bereich möglicher Erscheinungen der Sache gibt – aus je verschiedenen Perspektiven, bei je verschiedenen Personen z. B., und weil es die Einheit ist, welche diese Erscheinungen zu Erscheinungen derselben Sache als Grund der Erscheinungen oder als wirkendes Wesen machen
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und damit in einer ›Äquivalenzklasse‹, der Klasse der Erscheinungen desselben Wesens, zusammenhalten. Wir können als Beispiel die Erscheinungen der Sonne betrachten. Von der Erde aus sieht sie bei entsprechend ausgestreckten Beinen so breit aus wie ein Menschenfuß. In weiterer Entfernung sieht sie aus wie ein Stern. Kommen wir ihr näher, wird sie am Ende riesengroß. Im Unterschied zu Hume erklärt Hegel nicht, das Ding sei ein Bündel von Erscheinungen oder Perzeptionen. Vielmehr wird die Sache selbst, das Wesen als Grund der phänomenalen Existenz, als Redegegenstand begri=en, der systematisch, wie wir am Ende sehen werden: begri=lich, mit der beschriebenen Äquivalenzklasse zusammenhängt, aber diese nicht einfach ›ist‹. Die Sonne ist z. B. ein Körper, nicht eine Menge von menschlichen Wahrnehmungen. Sie steht ja auch nicht nur in Relationen zu uns, sondern zu sehr vielen anderen Dingen. Heraklits Protest hatte sich ja gerade dagegen gerichtet, dass sich die Leute einfach mit den Erscheinungen zufriedengegeben haben. Für ein Tier und seine begrenzten Orientierungsbedürfnisse z. B. mag das ausreichen. Dieses Bestimmen ist denn anderer Natur, als das Bestimmen in der Sphäre des Seyns, und die Bestimmungen des Wesens haben einen andern Charakter als die Bestimmtheiten des Seyns. Das Wesen ist absolute Einheit des An-und-Fürsichseyns; sein Bestimmen bleibt daher innerhalb dieser Einheit, und ist kein Werden noch Uebergehen, so wie die Bestimmungen selbst nicht ein Anderes als anderes, noch Beziehungen auf Anderes sind; sie sind Selbstständige aber damit nur als solche, die in ihrer Einheit mit einander sind. – Indem das Wesen zuerst einfache Negativität ist, so hat es nun die Bestimmtheit, welche es nur an sich enthält, in seiner Sphäre zu setzen, um sich Daseyn und dann sein Fürsichseyn zu geben. ¦ (242 | 4) Der zentrale Punkt ist, dass die Bestimmung des Wesens einer Sache, der Ursache einer Erscheinung oder des Grundes von deren Existenz – im wörtlichen Sinne eines ›Herausstehens ins Dasein‹ – von ganz anderer Art ist als die zunächst qualitativen Unterscheidungen in der Sphäre des Seins. Wieder in partiellem Vorgri= auf das Ergebnis der Überlegung kann man sagen, dass das Wesen theoretisch bestimmt ist und nicht bloß klassifikatorisch und dass
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die zugehörige ›Theorie‹ sich am Ende als Begri=sbestimmung mit dispositionellen bzw. inferentiellen Komponenten herausstellt, die als ›absolute Einheit des An-und-Fürsichseins‹ natürlich als ›gute bzw. wahre Erklärung der Erscheinungen‹ anzusehen ist. Insofern Theorien zeitallgemein in ihren (generischen) Gegenständen und Wahrheiten sind, gibt es hier, anders als im Fall der empirischen Gegenstände und Wahrheiten, kein ›Werden noch Übergehen‹. Kurz, die theoretischen Gegenstände und Wahrheiten der ›Welt des Wesens‹ sind statisch, so wie die der reinen Mathematik. Die Bestimmungen sind relational, nicht prozessual – so lese ich den schwierigen Satz, die Bestimmungen seien »nicht ein Anderes als anderes, noch Beziehungen auf anderes«, womit die Rede von Beziehungen auf Relationen des Werdens, also auf prozessuale Relationen verweisen würde. Das Statisch-Relationale fände bei Hegel dann seinen Ausdruck in der Rede von einer »Einheit miteinander«. Wieder ist die Metapher, dass sich das Wesen erstens Dasein und zweitens Fürsichsein zu geben habe, so aufzulösen, dass das Verständnis unserer wesenslogischen Rede über eine Wirklichkeit als Grund von Erscheinungen diese natürlich erstens mit dem Dasein verbinden muss, dass zweitens Identitäts- und Individuationsbedingungen wenigstens auf der generischen Typenebene festzulegen sind. Das Wesen ist im Ganzen das, was die Quantität in der Sphäre des Seyns war; die absolute Gleichgültigkeit gegen die Grenze. Die Quantität aber ist diese Gleichgültigkeit in unmittelbarer Bestimmung, und die Grenze an ihr unmittelbar äusserliche Bestimmtheit, sie geht ins Quantum über ; die äusserliche Grenze ist ihr nothwendig, und ist an ihr seyend. Am Wesen hingegen ist die Bestimmtheit nicht; sie ist nur durch das Wesen selbst gesetzt; nicht frey, sondern nur in der Beziehung auf seine Einheit. – Die Negativität des Wesens ist die Reflexion, und die Bestimmungen reflectirte, durch das Wesen selbst gesetzte und in ihm als aufgehoben bleibende. (243 | 4) Im Fall der Quantität sind die reinen Zahlen und Mengen unmittelbar durch Äquivalenzen zwischen Zahlenrepräsentationen bzw. Mengenbenennungen definiert. Die Grenze ist die ›äußerliche Bestimmtheit‹, also die gleichgültige Vertretung etwa der Zahl 2 durch »II« oder »zwei« oder »10« im Binärcode oder irgendeine Menge mit genau
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zwei Elementen. Der Übergang in das Quantum besteht eben darin, dass man die reine Quantität der Zahl 2 mit einer Mengenbestimmung oder Einheit verbindet und von 2 Kreisen oder 2 Stücken oder 2 cm redet. Ohne äußerliche Grenze ist die reine Quantität 2 gar nicht definiert, da sie selbst immer als Abstraktion eines benannten Quantums von 2 Gegenständen oder 2 Einheiten oder 2 Ausführungen einer Operation definiert ist. Die reine Quantität der Zahl 2 ist also gerade die Äquivalenz oder Gleichgültigkeit aller möglichen äußeren Repräsentationen des Zweifachen oder Zweielementigen. Im Unterschied zur Quantität der reinen Zahlen und Mengen, die nur durch von uns konstruierte und beliebig reproduzierbare Repräsentanten (›im Dasein‹) bestimmt sind, gibt es für das Wesen keine solche unmittelbare Bestimmung. Denn es sollen ja reale Phänomene dargestellt und erklärt werden. Möglicherweise meint der schwierige Satz, die Bestimmtheit des Wesens sei nicht frei, sondern nur in der Beziehung auf seine Einheit durch das Wesen selbst gesetzt, das Folgende. Während unsere Setzungen der Gleichheiten und Wahrheiten der Arithmetik frei sind insofern, als wir die Erfüllungen der Bedingungen dafür, dass ein geeigneter Repräsentant z. B. gerade die Zahl 5 vertritt, frei festsetzen, ist die wesenslogische Rede von einem wirklichen Ding und seinen dispositionellen Eigenschaften als Ursache seiner Folgen, wie sie am Ende der Kette zu wahrnehmbaren Erscheinungen führen, nicht frei. Sie ist nämlich nicht unabhängig von den zu erklärenden bzw. darzustellenden Erscheinungen zu entwerfen. Die Negativität des Wesens besteht in einer Art Spiegelung des erscheinenden Daseins in der Rede über das Wesen als Grund der Existenz. Alle Bestimmungen des Wesens sind theoretisch gesetzt als im Idealfall nachhaltige dispositionelle Wesenseigenschaften. Von diesen wird gesagt, dass sie die ›Ursachen‹ der Erscheinungen bzw. Wirkungen des Wesens auf andere Sachen und auf uns in der Wahrnehmung seien. Sie reflektieren so das generische Ansichsein der Sache in sich. In ihnen werden gewisse stabile phänomenale Unterschiede und Prozesse auf je konkrete Weise ›aufgehoben‹ im doppelten Sinn der Aufbewahrung und der Abstraktion. Es wird also von vielen ›irrelevanten‹ oder ›äußerlichen‹ Unterschieden und Veränderungen
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der Sache selbst zugunsten von etwas Bleibendem, ›Substantiellem‹, abgesehen, um wesentliche Aspekte der Sache zu erhalten: ihr Wesen. Das Wesen steht zwischen Seyn und Begri= und macht die Mitte derselben und seine Bewegung den | Uebergang von Seyn in den Begri= aus. Das Wesen ist das An-und-Fürsichseyn, aber dasselbe in der Bestimmung des Ansichseyns; denn seine allgemeine Bestimmung ist, aus dem Seyn herzukommen, oder die erste Negation des Seyns zu seyn. Seine Bewegung besteht darin, die Negation oder Bestimmung an ihm zu setzen, dadurch sich Daseyn zu geben, und das als unendliches Fürsichseyn zu werden, was es an sich ist. So gibt es sich sein Daseyn, das seinem Ansichseyn gleich ist, und wird der Begri=. Denn der Begri= ist das Absolute, wie es in seinem Daseyn absolut oder an und für sich ist. Das Daseyn aber, das sich das Wesen gibt, ist noch nicht das Daseyn, wie es an und für sich ist, sondern wie das Wesen es sich gibt, oder wie es gesetzt wird, daher noch von dem Daseyn des Begri=s unterschieden. (243 | 4 f.) Grundsätzlich sind das alles noch vorgreifende Sätze in abstraktester Formulierung zur Übersicht des erst im Folgenden konkret ausgeführten Gedankenganges. Solche Sätze sind in Hegels Texten am schwersten zu verstehen. Genau genommen sind sie erst in einer zweiten Lektüre, aus dem Rückblick dessen, worauf sie vorausblicken, einigermaßen zu entschlüsseln. Daher ist es unmöglich, ja falsch, Hegels Text rein ›linear‹ lesen zu wollen, ohne Vorgri=e auf Begri=e und Ausführungen, welche in derartigen Passagen bloß erst avisiert werden. Zunächst ist z. B. die Aussage, dass das Wesen zwischen Sein und Begri= steht, als Aussage über logisch reflektierende Ausdrucks- und Auffassungsformen zu lesen: In naiver ›ontologischer‹ Rede meinen wir, direkt über die Dinge zu sprechen, die es so gibt, wie wir sie wahrnehmen. Dann bemerken wir, dass wir zwischen wesentlichen Eigenschaften wirklich existierender Dinge und ihren Erscheinungen unterscheiden (müssen). Schließlich lernen wir, dass diese Unterscheidung begri=lich durch die Gattungs- und Artbestimmungen des Dings oder Sache (wesentlich) konstituiert ist. Der Satz ist also trivial wahr als Kommentar zu Hegels Ordnung der Abfolge der Themen.
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Zunächst wird das Wesen als das An-und-Fürsichsein der Sachen dargestellt, weil es ja um die generischen Erklärungen der besonderen konkreten Erscheinungen geht. Aber das Wesen wird dabei nur auf allgemein-generische Weise, als Ansichsein oder theoretische Struktur angesprochen. Das ist deswegen so, weil das Wesen als »erste Negation des Seins« in der Entgegensetzung von Ursache und Erscheinung zu fassen ist. Die Rede von der Bewegung des Wesens ist sicher eine schwierige logische Metapher. Es geht aber ganz o=enbar darum, dass Aussagen über das Wesen, ein wirkliches Ding und seine wirkende Kraft zum Beispiel, so zu verstehen sind, dass sich die ›Äußerungen‹ der Kraft im Dasein gerade aus den dem Ding zugeschriebenen dispositionellen Eigenschaften ergeben. Das Wesen gibt sich in diesem metaphorischen Sinn Dasein in der von ihm bewirkten, am Ende irgendwie vielleicht auch wahrnehmbaren Erscheinung. Das Wesen wird das unendliche Fürsichsein, das es an sich ist, gerade in dem Sinn, als wir sagen, dass es alle die ›Äußerungen‹ oder ›Erscheinungen‹ produziert, bewirkt oder ›erklärt‹, die wir als seine Erscheinungen bewerten und die zueinander in der Relation des Fürsichseins des Wesens stehen, gerade weil es sich um ein einheitliches Wesen in seiner Gleichheit bzw. Identität handelt. Das Wesen ist als ›abstrakter‹ Grund selbst ein Ansichsein, ein Typ oder eine Artform. Indem aber das Wesen auf bestimmte Weise erscheint und diese Bestimmtheit das ›Ansichsein‹ des Daseins ist, ist es gerade die begri=liche Bestimmung dieses Daseins. Das wahre Wesen des Wesens ist, wie oben erläutert, der Begri=, die Artform, welche auch die Identitätsbedingungen (also das Fürsichsein) ihrer Instantiierungen bestimmt. Während also die Unterscheidung zwischen Wesen und Erscheinung bloß eine relative reflexionslogische Form ist, ist der Begri= ›das Absolute‹, »wie es in seinem Dasein absolut und an und für sich ist«. Das bedeutet, dass das, was wir als das ›Absolute‹ setzen, um die Relativität der subjektiven Bezugnahmen zu überwinden, am Ende das begri=lich gefasste Dasein ist, die Sache, wie sie an und für sich ist. Das Dasein, das ›sich das Wesen gibt‹, ist bloß erst das Dasein »wie es gesetzt wird«. Es ist wohl dadurch »von dem Dasein des Begri=s unterschieden«, da ich, du oder wir in wesenslogischer Rede
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bloß versichern oder behaupten, dass die Sache wirklich so sei, wie es eine erklärende Theorie sagt, während ›der Begri=‹ als anerkannte Darstellung und Erklärung sagt, wie etwas (im Dasein) wirklich ist. Wir haben also, so würde ich grob auf den folgenden Gedankengang vorgreifen, zwischen der wesenslogischen Rede von Wahrheit, Wirklichkeit und Grund und einer begri=slogischen Rede zu unterscheiden. In der wesenslogischen Reflexion geht es um die Form von noch relativ unmittelbar verstandenen, insofern sozusagen naiv ›realistischen‹ bzw. ›objektsprachlichen‹, Versicherungen, dass etwas wirklich existiert, dass es das Wesen oder die Natur von etwas ist, etwa als Grund für eine Existenz oder als Ursache für eine Erscheinung. Die begri=slogische Reflexion der subjektiven Logik beginnt, nachdem die logische Naivität dieses ›Realismus‹ oder ›Objektivismus‹ jeder bloß erst ›objektiven‹ Logik des Seins und Wesens durchschaut ist. In ihr erkennt man erst voll (an), was Kant als erster Logiker gesehen hat, nämlich dass es einer transzendentalen, präsuppositionslogischen, Konstitutionsanalyse aller Gegenstände unserer Bezugnahmen bedarf. Dazu müssen wir explizit machen, wie man nicht bloß subjektiv versichert, etwas sei Wesen oder Grund eines Phänomens, sondern an eine vorausgesetzte transsubjektive Anerkennung entsprechender begri=licher Normalfallbedingungen appelliert. Das Wesen scheint zuerst in sich selbst, oder ist Reflexion; zweytens erscheint es; drittens o=enbart es sich. Es setzt sich in seiner Bewegung in folgende Bestimmungen, I. als einfaches, ansichseyendes Wesen in seinen Bestimmungen innerhalb seiner; II. als heraustretend in das Daseyn, oder nach seiner Existenz und Erscheinung ; III. als Wesen, das mit seiner Erscheinung eins ist, als Wirklichkeit. ¦| (243 | 5) Der Ausdruck »das Wesen« steht, ich erinnere daran, generisch für jeden Gegenstand einer Redeform der Art, was so und so zu sein scheint oder erscheint, ist in Wirklichkeit in seinem Wesen das und das. Insofern erscheint das Wesen in seiner Erscheinung. Zuvor war es konstituiert worden im Unterschied zwischen Schein und Sein. Das Wesen ist Reflexion oder scheint in sich selbst, indem es den
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Schein aufhebt. Natürlich tut das Wesen selbst gar nichts. Oben wurde gezeigt, wie solche Sätze zu lesen sind: In unserer Reflexion heben wir einen Schein durch ein Reden von einem Wesen auf – aber zunächst in objektsprachlicher Form, so dass wir meinen, direkt über die wirklichen Dinge, ihre innere dispositionelle Natur, und ihre bloß äußeren Erscheinungen zu reden. Die Schwierigkeit von Hegels Text besteht darin, dass er uns vorzuführen versucht, wie sich die Naivität dieses ›objektiven‹ Standpunkts wesenslogischer Reflexion und damit der ›realistische‹ Naturalismus sozusagen von innen her aufgrund seiner inneren Widersprüche auflöst. Man versteht besser, dass er absolut recht hat, wenn man sich erlaubt, immer auch auf das Ergebnis vorzugreifen und sich so dem Manierismus einer rein immanenten Argumentation partiell entzieht. Im Unterschied zur Erscheinung des Wesens als erfahrbarer Wirkung der Wirklichkeit o=enbart sich das Wesen als Wirklichkeit, wenn es »mit seiner Erscheinung eins ist« und ins Dasein empirischer Erfahrung heraustritt. So ist die Sonne, was sie ist, ein Gegenstand nach Art der Sterne. Sie tritt als unsere Sonne auf der Erde auf mannigfaltige Weise in Erscheinung, morgens, mittags und abends und ist mit diesen Erscheinungen eins. Die theoretischen Bestimmungen des Wesens der Sonne lassen diese sich ›in sich selbst scheinen‹ und legen ihr generisches Ansichsein fest, also was etwas dem relevanten Typ gemäß (wirklich, wesentlich) ist.
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Das Wesen kommt aus dem Seyn her; es ist insofern nicht unmittelbar an und für sich, sondern ein Resultat jener Bewegung. Oder das Wesen zunächst als ein unmittelbares genommen, so ist es ein bestimmtes Daseyn, dem ein anderes gegenüber steht; es ist nur wesentliches Daseyn gegen unwesentliches. Das Wesen ist aber das an und für sich aufgehobene Seyn; es ist nur Schein, was ihm gegenüber steht. Allein der Schein ist das eigene Setzen des Wesens. (244 | 6) Die Redeformen der Wesenslogik reagieren auf Probleme des Seins. Ihre ›Gegenstände‹ und ›Sachen‹ im Sinne der semantischen Bezug-
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nahmen gibt es nicht ›unmittelbar an und für sich‹, sondern erst dadurch, dass man auf die Probleme scheinbar unmittelbarer Seinsbezüge reagiert. Diese werden auf eine ›oberflächlichere‹, ›subjektivere‹ Ebene der ›Erscheinungen‹ gehoben und ihr wird eine ›tiefere‹, ›objektivere‹ Sphäre des Wesens untergeschoben. Das Wesen ist ›Resultat‹ dieser (Denk-)Bewegung. Das heißt, die Aussageformen der Wesenslogik haben eine Kontrastierung von ›Oberfläche‹ und ›Tiefe‹ im Rücken. Der Oberfläche korrespondiert die Relativität auf das Subjekt, der Tiefe die ›Absolutheit‹ bzw. das Für-sich-Sein des Wesens. Hegels spekulative Sätze erläutern diese Urmetaphern unserer reflexionslogischen Kommentierungen des Verhältnisses zwischen Schein, Erscheinung und Wesen. Schon für Heraklit war die Frage in Bezug auf Tag und Nacht und andere Erscheinungen, die in der Sonne und ihren Eigenschaften ihren einheitlichen Grund finden, leitend gewesen. Heraklit erklärt die bei Sonnenfinsternissen auftretende Sichelgestalt der Sonne so: Sie ist eine riesige Halbkugel, die sich am Firmament bewegt und in der ein Feuer brennt. Wenn sie sich teilweise von der Erde abwendet, entsteht die genannte Sichelform. Dabei verlöscht das Feuer der Sonne jeden Tag im Westen. Das erklärt, dass wir ihre Rückkehr nach Osten, wo sie im Okeanos nach Heraklits Theorie brennbaren Sto= auftankt, nachts nicht sehen können. Das Feuer selbst ist nach Heraklit kein Sto=, sondern energetische Sto=umwandlung, wie sie insbesondere für alles Leben konstitutiv ist. Zur Erläuterung des Gedankens vergleicht Heraklit das Feuer mit dem Geld, das man gegen verschiedene Sachen eintauschen kann.24 Das ist durchaus schon die Idee eines globalen Sto=- und Energieerhaltungssatzes. Das Beispiel ist gerade deswegen so gut, weil wir dazu neigen, uns über Heraklits Modell arrogant zu erheben, ohne zu sehen, dass er als erster Logiker
Vgl. Heraklit, a. a. O., Frgm. 90 »Für Feuer ist Gegentausch alles und Feuer für alles wie Geld für Gold und Gold für Geld.« Die Übersetzung von Snell ist problematisch oder gar falsch. Snells »Geld« sind die Waren, chr¯emata, während Heraklits »Gold« als geprägtes Gold einfach das Geld ist. 24
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die Form wesenslogischer Erklärung und ihre Bedeutung für wahre Wissenschaft begri=en hat. Allerdings wird in objektstufiger Rede von dieser Reflexionsform abstrahiert. Man spricht so, als könne man sich unmittelbar auf die wesenslogischen Gegenstände – die Gegenstände und Kräfte, welche allerlei Erscheinungen verursachen – beziehen. Diese erscheinen damit als ein ›bestimmtes Dasein‹, so wie man im naiven Naturalismus glaubt, ein Ding habe einfach Dispositionen und sei so und so von allen anderen Dingen verschieden. Man verschwendet keinen Gedanken darauf, dass die Normalfallerwartungen daran, was das Ding unter bestimmten Bedingungen tut oder tun wird, von uns gesetzt sind, so wie Verschiedenheiten durch gute Unterscheidungen bestimmt sind. In der unmittelbaren Haltung zur Welt steht die Wirklichkeit einer Sache in naivem Kontrast zu anderen wirklichen Dingen und zu den scheinbar rein äußerlichen Erscheinungen, also dazu, wie sie uns zu sein scheinen. Das Äußerliche zählt als unwesentlich, oberflächlich. Das Tiefe, Innere, die zu erforschende Natur, das Wesen der Dinge erscheint als wesentlich. In der objektstufigen Wissenschaft vermeidet man zwar solche Sätze, auch weil sie leicht pathetisch klingen. Doch das bedeutet nur, dass man auf die Verfassung der Wissenschaft zu reflektieren verzichtet und sich darauf beschränkt, praktisch über Natur und Wesen der Sache so zu sprechen, als könne man wirklich über sie unmittelbar sprechen. Wem die folgenden Überlegungen zu subtil oder obskur erscheinen, dem erklärt Hegel selbst sozusagen zum Trost, dass wir nicht immer und überall die Reflexionsformen in unseren Reden über Wirkliches und Objektives thematisieren müssen, zumal die entsprechenden Kommentare schwierig und auch langwierig, teils abstrus bzw. obskur, teils allzu subtil erscheinen können. Wer die intrikate Logik unserer Rede über Natur und Wirklichkeit allerdings selbst bewusst verstehen möchte, wird sich die Mühe machen müssen, sich auf die entsprechenden Obskuritäten spekulativer Kommentare einzulassen. Ansonsten gehört er eben zu den Personen, die implizit oder explizit beschlossen haben, weiterhin naiv über Natur und Wirklichkeit zu sprechen, und das Wort »Wesen« bloß deswegen vermeiden, weil es auf das schwierige Problem ihrer eigenen impliziten Rede-
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formen aufmerksam macht. Für jetzt reicht es jedoch festzuhalten, dass alle wesenslogischen Redeformen und die entsprechenden Betonungen des ›absolut Wahren‹ oder ›objektiv Wirklichen‹ sich aus der wichtigen, im Normalfall aber in ihrer Form kaum bedachten Entgegensetzung von Wesen und Schein stammen, mit der wir die vorher für unmittelbar gehaltene Sphäre des ›Seins‹ aufspalten in das ›Tiefe‹ der Natur und die ›Oberfläche‹ der Erscheinungen. Das Wesen ist erstens Reflexion. Die Reflexion bestimmt sich; ihre Bestimmungen sind ein Gesetztseyn, das zugleich Reflexion in sich ist; es sind zweytens diese Reflexions-Bestimmungen oder die Wesenheiten zu betrachten. Drittens macht sich das Wesen als die Reflexion des Bestimmens in sich selbst, zum Grunde, und geht in die Existenz und Erscheinung über. | (244 | 6) Jetzt können wir auch das zunächst schwierige »ist« im spekulativen Satz »Das Wesen ist Reflexion« in seinem Sinn erläutern. Es drückt hier weder eine Identität noch eine Teilmengen- oder Elementbeziehung aus, zumal der Ausdruck »das Wesen« nicht für einen Gegenstand, sondern eine Kategorie, eine Redeform, steht. Der Satz besagt in seiner verdichteten, figurativen, Ausdrucksform, dass wesenslogische Redeformen längst schon zu einer reflexionslogischen Metastufe gehören, ob das die Leute, die objektstufig mit ihnen umzugehen belieben, wissen oder nicht. Jede Rede über eine objektive Natur oder (absolute) Wahrheit ist entsprechend ›unendlich in sich reflektiert‹, wie wir schon gesagt haben, was wir aber noch genauer verstehen lernen müssen. Dass sich die Reflexion in der wesenslogischen Redeform selbst bestimmt, besagt dann dieses: In jedem Verständnis etwa einer Versicherung der Form »x ist in Wirklichkeit Y « ist eine Bestimmung des Verhältnisses von x als Schein oder Erscheinung und des Wesens oder der objektiven Natur Y enthalten. Sie ist durch logische Analyse explizit zu machen. Entsprechend sind die ›Wesenheiten‹, die als (natürliche) Objekte und Kräfte den Erscheinungen unterschoben werden, als Reflexionsbestimmungen zu rekonstruieren. Die orakelartigen Merksätze »Das Wesen macht sich zum Grund der Existenz« und »Das Wesen geht
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in die Erscheinung über« drücken aus, dass hier das systematische Verhältnis thematisiert wird zwischen der ›natürlichen‹ Weise, über das Wesen oder die objektive Wirklichkeit der Sachen zu sprechen, und einer ›phänomenologischen‹ Reflexion auf deren tatsächliches Verhältnis zu sogenannten Erscheinungen.
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Das Wesen aus dem Seyn herkommend scheint demselben gegenüber zu stehen; diß unmittelbare Seyn ist zunächst das Unwesentliche. Allein es ist zweytens mehr als nur unwesentliches, es ist wesenloses Seyn, es ist Schein. Drittens dieser Schein ist nicht ein äusserliches, dem Wesen anderes, sondern er ist sein eigner Schein. Das Scheinen des Wesens in ihm selbst ist die Reflexion. ¦ (244 | 7) Wesenslogische Versicherungen, wie etwas wirklich oder in Wahrheit ist, stehen dem phänomenalen Sein als subjektivem Schein gegenüber, oder besser, sie scheinen dies zu tun. Das wird von Hegel noch einmal betont. Das Sein des Scheins oder Phänomens zählt in dieser ›naiven‹ Rede über Natur und Wirklichkeit als ›unwesentlich‹. Indem man es aber als Schein darstellt, wird ihm als ›wesensloses Sein‹ scheinbar jede Existenz abgesprochen. Es rein für falsch und nichtig zu erklären, ist aber o=enbarer Unsinn. Es ist daher zu begreifen, dass nicht einmal der Schein und schon gar nicht die erfahrbaren Phänomene etwas sind, das dem Wesen, den wirklichen Dingen, bloß äußerlich wäre. Wir können eine Aussage wie: »Der Stab im Wasser ist geknickt« nicht auf die gleiche Weise für falsch erklären wie die Aussage »2 + 2 = 5«, da der Stab seinem Aussehen nach ja in der Tat geknickt ›ist‹, auch wenn er es als Stab nicht ist.
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A. Das Wesentliche und das Unwesentliche Das Wesen ist das aufgehobene Seyn. Es ist einfache Gleichheit mit sich selbst, aber insofern es die Negation der Sphäre des Seyns überhaupt ist. So hat das Wesen die Unmittelbarkeit sich gegenüber, als eine solche, aus der es geworden ist, und die sich in diesem Aufheben aufbewahrt und erhalten hat. Das Wesen selbst ist in dieser Bestimmung seyendes, unmittelbares Wesen, und das Seyn nur ein Negatives in Beziehung auf das Wesen, nicht an und für sich selbst, das Wesen also eine bestimmte Negation. Seyn und Wesen verhalten sich auf diese Weise wieder | als Andre überhaupt zu einander, denn jedes hat ein Seyn, eine Unmittelbarkeit, die gegen einander gleichgültig sind, und stehen diesem Seyn nach in gleichem Werthe. (245 | 7 f.) Mit der Äußerung wesenslogischer Sätze bzw. Aussagen versichert der Sprecher, dass ein Widerspruch im Sein, nämlich zwischen dem, wie etwas scheint und wie etwas wirklich ist, aufgehoben sei. Heraklit liefert dazu sein obiges Beispiel zur Erklärung der Erscheinungen der Sonne und von Tag und Nacht – und sagt mit Recht, dass seine Erklärung himmelweit besser ist als die Mythen vom Sonnenwagen und ähnliche Geschichten etwa bei Hesiod. In der wesenslogischen Rede davon, wie etwas wirklich oder objektiv ist, wird eine einfache Gleichheit der wirklichen Gegenstände mit sich unterstellt und gegen die ›Sphäre des Seins‹ als bloß unmittelbarer Erscheinung gestellt – so dass das Unmittelbare als das Andere des Wesens erscheint, obwohl in der naiven Rede über die absolute, objektive Wirklichkeit das Wesen selbst unmittelbar als ›seiend‹ unterstellt wird. Das Sein der Erscheinung ›existiert‹ dann nicht mehr selbständig, sondern nur in der Relation auf ›sein‹ Wesen, seine Ursache. Diese Ursache ist insofern als ›bestimmte Negation‹ zu verstehen, als durch sie ›falsche‹ Ursachen als Schein ausgeschlossen werden (sollen). Es liegen also zwei ›Unmittelbarkeiten‹ vor, die der Phänomene, welche noch vor der Unterscheidung zwischen Schein und Wesen, Objektivität und relativem, subjektivem Erleben liegen, und die der wesenslogischen Wirklichkeit, in welcher diese Unterscheidung sozusagen vergessen bzw. ausgeblendet ist.
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Zugleich aber ist das Seyn im Gegensatze gegen das Wesen, das Unwesentliche, es hat gegen dasselbe die Bestimmung des aufgehobenen. Insofern es sich jedoch zum Wesen nur überhaupt als ein Anderes verhält, so ist das Wesen nicht eigentlich Wesen, sondern nur ein anders bestimmtes Daseyn, das Wesentliche. (245 | 8) In der Unterscheidung zwischen dem, was wesentlich und was unwesentlich ist, bewegen wir uns bloß erst auf einer einzigen Ebene, der des Daseins, etwa wenn wir sagen, dass für das Urteil »Der Stab ist gerade« alle die Fälle unwesentlich sind, in denen der Stab geknickt ›aussieht‹. Wir haben im Folgenden die wesenslogische Redeform »x ist in Wirklichkeit Y « und »etwas ist für Y unwesentlich« aufeinander zu beziehen. Der Unterschied von Wesentlichem und Unwesentlichem hat das Wesen in die Sphäre des Daseyns zurückfallen lassen; indem das Wesen, wie es zunächst ist, als unmittelbares seyendes, und damit nur als Anderes bestimmt ist gegen das Seyn. Die Sphäre des Daseyns ist damit zu Grunde gelegt, und daß das, was das Seyn in diesem Daseyn ist, An-und-Fürsichseyn ist, ist eine weitere dem Daseyn selbst äusserliche Bestimmung; so wie umgekehrt das Wesen wohl das An-und-Fürsichseyn ist, aber nur gegen Anderes, in bestimmter Rücksicht. – (245 | 8) Die Unterscheidung zwischen Wesentlichem und Unwesentlichem, Relevantem und Irrelevantem macht klar, dass wesenslogische Redeformen keine ›rein theoretischen Konstruktionen‹ sind, sondern immer schon mit Unterscheidungen im Dasein verknüpft sind. Es werden besondere Aspekte der Sachen im Dasein anderen Aspekten als die wesentlichen vorgezogen und zum ›eigentlichen Wesen‹ oder zur ›eigentlichen Wirklichkeit‹ der Sache gemacht. Damit rückt die Betonung dessen, was der Bezugsgegenstand im Dasein ›an und für sich‹ ist, wieder in die ›seinslogische‹ Rede-Ebene des Daseins selbst. Locke fügt z. B. die Widerständigkeit als primäre Qualität des Dings explizit zu seiner Ausdehnung hinzu und verbessert damit sozusagen die rein abstrakte cartesische Formel von der res extensa. Wir brauchen ja einen qualitativen Körperzusammenhang. Erst im Kontext von Newtons Theorie wird der quantitative Begri= der Masse in seiner Bedeutung klarer. Es kommt jetzt die sich aus relativen Massen-
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Proportionen ergebende ›Massenzahl‹ zum ›Wesen‹ bzw. zur ›Wirklichkeit‹ (auch: ›Wahrheit‹) des Körperdinges hinzu, gerade wenn es abstrakt wie bei Descartes zu einem Punkt verkürzt wird, um die Bewegungen einfach darzustellen. Es sollen dann alle ›sekundären‹ Qualitäten irgendwie aus den primären ›abgeleitet‹ werden. Das geht allerdings schon für Geruch und Geschmack nicht ohne die ›neuen‹ Wissenschaften der Chemie und Physiologie. Entsprechendes gilt für den Magnetismus und die Elektrizität, die sich selbstverständlich nicht auf die Gravitation zurückführen lassen. Daher geht der Begri= der Physik weit über die Mechanik von Druck und Stoß wie im Paradigma der Billardbälle und der ballistischen Dynamik in Newtons Gravitationstheorie hinaus. Für uns hier ist nur die allgemeine Beobachtung wichtig, dass die Rede von der wahren Natur oder dem Wesen der Dinge und Sachen besondere Aspekte im Dasein hervorhebt wie das Haptische gegen das Visuelle (Olfaktorische und Akustische). Daran schließen sich quantitative Messtechniken (der Masse) an, nämlich als Grundlage einer begri=lich-theoretischen Zuschreibung von Kräften und Dispositionen. Insofern daher an einem Daseyn ein Wesentliches und ein Unwesentliches von einander unterschieden werden, so ist dieser Unterschied ein äusserliches Setzen, eine das Daseyn selbst nicht berührende Absonderung eines Theils desselben, von einem andern Theile; eine Trennung, die in ein Drittes fällt. Es ist dabey unbestimmt, was zum Wesentlichen oder Unwesentlichen gehört. Es ist irgend eine äusserliche Rücksicht und Betrachtung, die ihn macht, und derselbe Inhalt deswegen bald als wesentlich, bald als unwesentlich anzusehen. | (245 | 8) Der Vorzug der Nahsinne des Haptischen und des Geschmacks gegen die Fernsinne des Visuellen, der Akustik und des Geruchs ist natürlich auch ›biologisch‹ in ihrer höheren Bedeutung für die Nahrungsaufnahme begründet. Etwas kann schlecht riechen und gut schmecken. Das ist ein Beispiel für die Relevanz der allgemeinen Unterscheidung zwischen dem jeweils Wesentlichen und dem Unwesentlichen. Bei Hegel wird dieser Unterschied ganz abstrakt kommentiert, so dass wir Leser Mühe haben, dem Gedankengang im Detail zu folgen. Dabei ist der Hinweis durchaus tief, dass das, was
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sich an Verschiedenheit aus unserer Unterscheidung zwischen etwas Wesentlichem und Unwesentlichem an einem erfahrbaren Dasein wie der Präsenz eines Dinges vor mir ergibt, das Ergebnis eines ›äußerlichen Setzens‹ ist. Es ist ja zunächst eine willkürliche Setzung, zu sagen, die Widerständigkeit, damit auch die geometrischen Passungseigenschaften, und die Masse eines Körperdings seien ›wesentlicher‹ als Aussehen oder Geruch, auch wenn gerade Widerständigkeit und Masse gewisse Relationen zu allen anderen Dingen, nicht bloß zu unserem Leib und seinen Sinnen sind. Wenn man die Ausdrucksform allgemein betrachtet, ist es völlig variabel, o=en, unbestimmt, was je als Wesentliches hervorgehoben und vom Unwesentlichen unterschieden wird. Für den Parfümeur ist z. B. die Masse und das Volumen eines Sto=es außer für den Verkauf sekundär, die Intensität des Geruches aber keineswegs. Es ist also zunächst unsere ›äußere Rücksicht und Betrachtung‹, welche den Unterschied zwischen Wesentlichem und Unwesentlichem begründet. Indem der Naturalismus als dogmatische Variante eines empiristischen Materialismus diese Tatsache vergisst, spricht er naiv und ohne jedes logische Bewusstsein von der Natur oder dem Wesen der Dinge, wie es eine provinzielle Teiltheorie der Physik, die klassische Mechanik bzw. Dynamik, für ihre Darstellungs- und Prognosezwecke setzt. Man fuchtelt dann schnell rein verbal in der Luft herum, wenn man sagt oder meint, ›so ähnlich‹ wie in der Mechanik sei alles in der Welt kausal erklärbar. Man übersieht dabei o=enkundig auch die sprechhandlungsbezogene Logik der Rede vom Wesen oder der Natur einer Sache, und die stillschweigenden Aspektwechsel, die mal diesen, mal jenen ›Inhalt‹ in der Bezugnahme auf ein Dasein als wesentlich oder unwesentlich herausheben. Genauer betrachtet, wird das Wesen zu einem nur Wesentlichen gegen ein Unwesentliches dadurch, daß das Wesen nur genommen ist, als aufgehobenes Seyn oder Daseyn. Das Wesen ist auf diese Weise nur die erste oder die Negation, welche Bestimmtheit ist, durch welche das Seyn nur Daseyn, oder das Daseyn nur ein Anderes wird. (245 | 9) Die generischen Nominalisierungen in der Rede vom Wesen und Unwesentlichen und die metaphorischen Aussagen über ihr Tun und
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Lassen sind schlicht unverständlich, wenn man sie nicht als spekulative Kommentare zu unseren reflexionslogischen Ausdrucksformen versteht. Es ist daher der ungeübte Leser immer wieder daran zu erinnern, dass es um den Zusammenhang von Aussageformen der Form »die Natur/das Wesen von x ist Y « und »das Wesentliche an x ist Y « geht, der durch die spekulativen Sätze – in objektstufiger Reflexionsformen mehr schlecht als recht – erläutert werden soll. Hegel erklärt nun, dass sich ein Zusammenhang ergibt, indem Aussagen über ein unmittelbares Sein oder Dasein, also der Form »Da ist ein x « oder »Dieses x hier hat die Eigenschaft W « auf eine bestimmte Weise ›aufgehoben‹ werden, nämlich indem z. B. eine Eigenschaft Y von x als wesentlich erklärt wird. Das Wesen als die Ursache der Erscheinung ist damit nur die erste Negation. Das heißt, das Wesen ergibt sich in einer gegenstandsbestimmenden Unterscheidung an dem Dasein x (oder an der daseienden Sache x insgesamt) zwischen x als Bezugsgegenstand und als Manifestation oder Instantiierung von Y . Y als das ›Wesen von x ‹ ist als solches ›das Andere seiner Wahrnehmung oder Erfahrung‹, eben qua Objekt von der Art Y . Das Wesen aber ist die absolute Negativität des Seyns; es ist das Seyn selbst, aber nicht nur als ein Anderes bestimmt, sondern das Seyn, das sich sowohl als unmittelbares Seyn, wie auch als unmittelbare Negation, als ¦ Negation, die mit einem Andersseyn behaftet ist, aufgehoben hat. Das Seyn oder Daseyn hat sich somit nicht als Anderes, denn das Wesen ist, erhalten, und das noch vom Wesen unterschiedene Unmittelbare ist nicht bloß ein unwesentliches Daseyn, sondern das an und für sich nichtige Unmittelbare; es ist nur ein Unwesen, der Schein. (245 f. | 9) Der Merksatz »Das Wesen ist die absolute Negativität des Seins«, so schwierig er klingt, besagt am Ende dieses: Im Kontrast zum (unmittelbaren) Sein, dem ›es ist so‹ der unmittelbaren Empfindungsaussagen, wird in Wesensaussagen der Form ›Es ist (aber) wirklich, eigentlich so‹ ein ›absolutes Wesen‹ dem bloß relativen Schein der Erscheinung negativ gegenübergestellt. Der sich ergebende Merksatz lautet: ›Das Sein wird Schein‹ oder, nach Entwicklung der Gegenüberstellung: ›Das bloße Sein ist bloßer Schein‹. Das Wesen ist zwar
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das Sein selbst, jetzt aber so, dass es dem Schein negativ gegenübergestellt ist, insbesondere wo eine Aussageform der folgenden Form wahr wird: »x scheint zwar ein Y zu sein, aber es ist etwas anderes«. Hegel nennt entsprechend den Schein ein Sein, das mit einem Anderssein behaftet ist. Das wahre Sein oder Dasein ist also das, was etwas wirklich ist – das Wesen, und alles, was nicht zum Wesen, dem wahren Sein des Daseienden, gehört, ist nicht bloß unwesentlich, sondern Schein, das ›nichtige Unmittelbare‹, was unmittelbar zu sein scheint, aber eben nicht so, sondern anders ist. Das Wort »Unwesen« steht für etwas, wie es nicht sein soll, also wesentlich anders ist als das, was es zu sein scheint.
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1. Das Seyn ist Schein. Das Seyn des Scheins besteht allein in dem Aufgehobenseyn des Seyns, in seiner Nichtigkeit; diese Nichtigkeit hat es im Wesen, und ausser seiner Nichtigkeit, ausser dem Wesen ist er nicht. Er ist das Negative gesetzt, als Negatives. (246 | 9) Der Merksatz »Das Sein ist Schein« besagt keineswegs, dass alles, was es in der empirischen, also realen Welt gibt, bloßer Schein sei. Das Leben ist kein Traum. Die Dinge sind keine Chimären. Er besagt, dass sich das scheinbar unmittelbare Sein aufspaltet in das, was es als Wesen ist, und das, was es bloß zu sein scheint, wenn man allzu unmittelbar mit der Satzform ›x ist Y ‹ umgeht. Dabei verweist die Rede vom Sein des Scheins auf die Wahrheit von Aussagen der Form »x scheint (bloß) ein Y zu sein«. Eine Aussage dieser Form ist nur dann wahr, wenn x etwas anderes ist als ein Y , sagen wir, ein Z ; ich oder wir sind im unmittelbaren oder naiven Zugri= auf x vielleicht mit zunächst gutem Grund geneigt, es als ein Y und nicht als ein Z aufzufassen. Weil x in seinem Wesen oder wahren Sein ein Z ist, ist das x als Y negativ aufgehoben – wenn wir Y und Z als unvereinbar annehmen. Dass x kein Y ist, ist also ein wesenslogisches Reflexionsurteil. Als solches hat das Sein von x die Nichtigkeit oder Falschheit von Y in seinem Wesen – da es ja ein Z ist. Der Schein,
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nach dem x ein Y zu sein scheint, aber ein Z ist, ist ›das Negative‹ von Y . Der Schein ist der ganze Rest, der noch von der Sphäre des Seyns übrig geblieben ist. Er scheint aber selbst noch eine vom Wesen unabhängige unmittelbare | Seite zu haben und ein Anderes desselben überhaupt zu seyn. Das Andere enthält überhaupt die zwey Momente des Daseyns und des Nichtdaseyns. Das Unwesentliche, indem es nicht mehr ein Seyn hat, so bleibt ihm vom Andersseyn nur das reine Moment des Nichtdaseyns, der Schein ist diß unmittelbare Nichtdaseyn, so in der Bestimmtheit des Seyns, daß es nur in der Beziehung auf anderes, in seinem Nichtdaseyn Daseyn hat; das Unselbstständige, das nur in seiner Negation ist. Es bleibt ihm also nur die reine Bestimmtheit der Unmittelbarkeit, es ist als die reflectirte Unmittelbarkeit, das ist, welche nur vermittelst ihrer Negation ist, und die ihrer Vermittlung gegenüber nichts ist, als die leere Bestimmung der Unmittelbarkeit des Nichtdaseyns. (246 | 9 f.) Indem das Wesen zum wahren Sein und als das Wirkliche dem Schein gegenübergestellt wird, spaltet sich das unmittelbare Sein der Erscheinung in das Wesen und den ganzen Rest, den Schein. Diesen Schein wiederum gibt es nicht unabhängig von unserer Entwicklung des Unterschieds zwischen Wesen und Schein. Nur in dieser Unterscheidung können wir die Grammatik der Ausdrucksform »x erscheint so, als gälte ϕ(x ), aber in Wahrheit gilt ψ(x )« verstehen. Sprechen wir von einem Schein, dann hat ψ(x ) zur Folge, dass ¬ϕ(x ) gilt. Denn wir sagen ja nicht, dass ein Fenster ein Fenster zu sein scheint, ein Bär ein Tier oder ein Donner ein Wetterphänomen, da sie das ja wirklich sind. In gewissem Sinn ist das Andere des Wesens, der Schein, da und nicht da. Denn es soll ja wahr sein, dass das x ein Y zu sein scheint, aber nicht ist, und zwar im Dasein der wahrnehmenden Bezugnahme auf das x . In gewissem Sinn setzt diese Redeform die Di=erenzierung zwischen der gemeinsamen Bezugnahme auf das x und die Frage voraus, was das x wirklich oder in Wahrheit ist und was es bloß zu sein scheint. Was etwas einfach nicht ist, ist daher etwas Anderes als das, was es zu sein scheint. Ein Unwesen ist ebenfalls etwas Anderes als das Unwesentliche. Zu sagen, die Eigenschaft Y sei für x unwesentlich oder x habe sie
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bestenfalls zufällig, aber nicht notwendig, sagt etwas Anderes als zu sagen, x scheine bloß die Eigenschaft X zu haben. Und doch hängen die Aussageformen locker zusammen, jedenfalls wenn die ›wesentlichen‹ Eigenschaften von x gerade arttypische bzw. allgemeine Eigenschaften sind. Mit anderen Worten, der Gegensatz zwischen Wesentlichem und Unwesentlichem ist ein anderer Gegensatz als der zwischen Wesen und Schein. Das Sein des Scheins liegt zunächst in seiner Unmittelbarkeit. Wird diese reflektiert, trennt sich das Wesen ab. D. h., wir trennen in der Betonung des Wesens den Schein als das unwahre Sein vom wahren Sein ab. Wir unterscheiden den Schein als bloße Erscheinung des Wesens von dem, was dieses an sich, d. h. artgemäß, ist und was es für sich ist, d. h. unter Absehung von Relationen auf die Subjektivität der Betrachter in ihren lokalen Bezugnahmen. – So ist der Schein, das Phänomen des Skepticismus oder auch die Erscheinung des Idealismus eine solche Unmittelbarkeit, die kein Etwas oder kein Ding ist, überhaupt nicht ein gleichgültiges Seyn, das ausser seiner Bestimmtheit und Beziehung auf das Subject wäre. Es ist, erlaubte sich der Skepticismus nicht zu sagen; der neuere Idealismus erlaubte sich nicht, die Erkenntnisse, als ein Wissen vom Ding-an-sich anzusehen; jener Schein sollte überhaupt keine Grundlage eines Seyns haben, in diese Erkenntnisse sollte nicht das Ding-an-sich eintreten. (246 | 10) Die Analyse der Aussageformen, dass es scheint, dass ϕ(x ) für a gilt, oder auch, dass a aus einer besonderen Perspektive als Y erscheint, ist besonders deswegen wichtig, weil der Skeptizismus in seiner Kritik an jeder Rede von einem Wesen hinter den Phänomenen gerade darin zu weit geht, dass er die Konstitution des Gegensatzes von Wesen und Erscheinung nicht begreift. Aber auch der empirische Idealismus, also Humes Bündeltheorie, verkennt die Verfassung der Rede von einem Ding als einem Gegenstand, der als Ursache seiner Wahrnehmung seinen Erscheinungen zum Grund gelegt wird. Beide, der Skeptizismus und der Empirismus, mystifizieren die logischen Verhältnisse z. B. zwischen Ding und Eigenschaft, Wirklichkeit und Erscheinung. Das reflexions- oder wesenslogische ›wahre‹ Sein ist kein Ding an sich im Sinne Kants. Die Verneinung in der Rede vom
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Schein verweist nur auf andere Erscheinungsformen der Sache als die zunächst vermuteten oder ausgesagten. Die Rede von einem ›gleichgültigen Sein‹ hat den doppelten Sinn der Äquivalenz verschiedener Aspekte desselben und der gleichen Gültigkeit verschiedener Zugri=e auf dasselbe. In überschwänglicher Kritik gegen eine vermeintlich metaphysische Transzendenz meinen Nachfolger Humes und Kants, wir müssten alle innerweltliche Wahrheit ermäßigen auf das, was für menschliche Subjekte als Erscheinungen erfahrbar ist. Sie behaupten damit, keine Rede über Objekte, welche diese Erscheinungen und Phänomene transzendieren, sei logisch wohlkonstituiert. Der empiristische Skeptizist verzichtet am Ende aus Rechthaberei und in Fixierung auf die absoluten subjektiven Gewissheitsgefühle oder Intuitionen im Vollzug grundsätzlich auf Aussageformen der Art ›es ist‹ oder ›es ist wahr‹. Er meint, man müsse eigentlich immer exakt und genau sagen: ›mir scheint‹ oder ›ich glaube‹. Wer mit einem solchen Menschen zusammenlebt, wird am Ende wahnsinnig – oder er wird, was wahrscheinlicher und besser ist, das gemeinsame Zusammenleben aufgeben. Denn der inferentielle Unterschied zwischen der Aussage »Es ist Milch im Kühlschrank« und »Ich glaube, es noch Milch da« ist riesig. Nur in seltenen und begründeten Fällen darf man also von der vielleicht zuzugestehenden grundsätzlichen Fallibilität des Wissens wirklich Gebrauch machen und statt »es ist so« sagen »mir scheint so«. Der ›neuere Idealismus‹, also der subjektive Kritizismus Kants, ermäßigt jeden Wissensanspruch. Angeblich wird nur etwas über Erscheinungen ausgesagt. Jedes Wissen über die Dinge, wie sie für sich im Sinne Hegels sind, wird für menschenunmöglich erklärt. Hegel erkennt dagegen, dass das Fürsichsein der Dinge durch eine Abstraktion von unwesentlichen Relationen auf uns konstituiert ist. Für Kant ist endliches Wissen bestenfalls ein transsubjektives Überzeugtsein in Bezug auf sich praktisch in der Anschauung zeigende Ursachen und Folgen im Bereich wahrnehmbarer Erscheinungen. Das Problem dieser Überschätzung der Anschauung liegt nicht darin, dass Kant einen naiven Glauben an eine unverstandene Hinterwelt ablehnte, sondern dass er die logische Form der Rede über objektiv vorhandene Dinge
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im Unterschied zu ihren subjektiven Erscheinungen nicht angemessen begreift und damit nicht den Unterschied zwischen Wirklichkeit und Erscheinung. In der Tat ist es nicht trivial, unsere innerweltliche Kontrastierung von Wissen und Glauben angemessen so zu verstehen, dass der Bereich des Wissens und der Wahrheit nicht leer wird – etwa weil jede einzelne Aussage sich zufällig als falsch herausstellen kann. Der völlige Kollaps in den Skeptizismus und einen bloß noch pragmatischen Solipsismus bzw. Subjektivismus wie bei Hume liegt nicht weit ab von Kants ›Agnostizismus‹, der obendrein begründet ist in dem in sich widersprüchlichen Begri= des ›Dinges an sich‹ und einer Verkennung der Rolle idealisierender Rede über ›reine‹ Formen des Anschauens und Denkens bzw. ›absolute‹ Erfüllungen von Bedingungen. Zugleich aber ließ der Skepticismus mannichfaltige Bestimmungen seines Scheins zu, oder vielmehr sein Schein hatte den ganzen mannichfaltigen Reichthum der Welt zum Inhalte. Eben so begreift die Erscheinung des Idealismus den ganzen Umfang dieser mannichfaltigen Bestimmtheiten in sich. (246 | 10) In seiner Kommentierung des Skeptizismus wird besonders deutlich, dass Hegel in der Tat das Grundproblem der gesamten Tradition der Erkenntnistheorie und Logik erkennt. Es liegt in der Unfähigkeit, prozessuale Relationen zu begreifen. Denn es ist zwar wahr, dass Erkennen ›relativ‹ ist auf das Subjekt. Kant hat recht, diese epistemische Relation zwischen erkennendem personalen Akteur und erkannter Sache, die ein Gegenstand, ein Sachverhalt oder ein prozessuales Ereignis sein kann, in ihrer Konstitution zu reflektieren. Aber er übergeht die Analyse, dass alle Gegenstände in ihren wesentlichen Verschiedenheiten zu anderen Gegenständen (ihrem ›Anderssein‹) und ihrer Identität (ihrem Fürsichsein) onto-logisch bestimmt sein müssen. In der Relation des Erkennens ist das zweite Glied, der Gegenstand, wesenslogisch bestimmt. Die Wesenslogik ist also Onto-Logie der Bezugsgegenstände eines empirischen Erkenntnisanspruchs. Es können in der Analyse zwei Fehler auftreten. Der erste besteht darin, den Gegenstand so anzusetzen, als wäre er vollständig abhängig vom Subjekt, bloß ein ›innerer‹ Gegenstand der ›Vorstellungen‹ des Subjekts, und nicht durchaus das Andere des Erkennens, das sich
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auch noch anderweitig in seiner Selbständigkeit zeigt als bloß im je präsentischen Gesehenwerden oder Gespürtwerden. Der erkenntnistheoretische Idealismus, den Hegel insgesamt als metaphysischen Subjektivismus und Solipsismus erkennt, macht als Erbe von Descartes und Locke, des französischen Rationalismus (bis Leibniz, Wol= und Fichte) und des britischen Empirismus (bis Berkeley, Hume, auch Kant und Schopenhauer) eben diesen Fehler. Es wird, wie im Skeptizismus, sozusagen eine Kopie der ganzen Welt mit allen ihren Unterschieden und Beziehungen in die ›Vorstellung‹ versetzt. Es wird dabei vergessen, dass die Rede von einer Vorstellung wie von einem Erkennen nur dort einen robusten Sinn macht, wo es den Unterschied gibt zwischen dem, was und wie etwas ist, und als was oder wie es von einem Subjekt vorgestellt wird. Der subjektive Idealismus ist daher selbst bloß eine phantastische Vorstellung von dem, was Welt und Vorstellung sein soll, ebenso verrückt wie die Vorstellung, das Leben sei ein Traum. Verrücktheiten dieser logischen Art ergeben sich gerade daraus, dass man auf inkompetente Weise von sinngebenden Unterschieden abstrahiert. Das geschieht, wo man meint, in Gedankenspielen von einem Gehirn im Tank und seiner Vorstellungswelt sprechen zu können, ohne zu begreifen, dass es hier gar keine ›Innenwelt‹ eines bloßen Gehirns gibt und geben kann, sondern bloß Projektionen unserer metaphorischen Rede von einem (semantischen) ›Innen‹ auf andere lebende oder tote Dinge. Dasselbe gilt für Science-Fiction-Filme wie Matrix. Dass diese interessant erscheinen, liegt nur daran, dass man von der Langeweile absieht, die durch die technische Wiederholung der verrückten Vorstellungen entsteht, nach denen eine Monade die ganze Welt ›in sich‹ enthalten soll – so dass man auf die Idee kommen könnte, dass sie selbst nur eine TeilVorstellung einer größeren Monade, nennen wir sie »Gott« oder, für Technikfreaks, eben »Matrix« sei. Was man nicht bemerkt, ist dies: Wie im Fall des Satzes »Das Leben ist ein Traum« ist hier der Inhalt der Vorstellung deswegen fragwürdig, weil alle Identitäten und Seinszuschreibungen rein verbale Setzungen sind, denen kein reales Fürsichsein und kein Unterschied des Andersseins korrespondiert.
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Der Satz »Ich könnte doch die Vorstellungen Gottes / der Matrix sein« ist zwar als Satz syntaktisch wohlgeformt, semantisch aber sinnleer. Das ist so, weil das »Können« nicht den Sinn hat, den es zu haben scheint, etwa in Analogie dazu, dass ein Gegenstand eine Kuh oder ein Reh sein könnte. Dasselbe gilt, wie Descartes immerhin im Ansatz gemerkt hatte, in noch weit tieferem Maß für die Referenz des Wörtchens »ich«, das in jeder realen Denkhandlung auf ein konkretes sprachfähiges personales Subjekt verweist. Hier müssen wir selbstverständlich die Fälle realer Sprechhandlungen von bloß in Romanen in fiktiver Form erstpersonal erzählten Sprechhandlungen unterscheiden. Die Vorstellungen von Leibniz, die er uns als Erzählungen über Monaden als perspektivischen ›Punkten‹ in der Welt zeigt, in denen sich je ihre Welt spiegelt, steht gerade in der Gefahr, diese Di=erenz zu unterschlagen. Dasselbe gilt für Berkeley und Hume, die auf andere Weise die Welt mit je meiner Welt verwechseln. Sogar noch Kants Pseudobegri= der Erscheinung wird so vorgestellt, als begreife er »den ganzen Umfang« der »mannigfaltigen Bestimmtheiten« der ganzen Welt »in sich«. Damit würde gerade der Unterschied zwischen Erscheinung und Wirklichkeit, wie wir ihn in der Welt der reflexionslogischen Rede über das, was ist, was so zu sein scheint und uns je lokal als Phänomen erscheint, auf schlechte Weise aufgehoben, also schlicht vergessen. Das Grundproblem ist natürlich eine ›Logik‹ der scheinbar rein abstrakten ›Denkmöglichkeiten‹. Man beharrt einfach darauf, dass man sich vorstellen könne, dass alles, was es gibt, meine Vorstellung ist oder dass ich selbst Teil einer Matrix oder ein Gehirn im Tank sein könne – und merkt nicht, dass man damit immer nur wiederholt, dass man die Sätze auch rein rezitativ sagen kann. Was es heißt, sie nicht bloß verbal zu akzeptieren, sondern inhaltlich konsequent nach ihnen zu urteilen und zu handeln, wird bestenfalls partiell ausgemalt. Im Fall von Märchen wissen wir normalerweise genau, wo das Kontrafaktische der bloßen Rede oder ›Erzählung‹, also eine neue Form der Rede über bloß noch verbale Möglichkeiten beginnt. Das Problem kritischer Philosophie besteht darin, diese Linie so zu ziehen, dass die ›verrückten‹ Weltbilder des Skeptizismus und subjektiven
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Idealismus als jenseits der Grenze des Sinns, also als bloße Mythen oder Märchen, erkennbar werden. Aber selbstverständlich ist der spiegelbildliche Fehler des naiven Dogmatismus ebenso zu vermeiden, der von der Relativität und Relationalität des Erkennens und Wissens absieht und so redet, als gäbe es einen unmittelbaren Zugri= der erkennenden Person auf das jeweilige Ding in der Welt, wie es und sie an-und-für-sich sind. Es gibt also zwei gegenläufige Fehler der Attitüde unmittelbarer Bezugnahmen, der Fehler des empiristischen ›Subjektivismus‹, ›Solipsismus‹ oder ›Idealismus‹, der so redet, als seien die ›inneren‹ Gegenstände des Empfindens und Fühlens je meiner Welt das einzig Wahre. Er steht in scheinbar kritischer Entgegensetzung zu einem empiristischen oder rationalistischen ›Objektivismus‹, der von einer unmittelbaren Zugänglichkeit zu einer wahren Welt hinter den bloß subjektiven Empfindungen träumt. Der Platonismus in der Mathematik träumt so von Gegenständen und Wahrheiten ohne die Vermittlung des Zugangs zu diesen reinen Gegenständen im Gebrauch von Zeichen. Die dafür nötige Formung eines gemeinsamen Umgangs mit von uns selbst laut oder leise, auch schriftlichen und diagrammatisch hergestellten Symbolen wird einfach vergessen. So vergisst auch der Glaube an Mythen, dass die Gegenstände des Glaubens durch die Geschichten selbst konstituiert werden. Entsprechend entwirft ein Dichter wie Pedro Calderón de la Barca sein Märchen »La vida es sueno«, »Das Leben ist ein Traum«, in dem sogar andere in die Träume anderer hineinsehen können. Die Vorstellung, dass echte Personen unmittelbar identisch sein könnten mit Figuren in Träumen oder Märchen, ist o=enbar uralt. Jener Schein und diese ¦ Erscheinung sind unmittelbar so mannichfaltig bestimmt. Diesem Inhalte mag also wohl kein Seyn, kein Ding, oder Ding-an-sich zu | Grunde liegen; er für sich bleibt wie er ist; er ist nur aus dem Seyn in den Schein übersetzt worden; so daß der Schein innerhalb seiner selbst jene mannichfaltigen Bestimmtheiten hat, welche unmittelbare, seyende, andere gegen einander sind. (246 f. | 10 f.) Der Fehler des (subjektiven) Idealismus ist völlig analog, spiegelbildlich, zum Fehler des (objektivistischen) Materialismus oder
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Realismus: Beide meinen, die Gegenstände ihrer Attitüden der Gewissheit oder des Glaubens seien in ihren Bestimmungen unmittelbar gegeben. Der Mythos des Gegebenen ist also sowohl ein Mythos des Empirismus als auch des Naturalismus und Szientismus. Der Unterschied zwischen einem freischwebenden Empirismus reiner sinnlicher Qualitäten und der zusätzlichen Vorstellung von einem Ding an sich hinter den Kulissen ist daher weit weniger tief, als der scheinbar kritische Empirismus auch noch in Kants Version einer ›konstruktionstheoretischen‹ Transzendentalphilosophie es erscheinen lässt. Ein Problem bei Kant ist die Ambivalenz der Rede von einer Gegenstandskonstitution, die zu einem linguistischen Idealismus wird, wo man sich vorstellt, der Gegenstand sei ›nichts weiter‹ als die durch Wörter zusammengehaltene Mannigfaltigkeit der Erscheinungen des von uns gescha=enen ›inneren Gegenstands‹, der am Ende im Wesentlichen dem Humeschen Bündel von Sinnesqualitäten entspricht.25 Man beachte, dass Hegel hier im Modus der Kommentierung einer falschen Sicht aus der Binnenperspektive des empiristischen Idealismus spricht, also selbst das entsprechende Commitment keineswegs übernimmt, die Sichtweise also nur vorführt, nicht als richtig behauptet. Der Schein ist also selbst ein unmittelbar bestimmtes. Er kann diesen oder jenen Inhalt haben; aber welchen er hat, ist nicht durch ihn selbst gesetzt, sondern er hat ihn unmittelbar. Der Leibnitzische, oder Kantische, Fichtesche Idealismus, wie andere Formen desselben, sind so wenig als der Skepticismus über das Seyn als Bestimmtheit, überdiese Unmittelbarkeit, hinausgekommen. Der Skepticismus läßt sich den Inhalt seines Scheins geben; es ist unmittelbar für ihn, welchen Inhalt er haben soll. Die Leibnitzische Monade entwickelt aus ihr selbst ihre Vorstellungen; aber sie ist nicht die erzeugende und verbindende Kraft, sondern sie steigen in Auch Brandoms Theorie der formalen Konstitution reiner oder abstrakter Gegenstände der Rede gerät in ihrer Anwendung auf reale Gegenstände der Welt, körperliche Dinge etwa, in die Denkfalle eines subjektiven Idealismus oder jedenfalls in dessen Nähe, was manche Kritiken erklärt, die ihm einen linguistischen Idealismus vorwerfen, obwohl die Kritiker zumeist selbst am Wahren der Analyse völlig vorbeigehen. 25
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ihr als Blasen auf; sie sind gleichgültig, unmittelbar gegen einander, und so gegen die Monade selbst. Eben so ist die Kantische Erscheinung ein gegebener Inhalt der Wahrnehmung, er setzt A=ectionen voraus, Bestimmungen des Subjects, welche gegen sich selbst und gegen dasselbe unmittelbar sind. Der unendliche Anstoß des Fichteschen Idealismus mag wohl kein Ding-an-sich zu Grunde liegen haben, so daß er rein eine Bestimmtheit im Ich wird. Aber diese Bestimmtheit ist eine dem Ich, das sie zu der seinigen macht und ihre Aeusserlichkeit aufhebt, zugleich unmittelbare, eine Schranke desselben, über die es hinausgehen kann, welche aber eine Seite der Gleichgültigkeit an ihr hat, nach der sie ob zwar im Ich, ein unmittelbares Nichtseyn desselben enthält. – (247 | 11) Es ist nicht Hegel, der behauptet, der Schein sei etwas unmittelbar Bestimmtes, sondern das meint der (empiristische und skeptizistische, auch agnostizistische) Empirismus und Kritizismus. Hegel berichtet von einer ›logischen Analyse‹, nach welcher alle unsere Wahrheiten bloße Erscheinungen sein sollen. Das Ziel ist, von ›innen‹ her klar zu machen, dass sich damit der Unterschied zwischen Sein und Schein, Wissen und Glauben verflüchtigt. Hegel verweist hier explizit auf den Idealismus von Leibniz, Kant und Fichte und auf Humes Skeptizismus – aber ohne den Namen Hume zu nennen. Zum Letzteren sagt er sehr schön, er lasse sich »den Inhalt seines Scheins geben«, d. h. es werden alle Wissensansprüche als bloße Glaubenshaltungen gefasst, alles Sein als Schein aufgefasst und die inhaltlichen Unterschiede als rein passiv dem Subjekt gegeben angesehen. Alles ist so unmittelbar für das Subjekt. Alles »Es ist so« wird zu einem »Es ist so für mich« – womit allerdings der Unterschied zwischen Aussageform »Es ist so« und »Es ist so für mich«, also auch zwischen »Ich weiß, dass ϕ« und »Ich glaube, dass ψ«, einfach (negativ) aufgehoben wird, wie eben der gesamte Unterschied zwischen Sein und Schein. Leibniz ist in seiner Monadenlehre aber keineswegs besser. Zwar soll die Monade aus sich selbst heraus ihre Vorstellungen entwickeln, aber diese werden zugleich als verursacht und gegeben betrachtet. »Sie steigen wie Blasen auf«, so wie Georg Christoph Lichtenberg auf schön einseitige Weise die Spontaneität des Denkens mit dem ›es
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blitzt‹ analogisiert. Lichtenberg erklärt, dass nicht ›ich denke‹, sondern ›es denkt‹ – was der moderne Objektivismus zum Anlass nimmt, das Wörtchen »es« durch den Ausdruck »das Gehirn« zu ersetzen. Kants Erscheinungen werden wie bei Hume als di=use Mannigfaltigkeit von A=ektionen aufgefasst, die dem Subjekt angeblich unmittelbar gegeben und von diesem durch die geradezu mythische Tat des Verstandes geordnet werden. Fichte will zwar Kants Rede von einem erscheinungstranszendenten Ding an sich aufgeben, so dass das gesamte Reich des sinnlichen Empfindens und der denkenden ›Verarbeitung‹ »eine Bestimmtheit im Ich wird«. Aber wie im skeptischen Empirismus gibt es dann alles, was es gibt, zunächst je bloß für mich – und wir haben den subjektiven Idealismus des Empirismus um keinen Schritt verlassen. In der Fichteschen ›Aneignung‹ von Gegebenem wird dessen ›Äußerlichkeit‹ aufgehoben. Dabei sollen die unmittelbaren Bestimmtheiten des Gegebenen im Ich wie eine Schranke sein, über die man im tätigen Denken formal hinausgehen kann, aber – so Fichtes Vorstellung – so, dass man ›im Ich‹ zwischen leeren und nichtleeren Vorstellungen oder Denkinhalten unterscheiden können soll, als gäbe es ein ›unmittelbares‹ Sein und Nichtsein. Klar ist, um es noch einmal zu sagen, dass alles Innere und die Präposition »in« in Ausdrücke wie »im Geiste« oder »im Bewusstsein« oder »im Ich« metaphorisch sind und nicht etwa ein Geschehen im Kopf meinen, sondern die allgemeinen Inhalte äußerer Ausdrucksformen. Es tut nichts zur Sache, dass diese auch leise und damit wirklich ›nur im Kopf‹ repräsentierbar sind. Es gibt also zwei Stufen im Vorstellen: die erste ist das leise RePräsentieren eines Textes als Wortlaut in stiller Rede, die zweite betri=t den Inhalt, der durch den Text repräsentiert wird und durch alle inhaltsgleichen Texte repräsentiert werden kann. Wie für Texte gilt Entsprechendes für Diagramme und Bilder. 2. Der Schein also enthält eine unmittelbare Voraussetzung, eine unabhängige Seite gegen das Wesen. | Es ist aber von ihm, insofern er vom Wesen unterschieden ist, nicht zu zeigen, daß er sich aufhebt und in dasselbe zurückgeht; denn das Seyn ist in seiner Totalität in das Wesen zurückgegangen; der Schein ist das an sich nichtige; es ist nur zu zeigen, daß die Bestimmungen, die ihn vom Wesen
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unterscheiden, Bestimmungen des Wesens selbst sind, und ferner, daß diese Bestimmtheit des Wesens, welche der Schein ist, im Wesen selbst aufgehoben ist. (247 | 11 f.) Das Problem des relationalen Verständnisses des Wesens als wahres Sein im Unterschied zum Schein besteht o=enbar darin, dass man den Schein aus diesem Verhältnis löst und so unabhängig betrachtet, dass sich der gesamte Unterschied auflöst. Es ist o=enbar schwierig, genau zu verstehen, dass die Pole in relationalen Gegenüberstellungen zwar relativ unabhängig voneinander sind. Aber das, was sie sind, sind sie nur im Relationsgefüge. Am Klarsten sieht man das bei den Zahlen. Der Skeptizismus tilgt das Sein als angeblich transzendent. Damit macht er das gesamte Sein zum Schein. Der Objektivismus tilgt den Schein und erklärt mit ihm alle Erscheinungen für nichtig – so dass an das wahre Wesen bloß noch zu glauben ist. Das hat den unglücklichen E=ekt, dass jedes Wissen ein Glauben und Versichern wird und sich bis auf gewisse Erfolge oder Erfüllungsgefühle der Unterschied zwischen Sein und Schein aufhebt. Das ist der Grund, warum gerade der objektivistische Szientismus sich mit Kants skeptizistischer bzw. subjekt-idealistischer Rede von einem unerkennbaren Ding an sich zufrieden gibt. Wir müssen dagegen begreifen lernen, dass beide Redeformen, die über ein Wesen und die über einen Schein, korrelativ zu verstehen sind und zur reflexions- oder wesenslogischen Vertiefung bzw. Transsubjektivierung oder Objektivierung unserer Rede über die Welt bzw. unserer Weltbezugnahmen gehören. Es ist die Unmittelbarkeit des Nichtseyns, welche den Schein ausmacht; diß Nichtseyn aber ist nichts anderes als die Negativität des Wesens an ihm selbst. Das Seyn ist Nichtseyn in dem Wesen. Seine Nichtigkeit an sich ist die negative Natur des Wesens selbst. Die Unmittelbarkeit oder Gleichgültigkeit aber, welche diß Nichtseyn enthält, ist das eigene absolute Ansichseyn des Wesens. Die Negativität des Wesens ist seine Gleichheit mit sich selbst, oder seine einfache Unmittelbarkeit und Gleichgültigkeit. Das Seyn hat sich im Wesen erhalten, insofern dieses an seiner unendlichen Negativität diese Gleichheit mit sich selbst hat; hiedurch ist das Wesen selbst
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das Seyn. Die Unmittelbarkeit, welche die ¦ Bestimmtheit am Scheine gegen das Wesen hat, ist daher nichts anderes, als die eigene Unmittelbarkeit des Wesens; aber nicht die seyende Unmittelbarkeit, sondern die schlechthin vermittelte oder reflectirte Unmittelbarkeit, welche der Schein ist; – das Seyn nicht als Seyn, sondern nur als die Bestimmtheit des Seyns, gegen die Vermittlung; das Seyn als Moment. (247 f. | 12) Die zunächst sicher schwierige Rede von der »Negativität des Wesens an ihm selbst« überschreibt den logischen Sachverhalt, dass jede reflexionslogische Betonung der Form »x ist in Wirklichkeit Y , nicht Z « einen wesentlichen Unterschied hervorhebt. Das geschieht im Fall der meisten Sprecher im Sachbezug so ›unmittelbar‹, dass sie selbst glauben, einen unmittelbaren Zugang zur Wirklichkeit zu haben und die Falschheit des Scheins unmittelbar behaupten zu können. Allerdings ist gerade das bloßer Schein. Das ist so, weil nicht bloß seinslogische, sachbezogene, sondern gerade auch wesenslogische, auf den Zugang zur Welt mitreflektierende Aussagen zunächst als performative Versicherungen zu lesen sind. Im sogenannten Expressivismus übertreibt man diese Beobachtung. Man meint, alle Aussagen seien immer bloß expressiv und deklarativ. Hegel sieht, dass zu jedem Sprechakt, ob mündlich oder schriftlich, in der Tat das deklarative Moment gehört, aber eben nicht nur dieses. Wenn ich sage, was ich sehe, sei ein Reh, deklariere ich das Gesehene als Reh und versichere expressiv, dass man sich darauf verlassen kann, dass es die wesentlichen Eigenschaften hat, die ein Reh hat. Dass diese Eigenschaften selbst auch Zuschreibungen sind, macht die Sache nur etwas komplizierter: Wir schreiben Rehen diese oder jene dispositionellen bzw. inferentiellen Eigenschaften an sich zu. Normale Rehe sollten diese Eigenschaften haben. Jeder von uns ist aber an diese Zuschreibungen gebunden. Sie sind so objektiv wie eine Norm der Art: Du sollst nicht töten. Tötet man trotzdem einen Menschen, tut man normalerweise etwas Falsches und Schlechtes und sollte sich daher nicht allzu sehr darüber wundern, wenn man dafür bestraft wird – außer in Fällen explizit gemachter Ausnahmen wie in Notwehr oder im Krieg. Nicht wesentlich anders steht es mit der Norm »Du sollt nicht lügen« bzw. ihrer Verschärfung »Sage nur,
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wofür du nach hinreichend gewissenhafter Prüfung und nicht bloß nach ehrlichem Gefühl rein subjektiver Intuition verantwortlich einstehen kannst«. Auch hier sollte man sich nicht wundern, wenn man nicht mehr als vertrauenswürdige Person gilt, wenn man diese Norm und damit die anderen Personen nicht genügend ernst nimmt. Es ist also vermöge der Normen guter Kooperation zwischen Personen und der konventionell gesetzten Normen richtigen Di=erenzierens im Zusammenhang mit inferentiell und damit dispositionell, auch wertend, dichten Gattungs- oder Artwörtern bzw. allgemeinen und besonderen Prädikationen eine Richtigkeit oder Wahrheit im Aussagen definiert, die weit über bloß ehrliche Expressionen subjektiver Meinungen hinausgeht. Diese Di=erenz führt allererst zur Verschiedenheit von Wesen und Schein. Es geht dabei im Einzelfall darum, gut zu unterscheiden, und zwar so, wie wir generisch das gute Unterscheiden als Bedingung für ein Folgern bestimmen. Tut man dies, kann es unter Umständen geschehen, dass in der Reflexion auf die wirkliche Erfüllung der konventionell gesetzten Di=erenzierungsbzw. Wahrheitsbedingungen das frühere Sein der noch unmittelbareren Empfindungsurteile etwa im Kontext von bloß erst reaktiven ersten Meinungen und im Blick auf die wesensmäßigen bzw. wesentlichen Aussagen über die ›Wirklichkeit‹ zu einem Nichtsein, also zu einer falschen Meinung wird. Das Nichtsein des Scheins wird dann reflexionslogisch aufgehoben. Das aber heißt, dass der Schein partiell auch etwas Richtiges enthalten hatte. Es gibt also eine gewisse ›Gleichgültigkeit‹ in Schein und Sein neben einer gewissen Ungleichheit, der Verschiedenheit dessen, was nicht als äquivalent gelten kann und darf. So sind z. B. eine Oase und eine Fata Morgana aus der Ferne gestalt- oder formgleich. Inhaltlich sind sie im Blick auf bedingte Inferenzen wesentlich verschieden. Die ›Unmittelbarkeit‹ dessen, was später als Erscheinung angesprochen werden wird, ist »das eigene absolute Ansichsein des Wesens«. Die Erscheinung kann damit sowohl bloßer Schein dessen sein, was nicht so ist, wie der Begri= besagt, als auch ein Aufscheinen des Seins des wahren Grundes oder der Sache selbst. Alle Bestimmungen des Wesens sind im Modus des Ansichseins, also generisch, zu verstehen. Allgemeine und besondere Artbestim-
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mungen stehen in einem Unterschied zu anderen Arttypen. Durch die Wörter sind den Arten begri=liche Normalfallinferenzen zugeordnet, welche, wenn sie von weiteren Bedingungen abhängen, Dispositionen ausdrücken. Das Wesen als das Wesentliche ist also ein Genus als höhere Art, das in einer besonderen niederen Art und Vereinzelung vorliegt und die betre=ende Artform oder Gattungstypik präsentiert und repräsentiert. Absolut ist das Genus, insoweit es nicht relativ als Einzelzuschreibung, sondern als fürsichseiende Vollzugsform und Seinsweise des relevanten Einzelfalls betrachtet wird. Die Gleichgültigkeit des Wesens ist eben diese Artform, das ›wahre‹ oder ›absolute‹ Sein der Sache an sich. Die »Gleichheit des Wesens mit sich selbst« ist die ›Gleichgültigkeit‹ oder Äquivalenz der Artgleichheit. Das besondere Sein des Einzelnen und der Schein, dass es etwas Anderes sein könnte als von dieser Art, macht das einzelne Sein zu einem ›Moment‹ des Wesens. Das Wesen ist das wahre Sein. Als solches ist es die Bestimmtheit des Seins als ein Sein eines begri=lich bestimmten Typs oder einer Art – so dass wir am Ende das Wesen als reflexiv beurteilte begri=liche Artbestimmung einer irgendwie, etwa in der Anschauung perzeptiv vorliegenden Sache zu begreifen haben. Diese beyden Momente, die Nichtigkeit aber als Bestehen, und das Seyn aber als Moment, oder die an sich seyende Negativität und die reflectirte Unmittelbar|keit, welche die Momente des Scheins ausmachen, sind somit die Momente des Wesens selbst; es ist nicht ein Schein des Seyns am Wesen, oder ein Schein des Wesens am Seyn vorhanden, der Schein im Wesen ist nicht der Schein eines Andern; sondern er ist der Schein an sich, der Schein des Wesens selbst. (248 | 12 f.) Ein Moment ist eine logische Bedingung, ein logischer Bestandteil oder eine logische Folge dafür, dass eine gewisse Aussageform als ›wahr‹ gelten kann. Wesenslogische Momente sind Wesen und Schein. Der Schein ist ein Nichtbestehen einer Eigenschaft, die zu bestehen scheint, so dass sie oberflächlich doch besteht, aber eben ›nicht wirklich‹. Das Sein wird selbst Moment als ›an sich seiende Negativität‹, also der relevanten Verschiedenheit. Es ist ›reflektierte
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Unmittelbarkeit‹ insofern, als nur in der Reflexion das unmittelbare Erscheinen (also Erscheinung und Schein) dem Wesen (›was es wirklich ist‹) gegenübergestellt werden. Hegels tiefe abstraktionslogische Einsicht besteht darin, dass er die Rede von dem Schein, dem Wesen, der Erscheinung, aber auch dem objektiven Ding oder der wirklichen Sache als Gebrauchsform nominalisierter Ausdrücke versteht. In ihnen reflektieren wir auf andere Gebrauchsformen, in denen wir eine begri=liche Bestimmung als (zu) oberflächlich zurückweisen, nur als Oberflächengestalt thematisieren oder ein Ding als Grund oder Ursache einer Erscheinung anerkennen. Die entsprechende wesentliche Identität der Sache ist dabei notwendigerweise generisch, damit begri=lich in ihrem Ansichsein bestimmt. Schein und Wirklichkeit werden so beide zu zwei Momenten der Erscheinung, die es zu unterscheiden gilt. So viel bleibt von Kants Analyse erhalten. Dabei wäre es natürlich falsch, Verschiedenes als gleich oder Gleiches als verschieden zu beurteilen. Aber schon der Ausdruck »das Verschiedene« und die Rede von verschiedenen Fällen sind abstraktionslogische Reflexionstermini, deren Anwendung auf eine als bekannt unterstellte Praxis gemeinsamer Unterscheidungen verweist und im konkreten Bezug auf Sachfragen und begri=liche Präsuppositionen ›sagt‹, dass der eine Fall vom anderen zu unterscheiden ist. Das Wesen ist dabei sozusagen das, was uns anleitet, zwischen wesenhaften bzw. wesentlichen Gleichheiten und Verschiedenheiten zu unterscheiden. Das Wesen selbst ist ex negativo dadurch bestimmt, was als Schein oder falsches Urteil von ihm abzuscheiden ist. In eben diesem Sinn ist das Wesen negativ, nicht positiv bestimmt, nämlich durch den reflexionslogischen Ausschluss eines naheliegenden Scheins. In diesem und nur diesem Sinn bestimmen sich die Momente des Scheins und des Wesens (oder des Wirklichen) selbst gegenseitig. Hegels Formel, dass es sich hier um den Schein des Wesens selbst handelt, besagt eben, dass nicht das, wie etwas scheint, falsch ist, sondern dass es falsch ist, die (dispositionell und inferentiell) ›unrichtigen‹ Aussagen, die sich nur auf unmittelbare phänomenale Zugänge aus besonderer Perspektive zur Sache stützen, nicht von den ›wahren‹ Aussagen über die ›wirkliche Sache‹ auf angemessene Weise zu unterscheiden. Es macht also keinen Sinn,
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darauf zu bestehen, dass für mich etwas so ist, wie es mir zu sein erscheint. Denn das bedeutete, die allgemeine Unterscheidungspraxis und die gesetzten Normalfallfolgen zu verleugnen und nur über seine eigenen Erwartungen aufgrund von Eigenerfahrungen zu reden, wie das Hume tut, was aber nur zum solipsistischen Verhalten von Tieren und ihren enaktiven Perzeptionen, nicht zum empraktischen Urteilen und Handeln von personalen Menschen passt. Wenn jemand bloß erst expressiv etwas meint, mag das ehrlich sein, ist aber damit zumeist noch nicht ausreichend gewissenhaft geprüft. Nicht weiter nachzudenken bedeutet daher, nicht richtig an unserer in sich reflektierten und damit in jedem Urteil zu reflektierenden Praxis des Unterscheidens von Wesentlichem und Nichtunterscheiden von Unwesentlichem teilzunehmen. In ihr muss man zwischen Schein und Wesen unterscheiden, also auch dazwischen, wie etwas je mir (oder einigen von uns) zu sein scheint und wie etwas ist, weil es als verschieden von Anderem so bestimmt ist. Das ›Man‹ und ›ist‹ ist am Ende so zu verstehen, dass es auf eine gute Unterscheidung verweist. Es ist der Gegenpol zum bloßen Expressivismus. Es ist, ich wiederhole den Punkt, zwar jedes Urteil auch expressiv und deklarativ. Subjektiv appelliere ich in ihm an deine oder eure Zustimmung. Aber reflexionslogisch sollte ich es schon gewissenhaft als gut bzw. wahr bewertet haben. Denn es wird ja mitgesagt, dass man das Urteil als richtig anerkennen dürfe, ja solle. In der normalen Arbeitsteilung der Information und Wissensvermittlung wird der Inhalt so tatsächlich anerkannt und orientiert das Handeln. Der Schein ist das Wesen selbst in der Bestimmtheit des Seyns. Das, wodurch das Wesen einen Schein hat, ist, daß es bestimmt in sich, und dadurch von seiner absoluten Einheit unterschieden ist. Aber diese Bestimmtheit ist eben so schlechthin an ihr selbst aufgehoben. Denn das Wesen ist das Selbstständige, das ist als durch seine Negation, welche es selbst ist, sich mit sich vermittelnd; es ist also die identische Einheit der absoluten Negativität und der Unmittelbarkeit. – (248 | 13) Die ist-Sätze der Spekulation auf reflexionslogische Urteilsformen sind o=enbar schon wegen ihrer Hochstufigkeit schwer verständlich. Das gilt selbst dann, wenn man weiß, wie sie allgemein zu nehmen
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sind, nämlich als Betonung eines wesensmäßigen Zusammenhangs, den allerdings der Leser je selbst konkretisieren muss. Das gilt z. B. für den Satz »Der Schein ist das Wesen selbst in der Bestimmtheit reinen Seins«. Er gehört in die gleiche Klasse der o=enkundig katachrestischen Merksätze, die in sich widersprüchlich sind, wie auch »Das Sein ist Schein«. Der Satz »Der Schein ist das Wesen selbst in der Bestimmtheit reinen Seins« besagt dann, dass die generische Bestimmtheit der Sache ausschließt, dass sie etwas Anderes ist, das aber aus gewissen Perspektiven möglicherweise so zu sein scheint. Daher ist die Artbestimmtheit der Sache verschieden vom Gesamt dessen, wie die Sache in verschiedenen Aspekten und Zugri=en zu sein scheint oder erscheint. Man denke an Aussage-Inhalte der Art, dass dieses Tier eine Kuh, kein Reh, oder dieser chemische Sto= das giftige Kohlenmonoxid, nicht das ungiftige Kohlendioxid, ist. Das Wesen ist dabei im System der Wesen theoretisch bestimmt. Wir sehen damit auch den Unterschied zu Humes Bündeltheorie klarer. Hume meint, die Sache selbst als Menge von möglichen sinnlich erfassbaren Qualitäten auffassen zu können. Von einem Wechsel der Perspektiven ist dabei ebenso wenig die Rede wie von einer gemeinsamen Artbestimmung der Sache. Daher können die Erscheinungen nicht als verschiedene Ausprägungen der Sache selbst, seines wirklichen Wesens, begri=en werden. Der einzige Schein, den es bei Hume gibt, ist die Enttäuschung rein subjektiver Erwartungen. Die Logik expressiver Versicherungen wird ebenso wenig analysiert wie ihre Bewertung als wahr aus verschiedenen Blickwinkeln, aber immer mit endlicher Hinsicht auf ausreichend gute Normalfälle. Das Wesen, die Wirklichkeit, ist das Selbständige. Es ist Objekt oder Objektivität für sich. Als solches steht es unseren zunächst bloß erst intuitiven, ehrlichen, noch nicht gewissenhaft reflektierten, epistemologischen Zugängen zum Sein oder Dasein so entgegen, wie das schon die Wörter »ob-iectum« und »Gegen-Stand« sagen. Genauer gesagt, es wird das Objektive dem Subjektiven gegenübergesetzt, und zwar als Wesen, das dem Schein entgegengesetzt wird. Wie verhält sich das nun zur Beobachtung, dass im einzelnen Sprechakt alle wesenslogischen Aussagen der Form »x ist in Wirk-
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lichkeit Y , nicht Z « zunächst selbst bloß als Versicherungen zu lesen sind? Diese wenden sich zwar ›negativ‹ gegen die naheliegende Aussage, x sei Z . Sie versichern, dass die Aussage »x ist Z « zu depotenzieren sei. Das Ergebnis ist die Aussage: »x scheint bloß, Z zu sein«. Die Antwort ist völlig analog zum Weg von der Unterscheidung zum Unterschied oder Verschiedenheit. Es ist, wie Hegel im Folgenden genauer herausstellen wird, der Weg von der reflexionslogischen Negation ›oberflächlicher‹ oder ›naiver‹ Aussagen zu wesenslogischen Aussagen, die der Form nach wieder ›objektstufig‹, also keine ›metastufigen‹ Negationen oder Kommentare sind, indem sie nämlich über die ›objektive‹ oder ›wirkliche‹ Welt ›hinter‹ (oder ›über‹) der bloß phänomenalen Welt, je meiner Welt, sprechen. Dennoch enthält eben diese objektstufige Redeform über ›das Wesen‹, wie sich Hegel stenographisch ausdrückt, eine unendliche Reflexion, nicht anders als die Rede von Verschiedenheiten in der Welt. Das ist so, weil die Geltungsbedingungen von ›x ist in Wirklichkeit Y , nicht Z ‹ sich aus unserer Bewertung der generischen Aussage ergeben: »Man kann und sollte sagen, dass x in Wirklichkeit Y ist und nur Z zu sein scheint«. Diese Bewertungen ›von uns‹ sind aber o=enbar selbst in einem unendlichen Regress der Reflexion ihrerseits bewertbar. In eben diesem Sinn ›enthält‹ jede Aussage über ›das Wesen‹, also über eine ›wirkliche Ursache‹, einen unendlichen Regress. Er beginnt mit der Zurückweisung von ›Negationen‹, welche das Y selbst nicht als Wesen, sondern als unwesentliche Erscheinung werten (wollen). Es folgt die Bestätigung der ›Negationen‹, welche Z als bloßen Schein werten – beides unter Bezugnahme auf das x als dem Gesamtphänomen oder einheitlichen ›Gegenstand‹, von dem die Rede ist. Weil sich das Verfahren fortsetzen lässt, ist zwischen einer Wesensaussage als Expression von mir, dir oder einer Gruppe von Leuten und ihrer ›endgültigen‹ Bestätigung ›durch uns alle‹, genauer, durch alle von uns, die etwas von der Sache verstehen, zu unterscheiden. Wie man sieht, sind nicht nur Hegels Ausdrucksweisen, wie etwa die Merksätze »Das Wesen ist selbständig« und »Das Wesen ist selbst Negation« oder auch »Das Wesen ist ein Unterschied« schwierig. Die Sachen selbst sind hier schwierig. Denn die Rede über das Wesen, also eine wirkliche Ursache, ist konstituiert oder, wie Hegel
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dafür sagt, ›vermittelt‹ durch die »identische Einheit der absoluten Negativität und der Unmittelbarkeit«. Wir können dies jetzt so paraphrasieren: Die absolute Negativität ist die anerkannte Wirklichkeit mit ihren wesentlichen Verschiedenheiten, die als solche einem unwesentlichen Schein gegenübergestellt sind, wobei beide sich auf den gleichen Gesamtgegenstand beziehen, den ich hier mehr schlecht als recht als Gesamtphänomen der Unterscheidung zwischen Wesen und Schein anspreche. Die Negativität ist die Negativität an sich; sie ist ihre Beziehung auf sich, so ist sie an sich Unmittelbarkeit; aber sie ist negative Beziehung auf sich, abstossendes Negiren ihrer selbst, so ist die an sich seyende Unmittelbarkeit das Negative oder Bestimmte gegen sie. Aber diese Bestimmtheit ist selbst die absolute Negativität und diß Bestimmen, das unmittelbar als Bestimmen das Aufheben seiner selbst, Rückkehr in sich ist. (248 | 13) Die Negativität an sich ist die artbezogene Verschiedenheit, die sagt, wie wir unterscheiden sollten. Als Verschiedenheit ist sie »Beziehung auf sich«. Das heißt, sie ergibt sich aus der unendlich reflexiven Form der bewertenden Aussage: »Es ist richtig, hier so zu unterscheiden«. Diese ist unendlich, weil es der Form nach indefinit viele Sprecher gibt, die aus ihrer Sicht zustimmen oder nicht und dabei jeweils weiter bewertet werden. Die Negativität ist an sich Unmittelbarkeit, eben weil wir von einer Verschiedenheit in der Welt und nicht von unserer Unterscheidungspraxis sprechen. Letztere gehört zwar zur Konstitutionsform der Verschiedenheit oder »Negativität an sich«, fällt aber gerade deswegen nicht mit ihr zusammen, weil sie eine kooperative Form des Unterscheidens ist und die Bedeutung der ›objektstufigen‹ AussageForm »x ist (wesentlich) verschieden von Z « bloß vermittelt. Wir treffen hier also auf einen absolut wesentlichen Punkt, den abstraktiven Übergang von einer reflexiven Rede über eine Unterscheidungspraxis zu einer objektiven Rede über die durch sie vermittelten wesenslogischen Verschiedenheiten ›in der Wirklichkeit‹. Der naive Objektivismus oder Repräsentationalismus, der auf den Boden stampft und erklärt, die Welt sei so, wie wir sie abbilden, ohne sich um unsere Unterscheidungen als Bedingungen jeder Korre-
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spondenz zu kümmern, begreift deren Konstitution oder Vermittlung nicht. Er übersieht das allgemein kanonisierte Wissen, das in jedem Weltbezug längst schon eingearbeitet, präsupponiert, ist. Nicht viel besser steht es um den transzendentalen Intersubjektivismus, der sich mit Kant bloß auf die allgemeine Einsicht zurückzieht, alle begri=lichen Unterscheidungen seien doch ohnehin nur Momente unserer menschlichen Praxisform und der Sozialität der Vernunft. Die Logik des abstraktiven Übergangs von gemeinsamen Unterscheidbarkeiten zu innerweltlichen Verschiedenheiten ist von einer bloß kantischen Praxisformanalyse noch nicht begri=en. Die ›seiende Unmittelbarkeit‹ ist die reflexionslogisch vermittelte wesenslogische Verschiedenheit der wirklichen Sachen, vermittelt über unsere Unterscheidungen, aber auch über unsere Unterscheidbarkeiten und über das, wie wir wann und wie unterscheiden sollten oder gerade nicht unterscheiden, sondern als äquivalent bewerten sollten. Sie ist so ›absolute‹, d. h. von der Relativität der Bezugnahme auf bloß faktische Unterscheidungen losgelöste Verschiedenheit oder Negativität, so dass unser Bestimmen sich formal insofern ›selbst aufhebt‹, als es nicht um unsere immer auch kontingenten, willkürlichen, falschen Bestimmungen geht, sondern um die idealiter reflexionslogisch unendlich bewerteten Bestimmtheiten, also darum, wie man die Sachen richtig zu unterscheiden oder zu bestimmen hätte. Damit wird klar, inwiefern das Wesen, die Wirklichkeit, also auch alle ›objektiven kausalen Ursachen‹ in ihrer Idealität konstituiert sind. Die Rede über eine ›absolute‹ Objektivität der Wirklichkeit ist also der Form nach durch eine unendliche Idealisierung konstituiert und vermittelt. Musterbeispiel ist seit Platon die Rede über reine geometrische Formen. Dort vermittelt die Praxis der ›beliebig genauen‹ Realisierung hinreichend guter Formen den Zusammenhang zwischen empirischen Figuren und ihren idealen Formen. Hier vermittelt die Praxis der Einigung auf beliebig hoher, aber je endlicher Ebene des Reflexionsregresses das Verhältnis zwischen idealer absoluter Wahrheit und realen Wirklichkeitsaussagen. Die praktische und kooperativ erfolgreiche Übereinstimmung darüber, wie man jeweils unterscheiden kann und sollte, was man als wesentlich und unwesentlich bewerten sollte und was man als Schein vom Wesen
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oder der Wirklichkeit unterscheiden bzw. abtrennen sollte, ist hier der entsprechende ›Regressstopper‹ und zugleich die reale Form der Anwendung wesenslogischer Ausdrucksformen auf die empirische Welt des qualitativen Seins. Der Schein ist das Negative, das ein Seyn hat aber in einem Andern, in seiner Negation; er ist die Unselbstständigkeit, die an ihr selbst aufgehoben und nichtig ist. So ist er das in sich zurückgehende Negative, das Unselbstständige, als das an ihm selbst Unselbstständige. Diese Beziehung des Negativen oder der Unselbstständigkeit auf sich, ist seine Unmittelbarkeit; sie ist ein anderes als es selbst; sie ist seine Bestimmtheit gegen sich, oder sie ist die Negation gegen | das Negative. Aber die Negation gegen das Negative ist die sich nur auf sich beziehende Negativität, das absolute Aufheben der Bestimmtheit selbst. (248 | 13 f.) Wenn x nur scheinbar Z ist, hat x sein Sein in etwas anderem, nämlich dem Y , das x wirklich ist, und Y ist die Negation von Z : Y und Z können nicht gleichzeitig gelten, sie widersprechen sich, stehen im (konträren) Gegensatz zueinander. D. h. daraus, dass x ein Z ist, folgt begri=lich: x ist kein Y ; und daraus, dass x ein Y ist, folgt, dass y kein Z ist.26 Der Schein Z ist dann ›unselbständig‹ in dem Sinn, dass er bloß auf der Seite des Urteilenden, nicht der Sache zu liegen kommt, wobei das Urteil als ›unrichtig‹ oder ›nichtig‹ aufgehoben wird, weil es der wirklichen Sache, ihrem Wesen an sich, nicht angemessen ist. Der Schein ist also der unselbständige, nicht objektive, nicht wirkliche Bestandteil der Unterscheidung zwischen wesenhaft-wesentlichem Sein und einem bloß oberflächlichen oder unmittelbaren ›Es ist so‹, das in der reflexionslogischen Zweitbewertung zu einem ›Es scheint bloß so‹ herabgestuft wird. Im Laufe eines potentiellen unendlichen Regresses der Bewertung von Aussagen werden manche von diesen in den höherstufigen, reflexionslogischen Bewertungen also negativ aufgehoben und eben damit als bloßer Schein ›entwertet‹, während Traditionell benutzte man dazu die Prädikatverneinung und sagte so etwas wie: Z liegt in nicht-Y und Y liegt in nicht-Z bzw. Z ⊂ Y C und Y ⊂ Z C bzw. Y ∩ Z = ∅. 26
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andere erhalten bleiben oder zu im Wesentlichen wahren Aussagen oder gar zu wahren Wesensaussagen avancieren. Die Unmittelbarkeit des Scheins ist gerade seine Unselbständigkeit. Sie besteht in der bloßen Subjektivität des unvermittelten, bloß intuitiven Empfindungsoder Gefühlsurteils. Aber schon dann, wenn man merkt, dass entsprechende Empfindungsaussagen oder ›Meinungen‹ expressive Deklarationen sind, beginnt sich der Schein zu lichten. Als solche sind sie nämlich schon etwas Anderes als unmittelbare Empfindungen, nämlich »Negation gegen das Negative«, wie Hegel in seiner idiosynkratischen Kommentarsprache sagt. Es geht ja um Fälle, in denen wir zunächst wirklich geneigt sind, den Stab im Wasser für geknickt zu halten, dann aber sagen, er scheine nur geknickt zu sein. Ein wirklicher Schein wie eine Fata Morgana ist Schein für jeden – im Unterschied zu einer rein willkürlichen Meinung ohne Anlass, die noch nicht einmal einen Schein dokumentiert. Wir müssen hier zwischen »Es scheint so, das φ« und »Mir scheint so, dass φ« unterscheiden. In der Aussage, es scheint (bloß), dass φ, wird die Wahrheit von φ ›absolut‹ aufgehoben, es wird also allgemein gesagt, dass nicht φ gilt, dass es aber dennoch richtig ist, aus den entsprechenden Perspektiven zunächst zu sagen, mir scheint so, dass φ. In der Aussage »Mir scheint so, dass φ« ist die Wahrheit von φ noch keineswegs ›absolut aufgehoben‹. Die Bestimmtheit also, welche der Schein im Wesen ist, ist unendliche Bestimmtheit; sie ist nur das mit sich zusammengehende Negative; sie ist so die Bestimmtheit, die als solche die Selbstständigkeit, und nicht bestimmt ist. – Umgekehrt die Selbstständigkeit als sich auf sich beziehende Unmittelbarkeit ist eben so schlechthin Bestimmtheit und Moment und nur als sich auf sich beziehende Negativität. – Diese Negativität, die identisch mit der Unmittelbarkeit, und so die Unmittelbarkeit, die identisch mit der Negativität ist, ist das Wesen. ¦ Der Schein ist also das Wesen selbst, aber das Wesen in einer Bestimmtheit, aber so daß sie nur sein Moment ist, und das Wesen ist das Scheinen seiner in sich selbst. (248 f. | 14) Man sollte den Satz, dass der Schein die Bestimmtheit im Wesen sei, nicht mystifizieren. Er besagt nur, dass in der reflexionslogischen Redeform durch die Unterscheidung zwischen wesentlichen oder we-
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senhaften von unwesentlichen Oberflächlichkeiten das Wesen gerade durch Ausgrenzung des Scheins am (wirklichen) Sein definiert ist. Diese Ausgrenzung ist allerdings nicht einfach von der flachen prädikativen Art wie die Definition einer Quantität oder Teilmenge in der reinen Mathematik, sondern von ›unendlicher Bestimmtheit‹. Das ist sie erstens wegen des unendlichen Regresses möglicher Evaluationen dessen, was zum Wesen von etwas gehört und was nicht, also wegen der O=enheit der Anwendungsmöglichkeiten von Urteilskraft. Sie ist es, zweitens, wegen der geschichtlichen Entwicklung kanonisierter Wesensbestimmungen, die sich als theoretische Begri=sbestimmungen ausweisen werden. Dass der Schein im Wesen nicht bestimmt sei, bedeutet wohl, dass er auf der Seite der Betrachter liegt und zugleich als möglicher Schein eben dieses Wesens im Wesen. In der Sphäre des Seyns entsteht dem Seyn als unmittelbarem, das Nichtseyn gleichfalls als unmittelbares gegenüber, und ihre Wahrheit ist das Werden. In der Sphäre des Wesens findet sich zuerst das Wesen und das Unwesentliche, dann das Wesen und der Schein gegenüber; das Unwesentliche und der Schein als Reste des Seyns. Aber sie beyde, so wie der Unterschied des Wesens von ihnen, bestehen in weiter nichts, als darin, daß das Wesen zuerst, als ein unmittelbares genommen wird, nicht wie es an sich ist, nemlich nicht als die Unmittelbarkeit, die als die reine Vermittlung oder als absolute Negativität Unmittelbarkeit ist. Jene erste Unmittelbarkeit, ist somit nur die Bestimmtheit der Unmittelbarkeit. Das Aufheben dieser Bestimmtheit des Wesens besteht daher in nichts weiter, als in dem Aufzeigen, daß das Unwe|sentliche nur Schein, und daß das Wesen vielmehr den Schein in sich selbst enthält, als die unendliche Bewegung in sich, welche seine Unmittelbarkeit, als die Negativität, und seine Negativität als die Unmittelbarkeit bestimmt und so das Scheinen seiner in sich selbst ist. Das Wesen in dieser seiner Selbstbewegung ist die Reflexion. | (249 | 14) Die Sphäre des Seins ist der Bereich des unmittelbaren Gegensatzes von ›Es ist so‹ und ›Es ist nicht so‹ qualitativer Unterscheidungen. Die ›Wahrheit‹ dieser Entgegensetzung ist das Werden eben deswegen, weil es die Unterschiede zunächst nur je perspektivisch, damit auch zeitlich bedingt, gibt, also ein präsentisches Zeitintervall fest-
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gehalten werden muss. Jedes ›Jetzt ist es so‹ wird irgendwann zu einem ›Jetzt ist es nicht mehr so‹ und ›Es war so‹. Im Fall des Wesens stehen sich außerdem Wesentliches und Unwesentliches gegenüber, dann auch Wesen und Schein, wobei der Schein der unwesentliche Rest der Erscheinung ist, den man als ›nichtig‹ oder ›falsch‹ aus der wesentlichen Betrachtung ausschließen kann und soll. Das gehört zur Methode der Konstitution einer gemeinsamen Rede über ein bleibendes und situationsübergreifendes Wesen der Sache unter Berücksichtigung der sich unter Änderung der Perspektive ändernden Erscheinungen und einem je möglichen Schein, der falsche Artaussagen an sich nahelegt, die es aufzuheben gilt. Dabei wird im üblichen, nicht reflektierten, Gebrauch wesenslogischer Ausdrucksformen ›das Wesen‹ als Titel für die wirkliche Sache oder Ursache einer Erscheinung oder Existenz ganz ›unmittelbar genommen‹. Damit wird es nicht so verstanden, wie es seiner Artform gemäß oder an sich zu verstehen ist, nämlich erstens als reflexionslogische ›Negativität‹ im Sinne der Ausdi=erenzierung von Unwesentlichem und Scheinhaftem und zweitens als begri=slogische Kanonisierung der typischen Seinsweise von Gegenständen einer gewissen Art. Der Merksatz: »Das Wesen ist die Reflexion« besagt am Ende gerade das, was ich hier schon mehrfach betont habe: Wesenslogische Aussageformen sind in erster Linie reflexionslogische Aussageformen. Wesenslogische Wörter wie »Wirklichkeit«, »Wahrheit«, »Eigentlichkeit« sind spekulative Reflexionstermini, mit denen wir auf die entsprechenden Ausdrücke in reflexionslogischen Aussageformen wie »x ist in Wahrheit ein Y « oder »x ist wirklich Y « reflektieren, indem wir sie in entsprechenden Sätzen kommentieren. Die Rede von der ›Selbstbewegung‹ des Wesens ist entsprechend als Metapher zu lesen, welche die inferentiellen Strukturen wesenslogischer Ausdrucksformen andeutet. Denn eine reflexionslogische Betonung in Ausdrucksformen wie: »in Wahrheit gilt φ« oder »x ist eigentlich, von seiner Natur her, ein Y « ist, wenn man sich die entsprechenden Sprechhandlungstypen vergegenwärtigt, selbst nur Abwehr einer als oberflächlicher Schein ausgeschiedenen Unmittelbarkeit. Behauptet wird dabei formal zwar zunächst auch nur eine unmittelbare Richtigkeit. Aber man appelliert an ihre Anerkennung,
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und zwar in Abwehr von gewissen Alternativen. Dass wir diese Anerkennung geben können oder auch nicht, je nachdem, wie wir den behaupteten Unterschied zwischen Sein und Schein, Wirklichkeit und Oberfläche evaluieren, versteht sich von selbst. Das Urteilen ist ein freies Handeln. Das richtige Urteilen aber ist beschränkt durch einen Kanon oder eine Norm des allgemein Richtigen.
C. Die Reflexion Der Schein ist dasselbe, was die Reflexion ist; aber er ist die Reflexion als unmittelbare; für den in sich gegangenen, hiemit seiner Unmittelbarkeit entfremdeten Schein, haben wir das Wort der fremden Sprache, die Reflexion. (249 | 16) Es ist sicher so, dass Hegel die spekulative Satzform in ihrer teils generischen, teils orakelspruchartigen Form manchmal im Gebrauch überdehnt. Das ist z. B. der Fall bei einem Satz der Form »Der Schein ist dasselbe, was die Reflexion ist«. Mit ihm will er etwas artikulieren, was man, gegeben das übliche Sprachverständnis der Leser, so nicht artikulieren kann. Man kann jedenfalls kaum darauf ho=en, unmittelbar verstanden zu werden. Dennoch scheint klar zu sein, was in solchen Sätzen gesagt werden soll, nämlich eben dies, dass Wörter wie »Schein«, »Phänomen« und »Erscheinung« Reflexionstermini sind. Die Einschränkung, der Schein sei die Reflexion als das Unmittelbare, besagt dann, dass im Normalurteil, wenn sie übereinstimmen, Sprecher und Hörer gar nicht merken, dass ihre Unterscheidung zwischen Schein und Wesen reflexionslogisch konstituiert ist. Erst wenn die Unterscheidung zwischen Sein und Schein nicht unmittelbar ist, wenn uns also ihre Behauptung fremd klingt und wir uns von der Gewohnheit, so zu unterscheiden, entfremden, in Distanz zur objektstufigen Rede über Sein, Wesen oder Wirklichkeit gehen, dann bemerken wir die sonst immer bloß implizite Reflexionslogik in unserem Reden über die Sachen selbst. Noch nicht einmal, wo explizit Objektivität gefordert oder etwas als wirklich behauptet wird, ist man sich dieser reflexionslogischen Form bewusst. Hegel spricht daher ganz zu Recht davon, dass jedes
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Ding und jedes Objekt gerade aufgrund seiner Bestimmung nach Art und Individualität, also in seinem generischen Ansichsein und seinem (etwa raumzeitlichen) Fürsichsein, in sich reflektiert ist – und dass das den Leuten, die sich unmittelbar auf die Dinge und Sachen beziehen, nicht bewusst ist. Wir benutzen hier das lateinische Wort »Reflexion«, um die (selbst-)bewusste Sprechhandlung der Infragestellung unmittelbarer Seins- und Wesensaussagen zu nennen und die innere Reflektiertheit aller Gegenstände sinnvoller Rede bzw. verstehenden Denkens explizit zu machen. Klar reflexionslogisch sind dabei auch alle Aussagen, in denen wir etwa durch Gebrauch von Anführungszeichen partiell in Distanz zum unmittelbaren Gebrauch der Wörter und Sätze gehen. Im normalen Reden ist uns dann aber ebenfalls nicht bewusst, dass alle wesenslogischen Wörter selbst ›eigentlich‹ und ›wesentlich‹ solche reflexionslogischen Distanzwörter sind. Das gilt für die ›negativen‹ Wörter wie »Schein« und »Phänomen« nicht anders als für die ›positiven‹ wie »Wirklichkeit«, »Ursache« und »(wahrer, zureichender) Grund«. Die vielleicht etwas lästige Häufigkeit der Anführungszeichen in den Kommentierungen erklärt sich aus der reflexionslogischen Thematik. Das Wesen ist Reflexion; die Bewegung des Werdens und Uebergehens, das in sich selbst bleibt; worin das unterschiedene schlechthin nur als das an sich negative, als Schein bestimmt ist. – In dem Werden des Seyns liegt der Bestimmtheit das Seyn zu Grunde, und sie ist Beziehung auf Anderes. Die reflectirende Bewegung hingegen ist das Andre als die Negation an sich, die nur als sich auf sich beziehende Negation ein Seyn hat. Oder indem diese Beziehung auf sich eben diß Negiren der Negation ist, so ist die Negation als Negation vorhanden, als ein solches, das sein Seyn in seinem Negirtseyn hat, als Schein. Das Andere ist hier also nicht das Seyn mit der Negation oder Grenze, sondern die Negation mit der Negation. Das Erste aber gegen diß Andere, das Unmittelbare oder Seyn, ist nur diese Gleichheit selbst der Negation mit sich, die negirte Negation, die absolute Negativität. Diese Gleichheit mit sich oder Unmittelbarkeit ist daher nicht ein erstes, von dem angefangen wird, und das in seine Negation ¦ überginge; noch ist es ein seyendes Substrat, das sich
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durch die Reflexion hindurch bewegte; sondern die Unmittelbarkeit ist nur diese Bewegung selbst. | (249 f. | 16) Das Wesen (genauer: die Rede über es) ist ein Übergang von oberflächenbezogenen und perspektivischen empirischen Konstatierungen der unmittelbaren Form: »Da ist eine Oase, wir sehen sie« zu einer reflektierten Aussage der Form: »Das ist nur Schein, in Wirklichkeit ist es eine Luftspiegelung«. Als solche ist die Bestimmtheit des Wesens eine unterscheidende Beziehung zwischen zwei Aussageformen mit ›gleichem empirischen Bezug‹. Wegen der Bezugsgleichheit ist die wesenslogische Redeform eine Identifizierung von etwas. Daher hat sie die allgemeine Form der ›Negation der Negation‹. In der unmittelbaren Erscheinung ist der Bezugsgegenstand artmäßig anders bestimmt als das, was er ›an-und-für-sich‹ ist, wie er also an und für sich zu bestimmen wäre und nicht bloß in seiner zufälligen, ihm äußerlichen, Beziehung auf mich oder uns erscheint oder zu sein scheint. Der erste Zugang zu dem, wovon die Rede ist, bleibt aber über die Doppelform der Erscheinung und des Scheins, kurz: das bloße Phänomen, vermittelt. Daher wird die Unterscheidung zwischen Schein und Erscheinung so wichtig und so schwierig. Wieder kann man beliebig darüber streiten, ob man das Wort »Erscheinung« als Obertitel über den Unterschied zwischen Erscheinung und Schein setzen will, oder, wie Hegel, das Wort »Schein«. Hier wird als Ersatz das Wort »Phänomen« vorgeschlagen. Wichtig ist nur, dass die Aussageform »x scheint bloß Y zu sein« und »x erscheint als Y « einen Unterschied ausdrücken. Der nach wie vor schwierige Titel »(absolute) Negativität« sagt dabei nur noch einmal, dass alle Verschiedenheiten auf Unterscheidungen, alle Bestimmtheiten auf Bestimmungen und diese auf eine Negation bzw. eine Negation der Negation zurückgehen. Beispielsweise ist etwas wesentlich, wenn es nicht unwesentlich ist, oder es ist ein Phänomen als Erscheinung zu werten, wenn es nicht bloßer Schein ist. Das Werden im Wesen, seine reflectirende Bewegung, ist daher die Bewegung von Nichts zu Nichts, und dadurch zu sich selbst zurück. Das Uebergehen oder Werden hebt in seinem Uebergehen sich auf; das Andre, das in diesem Uebergehen wird, ist nicht das
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Nichtseyn eines Seyns, sondern das Nichts eines Nichts, und diß, die Negation eines Nichts zu seyn, macht das Seyn aus. – Das Seyn ist nur als die Bewegung des Nichts zu Nichts, so ist es das Wesen; und dieses hat nicht diese Bewegung in sich, sondern ist sie als der absolute Schein selbst, die reine Negativität, die nichts ausser ihr hat, das sie negirte, sondern die nur ihr Negatives selbst negirt, das nur in diesem Negiren ist. Diese reine absolute Reflexion, welche die Bewegung von Nichts zu Nichts ist, bestimmt sich selbst weiter. Sie ist erstlich setzende Reflexion; sie macht zweytens den Anfang von dem vorausgesetzten Unmittelbaren, und ist so äusserliche Reflexion. Drittens aber hebt sie diese Voraussetzung auf, und indem sie in dem Aufheben der Voraussetzung zugleich voraussetzend ist, ist sie bestimmende Reflexion. (250 | 17) Was ist ›diese reine absolute Reflexion‹, die eine ›Bewegung von Nichts zu Nichts‹ sein soll und angeblich ›sich selbst‹ weiter bestimmt? Bevor wir auch nur die Frage verstehen können, blicken wir wohl besser auf die Erläuterungen, die Hegel selbst später gibt. Er spricht von einer Setzung im Ausgang von ›dem vorausgesetzten Unmittelbaren‹, das ich hier mit dem Gesamtphänomen identifiziere, welches im Wesen absolut gesetzt wird. Bei einer äußeren Reflexion handelt es sich um allerlei Formen der Versicherung, das x sei wesensgemäß ein Y und kein Z . In einem weiteren, dritten Schritt hebt man das vorausgesetzte Unmittelbare dadurch auf, dass man es als Erscheinung eines Wesens oder als Herausstellen eines Grundes bzw. als wahrnehmbare Folge einer Ursache darstellt und diese Darstellung als richtig beurteilt. Diese Form der Aufhebung der Voraussetzung – des erfahrbaren Gesamtphänomens – nennt Hegel »bestimmende Reflexion«. Das Problem zu dieser Lösung lässt sich jetzt grob so rekonstruieren: Es handelt sich bei der reinen Reflexion um die Form der Wesensbestimmung, so als wäre es eine Sache der Dinge selbst und nicht eine dialogisch-dialektische Unterscheidung am ›Scheinen von Schein und Wesen‹, wie man sagen könnte. Eine Bewegung von Nichts zu Nichts ist sie nur insofern, als verschiedene Formen kontrastierender Vernei-
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nungen zur Debatte stehen: Es werden verschiedene naheliegende, aber falsche Urteile negiert. Dabei bewegt man sich von oberflächlichen zu wesentlichen Unterscheidungen oder Verschiedenheiten, sozusagen von einzelnen präsentischen und lokalperspektivischen Unterscheidungen zu allgemeinen begri=lichen Unterschieden. Da im Begri= einer Sache viele reflexionslogische Unterscheidungen längst enthalten sind, wie zum Beispiel im Begri= des Wals, dass er kein Fisch ist, bestimmt sich das Phänomen sozusagen selbst – was dann aber über die Vermittlung einer dialogischen Dialektik wieder explizit zu machen ist. Denn nur dann sehen wir, dass wir die Unterschiede oder Verschiedenheiten auf den unterschiedlichen RedeEbenen bestimmt haben und im Einzelfall als relevant und zutre=end beurteilen. Die besondere Schwierigkeit der Passage liegt daran, dass sie selbst Vorgri= auf die erst später gegebenen Erläuterungen und Entwicklungen ist. Es handelt sich also um einen Gliederungstext, den man erst verstehen kann, wenn man den gegliederten Text schon kennt. Hegel beginnt nun die Durchführung mit der Diskussion dessen, was er als ›setzende Reflexion‹ herausstellen möchte, wobei sich bei ihm die Begri=sexplikation immer mit der Sach- und Problemexposition verschränkt. 1. Die setzende Reflexion Der Schein ist das Nichtige oder Wesenlose; aber das Nichtige oder Wesenlose hat sein Seyn nicht in einem Andern, in dem es scheint, sondern sein Seyn ist seine eigne Gleichheit mit sich; dieser Wechsel des Negativen | mit sich selbst hat sich als die absolute Reflexion des Wesens bestimmt. (250 | 17 f.) Weil wir den Schein, das Scheinen des Phänomens, bloß auf die Seite der lokalen, perspektivischen Perzeption legen, ist es als solches, wie jedes bloße ›Aussehen‹ oder jede frei schwebende ›Gestalt‹, zunächst ›nichtig‹ oder ›wesenslos‹. Das heißt, wir wissen noch nicht, wovon die Rede ist oder worauf Bezug zu nehmen ist. Wir kennen die obere Art (das Genus, die Gattung) der Bezugnahme noch nicht – es gibt für uns daher noch keinen Bezug, den es für andere personalen Subjekte schon geben mag. Für uns reden diese Personen erst
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noch von nichts oder beziehen sich auf nichts (Bestimmbares). Dabei stammt die Verneinung, dass der Schein nichtig oder wesenslos sei, natürlich nicht vom Einzelsubjekt her, dem etwas wirklich so zu sein scheint. Sondern sie entstammt unserer generischen Unterscheidung zwischen dem wirklichen Wesen und dem bloßen Schein am Phänomen, die wir durch Verneinung, dass es bloß unsere Unterscheidung sei, zum Wesen machen, das aber über diese Konstitutionsform längst schon mehrfach ›in sich reflektiert‹ ist. Diese sich auf sich beziehende Negativität ist also das Negiren ihrer selbst. Sie ist somit überhaupt so sehr aufgehobene Negativität als sie Negativität ist. Oder sie ist selbst das Negative und die einfache Gleichheit mit sich oder Unmittelbarkeit. Sie besteht also darin sie selbst und nicht sie selbst und zwar in Einer Einheit zu seyn. – Zunächst ist die Reflexion die Bewegung des Nichts zu Nichts, somit die mit sich selbst zusammengehende Negation. Dieses Zusammengehen mit sich ist überhaupt einfache Gleichheit mit sich; die Unmittelbarkeit. Aber diß Zusammenfallen ist nicht Uebergehen der Negation in die Gleichheit mit sich als in ihr Andersseyn, sondern die Reflexion ist Uebergehen als Aufheben des Uebergehens; denn sie ist unmittelbares Zusammenfallen des Negativen mit sich selbst; so ist diß Zusammengehen erstlich Gleichheit mit sich, oder Unmittel¦barkeit aber zweytens ist diese Unmittelbarkeit die Gleichheit des Negativen mit sich, somit die sich selbst negirende Gleichheit; die Unmittelbarkeit, die an sich das Negative, das Negative ihrer selbst ist, diß zu seyn was sie nicht ist. (250 f. | 18) In jeder Rede über einen Schein negiert sich der Schein als Gesamtphänomen selbst, einfach weil wir gar nicht anders können, als das Wirkliche am Schein dem Scheinhaften des Scheins gegenüberzustellen. Dabei ist es erstens wirklich so, dass etwas so scheint, zweitens ist das, was so scheint, dem gegenübergestellt, wie etwas vermeintlich völlig unabhängig von seinem je lokalperspektivischen Schein wirklich ist. Hegels Titel von einer ›sich auf sich beziehenden Negativität‹ überschreibt eben diese Struktur, auch wenn das kaum ein Leser sofort so sehen mag. Das liegt auch daran, dass man immer wieder vergisst, wie jede Rede von Selbstbeziehungen, auch die von einem ›Negieren seiner selbst‹ oder dem ›Negieren der Negativität
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selbst‹, zu lesen ist. Es ist ein Bestimmen durch Unterscheiden in einem Gesamtbereich. Hier geschieht es aber so, dass das Wesen an die Stelle des Gesamtphänomens rückt und dieses als Schein oder Phänomen ablöst, eben weil das unmittelbare Scheinen ›negiert‹ wird. Immer wieder buchstabiert Hegel die schwierigen Selbstbeziehungen aus, hier die Selbstbeziehung in einer Reflexion als ein Übergehen zu etwas Anderem, das zugleich in der Rückwende auf sich selbst jedes Übergehen zu etwas Anderem aufhebt. Das Andere ist hier also nicht einfach etwas Anderes, sondern es selbst – unter einem bloß lokalen anderen Betracht. Da das Wesen oder die Wirklichkeit einer Sache die ganze Sache ist und an die Stelle des Gesamtphänomens mit ihren Möglichkeiten und Wirklichkeiten der Gegebenheit der Sache für uns tritt, enthält der (spekulative) Reflexionsbegri= des Wesens, der Wirklichkeit oder der Natur der Sache eben diese schwierige Form der ›Selbstbeziehungen‹. Wenn ich z. B. einen Stab in einer Flüssigkeit sehe und als geknickt wahrnehme und zugleich weiß, dass er, herausgezogen, nicht geknickt ist, dann identifiziere ich das, was geknickt aussieht, mit dem nicht-geknickten Stab als eine der Ursachen seines Aussehens neben anderen ursächlichen Bedingungen wie dem Brechungsindex der Flüssigkeit oder dem Winkel der Draufsicht. Die Beziehung des Negativen auf sich selbst ist also seine Rückkehr in sich; sie ist Unmittelbarkeit, als das Aufheben des Negativen; aber Unmittelbarkeit schlechthin nur als diese Beziehung oder als Rückkehr aus einem, somit sich selbst aufhebende Unmittelbarkeit. – (251 | 18) Die Unmittelbarkeit des Bezugs auf das (wirkliche) Wesen der Natur oder Ursache der Erscheinungen hebt sich selbst auf, gerade weil sich das Wesen, Wirkliche oder die Natur dieses Bezugs bloß aus dem Unterschied zu Schein und Erscheinung ergibt. Diß ist das Gesetztseyn; die Unmittelbarkeit rein nur als Bestimmtheit oder als sich reflectirend. Diese Unmittelbarkeit, die nur als Rückkehr des Negativen | in sich ist, – ist jene Unmittelbarkeit, welche die Bestimmtheit des Scheins ausmacht, und von der vorhin die reflectirende Bewegung anzufangen schien. Statt von dieser Unmittelbarkeit anfangen zu können, ist diese vielmehr erst als die Rückkehr, oder als die Reflexion selbst. Die Reflexion ist also die
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Bewegung, die, indem sie die Rückkehr ist, erst darin das ist, das anfängt oder das zurückkehrt. (251 | 18 f.) Wir können also gar nicht von einem ›objektiv‹ als Ursache oder Wirklichkeit gesetzten Wesen ausgehen, an das mancher meint unmittelbar glauben zu können, wie das der Materialismus tut, der an die materiellen Dinge und Atome glaubt wie andere an Gott. In beiden Fällen wird zumeist auf die Konstitutionsform nicht genügend reflektiert oder auch nur die Begri=e der Materie, des Atoms, des Dinges oder dann auch Gottes ausreichend verstanden. Denn bloß als Gegenstände möglichen Glaubens sind diese Sachen noch gar nicht begri=en. Man kann nicht rein aus Erzählungen, sondern nur in einem reflexionslogischen Nachdenken das Wissen entwickeln, wovon dabei wirklich die Rede ist. Daher kann man Philosophie so wenig wie wahre Theologie rein narrativ lehren. Mythen sind, wie gesagt, ein Hörensagen, das man nur (noch) zum Teil versteht, selbst wenn die Autoren Tiefes dabei gedacht haben, etwa in den Geschichten der Genesis, in der eine Kosmologie der Entstehung der Welt und der Erde, dann des Lebens und schließlich des Menschen gelehrt wird. Nicht anders steht es schon um die Abfolge der Herrschaft von Uranos (Himmel), Kronos (wohl als Vertreter der Zeit des Nichtlebens auf der Erde), Zeus als Gott des Lebens und dann seinen Kindern, den Göttern der menschlichen Fähigkeiten, darunter besonders Apollo und Athene. Wieder steht bei Hegel der Unterschied von Wesen zu Schein und Erscheinung im Zentrum. Die Wirklichkeit erweist sich dabei als Gesetztsein, aber eben ›als sich reflektierend‹. Das heißt, wie gesagt, dass jeder Redegegenstand der Wesenslogik, jedes Ding, jedes wirkliche Objekt, jede Sache an und für sich, längst schon in sich reflektiert ist. Man kann dabei daher auch nie einfach mit einem bestimmten Schein anfangen. Denn jeder Schein ist durch das bestimmt, was die Sache zu sein vorgibt, aber nicht ist. Man muss daher immer von einem Vorbegri= ausgehen. Das kann auch ein holistisches Gesamtphänomen sein, das wie ein Körper raumzeitlich ausgedehnt ist und eben daher viele Perspektivenwechsel und damit auch mögliche Fehlidentifikationen, die es auszuschließen gilt, in sich enthält. Das Verfahren der doppelten Negation ist dabei von der Form der Bestimmung eines Philosophen oder echten Wissenschaftlers in
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Platons Sophistes. Im Ausgang von einer impliziten Voraussetzung eines gewissen Vorherwissens, was wahre Wissenschaft ist oder sein sollte, werden naheliegende Mangelerscheinungen von Sophisten als bloß scheinbar guten Wissenschaftlern aufgelistet. Manche Sophisten argumentieren zu formalistisch, ohne die große Di=erenz zwischen einer bloß mathematischen Logik und einer Logik des Begri=s zu kennen oder zu beherzigen. Andere urteilen populistisch, konformistisch, bloß intuitiv oder machen ihre Themen oder gar Urteile abhängig von den Geldgebern. Der Philosoph oder wahre Wissenschaftler muss alle diese Mängel vermeiden. In eben diesem Sinn ist das Wesen einer Sache oder die Wirklichkeit von etwas durch den Ausschluss eines naheliegenden Scheins als zu erwartender oder möglicher Mangel definiert. Das alles geht nicht ohne die Voraussetzung eines relativ unmittelbareren Vorbegri=s. Sie ist Setzen, insofern sie die Unmittelbarkeit als ein Rückkehren ist; es ist nemlich nicht ein anderes vorhanden, weder ein solches, aus dem sie, noch in das sie zurückkehrte; sie ist also nur als Rückkehren oder als das Negative ihrer selbst. Aber ferner ist diese Unmittelbarkeit die aufgehobene Negation und die aufgehobene Rückkehr in sich. Die Reflexion ist als Aufheben des Negativen, Aufheben ihres Andern, der Unmittelbarkeit. Indem sie also die Unmittelbarkeit als ein Rückkehren, Zusammengehen des Negativen mit sich selbst ist, so ist sie eben so Negation des Negativen als des Negativen. So ist sie Voraussetzen. – (251 | 19) Die Reflexion ist ein Setzen. Es wird festgesetzt, dass etwas, das irgendwie anders ist, als der Schein sagt, mit dem Wesen selbst identisch ist – so dass dieses sich in sich reflektiert, gerade so, wie wir dies tun, wenn wir uns etwa in Selbstaussagen oder Spiegelungen auf uns selbst beziehen. So ist jede Reflexion die Aufhebung des Anderen als etwas Anderes. Sie ist damit Identifikation verschiedener Erscheinungen als Erscheinungen desselben oder verschiedener Äußerlichkeiten als Äußerungen oder auch Außenansichten desselben. In der Rede vom Objekt und seiner Wirklichkeit wird dies alles vorausgesetzt. Oder die Unmittelbarkeit ist als Rückkehren nur das Negative ihrer selbst, nur diß, nicht Unmittelbarkeit zu seyn; aber die Reflexion ist das Aufheben des Negativen seiner selbst, sie ist Zu-
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sammengehen mit sich; sie hebt also ihr Setzen auf, und indem sie das Aufheben des Setzens in ihrem Setzen ist, ist sie Voraussetzen. – In dem Voraussetzen bestimmt die Reflexion die Rückkehr in sich, als das Negative ihrer selbst, als dasjenige, dessen Aufheben das Wesen ist. Es ist sein Verhalten zu sich selbst; aber zu sich als dem Negativen seiner; nur so ist es die insichbleibende, sich auf sich beziehende Negativität. Die Unmittelbarkeit kommt überhaupt nur als Rückkehr hervor und ist dasjenige Negative, welches der Schein des Anfangs ist, der durch die Rückkehr negirt wird. Die | Rückkehr des Wesens ist somit sein sich Abstossen von sich selbst. Oder die Reflexion in sich ist wesentlich das Voraussetzen dessen, aus dem sie die Rückkehr ist. (251 | 19 f.) Die Voraussetzung der wesenslogischen Natur der Sache oder des jeweiligen Gegenstandes ergibt sich gerade aus der Attitüde der unmittelbaren Bezugnahme, die im Unterschied zu einer selbstbewussten Reflexion im Sinne der Rückwende der Aufmerksamkeit und des Wissens auf die Gegenstandskonstitution nicht bemerkt, dass alle wesenslogischen Redeformen längst schon reflexionslogische Formen sind und bloß noch als solche bewusst zu machen sind. Wir haben daher zwei Reflexionen oder Reflektiertheiten von uns. Die eine bezieht sich auf das Subjekt, das auf seine Zugänge zur wirklichen Welt und zur wesenhaften Natur der Sachen reflektiert, über diese nachdenkt, die andere auf die wirkliche Sache selbst, die, wesenslogisch begri=en, längst schon in sich reflektiert ist, eben weil sie unsere Unterscheidungen zwischen Sein und Schein im Rücken hat. Es ist das Aufheben seiner Gleichheit mit sich, wodurch das Wesen erst die Gleichheit mit sich ist. Es setzt sich selbst voraus, und das Aufheben dieser Voraus¦setzung ist es selbst; umgekehrt ist diß Aufheben seiner Voraussetzung die Voraussetzung selbst. – Die Reflexion also findet ein Unmittelbares vor, über das sie hinausgeht, und aus dem sie die Rückkehr ist. Aber diese Rückkehr ist erst das Voraussetzen des Vorgefundenen. Diß Vorgefundene wird nur darin, daß es verlassen wird; seine Unmittelbarkeit ist die aufgehobene Unmittelbarkeit. – Die aufgehobene Unmittelbarkeit umgekehrt ist die Rückkehr in sich, das Ankommen des Wesens bey sich, das einfache sich selbst gleiche Seyn. Damit ist dieses Ankommen bey sich das
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Aufheben seiner und die von sich selbst abstossende, voraussetzende Reflexion, und ihr Abstossen von sich ist das Ankommen bey sich selbst. (251 f. | 20) Dass durch die Aufhebung der Gleichheit mit sich das Wesen erst die Gleichheit mit sich sei, scheint wieder eine allzu gewollte Paradoxie zu sein. Dasselbe gilt für den Satz, dass die Aufhebung dessen, was sich selbst voraussetzt, das Wesen und damit seine Voraussetzung selbst sei. Wovon ist hier die Rede? Wenn wir sagen, dass dieser Tisch das Wirkliche sei, auf das ich mich durch die Vermittlung meiner Tisch-Wahrnehmungen oder über andere Tisch-Erscheinungen, etwa deine, aufgrund deiner Tisch-Aussagen, beziehe, dann ist der Tisch selbst als mit sich selbst identisch vorausgesetzt. Zugleich ist durch die ›Zuschreibung‹, dass er Grund oder Ursache der entsprechenden Wirkungen sei, die Unmittelbarkeit seiner Identität bloß mit sich ohne Bezugnahme auf unsere Zugänge zu ihm ›aufgehoben‹. Die Vorstellung, man könne den Tisch oder ein Kaninchen unmittelbar als Tisch oder Kaninchen wahrnehmen, steht in logischer Spannung zur Einsicht, dass etwas nur als Tisch oder Kaninchen wahrnehmbar ist, wenn man die Art der Dinge und Lebewesen schon kennt, die wir als Tische von Stühlen und anderen Möbeln oder als Kaninchen von anderen Lebewesen unterscheiden. Hegels reflexionslogische Metaphern, mit denen er die Semantik unserer Kommentierungen von Bedeutungen und Begri=en, von sprachlichem Weltbezug und weltbezogenen Sprachformen kommentiert, sind, wie gesagt, gewöhnungsbedürftig. Aber anders als über figurative Redeformen oder analoge Modellierungen lassen sich die Verhältnisse zwischen Wort und Begri=, generischem Wissen und materialem Schließen überhaupt nicht explizit machen. Wer das nicht ernst nimmt, denkt naiv. Eben diese Naivität der Unmittelbarkeit nimmt Hegel aufs Korn, indem er verdeutlicht, wie explizite Reflexionen als Explikationen impliziter Reflexionen zu verstehen sind. Das alles setzt voraus, an den vermeintlich unmittelbaren Bezugnahmen auf die wirkliche Natur der Dinge die Tatsache ihrer in sich reflektierten Vermitteltheit zu durchschauen. Dazu sind nicht nur die impliziten Voraussetzungen dieser Bezugnahmen bewusst zu machen, sondern die eingebauten Formen der Reflexion selbst. Es
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ist gerade diese Struktur, welche es so schwer macht, die impliziten Reflexionsformen im wesenslogischen Wirklichkeitsbezug explizit zu machen. In der Naivität der unmittelbaren Rede über ›die Wirklichkeit‹ übersieht man deren Konstitution. In einem vermeintlich klar und deutlich artikulierten ›Wissen über die Natur‹ (der Dinge) meint man, die Kommentare zu seiner Konstitution seien obskur. Die reflectirende Bewegung ist somit, nach dem Betrachteten, als absoluter Gegenstoß in sich selbst zu nehmen. Denn die Voraussetzung der Rückkehr in sich, – das woraus das Wesen herkommt und erst als dieses Zurückkommen ist –, ist nur in der Rückkehr selbst. Das Hinausgehen über das Unmittelbare, von dem die Reflexion anfängt, ist vielmehr erst durch diß Hinausgehen; und das Hinausgehen über das Unmittelbare ist das Ankommen bey demselben. Die Bewegung wendet sich als Fortgehen unmittelbar in ihr selbst um, und ist nur so Selbstbewegung, – Bewegung, die aus sich kommt, insofern die setzende Reflexion voraussetzende, aber als voraussetzende Reflexion schlechthin setzende ist. | (252 | 20) Hegels Rede von einem ›absoluten Gegenstoß in sich selbst‹ als Erläuterung der ›reflektierenden Bewegung‹ ist überhaupt nicht zu verstehen, wenn man nicht begreift, wie sich die implizite Reflektiertheit unserer Wirklichkeitsbezüge zu ihrer Explikation in einer transzendentalen oder präsuppositionalen Aufdeckung entsprechender Voraussetzungen verhält. Worum es geht, ist dieses. Die für den Einzelnen scheinbar unmittelbare wesenslogische Rede über den wirklichen Gegenstand mit seinen qualitativen und dispositionellen Wesenseigenschaften ist längst schon das Ergebnis einer historisch tief in die Vergangenheit reichenden Konstitution. In ihr ist das ›wirkliche Wesen‹ der Sachen schon vorbestimmt, nämlich in Abwehr von erwartbaren bloß subjektiven Aussagen, die ›wir‹ als bloßes ›Epiphänomen‹ oder bloßen ›Schein‹ aus dem ›Wesentlichen‹ der Sache (in ›unserer‹ Arbeit am Begri=) nach und nach ausgesondert haben. Der ›Gegenstoß‹ expliziter Reflexion macht eben diesen Zusammenhang der ›objektiven‹ Rede von einem Wesen mit der ›subjektiven‹ Betonung des Wesentlichen, Wirklichen oder Eigentlichen allererst explizit. Damit wird klar, inwiefern jeder naturalistische Objektivismus einfach naiv die Konventionen bzw. den Kanon ›etablierten Wissens‹
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übernimmt, und das, ohne zwischen einem bloßen Ondit und einem recht verstandenen Wissen zu unterscheiden. Genauer stehen zwei Naivitäten einander dialektisch gegenüber, nämlich die Naivität des ›manifesten Weltbildes‹ (Sellars’ manifest world view), nach welchem es nur gibt, was die uralten Vorurteile des scheinbar gesunden Menschenverstandes sagen, und die Naivität des ›wissenschaftlichen Weltbildes‹ (scientific world view), nach welchem uns halbverstandene neueste Theorien sagen wollen, was es wirklich gibt und was die Natur der Dinge sei. Altes wie neues ›Wissen‹ ist dabei immer schon schematisch. Denn es ist als solches eidetisches, begri=sbestimmtes Wissen. Seine Sätze sind zeitinvariante materialbegri=liche Schlussregeln. Jede vernünftige Anwendung ist nicht rein schematisch, verlangt vielmehr freie und zugleich erfahrene Urteilskraft, und zwar im dialektischen Hin und Her zwischen Tradition und Autonomie, formeller Bildung und dialektischem Selbstdenken. So ist die Reflexion sie selbst, und ihr Nichtseyn; und ist nur sie selbst, indem sie das Negative ihrer ist, denn nur so ist das Aufheben des Negativen zugleich als ein Zusammengehen mit sich. (252 | 21) Die Dialektik der Reflexion ist in der analytischen Philosophie der Gegenwart bekannter unter dem Titel einer ›Paradoxie der Analyse‹. Es geht darum, dass eine ›analytische‹ Explikation empraktischer Formen und Normen etwa im gemeinsamen Sprachgebrauch diese Formen ›beschreibend‹ darstellen oder repräsentieren und die Normen als Regeln explizieren möchte, dass dabei aber immer auch zugleich die gegebene implizite Form verändert wird. In eben diesem Sinn ist jede explikative Reflexion oder Analyse zugleich ›sie selbst und ihr Nichtsein‹. Sie ›spiegelt‹ die Formen und Normen, auf die sie sich zurückwendet, und ›verändert‹ sie doch zugleich. Denn es besteht ein Unterschied, ob man sich gemäß einer bloß empraktisch beherrschten Norm verhält oder einer explizit gemachten Regel folgt – wobei im zweiten Fall zusätzlich noch eingeübte und vielleicht entsprechend kontrollierte Regelbefolgungsschemata vorausgesetzt sind. Daher scheint es so, als sei das Befolgen expliziter Regeln ›schwieriger‹ als ein empraktisches Handeln, das eine implizite Norm oder Form aktualisiert. Das ist aber bloßer Schein. Denn explizite Regeln machen empraktische Normen expliziter und erlauben bessere gemeinsame
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Kommentare und Kontrollen. Standardfälle solcher Regelartikulationen und Regelbefolgungsschemata kennen wir von mathematischen Regelpfeilen her, mit denen wir z. B. den logischen ›Modus Ponens‹ so formulieren: »ϕ, ϕ → ψ ⇒ ψ« oder auch so: »Wenn ϕ gilt und wenn ϕ, dann ψ gilt, dann gilt auch ψ«. Hegels obskure Formulierung, die Reflexion sei nur sie selbst, indem sie das Negative ihrer ist, ruft gewissermaßen avant la lettre das Verhältnis eines fotografischen ›Negativs‹ zum positiven Bildabzug auf oder meinetwegen auch von Schattenriss und Urbild. Denn die explizite Regel verhält sich zur impliziten Praxis in eben dieser Weise wie ein Negativbild zum positiven, das als solches die ›Aufhebung‹ des Negativen ist, gerade indem es reales Tun und nicht bloß verbales oder schriftliches Bild ist. Die Reflexion auf Praxisformen und der Vollzug von Praxisformen liefern zusammen im guten Fall ein ›Zusammengehen mit sich‹. Nur so ist der innere ›Gegenstand der Reflexion‹ dasselbe wie das, was zu explizieren ist. Jetzt können wir auf die obige Passage zurückblicken und verstehen schon besser, warum Hegel von einem ›Zurückkommen‹ spricht und einer ›Rückkehr in sich‹ – ganz gemäß der wörtlichen Bedeutung von »Reflexion«. Der Anfang besteht in einem ›Hinausgehen‹ über ein unmittelbares Tun, das auch ein unmittelbares ›Verstehen‹ sein kann. Aber das Tun selbst, das Verstehen selbst, soll auch Ankunft oder Ziel der Reflexion, ihr ›Gegenstand‹, sein – so dass explizites Reflektieren und Verstehen eine Bewegung in sich selbst auf sich selbst hin ist, mit dem Ziel, implizite Voraussetzungen des Tuns oder Verstehens explizit zu machen. Die Unmittelbarkeit, die sie als Aufheben sich voraussetzt, ist schlechthin nur als Gesetztseyn, als an sich aufgehobenes, das nicht verschieden ist von der Rückkehr in sich, und selbst nur dieses Rückkehren ist. Aber es ist zugleich bestimmt als Negatives, als unmittelbar gegen eines, also gegen ein Anderes. So ist die Reflexion bestimmt; sie ist, indem sie nach dieser Bestimmtheit, eine Voraussetzung hat, und von dem Unmittelbaren, als ihrem Andern anfängt, äussere Reflexion. (252 | 21) Der Unterschied zwischen äußerer und innerer Reflexion besteht darin, dass die äußere, explizite Reflexion eine Explikation impliziter
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Form ist, die innere aber eine unendliche Geschichte impliziter Reflexionen längst in sich enthält. Wenn daher jemandem auffällt, dass z. B. das Wort »aufheben« zwei scheinbar gegenläufige Bedeutungsmomente enthält, das der Auflösung oder Analyse von etwas und das der Bewahrung oder auch Rekonstruktion oder Rekonstitution, dann erkennt er ›äußerlich‹, was die Gebräuche dieser Wörter in der deutschen Sprache sozusagen immer schon in sich enthalten. Überhaupt ist die Einsicht in die Verschiedenheit des Gleichen nur eine neue Anwendung der grundsätzlichen Tatsache, dass sich alle Gleichheiten aus Gleichsetzungen ergeben, also alle Identitäten aus Identifizierungen – gerade so wie die Unterschiede aus Unterscheidungen. Dabei sind explizite, äußere Setzungen von impliziten Gesetztheiten zu unterscheiden. 2. Die äußere Reflexion Die Reflexion als absolute Reflexion ist das in ihm selbst scheinende Wesen, und setzt sich nur den Schein, das Gesetztseyn, voraus; sie ist als voraussetzende unmittelbar nur setzende Reflexion. Aber die äusserliche oder reale Reflexion setzt sich als aufgehoben, als das Negative ihrer voraus. Sie ist in dieser Bestimmung verdoppelt; das einemal als das Vorausgesetzte, oder die Reflexion in sich, die das ¦ Unmittelbare ist. Das andremal ist sie die als negativ sich auf sich beziehende Reflexion; sie bezieht sich auf sich als auf jenes ihr Nichtseyn. (252 f. | 21) Die reale Reflexion ist die aktualisierte äußere Reflexion. Als Reflexion setzt sie voraus, dass das, worauf sie reflektiert, ihr Gegenstand, eben die Form hat, welche die Reflexion als implizite Voraussetzung explizit macht oder ›setzt‹. Daher verdoppeln sich Reflexion und Analyse in gewisser Weise. Es wird das Phänomen vorausgesetzt, aber auch das dem Phänomen zugrundeliegende Wesen, seine Form, seine Natur, seine Regel, sein Gesetz. Dabei wird ein Schein dem Wesen gegenübergestellt, wie wir z. B. in der Etymologie oder Wortgeschichte einen wahren Zusammenhang der Wörter und ihres Gebrauches einem bloß scheinbaren entgegensetzen. Die ›absolute‹ Reflexion ist wohl der tätige Vollzug der Unterscheidung von Schein und Sein – egal ob durch den Einzelnen, von allen in einer Urteilsgemeinschaft
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oder als anerkannte Norm des ›Man sollte so unterscheiden‹. (Die Floskel »absolut« ist immer schwierig.) Diese reale Reflexion unterstellt in ihrem impliziten Geltungsbegri=, dass schon klar sei, was eine ›richtige‹ und was eine ›unrichtige‹ Abgrenzung des Wesens gegen den Schein ist. Dass sich dabei die Reflexion auf sich bezieht – als auf ›jenes ihr Nichtsein‹ –, ist nicht so zu verstehen, dass die Reflexion selbst nichts wäre, sondern dass ihre Unterscheidung zwischen Schein und Wesen nicht rein durch sie selbst gesetzt sein kann, sondern als verschieden und unterscheidbar vorausgesetzt sein muss. Dasselbe gilt für alle ›Momente‹ und ›Elemente‹ bzw. ›Formen‹ und ›Normen‹ einer Analyse oder Explikation. »Das Nichtsein« ist also immer nur Titel für eine Aussageform »x ist nicht Y «. Die äusserliche Reflexion setzt also ein Seyn voraus, erstens nicht in dem Sinne, daß seine Unmittelbarkeit nur Gesetztseyn oder Moment ist, sondern viel|mehr, daß diese Unmittelbarkeit die Beziehung auf sich, und die Bestimmtheit nur als Moment ist. Sie bezieht sich auf ihre Voraussetzung so, daß diese das Negative der Reflexion ist, aber so daß dieses Negative als Negatives aufgehoben ist. – (253 | 21 f.) In einer expliziten Reflexion oder Analyse setzen wir voraus, dass es eine wahre Form darzustellen und von einem bloßen Schein abzuheben gilt. Das Sein des Scheins selbst ist dabei nicht ›nur Gesetztsein oder Moment‹ der Reflexion selbst. Der Schein zeigt sich vielmehr an der Sache selbst. Es ist daher auf ihn zu reflektieren, sein wahrer Grund oder seine wahre Ursache zu analysieren. Dazu sind entsprechende Unterschiede zwischen wirklichem Sein und Schein aufzuzeigen und nicht einfach naiv zu behaupten, dass etwa die Naturwissenschaften uns sagen, was es wirklich gibt, während wir in der Lebenswelt oder den Geisteswissenschaften angeblich bloß oberflächlich über Erscheinungen und nicht über die Natur oder das wahre Wesen der Dinge reden. Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Nur die Geisteswissenschaften wissen in ihrer Ideen-, Kultur- und Wissensgeschichte und die Philosophie in ihren logischen Analysen, was (Natur-)Wissenschaften als Institutionen wirklich sind, wie sie ihre Gegenstandsbereiche und lokalen und formalen Wahrheitsbedingungen begri=lich formen und die Bedingungen dann als erfüllt oder nicht erfüllt beurteilen.
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Das ›Negative der Reflexion‹ ist also ihr Gegenstand, der aber zugleich der innere Gegenstand und die äußere Sache ist, die miteinander identifiziert werden, eben indem wir sagen, dass die Momente oder Elemente des Analysans den Momenten oder Elementen des Analysandums entsprechen – wobei wir der Einfachheit halber auch Funktionen und Relationen als ›Elemente‹ ansprechen. Die Reflexion in ihrem Setzen, hebt unmittelbar ihr Setzen auf, so hat sie eine unmittelbare Voraussetzung. Sie findet also dasselbe vor, als ein solches von dem sie anfängt, und von dem aus sie erst das Zurückgehen in sich, das Negiren dieses ihres Negativen ist. Aber daß diß Vorausgesetzte ein Negatives oder Gesetztes ist, geht dasselbe nichts an; diese Bestimmtheit gehört nur der setzenden Reflexion an, aber in dem Voraussetzen ist das Gesetztseyn nur als aufgehobenes. Was die äusserliche Reflexion an dem Unmittelbaren bestimmt und setzt, sind insofern demselben äusserliche Bestimmungen. – (253 | 22) Reflektieren und Analysieren sind etwas verharmlosende Wörter für ein Modellieren und Strukturieren. Die Verharmlosung kommt daher, dass man sich das Verhältnis zwischen Modell und Modelliertem, Abbild und Urbild allzu unmittelbar vorstellt. Diese unmittelbare Vorstellung auch von einer Reflexion ›hebt unmittelbar ihr Setzen auf‹, schaut also sozusagen durch das Modell sofort hindurch auf das Modellierte oder zu Modellierende, das unmittelbar Vorausgesetzte, dessen ›Struktur‹ oder ›Form‹ durch das Modell herauszustellen, explizit zu machen ist. Das führt zu einer naiven Vorstellung von einer Korrespondenztheorie der Wahrheit nicht nur von objektbezogenen begri=sbestimmenden Theorien wie in der Physik oder Chemie, sondern auch von philosophisch-reflexionslogischen Analysen. Dabei lässt sich niemandem beweisen, dass er von seinen lieb gewordenen Bildern, die er in seiner Jugend gelernt hat, als Erwachsener mit selbstbewusstem Wissen über das Wissen Abschied nehmen sollte. Man kann im Geistigen niemanden zwingen, erwachsen zu werden, während man im Leiblichen nicht jugendlich bleiben kann. In der Analyse aber und der Reflexion auf ein Wesen fängt man bei einem Gesamtphänomen an und unterscheidet dann wesentliche von unwesentlichen Momenten und Elementen, eine Wesensstruktur
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oder Artform von epiphänomenalen oder kontingenten, oberflächlichen oder lokalperspektivischen Aspekten. In der Reflexion wird diese Unterscheidung gesetzt, und zwar durch das ›Negieren dieses ihres Negativen‹, also durch das Absehen von dem, was das Modell als das Wesentliche oder das Wesen setzt. Wie man sieht, ist nicht nur die Begri=sanalyse, sondern jede wissenschaftliche Strukturanalyse von dieser Form der Reflexion. Allerdings sind bei unserer Betrachtung o=enbar alle Elemente und Momente des Modells dem Modellierten zunächst rein äußerlich. Das ist so, weil jede Reflexion ›metaphorisch‹ und ›analogisch‹ vorgeht, d. h. ein Bild konstruiert und Verbindungslinien zieht zwischen relationalen Momenten des Bildes und des Abzubildenden. In eben diesem Sinn sind die in einer Wesensanalyse behaupteten wesentlichen Formen der Erscheinung im Ganzen erst einmal ganz gleichgültig, rein äußerlich. Ihre ›Wahrheit‹ muss sich erst zeigen. Wieder fallen materialistische ›Objektivisten‹ und idealistische ›Konstruktivisten‹ mehr oder weniger in dieselbe Denkfalle. Die einen glauben, die ›Struktur‹ der Welt sei ›von Natur‹ her isomorph zu der unserer Weltabbildung. Die anderen meinen, sie sei bloß von uns mehr oder weniger willkürlich konstruiert. Dabei gibt es die Strukturen auf der Seite sprachlicher Ausdrucksweisen in der Tat nur als reproduzierbare Konstruktionen oder Formen. Doch diese werden auf die erfahrbare Welt in einem komplexen Prozess urteilskräftiger Sprachanwendung im Vollzug des dialogischen und dialektischen, am Ende vielstimmigen Redens projiziert. Diese Projektion wurde erstmals von Platon als Methexis erkannt und von Hegel in ihrer logischen Vollzugsform analysiert und expliziert. Die sogenannte sprachanalytische Philosophie geht aufgrund ihrer pythagoräistischen Fixierung auf reine mathematische Formen und einer naiven Vorstellung von Isomorphien und Strukturen an dieser ›großen Tatsache‹ unserer Weltbezugnahme vorbei. Sie war das Unendliche in der Sphäre des Seyns; das Endliche gilt als das Erste, als das Reale, von ihm wird als dem zu Grunde liegenden und zu Grund liegen bleibenden angefangen, und das Unendliche ist die gegenüber stehende Reflexion in sich. (253 | 22) Wo Hegel von Setzungen spricht, spricht man heute von (expliziten)
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Zuschreibungen. Die Sache ist dieselbe. Es geht um die Projektion von relationalen, genauer sogar von prozessual-dispositionellen ›Strukturen‹ auf die Dinge, in denen sich gewisse Mannigfaltigkeiten einer kontinuierlichen Erfahrungswelt lokal verdichten lassen. Das Verfahren ruht auf realen Möglichkeiten äußerer Unterscheidungen und Strukturierungen auf. Die Mannigfaltigkeit, von der gerade auch Kant spricht, war ›das Unendliche in der Sphäre des Seins‹ gewesen. Dabei waren unmittelbare Reaktionen auf vorausgesetzte oder vorgeprägte fixe Unterscheidungen der Ausgang der Bezugnahme auf ›endliche‹, begrenzt-bestimmte Sachen. Animalisches Unterscheiden ist von dieser Art. Das ›Unendliche‹ hat sich aber erst ergeben als Möglichkeit beliebiger Unterscheidungen und damit schon im Vorgri= auf die Reflexion, welche eigentlich erst das Unendliche des Seins begründet. Diese äussere Reflexion ist der Schluß, in welchem die beyden Extreme, das Unmittelbare und die Reflexion in sich, sind; die Mitte desselben ist die Beziehung beyder, das bestimmte Unmittelbare, so daß der eine Theil derselben, die Unmittelbarkeit nur dem einen Extreme, die andere, die Bestimmtheit oder Negation, nur dem andern Extreme zukommt. (253 | 22) In welchem Sinn soll nun die äußere Reflexion der Schluss sein, in welchem das Unmittelbare und die Reflexion in sich existieren? Hegels Metapher des Schlusses operiert mit der wörtlichen Bedeutung des Zusammenschließens oder Verbindens zweier Extreme, die als solche Unterschiede sind, hier die Vorstellung von einem unmittelbaren Zugang zum Wesen mit der ebenfalls vorhandenen Vorstellung, im Wesen sei die wahre Seinsweise der Sache samt ihrer Erscheinungen ›in sich reflektiert‹. Das »ist« des Satzes »Das unmittelbare Wesen ist Reflexion in sich« als die Mitte dieses Zusammenschlusses artikuliert die Beziehung der beiden Pole. In der Tat verweist das »ist« im Allgemeinen tatsächlich nur auf eine implizite ›Relation‹ und steht keineswegs immer für die ›Elementbeziehung‹, das ›Enthaltensein‹, die ›Prädikation‹ oder eine Gleichheit. Es steht manchmal auch für eine Wenn-dann-Beziehung irgendeiner Art oder sogar eine Quasi-Relation zwischen den Inhalten von Wörtern. Das ›spekulative‹ »ist« drückt also in der Tat nur eine Relation aus, die als solche je konkret vom Leser zu deuten ist. Unser Satz artikuliert demnach
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das Ergebnis eines ›spekulativen Schlusses‹, also das formelartig zusammengefasste Ergebnis der bisherigen wesens- oder reflexionslogischen Überlegungen bzw. Urteile zu den Begri=en des Wesens und der Reflexion. Es handelt sich um die Einsicht, dass, wo immer die Rede von einem Wesen ist, metastufig auf die Verfassung der relevanten Orientierungsrichtigkeit reflektiert wird. Umgekehrt sind in jeder ›objektstufigen‹ Form des Wirklichkeits- oder Naturbezugs implizit längst schon ›unendlich‹ viele Reflexionsstufen geschichtlicher Entwicklung enthalten. Von einem »Schluss« ist hier die Rede deswegen, weil in den empraktischen Gebrauchsformen der Sprache alle diese Dinge längst schon implizit ›zusammengeschlossen‹ sind und durch reflexionslogische Analyse bloß ›ausgelegt‹ oder ›expliziert‹, die ›Schlüsse‹ also ›vollzogen‹ werden (müssen). Aber das Thun der äussern Reflexion näher betrachtet, so ist sie zweytens Setzen des Unmittelbaren, das insofern das Negative oder Bestimmte wird; aber sie ist unmittelbar auch das Aufheben dieses ihres Setzens; denn sie setzt das Unmittelbare voraus; sie | ist im Negiren das Negiren dieses ihres Negirens. Sie ist aber unmittelbar damit eben so Setzen, Aufheben des ihr negativen Unmittelbaren, und dieses, von dem sie als von einem Fremden anzufangen schien, ist erst in diesem ihrem Anfangen. Das Unmittelbare ist auf diese Weise nicht nur an sich, das hiesse für uns oder in der äussern Reflexion, dasselbe was die Reflexion ist, sondern es ist gesetzt, daß es dasselbe ist. Es ist nemlich durch die Reflexion als ihr Negatives oder als ihr Anderes bestimmt, aber sie ist es selbst, welche dieses Bestimmen negirt. – Es ist damit die Aeusserlichkeit der Reflexion gegen das Unmittelbare aufgehoben; ihr sich selbst negirendes Setzen ist das Zusammengehen ihrer mit ihrem Negativen, mit dem Unmittelbaren und dieses ¦ Zusammengehen ist die wesentliche Unmittelbarkeit selbst. – (253 f. | 22 f.) Es entspricht die ›Äußerlichkeit‹ expliziter Reflexion den ›impliziten‹ Inhalten, die sich aus einem ›negierenden Setzen‹ kritischer Unterschiede ergeben. Anders gesagt, alle vermeintlich unmittelbaren Inhalte stammen aus einer gestuften Unterscheidungsgeschichte mit zugehörigen di=erenziell bedingten Inferenzen oder Orientierungen.
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Es ist also vorhanden, daß die äussere Reflexion nicht äussere, sondern eben so sehr immanente Reflexion der Unmittelbarkeit selbst ist; oder daß das was durch die setzende Reflexion ist, das an und für sich seyende Wesen ist. So ist sie bestimmende Reflexion. (254 | 23) Sinnanalytische Reflexion macht im guten Fall die empraktisch, im Vollzug, vorausgesetzten ›immanenten‹ Reflexionen von Inhalten explizit. Was wir analytisch rekonstruieren, ist also idealiter die Realität des Wesens selbst. Die analytische Reflexion wird so wesensbestimmend. Anmerkung Die Reflexion wird gewöhnlicher Weise in subjectivem Sinne genommen, als die Bewegung der Urtheilskraft, die über eine gegebene unmittelbare Vorstellung hinausgeht, und allgemeine Bestimmungen für dieselbe sucht oder damit vergleicht. Kant setzt die reflectirende Urtheilskraft, der bestimmenden Urtheilskraft entgegen. (Kritik der Urtheilskraft. Einleit. S. XXIII. f.) Er definirt die Urtheilskraft überhaupt als das Vermögen, das Besondere als enthalten unter dem Allgemeinen zu denken. Ist das Allgemeine (die Regel, das Princip, das Gesetz) gegeben, so ist die Urtheilskraft, welche das | Besondere darunter subsumirt, bestimmend. Ist aber nur das Besondere gegeben, wozu sie das Allgemeine finden soll, so ist die Urtheilskraft bloß reflectirend. Die Reflexion ist somit hier gleichfalls das Hinausgehen über ein Unmittelbares zum Allgemeinen. Das Unmittelbare wird theils erst durch diese Beziehung desselben auf sein Allgemeines bestimmt als Besonders; für sich ist es nur ein Einzelnes, oder ein unmittelbares Seyendes. Theils aber ist das, worauf es bezogen wird, sein Allgemeines, seine Regel, Princip, Gesetz; überhaupt das in sich reflectirte, sich auf sich selbst beziehende, das Wesen oder das Wesentliche. (254 | 23 f.) Wenn man üblicherweise von Reflexion spricht, versteht man das Reflektieren als rein subjektives Nachdenken. Metaphorisch ›bewegt‹ sich dabei die Urteilskraft vom unmittelbaren Meinen zu einer konkreten Urteilskontrolle, und zwar im Blick auf allgemeine begri=liche Bestimmungen. So nennt Kant das Verfahren, im Ausgang von einer Wahrnehmung, etwa einer Gestalt am Horizont, nach einem ange-
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messenen Begri= zu suchen – ist es ein Berg oder eine Wolke? – »reflektierende Urteilskraft«. Diese Art Urteilskraft braucht gerade auch ein Richter, wenn er eine Tat unter einen rechtlich dichten Begri= bringen will. War es Mord, Totschlag im A=ekt oder Körperverletzung mit Todesfolge? Jede Subsumtion ist von dieser Art, die deswegen dialektisch ist, weil sich die Suche nach einer angemessenen Fallbeschreibung sozusagen abwechselt mit der Prüfung, ob die Kriterien des Mords oder Totschlags erfüllt sind. Wo es nur um die Prüfung oder Kontrolle geht, ob ein schon naheliegender Begri= auf einen Fall wirklich zutri=t, ob der Fall also unter den Begri= zu subsumieren ist, spricht Kant von »bestimmender Urteilskraft«. Kant erläutert die Urteilskraft allgemein unter Gebrauch der klassischen logischen Metapher, nach welcher etwas Besonderes in etwas Allgemeinem enthalten sei. Genauer spricht er von einem ›Vermögen‹, dieses Enthaltensein als Subsumtion ›zu denken‹. Die Ausdrucksweise ist höchst vage und tri=t keineswegs, was wir in der Kontrolle prüfen, nämlich ob ein empirischer Fall unter eine begri=liche Art in einer Gattung als dem relevanten Gegenstandsbereich fällt oder nicht. Dabei ist Kants Hinweis durchaus angemessen, das Allgemeine als Regel, Prinzip oder Gesetz anzusehen. Er vergisst nur, klar zu machen, dass diese Regel ›begri=lich‹ mit einem Wort und dieses mit einem kontextuellen (bedingten) Di=erenzierungskriterium, einer allgemeinen Unterscheidung oder ›Negation‹, verbunden ist und verbunden sein muss, da die Regel eine Art bedingte Inferenzerlaubnis artikuliert. Kriterien der Unterscheidung sind vorausgesetzt. Wir prüfen also, ob ein Satz, eine Regel oder Prinzip ›an sich‹ gilt und gut angewendet ist – oder ob sich vielleicht eine Art kontingenter Anschein ›rein zufällig‹ einstellt. Schon in der Mathematik können sich zwei Rechenfehler ›zufällig‹ so aufheben, dass das richtige Ergebnis herauskommt, so dass wir unbedingt zwischen der Richtigkeit des Ergebnisses und der Richtigkeit des Vorgehens im Urteilen und Schließen unterscheiden müssen. Bei Kant ist die Reflexion der reflektierenden Urteilskraft also »das Hinausgehen über ein Unmittelbares zum Allgemeinen«, wie oben am Beispiel der Alternative von Berg und Wolke skizziert. Für sich ist das, was ich sehe, eine Gestalt am Horizont, »nur ein Einzelnes, oder
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ein unmittelbares Seiendes«. Dieser Fall der einfachen Subsumtion eines Seins oder Daseins (hier und jetzt) unter einen besonderen Begri= (als allgemeiner Gestalt) wird gewissermaßen sofort zu einem wesenslogischen Fall, in dem wir, wie im Fall einer Fata Morgana, zwischen der Erscheinung – wir alle sehen in der Luftspiegelung ein Farbenspiel, das Wasser und Grün vortäuscht – und dem, was es ›eigentlich‹ ist, zu unterscheiden haben. Nicht anders liegt der Fall bei einem als geknickt erscheinenden Stab im Wasser. Hier urteilen wir über die allgemeinen Inferenzen und Gesetze, die für den Bezugsgegenstand seinem Wesen und damit seiner Wirklichkeit nach gelten und zu einer guten allgemeinen Orientierung führen. Wir streiten also nicht bloß darüber, ob es ›wie ein Berg‹ oder ›wie eine Oase‹ aussieht oder nicht, sondern, ob es in Wirklichkeit einen Berg oder eine Oase ist. Dabei zeigt der o=enbar naheliegende Weg in den ›diskursiven Streit‹, dass es gar nicht bloß um ein subjektives, individuelles Nachdenken geht, sondern um Denken und Reflexion überhaupt. Es ist aber hier nicht, weder von der Reflexion des Bewußtseyns, noch von der bestimmtem Reflexion des Verstandes, die das Besondere und Allgemeine zu ihren Bestimmungen hat, sondern von der Reflexion überhaupt die Rede. Jene Reflexion, der Kant das Aufsuchen des Allgemeinen zum gegebenen Besondern zuschreibt, ist, wie erhellt, gleichfalls nur die äussere Reflexion, die sich auf das Unmittelbare als auf ein gegebenes bezieht. – (254 | 24) Die Reflexion des Bewusstseins ist das Nachdenken. Die Reflexion des Verstandes ist die Kontrolle der Anwendung einer Regel oder eines schematisierten Kriteriums. Hier war nicht von diesen speziellen Formen des Reflektierens die Rede, sondern von der allgemeinen Form sowohl expliziter als auch impliziter Reflexionen, wie sie inhaltsbestimmend sind. Aber es liegt darin auch der Begri= der absoluten Reflexion; denn das Allgemeine, das Princip oder Regel und Gesetz, zu dem sie in ihrem Bestimmen fortgeht, gilt als das Wesen jenes Unmittelbaren, von dem angefangen wird, somit dieses als ein Nichtiges, und die Rückkehr aus demselben, das Bestimmen der Reflexion, erst als das Setzen des Unmittelbaren nach seinem wahrhaften Seyn; also das was die Reflexion an ihm thut und die Bestimmungen, die von
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ihr herkommen, nicht als ein jenem Unmittelbaren äusserliches, sondern als dessen eigentliches Seyn. (254 | 24) Die äußere Reflexion der expliziten Analyse korrespondiert im guten Fall der ›absoluten Reflexion‹ im realen Gebrauch. Denn der Vollzug des Inhaltverstehens ist absolut. Es ist als Urteil ein Tun, wie das Leben. Und es ist als Glaubenshaltung ein Sein, keine bloß richtig oder falsch zugesprochene Eigenschaft, die je nur relativ wahr ist. Jeder Inhalt ist allerdings in sich reflektiert, und das noch vor jeder schematisierten Gebrauchsform ›des Verstandes‹ als des Vermögens, entsprechende Regeln formal richtig zu befolgen. Der in sich reflektierende Inhalt ist sozusagen der Sinn aller schematisierten Kriterien und Regeln des Unterscheidens und Schließens. Dabei gilt das äußere Schema bloß formell ›als ein Nichtiges‹ gegenüber dem allgemeinen Inhalt, Prinzip oder Gesetz. Die äußere Form, heißt das, gilt als unwesentlich, obwohl es keinen Inhalt ohne äußere Form gibt. Man meint daher fälschlicherweise, an den äußeren Schemata vorbei unmittelbar auf ein ›wahrhaftes Sein‹ zugreifen zu können – ohne zu begreifen, dass aller Inhalt im rechten Umgang mit äußeren Formen des Unterscheidens und reflektierenden Schließens besteht. Die äusserliche Reflexion war auch gemeynt, wenn der Reflexion überhaupt, wie es eine Zeitlang Ton in der | neuern Philosophie war, alles Ueble nachgesagt ¦ und sie mit ihrem Bestimmen als der Antipode und Erbfeind der absoluten Betrachtungsweise angesehen wurde. In der That geht auch die denkende Reflexion, insofern sie sich als äusserliche verhält, schlechthin von einem gegebenen, ihr fremden Unmittelbaren aus, und betrachtet sich als ein bloß formelles Thun, das Inhalt und Sto= von aussen empfange, und für sich nur die durch ihn bedingte Bewegung sey. – (254 f. | 24 f.) Eine Zeit lang wurde in der neueren Philosophie, d. h. nach Fichte bis Schlegel und Novalis, aber auch Schelling und Hegel, die sogenannte äußere Reflexion als oberflächlich abgetan und als ›Erbfeind der absoluten Betrachtungsweise angesehen‹. D. h. man versuchte, Prinzipien des Allgemeinen und Wahren, Tiefen und Spekulatven zu finden, ohne zu bemerken, dass alle spekulativen Begri=e und Sätze bestenfalls hochabstrakte Titel und Merkformeln sind und keineswegs einen unmittelbaren Zugang zu einer Tiefe des wahren Sinns oder
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Wesens liefern. Dabei war die Kritik insofern berechtigt, als jede bloß willkürliche Kommentierung eines Gebrauchs oder eines vermeintlich unmittelbaren Verstehens als ›bloß äußere Reflexion‹ zu kritisieren und von einer ›guten‹, das ›Wesentliche‹ tre=enden Analyse oder Explikation zu unterscheiden ist. Noch schlimmer aber ist die Suche nach einer falschen Tiefe, also die Unterstellung, es seien alle äußeren Formen gegenüber einem angeblich unmittelbar bestimmten Wesensinhalt unwesentlich, dem man sich glaubend wie bei Jacobi oder mantisch-ahnend wie bei Schelling zuwenden solle. Was dabei nicht begri=en ist, ist gerade die gestufte Dialektik von Form und Inhalt und die Tatsache, dass alle Kanonisierungen allgemeinen Wissens längst in sich reflektiert sind, so dass wir zwischen guten bzw. richtigen und schlechten bzw. irreführenden analytischen Rekonstruktionen im äußeren Reflektieren unterscheiden können und müssen. Ferner, wie sich sogleich bey der bestimmenden Reflexion näher ergeben wird, sind die reflectirten Bestimmungen anderer Art, als die bloß unmittelbaren Bestimmungen des Seyns. Letztere werden leichter als vorübergehende, bloß relative, in der Beziehung auf anderes stehende zugegeben; aber die reflectirten Bestimmungen haben die Form des An-und-für-sichseyns; sie machen sich daher als die Wesentlichen geltend, und statt übergehend in ihre entgegengesetzten zu seyn, erscheinen sie vielmehr als absolut, frey und gleichgültig gegen einander. Sie widersetzen sich daher hartnäckig ihrer Bewegung, das Seyn derselben ist ihre Identität mit sich in ihrer Bestimmtheit, nach welcher sie, ob sie sich zwar gegenseitig voraussetzen, in dieser Beziehung sich schlechthin getrennt erhalten. (255 | 25) Dabei sind die Redeformen und unterscheidenden Bestimmungen einer metastufigen Reflexion immer zu unterscheiden von einem unmittelbaren Sprachgebrauch, selbst wenn dessen implizite Reflexionsformen dabei explizit gemacht werden. Objektstufig von der Zahl 5 zu sprechen, bedeutet, nicht mehr metastufig darauf zu reflektieren, dass es die Zahl 5 nur in der Praxis der Gleichsetzung unendlich vieler verschiedener Präsentationen und Repräsentationen von Mengen mit 5 Elementen, Folgen mit 5 Folgegliedern oder irgendeiner anderen 5Fachheit gibt. Dennoch ist eine Zahl weder eine Menge von Mengen
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noch eine Klasse von Zahlrepräsentationen. Analoges gilt auch für jeden Weltbezug, den es weder ohne Bestimmung vieler verschiedener gleichwertiger Zugänge zum Gleichen gibt, noch ohne begri=liche ›Konstruktionen‹ und ›Schematisierungen‹ auf der Ausdrucksebene. Die Schwierigkeit besteht darin, je angemessen zu unterscheiden und, was noch wichtiger ist, angemessen auf Unterscheidungen zu verzichten und scheinbar Verschiedenes zu identifizieren. Das Wesen ist das Wesentliche. Das An-und-Fürsichsein ist das relevant Unterschiedene. Naiv ist es, sich die Welt als unmittelbar gegliedert vorzustellen und ›Schlüsse‹ und ›Gesetze‹ als in der Welt gegeben und nicht in unserer Weltbezugnahme gesetzt zu begreifen.
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3. Bestimmende Reflexion Die bestimmende Reflexion ist überhaupt die Einheit der setzenden und der äussern Reflexion. Diß ist näher zu betrachten. – (255 | 25) Hegels Terminologie in seiner Reflexion auf Reflexionen ist noch nicht erschlossen. Praktisch alle Kommentare stochern hier im Nebel, und zwar weil eine Einordnung der Überlegung in uns heute geläufigere Zugänge zu philosophischen Analysen fehlt. – Als ersten Schritt haben wir schon erläutert, dass Hegel von Setzungen spricht, wo wir heute von konstruktiven Formzuschreibungen (auch in explikativen Analysen) sprechen würden – so dass eine Setzung eine analytische Rekonstruktion eines Inhalts ist. Eine Bestimmung ist eine systematisch reproduzierbare Unterscheidung. Bestimmende Reflexion ist also eine wesensbestimmende oder, wie wir noch genauer sehen werden, begri=sbestimmende Explikation oder rekonstruktive Analyse. Sie besteht aus zwei Momenten, der setzenden Reflexion oder Formenkonstruktion und der äußeren Reflexion. Letztere ist eine Art Kommentar zu einem unmittelbaren Gebrauch oder Verstehen, der ›bloß äußerlich‹ wäre, wenn die in der kommentierenden Rekonstruktion gesetzten Formen – bestehend aus Unterscheidungen und Inferenznormen – nicht ›passen‹ würden, also nichts Wesentliches und Relevantes an dem bloß scheinbar unmittelbaren Verstehen zeigen könnten. Das ist im Folgenden näher auszuführen. 1. Die äussere Reflexion fängt vom unmittelbaren Seyn an, die setzende vom Nichts. Die äussere Reflexion, die bestimmend wird,
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setzt ein anderes, aber das | Wesen, an die Stelle des aufgehobenen Seyns; das Setzen setzt seine Bestimmung nicht an die Stelle eines andern; es hat keine Voraussetzung. Aber deßwegen ist es nicht die vollendete, bestimmende Reflexion; die Bestimmung, die es setzt, ist daher nur ein Gesetztes; es ist Unmittelbares, aber nicht als sich selbst gleich, sondern als sich negirend, es hat absolute Beziehung auf die Rückkehr in sich, es ist nur in der Reflexion in sich, aber es ist nicht diese Reflexion selbst. (255 | 25 f.) Äußere Reflexion ist irgendein Kommentar zu etwas. Sie fängt also bei einem ›unmittelbaren Sein‹ an. Setzende Reflexion ist zunächst reine Konstruktion. Sie bezieht sich unmittelbar auf nichts weiter als auf das in der Konstruktion Gescha=ene, mittelbar aber (oder übertragen) auf eine analoge Struktur, etwa in einer gegebenen Praxis oder sonstwo in der Welt. Übrigens kann jede Produktion eines sprachlichen Ausdrucks – ob motiviert oder nicht – als eine setzende Reflexion aufgefasst werden. Denn jedes spontane Reden und Tun ist immer auch schon von dieser Art der setzenden Reflexion. Es ist ein Beginn, der rein für sich genommen absolut ist und daher, bildlich gesprochen, ›bei nichts‹ anfängt. In einer äußeren Reflexion bestimmen wir etwas, in dem wir versichern, dass es seinem Wesen nach etwas Anderes ist, als wie es zunächst erscheint oder wie es bloß unmittelbar gegeben ist. Ein reines Setzen braucht dagegen keine Voraussetzung und nicht den Unterschied zwischen Dasein an der Oberfläche und Wesen in der Tiefe der Natur der Sache. Aber erst dann, wenn wir die Setzungen oder Konstruktionen als formgleich mit sich in verschiedenen Reproduktionen und dann vielleicht auch mit einem gegebenen Dasein bewerten, kann eine solche Setzung wesensbestimmend werden. Das heißt, der Vollzug des Setzens ist noch kein Bestimmen. Das Gesetzte ist daher ein Anderes, aber so daß die Gleichheit der Reflexion mit sich schlechthin erhalten ist; denn das Gesetzte ist nur als aufgehobenes, als Beziehung auf die Rückkehr in sich selbst. – (255 | /26) Das Gesetzte ist die Konstruktion als reproduzierbare oder sich wiederholt zeigende Form. Als solche Form ist sie etwas anderes als die Konstruktion im Sinne des Setzens. Wir haben daher zwischen
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zwei Lesarten der Rede von einer Setzung zu unterscheiden, wie übrigens für alle Wörter dieser Formen »-ung« oder »-ion«, nämlich im Sinne des Vollzugs und im Sinne eines ›Gegenstandes‹, so dass wir auch hier zwischen Vollzugsformen und gegenständlicher Form unterscheiden müssen. Als wiedererkennbare Form ist das Gesetzte ›Beziehung der Rückkehr in sich selbst‹ und existiert nur, indem die ›äußerlichen‹ Formverschiedenheiten ›aufgehoben‹ und die ›wesentlichen‹ Formgleichheiten ›aufbewahrt‹ bleiben. In der Sphäre des Seyns, war das Daseyn das Seyn, das die Negation an ihm hatte, und das Seyn der unmittelbare Boden und Element dieser Negation, die daher selbst die unmittelbare war. Dem Daseyn entspricht in der Sphäre des Wesens das Gesetztseyn. Es ist gleichfalls ein Daseyn, aber sein Boden ist das Seyn, als Wesen oder als reine Negativität; es ist eine Bestimmtheit oder Negation nicht als seyend, sondern unmittelbar als aufgehoben. Das Daseyn ist nur Gesetztseyn; diß ist der ¦ Satz des Wesens vom Daseyn. Das Gesetztseyn steht einerseits dem Daseyn, andererseits dem Wesen gegenüber, und ist als die Mitte zu betrachten, welche das Daseyn mit dem Wesen und umgekehrt das Wesen mit dem Daseyn zusammenschließt. – (255 f. | 26) Solange wir nur qualitative Unterscheidungen in der Sphäre des Seins zu betrachten hatten, waren die Bestimmungen solche des Daseins. Man denke an Fälle, in denen auf etwas gezeigt wird und gesagt wird »Das da ist ein P «, etwa um normale Wahrnehmungsunterscheidungen einzuüben, anzuwenden oder an die richtigen Anwendungsformen zu erinnern. In der Sphäre des Wesens entspricht dem Dasein das Gesetztsein. Das heißt, es wird jetzt auf etwas Bezug genommen und versichert, dass es kein P , sondern ein Q ist, dass also das Urteil »Es ist in Wirklichkeit ein Q « als wahr gesetzt ist. Es wird damit eine unmittelbare Bestimmung dessen, worauf man sich bezieht, dass es nämlich wie ein P aussieht, negativ aufgehoben und positiv gesetzt, dass es ein Q ist. Aber auch schon das Dasein »ist nur Gesetztsein« in dem Sinn, dass auch unmittelbare Wahrnehmungsurteile die relevanten gemeinsamen Unterscheidungen voraussetzen. Hegel nennt dieses Prinzip den »Satz des Wesens vom Dasein«. Das Gesetztsein wird heutzutage unter dem Titel »Kriterium« angesprochen. Ein Kriterium ist eine als reproduzierbar vorausgesetz-
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te Unterscheidungsform, wobei sich die Reproduktion an äußeren Merkmalen orientiert, die ebenfalls »Kriterien« heißen. Mit Hilfe von Kriterien bestimmen wir, ob etwas prima facie als ein A gelten kann oder nicht, also klassifikatorisch unter die begri=liche Bestimmung A fällt oder nicht. Solche Kriterien bilden gewissermaßen die Mitte zwischen (qualitativ unterschiedenem) Dasein und (inferentiell oder dispositionell dichtem) Wesen, vermitteln also zwischen Erscheinung und Wirklichkeit, nämlich so, dass sie bestimmen, wann wir von etwas, das so . . . erscheint, sagen können oder müssen, dass es in Wirklichkeit das . . . ist und unter entsprechenden Bedingungen das und das tun kann oder tun wird. Wenn man sagt, eine Bestimmung ist nur ein Gesetztseyn, so kann diß daher den doppelten Sinn haben; sie ist diß im Gegensatze gegen das Daseyn, oder gegen das Wesen. In jenem Sinne wird das Daseyn für etwas höheres genommen, als das Gesetztseyn, und dieses der äussern Reflexion, dem subjectiven zugeschrieben. In der That aber ist das Ge|setztseyn das höhere; denn als Gesetztseyn ist das Daseyn, als das was es an sich ist, als Negatives, ein schlechthin nur auf die Rückkehr in sich bezogenes. Deßwegen ist das Gesetztseyn nur ein Gesetztseyn in Rücksicht auf das Wesen, als die Negation des Zurückgekehrtseyns in sich selbst. (256 | 26 f.) Wenn wir den Ausdruck »Gesetztsein« als »konstruktive Zuschreibung« lesen, so ist dies natürlich mit einer Prise Salz zu nehmen. Und doch passt gerade dann der Kommentar, dass solche Redeweisen mehrdeutig sind. Erstens unterscheiden wir damit wesenslogische Bestimmungen von bloßen qualitativen Unterscheidungen im Dasein. Zweitens sprechen wir von bloßen Zuschreibungen im Unterschied zu einem wirklichen Wesen – ohne zu merken, dass wir damit nur ›gute‹ von ›schlechten‹ Zuschreibungen oder Begri=s(re)konstruktionen unterscheiden. Indem wir das nicht merken, hypostasieren wir das Wesen, nehmen wir die wahre Wirklichkeit ›für etwas Höheres‹ – und verkennen, dass es alles, was es gibt, bloß als Verschiedenes von Anderem in der Welt gibt und sich damit auf unsere (idealen) Objektivierungen unserer eigenen Unterscheidungen bezieht. Auch Kant meint noch, ein ›höheres‹ Dasein des Dinges an sich gegen angeblich bloß subjektive begri=liche Setzungen annehmen zu
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müssen und Letztere, ähnlich wie Hume, nur für unsere pragmatischen Zwecke, sozusagen zur Ordnung der Erscheinungen, zulassen zu dürfen. Doch es ist in der Tat, also in Wirklichkeit und im wirklichen Sprechhandeln, die Einsicht ›höher‹ (auch ›tiefer‹), dass alle wesenslogischen Gegenstände und Eigenschaften begri=liche Setzungen sind bzw. enthalten. Die Wirklichkeit selbst, welche wir einem Schein oder phänomenalen Erscheinungen entgegensetzen, ist insofern selbst eine begri=liche Konstruktion, als sie vermittelt ist über ein ›System der Zuschreibung‹ von Dispositionen oder bedingten Inferenzen. Das beginnt schon bei der Bestimmung der Wahrheit von Anschauungsurteilen im Dasein. Es gilt erst recht für wesenslogische bzw. ›wissenschaftliche‹ Erklärungen von Erscheinungen eines ›manifesten‹ Weltbezugs in ›unmittelbaren‹ lebensweltlichen Erfahrungen, Redeweisen, empirischen Informationshandlungen und Tradierungen allgemeinen Wissens. Man kann ohnehin nur aus der Perspektive wesenslogischer Reflexion von einem Gesetztsein oder einer begri=lichen Konstruktion von Kriterien sprechen. Im normalen Gebrauch begri=licher Unterscheidungen in inferentiellen Weltorientierungen werden nämlich alle diese impliziten Setzungen stillschweigend, oft auch naiv, vorausgesetzt. Hegels Ausdruck »Negation des Zurückgekehrtseins in sich selbst« ist gewöhnungsbedürftig, steht aber einfach für die allgemeine reflexionslogische Aussage, dass unsere begri=lichen Bestimmungen Setzungen sind. Er steht damit für alle besonderen Ausprägungen dieser Aussage in rekonstruktiven Begri=sanalysen. 2. Das Gesetztseyn ist noch nicht Reflexionsbestimmung; es ist nur Bestimmtheit, als Negation überhaupt. Aber das Setzen ist nun in Einheit mit der äussern Reflexion; diese ist in dieser Einheit absolutes Voraussetzen; das heißt, das Abstossen der Reflexion von sich selbst, oder Setzen der Bestimmtheit als ihrer selbst. Das Gesetztseyn ist daher, als solches Negation; aber als vorausgesetztes ist sie als in sich reflectirte. So ist das Gesetztseyn Reflexionsbestimmung. (256 | 27) Jedes Gesetztsein ist am Ende immer nur ›Negation‹. Es ist ein Unterscheiden eines möglichen gemeinsamen Unterschieds. Es ist nur als solches Bestimmtheit – freilich im Werden, was auch Un-
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terschiede im Blick auf dispositionelle Inferenzen oder inferentielle Dispositionen voraussetzt. Die Metapher vom Abstoßen der Reflexion von sich selbst ist wieder nur ein bildlicher Ausdruck. Er steht dafür, dass die Reflexion auf einen gegebenen Inhalt einer Wesens- oder dann auch Begri=sbestimmung, erstens, äußere Reflexion ist und, zweitens, implizite Setzung. Letztere ist sie vermöge einer expliziten Rekonstruktion. Diese möchte eine Seinsform generisch oder im Allgemeinen richtig tre=en oder gut wiedergeben. Dabei beurteilen wir immer pragmatisch, wie weit wir mit der Analyse zufrieden sein können und das dann auch sind. Anders als seine Leser erkennt Hegel die Reden von einer ›Selbstbeziehung‹ etwa in der begri=lichen Analyse eines Begri=es selbst als problematisch und versucht ihre Form zu erläutern. Das geschieht in Merksätzen, die sagen, wie dieses ›Selbst‹ oder die Identität eines Inhalts, auch eines ›Wesens‹, überhaupt zu begreifen ist. Die Reflexionsbestimmung ist von der Bestimmtheit des Seyns, der Qualität, unterschieden; diese ist unmittelbare Beziehung auf Anderes überhaupt; auch das Gesetztseyn ist Beziehung auf Anderes, aber auf das Reflectirtseyn in sich. (256 | 27) Was Hegel als Reflexionsbestimmung thematisiert, ist im Wesentlichen eine Wesensbestimmung von etwas. Sie unterscheidet sich von einer qualitativen ›Bestimmtheit des Seins‹, wie sie sich aus einer einfachen, aber reproduzierbaren Unterscheidung zwischen einem ›nennbaren‹ A und allen Varianten von Negationen non-A ergibt. Eine solche Qualität A ist der Inhalt einer elementaren deiktischprädikativen Unterscheidung im Dasein. Sie steht in unmittelbarer Beziehung zu allen anderen Qualitäten B, wobei die wichtigste Beziehung der Unterschied der Exklusion inkompatibler Prädikationen ist. Andere Relationen von Qualitäten A und B sind die Inklusion, wenn also ein A immer oder im Allgemeinen ein B ist, oder der Überlappung, wenn bloß manches A ein B ist und manches B ein A, also etwas zugleich A und B sein kann. Vorausgesetzt ist, dass wir uns in der rechten Sphäre oder Ebene des Unterscheidens befinden – was bedeutet, dass wir ›unbestimmte‹, ›indefinite‹ oder ›unendliche‹ Negationen aus der Betrachtung ausschließen bzw. die kategoriale Verneinung von der internen Verneinung unterscheiden.
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Alles ist, was es ist, in Relation auf anderes. Das gilt auch für das ›Gesetztsein‹, also für die inferentielle und dispositionelle Bestimmung eines gegenständlichen Wesens durch wesens- oder reflexionslogische Zuschreibungen. Diese stehen in Beziehung zum ›Reflektiertsein in sich‹, der Bestimmung des Fürsichseins oder der Identität des Wesens, von dem die Rede ist. Die Negation als Qualität ist Negation als seyend; das Seyn macht ihren Grund und Element aus. Die Reflexionsbestimmung hingegen hat zu diesem Grunde das Reflectirtseyn in sich selbst. Das Gesetztseyn fixirt sich zur Bestimmung, eben darum, weil die Reflexion die Gleichheit mit sich selbst in ihrem Negirtseyn ist; ihr Negirtseyn ist daher selbst Reflexion in sich. Die Bestimmung besteht hier nicht durch das Seyn, sondern durch ihre Gleichheit mit sich. Weil das Seyn, das die Qualität trägt, das der Negation ungleiche ist, so ist die Qualität in sich selbst ungleich, daher übergehendes, im Andern verschwindendes Moment. Hingegen die Reflexionsbestimmung ist das Gesetztseyn als Negation, Negation die zu ihrem Grunde das Negirt-| seyn hat, also sich in sich selbst nicht ungleich ist, somit wesentliche, nicht übergehende Bestimmtheit. Die Sich-selbst-gleichheit der Reflexion, welche das Negative nur als Negatives, als Aufgehobenes oder Gesetztes hat, ist es, welche demselben Bestehen gibt. (256 | 27 f.) Hegels terminologische Erinnerung, dass Qualitäten durch negierende Unterscheidungen bestimmt sind, identifiziert eine Qualität mit einer Negation in der Sphäre des Daseins. Die Rede von der seienden Negation versucht auszudrücken, dass ein Unterschied ›besteht‹ und ›sich zeigt‹. Das Sein ist ›Grund‹ und ›Element‹ der Unterscheidung in dem oben erläuterten Sinn, dass alle ›unmittelbaren‹ Verschiedenheiten sich im Dasein zeigen lassen müssen, und das auf im Prinzip wiederholende Weise von den verschiedenen Perspektiven des Zugangs zum Sein, d. h. der erfahrbaren Welt im Ganzen. Die kontrastiven Unterscheidungen, die wir in Reflexions- oder Wesensbestimmungen explizit machen, setzen das Reflektiertsein jedes gemeinsamen, begri=lichen Sachbezugs voraus und machen es explizit. Die Sache selbst, das Ding als wesentlicher Gegenstand, auf das wir uns dabei (gemeinsam) beziehen, enthält nämlich in der Tat längst schon eine Bestimmung seiner Identität, und das heißt,
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der Gleichheiten verschiedener Zugänge zum selben Ding. Das ›Gesetztsein‹ der Sache korrespondiert eben dieser Identität der Sache selbst – mit den doppelten Negationen der Unterscheidung zwischen verschiedenen Aspekten derselben Sache und verschiedenen Erscheinungen anderer Sachen. Im Sein oder Dasein, an dem wir qualitative Verschiedenheiten unterscheiden, führt die Negation zu anderen Qualitäten. Etwas, das bloß qualitativ als ein A bestimmt ist, kann zugleich als ein B von einem C, das auch ein A ist, unterschieden sein. Eine reflexions- und wesenslogische Bestimmung von etwas ist also keine unmittelbare qualitative Unterscheidung im Sein oder Dasein, sondern besteht wesentlich in der Setzung bzw. Voraussetzung der ›Gleichheit mit sich‹. Während wir das Bestehen von etwas immer über qualitative Verschiedenheiten bestimmt haben, ist ein gesetztes Wesen durch seine Identität trotz ganz verschiedener phänomenaler Aspekte bestimmt. Wie aber soll die ›Sich-selbst-Gleichheit der Reflexion‹ dem Wesen sein Bestehen geben? Der Gedanke scheint der zu sein, dass das Wesen von etwas ein generischer Gegenstand an sich ist, der als theoretische Entität abstrakt gedacht ist und dessen allgemeine ›Existenz‹ gerade wie die abstrakter Gegenstände durch Angabe der Gleichheiten und Ungleichungen zwischen Repräsentanten bestimmt ist – im Unterschied zum besonderen Bestehen eines qualitativ bestimmten Etwas, welches ein Wesen der betrachteten Art exemplifiziert. Um dieser Reflexion in sich willen erscheinen die Reflexionsbestimmungen als freye, im Leeren ohne Anziehung oder Abstossung gegen einander schwebende Wesenheiten. In ihnen hat sich die Bestimmtheit durch die Beziehung auf sich befestigt und unendlich fixirt. Es ist das Bestimmte, das sein Uebergehen und sein bloßes Gesetztseyn sich unterworfen, oder seine Reflexion in anderes in Re¦flexion in sich umgebogen hat. Diese Bestimmungen machen hiedurch den bestimmten Schein aus, wie er im Wesen ist, den wesentlichen Schein. Aus diesem Grunde ist die bestimmende Reflexion die ausser sich gekommene Reflexion; die Gleichheit des Wesens mit sich selbst ist in die Negation verlohren, die das Herrschende ist. (256 f. | 28)
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Wesenheiten sind Reflexionsbestimmungen. Als solche ähneln sie abstrakten Gegenständen oder sogenannten theoretischen Entitäten. Jede theoretische Entität erscheint aber gerade wegen ihrer ›Reflexion in sich‹, d. h. ihrer Identitätsbestimmung, als frei schwebend, sogar noch dann, wenn man ihre Position in einem abstrakten relationalen Netz mit berücksichtigt, aber von der je konkreten Zuordnung auf konkrete, je präsentische, empirische Phänomene absieht. Die Bestimmtheit einer theoretischen Entität ist so »durch die Beziehung auf sich befestigt und endlich fixiert«, formal nicht anders als irgendwelche innermathematischen oder abstrakten Gegenstände. Das gilt z. B. für alle ›Kräfte‹, ›Massen‹, auch für ›chemische Sto=e‹ und die atomaren und subatomaren ›Dinge‹ wie Moleküle, Atome, Protonen, Elektronen oder andere ›Teilchen‹. Indem der theoretische Gegenstand als ›Grund‹ oder ›Ursache‹ ›seiner‹ Erscheinung aufgefasst wird, gibt es diese reflexions- oder wesenslogischen Gegenstände einer Wirklichkeit ›hinter‹ den Erscheinungen nur im Gesamtprozess des Übergangs von der Rede über sie zur Rede über ihre Folgen in der realen Welt der Erscheinungen. Man bezieht sich also immer auf erfolgreiche Darstellungen der Erscheinungen, auch wenn wir in der reflexionslogischen Rede über sie so tun, als ließen sich deren Inhalte unmittelbar als Ursachen von ihren Erscheinungen so trennen, dass von einer Beziehung der Verursachung als einer ›Reflexion in Anderes‹ geredet werden könnte. In Wirklichkeit gehört die Erscheinung begri=lich zum An-und-für-sich-Sein des wirklichen Gegenstandes. Es findet also gar kein ›kausaler‹ Prozess statt, wie man ihn sich vorstellt, wo man die Dinge als Ursachen für Wirkungen auf unser Sinneskostüm auffasst und die Erscheinungen mit derartigen sensuellen Prozessen im Leib des das Ding perzipierenden (Lebe-)Wesens oder der entsprechenden Person auffasst. Nicht nur Hegels Metaphern, die Sache selbst ist schwer zu verstehen. Es geht darum, die begri=liche Einheit von Wesen und Erscheinung, gegenständlicher Ursache und phänomenal-empirischer Folge zu begreifen und von der falschen Vorstellung abzuheben, Erscheinungen seien kausale Wirkungen in unserem Leib in der Art, wie die Bewegung eines Billardballs kausale;ziente Folge eines Stoßes
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aus einer bestimmten Richtung mit einer bestimmten Kraft an eine bestimmte Oberflächenstelle des Balles ist. Die Bestimmung des dinglichen Wesens als ›Grund‹ für eine Erscheinung, wie Hegel terminologisch ganz richtig für eine begri=liche Ursache, eine formale oder logische causa einer realen, empirischen Erscheinung sagt, korrespondiert also schon konzeptionell dem ›bestimmten‹ oder ›wesentlichen‹ Schein, sozusagen der Gesamtsphäre der Unterscheidung der Erscheinung, aus der wir aspekt-relativ einen ›falschen Schein‹ unangemessener inferentieller Erwartungen nach gewissen allgemeinen Prinzipien aussondern. Gerade diese Logik der partiellen Negation ist die Logik von Schein und Sein bzw. Sein und Wesen. Die Praxis bestimmender Reflexion ersetzt bei Hegel Kants Rede über eine bloß subjektive ›bestimmende Urteilskraft‹. Diese bestimmende Reflexion ist ›außer sich gekommene Reflexion‹ eben dadurch, dass wir sozusagen die Ergebnisse einer gemeinsamen Reflexion auf das, was die Sache eigentlich oder wesentlich ist, immer schon in die Sache selbst legen und damit von der performativen Ebene der subjektiven Versicherung, was je wir selbst für wesentlich erachten, zu einer Ebene des Aussagens über das (angeblich!) objektive Wesen der Sache übergehen. Eben damit aber, dass man die angeblich bloß subjektive Seite der Erscheinung und Versicherung negativ abtrennt von der objektiven Seite der Sache und des (wahren) Inhalts einer Wesensaussage, geht das Bewusstsein davon verloren, worin die ›Gleichheit des Wesens mit sich selbst‹ eigentlich besteht. Gerade wenn der herrschende Gesichtspunkt derjenige der Anwendung einer festen Begri=lichkeit oder wesenslogischen Theorie auf eine konkrete empirische Sache ist, wird die Tatsache der reflexionslogischen Konstitution der (Rede von der) Sache selbst abgeschattet, also bloß unbewusst vorausgesetzt. Es sind also an der Reflexionsbestimmung zwey Seiten, die zunächst sich unterscheiden. Erstlich ist sie das Gesetztseyn, die Negation als solche; zweytens ist sie die Reflexion in sich. Nach dem Gesetztseyn ist sie die Negation als Negation; diß ist somit bereits ihre Einheit mit sich selbst. Aber sie ist diß nur erst an sich; oder
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sie ist das Unmittelbare als sich an ihm aufhebend, als das Andre seiner selbst. – (257 | 28) An einer Wesensbestimmung lassen sich grundsätzlich zwei Momente unterscheiden. Das erste ist das Gesetztsein des Wesens als theoretisch geformter Gegenstand und Grund seiner Erscheinung auf der Seite der Negation als solcher, also der Unterschiede der Wesenheiten bzw. der ›wirklichen Gegenstände‹. Das zweite Moment ist die ›Reflexion in sich‹, d. h. die Einheit des Wesens mit ›seinen‹ Erscheinungen und ›seinem‹ Schein. Das Gesetztsein der (theoretisch bestimmten) Wesenheit besteht in einem zugehörigen Verzicht auf feinere Unterscheidungen, der bereits die Einheit dieses Wesens mit sich selbst definiert. Ohne konkrete Bindung an seine Erscheinungen ist ein solches Wesen aber nur ›an sich‹, generisch, als Gattung von Wesen bestimmt. Wer daher meint, sich unmittelbar auf ein einzelnes Wesen beziehen zu können, übersieht, dass sich diese Einzelheit aufhebt, wenn man die Vermittlung des Zugangs zu ihm über ›seine‹ Erscheinungen ausblendet. Insofern ist die Reflexion in sich bleibendes Bestimmen. Das Wesen geht darin nicht ausser sich; die Unterschiede sind schlechthin gesetzt, in das Wesen zurückgenommen. Aber nach der andern Seite sind sie nicht gesetzte, sondern in sich selbst reflectirt; die Negation als Negation, ist in Gleichheit mit ihr selbst, nicht in ihr Anderes, nicht in ihr Nichtseyn reflectirt. | (257 | 28) Soweit die generischen Gegenstände wesenslogischer Theorien losgelöst von einzelnen empirischen Anwendungen bestimmt sind, sind sie zeit- und situationsallgemein ›ewig‹, ›unbewegt‹, ›bleibend‹. Die Rede von einem solchen allgemeinen Wesen – von Atomen, Molekülen, Kräften, Gesetzen etc. – bleibt so zunächst bloß theorieintern, geht ›nicht außer sich‹, wie im Fall der Anwendung der Theorie durch Identifizierung eines konkreten, aber theoretisch oder reflexionslogisch längst schon bestimmten ›Gegenstandes‹ als Grund seiner ›äußeren‹ Erscheinung, in der sich die Existenz des Gegenstandes gerade durch sein ›Heraustreten‹ in die empirische Realität des von uns gemeinsam Erfahrbaren zeigt. Das lateinische Wort »existere« steht ja für ein solches ›Emportauchen‹ aus einem dunklen Hintergrund. In reinen Wesenheiten oder theoretischen Entitäten an sich sind
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also alle Unterschiede (und Relationen) bloß ›schlechthin‹, d. h. schlicht allgemein, gesetzt und ›in das Wesen zurückgenommen‹. Nach der anderen Seite aber ist jede konkrete Wesenheit Grund ihrer Existenz und nicht von uns gesetzt, sondern enthält ihre reale Erscheinung ›in sich‹ – was bedeutet, dass die Existenz abhängt davon, was erfahrbar ist. Die Negation der Negation ist hier die Bestimmung der Einheit des gesamten Wesens, so dass der Unterschied zwischen Wesen und Erscheinung hinfällig wird, da es nur zwei Momente derselben Sache sind. 3. Indem nun die Reflexionsbestimmung sowohl reflectirte Beziehung in sich selbst, als auch Gesetztseyn ist, so erhellt unmittelbar daraus ihre Natur näher. Als Gesetztseyn nemlich ist sie die Negation als solche, ein Nichtseyn gegen ein anderes, nemlich gegen die absolute Reflexion in sich oder gegen das Wesen. Aber als Beziehung auf sich ist sie in sich reflectirt. – (257 | 29) Jede Reflexionsbestimmung ist zugleich das System der reflektierten Beziehungen von Erscheinungen verschiedenster Art aus verschiedenen Perspektiven zueinander und Gesetztsein eines ›gegenständlichen Wesens‹ als Grund der Erscheinungen. Das Gesetztsein des Gegenstandes steht zwar im Unterschied zum Wesen im Ganzen mit seiner ›absoluten Reflexion in sich‹, aber die Reflexionsbestimmung ist als Beziehung auf sich in sich reflektiert – und enthält daher das Wesen und dessen Erscheinungen und Schein. Diese ihre Reflexion und jenes Gesetztseyn sind verschieden; ihr Gesetztseyn ist vielmehr ihr Aufgehobenseyn; ihr Reflectirtseyn in sich aber ist ihr Bestehen. Insofern es nun also das Gesetztseyn ist, das zugleich Reflexion in sich selbst ist, so ist die Reflexionsbestimmtheit die Beziehung auf ihr Andersseyn an ihr selbst. – (257 | 29) Die Verschiedenheit der Reflexion des Wesens in sich und des Gesetztseins des Gegenstandes ergibt sich daraus, dass nur im ersten Fall das Bestehen, die Existenz, mitgegeben ist, da im zweiten Fall nur formale Bedingungen dafür gesetzt sind, die ein Gegenstand erfüllen muss, um wirklicher Gegenstand einer bestimmten Art zu sein. Im Gesetztsein theoretischer Gegenstände ist in der Tat die Einzelheit ihrer Existenz erst noch ausgeklammert bzw. aufgehoben. Die Reflexionsbestimmtheit einer wirklichen Sache enthält also die begri=lichen und
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theoretischen Beziehungen zwischen ›Gegenstand‹ und ›seinen‹ Erscheinungen, aber auch zwischen verschiedenen Gegenständen und den Erscheinungen verschiedener, zu unterscheidender Gegenstände. Sie ist nicht als eine seyende, ruhende Bestimmtheit, welche bezogen würde auf ein anderes, so daß das Bezogene und dessen Beziehung verschieden von einander sind, jenes ein insichseyendes, ein Etwas, welches sein Anderes und seine Beziehung auf diß Andere von sich ausschließt. Sondern die Reflexionsbestimmung ist an ihr selbst die bestimmte Seite, und die Beziehung dieser bestimmten Seite als bestimmter, das heißt, auf ihre Negation. – (257 | 29) Die Reflexionsbestimmtheit ist nie ein für alle Mal gegeben, sondern ist selbst Ergebnis unserer Reflexionsbestimmungen, wie sie sich im Laufe eines möglichen Gesprächs über das Wesen oder Wirkliche eines Gesamtphänomens ergibt und für eine Epoche und Gruppe von kooperativen Personen kanonisiert ist – so dass man sich auf entsprechende ›Kriterien‹ berufen kann. Wir bewegen uns daher in unseren Wesens- und Wirklichkeitsaussagen immer schon im Rahmen eines grundsätzlich dynamischen Prozesses der Begri=sentwicklung, und zwar gerade dann, wenn wir vorderhand die Kriterien der Unterscheidung zwischen Schein und Wesen bzw. der Zuordnung von wirklichem Gegenstand und realer Erscheinung oder ›wesentlichem Schein‹ als fest gegeben voraussetzen. Diese Einsicht ist von enormer Wichtigkeit, gerade wenn wir verstehen wollen, was ›gesunder Menschenverstand‹ wirklich ist: Er besteht in der angemessenen Anwendung eines kanonisierten Default-Wissens, das längst schon in sich in nicht absehbaren (›unendlichen‹) Stufungen reflektiert ist und damit sozusagen Jahrhunderte an Erfahrungen und dialogischen Streitgesprächen um die jeweils besten wesenslogischen Bestimmungen in sich enthält. In den scheinbar unmittelbaren Schemata sind die Reflexionsstufen sozusagen aufgehoben und kommen gerade dann ans Tageslicht, wenn wir die ›Fähigkeiten‹ anwenden, die Kant als bestimmende und reflektierende Urteilskraft in der Subsumtion einer phänomenalen Sache unter eine begri=liche Wesensbestimmung bzw. der Suche nach einer passenden Reflexionsbestimmung anspricht. Es ist zuzugeben, dass mit der abstrakten Einsicht in die begri=liche oder logische Einsicht von Wesen und Erscheinung, Reflexionsbestim-
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mung und qualitativ bestimmtem Dasein die besondere Weise dieses Zusammenhangs noch keineswegs geklärt ist. Wichtig ist zunächst nur, dass es sich nicht um Relationen zwischen unabhängigen Dingen in der Welt handelt, etwa zwischen äußeren physischen Körpern und Körperbewegungen und inneren Empfindungen als von außen stimulierten inneren Körperbewegungen. Die Qualität geht durch ihre Beziehung in anderes über; in ihrer Beziehung beginnt ihre Veränderung. Die Reflexionsbestimmung hingegen hat ihr Andersseyn in sich zurückgenommen. Sie ist Gesetztseyn, Negation, welche aber die Beziehung auf anderes in sich zurückbeugt, und Negation, die sich selbst gleich, die Einheit ihrer selbst und ihres Andern und nur dadurch Wesenheit ist. Sie ist also Gesetztseyn, Negation, aber als Reflexion in sich ist sie zugleich das Aufgehobenseyn dieses Gesetztseyns, unendliche Beziehung auf sich. | (257 | 29) Qualitative Aussagen im Dasein sind indexikalisch und relational. D. h. im Laufe der Zeit und bei Änderung der deiktischen Bezugnahmen werden wahre Äußerungen von prädikativen Bestimmungen falsch oder falsche wahr. Die Kopula der empirischen Prädikation enthält wesentlich eine Verschiedenheit des Tempus wie zwischen einem Präsens, dem Imperfekt des Verlaufs eines Geschehens in der Vergangenheit, dem Perfekt eines abgeschlossenen Ereignisses und der Modalitäten des Futurs, des »Es wird so sein« oder »Es kann so sein«. Das ist der logische Gehalt des spekulativen Satzes über die Qualität als Titel für die empirische Prädikation: Das Sein ist Werden und das Dasein ist ein ›Moment‹, eine epochale Phase im Werden. Hier steht der entsprechende Satz, dass eine Qualität durch ihre Beziehung auf das Dasein der Gegenwart in eine andere übergeht. Man beachte, dass ich hier Hegels generische Rede über die Qualität durch eine sinnäquivalente, aber ebenfalls generische Rede von einer Qualität ersetzt habe – so wie generische Sätze über den Elefanten (an sich) sinnäquivalent sind zu Sätzen über einen Elefanten (allgemein genommen). Im Unterschied zu den Übergängen empirisch-unmittelbarer Prädikationen (mit vagen deiktischen Bezügen auf ganze Situationen oder Proto-Gegenstände) nehmen Reflexionsbestimmungen eines gegenständlichen Wesens die Di=erenz zwischen Wesen und Erschei-
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nung, gegenständlichem Grund und wahrnehmbarer Existenz, »in sich zurück«, so dass man das körperliche Ding einer bestimmten Art, das wahrgenommen wird, gar nicht abtrennen kann von seinem wesentlichen Schein und seinen Erscheinungen. Hegels metaphorische Rede von einem Reflektieren oder Zurückbeugen der ›Beziehung auf Anderes‹ in der Sache selbst versucht eben diesen logischen Sachverhalt zu explizieren. Das Wesen und seine Reflexionsbestimmung sind ›unendliche‹ Beziehungen auf sich sowohl in den Beziehungen der (wesentlichen) Sache auf alle seine Erscheinungen, auch seinen Schein, als auch in den Reflexionsstufen des kanonischen ›Gesetztseins‹ der Sache und ihrer Dispositionen, wie oben beschrieben.
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Die Reflexion ist bestimmte Reflexion; somit ist das Wesen bestimmtes Wesen, oder es ist Wesenheit. (258 | 30) Bisher haben wir über das Wesen und die Reflexion an sich, im Allgemeinen, also die generische Form wesenslogischer Aussagen, gesprochen. Jetzt geht es darum, die je bestimmte Reflexion, das je bestimmte Wesen als Wesenheit oder wesenhaften Gegenstand der Rede in seinen Beziehungen zu seinen Erscheinungen zu verstehen. Die Reflexion ist das Scheinen des Wesens in sich selbst. Das Wesen als unendliche Rückkehr in sich ist nicht unmittelbare, sondern negative Einfachheit; es ist eine Bewegung durch unterschiedene Momente, absolute Vermittlung mit sich. Aber es scheint in diese seine Momente; sie sind daher selbst in sich reflectirte Bestimmungen. (258 | 30) Das Verhältnis von Wesen und Erscheinung ist dasjenige der Reflexion. Diese ist, wie wir am Ende noch genauer sehen werden, begri=lich-theoretisch gesetzte Reflexion. Sie kann in ihrer komplexen Einheitlichkeit kaum tre=ender charakterisiert werden als in der Formel »Scheinen des Wesens in sich selbst«. Die so angesprochene Reflexion des Wesens in sich ist eine Rückkehr von dem wesentlichen Gegenstand zum wesentlichen Schein, wobei diese Rückwende »unendlich« ist, weil der Gegenstandsbegri= in der Sphäre des We-
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sens ›unendlich‹ in sich reflektiert ist. Das wiederum ist so, weil alle richtigen Antworten auf die Nachfrage, welche Erscheinungen ›wesentlich‹ dem Gegenstand zuzuschreiben sind, sogar solche, die als Schein zu irreführenden Urteilen über die Art des Gegenstands regelmäßig Anlass geben, zur Gegenstandsbezugnahme bzw. zum Sinn der Gegenstandsbenennung gehören. Außerdem gibt es die unendlichen Stufen der Beurteilung von Reflexionsurteilen aus den je besonderen Perspektiven verschiedener Sprecher. Das alles setzt schon anerkannte Kriterien voraus, welche das Fürsichsein des Gegenstandes, also seine Identität als Instanz eines Ansichseins oder eines Arttyps bestimmen. Weil das Wesen im Ganzen eine solche komplexe Einheit vielfältiger Zugänge zum Wesen und vielfältiger Reflektiertheiten des Wesentlichen ist, ist es reiner Aberglaube, es könne einen unmittelbaren Zugang zu ihm geben, etwa im unmittelbaren subjektiven Glauben, was das Wesen eigentlich sei. Stattdessen ist das Wesen, also auch jede objektive Sache, jedes wirkliche Ding und jeder wirkliche Prozess, nichts Statisches, Festes, wie ein metaphysisches Denken meint, das reine Formen als scheinbare Gegenstände hypostasiert, sondern ›Bewegung durch unterschiedene Momente‹. Das ist schwer zu schlucken, nicht nur wegen des metaphorischen Ausdrucks, sondern wegen des radikalen Inhalts. Alle scheinbar statisch-substantiellen Dinge der objektiven Welt, auf die wir uns in einer wesenslogischen Ding-Sprache etwa der Physik oder schon einer Alltagssprache mit ihren Begri=en des physischen Körpers und der Bewegung beziehen, sind selbst schon unendlich in sich reflektierte Einheiten begri=lich geformter (später auch theoriegestützter) Zugangsformen zum ›Wesen an sich‹ und seinen Erscheinungen und seinem Schein. Der objektive Gegenstand unseres Weltbezugs ist also »absolute Vermittlung mit sich«, gerade weil alle Relativitäten und Relationen zwischen ›Wesen‹ und ›Erscheinungen‹, auch zwischen wahrgenommenem Objekt und wahrnehmbarem Subjekt, längst schon Teilmomente des Objekts selbst in seiner Ganzheit und Existenz sind. Wenn wir diese Teilmomente thematisieren, der Form nach gegenständlich besprechen, dann sind sie aber unbedingt als ›bloße‹ Reflexionsbestimmungen und nicht als ›freie‹ Gegenstände zu begreifen. Das ist
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deswegen so schwierig zu verstehen, weil der Unterschied zwischen formalen Gegenständen, konstituiert durch nominale Ausdrücke beliebiger Art, und wirklichen Dingen und Prozessen so schwierig ist. Besonders schwierig ist der Begri= des nicht unabhängigen begri=lichen Moments einer Sache, wie z. B. seine Erscheinung und sein Schein. Das Wesen ist zuerst einfache Beziehung auf sich selbst; reine Identität. Diß ist seine Bestimmung, nach der es vielmehr Bestimmungslosigkeit ist. Zweytens die eigentliche Bestimmung ist der Unterschied; und zwar theils als äusserlicher oder gleichgültiger Unterschied, die Verschiedenheit überhaupt; theils aber als entgegengesetzte Verschiedenheit oder als Gegensatz. Drittens als Widerspruch reflectirt sich der Gegensatz in sich selbst und geht in seinen Grund zurück. | (258 | 30) Unterstellen wir ein wesenhaftes Objekt einer Weltbezugnahme, so unterstellen wir es wesenslogisch zusammen mit seiner ›einfachen Beziehung auf sich‹. Diese ist ›reine Identität‹. Der inneren Vielfachheit dieser Einheitlichkeit des Objekts sind wir uns aber selten bewusst. Ohne diese mannigfaltigen Momente wäre das Objekt rein bestimmungslos. Daher ist jede Rede von einem Wesen an sich ohne Berücksichtigung seiner konkreten Erscheinungen reine Bestimmungslosigkeit. Das ist auch ein Kommentar zu Kants Rede von einem »Ding an sich«. Die eigentliche Bestimmung eines wesenslogischen Gegenstandes besteht in den Unterschieden zu anderen Gegenständen – samt der zugehörigen Zerlegung der zugehörigen Erscheinungen. Diese sind die ›äußeren‹ Unterschiede. Sie können sozusagen Äquivalenzklassen von Erscheinungen bilden, je nachdem, ob sie Erscheinungen dieses oder jenes Objekts sind. Hegels Rede von einem ›gleich gültigen‹ Unterschied weist wohl vage auf diese Struktur hin. Es gibt verschiedene Erscheinungen eines x , aber wenn x , y , kann ein Moment von x nicht Moment von y sein. Was es nun weiter heißen soll, der Gegensatz reflektiere sich als Widerspruch in sich selbst und gehe in seinen Grund zurück, ist zunächst extrem schwer zu verstehen – und diese Schwierigkeit ist von
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jeder ernsthaften Lektüre erst einmal anzuerkennen. Doch wenn wir uns das Verhältnis zwischen verschiedenen wesenslogischen Dingen x , y und ihren Erscheinungen E x und E y ansehen, so stehen diese Erscheinungen in einer kontrastiven Beziehung des Gegensatzes. Im Widerspruch, dass ein E x kein E y und ein E y kein E x sein kann, reflektiert sich die Verschiedenheit von x und y , die ja als Grund der Erscheinung von E x und E y anzunehmen waren. Anmerkung Die Reflexionsbestimmungen pflegten sonst in die Form von Sätzen aufgenommen zu werden, worin von ihnen ausgesagt wurde, daß sie von Allem gelten. Diese Sätze galten als die allgemeinen Denkgesetze, die allem Denken zum Grunde liegen, an ihnen selbst absolut und unbeweisbar seyen, aber von jedem Denken, wie es ihren Sinn fasse, unmittelbar und unwidersprochen als wahr anerkannt und angenommen werden. (258 | 31) Reflexionsbestimmungen sind, wie der Kontext klarmacht, allgemein gültige Sätze, die von allen Gegenständen gelten und die man daher als logische Denkgesetze oder allgemein gültige Schlussregeln ansehen und gebrauchen kann. Hegel distanziert sich aber sofort von der transzendentalphilosophischen Versicherung, dass diese Denkgesetze als logische Axiome »absolut und unbeweisbar« seien. Er widerspricht damit auch jedem, der den Anspruch erhebt, es gäbe ein Gesetz des Denkens, das »unmittelbar und unwidersprochen als wahr anerkannt und aufgenommen werden« müsse. Vielmehr müssen wir verstehen, was solche ›Gesetze‹ wahr macht. Welche Bedingungen sind z. B. an eine gute Gegenstandsbezugnahme zu stellen? So wird die wesentliche Bestimmung der Identität in dem Satze ausgesprochen: Alles ist sich selbst gleich; A = A. Oder negativ: A kann nicht zugleich A und nicht A seyn. Es ist zunächst nicht abzusehen, warum nur diese einfachen Bestimmungen der Reflexion in diese besondere Form gefaßt werden sollen, und nicht auch die andern ¦ Kategorien, wie alle Bestimmtheiten der Sphäre des Seyns. Es ergäben sich die Sätze z. B. Alles ist, Alles hat ein Daseyn u. s. f. oder Alles hat eine Qualität, Quantität
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u. s. w. Denn Seyn, Daseyn u. s. f. sind als logische Bestimmungen überhaupt Prädicate von Allem. (258 f. | 31) Platon behandelt ähnliche Dinge im Dialog Parmenides. Moderne Logiker wenden sich mit Grausen ab, wenn sie den Umgang mit Formeln betrachten, den Hegel und seine Zeitgenossen pflegen. Man wird sich noch gefallen lassen, dass die Formel A = A generisch den Satz vertritt »Alles ist sich selbst gleich« oder, modern ausgedrückt: [x (x = x ). Aber die ›negative‹ Form »A kann nicht zugleich A und nicht A sein« ist erstens nicht mit der obigen identisch. Zweitens tritt jetzt A sowohl an Subjekt- als auch an Prädikatstelle auf und der Satz »A ist A«, der im ersten Fall als A = A zu lesen war, wird jetzt zum Satz »Es kann einem A nicht die Eigenschaft nicht-A zukommen«, also ¬\x .A(x ) ∧ ¬A(x ). Aber Hegel operiert mit den Formeln gar nicht kalkülförmig, sondern nur stenographisch. Und er sagt hier nur, dass nicht bloß der Satz oder die Regel [x (x = x ) bzw. ¬\x (x , x ) gilt, sondern auch [x \y (x = y ) (lies: »alles ist«) oder, schon interessanter, weil höherstufig: [x \φ (φ(x )) (lies: jeder Gegenstand hat eine – nichttriviale – qualitative Eigenschaft; die Eigenschaft, mit sich identisch zu sein, ist z. B. eine triviale und keine qualitative Eigenschaft, oder die Eigenschaft, im Gegenstandsbereich zu existieren, formal also λx (\y (x = y )). Scheinbar schwieriger wird es mit »Alles hat eine Quantität«; aber der Satz sagt wohl nur, dass etwas ein Einzelgegenstand oder eine Menge ist. Diese Prinzipien sind keine speziellen Prinzipien der Reflexionslogik. Auf der Ebene der Seinslogik lassen sie sich so lesen: Alles, von dem sinnvoll die Rede sein kann, existiert auf seine Weise. Alles hat ein Dasein, und sei es nur in der Äußerlichkeit der Repräsentation des Redegegenstandes. Alles hat eine Qualität, weil alles qualitativ von anderem zu unterscheiden ist. Alles hat Quantität, soweit es Element einer relationalen Menge ist, etwa wenn es eine Größenordnung gibt. Das ist so, sagt Hegel, weil Sein, Dasein usf., also auch Identität, Verschiedenheit etc., »als logische Bestimmungen überhaupt Prädikate von Allem« seien. Das Problem besteht darin, die besondere Verfassung oder Konstitution bestimmter Gegenstands- und Redebereiche zu begreifen, nicht bloß die allgemeinen Formen sortaler
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Redebereiche mit Gleichungen zwischen Gegenstandsbenennungen und bestimmten (relationalen) Prädikationen darzustellen, wie wir sie als Logik der elementaren und höheren Arithmetik der reinen Mengen kennen. Die Kategorie ist ihrer Etymologie und der Definition des Aristoteles nach, dasjenige, was von dem Seyenden gesagt, behauptet wird. – (259 | 31) Der Ausdruck »die Kategorie« kommt von kategorein, aussagen. Als generischer Singular nennt er all das, was von jedem Seienden »gesagt, behauptet wird«, also die allgemeine Form des Aussagens, dass sich etwas so verhält oder so ist. Allein eine Bestimmtheit des Seyns ist wesentlich ein Uebergehen ins Entgegengesetzte; die negative einer jeden Bestimmtheit ist so nothwendig als sie selbst; als unmittelbaren Bestimmtheiten steht jeder die andere unmittelbar gegenüber. (259 | 31) Die Vorstellung, Kategorien seien allgemeine Eigenschaften von Gegenständen, ist erstens deswegen irreführend, weil es sich im Allgemeinen nicht um (prädikative) Eigenschaften, sondern um Aussagebzw. Sprechhandlungsformen handelt. Zweitens wird zunächst nur eine Klasse ganz spezieller Kategorien betrachtet, welche die Grundform sortaler Gegenstandsbereiche charakterisieren, nämlich die schon von Platon im Dialog Parmenides diskutierten Kategorien des Seins oder der Existenz (›alles existiert‹), der Identität (›alles ist mit sich identisch‹), der Verschiedenheit (›alles ist von Anderem verschieden‹) und der Einheit (›alles ist Eines‹). Das letzte Prinzip besagt, dass jeder Gegenstand eine Einheit, ein sogenanntes Element im Gegenstandsbereich bildet, nicht, wie man schon Parmenides neuplatonisch liest, es gäbe nur das Ein-und-Alles einer unbewegten Gesamtwelt. Hegel erklärt nun, dass alle Bestimmtheiten des Seins – des obersten Titels aller Kategorien – erstens nur im Rahmen einer Entgegensetzung zu Anderem zu verstehen sind und, zweitens, in den Anwendungen auf die empirische Welt, also in der Sphäre des Anund-für-sich-Seins, in welchen die bloß idealabstrakten generischen Allgemeinheiten des Ansichseins allein konkretisiert werden (können), das ›Übergehen ins Entgegengesetzte‹ verständlich werden müsse.
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Die Kontinuität der realen Welt ist ja die Ursache dafür, dass diese Welt selbst Widersprüche produziert oder enthält. Ein Schi= wie im berühmten Beispiel des Theseus kann daher zu zwei irgendwie identischen Schi=en werden. Alles entsteht und vergeht, obwohl das in einem ›ewigen‹ sortalen Bereich mit stehenden Sätzen und unbewegten Wahrheitswerten gar nicht sein bzw. ausgedrückt werden kann. Das wiederum ist die tiefe Ursache dafür, dass die formale Logik der Mathematik keine Logik der Sprache ist, noch nicht einmal aller sprachlichen logischen und begri=lichen Formen und Kategorien. Wenn diese Kategorien daher in solche Sätze gefaßt werden, so kommen eben so sehr die entgegengesetzten Sätze zum Vorschein; beyde bieten sich mit glei|cher Nothwendigkeit dar, und haben als unmittelbare Behauptungen wenigstens gleiches Recht. Der eine erfoderte dadurch einen Beweis gegen den andern, und diesen Behauptungen könnte daher nicht mehr der Charakter von unmittelbar wahren und unwidersprechlichen Sätzen des Denkens zukommen. (259 | 31 f.) Wenn wir die logischen Kategorien der Sprache, nicht bloß der abstrakten sortalen Gegenstände der Mathematik oder einer bloßen Sphäre des Ansichseins, in der wir rein allgemein über Arten und Gattungen wie über ideale Gegenstände sprechen, mit Titelworten benennen und ihre ›Eigenschaften‹ in Sätzen zu artikulieren versuchen, so sind in gewissem Sinn die verneinten Sätze immer auch wahr. Das ist erstens so, weil die spekulativen Sätze kategorialer Logik selbst immer nur generische Sätze sind, die nicht als Allquantifikationen über alle Einzelfälle von Kategorienanwendungen zu lesen sind. Es ist zweitens so, weil jede Kategorie selbst im Kontrast zu anderen und, in der realen Anwendung, im Übergang zu anderen Kategorien bestimmt ist. Das hat zu seinem eigenen Leid Platon im »Parmenides« erfahren, wo er einerseits die Koexistensionalität der Kategorien Sein, Identität und Anderssein entdeckt, andererseits nicht mit der Verschiedenheit der Aussageformen »Es gibt A«, »A = A« und »Es gibt ein A , B« zurechtkommt und schon gar nicht mit der Lokalität der (halb-)sortalen Gegenstandsbereiche, in denen Existenz, Identität und Verschiedenheit definiert sind, wobei die Lokalität der zeitlichen
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Endlichkeit aller realer Individuen für einen Schüler des Parmenides das allergrößte Problem darstellt. Hegels berüchtigte Anerkennung des Widerspruchs auf der Ebene kategorialer Reflexion ist nur vor diesem Hintergrund wirklich zu verstehen. Es geht nicht etwa darum, dass 2 + 2 = 4 zugleich wahr und nicht wahr sein könne. Sondern es geht darum, dass auch ein Satz der Form »das Seiende ist« falsch werden kann. Denn erstens hat es für jedes endlich »Seiende«, also jeden konkreten Bezugsgegenstand g in der Welt, eine Zeit gegeben und wird es eine Zeit geben, in welcher gilt »g gibt es nicht«, nämlich »noch nicht« bzw. »nicht mehr«. Zweitens sind alle fiktionalen Gegenstände der Rede, von den mathematischen Entitäten über alle abstrakten Gegenstände bis zu allen fingierten Personen und Wesen in Mythen und Märchen wie Götter und Geister streng genommen bloß formale, durch Satzmengen konstituierte, rede-interne Gegenstände, die es als solche nicht wirklich gibt. Das sagt sogar Frege, der die mathematischen Entitäten besonders liebt und sie daher »objektiv« (im Sinn von »gegenstandsförmig«), aber nicht wirklich nennt (weil man sie nicht unmittelbar wahrnehmen kann), während er fälschlicherweise Romanfiguren wie Odysseus, Pegasus und Apollo bloß für subjektive Vorstellungen hält und damit ihre objektive Konstitution in den überlieferten Texten samt den durch sie gesetzten internen Wahrheiten nicht ernst nimmt: Es ist intern wahr, das Bellerophon auf Pegasus reitet, es ist falsch, dass Odysseus das tut. Diese textinterne Wahrheit ist der Form nach ganz analog zu den mathematischen Wahrheiten. Freilich gilt für wirkliche Dinge und viele fiktionale Gegenstände das Prinzip Tertium non datur nicht, das wir in der Mathematik durchsetzen, wo immer es geht. In der elementaren Arithmetik setzen wir ja durch, dass für jede syntaktisch nach gewissen Regeln wohlgebildete Satzform φ(x, y . . . ) und jede Substitution von syntakto-semantisch als wohlgebildet beurteilten Gegenstandsbenennungen N , M , . . . den entstehenden Sätze φ(N , M . . . ) genau einer von zwei Werten zugeordnet ist. Frege nennt sie »das Wahre« bzw. »das Falsche«. Ein Satz, gelesen als Aussage, ist wahr, wenn dem Satz, gelesen als Ausdruck, das Wahre zugeordnet ist.
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Das Prinzip Tertium non datur gilt nicht für Romanfiguren. Es wird in Conan Doyles Geschichten z. B. einfach o=engelassen, wo der Urgroßvater von Sherlock Holmes geboren ist. Bei wirklichen Dingen ist die Sache schwieriger, da es hier so scheint, als müsse für jede Relation zu jeder anderen Sache klar sein, ob sie besteht oder nicht. Das ist aber idealistischer Schein, rein metaphorischer Übertrag aus dem mathematischen Denken und Reden. Von noch anderer Art sind die Kommentare zu Kategorien wie Sein, Identität, Nichts und Verschiedenheit, wie sie schon bei Platon im Dialog Parmenides zu allerlei Problemen führen. Wenn wir dabei das formale Prinzip des ausgeschlossenen Dritten verwenden würden, also das ›Es ist so oder nicht‹, dann werden sie so selbstwidersprüchlich wie Freges metalogischer Satz »Der Begri= ›Pferd‹ ist kein Begri=«. Man muss diese Sätze richtig lesen lernen, obwohl sie sich scheinbar widersprechen und damit sinnlos zu sein scheinen. In Freges Fall geht es darum, die Ausdrucksform »der Begri= ›X ‹« als namenbildenden Abstraktor zu begreifen. Namen und das Benannte sind nach Freges metaphorischer Logikkommentierung gesättigt. Ein Begri= dagegen ist als Inhalt eines ungesättigten Ausdrucks der Form »x ist ein Pferd« ungesättigt, also kein Gegenstand. Die metaphysisch-metalogischen Sätze zum Sein und Nichts, zu Identität und Wesen haben also auch nicht den »Charakter von unmittelbar wahren und unwidersprechlichen Sätzen des Denkens«. Man beachte, dass für Hegel ein Satz ein Gesetz ist, eine Regel, und dass die kritische Reflexion auf die ›Wahrheit‹ des Satzes auf eine vernünftige Eingrenzung des Anwendungsbereiches des Satzes oder Gesetztes abzielt. Die Reflexionsbestimmungen dagegen sind nicht von qualitativer Art. Sie sind sich auf sich beziehende und damit der Bestimmtheit gegen Anderes zugleich entnommene Bestimmungen. Ferner indem es Bestimmtheiten sind, welche Beziehungen an sich selbst sind, so enthalten sie insofern die Form des Satzes schon in sich. Denn der Satz unterscheidet sich vom Urtheil vornemlich dadurch, daß in jenem der Inhalt die Beziehung selbst ausmacht, oder daß er eine bestimmte Beziehung ist. Das Urtheil dagegen verlegt den Inhalt in
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das Prädicat, als eine allgemeine Bestimmtheit, die für sich und von ihrer Beziehung, der einfachen Copula, unterschieden ist. (259 | 32) Dass die Reflexionsbestimmungen nicht qualitativer Art sind, bedeutet insbesondere, dass sie sich nicht als prädikative Klassifikationen lesen lassen. Was aber heißt es, dass sie Bestimmungen seien, die sich auf sich selbst beziehen »und damit der Bestimmtheit gegen Anderes zugleich entnommen« sind? Der zunächst kryptische Satz erinnert im Grund nur wieder an das grundsätzliche Problem jeder (wesenslogischen, reflexionslogischen) Gegenstandsbestimmung, da diese sowohl die äußeren Relationen zu anderen Gegenständen als auch die inneren, gleichgültigen, äquivalenten Relationen des Fürsichseins des Gegenstandes zu berücksichtigen hat. Da nun die Bestimmtheiten reflexionslogischer Explikation ›Beziehungen an sich selbst‹ sind, also innere Relationen der Gleichgültigkeit, wie eben erläutert, ist das, was dabei satzförmig expliziert wird, implizit schon als gesetzesförmig unterstellt. Dabei unterscheidet Hegel Sätze von Urteilen ganz richtig dadurch, dass der Inhalt des Satzes die Bestimmung einer Beziehung ist, während die Kopula im Urteil das Zusprechen einer Eigenschaft (oft mit temporalen und modalen Momenten) explizit macht. Daher ist der Inhalt des Urteils wesentlich der Inhalt des komplexen Prädikats, das in moderner logischer Notation von der Form ϕ(x ) ist, während der ›Gegenstand‹ des Urteils (auch als Thema) durch einen nominalen Ausdruck (auch mit deiktisch-demonstrativen Komponenten) ›genannt‹ ist. Wenn ein Satz in ein Urtheil verwandelt werden soll, so wird der bestimmte Inhalt, wenn er z. B. in einem Zeitworte liegt, in ein Particip verwandelt, um auf diese Art die Bestimmung selbst und ihre Beziehung auf ein Subject zu trennen. (259 | 32) Natürlich konnte Hegel von der post-Fregeschen Notation der ›Prädikatenlogik‹ noch keinen Gebrauch machen. Wer aber Logik nicht nur formal, sondern in der Sache begreifen will, sollte die grundsätzliche Äquivalenz formalsprachlicher und normalsprachlicher Bildung komplexer Prädikate verstehen. Hegel verweist daher mit vollem Recht auf die Partizipialkonstruktion als logischer Prädikatenbildner, um »die Bestimmung selbst und ihre Beziehung auf ein Subjekt zu trennen«. In der formalen Logik verwandelt man entsprechend eine Ausdrucksform
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ϕ(N ) in den Ausdruck N ε λx .ϕ(x ). In den europäischen Normalsprachen konnte man entsprechend immer schon einen komplexen Satz, in dem ein Name wie »Peter« vorkommt, etwa »Peter steht zwischen Franz und Maria« oder auch nur »Peter liebt Maria«, äquivalent verwandeln in eine Prädikation über Peter, nämlich so: »Peter hat die Eigenschaft, Maria zu lieben«, bzw. »Peter ist ein Liebender in Bezug auf Maria«. Dass wir dabei wie in einer Reflexionsbestimmung eine Sprach- und Kommentarstufe höher steigen, sollte klar sein: Die einfachen logischen Formen der Trennung von Nominalausdrücken von komplexen Prädikatausdrücken durch Verwendung einer expliziten Kopula ist schon eine Form reflektierender Analyse oder Explikation. Den Reflexionsbestimmungen dagegen als in sich reflectirtem Gesetztseyn liegt die Form des Satzes selbst nahe. – (259 | 32) Die Reflexionsbestimmungen als Explikation der Inhalte der Nominalphrasen oder Gegenstandsbenennungen sollten nicht als Urteile, sondern als Sätze gelesen werden: In Urteilen wird ja gerade vorausgesetzt, was der Gegenstand ist, den das Prädikat kategorisiert und dem es zumeist zugleich allerlei inferentielle ›Eigenschaften‹ als ›Inferenztickets‹ (Gilbert Ryle) und ›Dispositionen‹ bzw. bedingten Normalfallerwartungen ›zuspricht‹. Sätze dagegen artikulieren Gesetze oder Regeln, wobei Reflexionsbestimmungen ein implizites Gesetzsein bzw. die impliziten Voraussetzungen der (z. B. wesenslogischen) Gegenstandsbestimmung explizit heraussetzen. Allein indem sie als allgemeine Denkgesetze ausgesprochen werden, so bedürfen sie noch eines Subjects ihrer Beziehung, und diß Subject ist: Alles; oder ein A, was eben so viel als Alles und Jedes Seyn bedeutet. (259 | 32) Es liegt an der Oberflächensyntax, dass wir die logischen Sätze, in welchen wir die Formen der Konstitution von Gegenständen und Urteilen in Gegenstandsbereichen artikulieren, als ›allgemeinste Eigenschaften‹ der Gegenstände auffassen und damit Kategorien als allgemeine Prädikate, was sie aber gar nicht sind, weil Satz- und Redeformen gar keine Prädikate sind und sein können. Einestheils ist diese Form von Sätzen etwas überflüssiges; die Reflexionsbestimmungen sind an und für sich zu betrachten. Ferner haben diese Sätze die schiefe Seite, das Seyn, Alles Etwas, zum Sub-
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jecte zu | haben. Sie erwecken damit das Seyn wieder, und sprechen die Reflexionsbestimmungen, die Identität u. s. f. von dem Etwas als eine Qualität aus, die es an ihm habe; nicht in speculativem Sinne, sondern daß Etwas als Subject in einer solchen Qualität bleibe als seyendes, nicht daß es in die Identität u. s. f. als in seine Wahrheit und sein Wesen übergegangen sey. (259 | 32 f.) Wir finden hier eine Kernanalyse der Unterscheidung zwischen normalen prädikativen Aussagen in Gegenstandsbereichen und spekulativen Sätzen über kategoriale Formen. Hegel plädiert dafür, die Form der Sätze als weniger relevant anzusehen als die Reflexionsbestimmungen an und für sich. Er wehrt damit die Vorstellung ab, Sein, Alles, Etwas seien Gegenstände von Aussagen, denen qualitative Eigenschaften zugesprochen würden. Das ›rechte‹ Verständnis kategorialer Kommentare, sozusagen der spekulativen Kopula des »ist« in Sätzen der Form »Das Sein ist das Nichts« oder »Das Wesen ist Reflexion«, besteht im Verständnis des notwendigen Übergangs von einer Thematisierung des Seins zur Thematisierung der Negation, der Verneinung und des »nicht« bzw. von der Thematisierung von wesenslogischen Kategorien wie ›Natur‹ oder ›Wirklichkeit‹ zur Thematisierung der Formen der Reflexion auf ›oberflächlichere‹ und ›tiefere‹ Verständnisse unserer Reden und Weltzugänge. Endlich aber haben die Reflexionsbestimmungen zwar die Form sich selbst gleich und daher unbezogen auf anderes und ohne Entgegensetzung zu seyn; aber wie sich aus ihrer nähern Betrachtung ergeben wird, – oder wie unmittelbar an ihnen, als der Identität, der Verschiedenheit, der Entgegensetzung erhellt – sind sie bestimmte gegen einander, sie sind also durch ihre Form der Reflexion, dem Uebergehen und dem Widerspruche nicht entnommen. Die mehrern Sätze, die als absolute Denkgesetze aufgestellt werden, sind daher, näher betrachtet, einander entgegengesetzt, sie widersprechen einander und heben sich gegenseitig auf. – (260 | 33) Die Reflexionsbestimmungen sind als Merksätze zu lesen, die scheinbar allgemein gelten, die aber, wie generische Gnomen, durchaus einander widersprechen und sich so ›gegenseitig aufheben‹ können, wie wir an ein paar Beispielen gleich zeigen werden.
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Wenn Alles identisch mit sich ist, so ist es nicht verschieden, nicht entgegengesetzt, hat keinen Grund. (260 | 33) Hegels dialektisch-ironische Kritik an den ›allgemeingültigen‹ Denkgesetzen ist sicher nicht einfach zu verstehen. Warum soll aus dem Satz, dass alles identisch mit sich ist, folgen, dass es nicht verschieden, nicht entgegengesetzt sei und daher keinen Grund habe? Und wie soll sich die Aufhebung der Prämisse ergeben? Aus A = A folgt z. B. nicht, dass A , B falsch ist. In der Tat verknappt Hegel die Artikulation des Gedankens auf eine schwer nachvollziehbare Weise. Denn der Satz, dass alles mit sich identisch ist, wird nur falsch und irreführend, wenn man die Identität selbst nicht als durch eine Gleichheit von Verschiedenem konstituiert versteht, sondern so tut, als ›gäbe‹ es schon alle Gegenstände und als wäre jeder nur mit sich selbst identisch – eine naive Vorstellung, wie sie sogar noch Wittgenstein im Tractatus transportiert, für den es in der Tat nur Gleichheiten der Formen A = A und keine Gleichheiten der Form A = B geben kann oder darf. Das aber bedeutet, wie gesehen, dass kein Gegenstand bestimmt sein kann, weil jede Gegenstandsbestimmung von der Form A = B ist, wie etwa im Satz: »das, was jetzt hier ist, ist dasselbe wie jenes, was wir gestern dort gesehen haben« oder auch nur im Satz »1 + 1 = 2«. In einer Wittgensteinschen Vorstellung von Gleichheit und Identität ist kein Gegenstand durch Gleichungen fundiert und hat in eben diesem Sinn ›keinen Grund‹. Oder wenn angenommen wird, es gibt nicht zwey gleiche Dinge d. h. Alles ist von einander verschieden, so ist A nicht gleich A, so ist A auch nicht entgegengesetzt u. s. f. Die Annahme eines jeden von diesen Sätzen läßt die Annahme der andern nicht zu. – (260 | 33) Auch der Satz, alles sei von allem verschieden, es gebe nicht zwei gleiche Dinge, ist als Prinzip für einen schon wohlkonstituierten Gegenstandsbereich G richtig. In einem solchen G gilt g , g ∗ genau dann, wenn es relevante Eigenschaften λx .ϕ(x ). gibt, so dass ϕ(g ) wahr ist und ϕ(g ∗ ) falsch. Er ist aber falsch, wenn man die Aussage auf einen vermeintlichen Gesamtbereich aller möglichen Gegenstände, auf ein vermeintes ›universe of discourse‹ beziehen würde. Ein festes Universum aller Entitäten gibt es schon deswegen nicht, weil wir durch namenbildende Operatoren immer neue (freilich abstrakte)
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Gegenstände scha=en können – was am Ende auch die Ursache dafür ist, dass wir die Klasse aller reinen Mengen im Ausgang von den reinen Zahlen nicht als Menge, also nicht als Gegenstand in der Klasse auffassen können. Stattdessen ist jeder Gegenstandsbereich G ›lokal‹, nicht ›universal‹, bei Hegel ›endlich‹, was nicht immer heißen muss, dass er nur endlich viele Elemente enthält, sondern manchmal nur heißt, dass er begrenzt ist. Die gedankenlose Betrachtung derselben zählt sie nach einander auf, so daß sie in keiner Beziehung auf einander erscheinen; sie hat bloß ihr Reflectirtseyn in sich im Sinne, ohne ihr anderes Moment, das Gesetztseyn oder ihre Bestimmtheit als solche zu beachten, welche sie in den Uebergang und in ihre Negation fortreißt. | (260 | 33) Es ist eine gedankenlose Logik, welche Listen von vermeintlich allgemeinen logischen Prinzipien oder Axiomen produziert. Es geht darum, sie systematisch in ihrem Zusammenhang zu verstehen.
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A. Die Identität. 1. Das Wesen ist die einfache Unmittelbarkeit als aufgehobene Unmittelbarkeit. Seine Negativität ist sein Seyn; es ist sich selbst gleich in seiner absoluten Negativität, durch die das Andersseyn und die Beziehung auf Anderes schlechthin an sich selbst in die reine Sichselbstgleichheit verschwunden ist. Das Wesen ist also einfache Identität mit sich. (260 | 34) Die weitere Reflexion auf logische Reflexionsbestimmungen beginnt, wie hier nahegelegt wird, mit dem Problem der Gleichheit bzw. Identität. Der spekulative Satz »Das Wesen ist einfache Unmittelbarkeit« ist nicht einfach eine Behauptung. Es handelt sich um die Explikation eines Moments der Rede über ›wesentliche‹ oder ›wirkliche‹ Dinge, auf die man sich unmittelbar beziehen möchte, beziehen zu können meint, obwohl man dazu ganz o=enbar die eigentlichen, bloß qualitativen Unmittelbarkeiten im sinnlichen Zugang zu den Erscheinungen als Mittler zum Wesen aufheben muss. Der negative Kontrast des Wesens zum Schein charakterisiert die Seinsweise der wesenhaften Gegenstände. Die Klassifikationen der
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Erscheinungen verschiedener Gegenstände gehören zur Bestimmung des Wesens, das als ›einfache Identität mit sich‹ gesetzt ist und doch nicht ohne die Vermittlung seines ›wesentlichen Scheins‹ auskommt, gerade so wie Zahlen nicht ohne ihre Ausdrücke. Diese Identität mit sich ist die Unmittelbarkeit der Reflexion. Sie ist nicht diejenige Gleichheit mit sich, welche das Seyn oder auch das Nichts ist, sondern die Gleichheit mit sich, welche als sich zur Einheit herstellende ist, nicht ein Wiederherstellen aus einem Andern, sondern diß reine Herstellen aus und in sich selbst; die wesentliche Identität. Sie ist insofern nicht abstracte Identität, oder nicht durch ein relatives Negiren entstanden, das ausserhalb ihrer vorgegangen wäre, und das Unterschiedene nur von ihr abgetrennt, übrigens aber dasselbe ausser ihr als seyend gelassen hätte, vor wie nach. Sondern das Seyn und alle Bestimmtheit des Seyns hat sich nicht relativ, sondern an sich selbst aufgehoben; und diese einfache Negativität, des Seyns an sich, ist die Identität selbst. Sie ist insofern noch überhaupt dasselbe, als das Wesen. ¦| (260 | 34) Die Identität des Wesens ist nicht etwa wirklich unmittelbar bestimmt. Sie ergibt sich aus der Form unserer Reflexion auf die Gegenständlichkeit des wesentlichen ›Gegenstandes‹. Sie ist eine hergestellte oder sich herstellende wesentliche Gleichheit, welche das Wesen bestimmt. Das Sein oder auch das Nichtsein war eine andere Gleichheit je mit sich, nämlich eine qualitative des ›es ist so‹ oder ›es ist nicht so‹ – noch ohne Gegenstand in einem Bereich des Vorhandenen, wie Heidegger später sagen wird. Das »es« in »es regnet« benennt ja nichts anderes als den Regen selbst, drückt also nur ein formales Subjekt aus. Es ist rein tautologisch zu sagen: »der Regen regnet«. Für die Konstitution des Wesens als eigentlichem Gegenstand ist die Festlegung (oder im Rückblick: die Festgelegtheit) seiner Identität zentrale Bedingung. Nur vermöge der entsprechenden Gleichheitsoder Zugehörigkeitsaussagen haben Wörter wie »sich« und »selbst« in Selbstbeziehungen des Wesens auf sich einen Sinn. Dabei entsteht das Wesen als wirklicher Gegenstand nicht einfach aus einer Verwandlung einer Äquivalenz zwischen rein sprachlichen Repräsentanten in eine Gleichheit wie im Fall abstrakter Gegenstände und deren Identität, sondern aus einer gemeinsamen Zuordnung von Präsentationen
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(Erscheinungen) und (von uns selbst erzeugten) Repräsentationen (Namen, Bilder, Vorstellungen). Es werden dabei Bestimmtheiten des Seins (des Daseins, der Erscheinungen) formal so aufgehoben, dass nicht einfach ein Bündel von perzipierbaren Eigenschaften oder eine Menge von Qualitäten entsteht. Vielmehr wird die Sache selbst zum Grund ihrer Erscheinung – aber auch ihres Scheins, wenn sie zu einer falschen Artbestimmung verführt. Dazu ist zu begreifen, wie sich die Rede z. B. über den Tisch vor mir von der über die Klasse aller Tischerscheinungen unterscheidet. In Letzterer gibt es kein ›Tun‹ des Tisches für sich, keine Wirkung, die nicht bloß Folge von Vorstellungen bei uns wäre. Der Empirismus eskamotiert wie der subjektive Idealismus Kants den Tisch sozusagen. Er gibt sich nämlich mit subjektiven experiences zufrieden. Damit mutiliert man aber zugleich den Begri= der Erscheinung. Denn jetzt gibt es nichts mehr, das erscheint, so wie wenn man nur noch Laute hören würde ohne Bezugnahme auf die Personen oder Sachen, welche die Laute hervorbringen. Die Ausdrucksform, nach welchem ein Ding Eigenschaften hat und auch ein Prozess selbst etwas Anderes ist als seine Wirkungen auf unser Sinneskostüm, lässt sich in Humes Zugang nicht angemessen rekonstruieren – und bei Kant auch nicht recht. Überhaupt ist der Ausdruck »die Menge der x « ein ganz besonderer nominalisierender Abstraktor. Für Mengen sind ganz andere Relationen und Eigenschaften definiert als etwa für Gestalten, Formen oder Dinge. Hegel führt hier den Unterschied vor zum Wesen qua Ding, welches seine Erscheinungen, wie wir sagen, bewirkt oder verursacht. Die (Bestimmung der) Identität des wesenhaften Gegenstandes, des wirkenden Dings oder dann auch eines verursachenden Prozesses und die (Bestimmung der) Existenz des Gegenstandes bzw. des Prozesses sind ein und dasselbe. Das wesenhafte Ding oder der wirkliche Prozess ist die Einheit seiner wesentlichen Erscheinungen, aber eben nicht als Menge oder Mannigfaltigkeit, sondern als Grund oder Ursache für phänomenal zugängliche Folgen, also für Erscheinungen. Damit haben wir den wesentlichen Unterschied zu Humes Bündeltheorie des Gegenstandes als bloßer Klasse ›seiner‹
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Wahrnehmungsqualitäten klar skizziert: Hegel erkennt die autonome Redeform, in welcher das physische Ding oder der physische Prozess seinen Erscheinungen und Folgen gegenübergestellt wird. In ihr wird über den wesenhaften Grund ›seiner‹ Wahrnehmbarkeiten gegenständlich gesprochen. Damit wird die Grammatik erst klar, was es z. B. heißt zu sagen, dass ich dieses Blatt Papier sehe und nicht einfach eine Menge von Sinnesdaten ›habe‹. Ich kann jetzt sagen, dass mich das Blatt in der Sonne fast blendet. Die mich blendende weiße Helle ist ebenfalls nicht einfach eine Menge von Qualitäten, die ich irgendwie mit diesem Papier verbinde. Die Vorstellung von freischwebenden Wahrnehmungsqualitäten, die auch andere haben können, ist völlig leer. Die Folge ist, dass alle Empiristen am Ende zu Locke und Hobbes zurückkehren und über Impressionen von Körpern sprechen, deren Verfassung in Gegebenheit und Identität dann aber einfach logisch ungeklärt vorausgesetzt wird. Kants vernichtende Kritik an Lockes Physiologie des Verstandes tri=t daher ins Zentrum einer methodisch verwirrten Analyse. Der Glaube an einen Materialismus oder Physikalismus und damit die neuere analytische Ontologie oder Metaphysik noch im Naturalismus W. V. O. Quines ist nur die Wiederholung des Unvermögens oder Unwillens, transzendentalanalytisch über den Begri= der physischen Dinge und anderer physikalischer Gegenstände in ihrer Konstitution nachzudenken.
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Anmerkung 1 Das Denken, das sich in der äussern Reflexion hält, und von keinem andern Denken weiß, als der äussern Reflexion, kommt nicht dazu, die Identität wie sie so eben gefaßt worden ist, oder das Wesen, was dasselbe ist, zu erkennen. Solches Denken hat immer nur die abstracte Identität vor sich, und ausser und neben derselben den Unterschied. Es meynt, die Vernunft sey weiter nichts als ein Webstuhl, auf dem sie den Zettel, etwa die Identität, und dann den Eintrag, den Unterschied, äusserlich mit einander verbinde und verschlinge; oder auch wieder analysirend itzt die Identität besonders herausziehe, und dann auch wieder den Unterschied daneben erhalte, itzt ein Gleichsetzen, und dann auch wieder ein Ungleichsetzen sey; – ein
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Gleichsetzen, indem man vom Unterschiede, – ein Ungleichsetzen, indem man vom Gleichsetzen abstrahire. – (261 | 35) Solange wir nur die Schemata äußerer Reflexion verwenden und dabei die Konstitution der Gegenstände der Rede und der Wahrheit der Aussagen unbewusst voraussetzen, wird man die komplexe innere Form der Identität eines wesenhaften Dinges oder natürlichen Prozesses im Kontrast bzw. in der begri=lichen Beziehung zu ihren Folgen und Erfahrbarkeiten kaum erkennen oder begreifen. Daher reicht das Rechnen mit formallogischen Formeln im theoretischen Deduzieren grundsätzlich nie aus, um (transzendental- oder präsuppositions-) logische Konstitutionsanalyse zu betreiben. Kants transzendentale Analytik war der erste große Entwurf, der diese enge Vorstellung von einem vernünftigen Denken als Rechnen mit Wörtern überwunden hat. Ein rechnendes Denken verschiebt Wörter wie Zettel und verbindet z. B. Identität und Unterschied in Schlingen wie die Fäden auf einem Webstuhl, die man auch wieder auseinanderziehen kann. Man meint außerdem, nach Belieben von möglichen Unterscheidungen absehen und Gleichheiten erzeugen zu können oder umgekehrt an Gleichgesetztem Unterschiede herausstellen zu können. Dabei übersieht man, dass zwar das Unterscheiden und Identifizieren unser Tun ist. Die Möglichkeiten des gemeinsamen Unterscheidens und gemeinsamen Identifizierens ist aber eine Sache der Welt und hängt nicht nur von unserem subjektiven Meinen und Wünschen ab. Grundsätzlich zeigt sich das Objektive der Welt und in ihr der handlungsfreien Natur im gemeinsamen Können. Dieses wiederum darf nicht auf eine zufällige Intersubjektivität im Unterscheiden und Gleichsetzen reduziert werden. Man muß diese Versicherungen und Meynungen von dem, was die Vernunft thue, ganz bey Seite gestellt lassen, indem sie gewissermassen bloß historische sind, und vielmehr die Betrachtung von Allem, was ist, an ihm selbst zeigt, daß es in seiner Gleichheit mit sich sich ungleich und widersprechend, und in seiner Verschiedenheit, in seinem Widerspruche, mit sich identisch, und an ihm selbst, diese Bewegung des Uebergehens einer dieser Bestimmungen in die andere ist, und diß darum, weil jede an ihr selbst das Gegentheil ihrer selbst ist. (261 | 35)
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Wir denken erst dann nicht bloß oberflächlich nach, wenn wir die inneren Spannungen zwischen Gleichsetzen und Unterscheiden, zwischen einem bleibenden Gegenstand und seiner Selbstauflösung in einem Prozess streng und genau betrachten und eine Kommentarsprache entwickeln, die sich insbesondere nicht einfach von dem Sonderfall vollsortaler ewiger Gegenstandsbereiche wie der Mathematik leiten lässt. Der Begri= der Identität, einfache sich auf sich beziehende Negativität zu seyn, ist nicht ein Product der äussern Reflexion, sondern hat sich an dem Seyn selbst ergeben. Da hingegen jene Identität, die ausser dem Unterschied, und der Unterschied, der ausser der Identität sey, Producte der äussern Reflexion und der Abstraction sind, die sich willkührlicher Weise auf diesem Punkte der gleichgültigen Verschiedenheit festhält. | (261 | 35) Dass die Identität eines wesenhaften Gegenstandes ›sich auf sich beziehende Negativität‹ ist und d. h. im Kontrast zwischen gegenständlichem Grund und phänomenalen Folgen besteht, ist nicht einfach eine willkürliche oder vorurteilsbeladene Behauptung, sondern hat sich aus der Realität unserer immer auch schon sprachlich begleiteten Bezugnahmen auf das, was wirklich ist, kurz: ›an dem Sein‹ selbst, ergeben. So ist z. B. jede ›absolute Trennung‹ der einzigen wirklichen Identität, die es geben soll, nämlich eines formalen A = A von den Unterschieden A , B, die angeblich nur über Mengenbildungen zu Einheiten zusammengefasst werden können, ›Produkt der äußeren Reflexion und der Abstraktion‹, also Folge oberflächlicher Betrachtungen, welchen die impliziten Voraussetzungen von Identität und Unterschied gar nicht bewusst sind. Klarer gesagt: Es gibt überhaupt keine Identität, die nicht über eine Gleichsetzung von Unterscheidbarem konstituiert wäre. 2. Diese Identität ist zunächst das Wesen selbst, noch keine Bestimmung desselben; die ganze Reflexion, nicht ein unterschiedenes Moment derselben. Als absolute Negation ist sie die Negation, die unmittelbar sich selbst negirt; ein Nichtseyn und Unterschied, der in seinem Entstehen verschwindet, oder ein Unterscheiden, wodurch nichts unterschieden wird, sondern das unmittelbar in sich selbst
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zusammenfällt. Das Unterscheiden ist das Setzen des Nichtseyns, als des Nichtseyns des Andern. Aber das Nichtseyn des Andern ist Aufheben des Andern, und somit des Unterscheidens selbst. So ist aber das Unterscheiden hier vorhanden, als sich auf sich beziehende Negativität, als ein Nichtseyn, das das Nichtseyn seiner selbst ist; ein Nichtseyn, das sein Nichtseyn nicht an einem andern, sondern an sich selbst hat. Es ist also der sich auf sich beziehende, der reflectirte Unterschied vorhanden, oder reine, absolute Unterschied. (261 | 36) Die Identität des Gegenstandes ist das Wesen selbst, noch ohne Bestimmung seines Unterschieds zu allen anderen Gegenständen derselben Wesensart. Sie enthält die ganze Reflexion des Wesens in sich, also auch alle Erscheinungen und den dem Wesen zugeschriebenen Schein, nicht bloß ein Moment, wie z. B. die räumliche Ausdehnung eines Körpers mit seiner gewissen Undurchdringlichkeit. Die primären Qualitäten sind nur primär für eine besondere Technik und den zugehörigen begrenzten Bereich innerweltlicher Gegenstandsbezugnahmen. Man denke etwa an eine Physik mittelgroßer Festkörper (middle sized dry goods) im Alltag oder schon im Labor. Die Identität des Gegenstandes ist absolute Negation in dem Sinn, als sie alles, was nur zu diesem Gegenstand gehört, von allem abtrennt, was nur zu einem anderen gehört. Man sieht schon an dem »nur« das Problem, dass gemeinsame Eigenschaften und Wirkungen und damit prozessuale Relationen zwischen den Gegenständen eigens zu behandeln sind. Welche Eigenschaften gehören ›nur‹ zu A und ›nicht‹ zu B? Da wir uns in der Reflexion auf die prinzipielle Gegenstandsform des Wesens an sich befinden, sind solche Probleme aber noch erst einmal ausgeklammert. Die reine Identität ist absolute Negation, Unterscheidung von allem anderen, die ›unmittelbar sich selbst negiert‹, weil es gar keine Bestimmung des so von allem Verschiedenen geben kann. Das übersehen alle, welche von unmittelbar gegebenen substantiellen Gegenständen sprechen und meinen, davon reden zu können, was es an ›atomaren‹ Wesen in der Welt ›gibt‹. Der Grundfehler ist die Annahme, es gäbe einen All- und Existenzquantor, der sich auf einen Bereich aller wirklichen oder auch aller objektiv bedenkbaren Gegenstände bezieht, also ein Universum aller wirklichen bzw. objektiven
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Dinge und Sachen. Ein solches Universum gibt es nicht, zumal sich alle Dinge in indefiniter Weise teilen und zusammenfügen lassen. Gerade auch die Vorstellung, der wirkliche Raum und die wirkliche Zeit ließen sich unmittelbar mathematisch beschreiben, führt hier in die Irre. Es ist naiver Pythagoräismus, die diversen mathematischen Modelle einer Geometrie oder Kinematik mit dem Raum oder der Raum-Zeit zu identifizieren. Damit verkennt man die kategoriale Differenz zwischen mathematisch-idealem und wirklichem Raum, um jetzt von der Zeit gar nicht näher zu sprechen. Jedes bestimmende Unterscheiden von Gegenständen findet schon in einem begrenzt gegebenen ›gemeinsamen‹ Bereich des zu Unterscheidenden statt – wobei im Übergang vom Unterscheiden zum Unterschied des Anderen die ›konstruktive‹ Rolle unserer urteilenden Tätigkeit abstraktiv aufgehoben wird. Mit anderen Worten, in der Rede vom Unterschied der Dinge sprechen wir von einem Unterscheiden und heben diese Abhängigkeit gleich wieder auf. Oder die Identität ist die Reflexion in sich selbst, welche diß nur ist, als innerliches Abstossen, und diß Abstossen ist es als Reflexion in sich, unmittelbar sich in sich zurücknehmendes Abstossen. Sie ist somit die Identität als der mit sich identische Unterschied. Der Unterschied ist aber nur identisch mit sich, insofern er nicht die Identität, sondern absolute Nichtidentität ist. Absolut aber ist die Nichtidentität, insofern sie nichts von ihr anderes enthält, sondern nur sich selbst, das heißt, insofern sie absolute Identität mit sich ist. (262 | 36) Jede Identität ist Reflexion in sich selbst im Sinn einer implizit unterstellten oder explizit gemachten Bestimmtheit oder Bestimmung des relevanten ›Selbst‹ und ›Sich‹, das wiederum als innere Relation von Momenten des Gegenstandes wie ein ›inneres Abstoßen‹, eine ›Repulsion‹ innerer ›Teile‹ erscheint, aber zugleich als Zusammenhang oder ›Attraktion‹ dieser Momente in der Einheit des ›mit sich identischen‹ Gegenstandes. Wir haben also die logische Dialektik zwischen äußeren und inneren Unterschieden angemessen zu verstehen. Nicht bloß relativ zu einer größeren Einheit, also absolut, wäre eine Nichtidentität von Unterschiedenem nur, wenn zu ihrer Bestimmung keine Relation zu Anderem konstitutiv wäre. Das ist noch nicht einmal für Zahlen so. Alle Unterschiede setzen, wie der Strukturalismus klar
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macht, einen Strukturrahmen der relevanten Kontraste voraus. Die Folge ist, dass es keine absolut mit sich identischen Gegenstände oder Individuen geben kann, die nicht längst schon erstens in einem relationalen, in der Welt sogar immer prozessualen Gefüge mit anderen Gegenständen stehen – wobei das Gefüge eine Art ›größere Einheit‹ bildet, so wie eine Art im Blick auf ein Einzelexemplar oder eine Gruppe im Blick auf ein Individuum. Die Einheit des Individuums ist selbst schon eine Vielheit in sich. Die Identität ist also an ihr selbst absolute Nichtidentität. Aber sie ist auch die Bestimmung der Identität dagegen. Denn als Reflexion in sich setzt sie sich als ihr eigenes Nichtseyn; sie ist das Ganze, aber als Reflexion setzt sie sich als ihr eigenes Moment, als Gesetztseyn, aus welchem sie die Rückkehr in sich ist. | So als ihr Moment ist sie erst die Identität als solche als Bestimmung ; der einfachen Gleichheit mit sich selbst, gegen den absoluten Unterschied. (262 | 36 f.) Es ist keine billige Paradoxie, wenn Hegel erklärt, jede Identität sei »an ihr selbst absolute Nichtidentität« – nämlich im Blick auf innere und äußere Unterschiede, wobei jede Reflexion in sich darauf verweist, dass sich Teilmomente in einem Ganzen zueinander verhalten. Die schwierige Formulierung, dass die Identität sich selbst als ihr eigenes Nichtsein setze, bezieht sich nun nicht (nur) auf unsere Setzungen von Identitäten im gegenständlichen Weltbezug, sondern (auch) auf das Vollzugssein etwa eines Subjekts, das, ganz allgemein gesagt, alles Seinige tätig oder im Prozess des Seins des Seienden (wie man heute mit Heidegger sagen kann) von dem unterscheidet, was nicht zu ihm gehört. Anmerkung 2 Ich werde in dieser Anmerkung die Identität als den Satz der Identität näher betrachten, der als das erste Denkgesetz aufgeführt zu werden pflegt. Dieser Satz in seinem positiven Ausdrucke A = A, ist zunächst nichts weiter, als der Ausdruck der leeren Tavtologie. (262 | 37) Der sogenannte Satz der Identität steht im Grunde für alle formalen Tautologien, nicht nur für die Tautologie A = A, sondern etwa auch für »wenn ϕ, dann ϕ«. Soweit diese Formel äquivalent ist mit
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der Formel »Es gilt nie ϕ und nicht-ϕ«, wird sich der Satz der Identität als äquivalent mit dieser Lesart des Satzes vom ausgeschlossenen Widerspruch erweisen. Es ist daher richtig bemerkt worden, daß dieses Denkgesetz ohne Inhalt sey und nicht weiter führe. So ist [es] die leere Identität, an welcher diejenigen festhangen bleiben, welche sie als solche für etwas Wahres nehmen und immer vorzubringen pflegen, die Identität sey nicht die Verschiedenheit, sondern die Identität und die Verschiedenheit seyen verschieden. Sie sehen nicht, daß sie schon hierin selbst sagen, daß die Identität ein Verschiedenes ist; denn sie sagen, die Identität sey verschieden von der Verschiedenheit; indem diß zugleich als die Natur der Identität zugegeben werden muß, so liegt darin, daß die Identität nicht äusserlich, sondern an ihr selbst, in ihrer Natur diß sey, verschieden zu seyn. – (262 | 37) Wenn wir Hegels Ausführungen zur Verschiedenheit von Identität und Verschiedenheit teils spitzfindig, teil umständlich finden, sollten wir nicht vergessen, dass ganze Bibliotheken vollgeschrieben sind mit Kommentaren etwa zu Freges Unterscheidung zwischen Sinn und Bedeutung, also zwischen Inhaltsgleichheit und Bezugsgleichheit, um von den unzähligen Seminaren zu dem Thema gar nicht zu sprechen. Thematisiert wird die Tatsache, dass es ganz verschiedene Repräsentationen und Zugänge zum gleichen Gegenstand geben kann und muss, dass wir ganz verschieden feine Sinngleichheiten oder Sinnverschiedenheiten für solche Zugänge definieren können und dass die Bezugs- und Gegenstandsgleichheit nie bloß von der Form A = A, sondern immer auch von der Form A = B ist – mit sinnverschiedenem A und B. Frege drückt sich hier zwar schon etwas klarer aus als Hegel, aber noch nicht einmal Wittgenstein versteht ihn, wie der Tractatus dokumentiert. Dabei sind die Dinge relativ einfach, wenn man einmal begri=en hat, dass Nominalisierungen wie »der Bezug von x « oder »der Sinn von x « je nach Kontext ganz verschiedene (halb-)sortale Gegenstände der Rede je nach relevanter Gleichgültigkeitsbeziehung und damit ›Identität‹ konstituieren, die aus anderen Perspektiven oder in anderen Kontexten sozusagen eine Ungleichheit oder Verschiedenheit sein können.
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Ferner aber indem sie an dieser unbewegten Identität festhalten, welche ihren Gegensatz an der Verschiedenheit hat, so sehen sie nicht, daß sie hiemit dieselbe zu einer einseitigen Bestimmtheit machen, die als solche keine Wahrheit hat. Es wird zugegeben, daß der Satz der Identität nur eine einseitige Bestimmtheit ausdrücke, daß er nur die formelle eine abstracte, unvollständige Wahrheit enthalte. – In diesem richtigen Urtheil liegt aber unmittelbar, daß die Wahrheit nur in | der ¦ Einheit der Identität mit der Verschiedenheit vollständig ist, und somit nur in dieser Einheit bestehe. (262 f. | 37 f.) Hegels Kritik an der ›unbewegten Identität‹ ist eine Kritik an jedem ›Atomismus‹ und jeder Vorstellung, es gäbe einen universalen Bereich von Gegenständen, die je nur mit sich selbst identisch seien, und das nicht etwa als Einheit von inneren Vielheiten. Sie richtet sich gegen die Naivität, die Identität sei immer nur von der Form A = A, so dass man, wie Wittgenstein im Tractatus meint, auf das Gleichheitszeichen ganz verzichten könnte. Das Gegenteil ist der Fall. Die Gleichheit in einem Bereich ist eine der wichtigsten und schwierigsten logischen Formen, gerade weil sie bereichsrelativ und nie absolut ist, also aus je anderer Perspektive und in je anderen Rede-Ebenen als echte Relation zwischen Verschiedenem aufzufassen ist. Im Sein dagegen handelt es sich um einen komplexen Selbsterhalt, wobei das ›Selbst‹ nur durch den Prozess, z. B. des Lebens des Lebendigen, definiert ist. Ohne Gleichheiten qua Gleichsetzung von Unterscheidbarem gibt es keine gemeinsamen bzw. ›objektiven‹ Gegenstandsbezugnahmen. Das gilt für konkrete Gegenstände ebenso wie für abstrakte. Hieraus ergibt sich die dialektische Ambivalenz der Gleichheit, die eben nie bloß eine Identität, sondern immer auch eine Gleichgültigkeitsrelation ausdrückt. Das gilt es anzuerkennen und zu verstehen. Indem behauptet wird, daß jene Identität unvollkommen ist, so schwebt diese Totalität, an der gemessen die Identität unvollkommen ist, als das Vollkommene dem Gedanken vor; indem aber auf der andern Seite die Identität als absolut getrennt von der Verschiedenheit festgehalten und in dieser Trennung als ein Wesentliches, Geltendes, Wahres genommen wird, so ist in diesen widerstreitenden Behauptungen nichts zu sehen, als der Mangel diese Gedanken, daß die Identität als abstracte wesentlich, und daß sie als solche
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eben so unvollkommen ist, zusammenzubringen; der Mangel des Bewußtseyns über die negative Bewegung, als welche in diesen Behauptungen die Identität selbst dargestellt wird. – (263 | 38) Dabei sagen manche, es liege nur an uns, dass wir die wahre Identität der Gegenstände nicht erfassen, so dass bloß ›unsere‹ Gleichheiten unvollkommen seien, die ›wahren‹ Gegenstandsidentitäten aber seien ›absolut‹. Das meint ein Identitätsidealist wie der frühe Wittgenstein, der, wie gesagt, auf jedes Gleichheitszeichen meint verzichten zu können. Das aber zeigt nur den Mangel an Verständnis, »dass die Identität abstrakt wesentlich« ist und zugleich notwendigerweise »unvollkommen«, und zwar weil sie systematisch immer nur relativ zu einem gesetzten prädikativen Unterscheidungs- und Relationssystem zu verstehen ist. Hegels Rede von einer negativen ›Bewegung‹ meint hier wohl die Bewegung von einer Rede-Ebene in eine andere, etwa von der Rede über Dinge zur Rede über ihre Teile oder Aspekte oder Momente – so wie wir von der Rede über rationale Zahlen zur Rede über Brüche oder von der Rede über Zahlen zur Rede über Zahlterme übergehen, und zwar gerade dann, wenn wir über Gleichheiten sprechen. Oder indem sich so ausgedrückt wird, die Identität sey wesentliche Identität als Trennung von der Verschiedenheit, oder in der Trennung von der Verschiedenheit, so ist diß unmittelbar die ausgesprochene Wahrheit derselben, daß sie darin besteht, Trennung als solche zu seyn, oder in der Trennung wesentlich, das ist, nichts für sich, sondern Moment der Trennung zu seyn. (263 | 38) Dass die Identität nichts sei als Trennung von der Verschiedenheit, ist wohl am Ende nur Ausdruck dafür, dass x = y genau dann formal gilt, wenn ¬x , y gilt. Nicht trivial ist dabei, dass ¬x , y durch Ersetzung der Variablen durch Gegenstandbezugnahmen N , M nur wahr werden kann, wenn N und M zum richtigen (gleichen) Gegenstandsbereich gehören. In gewissem Sinn gilt z. B., dass ich und mein Leib nicht ungleich sind, ohne dass ich deswegen mit dem Leib identisch wäre. Das liegt an den jeweils passenden bzw. nicht passenden Prädikaten. Noch deutlicher wird das, wenn wir andere kategorial falsche Sätze ansehen. Es ist nämlich z. B. die Zahl 5 sicher nicht im richtigen Sinn ungleich der Zi=er »5«. Der richtige Sinn zeigt sich im
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Satz »5 , 6«. Es ist daher rein falsch, so zu schließen: Es gilt nicht 5 , »5«, also gilt 5 = »5«. Zahl und Zi=er 5 wären dann dasselbe. Was nun die sonstige Beglaubigung der absoluten Wahrheit des Satzes der Identität betrift, so wird sie insofern auf die Erfahrung gegründet, als sich auf die Erfahrung jedes Bewußtseyns berufen wird, daß es, wie man ihm diesen Satz, A ist A, ein Baum ist ein Baum, ausspreche, es denselben unmittelbar zugebe und darin befriedigt sey, daß der Satz als unmittelbar klar durch sich selbst, keiner andern Begründung und Beweises bedürfe. (263 | 38) Völlig naiv und ohne jedes logische Selbstbewusstsein argumentieren diejenigen, die versichern, ihrer Intuition und Erfahrung mit der Sprache gemäß sei die Identität typischerweise durch Beispiele wie »Ein Baum ist ein Baum« zu erläutern, und sich mit dieser Einführung (des Verständnisses der Wahrheit) der Identität der Form A = A zufrieden geben. Man merkt nicht einmal, dass man hier auf Redensarten hereinfällt wie »Gott ist Gott« oder auch »Schnaps ist Schnaps«, wie Hegel auch gleich sagen wird. Einestheils ist diese Berufung auf die Erfahrung, daß allgemein jedes Bewußtseyn ihn anerkenne, bloße | Redensart. Denn man will nicht sagen, daß man das Experiment mit dem abstracten Satze A = A an jedem Bewußtseyn gemacht habe. Es ist insofern weiter nicht Ernst mit jener Berufung auf wirklich gemachte Erfahrung, sondern sie ist nur die Versicherung, daß wenn man die Erfahrung machte, sich das Resultat des allgemeinen Anerkennens ergeben würde. – Wäre aber nicht der abstracte Satz als solcher, sondern der Satz in concreter Anwendung gemeynt, aus der jener erst entwickelt werden sollte, so bestünde die Behauptung von seiner Allgemeinheit und Unmittelbarkeit darin, daß jedes Bewußtseyn, und selbst in jeder seiner Aeusserungen ihn zu Grunde lege, oder daß er implicite in jeder liege. Allein das Concrete und die Anwendung ist ja eben die Beziehung des einfachen Identischen auf ein von ihm verschiedenes Mannichfaltiges. Als Satz ausgedrückt, wäre das Concrete zunächst ein synthetischer Satz. Aus dem Concreten selbst oder seinem synthetischen Satze würde die Abstraction den Satz der Identität wohl durch Analyse herausbringen können; aber in der That hätte sie die Erfahrung nicht gelassen wie sie ist, sondern verändert; denn
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die Erfahrung enthielt vielmehr die ¦ Identität in Einheit mit der Verschiedenheit, und ist die unmittelbare Widerlegung von der Behauptung, daß die abstracte Identität als solche etwas Wahres sey, denn das gerade Gegentheil, nemlich die Identität nur vereinigt mit der Verschiedenheit, kommt in jeder Erfahrung vor. (263 f. | 38 f.) Wir alle erkennen Tautologien an. Damit sind sie aber noch lange nicht als Erläuterungen eines logischen Prinzips wie des Satzes von der Identität begri=en. Was überhaupt sind Tautologien? Was sind logische allgemeingültige Sätze und Regeln? Welche Voraussetzungen müssen gelten, damit man sie als Schlussformen gebrauchen kann? Diese Fragen sind immer zu beantworten. Es ist freilich klar, dass es über die triviale Identitäten A = A und »wenn ϕ dann ϕ« hinaus viele logisch allgemeingültige Sätze gibt. Beispiele sind: ϕ ∨ ¬ϕ, also: »ϕ ist wahr oder nicht-ϕ ist wahr« bzw. (ϕ → ψ) → ((ϕ ∗ ∧ ϕ) → ψ), lies: »wenn ψ aus ϕ folgt, dann folgt ψ auch aus ϕ und ϕ ∗ «. Die Beispiele gelten zwar als formal und allgemein wahr, enthalten aber schon implizit ein ›synthetisches‹ Element insofern, als die Formeln ϕ und ψ nicht für beliebige Sätze als bloß syntaktisch wohlgeformte Gebilde, sondern schon für wahre oder falsche Aussagen stehen müssen. Außerdem muss die Konjunktion »und« ›monoton‹ gelesen werden. Das ist keineswegs immer der Fall, da in gewissem Sinn aus dem Satz »Emily ist eine Katze« generisch folgt, dass sie vier Beine hat. Wenn wir aber den Satz hinzufügen »aber ihr wurde bei einem Autounfall ein Bein abgefahren«, folgt das nicht mehr. Es ist freilich eine allzu blumige ›metaphorische‹ Kommentarsprache, wenn Hegel von einer ›Vereinigung‹ der Identität mit der Verschiedenheit spricht. In unserem – etwas weit ausgreifenden – Beispiel der dreibeinigen Katze Emily lässt sich dennoch erahnbar machen, was gemeint ist: Zur ›Identität‹ der Katzen an sich gehört ihre ›Vierbeinigkeit‹, die aber, weil sie bloß generisch ist, vereinigt bleiben kann mit der Möglichkeit, auch noch als dreibeiniges Wesen eine lebende Katze zu sein. Auf der andern Seite wird aber auch die Erfahrung mit dem reinen Satze der Identität, nur zu oft, gemacht, und es zeigt sich in dieser Erfahrung klar genug, wie die Wahrheit, die er enthält, ange-
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sehen wird. Wenn nemlich z. B. auf die Frage: was ist eine | Pflanze? die Antwort gegeben wird: eine Pflanze ist – eine Pflanze, so wird die Wahrheit eines solchen Satzes, von der ganzen Gesellschaft, an der sie erprobt wird, zugleich zugegeben, und zugleich eben so einstimmig gesagt werden, daß damit Nichts gesagt ist. (264 | 39 f.) Tautologien sagen nichts inhaltlich Informatives über die empirische Welt. Daran wird in Wittgensteins Tractatus nur neu erinnert. Aber auch der Hinweis auf eine generische Allgemeinheit wie die, dass Katzen vier Beine haben, hilft nicht, wenn es darum geht zu erklären, warum Emily eine Katze bleibt, obwohl sie bloß noch drei Beine hat. Es sind daher ›Erklärungen‹ der allgemeinen Art »Amelie hat vier Beine, weil sie eine Katze ist« der Form nach ganz verschieden von Erklärungen der besonderen Art »Emily hat drei Beine, weil sie einen Unfall hatte«. Wenn einer den Mund aufthut, und anzugeben verspricht, was Gott sey, nemlich Gott sey – Gott, so findet sich die Erwartung getäuscht, denn sie sah einer verschiedenen Bestimmung entgegen; und wenn dieser Satz absolute Wahrheit ist, wird solche absolute Rednerey sehr gering geachtet; es wird nichts für langweiliger und lästiger gehalten werden, als eine nur dasselbe wiederkäuende Unterhaltung, als solches Reden, das doch Wahrheit seyn soll. (264 | 40) Im Fall der Erläuterung, wer oder was Gott ist, reichen noch nicht einmal die von vielen gern akzeptierten Formeln aus, Gott sei die Wahrheit oder das Sein und das Leben, das Eins und Alles. Denn die Frage ist dann noch o=en, wie diese Formeln überhaupt zu verstehen sind. Näher diese Wirkung der Langeweile bey solcher Wahrheit betrachtet, so macht der Anfang: die Pflanze ist –, Anstalten etwas zu sagen, eine weitere Bestimmung vorzubringen. Indem aber nur dasselbe wiederkehrt, so ist vielmehr das Gegentheil geschehen, es ist Nichts herausgekommen. Solches identische Reden widerspricht sich also selbst. Die Identität, statt an ihr die Wahrheit und absolute Wahrheit zu seyn, ist daher vielmehr das Gegentheil; statt das unbewegte Einfache zu seyn, ist sie das Hinausgehen über sich in die Auflösung ihrer selbst. (264 | 40) Dass sich ein tautologischer Satz der Form »Eine Pflanze ist eine Pflanze« sogar selbst widersprechen soll, irritiert zunächst. Hegel
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bezieht sich hier ganz o=enbar auf einen Bruch einer ›Konversationsmaxime‹, wie man heute mit H. P. Grice sagen kann, die verlangt, dass das Geäußerte nicht bloß formal wahr, sondern relevant sein muss. Der Hörer wird sonst sagen: »Das weiß ich auch schon«. Im Fall Gottes will er wissen, was die Rede über Gott bedeutet, wie dieser Redegegenstand mit der Welt und unserem Leben in ihr zusammenhängt oder zusammenhängen könnte, woran die Leute glauben, wenn sie sagen, dass sie an Gott glauben, und was das konkret heißt, also wie ihr Reden und Tun anders wird im Vergleich zu denen, die von sich sagen, dass sie nicht an Gott glauben und vielleicht auch sonst mit dem Wort »Gott« selten oder nie operieren. Es liegt also in der Form des Satzes, in der die Identität ausgedrückt ist, mehr als die einfache, abstracte Identität; es liegt diese reine Bewegung der Reflexion darin, in der das Andre nur als Schein, als unmittelbares Verschwinden auftritt; A ist, ist ein Beginnen, dem ein Verschiedenes vorschwebt, zu dem hinausgegangen werde; aber es kommt nicht zu dem Ver|schiedenen; A ist −A; die Verschiedenheit ist nur ein Verschwinden; die Bewegung geht in sich selbst zurück. – (264 | 40 f.) Nur in Sätzen der Form »A ist B«, in dem A durch etwas anderes erläutert wird oder als Position in Relation zu anderem lassen sich Fragen der Art »Was ist A?« beantworten – was wir auch schon weiter oben gesagt haben. Nur so lassen sich die Bestimmungen der Redegegenstände und ihre Identitäten als Gleichheiten mit sich explizit machen. Die Form des Satzes kann als die verborgene Nothwendigkeit angesehen werden, noch das Mehr jener Bewegung zu der abstracten Identität hinzuzufügen. – So kommt auch ein A, oder eine Pflanze oder sonst ein Substrat hinzu, das als ein unnützer Inhalt keine Bedeutung hat; aber er macht die Verschiedenheit aus, die sich zufälligerweise beyzugesellen scheint. Wenn statt des A und jedes andern Substrats, die Identität selbst genommen wird, – die Identität ist die Identität, – so ist eben so zugegeben, daß statt dieser gleichfalls jedes andere Substrat genommen werden könne. Wenn sich daher einmal darauf berufen werden soll, was die Erscheinung zeigt, so zeigt sie diß, daß in dem Ausdrucke der Identität auch un¦mittelbar die
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Verschiedenheit vorkommt; – oder bestimmter nach dem Obigen, daß diese Identität das Nichts, daß sie die Negativität, der absolute Unterschied von sich selbst ist. (264 f. | 41) Wieder wird man die Metapher der Bewegung, die das erläuternde »ist« ausdrückt, für hilflos oder unglücklich halten. Und doch benennt sie die allbekannte Tatsache, dass Antworten auf Fragen wie »Wovon redest du, wenn du den Ausdruck A gebrauchst?« nicht in der Form von prädikativen Kommentaren zu einem als bekannt unterstellten Gegenstand A gegeben werden können und schon gar nicht in der Form der reinen Tautologie A = A. Das heißt, eine prädikative Aussage der Oberflächenform ›A ist B‹ ist eine andere Aussageform als eine Erläuterungsaussage ›A ist B‹. Die erste hat die logische Form »Dem durch A benannten Gegenstand a kommt die Eigenschaft B zu«. Die zweite mag formal eine Gleichung sein. Auf die Frage »Wer ist Emily?« mag allerdings die Antwort »Emily ist eine Katze« oft schon ausreichen, auch wenn gelegentlich noch nötig sein könnte hinzuzufügen, welche Katze Emily ist, nämlich vielleicht die von Sebastian, während Amelie meine Katze ist. Die Funktion der Kopula »ist« ist gerade deswegen, weil sie eng mit dem performativen Sprechhandlungstyp der Herstellung einer oft bewusst spannungsvollen Beziehung zwischen Aussagegegenstand und Zuschreibung zusammenhängt, weit vielfältiger, als man in einer formalen Satzlogik annimmt, welche nur zwischen einer Deutung als Gleichheit, als Teilmenge und als prädikative Element-KlassenBeziehung unterscheidet. Ein Beispiel ist Heraklits Satz, der Krieg sei der Vater aller Dinge. Hegels Formel, die Identität sei das Nichts, der absolute Unterschied von sich selbst, ist von der gleichen Form. Als solche ist sie freilich eher ein partiell untauglicher Explikationsversuch dieser Strukturen des »ist« und »ist gleich«, weil sie zu viel dem Erraten überlässt. Der andre Ausdruck des Satzes der Identität: A kann nicht zugleich A und Nicht-A seyn, hat negative Form; er heißt der Satz des Widerspruchs. Es pflegt darüber, wie die Form der Negation, wodurch sich dieser Satz vom vorigen unterscheidet, an die Identität komme, keine Rechtfertigung gegeben zu werden. – Diese Form liegt aber darin, daß die Identität als die reine Bewegung der Reflexion, die
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einfache Negativität ist, welche der angeführte zweyte Ausdruck des Satzes entwickelter enthält. Es ist A ausgesprochen und ein Nicht-A, das Rein-Andre des A, aber es zeigt sich nur um zu verschwinden. Die Identität ist also in diesem Satze ausgedrückt, – als Negation der Negation. A und Nicht-A, sind unterschieden, diese unterschiednen sind auf ein und dasselbe A bezogen. | Die Identität ist also als diese Unterschiedenheit in Einer Beziehung oder als der einfache Unterschied an ihnen selbst hier dargestellt. (265 | 42 f.) Hegel selbst ›identifiziert‹ den Satz der Identität mit dem Satz vom Widerspruch ›Nichts ist zugleich A und nicht-A‹. Für kein N kann zugleich ϕ(N ) und ¬ϕ(N ) gelten. Man kann auch einfach ¬(ϕ ∧ ¬ϕ) betrachten. Hegel beklagt sich, dass zumeist keine Begründung für die Äquivalenz des Satzes der Identität und des Satzes vom Widerspruch gegeben wird. Ich gehe darauf nicht näher ein, da das zu technischen Fragen führt, z. B. wie sich ¬(ϕ ∧ ¬ϕ) von (ϕ → ϕ) und ϕ ∨ ¬ϕ unterscheidet. Es erhellt hieraus, daß der Satz der Identität selbst und noch mehr der Satz des Widerspruchs nicht bloß analytischer, sondern synthetischer Natur ist. Denn der letztere enthält in seinem Ausdrucke nicht nur die leere, einfache Gleichheit mit sich, sondern nicht allein das Andre derselben überhaupt, sondern sogar die absolute Ungleichheit, den Widerspruch an sich. Der Satz der Identität selbst aber enthält, wie an ihm gezeigt wurde, die Reflexionsbewegung, die Identität als Verschwinden des Andersseyns. (265 | 42) Die Sätze von der Identität und vom Widerspruch sind ›synthetischer Natur‹ nur im oben erläuterten Sinn, nämlich weil sie nicht bloß Folgen der Bedeutung der Wörter »ist« und »nicht« sind, sondern je abhängen von einem wohlkonstituierten Gegenstands- und Satzbereich, in dem Gleichungen und Sätze mit genau zwei Wahrheitswerten schon definiert sind. Das gilt keineswegs für alle Sätze, die wir in der Normalsprache gebrauchen. Anders gesagt, die beiden Prinzipien sind nur bedingt ›allgemeingültig‹. Hegels Art und Weise, diese Einsicht auszudrücken, darf als noch einigermaßen obskur gelten. Was sich also aus dieser Betrachtung ergibt, ist, daß erstens der Satz der Identität oder des Widerspruchs, wie er nur die abstracte Identität im Gegensatz gegen den Unterschied, als Wahres aus-
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drücken soll, kein Denkgesetz, sondern vielmehr das Gegentheil davon ist; zweytens, daß diese Sätze mehr, als mit ihnen gemeynt wird, nemlich dieses Gegentheil, den absoluten Unterschied selbst, enthalten. | (265 | 42) Die ganz o=enbar provokative These Hegels, dass das Grundprinzip formaler Logik, der Satz der Identität in den Formen A = A und ϕ = ϕ und auch in der formallogisch äquivalenten Form des Satzes vom Widerspruch ¬(A , A) und ¬(ϕ ∧ ¬ϕ) »kein Denkgesetz« artikuliere, wird zumeist als törichte Gegnerschaft zum formallogischen Schließen gedeutet, sein weiterer Kommentar, es sei sogar das »Gegenteil davon«, als geradezu verrückte Wichtigtuerei. Zumal man nicht versteht, was es heißen soll, dass diese Sätze mehr enthalten, als was man ihnen in einem rein formalen Denken zuschreibt, nämlich »den absoluten Unterschied selbst«. Wir sollten Hegels ›Ergebnis‹ aber, so schwer es fällt, erst einmal wohlwollend lesen, d. h. von Artikulationsmängeln absehen und auf die wohl wesentlichen Punkte achten. Dann sagt er gerade, dass wir den Inhalt von Gleichungen nie begreifen können, wenn wir nur formal mit ihnen rechnen. Außerdem ist die Wahrheit des Kontradiktionsprinzips ¬(ϕ ∧ ¬ϕ) und des mit ihm eng verwandten Prinzips Tertium non datur ϕ ∨ ¬ϕ nur zu verstehen, wenn wir die Konstruktion der Wahrheitsbedingungen der Sätze in einem vollsortalen Gegenstandsbereich wie z. B. der Arithmetik (oder wenigstens in halbsortalen Bereichen wie der Rede über ›wirkliche Dinge‹ in der Welt) voll begreifen. Das kann man nie dadurch erreichen, dass man mit der Prädikatenlogik Freges nur formal richtig zu rechnen, also Formeln aus Axiomen zu deduzieren lernt. Wir müssen vielmehr wissen, wie wir Sätzen als Figuren genau einen von zwei Werten, etwa 0 und 1, zuordnen und dabei einen Wert, etwa 1, auszeichnen und »das Wahre« nennen. Daraus ergibt sich keine negative Kritik an den schematischen Regeln einer formalen Deduktionslogik, sondern eine kritische Eingrenzung ihres Sinns auf rein mathematische und damit rein ideale und formale Ausdrucksbereiche.
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1. Der absolute Unterschied Der Unterschied ist die Negativität, welche die Reflexion in sich hat; das Nichts, das durch das identische Sprechen gesagt wird; das wesentliche Moment der Identität selbst, die zugleich als Negativität ihrer selbst, sich bestimmt und unterschieden vom Unterschied ist. ¦ (265 | 43) Wieder sind Hegels Formeln gewöhnungsbedürftig. Um sie zu verstehen, muss man sich das Thema ganz klar machen und den jeweiligen Bezug immer mitdenken. Es geht zunächst um die Explikation der Verschiedenheit von Unterschied und Unterscheidung, aber dann auch von Verschiedenheit und Gegensatz. Während der kategoriale Titel »Unterscheidung« für Aussageformen steht wie »Ich unterscheide A von B« oder »Wir unterscheiden A von B gemeinsam«, geht es in der Kategorie mit dem Titel »Unterschied« um ›objektbezogene‹ Aussageformen wie »A ist von B unterschieden« – und um deren reflexionslogische Explikation. Denn sie sind in gewissem Sinn äquivalent zu »Man kann und soll A von B unterscheiden«. In diesem Sinn ist der Unterschied als Kategorie die Negativität als Oberbegri= für die gesamte Familie von Kontrastwörtern (wie »Unterscheiden«, »Bestimmen«, »Anderssein«, »Verschieden sein«), welche die Reflexion auf das Wesen und den Grund des Unterscheidenkönnens sozusagen ›in sich hat‹. Der obskure Ausdruck »das Nichts, das durch das identische Sprechen gesagt wird« bezieht sich auf die obigen Antworten der Art »Eine Armbrust ist eine Armbrust«, also darauf, dass diese tautologischen Aussagen nicht erläutern, während eine echte Erläuterung auf die Frage, was eine Armbrust sei, einen Unterschied zu Hilfe nehmen muss, wie eine schöne chinesische Geschichte aus dem »Garten der Erzählungen« zeigt: Dort wird erläutert, dass eine Armbrust einem Bogen ähnelt – und dass reine Worterläuterungen ohne Kommentierungen von Analogien unter Appell an praktisches Wissen gar nicht möglich sind. Jetzt kommen wir Hegels Vorschlag zur terminologischen Di=erenzierung schon näher. Die Kategorie des Unterschieds verweist
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nämlich auf die Sinnunterschiede der Zugänge zum gleichen Thema oder Objekt, während die Kategorie der Verschiedenheit die Unterschiede zwischen Erscheinungen thematisiert, welche verschiedenen Gegenständen zugeordnet sind. Insofern geht es hier um den intensionalen Sinnunterschied, den wir kolloquial als »Bedeutungsunterschied« ansprechen, obwohl es sich gerade um verschiedene Zugänge zum selben Gegenstand, zur gleichen Bedeutung in Freges terminologischer Verwendung des Wortes im Sinn von »Gegenstandsbezug« handelt. Dieser Sinnunterschied ist ›wesentliches Moment der Identität selbst‹. Diese nämlich ist als Gleichheit des Bezugsgegenstandes mit sich selbst zugleich ›Negativität ihrer selbst‹, eben weil sie ›unterschieden vom Sinnunterschied‹ ist. 1. Dieser Unterschied ist der Unterschied an und für sich, der absolute Unterschied, der Unterschied des Wesens. – (266 | 43) Dass ein Sinnunterschied der verschiedenen Zugänge zu einem Gegenstand als »Unterschied des Wesens« angesprochen wird, ist verständlich. Aber warum soll er ›der absolute Unterschied an und für sich‹ sein? Die Frage führt uns zurück zur Frage, was die Ausdrücke »absolut« und »an und für sich« markieren sollen. Eine Antwort wird Hegel eine gewisse Nonchalance im Gebrauch idiosynkratischer Terminologie und implizit anaphorischer Beziehungen vorwerfen müssen. Denn der Ausdruck »Unterschied an und für sich« steht hier, wie der nächste Satz Hegels klarer zu machen versucht, für »Unterschied an einem Gegenstand in seinem An-und-für-sich-Sein«. Und die Rede von einem ›absoluten Unterschied‹ steht nicht, wie man erwarten würde, für eine von allen Relativitäten zu einem wahrnehmenden und denkenden Subjekt unabhängige oder losgelöste Verschiedenheit zweier Objekte oder Gegenstände, sondern für die Sinnunterschiede verschiedener Zugänge zu einem einzigen Gegenstand, die gerade in ihrer Gleichgültigkeit oder Äquivalenz die Objektivität des Gegenstandes konstituieren. Er ist der Unterschied an und für sich, nicht Unterschied durch ein Aeusserliches, sondern sich auf sich beziehender, also einfacher Unterschied. – (266 | 43)
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Sagt aber Hegel nicht, es gehe hier gerade nicht um einen »Unterschied durch ein Äußerliches«? Unser Begri= des Sinnunterschieds scheint doch dem Gegenstand äußerlich zu sein, wie dies gerade auch die auf Frege zurückgehende und hier von mir selbst aufgerufene Vorstellung suggeriert, es handele sich um die Unterschiede der Zugangsweisen oder der Art des Gegebenseins des Gegenstandes. Eben diese Vorstellung will Hegel hier aber aufheben, wenigstens zurückdrängen, und spricht von einem ›einfachen Unterschied‹ wohl im Sinne eines Unterschieds an einem einheitlichen Gegenstand und von einem ›sich auf sich beziehenden Unterschied‹ im Sinne dessen, dass die Sinnunterschiede als Teile der Bestimmung der Bedeutungsgleichheit in Freges Sinn, also der Bestimmung des Gegenstandsbezugs an und für sich selbst, verstanden werden müssen, so schwer das auch fallen sollte. Es ist wesentlich den absoluten Unterschied als einfachen zu fassen. Im absoluten Unterschiede des A und Nicht-A von einander ist es das einfache Nicht, was als solches denselben ausmacht. Der Unterschied selbst ist einfacher Begri=. Darin, drückt man sich aus, sind zwey Dinge unterschieden, daß sie u. s. f. – Darin, das heißt, in einer und derselben Rücksicht, in demselben Bestimmungsgrunde. Er ist der Unterschied der Reflexion, nicht das Andersseyn des Daseyns. Ein Daseyn und ein anderes Daseyn sind gesetzt als aussereinanderfallend, jedes der gegen einander bestimmten Daseyn hat ein unmittelbares Seyn für sich. Das Andre des Wesens dagegen ist das Andre an und für sich, nicht | das Andre als eines andern ausser ihm befindlichen; die einfache Bestimmtheit an sich. Auch in der Sphäre des Daseyns erwies sich das Andersseyn und die Bestimmtheit von dieser Natur, einfache Bestimmtheit, identischer Gegensatz zu seyn; aber diese Identität zeigte sich nur als das Uebergehen einer Bestimmtheit in die andere. Hier in der Sphäre der Reflexion tritt der Unterschied als reflectirter auf, der so gesetzt ist, wie er an sich ist. (266 | 43 f.) Die Einfachheit des absoluten Unterschieds besteht wesentlich darin, dass man einmal »A« sagt und ein anderes Mal etwas Anderes, das in diesem nicht-kontrastiven Sinn eine Art »nicht-A« ist. 12 16 und 6 8 sind so ganz o=enbar etwas Anderes. Das einfache »nicht«, mit
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dem wir sagen, dass der Sinn von » 34 « nicht derselbe ist wie der von » 68 «, macht diesen Unterschied aus. Man meint, damit seien »zwei Dinge« unterschieden – obwohl das o=enbar für die rationale Zahl gar nicht gilt, die ja nur ein Gegenstand ist. Auch der Erste Konsul von 1799 und Napoléon sind eine Person. Aber auch dann, wenn wir in einer Gattung zwei Dinge unterscheiden, sagen wir den Löwen Jonathan vom Löwen Leo, können wir die beiden Gegenstände als Momente desselben, als Repräsentanten der einen Art des Löwen auffassen, so dass auch hier Unterschied und Identität je auf eine bestimmte Rücksicht, einen Bestimmungsgrund zu beziehen sind, wie wir, so auch Hegel, zu sagen geneigt sind. Es ist eine Art Aberglaube, das Wort »identisch« oder »dasselbe« meine etwas Anderes als »gleich«; wohl aber sind die erstgenannten Ausdrücke stärker auf den Redegegenstand bezogen, das Wort »gleich« auf die Präsentationen und Repräsentationen für uns – oder auf gleiche Eigenschaften und Arten. Dabei geht es hier, wie gesagt, nicht um das Anderssein des Daseins, also um qualitative Unterscheidungen im Sein oder im Weltzugang, sondern um ›das Andere des Wesens‹, also des ›wirklichen Gegenstandes an und für sich‹ als Ursache (bzw. ›Grund‹) seiner Erscheinungen. Dieses Andere befindet sich nicht ›außer‹ dem Wesen, sondern gehört zu seiner Konstitution, zu seiner ›einfachen‹, d. h. einheitsbildenden ›Bestimmtheit an sich‹. Es geht also gerade um das Anderssein von Ausdrucksinhalt und Gegenstand, SinnF und BedeutungF in Freges Terminologie. Aber auch in der Sphäre qualitativer Unterscheidungsmöglichkeiten im präsentischen Dasein waren Anderssein und Bestimmtheit so aufeinander bezogen gewesen, dass in einer bestimmten Qualität feinere Unterscheidungen möglich gewesen wären, aber nicht gemacht oder gesetzt sind. Die Ausdrücke »einfache Bestimmtheit« und »identischer Gegensatz« nennen diese Struktur nur grob und notdürftig. Dabei betont Hegel noch einmal, dass sich im Dasein als der Sphäre gemeinsamer empirischer Anschauung die qualitativen Bestimmtheiten immer nur im Prozess ihrer Veränderung, also ihres Übergehens in andere Qualitäten zeigen: Die empirische Prädikation ist zeitlich, verlangt eine temporal-modale Kopula unter Bezugnahme
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auf eine reale oder fingierte Sprecherperspektive. Das ›Es ist so‹ wird immer zu einem ›Es war so und ist nicht mehr‹. Hier, in der Sphäre der Reflexion, also der Grammatik jedes ›sich‹ und ›selbst‹ in Selbstbezügen und Relationen auf sich, »tritt der Unterschied als reflektierter auf, der so gesetzt ist, wie er an sich ist«. Das bedeutet wohl, dass wir uns in der explikativen Reflexion auf die Reflexionen eines Bezugsgegenstandes in sich selbst der generischen Bestimmung von Art und Gegenstand an sich bewusst geworden sind und dabei die ›inneren‹ Unterschiede in der Bestimmung der Gleichheit des besonderen Gegenstandes (etwa eines Bruchs oder einer rationalen Zahl, einer Figur oder eines Dinges) in Abhängigkeit von seiner allgemeinen Gattung schon explizit gemacht haben. 2. Der Unterschied an sich ist der sich auf sich beziehende Unterschied; so ist er die Negativität seiner selbst, der Unterschied nicht von einem andern, sondern seiner von sich selbst; er ist nicht er selbst, sondern sein Anderes. Das Unterschiedene aber vom Unterschiede ist die Identität. Er ist also er selbst und die Identität. Beyde zusammen machen den Unterschied aus; er ist das Ganze und sein Moment. – Es kann eben so gesagt werden, der Unterschied als einfacher ist kein Unterschied; er ist diß erst in Beziehung auf die Identität; aber vielmehr enthält er als Unterschied eben so sie und diese Beziehung selbst. – Der Unterschied ist das Ganze und sein eignes Moment; wie die Identität eben so sehr ihr Ganzes und ihr Moment ist. – Diß ist als die wesentliche Natur der Reflexion und als bestimmter Urgrund aller Thätigkeit und Selbstbewegung zu betrachten. – Unterschied wie die Identität machen sich zum Momente oder zum Gesetztseyn, weil sie als Reflexion die negative Beziehung auf sich selbst sind. (266 | 44) Die generische Kommentarsprache kommt hier an die Grenze ihrer reflexionslogischen Ausdrucksfähigkeit. Im Unterschied zu einer Unterscheidung, die als performative Kategorie auf der Seite der unterschiedenen Wesen liegt, bezieht sich die Rede von einem Unterschied auf diesen selbst, also auf die Objektebene. In der Abstraktion von unserem Unterscheiden ist der Unterschied, wie Hegel in seiner schwierigen Nomenklatur sagt, »die Negativität seiner selbst«. Es geht nicht bloß um den Unterschied von etwas zu etwas Anderem,
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sondern auch um die Unterschiede ›in‹ einem Unterschied, dem Objekt, selbst – wie Hegel nur metaphorisch sagen kann. Der Unterschied ist ›sein Anderes‹. Das mag bedeuten, dass der Unterschied das Gegenüber unseres Unterscheidens ist, oder aber, dass jeder unterschiedene Gegenstand in seiner Identität durch die Setzung der wesentlichen Unterschiede erstens zu kategorial Anderem und zweitens zu Anderem derselben Gattung oder Art bestimmt ist. Dass die Negation der Negation die Bestimmung des Etwas ist, bestätigt sich hier erneut in der Form der Aussage, die Identität sei ›das Unterschiedene vom Unterschiede‹, was wieder nur auf die Äquivalenz von x = y und ¬x , y hinweist, jetzt aber auf der Objektebene, während in der Seinslogik das Gleiche sozusagen bloß erst das von uns nicht Unterschiedene im Dasein war. Ein Satz wie »Der Unterschied ist das Ganze und sein eigenes Moment« lässt sich dann so lesen, dass alle Identitäten und Unterschiede in einem Gegenstandsbereich nur im Blick auf die Verfassung des Gesamtbereiches, also auf die in ihm relevanten Unterschiede bzw. wesentlichen Relationen des Anderssein und Äquivalenzen oder Gleichheiten, zu verstehen sind. Dies ist die zentrale Wesensform jeder (reflexiven) Selbstbeziehung, nicht nur der bewussten Reflexion des Nachdenkens über sich und sein Verhältnis zur Welt wie im Selbstbewusstsein des ›reflectere animum‹. Im Blick auf Lebewesen und Menschen ist es ›bestimmter Urgrund aller Tätigkeit und Selbstbewegung‹, eben weil alles auf Objekte gerichtete Tun in einem tätigen Unterscheiden und Identifizieren von weiter Unterscheidbarem besteht. Wer rein formal und gedankenlos mit Ausdrücken wie »sich«, »selbst«, »Identität«, »Unterschied« und »(objektiver bzw. absoluter) Gegenstand« hantiert und nicht auf ihre schwierige logische Form reflektiert, der wird freilich an dieser Tatsache vorbeigehen und die in der Tat schwierigen Explikationsversuche Hegels als für sein (dann aber leider logisch und philosophisch entsprechend naives) Verständnis von Objektivität und Wirklichkeit überflüssig, weil ›obskur‹, missachten. Damit aber ist er aus Logik und Philosophie längst schon ausgestiegen. Er betreibt sogar seine Wissenschaft nur noch technisch und historisch, im reinen Sachbezug, ohne volles Bewusstsein von Methode der Forschung und Artikulation des Wissens. Die Kritik be-
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tri=t nicht nur Theologen und Mathematiker, sofern sie nicht über die Verfassung der Gegenstände ihrer Reden und formalen Wahrheiten nachdenken, sondern gerade auch die Natur- und Geisteswissenschaften, erst recht aber alle narrativen Kolportagen über ihr Wissen. Der Unterschied, so als Einheit seiner und der Identität, ist an sich selbst bestimmter Unterschied. Er ist nicht Uebergehen in ein Anderes, nicht Beziehung auf Anderes ausser ihm; er hat sein anderes, | die Identität an ihm selbst; so wie diese, indem sie in die Bestimmung des Unterschieds getreten, nicht in ihn als ihr Anderes sich verlohren hat, sondern in ihm sich erhält, seine Reflexion in sich und sein Moment ist. ¦ (266 | 44 f.) Während Unterscheiden ein Tun ist, ist der Unterschied (per Unterstellung) schon ›an sich selbst bestimmt‹, ›gesetzt‹ oder ›reflektiert‹, so also, dass wir im Blick auf ›richtig‹ oder ›falsch‹ unterscheiden können. Wir können dann z. B. einen Unterschied zuschreiben, wo keiner ist, oder auf eine Unterscheidung verzichten, obwohl sie angesichts der gesetzten Unterschiede und durch sie bedingten Inferenzformen zu machen wäre. In eben diesem Sinn ist der Unterschied objektiv. Er bestimmt sozusagen normativ, wie zu unterscheiden ist. Das Übergehen in ein Anderes der Qualität der Seinslogik bezieht sich möglicherweise auch darauf, dass Qualitäten mit reaktiven Perzeptionen zusammenhängen, so dass ein qualitativer Unterschied im Dasein zunächst bloß eine Möglichkeit der unterscheidenden Reaktion oder Tätigkeit ist und noch nicht zum wesens- bzw. gegenstandslogischen Begri= des Unterschieds bzw. der entsprechenden Identität entwickelt ist, die unser Unterscheiden und Identifizieren sozusagen normativ binden, wesens- oder reflexionslogisch ›wahr‹ oder ›falsch‹ machen. 3. Der Unterschied hat die beyden Momente, Identität und Unterschied; beyde sind so ein Gesetztseyn, Bestimmtheit. Aber in diesem Gesetztseyn ist jedes Beziehung auf sich selbst. Das eine, die Identität ist unmittelbar selbst das Moment der Reflexion in sich; eben so ist aber das andere, der Unterschied, Unterschied an sich, der reflectirte Unterschied. Der Unterschied, indem er zwey solche Momente hat, die selbst die Reflexionen in sich sind, ist Verschiedenheit. (267 | 45)
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Wie die Identität in einem Gegenstandsbereich Obertitel für die Gleichheit und die Ungleichheit der Gegenstände sein kann, so auch der Unterschied. Dabei wird im zweiten Fall klarer, dass wir Unterschiede bzw. Verschiedenheiten zwischen Gegenständen von ›intensionalen‹ Unterschieden in den Gegenständen zu unterscheiden haben, wobei das Wort »in« die uralte logische Metapher anzeigt, die neuerdings durch das Wort »intensional« erläutert wird. Die Unterschiede in einem Körper können z. B. Teile sein oder wechselnde Dispositionen als ›innere‹ Eigenschaften. Es können aber auch alle dem Ding wesentlichen Eigenschaften als seine inneren Eigenschaften angesprochen werden, indem man eine traditionelle Form der logischen Kommentierungen gebraucht. Demnach liegt ein Begri= A im Begri= B, wenn es eine begri=liche Norm oder Regel gibt, nach welcher ›immer‹ oder ›mit Notwendigkeit‹, jedenfalls mit generischer Normalität, jedes x , welches ein B ist, ein A ist, also die Extension von B aus begri=lichen Gründen (nicht etwa empirisch zufällig) in der Extension von A liegt. Das Gesetztsein von Identität und Unterschied bedeutet, dass für den einzelnen Urteilenden, der eine wesenhafte Gleichheit oder Unterscheidung ›behauptet‹, also versichert, etwas sei dasselbe Wesen oder Ding und gewisse Unterschiede seien bloß intensional, auf allgemeine Kriterien des Richtigen oder damit sozusagen die ›Objektivität‹ der Welt und des Weltbezugs verpflichtet ist. Das sehen wir, wenn wir auf die begri=liche Di=erenz zwischen Unterscheidung und Unterschied bzw. Identifizierung und Identität reflektieren. 2. Die Verschiedenheit 1. Die Identität zerfällt an ihr selbst in Verschiedenheit, weil sie als absoluter Unterschied in sich selbst, sich als das Negative ihrer setzt, und diese ihre Momente, sie selbst und das Negative ihrer, Reflexionen in sich, identisch mit sich sind; oder eben weil sie ihr Negiren unmittelbar selbst aufhebt, und in ihrer Bestimmung in sich reflectirt ist. Das Unterschiedne besteht als gegen einander gleichgültig verschiedenes, weil es identisch mit sich ist, weil die Identität seinen Boden und Element ausmacht; oder das Verschiedene ist das, was es ist, eben nur in seinem Gegentheile, der Identität. (267 | 45)
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Hegels Ausdrucksweise, die Identität zerfalle ›an ihr selbst in Verschiedenheit‹, kann man in ihrem spekulativ-metaphorischen Sinn nur vor dem Hintergrund der eben skizzierten, schon bei Platon und Aristoteles zu findenden ›intensionalen‹ Vorstellung oder Darstellung dessen verstehen, dass ein Begri= in einem anderen liegt. Man sagte z. B., dass der Begri= der Stute die Begri=e des Pferdes und des Weiblichen wie ›Merkmale‹ intensional ›in sich enthalte‹ – während natürlich extensional die Stuten eine Teilmenge der Pferde und der weiblichen Tiere bilden. Betrachten wir den Titel »die Identität« als Nennung eines ›kategorialen Begri=s‹, so ›enthält‹ dieser in eben diesem Sinn die ›Verschiedenheit‹ im betre=enden Gegenstandsbereich G als notwendiges Moment, eben weil x = y durch ¬(x , y ) zu definieren ist, während N , M genau dann gilt, wenn es unterscheidende Prädikate ϕ(x ) – wie wir auch kurz für λxϕ(x ) schreiben – in G gibt, so dass ϕ(N ) und ¬ϕ(M ) als wahr gesetzt sind. Das zugehörige (›negative‹) Leibnizprinzip besagt, dass nur dann zwei Gegenstände N , M vorliegen, wenn sich N und M durch eine für den wesenslogischen Gegenstandsbereich G relevante Eigenschaft λxϕ(x ) unterscheiden lassen. N = M gilt, wenn für jede solche Eigenschaft ϕ(N ) genau dann gilt, wenn ϕ(M ) gilt. Das Leibnizprinzip besagt also positiv, dass N = M gilt, wenn aus ϕ(N ) folgt, dass ϕ(M ) und aus ϕ(M ) folgt, dass ϕ(N ) – und zwar für alle in G zulässigen Prädikate ϕ(x ). Das bedeutet, dass alle Gleichheit bzw. Identität in einem Bereich G relativ ist zu den prädikativen Bestimmungen ϕ(x ) in G . In G ist nicht feiner zu unterscheiden, als es diese Prädikate tun. Das ist keine metaphysische ›These‹ oder ›Wahrheit‹, sondern ein Moment der logischen Form der Rede von Gegenständen in einem Bereich G , mit entsprechend definierter Gleichheit und Ungleichheit, also der Gegenstandidentität. Wer das verstanden hat, hat den Kern von Hegels Logik begri=en.27 Hegel schlägt sich freilich – verständlicherweise – in seiner logiStudierende der Mathematik üben traditionell im ersten Semester die Techniken der Abstraktion und Gegenstandsbereichsbildung, wobei allerdings die Rolle der Gleichheit und die Techniken des Gebrauchs von abstraktiven Nominalisierungen leider nicht metastufig kommentiert wer27
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schen Prosa mit der Artikulation dieses logischen Sachverhalts herum, der auch der wahrheitswertsemantischen Prädikatenlogik Freges zugrunde liegt (ohne dass Frege selbst die Konstitutionsform schon genau genug sehen würde). Dass in der Gleichheit das Negieren sich selbst aufhebt, ist einfach Ausdruck für die in der Tat merkwürdige Tatsache, dass N = M gilt bzw. »N « und »M « den gleichen Gegenstand benennen, wenn negiert wird, dass N und M verschieden sind – und umgekehrt. Das führt zu der objektstufig in sich widersprüchlichen Ausdrucksweise, dass ›zwei Gegenstände identisch sind, wenn sie sich nicht auf relevante Weise unterscheiden‹. Denn von zwei Gegenständen ist ja gar nicht die Rede, sondern nur von einem. Über dieses ›Problem‹ ist dann auch Wittgenstein im Tractatus gestolpert – und möchte es durch den im Grund absurden Verzicht auf Benutzung von Gleichheitszeichen ›lösen‹. Die Verschiedenheit macht das Andersseyn als solches der Reflexion aus. Das Andere des Daseyns hat das unmittelbare Seyn zu seinem Grunde, in welchem | das Negative besteht. In der Reflexion aber macht die Identität mit sich, die reflectirte Unmittelbarkeit, das Bestehen des Negativen und die Gleichgültigkeit desselben aus. (267 | 45 f.) Die Verschiedenheit ist das Anderssein der Reflexion, d. h. nicht auf der Ebene des qualitativen Unterscheidens, sondern auf der Ebene der vorausgesetzten Kriterien für die Bewertung der Wahrheit von Ungleichungen. Das Andere des Daseins stammt aus unmittelbar qualitativen Unterscheidungen oder Negationen des ›Es ist (nicht) so‹. Die Verschiedenheit des Wesens (›in der Reflexion‹) stammt aus der Gleichgültigkeit verschiedener phänomenaler Zugänge zum gleichen Gegenstand und dem ›Bestehen des Negativen‹ der relevanten Ungleichung, also N , M , deren beide Seiten phänomenale Präsentationen oder Repräsentanten sind, auch dann, wenn Letztere in symbolischen Akten als ›Namen‹ N , M von uns produziert werden. Die Momente des Unterschiedes sind die Identität und der Unterschied selbst. Verschiedene sind sie als in sich selbst reflectirte, den, was zu einem verbreiteten Mangel an logischer Bildung gerade auch bei Mathematikern führt.
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sich auf sich beziehende; so sind sie in der Bestimmung der Identität, Beziehungen nur auf sich; die Identität ist nicht bezogen auf den Unterschied, noch ist der Unterschied bezogen auf die Identität; indem so jedes dieser Momente nur auf sich bezogen ist, sind sie nicht bestimmt gegen einander. – (267 | 46) Es gibt also nur dort einen Unterschied als definierte Ungleichheit zwischen Gegenständen, wo es eine Identität gibt und ihre Negation. In sich sind alle Gegenstände vielfältig. Das sind sie gerade vermöge der Relationen des Fürsichseins (auf der Ebene des Wesens, der Reflexion), die hier als ›Beziehungen auf sich‹ dargestellt werden. Unsere Interpretation scheint nun an Hegels Aussage zu scheitern, die Identität sei nicht bezogen auf den Unterschied und der Unterschied nicht auf die Identität, sondern ›jedes dieser Momente‹ sei ›nur auf sich bezogen‹, ›nicht bestimmt gegeneinander‹. Man beachte jedoch, dass es hier um die Erläuterung des begri=lichen Unterschieds zwischen einem (auch intensionalen) Unterschied und einer (extensionalen) Verschiedenheit geht – Letztere ist logisch bezogen auf die zugehörige Identität oder Gleichheit, während es ebenso ›innerhalb‹ eines Gegenstandes Unterschiede geben kann wie außerhalb. Weil sie nun auf diese Weise nicht an ihnen selbst unterschiedene sind, so ist der Unterschied ihnen äusserlich. Die Verschiedenen verhalten sich also nicht als Identität und Unterschied zu einander, sondern nur als Verschiedene überhaupt, die gleichgültig gegen einander und gegen ihre Bestimmtheit sind. (267 | 46) Im Fall der Verschiedenheit ist der Unterschied den Gegenständen äußerlich – so dass wir zwischen den inneren Unterschieden eines Gegenstandes und deren Verhältnis zur Identität und den äußeren Unterschieden zu unterscheiden haben. 2. In der Verschiedenheit als der Gleichgültigkeit des Unterschieds, ist sich überhaupt die Reflexion äusserlich geworden; der Unterschied ist nur ein Gesetztseyn oder als aufgehobener, aber er ist selbst die ganze Reflexion. – Diß näher betrachtet, so sind beyde, die Identität und der Unterschied, wie sich so eben bestimmt hat, Reflexionen; jedes Einheit seiner selbst und seines Andern; jedes ist das Ganze. Damit aber ist die Bestimmtheit, nur Identität oder nur Unterschied zu seyn, ein aufgehobenes. Sie sind darum keine
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Qualitäten, weil ihre Be¦stimmtheit durch die Reflexion in sich zugleich nur als Negation ist. Es ist also diß gedoppelte vorhanden, die Reflexion in sich als solche, und die Bestimmtheit als Negation, oder das Gesetztseyn. Das Gesetztseyn ist die sich äusserliche Reflexion; es ist | die Negation als Negation; hiemit an sich zwar die sich auf sich beziehende Negation und Reflexion in sich; aber nur an sich; es ist die Beziehung darauf als auf ein äusserliches. (267 f. | 46 f.) Dass die verschiedenen Gegenstände ›gleichgültig‹ gegeneinander sind, bedeutet natürlich nur, dass sie als Elemente oder Identitäten gleichwertig sind. Die Reflexion der Gegenstände in der Form von Beziehungen unterschiedener Momente steht der Verschiedenheit der Gegenstände gegenüber. Wieder sind Identitäten und Unterschiede je aufeinander und auf ›das Ganze‹ des Gegenstandsbereiches bezogen – mit den drei Momenten der äußeren Verschiedenheit, Identität und inneren Komplexität oder Bestimmung der Gegenstände, wobei man in objektstufigen Redekontexten von Letzterer gerade abstrahiert. Die Reflexion an sich und die äussere Reflexion, sind somit die zwey Bestimmungen, in die sich die Momente des Unterschiedes, Identität und Unterschied, setzten. Sie sind diese Momente selbst, insofern sie sich nunmehr bestimmt haben. – Die Reflexion an sich ist die Identität, aber bestimmt, gleichgültig gegen den Unterschied zu seyn; nicht den Unterschied gar nicht zu haben, sondern sich als mit sich identisch gegen ihn zu verhalten; sie ist die Verschiedenheit. Es ist die Identität, die sich so in sich reflectirt hat, daß sie eigentlich die Eine Reflexion der beyden Momente in sich ist, beyde sind Reflexionen in sich. Die Identität ist diese eine Reflexion beyder, die den Unterschied nur als einen gleichgültigen an ihr hat, und Verschiedenheit überhaupt ist. – Die äussere Reflexion dagegen ist der bestimmte Unterschied derselben nicht als absolute Reflexion in sich, sondern als Bestimmung, wogegen die an sich seyende Reflexion gleichgültig ist; seine beyden Momente, die Identität und der Unterschied selbst, sind so äusserlich gesetzte, nicht an und für sich seyende Bestimmungen. (268 | 47) Dass die Reflexion eines Gegenstandes in sich die Identität sei, bedeutet, dass sie als Gleichung artikuliert wird oder jedenfalls als Relation R des Fürsichseins, für welche ja gilt, dass x = y aus x R y
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folgt, gerade so wie 34 = 68 aus 3 · 8 = 6 · 4. Auf ähnliche Weise bin ich als ganze leibliche Person gleichgültig gegen die Unterschiede meiner Launen, Rollenausübungen, gegen mein Älterwerden, meine Leitungsschwankungen und so fort. Andererseits bin ich mit Migräne auch ein Anderer als ohne. Man kann also, wenn man unbedingt will, mit Locke oder Parfit von der Verschiedenheit der Personen ›in‹ einem individuellen Leib bei vermeintlicher oder wirklicher Diskontinuität der Erinnerungen allerlei Aufhebens machen. Äußere Reflexionen sind bloß erst subjektive Zuschreibungen durch mich oder dich, die inneren aber, wie die Identitäten und Verschiedenheiten, sind als Erfülltheiten von anerkannten Bedingungen des rechten Identifizierens oder Unterscheidens zu verstehen. Diese äusserliche Identität nun ist die Gleichheit, und der äusserliche Unterschied die Ungleichheit. – Die Gleichheit ist zwar Identität, aber nur als ein Gesetztseyn, eine Identität, die nicht an und für sich ist. – Eben so die Ungleichheit ist Unterschied, aber als ein äusserlicher, der nicht an und für sich der Unterschied des Ungleichen selbst ist. Ob Etwas einem andern Etwas gleich ist oder nicht, geht | weder das eine noch das andere an; jedes derselben ist nur auf sich bezogen; ist an und für sich selbst was es ist; die Identität oder Nichtidentität als Gleichheit und Ungleichheit ist die Rücksicht eines Dritten, die ausser ihnen fällt. (268 | 47 f.) Die ›äußere Identität‹ intensional unterscheidbarer Momente eines Gegenstandes ist die Gleichheit A = B als Negation des äußerlichen Unterschieds A , B. Dabei artikuliert die Gleichheit zwar eine Identität, ›aber nur als Gesetztsein‹, ›die nicht an und für sich ist‹, jedenfalls solange wir unterscheiden zwischen der Redeform, dass man A mit B identifizieren sollte, und der Redeform, dass der über A zugänglich gemachte Gegenstand identisch ist mit dem, der über B bestimmt ist. Die Ungleichheit ist entsprechend äußerer Unterschied, drückt eine Verschiedenheit aus, ist aber ›nicht an und für sich der Unterschied des Ungleichen selbst‹. Was soll das heißen? Mir scheint, Hegel will hier einfach darauf hinweisen, dass wir von der Identität eines Gegenstandes (›für sich‹) einer Art sprechen, wenn wir von allen unterschiedlichen Zugangsformen absehen, von einer Gleichheit, wenn wir das Relative zu unserem Zugang noch mit artiku-
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lieren – das meint die ›Rücksicht eines Dritten‹, die Aspektrelativität der Gleichheit. Allerdings sind wir in unserer Rekonstruktion sozusagen schon vorgeprescht und haben die Identität in ihrer Abhängigkeit von der Setzung der Gleichheit analysiert – was gerade den Unterschied zwischen ›objektstufiger‹ Vorstellung von der Identität und ›metastufiger‹ Reflexion auf den Begri= der Identität ausmacht. 3. Die äussere Reflexion bezieht das Verschiedene auf die Gleichheit und Ungleichheit. Diese Beziehung, das Vergleichen, geht von der Gleichheit zur Ungleichheit, und von dieser zu jener herüber und hinüber. Aber dieses herüber- und hinübergehende Beziehen der Gleichheit und Ungleichheit ist diesen Bestimmungen selbst äusserlich; auch werden sie nicht auf einander, sondern jede für sich nur auf ein Drittes bezogen. Jede tritt in dieser Abwechslung unmittelbar für sich hervor. – Die äusserliche Reflexion ist als solche sich selbst äusserlich; der bestimmte Unterschied ist der negirte absolute Unterschied; er ist somit nicht einfach, nicht die Reflexion in sich, sondern diese hat er ausser ihm; seine Momente fallen daher aus einander, und beziehen sich auch als gegen einander äusserliche, auf die ihnen gegenüber stehende Reflexion in sich. ¦ (268 | 48) Der Ausdruck »äußere Reflexion« bezieht sich bei Hegel wohl auf ein subjektives Urteilen und Vergleichen. »Innere Reflexion« verweist demgegenüber auf wahre Urteile über die Repräsentanten des gleichen Gegenstandes oder über Präsentationen und Repräsentationen verschiedener Gegenstände, wobei eine gegenstandsbestimmende Gleichheit bzw. Ungleichheit vorausgesetzt ist. Ein bestimmter Unterschied φ(x ) in G ist ein »negierter absoluter Unterschied« gerade in dem Sinn, als G (im Idealfall) in genau zwei Teilmengen zerfallen muss, in die Menge {x |x ∈ G ∧ φ(x )} und in die Menge {x |x ∈ G ∧ ¬φ(x )}. An der sich entfremdeten Reflexion kommen also die Gleichheit und Ungleichheit als gegen einander selbst unbezogene hervor, und sie trennt sie, indem sie sie auf ein und dasselbe bezieht, durch die Insoferns, Seiten und Rücksichten. Die Verschiedenen, die das eine und dasselbe sind, worauf beyde, die Gleichheit und Ungleichheit, bezogen werden, sind also nach der einen Seite einander gleich, nach
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der andern Seite aber ungleich, und insofern sie gleich sind, insofern sind sie nicht ungleich. Die Gleichheit bezieht sich nur auf sich, und die Ungleichheit ist eben so nur Ungleichheit. | (269 | 48) Sich entfremdet ist eine Reflexion, wenn man nicht schon eine bestimmte Gleichheit oder einen Gegenstandsbereich unterstellt, sondern zwischen verschiedenen ›Gleichheiten‹ und Unterscheidungen hin und her schwankt, wie das Heraklit schon an dem Beispiel des Flusses gezeigt hat: Im gleichen Fluss fließt immer wieder anderes Wasser. Sogar der Verlauf kann sich ändern, so wie wir uns ändern, wenn wir zu verschiedenen Zeiten an den Fluss kommen. Man sagt daher, der Mäander sei derselbe Fluss, insofern wir von entsprechenden Verschiedenheiten absehen, oder ich sei dieselbe Person wie zu meiner Studentenzeit, insofern wir von den verschiedenen Rollen, Status und sozialen Relationen damals und heute absehen. Ich bin eine Person und viele Personen zugleich, je nachdem, wie wir das Personsein vom schieren Leben des Individuums unterscheiden wollen. Es ist deswegen durchaus manchmal sinnvoll zu sagen, »ich bin heute eine andere Person, als ich früher war«. Gemeint sind z. B. sich wesentlich ändernde Charaktereigenschaften, Fähigkeiten, soziale Rollen etc. Durch diese ihre Trennung von einander aber heben sie sich nur auf. Gerade, was den Widerspruch und die Auflösung von ihnen abhalten soll, daß nemlich Etwas einem Andern in einer Rücksicht gleich, in einer andern aber ungleich sey; – diß Auseinanderhalten der Gleichheit und Ungleichheit ist ihre Zerstörung. Denn beyde sind Bestimmungen des Unterschiedes; sie sind Beziehungen aufeinander, das eine, zu seyn, was das andere nicht ist; gleich ist nicht ungleich, und ungleich ist nicht gleich; und beyde haben wesentlich diese Beziehung, und ausser ihr keine Bedeutung; als Bestimmungen des Unterschiedes ist jedes das was es ist, als unterschieden von seinem andern. Durch ihre Gleichgültigkeit aber gegen einander, ist die Gleichheit nur bezogen auf sich, die Ungleichheit ist eben so eine eigene Rücksicht und Reflexion für sich; jede ist somit sich selbst gleich; der Unterschied ist verschwunden, da sie keine Bestimmtheit gegen einander haben; oder jede ist hiemit nur Gleichheit. (269 | 49) Da thematische Aspektwechsel zu verschiedenen Identitäten und Gegenstandsbereichen führen, hebt sich die naive Vorstellung, es gäbe
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die Gegenstände ohne Bezugnahme auf unsere Form der Unterscheidung und Identifizierung, als allzu naiv auf. Das führt uns von einer bloß erst formalen Logik mit ihrer abstrakten Rechnerei mit Gleichungen, Leibniz- und Widerspruchsfreiheitsprinzip zu einer erwachsenen Logik sowohl im Blick auf die Konstitution mathematischer Gegenstandsbereiche als auch von Redebereichen im realen Weltbezug. Hegels Formel, dass die Gleichheit (zunächst) nur auf sich bezogen sei, ist ein durchaus nicht ganz glücklicher Ausdruck dafür, dass in der bloß erst allgemeinen Kontrastierung von x = y und x , y der je konkret zu bestimmende Gegenstandsbereich gerade noch nicht angegeben ist. Es ist also völlig falsch zu glauben, es gäbe nur eine einzige Gleichheit und nicht indefinit viele Gleichheiten, so wie es indefinit viele (halb-)sortale Gegenstandsbereiche gibt. Jede Gleichheit enthält daher einen impliziten Parameter, der auf den relevanten Gegenstandsbereich verweist. Der allgemeinen Form nach ist das nichts anders, als dass jede Rede von einer Bedeutung, einer Form, auch über den Sinn von etwas auf eine von vielen möglichen Äquivalenzbeziehungen der Bedeutungs-, Form- oder auch Sinngleichheit etwa zwischen Ausdrücken, aber auch zwischen sprachlichen Äußerungen und anderen Handlungen verweist. Diese gleichgültige Rücksicht, oder der äusserliche Unterschied hebt somit sich selbst auf, und ist die Negativität seiner an sich selbst. Er ist diejenige Negativität, welche in dem Vergleichen dem Vergleichenden zukommt. Das Vergleichende geht von der Gleichheit zur Ungleichheit, und von dieser zu jener zurück; läßt also das eine im andern verschwinden, und ist in der That die negative Einheit beyder. Sie ist zunächst jenseits des Verglichenen so wie jenseits der Momente der Vergleichung, als ein subjectives, ausserhalb ihnen fallendes Thun. Aber diese negative Einheit ist in der That die Natur der Gleichheit und Ungleichheit selbst, wie sich ergeben hat. Eben die selbstständige Rücksicht, die eine jede ist, ist vielmehr die ihre Unterschiedenheit und damit sie selbst aufhebende Beziehung auf sich. | (269 | 49) Vergleichen ist eine Tätigkeit des Gleichsetzens und des Unterscheidens. Erstes Ergebnis ist eine Setzung des Gleichen oder des Unterschieds. Diese ist als subjektive Setzung von einer Aussage über
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etwas, das schon unterschieden ist oder als gleich zu setzen ist, zu unterscheiden. Ich kann z. B. einen Zug mit einem Auto gleichsetzen. Du kannst dann sagen, dass sie wesentlich verschieden seien. Wie weit Züge und Autos gleichzusetzen und zu unterscheiden sind, zeigt sich am Ende im gemeinsamen Urteil über das Verkehrssystem. Die Rücksicht, nach welcher Züge und Autos wesentlich gleich und verschieden sind, ist ihre Eigenschaft als unterschiedliche Fahrzeuge im Ö=entlichen Verkehr und im Individualverkehr. Analoges gilt für alles und jedes. Es gibt keine Gleichheit und keine Verschiedenheit ohne zugehörige ›Rücksicht‹. Diese ist wie das Genus einer Art Wesensmoment der Gegenstandsbestimmung, unabhängig davon, ob die Gegenstände allgemeine sind wie Zugverkehr und Autoverkehr oder einzelne wie besondere Züge und Autos. Nach dieser Seite, als Momente der äussern Reflexion und als sich selbst äusserlich, verschwinden die Gleichheit und Ungleichheit in ihre Gleichheit zusammen. Aber diese ihre negative Einheit ist ferner auch an ihnen gesetzt; sie haben nemlich die an sich seyende Reflexion ausser ihnen, oder sind die Gleichheit und Ungleichheit eines Dritten, eines andern als sie selbst sind. So ist das Gleiche nicht das Gleiche seiner selbst, und das Ungleiche als das Ungleiche nicht seiner selbst, sondern eines ihm ungleichen, ist selbst das Gleiche. Das Gleiche und das Ungleiche ist also das Ungleiche seiner selbst. Jedes ist somit diese Reflexion, ¦ die Gleichheit, daß sie sie selbst und die Ungleichheit, die Ungleichheit, daß sie sie selbst und die Gleichheit ist. (269 f. | 50) Hegels Ausdrucksweise mag idiosynkratisch, veraltet oder manieriert sein; was er in ihr sagen will, ist dagegen nach wie vor hochbedeutsam für jede nicht bloß naive, also bloß erst rein formale, Logik der Gleichheit und Identität als den Kernbestimmungen jeder Objektivität im Gegenstandsbezug. Es klingt zwar überzogen zu sagen, dass Gleichheit und Ungleichheit in ihre Gleichheit zusammen verschwinden. Es ist dennoch wahr, dass es keinen absoluten Unterschied zwischen Gleichheit und Ungleichheit gibt, da es keinen absoluten Gegenstandsbereich gibt. Jede Gleichheit oder Ungleichheit ist relational zu einem Dritten, dem Gegenstandsbereich. Ich bin dasselbe Individuum wie der, welcher ich in meiner Jugend war, aber
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vielleicht ein anderer Charakter. Ich bin eine Person im Sinne der Zählung in einem Lift, aber vertrete mehrere Rollen und Funktionen etc. Dabei sind Gleichheitsaussagen klarerweise Reflexionsaussagen: Über den Gegenstand reden wir nur in äußeren prädikativen Aussagen. Gleichungen sind keine äußeren Aussagen. Dass jede Gleichheit zugleich eine Ungleichheit ist, liegt also daran, dass derselbe Gegenstand auf unterschiedliche Weise gegeben werden muss – und wenn es nur zwei verschiedene Realisierungen derselben Ausdrucksform sind. Gleichheit und Ungleichheit machten die Seite des Gesetztseyns, gegen das Verglichene oder das Verschiedene aus, das sich als die an sich seyende Reflexion gegen sie bestimmt hatte. Aber dieses hat damit seine Bestimmtheit gegen sie ebenfalls verlohren. Eben die Gleichheit und Ungleichheit, die Bestimmungen der äusserlichen Reflexion, sind die nur an sich seyende Reflexion, welche das Verschiedene als solches seyn sollte, sein nur unbestimmter Unterschied. Die an sich seyende Reflexion ist die Beziehung auf sich ohne Negation, die abstracte Identität mit sich; damit eben das Gesetztseyn selbst. – (270 | 50) Was immer wir vergleichen, das Verschiedene wird als Gleiches gesetzt, wenn wir es als gleich oder äquivalent in Bezug auf ein gewisses prädikatives Unterscheidungssystem bewerten. Das Gesetztsein der Gleichungen ist die an sich seiende Reflexion, die wir als Identitätsbedingungen voraussetzen. Dieses Gesetztsein verliert die Bestimmtheit, wenn wir es nicht unterstellen, sondern Verschiedenes bloß erst irgendwie vergleichen, also etwa die Brüche 24 und 3 4 8 oder 8 . Indem wir aber das Unterscheiden und Vergleichen dem Unterschied und der Gleichheit gegenüberstellen, unterstellen wir eine (für sich) zunächst noch unbestimmte Verschiedenheit und eine ganz abstrakte, nur erst formal bestimmte Identität an sich. Konkret bestimmt werden kann eine Gleichheit nur in einer Unterscheidung (Negation), in der wir sie als Gesetztsein setzen oder voraussetzen. Das bloß Verschiedene geht also durch das Gesetztseyn über in die negative Reflexion. Das Verschiedene ist der bloß gesetzte Unterschied, also der Unterschied, der keiner ist, also die Negation seiner an ihm selbst. So die Gleichheit und Ungleichheit selbst, das Ge-
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setztseyn, geht durch die Gleichgültigkeit oder die an sich seyende Reflexion zurück in die negative Einheit mit sich; in die Reflexion, welche der Unterschied der Gleichheit und Ungleichheit an sich selbst ist. Die Verschieden|heit, deren gleichgültige Seiten eben so sehr schlechthin nur Momente als Einer negativen Einheit sind, ist der Gegensatz. (270 | 50 f.) Das, was bloß verschieden ist – und irgendwie ist alles von allem verschieden –, geht über in ›negative Reflexion‹, also in eine gesetzte Selbstbeziehung, definiert dadurch, dass a , b nicht gelten soll. Das Verschiedene von a und b ist der »bloß gesetzte Unterschied«, der dann keiner ist, wenn »a« und »b« nur in Bezug auf eine andere Unterscheidung als verschieden gelten, als die es ist, welche »a« und »b« zu Repräsentanten im relevanten Gegenstandsbereich macht, in welchem a = b durch ¬(a , b) gesetzt ist. Das Gesetztsein der Gleichheit G ist vermittelt durch die Gleichgültigkeit oder Äquivalenz von »a« und »b«, die Hegel terminologisch »die an sich seiende Reflexion« nennt, nämlich des betre=enden Gegenstandes g mit »a« und »b« als verschiedenen Repräsentanten. Der Ausdruck »negative Einheit« ist noch einmal Titel dafür, dass jede Gleichheit durch eine Äquivalenz und diese durch die Negation einer »Nichtgleichgültigkeit« definiert ist, also die Negation der Aussage, dass hier etwas als wesentlich nicht zu unterscheiden ist. So ist z. B. in der Arithmetik klarerweise zwischen 24 und 38 zu unterscheiden, nicht aber 24 und 48 . Dabei lässt sich das, was zu unterscheiden ist, als Gegensatz auffassen, insbesondere wenn es um Inhalte von Sätzen, Aussagen oder Prädikaten handelt, aber auch bei Namen und Benennungen. Es gilt dann immer eine Regel der Form »was ein A ist, ist kein B«; vorausgesetzt ist, dass A und B zu einem gemeinsamen Bereich gehören, der damit selbst eine Art Einheit, ein Genus bildet. So stehen z. B. weibliche und männliche Mitglieder einer Art oder Gattung im Kontrast, bilden einen Gegensatz, nicht aber männliche Katzen und ungerade Zahlen, und zwar weil Katzen und Zahlen zusammen keine generische Einheit, keine Gattung bilden.
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Anmerkung Die Verschiedenheit wird, wie die Identität, in einem eigenen Satze ausgedrückt. Uebrigens bleiben diese beyde Sätze in der gleichgültigen Verschiedenheit gegeneinander gehalten, so daß jeder für sich gilt ohne Rücksicht auf den andern. Alle Dinge sind verschieden, oder: Es gibt nicht zwey Dinge, die einander gleich sind. – Dieser Satz ist in der That dem Satze der Identität entgegengesetzt, denn er sagt aus: A ist ein verschiedenes, also A ist auch nicht A; oder A ist einem andern ungleich, so ist es nicht A überhaupt, sondern vielmehr ein bestimmtes A. An die Stelle des A im identischen Satze kann jedes andere Substrat gesetzt, aber A als ungleiches nicht mehr mit jedem andern vertauscht werden. Es soll zwar nicht ein verschiedenes von sich, sondern nur von anderem seyn; aber diese Verschiedenheit ist seine eigene Bestimmung. Als mit sich identisches A ist es das Unbestimmte; aber als Bestimmtes ist es das Gegentheil hievon, es hat nicht mehr nur die Identität mit sich, sondern auch eine Negation, somit eine Verschiedenheit seiner selbst von sich an ihm. (270 | 51) Hegels Umgang mit Buchstaben ist nicht nachahmenswert. Zur logischen Form der Verschiedenheit gibt es wie zu der der Identität einen eigenen Merksatz. Beide scheinen für sich zu gelten, ohne auf den anderen Bezug zu nehmen. Der Satz der Identität lautet: Alles ist mit sich identisch. Der Satz der Verschiedenheit lautet: Alles ist von allem verschieden. Keine zwei Dinge sind ganz gleich. Wir kritisieren nur den Boten für die Nachricht, wenn wir uns darüber beklagen, dass Hegel uns auf die innere Widersprüchlichkeit unserer sprachlichen Reflexionsformen hinweist, in denen wir sagen, dass die ›zwei Dinge‹ 24 und 48 dieselbe Zahl und damit nur ›ein Gegenstand‹ seien. Ähnlich schwierig ist der Gebrauch des Wortes »sich« im Kontrast zu »Anderem«. Denn jede Bestimmung eines Gegenstandes eines Bereiches G und seiner ›Identität mit sich‹ setzt die Unterscheidbarkeit und Verschiedenheit dieser Repräsentationen desselben voraus und außerdem, dass diese Repräsentationen aus der rechten Gattung der G -Repräsentationen stammen. Es ist zwar richtig, zwischen dem Gegenstand und seinen Repräsentationen zu unterscheiden. Aber immer lässt sich das nicht durchhalten – wie
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man an der Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen Sinn und Bedeutung, Begri= und Gegenstand sehen kann und an den unendlich vielen möglichen Sinngleichheiten und Bedeutungsverschiedenheiten, welche je nach Kontext und Thema relevant werden können. Man kann und muss daher sagen, dass jeder Gegenstand nicht einfach durch die Identität mit sich bestimmt ist, sondern durch eine Negation der äußeren Verschiedenheit, die im Blick auf das intensionale ›Innere‹ des Gegenstandes, eben seine Identität, eine »Verschiedenheit seiner selbst von sich« ist. Jeder Gegenstand hat eine solche Verschiedenheit ›an ihm‹ selbst, gerade weil ihm ja die Eigenschaft, von jedem anderen Gegenstand des Bereiches verschieden zu sein, wesentlich zukommt.28 Daß alle Dinge verschieden sind von einander, ist ein sehr überflüssiger Satz, denn im Plural der Dinge liegt unmittelbar die Mehrheit und die ganz unbestimmte Verschiedenheit. – Der Satz aber: es gibt nicht zwey Dinge, die einander vollkommen gleich sind, drückt mehr, | nemlich die bestimmte Verschiedenheit ¦ aus. Zwey Dinge sind nicht bloß zwey; die numerische Vielheit ist nur die Einerleyheit, sondern sie sind durch eine Bestimmung verschieden. Der Satz, daß es nicht zwey Dinge gibt, die einander gleich sind, fällt dem Vorstellen, – auch nach der Anekdote, an einem Hofe auf, wo ihn Leibnitz vorgebracht und die Damen veranlaßt haben soll, unter Baumblättern zu suchen, ob sie nicht zwey gleiche finden. – Glückliche Zeiten für die Metaphysik, wo man sich am Hofe mit ihr beschäftigte, und wo es keiner andern Anstrengung bedurfte, ihre Sätze zu prüfen, als Baumblätter zu vergleichen! – Der Grund, daß jener Satz auffallend ist, liegt in dem Gesagten, daß zwey oder die numerische Mehrheit noch keine bestimmte Verschiedenheit enthält, und daß die Verschiedenheit als solche in ihrer Abstraction zunächst gleichgültig gegen die Gleichheit und Ungleichheit ist. Das Vorstellen, indem es auch zur Bestimmung übergeht, nimmt diese Momente selbst als gegen einander gleichgültige auf, so daß das eine ohne das andere, die bloße Gleichheit der Dinge ohne die Ungleichheit zur Bestimmung hinreiche, oder daß die Dinge ver28
Es gilt also: Wenn a , b ist, gilt a ε λx .x , b.
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schieden seyen, wenn sie auch nur numerisch Viele, verschiedene überhaupt, nicht ungleiche sind. Der Satz der Verschiedenheit hingegen drückt aus, daß die Dinge durch die Ungleichheit von einander verschieden sind, daß ihnen die Bestimmung der Ungleichheit so sehr zukomme als die der Gleichheit, denn erst beyde zusammen machen den bestimmten Unterschied aus. (270 f. | 51 f.) Wenn wir von mehreren Dingen sprechen, unterstellen wir schon, dass sie voneinander verschieden sind. Der von Leibniz intensiv diskutierte Satz, nach dem es keine zwei Dinge gebe, welche einander vollkommen gleich seien, will dann aber mehr und anderes sagen als der Satz, dass in einer sortalen Gegenstandsmenge M je zwei Elemente a, b ungleich sind, für sie also a , b gilt. Leibniz denkt an Dinge in der Welt und an qualitative Unterscheidbarkeiten, wobei er stillschweigend raumzeitliche Unterschiede ausschließt. Man liest die ›These‹ dann so, als würde so etwas gesagt wie: Es gibt keine zwei Ahornblätter, die in allen wahrnehmbaren Qualitäten, etwa allen inneren Verästelungen, gleich sind. Das ist natürlich kein logischer Satz, so wahr er sein mag. Ein logisch wahrer Satz ist aber, dass in einem jeden System von Aussagen φ(x ) in einem Gegenstandsbereich G das Leibnizprinzip gilt, nach welchem a , b gilt genau dann, wenn es eine prädikative Aussageform φ(x ) gibt, so dass φ(a) gilt und ¬φ(b) – und wenn diese Aussageform auch nur die Gleichung x = a bzw. das Prädikat λx .x = a. ist. Hegel zeigt sich amüsiert über die glücklichen Zeiten für die Logik (und eben das ist die Metaphysik, richtig verstanden), in denen solche Überlegungen das Interesse wenigstens einer adligen Ö=entlichkeit gefunden hatten. Der Satz der Identität ist rein formallogisch für jeden Gegenstandsbereich als allgemein gültiges ›Axiom‹ oder ›Postulat‹ formulierbar, nämlich so: [x (x = x ). Die Aussage [x [y (x , y ) ist dagegen immer falsch, weil a = a klarerweise wahr ist. Das gilt natürlich deswegen, weil zwei verschiedene Variablen x und y bzw. Namen a und b immer auch für dieselben Gegenstände stehen können. Es ist nicht einmal richtig, dass es zu jedem Gegenstand einen zweiten gibt, der von ihm verschieden ist, also [x \y (x , y ), da das o=enbar nur in Gegenstandsbereichen G gilt, die mehr als ein Element enthalten. Es gibt aber keinen Grund, nur Bereiche mit mehreren Gegenständen zu
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betrachten. Der Monotheismus sagt zum Beispiel, dass es nur einen Gott gibt. Und wenn man die Welt partout als Gegenstand auffassen will, gibt es nur eine Welt, so wie es nach Spinoza nur eine Substanz gibt, nämlich die ganze ›Natur‹, und nach Hegel nur ein Ding an sich im Sinne Kants, nämlich die ganze Welt. Die bei Hegel und seit Hegel so genannte numerische Verschiedenheit ist gerade die G -Ungleichheit x , y . In einem Gegenstandsbereich G mit nur einem einzigen Gegenstand (wie dem der Götter im eben diskutierten Monotheismus, also im Judentum, Christentum und Islam) gilt die etwas merkwürdige Aussage [x [y ¬(x , y ) bzw. [x [y (x = y ). Hier gibt es nichts, was von dem einzigen G Gegenstand verschieden wäre. Würde man mit Spinoza und Kant die ganze Welt als Gegenstand oder Ding an sich betrachten, dann gälte auch für diese Welt, dass es nichts gibt, das ihr äußerlich ist, also von ihr äußerlich verschieden ist: Es gibt dann nur die eine und einzige Welt – wie man geneigt ist zu sagen, wobei man dann aber nicht mehr unterscheidet zwischen dem Bereich G und seinem einzigen Element G und damit die Welt zugleich als Bereich und Gegenstand auffasst. Man beachte aber noch, dass rein abstrakte Gegenstandsbereiche G bloß mit Gleichheit und ohne weitere Relationen gar nicht wohldefiniert sein können. Zur Bestimmung der Gegenstände g in G gehört nämlich neben den Gleichungen a = b und Ungleichungen a , b für ihre Repräsentanten immer auch ein System von weiteren Eigenschaften φ(x ) und Relationen a R b, samt einer qualitativen Eingrenzung der zu G gehörigen möglichen g -Repräsentanten. Es ist logisch naiv zu glauben, es könne Gegenstandsmengen geben, die nur über die numerische Verschiedenheit definiert sind und nicht, wie z. B. die reinen Kardinalzahlen, bloß per Abstraktion aus konkreten Bereichen stammen. Dieser Satz nun, daß allen Dingen die Bestimmung der Ungleichheit zukommt, bedürfte eines Beweises; er kann nicht als unmittelbarer Satz aufgestellt werden, denn die gewöhnliche Weise des Erkennens selbst fodert für die Verknüpfung verschiedener Bestimmungen | in einem synthetischen Satze einen Beweis oder das Aufzeigen eines Dritten, worin sie vermittelt sind. Dieser Beweis müßte den Uebergang der Identität in die Verschiedenheit, und
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dann den Uebergang dieser in die bestimmte Verschiedenheit, in die Ungleichheit darthun. Diß pflegt aber nicht geleistet zu werden; es ergab sich darin, daß die Verschiedenheit oder der äusserliche Unterschied, in Wahrheit in sich reflectirter, Unterschied an ihm selbst ist, daß das gleichgültige Bestehen des Verschiedenen das bloße Gesetztseyn, und damit nicht äusserlicher, gleichgültiger Unterschied, sondern Eine Beziehung der beyden Momente ist. (271 | 52 f.) Dass es zwei verschiedene Dinge in einem Gegenstandbereich gibt, ist nicht immer selbstverständlich. Frege unterstellt es für das Ausdrucksystem seiner Grundgesetze der Arithmetik und geht eben darin fehl, weil es nach seinen Regeln des Aufbaus von Ausdrücken und der Festlegung von Gleichungen bei ihm nur einen Gegenstand gibt, der zugleich das Wahre und das Falsche ist, womit jeder Satz wahr und falsch und jede Ungleichheit zugleich eine Gleichheit ist.29 Es liegt darin auch die Auflösung und Nichtigkeit des Satzes der Verschiedenheit. Zwey Dinge sind nicht vollkommen gleich; so sind sie gleich und ungleich zugleich; gleich schon darin, daß sie Dinge oder zwey überhaupt sind, denn jedes ist ein Ding und ein Eins so gut als das andere, jedes also dasselbe, was das andere; ungleich aber sind sie durch die Annahme. Es ist somit die Bestimmung vorhanden, daß beyde Momente, die Gleichheit und die Ungleichheit, in Einem und demselben verschieden, oder daß der aussereinanderfallende Unterschied, zugleich eine und dieselbe Beziehung ist. Somit ist sie in Entgegensetzung übergegangen. ¦ (271 | 53) Dass keine zwei Dinge vollkommen gleich sind, ist jetzt ho=entlich in seiner Mehrdeutigkeit erkannt. In einer Lesart ist es trivial wahr, wenn nämlich zu den Eigenschaften die Gleichheit mit sich
Vgl. G . Frege, Grundgesetze der Arithmetik, I–II, Jena 1892–1903, Neudr. Hildesheim: Olms 1962. Für reine natürliche, rationale oder reelle Zahlen beschränken wir uns auf die Elementaraussageformen x < y , x + y = z und x · y = z und alle Prädikate λx .φ(x )., die sich in Freges Logik der Negation, Quantifikation und Subjunktion oder Konjunktion auf dieser Grundlage definieren lassen. Es stehen dann z. B. zwei Repräsentanten rationaler Zahlen m k n und l für die gleiche Zahl genau dann, wenn für keine Aussageform ϕ(x ) in den rationalen Zahlen ϕ( mn ) wahr und ϕ( kl ) falsch ist. 29
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selbst als Negation der Ungleichheit zu anderem hinzugenommen wird. In einer anderen Lesart ist es empirisch problematisch, wenn man nämlich nur bestimmte Eigenschaften betrachtet und einfach behauptet, je zwei Blätter seien in ihrer Gestalt unterscheidbar. In einer dritten Lesart ist es trivial falsch, denn zwei Dinge aus einem Gegenstandsbereich G wie den Brüchen können ›vollkommen‹ gleich sein, wenn die relevante Gleichheit und Unterschiedenheit die der rationalen Zahlen G ist. Die zwei Dinge werden so zu verschiedenen Repräsentanten desselben, nämlich der gleichen rationalen Zahl. Die Blätter sind schon verschieden, wenn sie räumlich oder, wie man so schön sagt, ›numerisch‹ verschieden sind. Das Zugleich der beyden Prädicate wird zwar durch das Insofern aus einander gehalten; daß zwey Dinge insofern sie gleich, insofern nicht ungleich, oder nach einer Seite und Rücksicht gleich, nach der andern Seite und Rücksicht aber ungleich sind. Damit wird die Einheit der Gleichheit und Ungleichheit aus dem Dinge entfernt, und was seine eigene, und die Reflexion der Gleichheit und Ungleichheit an sich wäre, als eine dem Dinge äusserliche Reflexion | festgehalten. Diese ist es aber somit, die in einer und derselben Thätigkeit die zwey Seiten der Gleichheit und Ungleichheit unterscheidet, somit in Einer Thätigkeit beyde enthält, die eine in die andere scheinen läßt und reflectirt. – (272 | 53 f.) In unserer kommentierenden Reflexionssprache sagen wir vielleicht, dass zwei verschiedene Brüche nur insofern gleich seien, als sie Vertreter der gleichen rationalen Zahl sind: Sie sind schon als Symbol-Token verschieden. Doch eben damit geben wir zu, dass von verschiedenen Dingen im Sinne unterschiedlicher Gegenstandsbereiche gesprochen wird. Das gerade war zu zeigen, nämlich dass es keine Gegenstände ohne Unterstellung einer zugehörigen Gleichung in einem ganzen Gegenstandsbereich mit zugehörigen prädikativen Unterscheidungen und Relationen gibt, also nicht ohne begri=liche Konstitution. Diese wiederum ist immer verbunden mit einer Unterscheidung zwischen wesentlichen oder gegenstandsrelevanten Unterscheidungen, Unterschieden und Verschiedenheiten, die im Fall physischer Dinge eng mit den Unterscheidungen zwischen einem jeweils mit sich in einer Zeitspanne identischen Ding und seinen ver-
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schiedenen Erscheinungen oder Präsentationen zusammenhängen. Ohne Setzungen, was hier als gleich und ungleich gelten soll, gibt es keine physischen Dinge im numerischen Sinn zählbarer und damit (semi-)sortaler Gegenstände. Die gewöhnliche Zärtlichkeit für die Dinge aber, die nur dafür sorgt, daß diese sich nicht widersprechen, vergißt hier wie sonst, daß damit der Widerspruch nicht aufgelöst, sondern nur anderswohin, in die subjective oder äussere Reflexion überhaupt geschoben wird, und daß diese in der That die beyden Momente, welche durch diese Entfernung und Versetzung als bloßes Gesetztseyn ausgesprochen werden, als aufgehobene und auf einander bezogene in Einer Einheit enthält. (272 | 54) Hegel spricht nicht bloß in Bezug auf Kant ironisch von einer »Zärtlichkeit für die Dinge«. Es handelt sich um das allgemeine Vorurteil, es seien die Dinge in ihrer Identität einfachhin als sortale Gegenstände so gegeben, dass prädikative Unterscheidungen zu scharf begrenzten Klassen solcher Dinge führen. Die zunächst merkwürdige Formel, dass sich die Dinge nicht widersprechen, ist nur ein stenographisches Kürzel dafür, dass sich die Prädikationen nicht widersprechen. Das tun sie aber unentwegt schon deswegen, weil die Identitäten der Dinge nicht ewig und nicht aspektunabhängig definiert sind. Das Schi= des Theseus wird z. B. zu zwei Schi=en, so dass man nicht mehr ohne eigene lokale Festlegung zu sagen weiß, welches der neuen Schi=e mit dem alten als identisch bewertet werden soll. Nicht anders steht es mit der Teilung von Zygoten, der Frage nach der Identität der Person usf., um von Bergen und Tälern, Felsen und Flüssen gar nicht weiter zu reden. Sicher zählen lassen sich also nur einigermaßen ›numerisch‹ stabil bleibende sortale Dinge in ihrer ›Lebenszeit‹ – wie wir sie auch für tote Dinge ansetzen müssen, da auch diese alle in ihrer Art entstehen und vergehen. Indem wir aber die Zeit festhalten müssen, wenn wir empirische Gegenstände zählen, wird klar, dass die Zeitunabhängigkeit der Bezugnahme auf Dinge extrem beschränkt ist, insbesondere, was die Zukunft angeht. Wir können zwar kontrafaktisch so tun, als ließe sich die ›Lebenszeit‹ von früher existenten Dingen relativ zeitinvariant irgendwie notieren. Für die möglichen Dinge der Zukunft geht
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das sicher nicht. Die Vorstellung zeitunabhängiger empirischer Gegenstände und Tatsachen ist daher materialbegri=lich so inkohärent wie die eines Gottes, der in die Zukunft reisen kann. Aber auch schon der antike Glaube eines Leukipp und Demokrit an ewige Atome, die sich nur relativ zueinander bewegen, ist ein Aberglaube. Das Darstellungsmuster atomistischer Mechanik funktioniert bestenfalls lokal. Gegen Kant gerichtet ist die Kritik an der wunderbaren Idee, die Dinge und ihre Eigenschaften seien alle widerspruchsfrei, es sei bloß ein Problem von uns armen, beschränkten Menschen, die Eigenschaften widerspruchsfrei zu artikulieren. Demnach sei es ein Problem der Sprache und des Denkens, der Subjektivität des Wissens, und nicht der Dinge und Sachen, dass wir diese nicht schön säuberlich auf ewig klassifizieren können. Doch die Realität ist gerade umgekehrt: Die Widerspruchsfreiheit von Klassifikationen sortaler Gegenstände ist ein von uns gesetztes Ideal, das nur für abstrakte Gegenstände an sich gilt, genauer für ›mathematische‹ Gegenstände, reine Formen, und gerade nicht für reale Sachen für sich oder wirkliche Dinge an und für sich. Kein Ding und keine Sache in der Welt der realen Phänomene oder der Wirklichkeit wirkender Dinge ist ›widerspruchsfrei‹ in seiner ›numerischen‹ Identität und seinen Eigenschaften bestimmt – und zwar so, dass es nur darum ginge, diese auf ›wahre‹ Weise ›abzubilden‹, indem man das Ding benennt und die Eigenschaften durch sprachliche Prädikate so ausdrückt, wie wir extensional eindeutige Mengen (und Relationen) in einem idealmathematischen Bereich ›ausdrücken‹. Kurz, Hegel bemerkt die jugendliche Naivität aller unmittelbaren Anwendungen mathematischer Modelle auf die wirkliche Welt.
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3. Der Gegensatz Im Gegensatze ist die bestimmte Reflexion, der Unterschied vollendet. Er ist die Einheit der Identität und der Verschiedenheit; seine Momente sind in Einer Identität verschiedene; so sind sie entgegengesetzte. (272 | 54) Nach dem Intermezzo der Anmerkung zum ›objektiven‹ Begri= der Identität und Verschiedenheit kehrt Hegel zu dem kurz zuvor schon aufgerufenen Thema des kontrastiven Gegensatzes zurück. Die Formel seiner Einführung besagt inhaltlich, dass ein Gegensatz
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einen einheitlichen Bereich voraussetzt, der in zwei disjunkte Teile geteilt ist, so wie die Zahlen in gerade und ungerade oder der Wissenschaftler (sophos) in den echten (philosophos) und den mangelhaften (sophistes).30 Platons Sophist ist dabei deswegen so schwer zu lesen, weil er die Entdeckung der Methode der Definition kontrastiver Prädikationen wie ›gerade‹ und ›ungerade‹ durch di=erentielle Kriterien oder Merkmale (»di=erentia specifica«) verschränkt mit einer Unterscheidung zwischen einem echten Wesen und einem Scheinwesen, einem wirklichen Wissenschaftler und einem Scheinwissenschaftler oder mangelhaften Wissenschaftler. Die ›Kriterien‹, welche den Sophisten definieren, sind daher Listen von Mängeln: Ein Mangel reicht, damit der Wissenschaftler zum Sophisten wird. Das ist ganz anders, wenn eine gesamte Liste von Kriterien erfüllt sein muss, um eine komplexe Eigenschaft zu haben – auch wenn diese so einfach ist wie die des Junggesellen, der männlich und unverheiratet sein muss. Kurz, Platons Negativkriterien des Sophisten werden erst durch Kontraposition zu notwendigen Bedingungen des Wissenschaftlers, der z. B. nicht bloß Konventionelles (Tautologisches) lehren sollte, schon gar nicht die Lehre von falschen Motiven (dem Gelderwerb, Ruhm, der Anhängerschaft) abhängig machen darf, die Gefahren der Rhetorik und der formalen Logik kennt usf. Das ist deswegen so bemerkenswert, weil der Dialog der basale Ursprungstext für die aristotelische Logik widerspruchsfreier Taxonomien ist, in dem eine Gattung in disjunkte Arten aufgeteilt wird und die ›Widerspruchsfreiheit‹ von Aussagen eben darin besteht, dass kein Element in als ›gegensätzlich‹ definierten Klassen zu liegen kommt. Daher ist der Gegensatz als vollkommener Unterschied definiert.31 Das Charakteristikum des wahren Wissenschaftlers ist nach Platon gerade dieses, dass er oder sie nie fertig ist, also noch zuhören und daher Wissen weiter entwickeln kann, während die Sophisten auf einem begrenzten Standpunkt eigener Ausbildung stehen bleiben oder im Brustton eigener Überzeugung und Intuition konventionelles ›Wissen‹ verkaufen. 31 Diese Tatsache, dass bei Platon die Menge der Sophisten nicht durch eine Klasse notwendiger Bedingungen als Durchschnitte, sondern durch eine Liste hinreichender Bedingungen als Vereinigung aller mängelbehafte30
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Hegels Formulierungen sind sicher suboptimal, auch wenn sie ganz zu Recht den gemeinsamen Bereich (»in Einer Identität«) betonen und die (disjunkte) »Verschiedenheit«. So stehen z. B. die Begri=e des Geraden und Ungeraden nur in den natürlichen und ganzen Zahlen in einem klaren Gegensatz, da die meisten rationalen und reellen Zahlen weder gerade noch ungerade sind. Nur wenn wir unter Katzen bloß die weiblichen verstehen, stehen sie im Gegensatz zu den männlichen Katzen; ansonsten sind auch Kater Katzen. Analoges gilt für mangelhafte Wissenschaftler, die weiterhin zu den sophoi, den Gebildeten, sogar den nach Wahrheit Strebenden zählen, aber eben nicht voll, da sie keine ›wahren‹ Philosophen mehr sind, wie Katzen mit nur drei Beinen keine wahren Musterkatzen sind. Die Identität und der Unterschied sind die Momente des Unterschiedes innerhalb seiner selbst gehalten; sie sind reflectirte Momente seiner Einheit. Gleichheit und Ungleichheit aber sind die entäusserte Reflexion; ihre Identität mit sich ist nicht nur die Gleichgültigkeit eines jeden gegen das von ihm unterschiedene, sondern gegen das An-und-Fürsichseyn, als solches; eine Identität mit sich gegen die in sich reflectirte; sie ist also die nicht in sich reflectirte Unmittelbarkeit. Das Gesetztseyn der Seiten der äusserlichen Reflexion ist daher ein Seyn; so wie ihr Nichtgesetztseyn ein Nichtseyn. | (272 | 54) Es klingt nur merkwürdig, aber ist ganz richtig: jeder Unterschied setzt eine Identität voraus, nämlich die des Bereiches, in dem etwas unterschieden wird – so dass der Doppelbelegung der Wörter »Katze« oder »Student« als Ober- und Unterbegri= neben den Katern oder Studentinnen die Doppelbelegung der »Identität« oder »Gleichheit« entspricht. Der schwierige Satz »Gleichheit und Ungleichheit sind . . . die entäußerte Reflexion« kommentiert nur den Unterschied zwischen der objektstufigen Rede über die Identität eines Redegegenstandes (der auch eine Klasse oder eine Eigenschaft sein kann) und der metastufigen oder reflexionslogischen Rede über eine Gleichheitsbeziehung zwischen zwei Sachen. Diese werden in ter Scheinwissenschaftler definiert ist, hat bis heute noch keine mir bekannte Interpretation des Textes klar genug herausgestellt.
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gegenstandslogischer Sprechform als bloße ›Gegebenheitsweisen desselben Gegenstandes‹ aufgefasst. Sie werden daher nicht in ihrer Eigenständigkeit beachtet, gerade so wie der Sinn einer Kennzeichnung, wenn man auf den Bezugsgegenstand, Freges Bedeutung, fokussiert. Hegels Ausdruck der Entäußerung passt sehr gut für diesen gegenstandbildenden bzw. objektkonstitutiven Übergang vom Sinn zum Bezug, also von einer Äquivalenzrelation zu einer Identität. Entäußert wird eine Reflexion also in einer Gleichung als Aussage einer Identität. Eine solche spricht nicht ›über‹ den mit sich identischen Gegenstand, sondern über dessen ›äußerliche‹ Erscheinungen, Präsentationen oder Repräsentationen. Das Wort »entäußern« bedeutet ja »äußerlich machen«. Die Momente der Einheit von Identität und Unterschied, also die Bestimmtheit des gesamten Bereichs und die der bereichsinternen Unterscheidung treten überall auf und betre=en jedes »An-und-fürsich-Sein«. Die Rede von der Identität abstrahiert von (bzw. entlang) der je relevanten Gleichgültigkeitsbeziehung. Man sieht im Reden über die Gegenstände von den reflexionslogischen Konstitutionsstufen ab, spricht also vom ›mit sich identischen Gegenstand‹. Das geschieht im objektstufigen Redemodus zumeist naiv so, als sei dieser Gegenstand nicht längst schon in sich reflektiert, durch Äquivalenzen konstituiert, sondern unmittelbar gegeben. Es liegt also an der Unterstellung von Gleichungen bzw. der Präsupposition eines Gesetztseins, wenn wir die transzendentale Konstitution von Bezugsgegenständen übersehen und naiv an deren unmittelbare Gegebenheit bloß glauben. Metaphysik wird in dieser Form der Ontologie zu einer naiven Glaubensphilosophie. Wenn wir dieses explizit machen, erkennen wir, dass die äußere Reflexion auf Gleichungen und Gleichheiten gerade das Sein des Gegenstandes analysiert. Eine Aussage der Art, dass ein durch einen Ausdruck a bloß möglicherweise benannter Gegenstand g nicht existiert, besagt dann, dass es im relevanten Gegenstandsbereich keine Präsentationen und Repräsentationen a, b, c . . . gibt mit a = b = c . . . In eben diesem Sinn gibt es keine größte Primzahl. Es gibt, heißt das, keinen basalen Zahlnamen n, so dass eine Aussage »n ist die größte Primzahl« wahr
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würde. Die so reflexionslogisch und metastufig ausgedrückte Wahrheit wird objektstufig durch die Form »es gibt kein x , das Primzahl ist und größer ist als jedes y , das Primzahl ist« ausgesagt. Mit anderen Worten, die Setzungen für die äußeren Repräsentanten der Zahlen definieren, was für Zahlen wahr ist und welche Zahlen es gibt. Wer nur objektstufig denkt, wird das nie verstehen, weil er die Konstitutionsform der Gegenstandsbereiche und damit die Identität ihrer Gegenstände als Verneinung einer Verschiedenheit nicht begreift, obwohl er mit ihr verständig rechnen kann und immer schon rechnet. Die Momente des Gegensatzes näher betrachtet, so sind sie das in sich reflectirte Gesetztseyn oder Bestimmung überhaupt. Das Gesetztseyn ist die Gleichheit und Ungleichheit; sie beyde in sich reflectirt machen die Bestimmungen des Gegensatzes aus. Ihre Reflexion in sich besteht darin, daß jedes an ihm selbst die Einheit der Gleichheit und Ungleichheit ist. Die Gleichheit ist nur in der Reflexion, welche nach der Ungleichheit vergleicht, somit durch ihr anderes gleichgültiges Moment vermittelt; eben so die Ungleichheit ist nur in derselben reflectirenden Beziehung, in welcher die Gleichheit ist. – Jedes dieser Momente ist also in seiner Bestimmtheit das Ganze. Es ist das Ganze, insofern es auch sein anderes Moment enthält; aber ¦ diß sein anderes ist ein gleichgültig seyendes, so enthält jedes die Beziehung auf sein Nichtseyn, und ist nur die Reflexion in sich oder das Ganze als sich wesentlich auf sein Nichtseyn beziehend. (272 f. | 55) Ein Unterschied wie der zwischen ungeraden Zahlen und Primzahlen ist als solcher noch kein Gegensatz. Im Fall eines Gegensatzes gilt die Regel: Was ein A ist, ist kein B, und was ein B ist, ist kein A. Katze und Hund bilden einen Gegensatz, aber auch Primzahlen größer 2 und gerade Zahlen. Gegensätze bzw. Unterschiede sind ein reflektiertes Gesetztsein in einer eidetischen Entgegensetzung bzw. Unterscheidung. Sie sind damit das, was zu unterscheiden bzw. einander entgegenzusetzen ist, qua Möglichkeit bzw. Notwendigkeit, in genau der Zweideutigkeit des Ausdrucks »Es ist das und das zu tun«, der ja auch bedeuten kann: »Man hat das und das zu tun«. Die Rede von einem Gegensatz (in der Welt) setzt dabei die Bestimmung des Kontrasts durch unsere Kontrastierungen voraus. Das
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Wort »unsere« verweist auf ein generisches Man. »In sich reflektiert« heißt die jeweils relevante Gleichheit oder Ungleichheit, der Unterschied oder Gegensatz, auch von Eigenschaftspaaren, genau dann, wenn wir von den tätigen Gleichsetzungen und Kontrastierungen als Vollzügen zugunsten der modalen Reflexionsurteile über das, was zu tun ist, absehen. Die Reflexion von Gleichheit und Ungleichheit in sich besteht daher eben darin, dass jeder Gegenstand durch Setzung von Gleichheiten bzw. Ungleichheiten als das definiert ist, was er ist; und dasselbe gilt für jede Eigenschaft oder Klasse. Jede Gleichheit ist Ausschluss relevanter Ungleichheiten, so wie ein Wesen eine Katze bleibt, selbst wenn sie viele Mängel hat – z. B. ein Bein verloren hat oder kastriert ist – und daher viele Normalfalldispositionen nicht mehr erfüllt sind. In einem solchen Fall hat sich eben die Relevanz dessen verschoben, was wesentlich dafür ist, eine Katze zu sein, nämlich zu den basalsten Lebensformen hin. So wie wir das Wesen der Person intensional enger und extensional weiter fassen, wenn wir zugunsten der allgemeinen Menschenwürde auf die normalerweise zu erstrebenden Kompetenzen einer vollen Person verzichten und schon Kindern und Kranken aller Art wertungsmäßig einen Personenstatus zuschreiben, obwohl der Status der Anerkennung einer Person im vollen Sinn proportional zu ihrer Kompetenz der Teilnahme an personalen Interaktionen mit anderen Personen, also an ihrer Rollenkompetenz hängt. Die Beispiele zeigen die Plastizität und Kontextabhängigkeit aller Gleichheiten und Kontraste, gerade wenn es um dispositionelle Normalfalleigenschaften oder perfekte Formerfüllungen geht – bzw. um partielle Mängel wie sie zur Unterscheidung zwischen einem »wahren Wesen« (einer vollkommenen Katze oder vollen Person) auf der einen Seite, zwar mängelbehafteten, aber doch noch zur allgemeinen Gattung gehörenden Variante und einer bloßen Scheinmitgliedschaft. So bleibt eine blinde Katze als Tier zu schützen, nicht aber eine Plüschkatze. Ein beliebiger Mensch ist als Person für sich im Würdesinn zu achten, nicht aber eine rein figurative Scheinperson wie eine literarische Figur, eine Korporation oder Institution, ein Computerprogramm oder Roboter. Eine Institution kann rechtlich geschützt sein, hat aber keine Würde. Ein Roboter kann jemandem gehören. Wenn man Religion und Kunst für schützenswert hält, dann
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hat das nur Sinn als Schutz des guten Lebens von Menschen ›in‹ und ›mit‹ diesen Institutionen. Die Beispiele zeigen auch, wie wenig situationsinvariant Gleichheiten und Gegensätze sind. Jeder Ding- oder Selbstbezug verweist erstens auf einen relevanten Gegenstands- oder Themenbereich und auf die in ihm relevanten Eigenschaften, die als solche auf der Grundlage basaler Gegensätze bestimmt sind. Wie weit der Bereich reicht, hängt von Redesituation und Kontext ab. So schließt der Satz »Katzen haben vier Beine« die Mängelwesen mit drei Beinen implizit aus der Betrachtung als zunächst irrelevant aus. Der Satz »Wissenschaftler erarbeiten neues Wissen« schließt Plagiatoren und bloße Vermittler (Lehrer) ebenfalls erst einmal aus. In einem weiteren Sinn können wir dann dennoch auch die Sophisten oder andere Lehrer und Prediger als Wissenschaftler anerkennen, indem wir auf den obigen Normalfallschluss verzichten und auch bloße Repetitoren zu den Arbeitern im Weinberg der Gesamtwissenschaft zählen, so wie die blinden oder dreibeinigen Katzen zu den Katzen. In diesem Sinn, aber auch nur in diesem, hat Nietzsche recht, die Sophisten zu den frühen Wissenschaftlern zu rechnen. Diese in sich reflectirte Gleichheit mit sich, die in ihr selbst die Beziehung auf die Ungleichheit enthält, ist das Positive; so die Ungleichheit die in ihr selbst die Beziehung auf ihr Nichtseyn, die Gleichheit enthält, ist das Negative. – Oder beyde sind das Gesetztseyn; insofern nun die unterschiedene Bestimmtheit als unterschiedene bestimmte Beziehung des Gesetztseyns auf sich genommen wird, so ist der Gegensatz einestheils das Gesetztseyn in seine Gleichheit mit sich reflectirt; anderntheils dasselbe in seine Ungleichheit mit sich reflectirt; das Positive und Negative. – (273 | 55) Gerade die Unterscheidung zwischen voller und mangelhafter Erfüllung von Seinsbedingungen führt zur Unterscheidung von ›positiven‹ und ›negativen‹ Eigenschaften, also von solchen, welche in die Richtung der perfekten Seinsweise zeigen, und solchen, die Mängel anzeigen. Ansonsten steht das Positive dem Negativen klar gegenüber – so wie die positiven Zahlen den negativen. Das Positive einer Eigenschaft oder eines Begri=s enthält immer auch schon »die Beziehung auf die Ungleichheit«, also ihre Nichter-
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füllung, und ist »reflektierte Gleichheit mit sich« in dem Sinn, als die Eigenschaft oder der Begri= all dem zukommt, was im ausreichenden Maß die dispositionellen Normalfallfolgerungen gewährleitet, welche den inferentiellen »Inhalt« des Begri=s bzw. Eigenschaftswortes bestimmen. So ist ein Körper ein Würfel, solange er die Bedingungen der Würfelform hinreichend erfüllt – im Kontrast zum relevanten Mangel, wie er sich ergibt, wenn die Seiten oder Flächen nicht genügend ›gleich‹ und damit ›eben‹ sind, was über Passungseigenschaften auch von Kopien konkret geprüft wird. Das ›Ungleiche‹ ist hier im wörtlichen Sinn ein Mangel. Im metaphorischen Sinn der Nichterfüllung relevanter Bedingungen ist jeder Mangel eine ›Ungleichheit‹ und insofern etwas ›Negatives‹ – wie der Sophist ungleich ist dem ›philosophischen‹ Wissenschaftler. Wir können daher in Bezug auf jede sich an einer idealen Form orientierenden Eigenschaft E und jeden konkreten innerweltlichen Gegenstand g , auf den E passt, sagen, dass g gewisse Momente von E positiv erfüllt, aber immer auch Mängel zeitigt, so dass g auch im Blick auf E negative Eigenschaften hat, welche einem ›perfekten‹ E widersprechen und so im Gegensatz zu einer idealen Erfüllung von E stehen. Das liegt daran, dass das allgemeine Gesetztsein der Bedingungen von E an sich immer »ideal« und damit »modal kontrafaktisch« ist. Die konkreten Erfüllungen an und für sich sind immer cum grano salis, also mit Wissen um mögliche Mängel, und ceteris paribus, also im Wissen um die je robuste Anwendung grober Kriterien im je relevanten Falltyp zu verstehen. Ein Begri= ist zu verstehen im Gegensatz zu seiner Verneinung mit Blick auf seinen Bereich, dessen ›Gegenstände‹ für eine ›Subsumtion‹ unter den Begri= oder seinen Gegensatz infrage kommen. Jeder Begri= ist verbunden mit dem Positiven als dem Gesetztsein ›idealer‹ Bedingungen dafür, dass etwas von einer bestimmten Art (eidos, Form, Begri=) ist. Das Negative eines Begri=s E ist erstens ein ›absoluter‹ Mangel, d. h. der Gegensatz, so dass ein g aus G unter den (idealen) Komplementbegri= zu subsumieren ist, zweitens ein bloß ›relativer‹ Mangel, so dass g zwar irgendwie ein E ›ist‹, dennoch nicht alle positiven Bedingungen (Dispositionen, Inferenzerwartungen) dessen erfüllt, was ein E normalerweise oder idealerweise ›tun‹ oder ›können‹ sollte.
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Das Positive ist das Gesetztseyn als in die Gleichheit mit sich reflectirt; aber das reflectirte ist das Gesetztseyn, das ist, die Negation als Negation, so hat diese Reflexion in sich die Beziehung auf das andre zu ihrer Bestimmung. Das Negative ist das Gesetztseyn als in die Ungleichheit reflectirt; aber das Gesetzt|seyn ist die Ungleichheit selbst, so ist diese Reflexion somit die Identität der Ungleichheit mit sich selbst und absolute Beziehung auf sich. – Beyde also, das in die Gleichheit mit sich reflectirte Gesetztseyn hat die Ungleichheit, und das in die Ungleichheit mit sich reflectirte Gesetztseyn hat auch die Gleichheit an ihm. (273 | 55 f.) Etwas ist ein E im konkreten Sinn als ›Negation der Negation‹ von E , wenn es falsch wäre, es als Nicht-E aufzufassen, obwohl es viele begri=liche Bedingungen eines normalen oder idealen (paradigmatischen) E möglicherweise nicht erfüllt. Eine blinde und dreibeinige Katze wie Emily ist und bleibt eine Katze. Eine schlafende Person oder eine Person im Koma bleibt eine zu schützende Person, und ein Mensch, der als Kind und Jugendlicher sich allererst zur Person im Kompetenzsinn des Wortes zu bilden hat, ist schon eine Person im Würdesinn, spätestens mit der Geburt, inzwischen vielleicht schon früher. Es ist ein interessanter Anachronismus, wenn eine Kirche sich dafür stark macht, ungeborenes Leben zu schützen. Die heiligen Texte, auf die man sich dabei als Wort Gottes beruft, sprechen bestenfalls auf di=us-generische Weise von menschlichem Leben. Der Umgang mit Embryos war zur Zeit ihrer Abfassung noch überhaupt kein Thema religiöser oder weltlicher Moral. Wir schreiben aber auch sonst alten Sätzen und Regeln neue Normen zu. So erfüllen z. B. (Rechts-)Staaten die Bedingung, Schützer autonomen Rechts eines Volkes zu sein, immer nur in einem begrenzten Sinn gut genug – und unterscheiden sich doch alle jeweils von Anarchie und völliger Rechtlosigkeit. Die Formulierung »Das Negative ist das Gesetztsein als in die Ungleichheit reflektiert« ist zunächst obskur. Am Inhalt werden wir dennoch festhalten wollen: Wir müssen unterscheiden zwischen einem Gegensatz zu einer begri=lichen Eigenschaft E , welcher der allgemeinen Form nach oder an sich dem Komplement G − E oder einem Kontrastbegri= als Teil von G − E entspricht, und dem Negativen der positiven Idealbedingungen von E , zu welchem auch alle
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mangelhaften Erfüllungen der (inferentiellen) Normalfallbedingungen, ein E zu sein, gehören. Das Positive des Begri=s des Würfels oder Kreises korrespondiert z. B. einer ›unendlichen‹ Menge möglicher ›negativer‹ Eigenschaften oder Mängel, die je mit Urteilskraft anzuwenden sind. Eine Figur ›ist‹ ja schon dann ein hinreichend guter Würfel bzw. ein Kreis, wenn keine für den lokalen Kontext relevanten Mängel vorliegen. Entsprechendes gilt für alles und jedes, insbesondere für Geltungsansprüche und ein Wissen. Das Positive und das Negative sind so die selbstständig gewordenen Seiten des Gegensatzes. Sie sind selbstständig, indem sie die Reflexion des Ganzen in sich sind, und sie gehören dem Gegensatze an, insofern es die Bestimmtheit ist, die als Ganzes in sich reflectirt ist. Um ihrer Selbstständigkeit willen machen sie den an sich bestimmten Gegensatz aus. Jedes ist es selbst und sein anderes, dadurch hat jedes seine Bestimmtheit nicht an einem andern, sondern an ihm selbst. – Jedes bezieht sich auf sich selbst, nur als sich beziehend auf sein Anderes. Diß hat die doppelte Seite; jedes ist Beziehung auf sein Nichtseyn als Aufheben dieses Andersseyns in sich; so ist sein Nichtseyn nur ein Moment in ihm. Aber anderntheils ist hier das Gesetztseyn ein Seyn, ein gleichgültiges Bestehen geworden; das andre seiner, das jedes enthält, ist daher auch das Nichtseyn dessen, in welchem es nur als Moment enthalten seyn soll. Jedes ist daher nur, insofern sein Nichtseyn ist, und zwar in einer identischen Beziehung. (273 | 56) Formal gesehen steht natürlich nichts so negativ zu einer Eigenschaft E wie ihr Gegensatz non-E bzw. G − E . Außerdem stehen E und non-E als Gegensätze in polarer Beziehung zueinander, so dass non-E das Negative zu E ist, aber E als non-non-E das Negative zu non-E . Die Rede von etwas Positivem setzt daher den jeweiligen Gegensatz und eine Vorentscheidung für einen der beiden ›Pole‹, E oder non-E , voraus. Dabei gibt es manche ›natürliche‹ Entscheidung für ›das Gute‹, so dass das Helle als positiv, das Dunkle als negativ gewertet wird, etwa weil man das Sehen dem Nicht-sehen-Können vorzieht. Jeder positive Pol ist er selbst und enthält doch begri=lich den Bezug auf ›sein Anderes‹, den Negativpol. Jede ›Selbstbeziehung‹ eines Positiven ist durch eine Relation zu seinem Negativen vermittelt. Ich
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beziehe mich nie unmittelbar auf mich selbst, sondern so, dass ich mich zur Welt und zu anderen Menschen verhalte – im Wissen darum, dass ich selbst der bin, der ich bin, nur in diesen Beziehungen zu Anderem. Dasselbe gilt für das Reden von Selbstbeziehungen eines Gegenstandes, inklusive seiner tätigen Selbsterhaltungen. Es ist also nicht nur das Leben, das in einem Prozess des Sto=wechsels mit anderem Leben oder toten Dingen sich selbst erhält. Die Form ist viel allgemeiner. Es ist eine logische Form, ohne die es kein »Selbst« gibt, also das Wort »selbst« seinen Sinn verlieren würde, wie auch das Wort »sich«. In diesem Sinn ist jede Selbstbeziehung von etwas auf sich immer auch schon eine Relation zu etwas anderem, sein eigenes Nichtsein oder auch Noch-nicht-Sein. Das alles ist formal symmetrisch. Aber je aus der Perspektive dessen, das dabei positiv seinem Anderen oder Negativen entgegengesetzt wird, geht es diesem um eine gewisse ›Aufhebung‹ des Anderen, von der Aneignung im Sto=wechsel zur Anerkennung von etwas als dem Meinigen und zum Wissen über die Grenzen der jeweiligen Aneignungsversuche. Alles ist, was es ist, im Kontrast zwischen dem Seinigen und dem, was nicht das Seinige ist – so dass das Nichtsein immer auch ein Nichtsein für etwas ist. Alles ist, was es ist, im Gegensatz zwischen Nichtsein (für es) und Sein (für es). Die Bestimmungen, welche das Positive und Negative constituiren, bestehen also darin, daß das Positive und das Negative erstens absolute Momente des Gegensatzes sind; ihr Bestehen ist untrennbar Eine Reflexion; es ist Eine Vermittlung, in welcher jedes durch das Nichtseyn seines Andern, damit durch sein Anderes oder sein eigenes Nichtseyn ist. – So sind sie entgegengesetzte überhaupt; oder jedes ist nur das ent|gegengesetzte des andern; das eine ist noch nicht positiv, und das andre noch nicht negativ, sondern beyde sind negativ gegen einander. ¦ Jedes ist so überhaupt erstens insofern das andre ist; es ist durch das Andre, durch sein eignes Nichtseyn, das was es ist; es ist nur Gesetztseyn; zweytens es ist insofern das andre nicht ist; es ist durch das Nichtseyn des andern das was es ist; es ist Reflexion in sich. – Dieses beydes ist aber die eine Vermittlung des Gegensatzes überhaupt, in der sie überhaupt nur Gesetzte sind. (273 f. | 56 f.) Das Positive ist wie das Wahre in folgendem Sinn die Reflexion
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seines Negativen, etwa das Falsche in sich: Es wird aus der Gesetztheit des Positiven auf das Negative und über diese Vermittlung – den Ausschluss des Negativen – auf das Positive selbst Bezug genommen. Solange A und B bloße Gegensätze in G sind, ist weder A noch B als das Positive gesetzt. Es ist so der Wert das Wahre als das Positive bestimmt und man unterstellt zunächst rein formal eine Art Zweiwertigkeit. Aber ferner diß bloße Gesetztseyn ist in sich reflectirt überhaupt; das Positive und Negative ist nach diesem Momente der äussern Reflexion gleichgültig gegen jene erste Identität, worin sie nur Momente sind; oder indem jene erste Reflexion die eigne Reflexion des Positiven und Negativen in sich selbst, jedes sein Gesetztseyn an ihm selbst ist, so ist jedes gleichgültig gegen diese seine Reflexion in sein Nichtseyn, gegen sein eigenes Gesetztseyn. Die beyden Seiten sind so bloß verschiedene, und insofern ihre Bestimmtheit, positiv und negativ zu seyn, ihr Gesetztseyn gegen einander ausmacht, so ist jede nicht an ihr selbst so bestimmt, sondern ist nur Bestimmtheit überhaupt; jeder Seite kommt daher zwar eine der Bestimmtheiten von Positivem und Negativem zu; aber sie können verwechselt werden, und jede Seite ist von der Art, daß sie eben so gut als positiv wie als negativ genommen werden kann. (274 | 57) Es kann, wie gesagt, A oder ›sein‹ Gegensatz B = G − A als das Positive gesetzt sein. Aber es ist natürlich merkwürdig, von einem perfekten Mangel, etwa einer idealen Sünde, zu sprechen. Der perfekte Mord ist nur ein solcher, der nicht aufgedeckt werden kann; er ist insofern etwas ganz anderes als ein perfektes Gutes, z. B. in der möglicherweise idealen Lebensführung einer Heiligen wie Theresa von Avila. Feigheit oder Geiz kann man aber nicht zu etwas Positivem machen und Mut und Großherzigkeit nicht zu etwas Negativem – obwohl dies formal möglich ist und rhetorisch geschieht, wo man die Feigheit als Vorsicht schönredet und Tapferkeit als Tollkühnheit schlechtmacht. Entsprechendes gilt für Sparsamkeit und Verschwendung usf. Aber das Positive und Negative ist drittens nicht nur ein gesetztes, noch bloß ein gleichgültiges, sondern ihr Gesetztseyn oder die Beziehung auf das andere in einer Einheit, die nicht sie selbst sind, ist in jedes zurückgenommen. Jedes | ist an ihm selbst positiv und
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negativ; das Positive und Negative ist die Reflexionsbestimmung an und für sich; erst in dieser Reflexion des Entgegengesetzten in sich ist es positiv und negativ. Das Positive hat die Beziehung auf das andere, in der die Bestimmtheit des Positiven ist, an ihm selbst; eben so das Negative ist nicht Negatives als gegen ein anderes, sondern hat die Bestimmtheit, wodurch es negativ ist, gleichfalls in ihm selbst. (274 | 57 f.) Es gibt keine Gegensätze, die nicht schon implizit mit positiven und negativen ›Perspektiven‹ verbunden sind. Der Geiz ist das Negative der Sparsamkeit, die Tollkühnheit das Negative der Tapferkeit – und ihre Gegensätze sind die Großzügigkeit bzw. die umsichtige Vorsicht. Die Paare bilden eine Einheit. Insofern hat jedes dieser Eigenschaften das Positive bzw. Negative ›an ihm selbst‹ – und das heißt, dass es die Eigenschaft nicht ohne die positiven bzw. negativen ›Konnotationen‹ oder besser Bedeutungsaspekte der zugehörigen Eigenschaftswörter gibt. Schwieriger wird es dort, wo logisch komplexe Eigenschaften artikuliert bzw. beschrieben werden, etwa die Eigenschaft, nicht tapfer und doch auch nicht feige, sparsam und klug, aber nicht geizig zu sein etc. Solche formal ›gemischten‹ Eigenschaften sind zunächst zumeist weder positiv noch negativ markiert. Dennoch wäre es falsch, ›wertfreie‹ oder ›neutrale‹ Unterscheidungen als die ›besseren‹ anzusetzen, die markierten aber als subjektiv oder normativ vorurteilsgeladen. Richtig ist zwar, dass in ihnen Werturteile mitgesetzt sind. Das aber ist Teil des Sinns der dichten Ausdrücke und nicht eine bloß zusätzliche Expression des Sprechers. Wir können die drei definierenden Punkte des Positiven und des Negativen noch einmal zusammenfassen: Beide sind erstens »absolute Momente des Gegensatzes«, wobei das Wort »absolut« hier wohl nur darauf verweist, dass von weiteren Relativitäten über die Entgegensetzung hinaus abgesehen wird. Dabei wird, zweitens, etwas als positiv gewertet, soweit es nicht als negativ zu werten ist – und umgekehrt. Und es ist, drittens, das Positive und Negative nicht bloß als von uns gesetzt betrachtet, sondern so, als wäre etwas von sich oder von der Sache her positiv oder negativ. So ist jedes selbstständige, für sich seyende Einheit mit sich. Das Positive ist wohl ein Gesetztseyn, aber so daß für es das Gesetztseyn
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nur Gesetztseyn, als aufgehobenes ist. Es ist das Nichtentgegengesetzte; der aufgehobene Gegensatz, aber als Seite des Gegensatzes selbst. – Als positiv ist zwar Etwas bestimmt in Beziehung auf ein Andersseyn, aber so daß seine Natur diß ist, nicht ein Gesetztes zu seyn; es ist die das Andersseyn negirende Reflexion in sich. Aber das Andere seiner, das Negative, ist selbst nicht mehr Gesetztseyn oder Moment, sondern ein selbstständiges Seyn; so ist die negirende Reflexion des Positiven in sich bestimmt, diß sein Nichtseyn von sich auszuschliessen. (274 | 58) Indem wir von etwas sprechen, das so und so zu beurteilen ist, sehen wir vom aktualen Urteilen, Unterscheiden und Bewerten im subjektiven Vollzug ab und betrachten es als selbständig, als »für sich seiende Einheit mit sich«: Der Feige ist feige, der Mutige ist mutig. Zwar ist er als mutig gesetzt, aber diese Setzung wird aufgehoben; man fokussiert auf das, was ›objektiv‹ oder selbständig ist. Dabei reflektiert man noch nicht einmal auf die sinnbestimmenden Entgegensetzungen. Man sagt etwa, etwas sei von seiner Natur oder seinem Wesen her das und das. Man spricht ihm das natürliche Gute so zu, wie wenn es selbst spräche. Wir sagen zum Beispiel, dass es gut für ein Tier ist, frei, also – trotz guter Tierhaltung und Fütterung – nicht in Gefangenschaft, zu leben. Man sagt, die Freiheit sei etwas Positives, nicht bloß ein von uns gesetztes Positives für das Tier. Die Freiheit oder ›Natürlichkeit‹ wird so zu einem ›selbständigen‹ Sein und Wesen der betre=enden Tiere. Wir schließen durch Markierung des Positiven oder Guten einer Eigenschaft für ein Tier (oder ein anderes Wesen) sein Nichtsein oder seinen Mangel als ›schlecht‹ für das Tier oder sein (prototypisches, ideales) Wesen aus. Ähnlich gehen wir vor, wenn wir das Matterhorn als Muster eines alpinen Berges ansehen – etwa im Kontrast zu einer bloßen Hochebene oder Kuppe. So das Negative als absolute Reflexion ist nicht das unmittelbare Negative, sondern dasselbe als aufgehobenes Gesetztseyn; das Negative an und für sich, das ¦ positiv auf sich selbst beruht. (274 f. | 58) Das Negative als absolute Reflexion scheint das zu sein, was sich Kant als ›Ding an sich‹ denkt, aber eben so, wie er es denken will, nicht denken kann. Es ist kein unmittelbarer Gegen-Stand, der gegen
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unsere Nennungen und Beschreibungen steht und so ist, wie er ist. Im Blick auf einen reflexionslogisch gedachten ›absoluten Bezug‹ ist unser wirkliches Bezugnehmen unvollkommen, zumal es begri=lich bedingte Normalfallinferenzen längst schon präsupponiert, von denen wir wissen, dass sie zumeist nicht perfekt erfüllt oder universal ›wahr‹ sind. Insofern ist der Bezug unserer Bezugnahmen erstens von uns gesetzt und zweitens ist diese unsere Setzung als ›aufgehoben‹ zu denken, da sich das Sein des Seienden in ihm zeigt, wenn auch möglicherweise leicht verzerrt. Das Negative ist das erho=te Urbild unserer Abbildung unseres Bildes, das Sein des Seienden ›an und für sich‹. Man denkt es sich als ›positiv auf sich beruhend‹, obwohl es gar nicht unabhängig von unserer begri=lichen Bezugnahme bestimmt ist. Als Reflexion in sich negirt es seine Beziehung auf anderes; sein Anderes ist das Positive, ein selbstständiges Seyn; – seine negative Beziehung darauf ist daher, es aus sich auszuschliessen. (275 | 58) Wichtig ist, dass das Negative, das Urbild des Bildabzugs, nur ein Gegenstand des reflektierenden Denkens ist. Wir negieren also ›seine Beziehung auf Anderes‹ und denken es so, wie es rein ›für sich‹ sein mag. Würden wir von ihm alle Relationen zu Anderem, auch zu uns, wegreflektieren oder wegabstrahieren, bliebe gar nichts mehr übrig, noch nicht einmal eine Variable, da eine solche immerhin noch das generische Ansichsein des Variablen- oder Gegenstandsbereiches als gegeben und bekannt voraussetzen würde. Das Negative ist das für sich bestehende Entgegengesetzte, gegen das Positive, das die Bestimmung des aufgehobenen Gegensatzes ist; der auf sich, beruhende ganze Gegensatz, entgegengesetzt dem mit sich identischen Gesetztseyn. | (275 | 58) O=enbar verheddert man sich hier begri=lich leicht, da das Negative als das Ding an sich selbst betrachtet das »für sich bestehende Entgegengesetzte« sein soll und damit die Relationen der Entgegensetzung zu seinem Anderen gerade wesentlich braucht. Man kann sie also nicht abstraktiv wegstreichen, bestenfalls reflexionslogisch ›aufheben‹. Das Positive und Negative ist hiemit nicht nur an sich positiv und negativ, sondern an und für sich. An sich sind sie es, insofern von ihrer ausschliessenden Beziehung auf anderes abstrahirt, und sie
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nur nach ihrer Bestimmung genommen werden. An sich ist etwas positiv oder negativ, indem es nicht bloß gegen anderes so bestimmt seyn soll. Aber das Positive oder Negative nicht als Gesetztseyn und damit nicht als Entgegengesetztes, ist es jedes das Unmittelbare, Seyn und Nichtseyn. (275 | 59) Was positiv oder negativ ist, sollte dies ›an und für sich‹ sein. ›An sich‹ positiv oder negativ ist etwas immer nur dann, wenn eine Artform das Positive auszeichnet. Dann ist etwas positiv nicht bloß im Kontrast zu einem formal Negativen oder negativ im Kontrast zu etwas bloß formal Positivem bestimmt. Für sich ist etwas positiv oder negativ, wenn es nicht bloß als unser Gesetztsein oder Entgegengesetztes das ist, was es ist. Man denke an positiv gewertete Handlungsformen oder an die Wahrheit im Kontrast zum Falschen. Gegenbeispiele sind der Pol eines Magneten oder eine Anode bzw. Kathode. Das Positive und Negative sind aber die Momente des Gegensatzes, das Ansichseyn derselben macht nur die Form ihres Reflectirtseyns in sich aus. Es ist etwas an sich positiv, ausser der Beziehung auf das Negative; und es ist etwas an sich negativ, ausser der Beziehung auf das Positive; in dieser Bestimmung wird bloß an dem abstracten Momente dieses Reflectirtseyns festgehalten. Allein das ansichseyende Positive oder Negative heißt wesentlich, daß entgegengesetzt zu seyn, nicht bloß Moment sey, noch der Vergleichung angehöre, sondern die eigene Bestimmung der Seiten des Gegensatzes ist. An sich positiv oder negativ sind sie also nicht ausser der Beziehung auf anderes, sondern daß diese Beziehung und zwar als ausschliessende, die Bestimmung oder das Ansichseyn derselben ausmacht; hierin sind sie es also zugleich an und für sich. (275 | 59) Dass etwas ›an sich‹ positiv ist, folgt, wie gesagt, aus einer Artform und der durch sie bestimmten Beziehung auf etwas Negatives. Man meint zwar, man könne von der Wertung abstrahieren, aber das Positive, Wahre oder Wirkliche steht, was es als Positives, Wahres oder Wirkliches ist, in einem nicht symmetrischen Kontrast zum Negativen, Falschen oder Unwirklichen.
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Anmerkung Es ist hier der Begri= des Positiven und Negativen anzuführen, wie er in der Arithmetik vorkommt. Er wird darin als bekannt vorausgesetzt; weil er aber nicht in seinem bestimmten Unterschiede aufgefaßt wird, entgeht er nicht unauflösbaren Schwierigkeiten und Verwicklungen. Es haben sich so eben die beyden realen Bestimmungen des Positiven und Negativen ergeben, – ausser dem einfachen Begri=e ihrer Entge|gensetzung, – daß nemlich das erstemal, ein nur verschiedenes, unmittelbares Daseyn zu Grunde liegt, dessen einfache Reflexion in sich unterschieden wird von seinem Gesetztseyn, der Entgegensetzung selbst. Diese gilt daher nur als nicht an und für sich seyend, und dem Verschiedenen zwar zukommend, so daß jedes ein Entgegengesetztes überhaupt ist, aber auch gleichgültig dagegen für sich besteht, und es einerley ist, welches der ¦ beyden entgegengesetzten verschiedenen als positiv oder als negativ betrachtet werde. – Das andremal aber ist das Positive das an sich selbst Positive, das Negative das an sich selbst Negative, so daß das Verschiedene nicht gleichgültig dagegen, sondern diß seine Bestimmung an und für sich ist. – Diese beyden Formen des Positiven und Negativen kommen gleich in den ersten Bestimmungen vor, in denen sie in der Arithmetik gebraucht werden. (275 f. | 59 f.) Hegels Überlegungen zum Positiven und Negativen werden erstens relevant im Kontext dessen, dass die beiden Wertungen »wahr« und »falsch« nicht symmetrisch sind, sondern wir nach dem Wahren als dem Guten streben. Zweitens versteht man sie noch besser, wenn man etwa die Probleme der Einführung negativer Zahlen in der reinen Arithmetik und ihrer Deutung als Maßzahlen betrachtet. Man kann nämlich nicht einfach mit den positiven natürlichen Zahlen beginnen, vor diese ein ominöses Minuszeichen setzen und willkürlich erklären, dass a + (−b) = a − b, −(a − b) = b − a und (−a) · (−1) = a sei, vielleicht auch noch zusammen mit einem Pluszeichen und der Identität +a = a. Das +a und −a sind zuerst entgegengesetzte Größen überhaupt; a ist die beyden zum Grunde liegende, ansichseyende Einheit, das gegen die Entgegensetzung selbst gleichgültige, das hier ohne weitern Begri= als todte Grundlage dient. Das −a ist zwar als das Negati-
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ve, das +a als das Positive bezeichnet, aber das eine ist so gut ein entgegengesetztes als das andere. (276 | 60) Wenn n > m ist, ist n − m = k eine natürliche Zahl. Die ›Rechenaufgabe‹ m − n ist dann ›nicht lösbar‹. Aber auch wenn n = m ist, liefert n − m keine natürliche Zahl, sondern ›nichts‹, wie zu sagen naheliegt – was dann durch den Ausdruck »Null« bzw. »0« ersetzt wird. Man kann nun die ganzen Zahlen inklusive der Null und der negativen Zahlen sozusagen in einem einzigen Schritt aus den (positiven) natürlichen Zahlen erhalten, indem man die Di=erenzen n − m als Paare (n, m) von natürlichen Zahlen betrachtet und für diese Gleichungen und Ungleichungen gerade so festlegt, dass sie, wenn die Ergebnisse positiv sind, die alte Bedeutung von n − m erhalten. Für beliebiges n und m, also ohne die Bedingung n > m, entstehen so die ganzen Zahlen. Auch wenn die folgende Überlegung eine kleine Exkursion ist, ohne sie als Lösung versteht man nicht, dass Hegel ein echtes Problem der Einführung des Minuszeichens bemerkt hat. Alle Paare (n, m) mit n = m entsprechen der 0, alle Paare (n, m) mit n > m und k = n − m ≥ 1 entsprechen dem Paar (k + 1, 1) oder meinetwegen schon (k , 0) und alle Paare (n, m) mit m > n und k = n − m entsprechen dem Paar (1, k + 1) bzw. (0, k ). Man sagt, dass die Gleichungen (n, m) = (n 0, m 0 ) wahr seien genau dann, wenn n + m 0 = n 0 + m ist, und definiert −(n, m) = (m, n). Außerdem definiert man den ›Wahrheitswert‹ von (n, m) < (n 0, m 0 ) durch den ›Wahrheitswert‹ von n + m 0 < n 0 + m, setzt für die Addition (n, m) + (n 0, m 0 ) = (n + n 0, m + m 0 ) und für die Multiplikation (n, m) · (n 0, m 0 ) = (n · n 0 + m · m 0, m · n 0 + m 0 · n). Es ist dann nur noch eine ›terminologische‹ oder rein symbolische Definition, wenn wir die Paare (n, m) auf folgende Weise vereinfachen: Ist n > m und k = n − m, dann setzen wir +k =(n, m) und −k = (m, n). Die Regel (−1) · (−1) = 1 oder (−a) · (−a) = (+a)2 = a 2 ist damit schon mitgesetzt. Außerdem ist klar, dass es eine Ambiguität für die Deutung der Variable a gibt: Diese kann über alle natürlichen Zahlen laufen oder über alle ganzen Zahlen. Glücklicherweise bleibt die Gleichung auch im zweiten Fall richtig, wenn man nur (−a) = (−1) · a setzt. Hegel hat also systematisch ganz recht zu monieren, dass eine strenge Einführung der negativen Zahlen und der Null durchaus eine an-
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spruchsvolle Überlegung voraussetzt. Entsprechend kann man im Fall der komplexen Zahlen nicht einfach i als »Lösung« für Wurzel aus −1 hinschreiben, sondern muss den ganzen Kalkül des Rechnens mit komplexen Zahlen definitorisch begründen. Ferner ist a nicht nur die einfache zum Grunde liegende Einheit, sondern als +a und −a, ist sie die Reflexion dieser Entgegengesetzten in sich; es sind zwey verschiedene a vorhanden und es ist gleichgültig, welches von beyden man als das positive oder negative bezeichnen will; beyde haben ein besonderes Bestehen und sind positiv. (276 | 60) Wegen der Zweideutigkeit der Variable a kann man die positiven Zahlen nicht dadurch definieren, dass man vor das a das Zeichen »+« stellt, denn +a ist eine negative Zahl, wenn a eine negative Zahl ist. +a ist ja nur dasselbe wie (+1) · (a) = 1 · a = a. Nach jener ersten Seite ist +y − y = 0; oder in −8 + 3, sind die 3 positiven, negative im 8. Die | Entgegengesetzten heben sich in ihrer Verbindung auf. Eine Stunde Wegs nach Osten gemacht, und eben so viel zurück nach Westen hebt den erst gemachten Weg auf; so viel Schulden, um so viel weniger Vermögen, und so viel Vermögen vorhanden ist, so viel hebt sich von den Schulden auf. Die Stunde Wegs nach Osten ist zugleich nicht der positive Weg an sich, noch der nach Westen der negative Weg; sondern diese Richtungen sind gleichgültig gegen diese Bestimmtheit des Gegensatzes; nur eine dritte ausser ihnen fallende Rücksicht macht die eine zur positiven, die andere zur negativen. So auch die Schulden sind nicht an und für sich das Negative; sie sind es nur in Beziehung auf den Schuldner; für den Gläubiger sind sie sein positives Vermögen; sie sind eine Summe Geld, oder was es sey von einem gewissen Werth, das nach ausserhalb seiner fallenden Rücksichten Schulden oder Vermögen ist. (276 | 60 f.) Im Paar (n, n) korrespondiert das erste n einer ›positiven‹, das zweite einer ›negativen‹ Zahl, die sich hier aber aufheben, da n −n = 0 ist und daher (n, n) die Null vertritt. Die »identische Beziehung«, von welcher Hegel spricht, ist in unserer Notation glasklar sichtbar. Das Paar (n, n) korrespondiert daher genau der doppelten Buchführung, in welcher in einer ersten Spalte ein ›Haben‹ und in einer zweiten ein ›Soll‹ notiert ist. Zugleich erinnert Hegel an Heraklits Spruch, dass
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eine Weglänge gleich lang ist, egal ob man sie nach links oder rechts (oben oder unten) geht, so dass |a | = | − a | für Abstände gilt und wir auf der x -Achse uns bei (positiven) Additionen nach rechts bewegen, beim Subtrahieren einer (positiven) Größe nach links. Die Entgegengesetzten heben sich zwar in ihrer Beziehung auf, so daß das Resultat gleich Null ist; aber es ist in ihnen auch ihre identische Beziehung vorhanden, die gegen den Gegensatz selbst gleichgültig ist; so machen sie Eines aus. Wie so eben von der Summe Geld erinnert worden, die nur Eine Summe ist, oder das a, das nur Ein a ist im +a und a ; auch der Weg, der nur ein Stück Wegs ist, nicht zwey Wege, deren einer nach Osten, der andere nach Westen ginge. So auch eine Ordinate y , die dasselbe ist, auf dieser oder jener Seite der Axe genommen; insofern ist +y −y = y ; sie ist nur die Ordinate, es ist nur Eine Bestimmung und Gesetz derselben. ¦ (276 | 61) Als Formel ist +y − y = y Unsinn; man kann so nicht hinschreiben, dass +y , −y und y dieselbe Zahlengerade sind, die sich aus den positiven und negativen Zahlen zusammensetzt. Ferner aber sind die Entgegengesetzten nicht nur Ein gleichgültiges, sondern auch zwey gleichgültige. Sie sind nemlich als Entgegengesetzte auch in sich reflectirte, und bestehen so als Verschiedene. | (277 | 61) Natürlich ist | + a | = | − a |, aber es ist +a = −a nur, wenn a = 0 ist, sonst ist +a , −a. In der Paarnotation gilt: −(n, m) = (m, n), da ja −(n − m) = m − n ist. Dass +a und −a »auch in sich reflektierte« sind, verweist gerade auf die Spiegelung der Achsen an der 0. Bei positivem a = (n, 0), liegt +a auf der rechten Seite genau gleich weit weg von der 0 wie −a = (0, n) links. So sind in −8 + 3 überhaupt eilf Einheiten vorhanden; +y , −y , sind Ordinaten auf der entgegengesetzten Seite der Axe, wo jede ein gegen diese Grenze und gegen ihren Gegensatz gleichgültiges Daseyn ist; so ist +y − −y = 2y . – Auch der nach Osten und nach Westen zurückgelegte Weg, ist die Summe einer zweyfachen Bemühung, oder die Summe von zwey Zeitperioden. Eben so ist in der Staatsökonomie ein Quantum von Geld, oder von Werth, nicht nur diß Eine Quantum als Mittel der Subsistenz, sondern es ist ein verdoppeltes; es ist Mittel der Subsistenz sowohl für den Gläubiger
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als den Schuldner. Das Staatsvermögen berechnet sich nicht bloß als Summe des baaren Gelds und des sonstigen Werths von den Immobilien und Mobilien, der im Staate vorhanden ist, noch weniger aber als Summe, die übrig bliebe nach Abzug des passiven Vermögens vom activen, sondern das Kapital, wenn seine active und passive Bestimmung sich auch zur Null reducirten, bleibt erstens positives Kapital; als +a − a = a ; aber zweytens indem es auf vielfältige Weise passives, verliehenes und wieder verliehenes ist, ist es dadurch ein sehr vervielfältigtes Mittel. (277 | 62) Dass das Rechnen mit Minuszahlen gerade auch in der reinen Mathematik am Besten im Kontext einer doppelten Buchführung zu verstehen ist, habe ich oben schon gezeigt. Hegel spricht daher völlig zurecht von Soll und Haben. Auch wenn dieses sich die Waage hält, ist es etwas ganz anderes, wenn es viele Schuldner und Gläubiger gibt, als wenn gar keine Geldzirkulation, Investition und Kreditwesen stattfindet. Denn am Umsatz, nicht an der Di=erenz von Haben und Soll bemisst sich der wirtschaftliche Austausch, das ›Sozialprodukt‹. Die Formel »+a − a = a« ist wieder nur ein untauglicher Ausdruck dafür dass +a, −a und a, absolut genommen, gleich sind. Nicht nur aber sind die entgegengesetzten Größen, einerseits bloß entgegengesetzte überhaupt, andererseits reale oder gleichgültige. Sondern ob zwar das Quantum selbst das gleichgültig begrenzte Seyn ist, so kommt doch an ihm auch das an sich Positive und das an sich Negative vor. Das a z. B. insofern es kein Zeichen hat, gilt dafür, daß es als positives zu nehmen sey, wenn es zu bezeichnen ist. Wenn es nur überhaupt ein entgegengesetztes werden sollte, so könnte es eben so gut als −a genommen werden. Aber das positive Zeichen wird ihm unmittelbar gegeben, weil das Positive für sich die eigenthümliche Bedeutung des Unmittelbaren, als mit sich identischen, gegen die Entgegensetzung hat. | (277 | 62) Wir hatten schon gesehen, dass a = +a = |a | ist, wenn wir von positiven (ganzen oder rationalen) Zahlen ausgehen, »a« also Variable ist und bloß erst für einen Teil der ganzen oder rationalen Zahlen genommen wird. Sonst kann aber auch a = −b sein, so dass zwar |a | = | − b | ist, aber entweder für a oder für b gilt: a , |a | bzw. b , | − b |, nämlich wenn 0 > a bzw. 0 > b.
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Ferner indem positive und negative Größen addirt oder subtrahirt werden, gelten sie als solche, die für sich positiv und negativ seyen, und es nicht bloß durch die Beziehung des Addirens oder Subtrahirens, auf diese äusserliche Weise werden. In 8 − (−3) heißt das erste Minus entgegengesetzt gegen 8, das zweyte Minus aber (−3) gilt als entgegengesetztes an sich, ausser dieser Beziehung. (277 | 63) Es ist das Operationszeichen in 8 − (−3) oder a − (−b) vom Vorzeichen zu unterscheiden. Andererseits ist (n, m) − (n 0, m 0 ) definierbar durch (n, m) + (−1)(n 0, m 0 ) = (n, m) + (m 0, n 0 ); so dass a − (−b) unmittelbar dasselbe ist wie a + b. Hier übernimmt Hegel ganz o=enbar Materialien seines Mathematikunterrichts in Nürnberg, wie schon in den Passagen zur Infinitesimalrechnung in der Seinslogik. Und er hat – bis auf einen Druckfehler und einen Ausdrucksfehler – absolut recht, die Dinge so genau zu erläutern. In der Schule geschieht das selten, weil es schon die Lehrer kaum verstehen. Näher tritt diß bey der Multiplication und Division hervor; hier ist das Positive wesentlich als das Nichtentgegengesetzte, das Negative hingegen als das Entgegengesetzte zu nehmen, nicht beyde Bestimmungen auf gleiche Weise nur als Entgegengesetzte überhaupt. Indem die Lehrbücher in den Beweisen, wie sich die Zeichen in diesen beyden Rechnungsarten verhalten, bey dem Begri=e ¦ der entgegengesetzten Größen überhaupt stehen bleiben, so sind diese Beweise unvollständig und verwickeln sich in Widersprüche. – (277 f. | 63) Für die Einführung negativer rationaler Zahlen beginnt man wie im Fall der ganzen Zahlen am besten zunächst bei den positiven Zahlen und setzt fest: −( mn ) = (−m) n . Damit ist auch sofort klar, wie Divisionen ganzer Zahlen und rationaler Zahlen zu verstehen sind. Begründet wird die Regel durch die Gleichung 0 = −( mn ) + ( mn ) = (−m+m) und n (−m) 0 m n = 0. Es ist aber auch n = (−n) , und zwar weil (−m) · (−n) = m · n ist. Plus und Minus erhalten aber bey der Multiplication und Division die bestimmtere Bedeutung von Positivem und Negativem an sich, weil das Verhältniß der Factoren, Einheit und Anzahl gegen einander zu seyn, nicht ein bloßes Verhältniß des Mehrens und Minderns ist, wie bey dem Addiren und Subtrahiren, sondern ein qualitatives;
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womit auch Plus und Minus die qualitative Bedeutung des Positiven und Negativen erhält. – (278 | 63) In der Multiplikation von positiven und negativen x · y Größen erhalten wir nicht bloß eine (absolute) quantitative Größe als Ergebnis, sondern eine gewichtete Länge auf der x -Achse, die positiv ist, wenn x und y beide positiv bzw. negativ sind, negativ, wenn sie ungleiche Vorzeichen haben. Ohne diese Bestimmung und bloß aus dem Begri=e entgegengesetzter Größen, kann leicht die schiefe Folgerung gezogen werden, daß wenn −a · +a = −a 2 ist, umgekehrt +a · −a = +a 2 gebe. Indem der eine Factor die Anzahl und der andere die Einheit, und zwar der voranstehende wie gewöhnlich die erstere bedeutet, so unterscheiden sich die beyden Ausdrücke −a · +a und +a · −a dadurch, daß im erstern +a die Einheit und | −a die Anzahl, und im andern es umgekehrt ist. Es pflegt nun beym erstem gesagt zu werden, wenn ich +a nehmen soll – a mahl, so nehme ich +a nicht bloß a mahl, sondern zugleich auf die ihm entgegengesetzte Weise, +a mahl −a ; also da es Plus ist, so habe ich es negativ zu nehmen, und das Product ist −a 2 . – Wenn aber im zweyten Falle −a zu nehmen ist +a mahl, so soll −a gleichfalls nicht −a mahl genommen werden, sondern in der ihm entgegengesetzten Bestimmung nemlich +a mahl. Nach dem Räsonnement des ersten Falles folgt also, daß das Product +a 2 seyn müsse. – Eben so bey der Division. (278 | 63 f.) Die Erklärung, warum a · (−a) = −a 2 sein soll, kann nicht lauten, dass man a »−a mal« nehmen soll. Vielmehr muss man verstehen, dass und warum man die qualitative ›Vorzeichenrechnung‹ (−1) · 1 = 1 · (−1) = −1 bzw. (−1) · (−1) = 1 · 1 = 1 abtrennt von der ›quantitativen‹ oder ›absoluten‹ Multiplikation a · b mit a > 0, b > 0. Diese Consequenz ist nothwendig, insofern Plus und Minus nur als entgegengesetzte Größen überhaupt genommen werden; dem Minus wird im ersten Falle die Kraft zugeschrieben, das Plus zu verändern; aber im andern sollte Plus nicht dieselbe Kraft über Minus haben, ungeachtet es so gut eine entgegengesetzte Größebestimmung ist, als dieses. In der That hat Plus diese Kraft nicht, denn es ist hier nach seiner qualitativen Bestimmung gegen Minus zu nehmen, indem die Factoren ein qualitatives Verhältniß zu einander haben.
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Insofern ist also das Negative hier das an sich Entgegengesetzte als solches, das Positive aber ist das unbestimmte, gleichgültige überhaupt; es ist wohl auch das Negative, aber des Andern, nicht an ihm selbst. – Eine Bestimmung als Negation kommt also allein durch das Negative herein, nicht durch das Positive. (278 | 64) Natürlich gilt (−1) · (−1) = 1, weil (a − b)2 = a 2 − 2ab + b 2 gilt (bzw. gelten soll), egal ob a > b oder a < b ist. So ist denn auch −a · −a = +a 2 , darum weil das negative a nicht bloß auf die entgegengesetzte Weise, (so würde es zu nehmen seyn, mit −a multiplicirt) sondern weil es negativ genommen werden soll. Die Negation der Negation aber ist das Positive. ¦| (278 | 64) (−a) · (−a) = a 2 lässt sich nicht dadurch ›begründen‹, dass das a ›negativ‹ genommen werden soll, sondern weil wir in der Festlegung der Richtung der Ergebnisse der Multiplikation (−a) · a = a · (−a) = −a 2 setzen und a 2 = (−a)2 . Im cartesischen Raum werden damit sozusagen per Konvention, aber aus sehr guten Gründen, die Flächen des 1. und 3. Quadranten als positiv, die des 2. und 4. Quadranten als negativ gewertet und über ihr Flächenmaß entsprechenden Längen mit positiven bzw. negativer Richtung zugeordnet.
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C. Der Widerspruch 1. Der Unterschied überhaupt enthält seine beyden Seiten als Momente; in der Verschiedenheit fallen sie gleichgültig auseinander; im Gegensatze als solchem sind sie Seiten des Unterschiedes, eines nur durchs andere bestimmt, somit nur Momente; aber sie sind eben so sehr bestimmt an ihnen selbst, gleichgültig gegen einander und sich gegenseitig ausschliessend; die selbstständigen Reflexionsbestimmungen. (279 | 65) Ein Unterschied in einem Bereich B ›enthält‹ immer (mindestens) zwei Teile A1 und A2 als seine Momente mit A1 ∪ A2 = B. Dabei sind die A1 und A2 verschieden. Sie stehen in einem Gegensatz zueinander, wenn A1 ∩ A2 = ∅, also kein Teil oder Element von A1 ein Teil oder Element von A2 ist und umgekehrt. An ihnen selbst sind die Ai durch das bestimmt, was sie ausschließen. A1 und A2 werden als
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selbständige Reflexionsbestimmungen aufgefasst, wenn man von B absieht. Die eine ist das Positive, die andere das Negative, aber jene als das an ihm selbst Positive, diese als das an ihm selbst Negative. Die gleichgültige Selbstständigkeit für sich hat jedes dadurch, daß es die Beziehung auf sein anderes Moment an ihm selbst hat; so ist es der ganze in sich geschlossene Gegensatz. – Als dieses Ganze ist jedes vermittelt durch sein Anderes mit sich, und enthält dasselbe. Aber es ist ferner durch das Nichtseyn seines Andern mit sich vermittelt; so ist es für sich seyende Einheit und schließt das Andere aus sich aus. (279 | 65) In einem Urteil »N ist A1 « ist A1 das Positive, A2 das Negative, wenn A1 und A2 aufeinander bezogen sind als Partition von B. Aber A2 ist im Satz »N ist A2 « auch das Positive – gerade weil es zunächst zu A1 bloß im Gegensatz steht. A1 »enthält« A2 dann natürlich nicht ›extensional‹, sondern ›intensional‹, nämlich in dem Sinn, als A1 in B bestimmt ist im Kontrast zu A2 , mit dem es zusammen das ganze B ausmacht. A1 ist zugleich in B ›durch das Nichtsein seines Anderen‹, also A2 , bestimmt, wenn, wie angenommen, A1 = B − A2 gilt. Indem die selbstständige Reflexionsbestimmung in derselben Rüksicht, als sie die andere enthält, und dadurch selbstständig ist, die andere ausschließt, so schließt sie in ihrer Selbstständigkeit ihre eigene Selbstständigkeit aus sich aus; denn diese besteht darin, die ihr andre Bestimmung in sich zu enthalten und dadurch allein nicht Beziehung auf ein äusserliches zu seyn, aber eben so sehr | unmittelbar darin, sie selbst zu seyn und die ihr negative Bestimmung von sich auszuschliessen. Sie ist so der Widerspruch. (279 | 65 f.) Das alles heißt, dass A1 doch nicht und nie völlig selbständig ist, sondern das, was es ist, ist es in B zusammen mit A2 , nämlich als Gegensatz und damit als Unterschied in B. A1 ist daher das, was es ist im Widerspruch zu A2 – und es ist jede Vorstellung von A1 ohne Bezugnahme auf A2 und B ein impliziter Widerspruch. Der Unterschied überhaupt ist schon der Widerspruch an sich; denn er ist die Einheit von solchen, die nur sind, in so fern sie nicht eins sind, – und die Trennung solcher, die nur sind als in derselben Beziehung getrennte. Das Positive und Negative aber sind der gesetz-
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te Widerspruch, weil sie als negative Einheiten, selbst das Setzen ihrer, und darin jedes das Aufheben seiner und das Setzen seines Gegentheils ist. – Sie machen die bestimmende Reflexion als ausschliessende aus; weil das Ausschliessen Ein Unterscheiden, und jedes der unterschiedenen als ausschliessendes selbst das ganze Ausschliessen ist, so schließt jedes in ihm selbst sich aus. (279 | 66) Jeder Unterschied definiert einen Widerspruch: Wenn man unterscheiden sollte und nicht unterscheidet, den Unterschied nicht beachtet, widerspricht man sich, indem man vorgibt, so und so zu unterscheiden, das aber gerade nicht tut. Das Positive (A1 ) und Negative (A2 = B − A1 ) »sind der gesetzte Widerspruch«. Was es heißen soll, wenn Hegel katachrestisch sagt: »So schließt jedes in ihm selbst sich aus«, bleibt jedoch leicht unklar; wir würden so nicht reden. Die beyden selbstständigen Reflexionsbestimmungen für sich betrachtet, so ist das Positive das Gesetztseyn als in die Gleichheit mit sich reflectirt; das Gesetztseyn, das nicht Beziehung auf ein anderes ist, das Bestehen also, insofern das Gesetztseyn aufgehoben und ausgeschlossen ist. Damit aber macht sich das Positive zur Beziehung eines Nichtseyns, – zu einem Gesetztseyn. – ¦ (279 | 66) Wir sprechen von zwei Reflexionsbestimmungen, dem ›Positiven‹ eines als mit sich identisch gesetzten Gegenstandes, einer Klasse von Dingen oder Sachen oder einer Extension, die im Gegensatz steht zu allem anderen (des relevanten Unterscheidungsbereichs), und den Beziehungen dieses ›Positiven‹ zu allem anderen. Indem man von dem Gegenstand (der Sache) für sich redet, schließt man (der idealen Form nach) alle Relationen zu Anderem, besonders aber auf uns Menschen als wahrnehmenden Unterscheidern, gedanklich aus der Bestimmung der Sache aus. Die Folge ist die völlige Aufhebung der Bestimmtheit der Sache. Der Satz, in dem Hegel dies zu artikulieren versucht, lautet: »Damit aber macht sich das Positive zur Beziehung eines Nichtseins, – zu einem Gesetztsein«. Der Satz klingt zunächst teils irreführend, teils unverständlich. Er besagt aber wohl nur schon wieder, was dauernd wiederholt wird, dass durch die Abstraktion von allen Relationen auf andere bestimmte Dinge das Objekt, das ›rein positiv‹ ohne alle Negativitäten und Beziehungen betrachtet werden sollte, zu einem bloßen Gesetztsein, einer leeren
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Position, einer ›Beziehung des Nichtseins‹ wird, also noch weniger bestimmt ist als eine Variable, für welche wenigstens das Ansichsein, der generische Gegenstandsbereich als Variablenbereich, bestimmt sein muss. So ist es der Widerspruch, daß es als das Setzen der Identität mit sich durch Ausschliessen des Negativen sich selbst zum Negativen von einem macht, also zu dem Andern, das es von sich ausschließt. Dieses ist als ausgeschlossenes frey von dem ausschliessenden gesetzt; hiemit als in sich reflectirt und selbst ausschliessend. So ist die ausschliessende Reflexion Setzen des Positiven, als ausschliessend das Andre, so daß diß Setzen unmittelbar das Setzen seines Andern, es ausschliessenden, ist. | (280 | 66) Jede Bestimmung von etwas schließt anderes aus. Das Setzen seiner Identität (mit sich) kontrastiert es zu anderem. Es gibt keine Bestimmung eines Gegenstandes, einer Sache oder eines Weltbereiches, die nicht schon Bezug nimmt auf Inferenzregeln, welche zunächst Kontrastregeln sind, welche den Ausschluss gewisser anderer ›Möglichkeiten‹ allgemein setzen. Das ist auch ein Gedanke Robert Brandoms. Dadurch ist jede Bestimmung von etwas als einem A zugleich Ausschluss von einem B (jetzt in einem C ), das seinerseits A ausschließt: A und B sind inkompatibel. Die »ausschließende Reflexion« ist so »Setzen des Positiven«, welches »das Andere« ausschließt, wobei dieser Ausschluss gleich mitgesetzt ist. Es sind also A und B nicht unabhängig voneinander bestimmt. Das gilt für abstrakte Prädikate wie gerade Zahlen (unter Ausschluss der ungeraden) nicht anders als für Familien- oder Gattungsbestimmungen: Säugetiere oder Katzen sind nur bestimmt in Abgrenzung zu allen anderen Nichtsäugern bzw. den nicht katzenartigen Säugetieren. Aber auch ein Einzelwesen wie der Ei=elturm oder Papst Johannes Paul II. sind im Kontrast zu all dem in ihrer Identität bestimmt, was sie (im relevanten Bereich) nicht sind. So ist z. B. der wirkliche Ei=elturm in Paris nicht identisch mit seinen vielen Nachbauten an anderen Orten der Welt; andererseits ist Karol Wojtyla als menschliche Gesamtperson identisch mit Papst Johannes Paul II., obwohl er als junger Schriftsteller und Geistlicher natürlich (noch) nicht Papst war.
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Diß ist der absolute Widerspruch des Positiven, aber er ist unmittelbar der absolute Widerspruch des Negativen; das Setzen beyder ist Eine Reflexion. – Das Negative für sich betrachtet gegen das Positive ist das Gesetztseyn als in die Ungleichheit mit sich reflectirt, das Negative als Negatives. Aber das Negative ist selbst das Ungleiche, das Nichtseyn eines andern; somit ist die Reflexion in seine Ungleichheit vielmehr seine Beziehung auf sich selbst. – (280 | 67) Das Setzen des Positiven in einer Unterscheidung ist zugleich das Setzen des Negativen, der Gegensätze und damit eines Oberbereichs, der relativen oder gerade relevanten Gattung G . Es sind dabei wieder zwei Arten von Widersprüchen zu beachten, die gesetzten Inkompatibilitäten in G , nach welchen daraus, dass etwas ein A in G ist, folgt oder gefolgert werden darf, dass es kein B in G ist, und der Widerspruch der Tatsache, dass diese Setzungen unsere Setzungen sind, zu der Vorstellung, die Sachen selbst seien rein für sich so bestimmt, sie zeigten genau die Kontraste, die wir für sie setzen. Das tun sie schon wegen der relativen Bezugnahme auf G nicht. – Die Reflexion einer Sache A in ihre Ungleichheit, wie sich Hegel auszudrücken beliebt, ist insofern eine Beziehung auf sich selbst, als A selbst immer nur durch Ausschluss von B in G definiert ist. Die Negation überhaupt ist das Negative als Qualität, oder unmittelbare Bestimmtheit; das Negative aber als Negatives, ist es bezogen auf das Negative seiner, auf sein Anderes. Wird diß Negative nur als identisch mit dem ersten genommen, so ist es, wie auch das erstere, nur unmittelbar; sie werden so nicht genommen als Andere gegeneinander, somit nicht als Negative; das Negative ist überhaupt nicht ein unmittelbares. – Indem nun ferner aber eben so sehr jedes dasselbe ist, was das andre, so ist diese Beziehung der Ungleichen eben so sehr ihre identische Beziehung. (280 | 67) Eine alternative Lesart dieser schwierigen Passagen wäre es, Hegel hier den Grundgedanken der Beziehung von Gegenstand und Eigenschaft, Name und Prädikat in der elementaren Prädikation, dem Gebrauch der Kopula »ist« im Sinne des »« der Satzform »N ist P « bzw. »N ε P « zuzuschreiben. Denn dann gilt, dass jedes N ganz in P oder ganz in P C = G − P ist, dass also das Zweiwertigkeitsprinzip in der folgenden Form gilt: es ist N ε P oder es ist N ε P C .
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›Extensional‹ muss dann also ›alles‹, was N ist, ganz in P sein oder ganz in P C sein. Zu sagen, dass das N ein P ist, schließt also sozusagen aus, dass ein ›Teil‹ von N nicht P ist. Das scheint freilich unserer Beobachtung zu widersprechen, dass der junge Karol Wojtyla (noch) nicht Papst ist, also der Satz »Karol Wojtyla ist Papst Johannes Paul II.« erst ab einem gewissen Zeitpunkt gilt. Wenn wir daher über die Person als ganze sprechen, muss der ›Widerspruch‹, dass der junge Karol Wojtyla (noch) nicht Papst Johannes Paul II. ist, auf eine gewisse Weise aufgehoben werden. Das geschieht dadurch, dass nur über die Gesamtperson und nicht bloß über Teilaspekte gesprochen wird und ihre ›Attribute‹ sozusagen zeitlos der Person zugeordnet werden – sodass sie auch zeitbeschränkte Eigenschaften haben kann, nämlich z. B. dass sie von ihrer Inthronisation bis zum Tod Papst ist (und war), zuvor aber Kardinal, Bischof von Krakau, Hochschullehrer und Theaterschriftsteller. Jetzt können wir insgesamt neu versuchen, die schwierigen Passagen auszulegen. Die Negation ist das Negative einer qualitativen, sinnlich vermittelten Unterscheidung, die als solche erstens durch ein Wort, Logos qua Ausdruck, markiert ist, zweitens als Horos oder Begrenzung zwischen Innen und Außen, Positivem und Negativem, Ja und Nein unterscheidet. Dabei bemühen wir uns nach Möglichkeit um eine gemeinsame Unterscheidung, was immer auch bedeutet, dass wir das Niemandsland der Grenzfälle, die unvermeidlichen ›Widersprüche‹ des Ja und Nein oder ›Jein‹, eigens zu behandeln haben. – Jede qualitative Unterscheidung ist unmittelbar, soweit ich sie vollziehe. Aber sie soll eine gemeinsame Unterscheidung sein, durch kanonische Normen des richtigen Unterscheidens vermittelt. Das nimmt ihr ihre Unmittelbarkeit. Die qualitativen Unterscheidungen erstens der von uns selbst beliebig reproduzierbaren Symbole (Wörter als sprachlichen Repräsentationen) als auch der im Verlauf des präsentischen Geschehens uns gegebenen wahrnehmbaren Qualitäten können dann beide zu verschiedenartigen Repräsentationen der gemeinsamen Bezugsgegenstände werden. So fungiert z. B. das geäußerte Wort »Tisch«, aber auch die Präsentation einer sinnlichen Wahrnehmungsgestalt je bei mir hier oder bei dir dort als Repräsentation des von uns gemeinsam
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identifizierbaren Tisches. Das heißt, wir bewerten meine und deine Äußerung des Wortes »Tisch« als gleichgültig, aber auch mein und dein Sehen des Tisches. Ich vermeide hier das belastete Wort »Vorstellung« und ersetze es immer durch »Präsentation« bzw. »Repräsentation«. Hegels Gedanke, Gleichgültigkeitsbeziehungen oder Äquivalenzrelationen als Partitionen und, wenn es schon sortale Gegenstände gibt, als Äquivalenzklassen darzustellen, ist für die systematische Ordnung durchaus zielführend – und daher modern. Denn die Bestimmtheit eines gemeinsamen Redegegenstandes – und sei es der Farbe Rot oder Grün, der Gestalt eines Kreises oder Rechtecks etc. – ist das Negative des Negativen, bezogen auf das jeweils relevante Andere. Man nimmt damit Bezug auf den Kontrast oder Gegensatz zu allen anderen Äquivalenzklassen. Innerhalb einer Äquivalenz sind die repräsentativen Sachen gleichwertig; wir haben in einer Äquivalenz immer noch die Möglichkeit feinerer Bestimmungen oder Unterscheidungen. Wir verzichten aber auf diese feineren Di=erenzierungen, indem wir sie als gleichgültig im relevanten Kontrast bewerten. Schattierungen des Roten, Blauen und Grünen spielen also unter Umständen ebenso wenig eine Rolle wie die ›Exaktheit‹ des Kreises, Rechtecks oder Dreiecks. O=enbar ist die Bestimmung von etwas immer schon vermittelt durch die relevanten Kontrastierungen und die Ausgliederung dessen, was ich hier metaphorisch das »Niemandsland« zwischen den Grenzen nenne, um auf das ›Problem‹ der ›stetigen‹ Übergänge und kategorialen Ausgrenzungen hinzuweisen. So ist z. B. der ›leere‹ Raum eine Art grenzziehendes Niemandsland zwischen mittelgroßen physischen Körperdingen. Dieser leere Raum ist natürlich nie völlig leer; er ist jeweils nur leer in Bezug auf die relevanten Dinge, so wie ein Saal leer ist, wenn keine Menschen, Möbel oder Dinge in ihm sind – je nachdem, worauf wir fokussieren. Der Glaube, das Wort »leer« könne ›absolut‹ verwendet werden, also so, dass der Bereich der relevanten Dinge nicht angegeben wird, ist logisch so naiv wie der Glaube, die Wörter »es gibt« oder »nichts« seien nicht jeweils nur relativ auf die relevanten Gegenstandsbereiche zu lesen. Man kann daher nicht absolut sagen, dass es Pegasus und Einhörner nicht gibt, während es Napoleon und Cäsaren irgendwie gab, aber nicht mehr gibt, die Zahl 5 oder die Primzahlen soll es dagegen immer geben und gegeben ha-
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ben. Ohne Angabe des relevanten kategorialen Bereichs hat weder ein »es gibt« noch ein »es gibt nicht« einen wohlbestimmten Sinn. Hegel betont hier, dass wir die Normen des gemeinsamen Unterscheidens immer auf die des gemeinsamen Nichtunterscheidens beziehen müssen, da es uns ja gerade um die Bewertung der Gleichwertigkeit verschiedener Präsentationen und Repräsentationen (Anschauungen oder Vorstellungen) desselben geht. Dasselbe aber ist immer nur definiert im Kontrast oder Gegensatz zu ›seinem‹ anderen, so wie das Rote zum Nichtroten, in dem das Gelbe oder Blaue oder Grüne liegt, usf. Wieder wäre es naiv, »dasselbe« unabhängig vom relevanten Bereich (des Unterscheidens oder Nichtunterscheidens) definieren zu wollen und zu sagen, ›alles‹ sei von ›allem anderen‹ unterschieden. Heraklit zum Beispiel weiß schon, dass es ganz verschiedene Gleichheiten sind, ob wir vom gleichen Fluss (etwa dem Mäander oder dem Rhein) sprechen oder z. B. von dem gleichen Wasserschwall, der gerade vorbeifließt. Er selbst sagt daher gar nicht, was man ihm nachsagt, nämlich dass man nicht zweimal in den gleichen Fluss steigen könne. Statt als Behauptungen sind Heraklits Sätze ohnehin wie die Hegels nur als kommentierte Hinweise auf eine uns praktisch längst bekannte Technik des Unterscheidens und Nichtunterscheidens zu lesen, deren Form erst durch solche Kommentare bewusst erkannt wird. Wichtig ist, dass nur im Kontext des gemeinsamen Unterscheidens und Nichtunterscheidens etwas als etwas Bestimmtes zum Bezugsgegenstand sowohl des Zeigens als auch des Sagens, der Anschauung wie des Denkens werden kann. Rein unmittelbar ist nur eine subjektive sinnliche Reaktion, die als solche noch nicht einmal von einer anderen der Art oder Form nach unterschieden wäre. Was nicht allgemein unterschieden ist, ist gar nicht bestimmt. Daher sind sogenannte Sinnesdaten, Qualia, Ereignistoken oder andere Pseudo-Entitäten eines formallogischen Empirismus gar nicht bestimmt. Das Logische der Sätze und Benennungen hängt daher in Russells Logischem Atomismus und Wittgensteins Abbildtheorie des Tractatus vollständig in leerer Luft. D. h. es gibt gar keine Elementargegenstände und Basissätze, welche die Grundlage für eine Bestimmung der Geltung logisch komplexer Sätze und Kennzeichnungen liefern könnten. Die idealis-
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tische mathematische Logik aus der höheren Arithmetik der reinen Mengenlehre lässt sich so nicht auf innerweltliche Dinge übertragen. Warum aber soll jedes dasselbe sein wie das Andere? Warum soll die Beziehung der Ungleichheit eine identische Beziehung sein? Jede sinnvolle Antwort auf diese Fragen muss erst einmal darüber nachdenken, wovon gerade die Rede ist. Dann sieht man z. B. am Beispiel der Zahlen, dass alle Figuren der Art 1, 2, . . . , 10, 102 usf. insofern gleich sind, als sie Zahlterme sind. Es gilt 1 , 2, 2 , 10 usf., wenn wir das Dezimalsystem unterstellen. Außerdem sind die Figuren 2, 1 + 1, 3 − 1 usf. verschieden, aber die durch sie repräsentierte Zahl ist ein und dieselbe. Diß ist also derselbe Widerspruch, der das Positive ist, nemlich Gesetztseyn oder Negation, als Beziehung auf sich. Aber das Positive ist nur an sich dieser Widerspruch; das Negative dagegen der gesetzte Widerspruch; denn in seiner Reflexion in sich, an und für sich Negatives oder als Negatives identisch mit sich zu seyn, hat es die Bestimmung, daß es Nichtidentisches, Ausschliessen der Identität sey. Es ist diß, gegen die Identität identisch mit sich zu seyn, hiemit durch seine ausschliessende Reflexion sich selbst von sich auszuschliessen. (280 | 67) Ohne dass wir festhalten, welche Unterscheidungskontraste und Äquivalenzbewertungen relevant sind, geraten wir in den gerade erwähnten (skeptizistischen) Widerspruch, dass alles verschieden ist, dass es keine Gleichheit oder Identität gibt als die leere des A = A, dass also etwas nur mit sich identisch sei. Man übersieht dann das Gesetztsein. Dieses besteht in einer Art Paarung von Negation als Unterscheidung und Negation der Negation als Nichtunterscheidung. Eine Reflexion in sich von etwas macht die Äquivalenzrelation explizit, welche die betre=enden gemeinsamen Bezugsgegenstände allererst definiert. Wie aber Heraklit schon gesehen hat, kann dabei immer eine feinere Unterscheidung in den Fokus rücken, so wie man zu jeder Bedeutung von Namen als Bezug feinere Sinnunterscheidungen und beliebige Partitionen dieser Unterscheidungen als feinere Sinnäquivalenzen setzen kann. So kann ich sagen, dass ich mit mir identisch bin, seit es mich gibt. Oder ich kann sagen, dass ich zwischen zeitlichen
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Phasen von mir unterscheiden möchte, meinetwegen in Kindheit, Jugend, Studium und Beruf oder, wenn man will, nach Dekaden, Jahren oder meinetwegen beliebigen Epochen. Es gibt aber noch viele andere solche Teilklassifizierungen. Das Problem der Analytischen Philosophie des 20. Jahrhunderts ist, dass sie Freges Unterscheidung zwischen Bedeutung und Sinn nicht in ihrer Variabilität und generischen Allgemeinheit, sondern ›absolut‹ versteht, als gäbe es vorab definierte Bedeutungs- bzw. Sinngleichheiten und nicht kontextuell und situationstypenabhängige Festsetzungen. Es präsupponiert die Rede von der BedeutungF von Namen eine bestimmte Gleichheit. Die Rede von ihrem SinnF verweist auf variable Möglichkeiten feinerer oder gröberer Sinngleichheitsbestimmungen. Daher ist der Versuch einer ›flächendeckenden‹ Definition ›des Sinns‹ eines (namenartigen) Ausdrucks in der Form der ›Intension‹ oder gar einer ›intensionalen Isomorphie‹ bei Carnap insofern irreführend, als er den bloß relativen Sinn der Unterscheidung zwischen Sinn und Bedeutung verfehlt, den freilich Frege selbst auch noch nicht klar gesehen hat. Der Ausdruck »der Sinn von X « ist daher ein Abstraktor, der in Abhängigkeit von einer im Kontext als relevant nahegelegten oder skizzierten Sinnäquivalenz für die im Kontext zu betrachtenden X je einen Reflexionsgegenstand erzeugt, ähnlich wie »der Begri= X « für eine passende Begri=sgleichheit. Das Negative ist also die ganze, als Entgegensetzung auf sich beruhende Entgegensetzung, der absolute | sich nicht auf anderes beziehende Unterschied; er schließt als Entgegensetzung die Identität von sich aus; aber somit sich selbst, denn als Beziehung auf sich bestimmt er sich als die Identität selbst, die er ausschließt. (280 | 67 f.) Die Ausdrucksform ist o=enbar gewollt katachrestisch. Sie artikuliert den in der Tat sich selbst scheinbar widersprechenden und doch ganz richtigen Gedanken, dass die Gleichheit durch Negation der Verschiedenheit definiert ist. Das Positive ist entsprechend Negation des Negativen. Die Entgegensetzung ist ein Kontrast in einem Bereich, der schon als bekannt unterstellt sein muss. Da alles, was in einem solchen Bereich von etwas Bestimmtem unterschieden ist, dessen Negatives ist, ist dieses Negative sozusagen der Gesamtbereich des Anderen, so wie das Negative der Farbe Rot alle anderen
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Farben sind. Ausgeschlossen ist nur die Äquivalenz des Positiven. Ansonsten enthält das Negative einer Sache oder eines Gegenstandes den gesamten Bereich. Dessen Identität wiederum ist gerade durch den Ausschluss dessen bestimmt, was erstens nicht in sich zu unterscheiden ist, zweitens als Anderes im Bereich bestimmt und von ihm als ungleich zu unterscheiden ist. Das Wort »absolut« mag hier signalisieren, dass wir von der Unterscheidung im Vollzug je durch mich oder dich zum Unterschied übergegangen sind, der als solcher das ist, was man (richtigerweise) so und so unterscheiden sollte. 2. Der Widerspruch löst sich auf. In der sich selbst ausschliessenden Reflexion, die betrachtet wurde, hebt das Positive und das Negative jedes in seiner Selbstständigkeit sich selbst auf; jedes ist schlechthin das Uebergehen oder vielmehr das sich Uebersetzen seiner in sein Gegentheil. Diß rastlose Verschwinden der Entgegengesetzten in ihnen selbst ist die nächste Einheit, welche durch den Widerspruch zu Stande kommt; sie ist die Null. ¦ (280 | 68) Der Widerspruch des Identitätsskeptikers löst sich auf. Einem solchen Skeptiker ist ›alles‹ verschieden. Er will wie der junge Wittgenstein nur die tautologische Gleichheit zulassen. Indem wir dagegen Gleichheit und Ungleichheit, Nichtunterscheidung und Unterschied immer in Bezugnahme auf einen schon begrenzten, als bekannt unterstellten Unterscheidungsbereich und die entsprechenden relevanten Äquivalenz- und Di=erenzbestimmungen begreifen, ist das Positive und Negative einer Unterscheidung auf diesen Bereich und die zugehörige Praxis zu beziehen. Damit verschwindet auch die Vorstellung des Empiristen, man könne über absolut Einzelnes wie Sinnesdaten oder unausgedehnte Raumzeitpunkte oder absolute einzelne Ereignisse reden: Alle diese ›Gegenstände‹ sind null und nichts. Es gibt keinen Gegenstandsbereich der Raum-Zeit-Punkte, der Ereignistoken, der Sinnesdaten. Dagegen gibt es Pegasus, Einhörner und Zentauren, weil wir diese als Romanfiguren oder Gestalten in mythologischen Gemälden unterscheiden können und es formal wahre Sätze über sie gibt. Der Widerspruch enthält aber nicht bloß das Negative sondern auch das Positive; oder die sich selbst ausschliessende Reflexion ist zugleich setzende Reflexion; das Resultat des Widerspruchs ist nicht
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nur Null. – Das Positive und Negative machen das Gesetztseyn der Selbstständigkeit aus; die Negation ihrer durch sie selbst hebt das Gesetztseyn der Selbstständigkeit auf. Diß ist es, was in Wahrheit im Widerspruche zu Grund geht. (281 | 68) Der skeptische Widerspruch gegen Identität und gegen den Unterschied eines Gegenstands zu ›seinem Anderen‹ hebt sich aber nur dann auf, wenn man den naiven Gedanken aufgibt, die Gegenstände und ihre Bereiche gäbe es schon, sie seien nicht erst durch die Verwandlung von Unterscheidungen in Unterschiede bzw. Nichtunterscheidungen in Gleichheiten zu setzen. Damit wird klar, dass und warum jeder Glaube an eine unmittelbare Ontologie ›wirklicher‹ Gegenstände als Bereich von Variablen logisch abgrundtief naiv ist, so wie der Pythagoräismus, der unter anderem die mathematischen reinen sortalen Mengen bzw. die Anzahl der Elemente einer solchen Menge mit Mengen von Dingen in der Welt bzw. einer Anzahl solcher Dinge verwechselt, ein Fehler, der noch bei Aristoteles, Hume und Frege zu finden ist. Das Gesetztsein der Gegenstände eines Gegenstands- oder Redebereichs und deren Selbständigkeit ergibt sich durch die eingeübten Normen des rechten Unterscheidens, Identifizierens und Benennens bzw. Repräsentierens. Das Positive ist dabei jeweils der Gegenstand, das Negative der Gesamtbereich aller anderen Gegenstände des Bereichs, so dass der Gegenstand selbst immer nur in der doppelten Beziehung der Ungleichheit zu anderem und des Fürsichseins seiner eigenen Momente als Präsentationen oder Repräsentationen bestimmt ist. In Bezug auf Letztere ist der Gegenstand der Grund; seine präsentischen, damit empirischen Erscheinungen und repräsentativen, damit kultürlichen Benennungen sind ›oberflächliche‹ Zugänge zu ihm. Hegels ironisches Spiel führt den Grund so ein, dass im Begri= dessen, was einer Erscheinung zu Grunde liegt, die Erscheinung als selbständiger Gegenstand zugrunde geht. Man kann das auch so sagen: Im Dingbezug hebt sich die Vorstellung auf, das Ding sei ein Bündel von wahrnehmbaren Qualitäten. Es gibt keine solchen Qualitäten oder Qualia als unmittelbar gegebene Gegenstände, welche über eine Art Ansammlung oder Mengenbildung zu Dingen führen. Auch Kants Rede von einem Objekt oder
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Gegenstand ›als Erscheinung‹ ist hier ganz irreführend. Der Stuhl oder Tisch vor mir ist nicht selbst eine experience, sondern liegt seinen Wahrnehmungsgestalten zu Grunde. Handelnd und redend beziehen wir uns auf Dinge und eben nicht (nur) auf Klassen von Phänomenen. Es gibt hier eine robuste Praxis des gemeinsamen Umgangs mit präsentischen Dingen und mit den von uns geformten symbolischen Repräsentationen, die als Benennungen fungieren, aber eben nur im vorab schon verstandenen Gegenstandsbereich. Die Reflexion in sich, wodurch die Seiten des Gegensatzes sich zu selbstständigen Beziehungen auf sich machen, ist zunächst ihre Selbstständigkeit als unterschiedener Momente; sie sind so nur an sich diese Selbstständigkeit, denn sie sind noch entgegengesetzte, und daß sie es an sich sind, macht ihr Gesetztseyn aus. Aber ihre ausschliessende Reflexion hebt diß Gesetztseyn auf, macht sie zu fürsichseyenden Selbstständigen, zu solchen, die nicht nur an sich, sondern durch ihre negati|ve Beziehung auf ihr anderes selbstständig sind; ihre Selbstständigkeit ist auf diese Weise auch gesetzt. Aber ferner machen sie sich durch diß ihr Setzen zu einem Gesetztseyn. Sie richten sich zu Grunde, indem sie sich bestimmen als das mit sich identische, aber darin vielmehr als das Negative, als ein mit sich identisches, das Beziehung auf anderes ist. (281 | 68 f.) Dass Dinge in sich reflektiert sind, bedeutet, dass wir in unserem Dingbezug die praktischen und theoretischen Unterscheidungen und Identifikationen schon als bekannt voraussetzen, also auch die entsprechenden Formen des richtigen Handelns und Normen des richtigen Redens bzw. Urteilens. Explizit machen wir die Reflexion eines jeden Gegenstandes in sich in der Reflexion auf seine Präsentationen und Repräsentationen, so wie wir dies bei Zahlen tun, deren Seinsweise wir auch nur dadurch explizit machen können, dass wir über die entsprechende Zeichenpraxis sprechen, wie der spätere Wittgenstein sowohl gegen Frege und Russell als auch gegen Hilbert und Carnap, also gegen den Logizismus und gegen den Axiomatizismus, mit vollem Recht betont. Wir selbst sind es also, die durch Festsetzung des Für-sich-Seins (also auch der Wahrheitswerte der Gleichungen) der Gegenstände vor dem Hintergrund qualitativer Unterscheidungen deren Selbständig-
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keit allererst festlegen, etwa als das, was einer Erscheinung zu Grunde liegt. Im abstrakten Fall ist es der Gegenstand, auf den wir mit diversen Namen repräsentativ Bezug nehmen, im konkreten Fall kommen seine Präsentationen und die ihm zugeschriebenen Wirkungen hinzu. Es ist selbst nur eine oberflächliche Kritik gegen diese Einsicht, wenn man betont, dass die selbständige Realität und Identität etwa des Stuhls oder der Katze auf der Matte sich im Unterschied zur Identität abstrakter Gegenstände nicht willkürlich (›idealistisch‹) durch uns festlegen ließe. Niemand hat gesagt, dass die Setzungen dessen, was zu unterscheiden oder zu identifizieren ist, willkürlich wären. Es bleiben aber normative Setzungen, was wir tun müssen, wenn wir gemeinsam auf die Welt oder ein Reich mathematischer Gegenstände Bezug nehmen wollen. Allein diese ausschliessende Reflexion ist näher betrachtet, nicht nur diese formelle Bestimmung. Sie ist ansichseyende Selbstständigkeit, und ist das Aufheben dieses Gesetztseyns und durch diß Aufheben erst fürsichseyende und in der That selbstständige Einheit. Durch das Aufheben des Andersseyns oder Gesetztseyns ist zwar wieder das Gesetztseyn, das Negative eines Andern, vorhanden. Aber in der That ist diese Negation nicht wieder nur erste unmittelbare Beziehung auf Anderes, nicht Gesetztseyn als aufgehobene Unmittelbarkeit, sondern als aufgehobenes Gesetztseyn. (281 | 69) Die ›ausschließende Reflexion‹ der Identitätsbestimmung eines Gegenstandes, etwa eines Dinges, das man einer Erscheinung als seine ›Ursache‹ zum Grunde legt, also als Ursache setzt, ist nicht bloß, wie bei reinen abstrakten Gegenständen, eine formelle Bestimmung. Denn die Identität einer Katze oder eines Stuhls ist ›ansichseiende Selbständigkeit‹. Das heißt, die Katze selbst lebt ihrer Art nach so, dass ihre Individualität schon bestimmt ist. Wir müssen diese nur in unserer Identifikationspraxis angemessen berücksichtigen. Bei Vögeln benutzen wir dazu eine Praxis der Beringung – und setzen dabei voraus, dass die beschrifteten Ringe nicht von selbst von einem Vogel zum anderen wandern oder sich die Beschriftungen ändern. Auch Dinge wie Stühle lassen sich so einigermaßen sicher wiedererkennen und, wenn man unbedingt will, ›taufen‹, also als ›Individuen‹ benennen. Aufgehoben ist das Gesetztsein in der Voraussetzung der Gegeben-
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heit des Gegenstandes als dem, was einer Erscheinung zu Grunde liegt und als Wesen selbständige Einheit für die Zeit seiner Existenz ist. Hier wird der Unterschied zwischen Wesen als Grund und Erscheinung als durch das Wesen verursacht insofern aufgehoben, als die Erscheinung des Wesens dessen Präsentation ist und damit alle Erscheinungen desselben Wesens für den Zugang zu ihm in diversen Bezugnahmen (unter Berücksichtigung von Perspektivenänderungen) äquivalent und entsprechend von Erscheinungen anderer Dinge disjunkt unterschieden sind. Daher ist die Unterscheidung zwischen Erscheinungen und Wesen eine kategoriale Unterscheidung derselben Art und Form wie die zwischen Namen und Gegenstand, Benennung und Bezugsobjekt. Die ausschliessende Reflexion der Selbstständigkeit, indem sie ausschliessend ist, macht sich zum Gesetztseyn, aber ist eben so sehr Aufheben ihres Gesetztseyns. Sie ist aufhebende Beziehung auf sich; sie hebt darin erstens das Negative auf und zweytens setzt sie sich als negatives, und diß ist erst dasjenige Negative, das sie aufhebt; im Aufheben des Negativen setzt und hebt sie zugleich es auf. Die ausschliessende Bestimmung selbst ist auf diese Weise sich das Andre, dessen Negation sie ist; das Aufheben dieses Gesetztseyns ist daher nicht wieder Gesetztseyn als das Negative eines Andern, sondern ist das Zusammengehen mit sich selbst, das positive Einheit mit sich ist. Die Selbstständigkeit ist so durch ihre eigene Negation in sich zurückkehrende Einheit, indem sie durch die Negation ihres Gesetztseyns in sich zurückkehrt. Sie ist die Einheit des Wesens, durch die Negation nicht ei|nes Andern, sondern ihrer selbst identisch mit sich zu seyn. (281 | 69 f.) Hegels schwierige Sätze sind wohl so auszulegen: Die ausschließende Reflexion der Selbständigkeit ist in ihrer Verschiedenheit zu anderen die bestimmte Identität der Bezugsobjekte, nämlich während der Zeit ihrer Existenz (ihrer ›Lebenszeit‹), solange man sich also auf sie präsentisch beziehen kann oder könnte. Wenn die Dinge nicht mehr vorhanden sind, ist diese Zeit als Epoche oder Zeit ihres Vorhandenseins zu bestimmen. Das gilt für alle endlichen und damit zeitlichen Dinge. Zu diesen gehören reine Zahlen oder Pegasus gerade nicht, wohl aber Cäsar und der Ei=elturm, auch ich und du. Die
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Identität des Bezugsobjekts ist Gesetztsein durch die Bestimmung der Gleichgültigkeitsrelation zwischen seinen Präsentationen und Repräsentationen, Erscheinungen und Benennungen. Aufgehoben wird das Gesetztsein durch die Voraussetzung des Objekts oder Gegenstandes als Grund seiner Präsentationen in der Gegenwart seiner Anschaubarkeit und als Gegenstand seiner Benennungen. Die Analytische Philosophie setzt diese Beziehungen naiv als gegeben voraus und kommt daher in Bezug auf die Gegenstandskonstitution nicht über den vorkantischen Stand des 17. und 18. Jahrhunderts im Denken eines Hobbes, Locke und Hume hinaus. Eben darin liegen auch die Fruchtlosigkeit der Thesen zu Realismus und Nominalismus, Physikalismus und Empirismus in der analytischen Metaphysik: Die einen glauben blind an die Dinge (samt Eigenschaften), die anderen meinen, es gäbe nur Sinnesdaten oder Sinnesreizungen und Wörter, die einem nach einer gewissen Pawlowschen Abrichtung so aus dem Munde fallen wie den ›Verrückten‹, die wir gelegentlich auf ö=entlichen Plätzen oder in Straßenbahnen tre=en. Als volle Personen handeln wir im Sprechen. D. h., wir prüfen, was uns zunächst zu dem einfällt, was wir gerade wahrnehmen, indem wir erstens ein zweites oder drittes Mal hinschauen und zweitens überlegen, was es sonst noch sein könnte, und drittens nachdenken, was sonst noch zu sagen ist. Wir reagieren also nicht einfach enaktiv auf Perzeptionen, wie dies Tiere tun und wie es auch noch Alva Noë in Action in Perception beschreibt. Die empirische Kognitionstheorie seit Hume operiert mit der animalischen Form des Erkennens. Als Personen aber handeln wir schon im Wahrnehmen, indem wir leise urteilen und nach einem entsprechenden Durchlauf durch ein bloß versuchsartiges verbal planning ggf. laut etwas zum Wahrgenommenen sagen, also explizit urteilen und uns nicht nur irgendwie reaktiv benehmen. Der bis in die Gegenwartsphilosophie reichende Britische Empirismus irrt sich wie eine bloß behavioristische Kognitionswissenschaft in ihrer Methodik und ihren Selbstkommentaren. Echte Humanpsychologie des Erkennens ist eine Wissenschaft, auf die wohl noch zu warten ist. Eine solche müsste die Formeinsichten der Geisteswissenschaften, besonders der Sprachform- und Begri=sanalysen, als methodische Voraussetzungen anerkennen und kann nicht einfach an statistischen
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Häufigkeiten etwa aus bildgebenden Betrachtungsverfahren spekulative ›erklärende‹ Theorien oder kausale ›Funktionsmodelle‹ entwickeln. Methodisch geht das schon deswegen nicht, weil die Gegenstände, die wir wahrnehmen, in der Bezugnahme schon begri=lich bestimmt sind. 3. Nach dieser positiven Seite, daß die Selbstständigkeit im Gegensatze, als ausschliessende Reflexion sich zum Gesetztseyn macht, und es eben so sehr auf¦hebt, Gesetztseyn zu seyn, ist der Gegensatz nicht nur zu Grunde, sondern in seinen Grund zurückgegangen. – (281 f. | 70) Hegel kommentiert hier die Zweideutigkeit in der Rede davon, dass die Erscheinung als selbständig zugrunde geht, wenn wir ihr auf den wesenslogischen Grund gehen, also etwa das Ding als ihre Ursache ansehen. Die ausschliessende Reflexion des selbstständigen Gegensatzes macht ihn zu einem Negativen, nur Gesetzten; sie setzt dadurch ihre zunächst selbstständigen Bestimmungen, das Positive und Negative, zu solchen herab, welche nur Bestimmungen sind; und indem so das Gesetztseyn zum Gesetztseyn gemacht wird, ist es überhaupt in seine Einheit mit sich zurückgekehrt; es ist das einfache Wesen, aber das Wesen als Grund. Durch das Aufheben der sich an sich selbst widersprechenden Bestimmungen des Wesens, ist dieses wiederhergestellt, jedoch mit der Bestimmung, ausschliessende Reflexionseinheit zu seyn, – einfache Einheit, welche sich selbst als Negatives bestimmt, aber in diesem Gesetztseyn unmittelbar sich selbst gleich und mit sich zusammengegangen ist. (282 | 70) Hegels Rede von einer ausschließenden Reflexion des selbständigen Gegenstandes meint natürlich die Vorstellung, das Bezugsobjekt wäre ohne Vermittlung über unsere Normen richtiger gemeinsamer Bezugnahmen in präsentischer Anschauung oder repräsentativen Benennungen in seiner Existenz und Identität bestimmt. Diese Vorstellung macht den Gegenstand »zu etwas Negativem« – wenn man das Positive wie im sogenannten Positivismus als die empirischen Sinnesempfindungen annimmt. Doch ohne eine Betrachtung der Vermittlung durch gemeinsame Bezugnahmen wäre der abgetrennte Gegenstand ›etwas bloß als gegeben Gesetztes‹, und zwar völlig losgelöst von uns und unserer Welt. Über das ganz Andere der wirk-
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lichen Welt kann man nur ganz willkürliche Mythen erzählen. Jeder Anspruch, irgendwelche Orientierungen geben zu können, wird durch diese reine Willkür leer. Anders gesagt, der Glaube an eine absolute Trennung von Wesen und Erscheinung, Ding an sich und erfahrbare Welt, auch Objekt und das Subjekt ist begri=licher Widersinn. Wir müssen die Bestimmungen des Objekts als unsere begreifen. Zugleich müssen wir die Formbestimmung des Fürsichseins des Gegenstandes verstehen lernen. Das Objekt wird zum Wesen der Erscheinung. Es liegt ihr als Ursache zu Grunde. Dabei sind die sich prima facie widersprechenden Bestimmungen des Wesens, Grundes oder der objektiven Ursache einer wahrnehmbaren Erscheinung auf die angegebene Weise logisch aufzuheben, um zu sehen, dass und wie die vorhandenen Dinge in ihrer Identität in gemeinsamen Unterscheidungen und Gleichgültigkeitsurteilen als ihr An-und-für-sich-Sein konstituiert (nicht: konstruiert) sind. Sie sind dabei immer auch Momente einer Reflexion auf die Entgegensetzung von Objekt und Bezugnahme. Zunächst geht also der selbstständige Gegensatz durch seinen Widerspruch in den Grund zurück; jener ist das Erste, Unmittelbare, von dem angefangen wird, und der aufgehobene Gegensatz oder das aufgehobene Gesetztseyn ist selbst ein Gesetztseyn. Somit ist das Wesen als Grund ein Gesetztseyn, ein gewordenes. Aber umgekehrt hat sich nur diß gesetzt, daß der Gegensatz oder das Gesetztseyn ein aufgehobenes, nur als Gesetztseyn ist. Das Wesen ist also als Grund so ausschliessende Reflexion, daß es sich selbst zum Gesetztseyn macht, daß der Gegensatz, von dem vorhin der | Anfang gemacht wurde und der das Unmittelbare war, die nur gesetzte, bestimmte Selbstständigkeit des Wesens ist, und daß er nur das sich an ihm selbst aufhebende, das Wesen aber das in seiner Bestimmtheit in sich reflectirte ist. Das Wesen schließt als Grund sich von sich selbst aus, es setzt sich; sein Gesetztseyn, – welches das Ausgeschlossene ist, – ist nur als Gesetztseyn, als Identität des Negativen mit sich selbst. Diß Selbstständige ist das Negative, gesetzt als Negatives; ein sich selbst widersprechendes, das daher unmittelbar im Wesen als seinem Grunde bleibt. (282 | 70 f.) Zunächst also hebt sich der Gegensatz zwischen wesenslogischem
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Objekt und Erscheinung, auch Repräsentiertem und (Re-)Präsentation auf: Wir können nie ›rein‹ über die Gegenstände sprechen, ohne auch über ihre Gegebenheitsweisen zu reden. Daher ist die absolute Entgegensetzung von Namen und Gegenstand, Repräsentation und Repräsentiertem logisch so ungediegen. Das Wesen als Grund der Erscheinung ist über die gemeinsame Bezugnahme und die Setzung von Äquivalenzen ein Gesetzsein. Ansonsten sollten wir die von Hegel so entwickelte Kommentarsprache nicht zu weit treiben, da unsere Beispiele das Gemeinte wohl besser illustrieren, als Hegels eigene Kommentare zu seiner Kommentarsprache es vermögen, zumal sie die Sachen auch mystifizieren. Was soll es etwa heißen, dass das Wesen als Grund sich von sich selbst ausschließe? Hegel wiederholt hier wohl nur, dass man in der Rede über einen Gegenstand von dessen Gesetztsein durch die Äquivalenz gleichgültiger Präsentationen und Repräsentationen abstrahiert. Man löst, heißt das, reflexionslogisch den Gegenstand für sich von den Bezugsverhältnissen ab – so dass er im Extremfall zur tautologischen Identität »des Negativen mit sich selbst« wird und als Ursache seiner Erscheinungen in der Form von Wirkimpressionen zunächst unerkannter Kräfte eben dadurch erscheint, dass man die begri=liche Bewegung von den Erscheinungen zum Wesen als Grund vergisst. Der aufgelöste Widerspruch ist also der Grund, das Wesen als Einheit des Positiven und Negativen. Im Gegensatze ist die Bestimmung zur Selbstständigkeit gediehen; der Grund aber ist diese vollendete Selbstständigkeit; das Negative ist in ihm selbstständiges Wesen, aber als Negatives; so ist er eben so sehr das Positive als das in dieser Negativität mit sich identische. (282 | 71) Aufgelöst wird der Widerspruch in der Vorstellung von einer absoluten Losgelöstheit der Dinge (›an sich‹ wie bei Kant) als Wesen ›an und für sich‹ im Sinne Hegels, also mit Gattungsbestimmung und Identitätskriterien, von ihren Erscheinungen als Beziehungen zu uns eben dadurch, dass man sie als Grund ihres Herausstehens ins Reich der Erscheinungen begreift. Diese reale Existenz kann z. B. über Formen des Wahrnehmbaren oder über Wirkungen auf Wahrnehmbares vermittelt sein. Reale Existenz lässt sich aber nicht einfach über das formale »es gibt« eines Existenzquantors darstellen. Es
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geht hier ja gerade um die Bestimmung des Bereiches, in dem der Existenzquantor jeweils definiert ist. Reale Dinge sind endlich, d. h. sie sind erstens zeitlich und zweitens räumlich. Wegen der damit implizit angesprochenen Beziehung zu einem möglichen Beobachter und seinem Ort in der Welt heißen sie auch empirisch und stehen so in Kontrast zu allen rein abstrakten, als solchen zeit- und ortlosen bzw. über-empirischen Gegenständen formentheoretischer und reflexionslogischer Rede. Empirische Dinge und Sachen gibt es nur in ihrer ›Lebenszeit‹, der endlichen ›Seinsepoche‹ des Dings mit Anfang und Ende an seinem Ort. Heidegger war besonders im Projekt von Sein und Zeit auf der Suche nach dieser Einsicht, hat sie aber vorzeitig abgebrochen und nicht gesehen, wie weit sie bei Hegel schon entwickelt ist. »Der Grund« ist bei Hegel Titel für alle sprachlichen Verfahren der Reflexion, welche den Erscheinungen auf ihren ›objektiven‹ Grund gehen wollen – was immer das im explikativen Erläutern und kausalen Erklären auch jeweils konkret heißen möge. Das Positive ist die Erscheinung, das Negative ist seine Grundlage. Die schon erwähnte Analogie zum Negativ in der Fotographie und seinen vielen Abzügen passt hier sehr gut. Der Gegensatz und sein Widerspruch ist daher im Grunde so sehr aufgehoben, als erhalten. Der Grund ist das Wesen als die positive Identität mit sich; aber die sich zugleich als die Negativität auf sich bezieht, sich also bestimmt und zum ausgeschlossenen Gesetztseyn macht; diß Gesetztseyn aber ist das ganze selbstständige Wesen, und das Wesen ist Grund, als in dieser seiner Negation identisch mit sich selbst und positiv. (282 | 71) Wieder verfolgen wir nicht weiter, wie man sich in der Kommentarsprache verheddern kann, wenn man ohne genaueres Nachdenken darüber, wie die Reden zu lesen sind, von Wesen, Grund, Folge und Erscheinung spricht. Den Satz »Das Wesen ist Grund« lasse ich durchgehen, ebenso wie »Der Grund ist das Wesen als die positive Identität mit sich«, also als Äquivalenz der verschiedenen Zugangsweisen zum Wesen als Grund der Erscheinung bzw. der Existenz. Ich greife dabei schon auf später erst eingeführte Wörter vor, da es illusorisch ist, ohne solche Vorgri=e den Gedankengang übersichtlich machen zu können.
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Der sich widersprechende selbstständige Gegensatz war also bereits selbst der Grund; es kam nur die Bestimmung der Einheit mit sich selbst hinzu, welche dadurch hervortritt, ¦ daß die selbstständigen Entgegengesetzten jedes sich selbst aufhebt, und sich zu dem andern seiner macht, somit zu Grunde geht, aber darin zugleich nur mit sich selbst zusammengeht, also in seinem Untergange, das ist, in seinem Gesetztseyn oder | in der Negation vielmehr erst das in sich reflectirte, mit sich identische Wesen ist. (282 f. | 71 f.) Formeln der Art, dass das Wesen sich zum Grund macht oder etwas Entgegengesetztes sich aufhebt, besagen, dass wir in der Reflexion auf die scheinbar unmittelbaren Bestimmtheiten der Rede von einem Wesen, Grund oder einer Ursache diese Unmittelbarkeiten aufheben müssen und ihre begri=lichen Relationen und Relativitäten erkennen lernen sollten. Es ist ein leicht ironischer Kommentar, dass das Wesen nur in seinem Untergang, indem es also als selbständige Sache zu Grunde geht, als ›Ursache‹ seiner Erscheinung begri=en werden kann. Man kann das auch so sagen: Das, was naiv als ›absolute‹ Ursache wahrnehmbarer Qualitäten als ›losgelöst von diesen‹ erscheint, ist selbst nur durch den begri=lichen Prozess des Übergangs von gemeinsamen qualitativen Unterscheidungen zu deren Grund konstituiert oder definiert. Der Übergang ist abstraktiv, aber nicht als Übergang zu einem abstrakten, zeitallgemeinen Gegenstand, wie in der reinen Größenlehre der Mathematik, sondern als Übergang zu einem gemeinsamen Bezug auf eine empirische Sache. Dieser Bezug setzt einen Perspektivenwechsel von mir zu dir oder von uns zu euch voraus. In diesem ist die Bezugsgleichheit der vorhandenen Sache durch den Begri=, also seine Artbestimmung definiert. Anmerkung 1 Das Positive und Negative ist dasselbe. Dieser Ausdruck gehört der äussern Reflexion an, insofern sie mit diesen beiden Bestimmungen eine Vergleichung anstellt. Es ist aber nicht eine äussere Vergleichung, welche zwischen denselben, eben so wenig als zwischen andern Kategorien anzustellen ist, sondern sie sind an ihnen selbst zu betrachten, d. h. es ist zu betrachten, was ihre eigene Reflexion ist. An dieser aber hat es sich gezeigt, daß jedes wesentlich das Schei-
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nen seiner im andern und selbst das Setzen seiner als des andern ist. (283 | 72) Wer immer sagt, das Positive und das Negative, Plus und Minus, auch: die Erscheinung und das Wesen, der Abzug und das Urbild seien dasselbe, kann das nur als Kommentar dazu meinen, dass die Begri=e relational sind. Das Reden vom Selben oder Gleichen sind, wie wir damit sehen, auf den Gesichtspunkt zu relativieren. Das Wort »Positivismus« wird zu einem Kritikwort gerade dadurch, dass man nur das Positive der Erfahrung anerkennt und damit in seinem Weltbezug rein deskriptiv, empiristisch, präsentistisch bleibt. Die wahren Gründe werden als transzendent abgetan. Mit dem Positivismus von August Comte hat das kaum etwas zu tun; dieser ist nur eine Art überschwänglicher Technizismus. Wissenschaft ist in ihrer generischen Erklärungsleistung nie rein positivistisch, auch nie rein instrumentell oder pragmatistisch. Es ist nur mangelndes Sprachund Selbstverständnis, wenn die Leute meinen, die Suche nach dem Wesen der Erscheinungen habe sich überlebt. Wir müssen es nur in seiner Negativität, d. h. seiner Konstitution als das Negativ der positiven Abzüge oder Instanziierungen allgemeiner Struktur- und Prozessformen begreifen. In jedem Fall werden hier Unterschiede »äußerlich reflektiert«. In dieser Entwicklung zeigt sich, wohin die »eigene Reflexion« jeder Rede von etwas Positivem und Negativem, auch von Bezugsobjekt und subjektiver Bezugnahme konsequenterweise führt. Dabei haben wir gesehen, dass Gegenstand und Erscheinung jeweils ein »Scheinen im Anderen« und ein »Setzen seiner als des Andern« sind: Im Gegenstand werden seine Erscheinungen zusammengefasst. So weit hätte Humes Bündeltheorie durchaus recht. Diese hängt ja auch eng mit Leibniz’ Individualbegri= zusammen. Aber in der Erscheinung zeigt sich der Gegenstand selbst, wobei sein Arttyp zusammen mit dem Konstellationstyp alle allgemein erklärbaren Verursachungen vermittelt. Im Possessivwort »sein« wird schon die Einheit des Gegenstandes präsupponiert, die aber ihrerseits nur durch die Äquivalenz entsprechender Erscheinungen im Zugang zu ihm bestimmt ist. Das Vorstellen, insofern es das Positive und Negative nicht betrachtet, wie sie an und für sich sind, kann aber allerdings an das
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Vergleichen verwiesen werden, um [auf ] das Haltlose dieser Unterschiedenen, die von ihm als fest einander gegenüber angenommen sind, aufmerksam zu werden. Eine geringe Erfahrung in dem reflectirenden Denken wird es schon wahrnehmen, daß wenn etwas als positiv bestimmt worden, indem man nun von dieser Grundlage weiter geht, sich dasselbe unmittelbar unter der Hand in negatives verkehrt hat, und umgekehrt das negative Bestimmte in positives, daß das reflectirende Denken sich in diesen Bestimmungen verwirrt und sich widersprechend wird. Die Unbekanntschaft mit der Natur derselben ist der Meynung, diese Verwirrung sey etwas unrechtes, das nicht geschehen soll und schreibt sie einem subjectiven Fehler zu. Dieses Uebergehen bleibt in der That auch blosse Verwirrung, insofern das Bewußtseyn über die Nothwendigkeit der Verwandlung nicht vorhan|den ist. – (283 | 72 f.) Bloß schematische Vorstellungen sowohl vom Benennen, Repräsentieren oder Abbilden als auch vom Verhältnis zwischen Positivem und Negativem, auch Positiv und Negativ, betrachten diese Beziehungen nicht konkret an und für sich, sondern reden bloß abstrakt daher, und zwar in einem metaphorischen Vergleich. Betrachtet man diesen genauer, wird man auf das Haltlose in den üblichen Vorstellungen aufmerksam. Denn wenn etwas positiv bestimmt ist, muss man nur auf den Bereich achten, in dem es definiert ist, um das Negative, Ausgrenzende, in seiner Bestimmung zu bemerken. Umgekehrt kann jedes negativ Bestimmte zu einer Einheit zusammengefasst werden und setzt sich so als etwas Positives von seinem Negativen ebenso ab, wie ein Innen zu einem Außen wird und ein Außen zu einem Innen, wenn wir nur den Ort bzw. die Perspektive ändern. Zwar liegt es nahe, das kleinere Innen eines Innenraumes nicht als das größere Außen des Nicht-Hauses zu betrachten, und doch sagen wir auch, die Welt fliege an einem Abteilfenster vorbei, obwohl wir an der Welt vorbeifahren. Entsprechendes gilt auch für den Perspektivwechsel von meinen Bezugnahmen auf einen Gegenstand über dessen Erscheinungen zu den vom Gegenstand als Grund »verursachten« Sinnesqualitäten bei mir oder dir oder euch. Zunächst waren meine qualitativen Unterscheidungen das Positive und der Gegenstand durch die Negation der Negation, den wohlbegründeten Verzicht auf irrelevante Unter-
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scheidungen, bestimmt. Dann aber wird der qualitative Unterschied zur Wirkung einer Ursache, die als das Positive gesetzt wird und di=erente Reaktionen als Folge ›hervorbringt‹, die aber als solche nur Variationen der möglichen Wirkungen der Sache sind. Die Sache selbst ist gegen diese Variationen invariant. Es ist aber, auch für die äussere Reflexion, eine einfache Betrachtung, daß fürs erste das Positive nicht ein unmittelbar identisches ist, sondern theils ein entgegengesetztes gegen das Negative, und daß es nur in dieser Beziehung Bedeutung hat, also das Negative selbst in seinem Begri=e liegt, theils aber, daß es an ihm selbst die sich auf sich beziehende Negation des blossen Gesetztseyns oder des Negativen also selbst die absolute Negation in sich ist. – Eben so das Negative, das dem Positiven gegenüber steht, hat nur Sinn in dieser Beziehung auf diß sein Anderes; es enthält also dasselbe in seinem Begri=e. Das Negative hat aber auch ohne Beziehung auf das Positive ein eigenes Bestehen; es ist mit sich identisch; so ist es aber selbst das, was das Positive seyn sollte. ¦ (283 | 73) Schon ein oberflächliches Reflektieren zeigt, dass alles Positive sich aus einer Unterscheidung und Nichtunterscheidung ergibt, so wie ein Innen aus dem Heraushalten des Außen und der Identifikation von allem, was auch Innen ist. Nur in dieser Form von Beziehung sind Gegenstände in (halb-)sortalen Bereichen als solche wohldefiniert. An ihm selbst und von ihm selbst gesehen ist ein Gegenstand, etwa ein Lebewesen, aber »die sich auf sich beziehende Negation des bloßen Gesetztseins«. Das Individuelle eines Tieres zeigt sich dementsprechend darin, dass es vor aller Identifizierung identifizierbar ist, eben weil es in seinem Sein Individuum ist, im Leben unteilbar, und sich die Verschiedenheiten seiner ›Aspekte‹, ›Eigenschaften‹ und ›Erscheinungen‹ aus den Relationen zu uns als Beobachtern oder zu anderen Wesen und Sachen ergeben. In gewissem Sinn versucht Leibniz im Begri= der Monade diese Innensicht aus der Perspektive des Einzelwesens in ihrer Form zu artikulieren. Aus dieser Sicht ist alles Anderssein »absolute Negation« – weil der Seinsvollzug von allem und jedem absolut ist, und zwar in einer Art ›sich unterscheidendem‹ Selbsterhalt, der bei Lebewesen mit dem Leben zusammenfällt, bei physischen Dingen aber mit ih-
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rem räumlichen Zusammenhalt in der Zeit – wie das auch in relativ festen Bewegungssystemen wie dem Planetensystem der Sonne so ist. Dabei ist keine Monade vom System aller Monaden zu trennen. Es gibt kein Ding als etwas Positives, das nicht wesentlich durch die Bezüge zu seinem Negativen, den anderen Sachen, bestimmt bzw. zu bestimmen wäre – und umgekehrt. Es gibt entsprechend eine Zahl wie die 5 nur im gesamten Zahlensystem, einen Körper nur im Bewegungssystem der Körper usf. Vornemlich wird der Gegensatz vom Positiven und Negativen in dem Sinne genommen, daß jenes (ob es gleich seinem Namen nach das Ponirtseyn, Gesetztseyn ausdrückt) ein objectives seyn soll, dieses aber ein subjectives, welches nur einer äussern Reflexion angehöre, das an und für sich seyende Objective nichts angehe, und ganz und gar nicht für dasselbe vorhanden sey. In der That, wenn das Negative nichts anders als die Abstraction einer subjectiven Willkühr oder eine Bestimmung einer äusserlichen Vergleichung ausdrückt, so ist es freylich für das objective Positive nicht vorhanden, d. h. dieses ist nicht an ihm selbst auf eine solche leere Abstraction bezogen; aber dann ist ihm die Bestimmung, daß es ein Positives sey, gleichfalls nur äusserlich. – (284 | 73) Das Positive wird häufig als etwas Objektives, das Negative der Unterscheidung als subjektabhängig angenommen – so als könne man Gegenstand und Bezugnahme fein säuberlich trennen, was aber nur einen gedankenlosen Philosophen überzeugen wird. Aber auch die Äquivalenz verschiedener Bezugnahmen kann nicht rein willkürlich gesetzt sein, sondern in ihr muss sich das Positive oder Objektive einer wirklichen Möglichkeit zeigen, so wie sie dies in der Identifizierungspraxis von Lebewesen und Dingen ganz o=enbar tut. Daher ist auch jede Vorstellung von einem subjektiven Konstruktivismus in der Gegenstandskonstitution nicht von dieser Welt. Sie ist reine Fiktion. Es ist daher abwegig, Hegel einen entsprechenden subjektiven Konstruktivismus zuzuschreiben. Hegels objektiver Idealismus macht nur die reale Form unserer Weltbezugnahmen und reflexionslogischen Reden über Dinge als Ursachen von Erscheinungen oder über Objekte als Grund ihrer realen Existenz im Herausstehen aus ihrer Umgebung explizit.
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So gilt, um ein Beyspiel von dem fixen Gegensatze dieser Reflexionsbestimmungen anzuführen, das Licht überhaupt für das nur Positive, die Finsterniß aber für das nur Negative. Aber das Licht hat in seiner unendlichen Expansion und der Kraft seiner aufschliessenden und be|lebenden Wirksamkeit wesentlich die Natur absoluter Negativität. Die Finsterniß dagegen, als Unmannichfaltiges oder der sich nicht selbst in sich unterscheidende Schooß der Erzeugung, ist das einfache mit sich identische, das Positive. Sie wird als das nur Negative in dem Sinne genommen, daß sie als blosse Abwesenheit des Lichts für dasselbe ganz und gar nicht vorhanden seye, – so daß dieses, indem es sich auf sie bezieht, sich nicht auf ein anderes, sondern rein auf sich selbst beziehen, also diese nur vor ihm verschwinden soll. Aber bekanntlich wird das Licht durch die Finsterniß zum Grau getrübt; und ausser dieser bloß quantitativen Veränderung erleidet es auch die qualitative, durch die Beziehung darauf zur Farbe bestimmt zu werden. – (284 | 74) Als allgemeines Beispiel für die Relativität von Positivem und Negativem diskutiert Hegel den Kontrast zwischen Licht und Finsternis. Zunächst scheint klar zu sein, dass Finsternis durch Abwesenheit von Licht und damit rein negativ bestimmt ist. Aber die Lichtausbreitung im Raum steht gerade im negativen Kontrast zu den sich relativ zueinander bewegenden Körpern und in Bezug auf die Körper selbst. Diese gelten traditionell als das Dunkle. Dagegen ist das Licht das absolut Negative. Außerdem ergibt sich bei Mischung von Farben aus dem Kontrast von Weiß und Schwarz ein Grau. Das Lichte oder Helle bzw. Dunkle oder Schwarze sind bloß relative Kontraste, sodass sich hier das Positive und Negative vertauschen lässt. Besonders klar und deutlich freilich ist Hegels Gedankenführung hier nicht. Es geht wohl nur darum, die Vielfalt der möglichen Wahl eines ›positiven‹ Pols in einem polaren Kontrast zu zeigen. So ist z. B. auch die Tugend nicht ohne Kampf; sie ist vielmehr der höchste, vollendete Kampf; so ist sie nicht nur das Positive, sondern absolute Negativität; sie ist auch nicht nur in Vergleichung mit dem Laster Tugend, sondern ist an ihr selbst Entgegensetzung und Bekämpfung. Oder das Laster ist nicht nur der Mangel der Tugend, – auch die Unschuld ist dieser Mangel, – und nicht nur
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für eine äussere Reflexion von der Tugend unterschieden, sondern an sich selbst ihr entgegengesetzt, es ist böse. Das Böse besteht in dem Beruhen auf sich, gegen das Gute; es ist die positive Negativität. Die Unschuld aber, als Mangel sowohl des Guten als des Bösen, ist gleichgültig gegen beide Bestimmungen, weder positiv noch negativ. Aber zugleich ist dieser Mangel auch als Bestimmtheit zu nehmen, und einerseits ist sie als die positive Natur von Etwas zu betrachten, als sie sich andererseits auf ein Entgegengesetztes bezieht, und alle Naturen aus ihrer Unschuld, aus ihrer gleichgültigen Identität mit sich, heraustreten, sich durch sich selbst auf ihr Anderes beziehen und dadurch zu Grunde richten, oder, im positiven Sinne, in ihren ¦ Grund zurückgehen. – | (284 f. | 74) Normalerweise bewertet man, um ein weiteres Beispiel zu nennen, die Tugend positiv, das Laster negativ. Dabei gilt die Arete, die Tüchtigkeit, als Ergebnis von Kämpfen gegen die Neigungen der Bequemlichkeit und sogenannten Selbstsucht, sodass personale Kompetenz sich aus einer Art absoluter Negativität gegen natürliche und damit positive Verhaltenstendenzen zu ergeben scheint. So sieht das jedenfalls in einer »kantischen« Darstellung aus. Aber man kann auch das Laster als Mangel an Können darstellen und/oder als Mangel an Gutem überhaupt. Hegel baut noch das ironische Orakel ein, dass die Unschuld ebenfalls Mangel an Kompetenz ist. Das Böse ist der Autismus reiner Ich-Perspektive, »positive Negativität«, etwa auch in einer autonomistischen Moral, die schon das für gut hält, was aus der bloßen Sicht der Einzelperson für alle für gut erklärt wird und nicht berücksichtigt, was andere Personen wirklich wollen und tun. Der Unschuld mangelt sowohl das Gute als auch das Böse, sie ist daher in gewissem Sinn doppelt schlecht. Nur Kinder und Tiere sind wirklich unschuldig. Der Mythos der Erbsünde nennt nur die Tatsache, dass eine geistig gesunde, erwachsene Person mit Selbstbewusstsein den Stand der Unschuld mit Notwendigkeit immer schon verlassen hat. In ihm geht die Unschuld des paradiesischen Lebens der Tiere zugrunde. Denn die Person ist Grund der freien Handlungen des um das Richtige und Falsche, um Tugend und Laster wissenden Subjekts. Und in der Welt ist niemand unschuldig, der handelnd Entscheidungen tri=t. Dabei kann es sogar geschehen, dass der besten Handlung eine
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niederträchtige Gesinnung in niederträchtiger Weise zugeschrieben oder die schlechteste Handlung verteidigt wird. Wie man zu urteilen hat, ergibt sich hier nur dialektisch im guten Urteilen. Auch die Wahrheit ist das Positive als das mit dem Objecte übereinstimmende Wissen, aber sie ist nur diese Gleichheit mit sich, insofern das Wissen sich negativ gegen das Andere verhalten, das Object durchdrungen und die Negation, die es ist, aufgehoben hat. (285 | 75) Gerade in der Unterscheidung zwischen wahr und falsch finden wir die allgemeine Form des Kontrastes zwischen einem positiven und einem negativen Wert. Es ist sogar für jede sinnkritische und selbstbewusste Analyse des Sprechens und Denkens von absolut basaler Bedeutung, »wahr« und »falsch« zunächst als formale Bewertungen zu betrachten. Denn man unterstellt im ungediegenen, bloß erst gewohnheitsartigen Reden viel zu schnell, die Wahrheit sei durch eine Art Übereinstimmung mit einem wirklichen Gegenstand definiert. Diese Unterstellung führt zu so herrlichen Vorstellungen wie dem mathematischen Platonismus, der meint, es würden durch mathematische Aussagen irgendwelche ewigen Wahrheiten abgebildet und in bedeutungsvollen mathematischen Kennzeichnungen irgendwelche ewigen Gegenstände genannt. Noch die üblichen Deutungen von Freges Wahrheitswerten gehen an der Einsicht vorbei, dass diese als formale Bewertungen von Satzfiguren zu bestimmten Zwecken und gemäß gewissen Bewertungsformen zu begreifen wären. Hegels Formulierung, Wahrheit sei nur »Gleichheit mit sich, insofern das Wissen sich negativ gegen das Andere verhalten . . . hat«, ist bis heute noch nicht in seiner tiefen Bedeutung verstanden. Denn sie macht dem kompetenten Leser klar, dass die Ausdrucksform »ist wahr« als Bewertungswort für Wissensansprüche zu begreifen ist, wobei je nur ein Kontrast zu (robusten) Alternativen relevant wird. Etwas ist wahr, wenn es wahr genug ist. Der Grundsinn liegt wie bei »groß«, »gut« oder »treu« in der Steigerungsform, also in »größer als«, »besser als« oder »faktentreuer als das, was noch unter einer Minimalanforderung des Wahren liegt«. Die Rede von einer Abbildung wird dann tautologisch, wenn, wie in der Mathematik, die ›Struktur‹ des Ausgesagten durch die syntaktosemantische Form der Aussage
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selbst bestimmt ist. Was dieses Orakel sagt, wird noch genauer zu erläutern sein. Hier ist zunächst nur die grundlegendere Tatsache zu beachten, dass das allgemeine Wissen definiert, was als wahr zu bewerten ist, und dass man das Pferd vom Schwanz her aufzäumt, also die methodische Ordnung der Konstitution von Wahrheit und Wissen auf den Kopf stellt, wenn man mit einer Korrespondenzvorstellung einer sogenannten Abbildtheorie der Wahrheit herumwedelt. Es ist dies das philosophisch problematischste Placebo, mit dem man die Frage nach Wahrheit und Wissen, Objektivität und Glauben, Gegenstand und Bezugnahme beruhigt statt beantwortet. Hegel erkennt stattdessen, dass die begri=liche Regel (1) »Wenn x weiß, dass φ, dann ist φ wahr« zwar eine feste Beziehung zwischen Wissen und Wahrheit etabliert, so wie die Regel (2) »Wenn φ wahr ist, kann man sagen, dass das durch φ Ausgesagte wirklich ist« bzw. (3) »Wenn es ein x gibt, so daß φ(x ), dann existiert etwas wirklich mit der Eigenschaft φ(x ).« Aber diese Regeln dürfen erstens nie sprechertranszendent und zweitens nie kontextunabhängig gebraucht und verstanden werden. Wenn ich sage, dass Peter weiß, dass gestern England gewonnen hat, dann sage ich auch selbst nach der Regel (*), dass (es wahr ist, dass) England gewonnen hat. Damit sage ich nach Regel (**) auch, dass der Sieg Englands wirklich eingetreten ist, dass die wirkliche Welt so ist, dass England gewonnen hat und dass der Sachverhalt besteht und eine objektive Tatsache ist, dass England gewonnen hat. All das sind tautologische Umformulierungen – die aber alle im Skopus des Sprechers stehen, der in meinem Beispiel ich selber bin. Eben diese Tautologien nennt Hegel »Gleichheit mit sich«. Ein üblicher Fehlschluss besteht darin, den Sprecher wegzuabstrahieren und zu glauben, die Sätze wären sprecher- und kontextfrei als wahr bewertet oder so zu bewerten oder unter der Hand die Sprecherperspektive zu wechseln. Im sogenannten Gettier-Paradox verbinden sich dabei zwei Denkfehler, welche in der Bände füllenden Debatte immerhin explizit gemacht werden. Der erste Fehler besteht in einer Abschwächung der Definition Platons aus dem Dialog Theaitetos, nach welchem Wissen (epist¯em¯e) ein wahres (subjektives) Urteil (doxa) ist mit einem (zureichenden) Beweis (logos). Wenn nämlich
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die Formel »al¯ethes doxa meta logou« auf ermäßigte Weise übersetzt wird durch »als wahr bewertete Meinung mit einer Rechtfertigung«, dann ist trivialerweise klar, dass zwei Fragen o=enbleiben: Erstens, wer bewertet die Meinung als wahr? Zweitens, wie gut ist die gegebene Rechtfertigung? Während in Platons Beispiel, nämlich dem von Theaitetos geführten Beweis, dass alle Wurzeln von Nichtquadratzahlen irrational sind, klar ist, dass ein arithmetisch wahres Theorem durch den Beweis in das Reich des mathematischen Wissens aufzunehmen ist, ist ebenfalls klar, dass bloß heuristische Rechtfertigungen weder eine Wahrheit noch ein Wissen garantieren können. Das einfachste Beispiel stammt von Alvin Goldman und kann grob so skizziert werden: Wenn Paul, ohne es zu wissen, in einem Potemkinschen Dorf mit einer Filmkulisse wie an einem Western-Drehort landet, dabei wirklich vor einer Scheune steht und sagt: »Das ist eine Scheune«, dann ist seine Aussage, wie wir wissen, wahr, obwohl er nicht wissen kann, dass die Scheune bloß zufälligerweise keine bloße Kulisse ist, sondern das Filmdorf vielleicht um sie herum gebaut ist. Das Beispiel zeigt, dass wir den Perspektivenwechsel zwischen »ich weiß, dass φ« bzw. »wir wissen, dass φ« und »er weiß, dass φ« bzw. »man weiß, dass φ« unbedingt beachten müssen. Eine je von uns für ausreichend bewertete Rechtfertigung oder Begründung dafür, eine Aussage, dass φ als wahr bzw. als berechtigter Wissensanspruch zu bewerten ist, ist angesichts der möglichen Perspektivenwechsel in der Wissensanspruchsbewertung im empirischen Fall aus begri=lichen Gründen immer auch noch fallibel, also möglicherweise zu revidieren. Allgemein zureichende ›Beweise‹ gibt es bestenfalls für generische Aussagen nach Art der idealen Formaussagen der Mathematik. Denn inhaltsvolle empirische Aussagen enthalten immer auch schon in die Zukunft weisende begri=liche Normalfallprognosen, die sich im aktuellen Fall zufälligerweise als falsch herausstellen können. Sie sind daher nicht einfach hier und jetzt in reiner Perzeption zu entscheiden. Es gibt daher nicht nur keine Sinnesdaten, sondern auch keine ›absolut infalliblen‹ inhaltlich bestimmten empirischen Wahrnehmungsaussagen. Das ist auch der Grund dafür, warum wir, wenn wir die Regel (4) »Wir wissen, dass φ, also ist φ wahr« richtig anwenden wollen, das Sprecher-Wir festhalten müssen: Wenn wir
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uns ein Wissen, dass φ, zuschreiben, bewerten wir φ als wahr. Es gilt aber auch die Umkehrung (5): »Wenn wir mit uns ausreichend erscheinenden Gründen φ als wahr bewerten, schreiben wir uns ein Wissen, dass φ, zu«. Die Vorstellung eines Gottes, der jedes endliche Wir transzendiert und eine Wahrheit aus seiner Sicht dem endlichen Glauben, Meinen, Begründen und Rechtfertigen der Menschen gegenüberstellt, hat zur Folge, dass die Di=erenz zwischen Wissen und Glauben kollabiert. Nicht nur in Theologie und Philosophie, sondern auch in den Wissenschaften fällt man aufgrund dieser Vorstellung zurück auf die ungediegene Meinung, wir wüssten, dass wir nichts wirklich absolut wissen, sondern nur mit einigermaßen gut gerechtfertigten Meinungen in den Wissenschaften zweckorientiert operieren. Damit wird der Kontrast zwischen Wissen und Glauben zerstört und man ist der Sophistik des Skeptizismus schon verfallen, deren inkohärente Grundhaltung am deutlichsten in einem Beispiel wird: Wer in einer Wohngemeinschaft von einem Mitbewohner auf die Frage, ob es noch Milch im Kühlschrank gibt, immer nur die Antwort »ich glaube« erhält, weil dieser sich gegen die immer bestehende kontingente Möglichkeit absichern will, dass trotz Augenschein das Zeug im Kühlschrank doch keine noch trinkbare Milch ist, der wird irgendwann die sprachliche Kooperation mit diesem überkritischen Zeitgenossen einstellen. Ein solcher Skeptiker ist, wie schon Aristoteles weiß, nicht etwa ein übervorsichtiger Philosoph, sondern er macht sich sophistisch zum sprach- und wissenslosen Tier, wenn nicht zur Pflanze. Daher ist auch das wichtige sokratische Orakel »Ich weiß, dass ich nicht weiß« nicht als skeptischer Selbstwiderspruch in der Form »Ich weiß, dass ich nichts weiß« zu lesen, sondern als ironischer Hinweis darauf, dass jede Äußerung von »Ich weiß, dass φ« zunächst als Versicherung zu lesen ist und aus ihr nicht die drittpersonale Aussage »N weiß, dass φ« folgt. Dennoch bleibt der Kontrast zwischen »Ich weiß, dass φ« und »Ich glaube (bloß), dass φ« erhalten. Im Übrigen wehren sich Platon und Hegel gegen eine falsche Deutung der Analogie Heraklits, nach welcher sich das Wissen des Menschen zu dem des Gottes wie das beschränkte Erkennen des Tieres zum weiteren
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Horizont des Menschen verhält. Der Spruch des Sokrates greift ganz o=enbar diese Analogie auf. Hegel kommentiert diese Tradition hier auf neuartige und daher für die Leser nicht leicht zu rekonstruierende Weise. Dass das Wissen »das Objekt durchdrungen« hat, bedeutet gerade, dass es gar keinen wissens- und bezugsunabhängigen ›Gegenstand‹ gibt, von dem die Rede ist, sondern dass wir in der Bewertung eines Wissensanspruchs oder einer Versicherung immer die endliche Intention berücksichtigen müssen, die sich daraus ergibt, dass sie alle möglichen ›Folgerungen‹ aus einer Aussage gegen eine immer auch kontingente Ereignisfolge stellen lassen. Sage ich, es ist Milch im Kühlschrank, ich habe es nachgesehen und geprüft und du bestätigst diese Aussage, wertest sie also auch als wahr, dann ist damit noch nicht die extrem seltene Möglichkeit ausgeschlossen, dass wir beide an der vermeintlich gesunden Milch sterben, weil sie ein vergifteter Sto= war, wie der Leichenbeschauer vielleicht feststellen mag. Unser (empirisches) Wissen ist also selbst immer bloß als ceteris paribus oder generisch wahr zu bewerten. Es prognostiziert nicht alle möglichen empirischen Zukünfte, sondern sagt nur, womit wir vernünftigerweise zu rechnen haben. Dabei unterscheiden wir hier und jetzt berechtigte Wissensansprüche von bloßen Versicherungen oder Glaubenshaltungen. Wie bei allen perfektiven Verben ergibt sich in seltenen Fällen, dass wir eine wohlbegründete Aussage, die wir als wahr bewertet und als Wissen einem partiell bloß willkürlichen Glauben gegenübergestellt hatten, post hoc auf eine bloße Überzeugung herunterstufen müssen. Der Fall ist ganz analog dazu, dass wir in gewissen Fällen mit Recht sagen: »Der Vogel da fliegt zum Nest«. Es kann dann kontingenterweise geschehen, dass ein Habicht den Vogel abfängt. Wir korrigieren uns dann und sagen: »Der Vogel versuchte nur zum Nest zu gelangen.« Es wäre aber lächerlich, deswegen den Kontrast zwischen »x fliegt zum Nest« und »x versucht nur zum Nest zu fliegen« aufzugeben. In analoger Weise wäre es absurd, unter Hinweis auf eine ›Betrachtung‹ aller Zukunft sub specie aeternitatis, unter dem Blick eines allwissenden Gottes, den Unterschied zwischen einem robusten (empirischen) Wissen etwa über den Inhalt eines Kühlschranks und einem bloßen Glauben einzuziehen.
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Dennoch ist etwas richtig an dem Satz, dass es kein absolutes empirisches Wissen gibt. Aber das Absolute der Wahrheit besteht nicht in einer mythischen Notwendigkeit, nach welcher etwas nicht anders ausgehen kann, als wie es ausgehen wird, sondern im Vollzug des bewertenden Urteilens und Handelns selbst, im präsentischen Kontrast zu bestimmten Alternativen, die er als Negation aufgehoben hat. Der Irrthum ist ein Positives, als eine Meynung des nicht an und für sich seyenden, die sich weiß und behauptet. Die Unwissenheit aber ist entweder das gegen Wahrheit und Irrthum gleichgültige, somit weder als positiv noch als negativ bestimmt und die Bestimmung derselben als ein Mangel gehört der äussern Reflexion an, oder aber als objectiv, als eigene Bestimmung einer Natur, ist sie der Trieb, der gegen sich gerichtet ist; ein Negatives, das eine positive Richtung in sich enthält. – (285 | 75) Ein Irrtum ist eine Meinung, die etwas als wahr behauptet oder versichert, was wir später als nicht ›an und für sich bestehend‹ bewerten. Daher gibt es Irrtum nur im Dialog zwischen uns und euch, auch dir und mir. Wenn wir dabei urteilen oder etwas behaupten, berufen wir uns auf das, was an sich gilt, also auf begri=liche Normalinferenzen und generisches Normalfallwissen. Wir beziehen es auf das konkrete Fürsichsein des Gegenstandes. Die Symmetrie zwischen deiner und meiner Position, nach der du mein Urteil für falsch und ich deine Bewertung für fragwürdig erkläre, hebt sich erst dann auf, wenn wir gemeinsam entweder mein oder dein Urteil für an und für sich richtig bzw. falsch erklären. Wie im Fall der Unschuld gegen das Böse ist die Unwissenheit schlimmer als der Irrtum. Ist man gegen Wahrheit und Irrtum gleichgültig, verhält man sich wie ein Tier, rein subjektiv oder autistisch zu dem, was man wahrnimmt oder hört. Die Diagnose dieses Mangels »gehört der äußeren Reflexion an«, weil wir uns auf unsere Unterscheidung zwischen Wissen und Irrtum beziehen müssen, um bei anderen Unwissenheit zu diagnostizieren. So kann man z. B. bei einem Streit darum, was an der Relativitätstheorie Einsteins wahr ist, unterscheiden zwischen denen, die gar nicht wissen, worum es geht, und denen, welche irrtümlicherweise der Meinung sind, diese Theorie sei ›nur‹ eine Entscheidung für einen mathematischen Rahmen zur
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Darstellung von Raum- und Zeitmessdaten, zu dem es auch Alternativen gibt. Aber auch diejenigen täuschen sich und andere, welche meinen, in dieser Theorie werde die ›Falschheit‹ der Euklidischen Geometrie bewiesen. Davon kann keine Rede sein, wenn man weiß, dass beide idealen Modelle je disjunkte Anwendungsbereiche haben und es einfacher Unsinn ist zu sagen, Einstein habe gezeigt, dass die Winkelsumme im Dreieck nicht mehr 180◦ (also zwei rechte Winkel) oder dass der Parallelensatz ›falsch‹ sei. Vielmehr entwickeln wir seit Gauß und Riemann Geometrien, welche in der Anwendung nicht schon voraussetzen, dass beliebig genaue und lange gerade Linien verfügbar wären. Die Winkelmessungen werden wie die Zeitmessungen in ihrer Lokalität ernst genommen. Die natürliche Unwissenheit dagegen ist »ein Trieb, der gegen sich gerichtet ist«. Das ist eine ironische Gnome. Als Merksatz artikuliert er die im Begri= der Unwissenheit liegende Aufforderung, sie nach Möglichkeit zu überwinden – was eine »positive Richtung« in sich enthält«, nämlich zur Ausweitung des Horizonts des Wissens sowohl im Blick auf die Vergangenheit und die Geschichte des Wissens als auch auf andere Orte und andere Kulturen. Es ist selbstverständlich, dass je mein und je unser Wissen begrenzt ist. Es gibt auch eine natürliche ›Dummheit‹ der je bloß präsentischen Gegenwart. Wahre Torheit besteht aber darin, dass man nichts Neues mehr lernen will, weil man, wie manche Sophisten, schon alles zu wissen meint. Es ist eine der wichtigsten Erkenntnisse, diese Natur der betrachteten Reflexionsbestimmungen, daß ihre Wahrheit nur in ihrer Beziehung auf einander, und damit darin besteht, daß jede in ihrem Begri=e selbst die andere enthält, einzusehen und festzuhalten; ohne diese Erkenntniß läßt sich eigentlich kein Schritt in der Philosophie thun. (285 | 75) Hegel betont noch einmal, dass die Reflexionsbestimmungen »ist wahr«, »ist wirklich«, »x weiß« und »es ist objektiv so« durch entsprechende Prädikatorenregeln miteinander verbunden sind. »Ohne diese Erkenntnis lässt sich eigentlich kein Schritt in der Philosophie tun«. In der Tat. Hegels Selbstkommentar betont auch unüberhörbar, dass es eine der wichtigsten Erkenntnisse sinnkritischer Philosophie ist, die kontrastive Form in den Bewertungswörtern »ist wahr«, »ist
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wirklich«, »Wissen« und »Objektivität« als Reflexionsbestimmungen auf vorgängige Versicherungen, Aussagen oder Urteile als solche zu begreifen, und zwar in ihrer Abhängigkeit von dem Sprecher-Ich und dem Wir des Man, an das der Sprecher appelliert. Ausgangspunkt ist immer der relevante Kontext in seiner Situationstypik und die konkrete Bezugnahme auf Welt unter Ausschluss von für irrelevant, aber nicht unmöglich erklärten Zufällen. Sage ich, es ist Milch im Kühlschrank, und betone ich in reflektierender Form auf Nachfrage, das sei wahr, ich wisse es, weil ich es nachgeprüft hätte, dann schließe ich je konkrete Alternativen aus, z. B. dass gar keine Kuhmilch im Kühlschrank ist oder dass sie schon sauer geworden ist. Aber ich kann nie für alle generischen Normalfallerwartungen einstehen, wie der oben schon skizzierte Fall unserer gemeinsamen Vergiftung durch die scheinbare Milch zeigt. Es ist daher aus jedem robusten Wahrheits- oder Wissensanspruch der transzendent-idealistische Überschwang herauszunehmen, wie er sich gerade in den empiristischen Träumen von einer prädefinierten Wahrheit beliebiger Konstatierungen über Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges findet. Das metaphysische Bild von einer Pixel-Welt der ›farbigen‹ RaumZeit-Punkte des Tractatus bedroht diese Analyse nur scheinbar, selbst wenn David Lewis auch noch Masse und andere Energieformen in diese Pixel legt, aber nicht anders als Wittgenstein einen schon abgedrehten Gesamtweltfilm unterstellt und von allen generischen Normalfallinferenzen oder begri=lichen Vorbeurteilungen gereinigte unmittelbare Basis- oder Elementaraussagen über die Raum-Zeit-Pixel. Was man dabei völlig übersieht, ist, dass alle derartigen Raumzeitstellen bloß abstrakte Punkte in einem mathematischen Modell sind, deren Identifikation mit Weltstellen ungediegener Pythagoräismus bleibt, der die Konstitution der mathematischen Gegenstände durch unsere Redeformen in der Welt und das Prekäre ihrer Projektion auf die Welt noch nicht bedenkt, also noch gar nicht mit der Reflexion auf sie begonnen hat.
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Anmerkung 2 Die Bestimmung der Entgegensetzung ist gleichfalls zu einem Satze gemacht worden, dem sogenannten Satze des ausgeschlossenen Dritten. Etwas ist entweder A oder Nicht-A; es gibt kein Drittes. (285 | 75) Dass qualitative Unterscheidungen und Gegenstandsbestimmungen im Rahmen kontrastiver Entgegensetzungen stehen, wird traditionell durch den sogenannten Satz vom ›ausgeschlossenen Dritten‹,Tertium non datur, als ›Prinzip der Logik‹, zum Ausdruck gebracht. Wenn es uns erlaubt ist, die empirischen Sätze als situationsbezogene Prädikate φ(x ) mit Situationen x als den Bezugsgegenständen zu deuten, nimmt dieses Prinzip die von Hegel angegebene Form an: Etwas fällt entweder unter φ oder unter ¬φ. Dass es kein Drittes geben soll, bedeutet erstens, dass kein x zugleich ein φ und ¬φ sein soll, dass aber zweitens auch kein x weder φ noch ¬φ sein soll. Diese Doppeleigenschaft für Sätze bzw. Aussagen φ(x ) lässt sich aber am Ende nur in reinen sortalen Bereichen wie der Arithmetik und formalen Geometrie erfüllen. In der realen Welt ist das Prinzip keineswegs erfüllt, wie wir sehen werden. Das wird vertuscht in unserer formalen reflexionslogischen Rede von Aussagen, für die wir implizit annehmen, erstens dass irgendwie für sich wahr oder falsch sind, und zweitens, dass sie vom Sprecher als wahr behauptet werden. Dieser Satz enthält zuerst, daß Alles ein Entgegengesetztes ist, ein entweder als positiv oder als negativ bestimmtes. – Ein wichtiger Satz, der darin seine Nothwendigkeit hat, daß die Identität in Verschiedenheit und diese in Entgegensetzung übergeht. Allein er pflegt nicht in diesem Sinne verstanden zu werden, | sondern soll gewöhnlich so viel heissen, daß einem Dinge von allen Prädicaten entweder dieses Prädicat selbst oder sein Nichtseyn zukomme. (285 | 75 f.) Wir lesen das orakelartige Zweiwertigkeitsprinzip der Wahrheits(wert)logik zunächst mit größtmöglicher Nachsicht. Wir versuchen also, seinen guten Sinn auch außerhalb der von uns künstlich konstruierbaren Wahrheiten der Arithmetik zu erläutern. Nach Hegel besagt der Satz dann, dass jeder mögliche Gegenstand einer Rede, auch jede Aussage, nur in einem System von Entgegensetzungen zu anderen Gegenständen auf der Basis ganz bestimmter Ungleichungen
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als Gegenstand (bzw. als Aussage) bestimmt ist. Den Gleichungen entsprechen auf der Ebene der Präsentationen und Repräsentationen der Gegenstände Äquivalenzklassen, die zueinander disjunkt sind. Aussagen dagegen werden als wahr oder falsch angesehen. Wenn wir dabei von den relevanten Präsentationen und Repräsentationen ausgehen, also alle kategorial unpassenden Fälle in ein Niemandsland verschicken und damit ausschließen, gilt in gewisser Weise das Prinzip Tertium non datur. So gilt z. B., dass für jeden wohlbestimmten Zahlterm t und jeden anderen bedeutungsvollen Zahlterm t ∗ entweder t = t ∗ oder t , t ∗ , sogar entweder t = t ∗ oder t < t ∗ oder t ∗ < t . Entsprechendes gilt in einer lokal zu betrachtenden Rede über Personen oder Stühle in einem Saal. Für jedes Paar sinnvoller Kennzeichnungen k , k ∗ eines Stuhls oder einer Person im Saal ist dann die Gleichung k = k ∗ oder die Ungleichung k , k ∗ positiv (bzw. negativ) bestimmt, ein Drittes gibt es nicht, aus dem oben schon erläuterten Grunde, weil sonst die vermeintliche Kennzeichnung als bedeutungslos auszusondern wäre. Wir sehen, dass dieses Prinzip eben deswegen so wichtig ist, weil die Identität durch Verneinung der Verschiedenheit und diese durch eine Entgegensetzung definiert ist. Leider wird es in den naiven Doktrinen der Logik so nicht verstanden. Man liest es vielmehr so, dass für jeden Gegenstand N in einem (sortalen) Gegenstandsbereich G und jedem zu G passenden Prädikat φ(x ) gelten soll: Entweder gilt φ(N) oder ¬φ(N ), weder beides zugleich noch keines. Das aber heißt, dass man für ein festes System der in G sinnvoll bildbaren Prädikate φ(x ) verlangt, dass sie ganz G in genau zwei Teile teilen. Das ist für die Arithmetik und Mathematik völlig in Ordnung, nicht aber für Eigenschaften innerweltlicher Dinge. Denn hier erlauben wir immer auch bloß lokal definierte Eigenschaften, zumal die Dinge selbst bloß zeitlich existieren und identifizierbar sind. So gilt z. B. das Tertium non datur nicht, wenn wir eine Aussage der folgenden Art betrachten: »Im Jahr 2525 ist der Blick vom Trocadero auf den Ei=elturm zugebaut.« Denn es könnte sein, dass es zu diesem Zeitpunkt gar keinen Ei=elturm mehr gibt und auch kein Trocadero, sondern der Satz weder wahr noch falsch wäre, es sei denn, wir ersetzen ihn durch einen anderen Satz, etwa den irrealen Konditionalsatz, nach
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dem, wenn es den Ei=elturm und das Trocadero noch gäbe, der Blick verbaut wäre. Das Entgegengesetzte bedeutet hier bloß den Mangel oder vielmehr die Unbestimmtheit; und der Satz ist so unbedeutend, daß es nicht der Mühe [werth] ist, ihn zu sagen. Wenn die Bestimmungen süß, grün, viereckig genommen, – und es sollen alle Prädicate genommen werden – und nun vom Geiste gesagt wird, er sey entweder süß oder nicht süß, grün oder nicht grün, u. s. f. so ist diß eine Trivialität, die zu nichts führt. (285 | 76) Wenn wir nicht unterstellen, dass die Verneinung ¬φ(x ) zusammen mit φ(x ) den Gesamtbereich G abdeckt, sondern es ein Niemandsland dazwischen gibt, in dem weder ¬φ noch φ so recht passt oder beide zugleich, gilt das Prinzip nicht. Wenn wir aber die Verneinung als ›unendliche‹ oder ›indefinite‹ Verneinung deuten, welche nur den Satz irgendwie durchstreicht, wird das Prinzip trivial, ändert aber seinen Sinn und seine Logik. Der Negator lässt sich nicht mehr schachteln. Denn unendlich verneinte Sätze sind irgendwie wahr, aber völlig sinnlos, so wie der Satz »Farblose Ideen schlafen nicht furios«. Es ›gibt‹ sie ja nicht. In dieser Lesart ist das Prinzip völlig wertlos, da das »nicht« hier gar keine semantisch wohlgeformte Verneinung ist. Entsprechende gilt auch, wenn wir Bestimmungen wie z. B. süß, grün, viereckig nicht auf die rechten qualitativen Unterscheidungsbereiche einschränken und etwa sagen, der Geist oder die Zahl 5 seien nicht süß, nicht grün oder nicht viereckig. Kategoriale Trivialitäten dieser Art, wie etwa auch, dass Cäsar keine Primzahl ist, führen nicht nur zu nichts, sondern sind als sinnlos oder Kategorienfehler auszuschließen, wenn wir logisch noch bei Trost sind. D. h. wir müssen indefinite (unendliche) Verneinungen der Form φ(N ), in denen eine Eigenschaft durchgestrichen ist, von definiten (endlichen, semantisch wohlgeformten) Verneinungen ¬φ(N ) unbedingt unterscheiden.32 Die Bestimmtheit, das Prädicat, wird auf Etwas bezogen; das Etwas ist bestimmt, sagt der Satz aus; nun soll er wesentlich diß enthalten, daß die Bestimmtheit sich näher bestimme, zur Bestimmtheit an sich, zur Entgegensetzung werde. Statt dessen geht er aber 32
Für letztere muss G − {x ∈ G |φ(x )} = {x ∈ G |¬φ(x )} gelten.
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in jenem trivialen Sinne von der Bestimmtheit nur über zu ihrem Nichtseyn überhaupt, zurück zur Unbestimmtheit. (285 | 76) Hegel kommentiert hier die indefinite oder unendliche Verneinung eines Prädikats so: Der geäußerte Satz non-φ(N ) suggeriert, es werde durch das verneinte Prädikat ¬φ der Gegenstand N näher bestimmt, nämlich dass er eine bestimmte Eigenschaft besitze. In der indefiniten Verneinung wird aber gerade nicht ein Komplementprädikat G − A (bzw. AC ) als Entgegensetzung zum Prädikat φ in G von N ausgesagt, sondern es wird nur der Satz »N ist φ« durchgestrichen, als nicht wohldefiniert markiert oder ausgewiesen. Das aber heißt, dass die gesamte Eigenschaft φ(x ) bzw. der Satz φ nicht zu N bzw. zum Gegenstandsbereich G passen, so wie die Eigenschaft, Primzahl zu sein, nur auf Zahlen, nicht auf Cäsaren passt. N als bedeutungsvolle Benennung müsste in dem zu φ passenden Bereich G liegen. Der Satz »Cäsar ist eine Primzahl« ist also nicht einfach ›falsch‹, sondern sinnlos; das heißt, er muss im Grunde zusammen mit »Cäsar ist eine Primzahl« aus den semantisch wohlgeformten Sätzen, mit denen man vereinbare und weiter zusammensetzbare Aussagen formulieren kann, schon als Ausdruck kategorial ausgeschlossen werden. 33 Eine indefinite ›Satzverneinung‹, welche nur den Satz durchstreicht, der irgendwie unrichtig ist, führt also nicht zu einer weiter im Schließen verwendbaren verneinten Aussage: Wir wissen dann nur, dass entweder N keine BedeutungF hat wie in nicht wohlgeformten Kennzeichnungen der Art »der gegenwärtige König von Frankreich« oder »die falsche Aussage in der Äußerung von ›ich lüge hiermit‹« oder, zweitens, der Prädikatausdruck nicht zum Bereich passt wie in den obigen Beispielen. Als dritte Möglichkeit kann der Satz auch im normalen Sinn falsch sein. Obwohl das eigentlich seit der Logik des Mittelalters bekannt ist, haben weder Frege noch Russell oder der junge Wittgenstein dies und seine Brisanz für das logische Argumentieren gesehen. Das zeigt sich zum Beispiel in der Debatte zwischen Russell und Peter F. Strawson, der in On referring klar gegen Russells On denoting recht behält. Die notwendige Abkehr des späteren Wittgenstein von Russells logischem Empirismus wird in der Analytischen Philosophie bis heute noch kaum verstanden. 33
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Der Satz des ausgeschlossenen Dritten unterscheidet sich ferner vom oben betrachteten Satze der Identität oder des Widerspruchs, der so hieß: es gibt nicht ¦ etwas, das zugleich A und Nicht-A ist. Er enthält, daß es nicht Etwas gebe, welches weder A noch Nicht-A, daß es nicht ein Drittes gebe, das gegen den Gegensatz gleichgültig sey. (285 f. | 76) Hegel fragt nun noch nach den Beziehungen zwischen dem Widerspruchsprinzip, nach dem weder zugleich φ und ¬φ noch zugleich N ε λx .φ(x ). und N ε λx .¬φ(x ). gelten darf, dem Satz vom Ausgeschlossenen Dritten, nach dem entweder φ oder ¬φ bzw. N ε λx .φ(x ). oder N ε λx .¬φ(x ). gelten soll, und dem Satz der Identität, nach dem jedes A ein A ist und für jedes N gilt, dass N = N ist bzw. φ ↔ φ immer gilt. Die Frage ist schon deswegen berechtigt, weil das deutsche Wort »entweder« natürlich »nicht – weder« bedeutet, so dass das Prinzip »φ ∨ ¬φ« mit dem Prinzip »¬(φ & ¬φ)« zusammenzufallen scheint, das dann als solches aber gerade das Widerspruchsfreiheitsprinzip artikuliert. Ausgeschlossen werden in beiden Fällen Sätze resp. Aussagen, so scheint es, die weder wahr noch falsch oder zugleich wahr und falsch sind. Aber das scheint nur so. Denn wir müssen die Unrichtigkeit jeder Aussage der Form φ & ¬φ von der Frage nach der Richtigkeit einer Aussage der Form φ ∨ ¬φ unterscheiden, zumal der zweite Fall ohnehin eine Prüfung verlangt, ob denn der Ausdruck φ in der Sprechersituation überhaupt eine im Normalsinn der Verneinung wahre oder falsche Aussage artikuliert. Allerdings lesen wir auch den ersten Fall in der Regel automatisch so: Wenn ¬φ wahr ist, muss φ falsch sein, also sozusagen durchgestrichen werden. Wir übersehen dann aber leicht den Fall der kategorialen Unrichtigkeit: Denn wenn φ durchgestrichen ist, ist ¬φ noch lange nicht wahr. Aus dem Durchstreichen des Satzes »Cäsar ist eine Primzahl« folgt gerade nicht, dass Cäsar durch eine kleinere Zahl teilbar ist, während das für jedes x gilt, für welches ¬(x ist Primzahl) gilt. Nicht einmal Frege hat das bemerkt. Das Problem hat übrigens nichts mit dem Streit zwischen klassischer und intuitionistischer Logik über die Deutung des »oder« zu tun, sondern betri=t die hier gerade diskutierten Zweideutigkeiten der Ausdrücke »nicht« und »ist falsch«, die nur als endliche (bzw. definite) Verneinungen auf
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die übliche schematische Weise (z. B. in rekursiven Schachtelungen) behandelt werden dürfen, während die unendliche (indefinite) Verneinung als Artikulation einer kategorialen Falschheit wie z. B. »Mein Gehirn denkt nicht« in einem bestimmten Sinn zugleich unendlich wahr und unendlich falsch ist. Es bedarf vielleicht einiger Momente der Reflexion, um dieses Beispiel zu verstehen. Es sind also die logischen Prinzipien des Widerspruchs ¬(φ & ¬φ), des Tertium non datur φ ∨ ¬φ und der Identität φ ↔ φ bzw. auch schon φ → φ nicht gleichbedeutend, obwohl die klassische Wahrheitswertsemantik diese Aussageformen als gleichbedeutend bewertet, indem sie nämlich die überhaupt nicht triviale stillschweigende Voraussetzung macht, dass alle zulässigen φ (in einem Bereich G ) entweder formal als wahr oder die zugehörigen Verneinungen ¬φ im endlichen Sinn als wahr bewertet sind. Damit hat man alle schwierigen Fälle ausgeschlossen, ohne es zu merken. Das rächt sich in den üblichen logischen Paradoxien, zum Beispiel schon im Lügner-Satz »Ich lüge hiermit«, oder auch darin, dass Sätze der Art »Cäsar ist keine Primzahl« zugleich unendlich richtig und unendlich falsch sind, nicht anders als der Satz »Der gegenwärtige König von Frankreich ist nicht kahlköpfig«; ›er‹ ist es nicht, weil es ›ihn‹ nicht gibt. Und doch folgt nicht, dass ›er‹ deswegen behaart wäre. Theologisch relevant wird das spätestens in der sogenannten negativen Theologie. Denn es besteht ein großer Unterschied, ob man den Satz »Gott ist kein endliches, innerweltliches Wesen« als endliche oder als unendliche Verneinung liest. In der ersten Lesart scheint zu folgen, dass Gott ein unendliches außerweltliches Wesen ist. In der zweiten Lesart gilt nur, dass man das Wort »Gott« aus kategorialen Gründen seines Sinns nicht als Namen eines Elements irgendeines Gegenstandsbereichs neben anderen Gegenständen verstehen kann. Das ist völlig wahr und sollte von Theologen wie von Theologieverächtern als wahr anerkannt werden. In der That aber gibt es in diesem Satze selbst das Dritte, das gleichgültig gegen den Gegensatz ist, nemlich A selbst ist darin vorhanden. Diß A ist weder +A noch −A, und eben so wohl auch +A als −A. – Das Etwas, das entweder +A oder Nicht-A seyn sollte, ist hiemit auf +A sowohl als Nicht-A bezogen; und wieder, indem es
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auf A bezogen ist, solle es nicht auf Nicht-A bezogen seyn, so wie nicht auf A, indem es auf Nicht-A bezogen ist. (286 | 76) Hegels Kommentar ist schwierig – was zu verzeihen ist, wenn man beachtet, dass die logische Doktrin der Wahrheitswertsemantik der Analytischen Philosophie mit dem Problem schon gar nicht zurechtkommt, weil sie den Begri= der unendlichen Verneinung oder des indefiniten Satzes überhaupt nicht kennt und viel zu unernst mit Kategorienfehlern umgeht. Wenn nämlich φ weder als wahr, noch als falsch zu werten ist, meint man, φ als wahr bewerten zu können. Doch dann ist auch ¬φ wahr. Schließt man mithilfe des Satzes vom ausgeschlossenen Dritten von φ auf ¬φ und von ¬φ auf ¬¬φ, erhält man, dass ¬φ und ¬¬φ bzw. φ und ¬φ wahr sein müssten, eine nicht eben erwünschte Wahrheit. Man beachte dabei noch einmal den Unterschied zwischen einer Durchstreichung und einer Negation. Das Etwas selbst ist also das Dritte, welches ausgeschlossen seyn sollte. Indem | die entgegengesetzten Bestimmungen, im Etwas eben so sehr gesetzt als in diesem Setzen aufgehobene sind, so ist das Dritte, das hier die Gestalt eines todten Etwas hat, tiefer genommen, die Einheit der Reflexion, in welche, als in den Grund die Entgegensetzung zurückgeht. (286 | 76f) Wesenslogische Gegenstände sind immer reflexionslogische Setzungen. Das ist der Kern dieser Überlegung. Es bedeutet, dass die Gegenstände nicht einfach als begri=s- und theoriefrei gegeben angesehen werden können, zumal wenn ihnen Dispositionen und Kräfte verschiedenster Art zugeschrieben werden. Dabei ist die Verteilung der ›Verantwortlichkeit‹ für die Relativbewegungen und relationalen Prozesse zwischen den – einige Zeit lang ›mit sich‹ identifizierbaren – Dingen keineswegs alternativlos zu bestimmen oder gar unmittelbar gegeben. Die empirische Wahrnehmung allein reicht dabei jedenfalls nicht aus – was immer man im Empirismus glaubt, mit dem man ironischerweise einen idealistischen Materialismus begründen möchte. Anmerkung 3 Wenn nun die ersten Reflexionsbestimmungen, die Identität, die Verschiedenheit und die Entgegensetzung, in einem Satze aufgestellt worden, so sollte noch vielmehr diejenige, in welche sie als in
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ihre Wahrheit übergehen, nemlich der Widerspruch, in einen Satz gefaßt und gesagt werden: Alle Dinge sind an sich selbst widersprechend, und zwar in dem Sinne, daß dieser Satz gegen die übrigen vielmehr die Wahrheit und das Wesen der Dinge ausdrücke. – Der Widerspruch, der an der Entgegensetzung hervortritt, ist nur das entwickelte Nichts, das in der Identität enthalten ist, und in dem Ausdrucke vorkam, daß der Satz der Identität Nichts sage. Diese Negation bestimmt sich weiter zur Verschiedenheit und zur Entgegensetzung, welche nun der gesetzte Widerspruch ist. (286 | 77) Dass Identitätsaussagen Reflexionsbestimmungen sind, ist eine nichttriviale Beobachtung: Denn ›normalerweise‹ sprechen wir über die Gegenstände und Dinge und unterstellen ihre Identität – und zwar so, dass Gleichungen als Meta-Aussagen nicht ›über‹ die Dinge, sondern ›über‹ ihre Benennungen oder ›über‹ unsere Bezugnahmen zu lesen sind. Analoges gilt für die Verschiedenheit. Objektstufig gelesen, scheint es tautologisch zu sein, dass zwei Dinge ungleich sind. Wenn wir dies bedenken, verstehen wir vielleicht, inwiefern die Reflexion auf die Möglichkeitsbedingungen von Aussagen der Form A = B und A , B zu dem provokativen Merksatz führt »Alle Dinge sind an sich selbst widersprechend«. Denn es gibt keine Bestimmung von Dingen in Gegenstandsbereichen, die nicht von ›feineren‹ Unterscheidungen zwischen verschiedenen möglichen Präsentationen und Repräsentationen der Gegenstände ausgehen müssten. Das Orakel besagt, erstens, dass das Wesen der Dinge in Wahrheit aus einer bestimmten Konstitution des Gegenstandsbereiches mit vielen verschiedenen Zugängen zu jedem Gegenstand in ihm besteht, zweitens, dass die Einheit jedes physischen Dings epochal oder zeitlich (auch räumlich) begrenzt ist, weil ›alles‹ entsteht und vergeht. Dinge sind also in einem gewissen Betracht wie schon bei Heraklit nur Momente im Werden, sozusagen ›Teile‹ von Prozessen, so wie Lebewesen zwar Individuen sind, aber das bloß in der Zeit ihrer Existenz und dann auch so, dass ihr Leben im Rahmen eines umgreifenden Gattungsprozesses steht. Hegels katachrestischer Ausdruck dafür ist »das entwickelte Nichts«. Es ist in der Identität eines innerweltlichen Wesens eben deswegen ›enthalten‹, weil ein solches Wesen in Bezug auf sein Ansichsein aus völlig Anderem entsteht. Dieses Andere ist
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›nichts‹ im Sinne dessen, dass es sich nicht schon im Wesensbereich befindet. Zwar entsteht ein Tier im Muttertier, aber nicht eigentlich ›aus‹ der Mutter – sondern aus etwas, das kein Tier ist, aus Samen und Ei. Andererseits sagt der Satz der Identität nichts, weil A = A eine Tautologie ist, A = B aber den jetzt schon ausreichend diskutierten ›Widerspruch‹ der Gleichsetzung von Verschiedenem ›enthält‹, sodass es zwei Formen gibt, in denen das Identische aus dem Nichts hervorgeht: im abstrakten Fall durch Setzung, im konkreten Fall durch ein Werden. Es ist aber eines der Grundvorurtheile der bisherigen Logik und des gewöhnlichen Vorstellens, als ob der Widerspruch nicht eine so wesenhafte und immanente Bestimmung sey, als die Identität; ja wenn von Rangordnung die Rede, und beyde Bestimmungen als getrennte festzuhalten wären, so wäre der Widerspruch für das Tiefere und Wesenhaftere zu nehmen. Denn die Identität ihm gegenüber ist nur die Bestimmung des einfachen Unmittelbaren, des todten Seyns; er aber ist die Wurzel aller Bewegung und Lebendigkeit; nur insofern etwas | in sich selbst einen Widerspruch hat, bewegt es sich, hat Trieb und Thätigkeit. (286 | 77 f.) Es ist ein Vor- und Fehlurteil einer sich an mathematischen Gegenstands- und Redebereichen orientierenden Logik, nach welchem Sätze oder wenigstens Aussagen wahr oder falsch sind, und das in scheinbar zeitallgemeiner Weise. Nichts scheint außerdem schlimmer zu sein als ein Widerspruch, zumal man nach dem ›Prinzip‹ ex falso quodlibet bzw. ex contradictione quodlibet aus einem Widerspruch ›alles‹ erschließen zu können meint. In der Mathematik rechnen wir mit diesem Beweis- oder Schlussprinzip nur deswegen, weil es in folgendem Sinne ›gültig‹ ist: Seine Anwendung kann nur dann zu einem falschen Satz führen, wenn in der Prämisse schon ein falscher Satz steckte. D. h., als Schlussregel ist das Prinzip konservativ gegen eine Wahrheitspartition von Elementarsätzen, also deren Zweiteilung in wahre und falsche – Tertium non datur. Alle empirischen Dinge entstehen und vergehen. Sie bilden daher keine zeitallgemeinen Gegenstandsmengen. Physische Prozesse sind keine statischen Relationen. Noch nicht einmal Bewegungen
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lassen sich vollständig zeitallgemein darstellen – es sei denn rein metaphorisch. Anders als die idealen Formen der Geometrie mit ihren Linien und Punkten als Momenten, die orts- und zeitunabhängig in Diagrammen repräsentierbar sind, ›gibt‹ es ›die Zeit‹ nicht als reine Form von Zeitpunkten, und zwar weil die Zeit selbst empirisch ist, ja das Empirische schlechthin. Hegel benutzt »Identität« hier auch pars pro toto für alle ewigen mathematischen Sätze. Und er erklärt, dass ›der Widerspruch‹ des empirischen Werdens, des Entstehens und Vergehens der Gegenstände und des Wechsels der Wahrheitswerte empirischer, d. h. indexikalischer Sätze mit Demonstrativpronomen wie »dies«, »jenes« oder auch »hier«, »jetzt« und »dort« oder »dann« mindestens eine so wichtige logische Bestimmung ist wie die im weiteren Sinn analytischen Sätze der reinen Größen- oder Mengenlehre, also der Mathematik insgesamt. Der Widerspruch ist sogar das tiefere Prinzip, weil nur über die Widersprüche empirischer Sätze zu verschiedenen Zeiten, also den Wechsel der Wahrheitswerte, Werden und Bewegung sprachlich darstellbar ist, was wir aber dringend brauchen, um empirische Aussagen zu fällen und empirische Informationen sprachlich weitergeben zu können. Während man mit Recht die Widerspruchsfreiheit eines generischen Systems zulässiger Regeln des Rechnens mit Sätzen fordert, ist mit dem Widersprüchlichen empirischer Sätze in ihrem zeitlichen Weltbezug angemessen umzugehen. Die generischen Regeln des Rechnens und Schließens mit ewigen Sätzen, die selbst bloß zeitallgemeine Regeln des inferentiellen Rechnens mit Sätzen sind, gehören in eine abstrakte Sphäre des ›toten Seins‹, wie die Mathematik. Ihr steht die ›Lebendigkeit‹ des empirischen Werdens gegenüber. Man sollte also angemessen verstehen, was es heißt, dass ›der Widerspruch‹ die ›Wurzel aller Bewegung‹ ist, und warum die Rede von Dispositionen (›Trieben‹) und Tätigkeiten (›Energien‹) von Dingen nur möglich ist, wenn wir auf ›widersprüchliche‹ Weise über die sich bewegenden und verändernden Dinge so reden, als blieben sie mit sich identisch, also als veränderten sie sich nicht, obwohl ihr Begri= ihre typischen Veränderungen selbst schon enthält.
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Der Widerspruch wird gewöhnlich fürs erste von den Dingen, von dem Seyenden und Wahren überhaupt, entfernt; es wird behauptet, daß es nichts widersprechendes gebe. Er wird fürs andre dagegen in die subjective Reflexion ¦ geschoben, die durch ihre Beziehung und Vergleichung ihn erst setze. Aber auch in dieser Reflexion sey er nicht eigentlich vorhanden, denn das Widersprechende könne nicht vorgestellt noch gedacht werden. Er gilt überhaupt, sey es am Wirklichen oder in der denkenden Reflexion, für eine Zufälligkeit, gleichsam für eine Abnormität und vorübergehenden Krankheitsparoxysmus. (286 f. | 78) Das Problem der Analogisierung der relationalen Sprache der abstrakten Mathematik und der Rede über Dinge und die wahre Realität besteht darin, dass man mit den Widersprüchen die Bewegung und Veränderung entfernt. D. h. man unterstellt, man könne in ewigen Sätzen über empirische Dinge sprechen, so wie man sich einen mehrdimensionalen Weltfilm vorstellen kann, in dem man alle möglichen Orte und Zeiten wie Pixel auf einem Bildschirm benennt und daher sub specie aeternitatis sagen kann, was an ihnen der Fall ist: welche Farben das Pixel hat, ob es als Teilchen Masse hat und daher einen Teil der Gravitationskräfte ausmacht oder eine Ladung usf. Wir sind heute so verbildet, dass wir das Verrückte dieses Bildes nicht mehr zu bemerken scheinen. Wenn wir die reale Sprache und reale empirische Aussagen genauer betrachten, bemerken wir dagegen den deiktischen Sprecherbezug und die Änderung der Wahrheitswerte bei Perspektivenwechsel oder im Laufe der Zeit. Zusammen mit den Kontrasten einer Verlaufsform von faktiven bzw. teleologisch formulierten Bewegungen (»sie ist am Spazierengehen« vs. »er fährt nach London«) und ›ewigen‹ Sätzen und Regeln (die Wälder sind im Sommer trocken, die Städte verschmutzt etc.) können wir Empirisches darstellen. Wir können dann auch so schließen: Da es Sommer ist, läuft sie in einen trockenen Wald und er fährt in eine verschmutzte Stadt. Der ›Widerspruch‹, dass aus denselben Sätzen im Winter Anderes folgte, weil sie in einen feuchten Wald lief und die Luft der Stadt im Schnee oder Regen ›sauber‹ oder ›rein‹ war, hat nichts mit unserer Subjektivität zu tun. Erst recht verfehlt ist es zu sagen, etwas, das sich widerspricht, könne
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nicht gedacht werden. Es ist nichts leichter, als zwei Sätze nacheinander zu sagen, die sich als Sätze widersprechen, die aber beide wahr sind. Und sogar den Satz 2 + 2 = 5 kann ich denken bzw. hinschreiben, obwohl er in sich widersprüchlich ist, da 2 + 2 = 4 und 4 , 5 gilt. Was ich nicht ›kann‹, ist nur, ihn ernsthaft für wahr zu halten, also als Rechenregel zu empfehlen oder als mögliches Rechenergebnis einer richtigen Rechnung mit wahren Prämissen anzuerkennen. Was nun die Behauptung betrift, daß es den Widerspruch nicht gebe, daß er nicht ein vorhandenes sey, so brauchen wir uns um eine solche Versicherung nicht zu bekümmern; eine absolute Bestimmung des Wesens muß sich in aller Erfahrung finden, in allem Wirklichen wie in jedem Begri=e. Oben beym Unendlichen, das der Widerspruch ist, wie er in der Sphäre des Seyns sich zeigt, ist das Gleiche bereits erinnert worden. Die gemeine Erfahrung aber spricht es selbst aus, daß es wenigstens eine Menge widersprechender Dinge, widersprechender Einrichtungen u. s. f. gebe, deren Widerspruch nicht bloß in einer äusserlichen Reflexion, sondern in ihnen selbst vorhanden ist. (287 | 78) Das Problem liegt nicht etwa darin, dass die Wörter »dies«, »hier« und »jetzt« zu verschiedenen Zeiten und in unterschiedlichen Situationen etwas Anderes ›bedeuten‹: Erstens bedeuten sie generisch, funktional, immer dasselbe und beziehen sich nur je nach Sprechakt und Deixis auf Verschiedenes. Zweitens sind sie keine Namen. Drittens werden räumliche und zeitliche Perspektivenwechsel gerade dadurch explizit gemacht, dass du, wenn du »ich« sagst, auf jemand anderen verweist, als wenn ich das tue, und dass du »dort bei dir« für das sagen musst, wo ich »hier bei mir« sage etc. Wir lernen das alles und es ist dennoch nicht ganz trivial, zumal Tiere diese Form des explizit gemachten Perspektivenwechsels klarerweise nicht besitzen. Als These oder Versicherung sagt ein Satz der Art »Es gibt keinen Widerspruch« ohnehin rein gar nichts. Wenn Hegel dagegen provokativ dagegenhält und sagt, dass alles widersprüchlich sei, so wird er allerdings den Sinn des Merksatzes an ›allem Wirklichen‹ bzw. ›allen empirischen Begri=en‹ erst noch aufzeigen müssen. Die inneren Widersprüche der Rede über etwas Unendliches hatten wir schon in der Seinslogik diskutiert: Die Unendlichkeit der
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natürlichen Zahlen, das absolute Standardbeispiel, ist zunächst die ›schlichte‹ Unendlichkeit der indefiniten Fortsetzbarkeit von Zahlenfolgen. Wir können zu jedem Term t einen Term t ∗ bilden mit t + 1 = t ∗ . Aus Bequemlichkeit können wir dazu zunächst »t + 1« selbst nehmen. ›Widersprüchlich‹ wird die Unendlichkeit der Zahlen schon dadurch, dass wir den Begri= der endlichen Zählzahl, artikuliert durch einen Zahlterm t in einem Termsystem T , nur im Kontrast zu einer ›unendlichen‹ Folge erläutern können, obwohl das ›Unendliche‹ selbst zunächst nur über das System aller ›endlichen‹ Zahlen definiert ist. Außerdem ›gibt‹ es zunächst nur die endlichen Zahlen. Das unendliche Universum aller Zahlen ›gibt‹ es also zunächst nicht, zumal es selbst keine Zahl ist. Dennoch können wir den Bereich aller Zahlen in eine Menge und damit in einen abstrakten Gegenstand verwandeln. Die Unendlichkeit der natürlichen Zahlen wird eben dadurch zu einer Eigenschaft eines Gegenstands, obwohl sie das zuvor gar nicht sein konnte, weil zunächst nur ein Variablenbereich, die Zahlen, aber kein Gegenstand, die Menge der Zahlen, definiert worden war. Außerdem ist nichts verständlicher als das robuste Urteil eines Kritikers menschlicher Einrichtungen, der feststellt, dass sich gewisse Regeln widersprechen, etwa wenn man Gesetze zum Erhalt von Arbeitsplätzen erlässt, die in der Umsetzung dafür sorgen, dass die Arbeitsplätze ins Ausland abwandern. Es handelt sich dabei klarerweise um »objektive« Widersprüche, auch wenn der Widerspruch Intentionen oder Absichten betri=t. Er ist aber ferner nicht bloß als eine Abnormität zu nehmen, die nur hier und da vorkäme, sondern ist das Negative in seiner wesenhaften Bestimmung, das Princip aller Selbstbewegung, die in nichts weiter besteht, als in einer Darstellung desselben. Die äusserliche sinnliche Bewegung selbst ist sein unmittelbares Daseyn. Es bewegt sich etwas nur, nicht indem | es in diesem Itzt hier ist, und in einem andern Itzt dort, sondern indem es in einem und demselben Itzt hier und nicht hier, indem es in diesem Hier zugleich ist und nicht ist. Man muß den alten Dialektikern die Widersprüche zugeben, die sie in der Bewegung aufzeigen, aber daraus folgt nicht, daß darum die Bewegung nicht ist, sondern vielmehr daß die Bewegung der daseyende Widerspruch selbst ist. (287 | 78 f.)
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Hegels Betonung der Zeitlichkeit der Wahrheit empirischer Sätze ist zwar trivial: Wir alle wissen das und beherrschen die Perspektivenwechsel des »ist jetzt«, »war gestern« und »wird morgen sein«, neben dem »ist hier«, »ist dort«, »ist nicht mehr da« und »ist noch nicht da«. Aber wir unterschätzen die Bedeutung der Tatsache, dass wir nur über die Deixis und die indexikalischen Wörter bzw. einen analogen Gebrauch anderer Wörter die Perspektivwechsel von einem Sprecher zum anderen, von mir zu dir oder ihm, von heute auf gestern oder morgen sprachlich explizit machen und dass alle empirischen Sätze implizite Perspektiven dieser Art enthalten. Die Naivität des Empirismus besteht darin, das Empirische gerade nicht zu verstehen, indem man von Hume über den frühen Wittgenstein bis herunter zu Quine meint, empirische Konstatierungen durch stehende Sätze (Quines standing sentences) artikulieren zu können, indem man nur zeiträumliche Pixels ›objektiv‹, d. h. aus einer idealistischen Perspektive eines allwissenden Du oder Gottes beschreibt. Dass es keine einzige perspektivenfreie Zeitangabe gibt und keine einzige Raumstelle, die sich ohne Nennung eines Bezugsgegenstandes und unserer Bezugnahme auf ihn als Sprecher real dingfest machen ließe, wird schlicht ausgeblendet. Der Glaube an die ›Objektivität‹ der ›Wahrheit‹ eint hinter ihrem Rücken die Theologie des allwissenden Gottes mit der Ideologie des Empirismus, die nur von sich meint, kritische Aufklärung zu sein. Hegels Artikulationsform dieser Einsicht ist sicher nicht leicht zu erschließen. Allerdings war eine formidable Hürde zu überwinden. Diese Hürde ist der Aberglaube einer formalen Logik stehender Sätze. In ihnen meint man, alles und jedes subjektinvariant und perspektiventranszendent darstellen und aussagen zu können, ohne zu bemerken, dass es Zeitallgemeinheit nur für mathematische Rechenregeln und generische Schlussregeln, ausgedrückt in wirklich tempus- und indexikal unabhängigen, ›nichtempirischen‹ Sätzen gibt. Diese stehen als solche in einem absoluten Kontrast zu Sätzen, deren Wahrheit im Gebrauch von Aussagen deiktisch und a posteriori, also aus der Gegenwart und im Blick von der Gegenwart auf eine Vergangenheit, zu bewerten sind.
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Dass geäußerte Sätze sich formal widersprechen, lässt sich also nicht dadurch aufheben, dass man sie als unvollständige Artikulation vollständiger Filmbildbeschreibungen eines ewigen Weltfilms auffasst mit ewig bestimmten Raumzeitpunkten. Man möchte den Satz »Dies ist aus Eisen« beständiger machen, indem man das »dies« durch den Namen »der Ei=elturm« ersetzt. Doch der Name behält einen Zeitindex. Es ist zwar richtig, Sätze wie »es regnet« oder »das ist ein Hase« als Prädikate zu deuten, welche eine Unterscheidung des gegenwärtigen Wetters hier bzw. der gegenwärtigen Tiere artikulieren. Aber erstens bildet das Wetter keinen wohldefinierten sortalen oder halbsortalen Gegenstandsbereich der Art, wie das Tiere oder Zahlen tun. Zweitens besteht die Negativität im Sinn von allen empirischen Sätzen darin, dass ihre Unterscheidung in realen oder fingierten Dialogen über demonstrativ Zeigbares fundiert ist. Hegels Satz, dass das Negative das Prinzip der Selbstbewegung sei, »die in nichts weiter besteht, als in einer Darstellung desselben«, ist so schwierig wie tief. Er sagt nicht, dass sich nichts in der Welt bewegen würde, gäbe es nicht unsere sprachliche Darstellungsform der Art »jetzt ist es hier, jetzt ist es dort«. Sondern er sagt, dass es keinen Begri= einer Bewegung eines Objektes gegen uns oder andere Vergleichsgegenstände gäbe, ohne die Unterscheidung zwischen der Bewegung des Objektes selbst und der Veränderung etwa meines Blicks und meiner inneren Empfindung. Hegel kommentiert hier also nur, was Kant am Beispiel eines den Fluss hinauffahrenden Schi=es illustriert. Wenn ich am Treidelweg weit schneller fahre als das Schi=, werde ich möglicherweise nicht sicher sein, ob das Schi= nicht doch flussabwärts fährt. Ob es das tut, entscheidet sich von einem Ruhepunkt am Ufer aus. Es geht also bei allen ›objektiven Aussagen‹ über die Bewegung des Dinges selbst erst einmal darum, die geeignete Normalperspektive zu finden, von der aus entschieden werden kann, ob die Veränderung ›im Objekt‹ oder ›im betrachtenden Subjekt‹ liegt, wie man diese Fälle grob und metaphorisch zu kommentieren pflegt. Hegels Kommentare holpern, machen aber klar, dass er wirklich vom unmittelbaren Dasein einer durch die Sinne registrierten Veränderung spricht, die er – vielleicht auf allzu komplizierte Weise – als eine dem Ding äußerliche »sinnliche Bewegung« anspricht.
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Die weiteren Sätze Hegels bestätigen unsere Lesart, auch wenn sie wieder nicht leicht in einer weniger idiosynkratischen Diktion auszubuchstabieren sind. Ob Dinge sich bewegen, lässt sich nicht dadurch prüfen, dass sie jetzt an einer Stelle im Blickfeld sind, dann, einige Zeit später, dort. Sondern wir müssen ihren stetigen Weg von einer Ruhestelle aus verfolgen. Wenn man dem Empirismus folgt und das Jetzt als Punkt auffasst, dann erzeugt die Bewegung des Dinges den Widerspruch, dass es zugleich hier und nicht hier sein müsste: Denn in der Welt ist »jetzt« eine ausgedehnte Gegenwart. Nur im mathematischen Bild ist es ein Punkt. In einem Punkt aber kann sich nichts bewegen, wie schon Zenon wusste. Also können das Jetzt und das Hier keine Punkte sein, sonst gäbe es keine Bewegung. Der Widerspruch, den Hegel hier schildert, stammt aus einer blinden Identifizierung mathematischen Punkte mit empirischen Stellen. Hegels Rückverweis auf Zenon von Elea ist eindeutig und sein Kommentar ist absolut richtig: Man muss ihm und Parmenides zugeben, dass es in einem mathematischen Modell und Weltbild keine Bewegung gibt. Aber daraus folgt nicht, dass es in der realen Welt keine Bewegung gibt, sondern dass wir den Widerspruch zwischen dem Empirischen und den stehenden Sätzen aushalten müssen, ja dass die Bewegung der Dinge, ihr Entstehen und Vergehen, »der da seiende Widerspruch selbst ist«, nämlich im Blick auf unsere Vorstellung perspektivenunabhängiger ewiger Sätze. Das Muster der Mathematik führt nur manchmal zu tauglichen Analogien. Eben so ist die innere, die eigentliche Selbstbewegung, der Trieb überhaupt, (Appetit oder Nisus der Monade, die Entelechie des absolut einfachen Wesens) nichts anderes, als daß Etwas in sich selbst, und der Mangel, das Negative seiner selbst, in einer und derselben Rücksicht ist. Die abstracte Identität mit sich ist noch keine Lebendigkeit, sondern daß das Positive an sich selbst die Negativität ist, dadurch geht es ausser sich und setzt sich in Veränderung. Etwas ist also lebendig, nur insofern es den Widerspruch in sich enthält, und zwar diese Kraft ist, den Widerspruch in sich zu fassen und auszuhalten. (287 | 79) Erst recht schwierig wird die Grammatik der Zuschreibung von Kräften, Dispositionen, Trieben, Instinkten, Energien zu körperlichen
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Dingen oder gar bloßen raumzeitlichen Feldern. Traditionell verbirgt sich das Problem unter Titeln wie Begierde oder animalischer Appetit (animal appetite), Neigung oder Nisus und soll bei Leibniz durch einen neuen Begri= der Monade und der Entelechie halbmathematisch aufgefangen werden. Man kann es drehen oder wenden, wie man will, Erklärungen eines Bewegungsgeschehens sind nie teleologie-frei. Zwar herrscht in der Neuzeit die Tendenz vor, sich möglichst immer ›mit Notwendigkeit‹ reproduzierende Bewegungsformen und in ihnen Anfangsstücke als e;zienzkausale Ursachen anzugeben. Aber bei allen Prozessen, die auf ihr Ende hin beschrieben werden (müssen), wird das ›Ziel‹ oder besser das ›normale Ende‹ eines Normalverhaltens partiell (d. h. unter entsprechenden Rahmenbedingungen) in die Objekte gelegt, so wie noch Aristoteles das Streben der Dinge, nach unten zu fallen, in diese gesetzt hat. Den Tieren schreiben wir heute noch instinktartige Neigungen oder Triebe des Suchens und Versuchens in behavioraler Zielverfolgung und sinnlicher Erfüllungskontrolle zu. Man könnte übrigens anders gar nichts vorhersagen. Sogar in der physikalischen Gravitationstheorie tauchen Anziehungskräfte und inertiale, tangentiale Fliehkräfte als ›teleologische‹ Tendenzen der Bewegungen der Dinge auf. Es werden so allgemeine (ballistische) Bewegungsformen dargestellt, die sich reproduzieren (lassen). Hegels Formulierung ist aber zu knapp, wo er den körperlichen Gegenstand selbst mit dem Gesamt seiner wirkenden Kräfte (wie z. B. der Masse) und ›dem Mangel‹ als dem ›Negativen seiner Selbst‹ identifiziert. Gemeint ist, dass die dem Ding oder Objekt zugeschriebenen Kräfte oder Neigungen rein potentiell sind und nur unter gewissen äußeren Bedingungen ein gewisses ›Normalverhalten‹ mitbedingen, so dass kein Ding und Wesen, auch kein Tier und kein Mensch, ohne Berücksichtigung von empirischen Umgebungen seinen Tendenzen folgen kann. Dieser Mangel eines jeden Wesens ist selbst aber nicht etwa kontingent, sondern eine allgemeine Grundtatsache. Sie ist notwendigerweise als begri=liches Prinzip anzuerkennen. Sie ist sozusagen der Gegenpol zum ›Trieb‹. Die Dispositionen, die wir in die Dinge oder Lebewesen legen, sind also in der Tat selbst schon ›Widersprüche‹, ›Spannungen‹ zwischen
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Aussagen darüber, was das Ding oder Wesen, wenn es nur nach ihm ginge, sozusagen ›am Liebsten‹ tun und haben würde und was es dann aufgrund der Umstände wirklich tut bzw. tun kann oder hat. Wer sich beklagt, dass die Darstellungsform anthropomorph ist, beklagt sich über eine logische Grundform, der er selbst nie entkommt. Sie ist mit der Tatsache mitgegeben, dass alle Erklärungen in dieser Welt sozusagen holistisch sind, dass uns das nur deswegen nicht auffällt, weil wir aus berechtigten pragmatischen Gründen alle wirksamen Kräfte auf die Dinge als die lokalen Zentren aufteilen und nur so in die Lage kommen, lokal Bedingungen für erwartbare Veränderungsformen überprüfen zu können. Mit anderen Worten, obwohl wir wissen, dass die Welt des Werdens grundsätzlich global aufzufassen ist, versuchen wir nach Kräften, die Idee des Atomismus, der monadologischen Autarkie der lokalen Dinge und Wesen in unseren Darstellungen durchzusetzen. Daraus entsteht die begri=liche Spannung zwischen lokaler und globaler Perspektive, Atomismus und Holismus. Das sind begri=lich-allgemeine und damit notwendige Spannungen oder Widersprüche, so allgemein und notwendig wie der Anfang und das Ende der Dinge oder die Geburt und der Tod bei Lebewesen. Hegel hat auch darin recht, dass die abstrakte Identität rein an sich noch kein Sein, keine ›Lebendigkeit‹ der Teilnahme an dem Weltprozess, beinhaltet. Das ›Positive‹ eines Dinges besteht in einem Selbsterhalt ›gegen‹ die Umwelt, ist also selbst schon ›Negativität‹ – wobei der Selbsterhalt selbst in der Auseinandersetzung mit der Welt besteht, so wie jeder denkende Selbstbezug ein Weltbezug ist – und umgekehrt. Für Tiere und Menschen, schon für Pflanzen und Organismen, gilt daher, dass etwas lebendig nur ist als Kraft oder Energie, den Widerspruch zwischen Begierde und Mangel, Autarkiestreben und Anpassung auszuhalten: Wenn aber ein Existirendes nicht in seiner positiven Bestimmung zugleich über seine negative überzugrei=en und eine in der andern festzuhalten, den Widerspruch nicht in ihm selbst zu haben vermag, so ist es nicht die lebendige Einheit selbst, nicht Grund, sondern geht in dem Widerspruche zu Grunde. – Das speculative Denken besteht nur darin, daß das Denken den Widerspruch und in ihm
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sich selbst festhält, nicht aber daß es sich, wie es dem Vorstellen geht, von ihm beherrschen und durch ihn sich seine Bestimmungen nur in andere oder in Nichts auflösen läßt. ¦ (287 | 79) Das spekulative Denken besteht in der Reflexion auf Sprechhandlungs- und Kooperationsformen. Als solches hält es »den Widerspruch und in ihm sich selbst« fest, so wie ein Lebewesen die Spannung zwischen Begierde und den Mängeln an unmittelbaren Möglichkeiten ihrer Befriedigung. In der Reflexion verweisen wir darauf, dass unsere Sprachregeln nur kohärent sind, solange wir uns in Normalfallbereichen bewegen, in denen alle möglicherweise auftretenden Probleme schon ausgeschlossen sind. Das Niemandsland des Indefiniten wird in dieser Annahme der Kohärenz ausgeblendet. Alle Widersprüche werden stillschweigend in einen Bereich zufälliger Steresis verschoben. Hegel dementiert aber zugleich, dass sich das spekulative Denken der Reflexion auf Wahrheit und Wissen von den scheinbar unauflöslichen Widersprüchen und Paradoxien der sophistischen Skeptiker beherrschen ließe, nach denen es gar kein Wissen geben soll, weil es immer Zufälle geben kann, die unser Normalfallschließen schon in Urteilen der Art »das da ist Milch« falsch machen können. Daher ist alles empirische Realwissen fallibel. Was im konkreten Einzelfall als richtiges Urteil und als richtiger Schluss bewertet wird, wird nicht dadurch bloß zu einer zufälligerweise wahren Aussage, weil es zufälligerweise sein kann, dass sie falsch ist. Zwar scheint es so, dass man nie etwas ›mit Gewissheit‹ oder ›Notwendigkeit‹ wissen kann. Das aber heißt nur, dass alle Notwendigkeit im richtigen Urteilen und Schließen nur die Not wendet, die sich aus dem Urteilenmüssen ergibt, indem das bestmögliche Urteil gefällt wird und die mit ihm verbundenen Normalfallschlüsse als zulässig erklärt werden. Gewissheit dagegen ist nur eine subjektive Haltung. Wir sollten also das Wort »notwendig« praktisch nie einfach im Sinn von »immer« lesen und das Wort »möglich« zumeist nicht einfach im Sinn des Ausdrucks einer rein formalen Möglichkeit, wie sie durch generische Regeln immer noch o=engelassen werden. Wenn in der Bewegung, dem Triebe und dergleichen der Widerspruch in die Einfachheit dieser Bestimmungen für das Vorstellen verhüllt ist, so stellt sich | hingegen in den Verhältnißbestimmun-
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gen der Widerspruch unmittelbar dar. Die trivialsten Beyspiele, von Oben und Unten, Rechts und Links, Vater und Sohn und so fort ins Unendliche, enthalten alle den Gegensatz in Einem. Oben ist, was nicht Unten ist; Oben ist bestimmt nur diß, nicht Unten zu seyn, und ist nur, insofern ein Unten ist; und umgekehrt; in der einen Bestimmung liegt ihr Gegentheil. Vater ist das Andre des Sohnes, und Sohn das Andre des Vaters und jedes ist nur als diß Andre des andern; und zugleich ist die eine Bestimmung nur in Beziehung auf die andere; ihr Seyn ist Ein Bestehen. Der Vater ist ausser der Beziehung auf Sohn auch etwas für sich; aber so ist er nicht Vater, sondern ein Mann überhaupt; wie Oben und Unten, Rechts und Links auch in sich reflectirte, ausser der Beziehung etwas sind; aber nur Orte überhaupt. – (288 | 79 f.) Die Probleme impliziter Relationsausdrücke sind altbekannt und auch ihre Aufhebung, etwa wenn Kebes groß ist gegenüber Sokrates, aber klein im Vergleich zu Simmias. Ebenfalls trivial ist, dass etwas nur in Relation zu einer Kontrastrichtung nach unten als oben befindlich ausgesagt werden kann und dass auch der Kontrast von links und rechts eine Sprecher- und Beobachterperspektive voraussetzt. Noch trivialer ist, dass jemand nur Vater sein kann, wenn er Kinder hat. Ein Sohn zu sein, setzt einen Vater voraus. Die Formulierung, dass ein impliziter Relationsbegri= wie der, Vater zu sein, einen »Gegensatz in Einem« enthält, ist sicher zweideutig: Sie kann besagen, dass ich Vater bin und zugleich Sohn, je nachdem, auf welche Person – meine Eltern oder meine Kinder – ich mich relational beziehe, so wie etwas oben und unten, links und rechts, groß und klein sein kann, wenn wir die Bezüge der Maßbestimmungen ändern. Alle diese scheinbar paradoxen Fälle des ›Relativismus‹ der Prädikate werden schon bei Platon dadurch aufgehoben, dass ein einstelliges Prädikat wie »x ist groß« als Relation mit einem impliziten Parameter analysiert wird, also in der Form »x ist groß relativ zu N «.34 Die sophistischen Widersprüche des Relativismus (eines Protagoras) lösen sich somit ganz einfach auf. D. h., man bildet aus der Relation oder Beziehung x R y bzw. R (x, y ) die Prädikate λx .(R (x, N ))., die natürlich bei verschiedenen N verschieden sind. 34
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In sprachlichen Formen, mit denen wir Bewegungen darstellen oder dispositionelle Kräfte, sind die Widersprüche für die naiven Vorstellungen, die wir uns vom Verhältnis zwischen Sprechform und Welt machen, nicht unmittelbar bemerkbar. Man merkt z. B. nicht, dass die perfektiven oder faktiven Darstellungen von Bewegungsformen im Deutschen nur in den Fällen zu keinen Widersprüchen führen, in denen wir das Gesagte nicht im Nachhinein als bloßen Versuch, an das Ziel zu gelangen, neu beschreiben müssen. Die inneren Probleme der Dispositionsprädikate und Kraftausdrücke liegen ähnlich, da diese nur in hinreichend prototypischen Fällen, in denen nichts dazwischenkommt, zu guten Erklärungen führen. So kann eine Anziehungskraft durch Reibungskräfte annulliert oder der Trieb, etwas zu essen, durch andere Triebe, etwa zu schlafen, aufgehoben werden. Die Entgegengesetzten enthalten insofern den Widerspruch, als sie in derselben Rücksicht sich negativ auf einander beziehende oder sich gegenseitig aufhebende und gegen einander gleichgültige sind. Die Vorstellung, indem sie zum Momente der Gleichgültigkeit der Bestimmungen übergeht, vergißt darin ihre negative Einheit und behält sie somit nur als verschiedene überhaupt, in welcher Bestimmung Rechts nicht mehr Rechts, Links nicht mehr Links u. s. f. ist. Indem sie aber Rechts und Links in der That vor sich hat, so hat sie diese Bestimmungen vor sich als sich negirend, die eine in der andern, und in dieser Einheit zugleich sich nicht negirend, sondern jede gleichgültig für sich seyend. (288 | 80) Hegels Kommentarsprache ist noch etwas umständlich, läuft aber auf die eben gegebene Analyse hinaus. Der so genannte Relativismus vergisst die impliziten Parameter in Relationsaussagen. Hegel spricht etwas obskur von einer ›negativen Einheit‹ bei der Bestimmung etwa des Vaters, der, anders als seine ›absolute‹ Nennung als Person N. N., nur unter ggf. stillschweigender Bezugnahme auf seine Kinder charakterisiert wurde. Das Gleiche gilt übrigens für jede Zeitangabe, die als solche nie ›absolut‹, sondern immer nur von heute her verständlich wird, selbst wenn wir auf die Zeit von Christi Geburt zurück und von dort z. B. ins 19. Jahrhundert vorausblicken. Es gibt, heißt das, keine nichtempirische Zeitbestimmung. Alle ›empirischen‹ Bestimmungen
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sind als indexikalische relational zu einem Sprecher hier und jetzt oder dort und damals zu begreifen. Das Vorstellen hat daher wohl allenthalben den Widerspruch zu seinem Inhalte, kommt aber nicht zum Bewußtseyn desselben; es bleibt äusserliche Reflexion, die von der Gleichheit zur Ungleichheit, oder von der ne|gativen Beziehung zum Reflectirtseyn der Unterschiedenen in sich, übergeht. Sie hält diese beyden Bestimmungen einander äusserlich gegenüber und hat nur sie, nicht aber das Uebergehen, welches das Wesentliche ist, und den Widerspruch enthält, im Sinne. – (288 | 80 f.) Nicht alle Widersprüche des sophistischen Relativismus sind allerdings so leicht aufhebbar wie die genannten Beispiele. Logiktechnisch schon weit anspruchsvoller ist die hier immer wieder betonte Einsicht, dass es keine Gleichheit von Gegenständen gibt, die nicht einen impliziten Parameter enthält, der auf den relevanten Gegenstandsbereich und eine zugehörige Äquivalenzrelation zwischen den ihn konstituierenden Repräsentationen und Präsentationen verweist. Anders gesagt, wir setzen schon als bekannt voraus, was zulässige Gegenstandsbenennungen und wahre Gleichungen sind.35 In den üblichen metalogischen Vorstellungen davon, was Gegenstände und Gleichheiten sind, finden wir noch kein ausreichendes Wissen von den realen logischen Techniken und Verhältnissen der Gegenstandsbereichskonstitution, in denen nicht nur Gleichungen durch Äquivalenzen zwischen Präsentationen und Repräsentationen zu definieren sind, sondern auch eine Liste der elementaren ein- oder mehrstelligen, mit den Gleichungen verträglichen basalen G -Prädikate P (x ) und R (x, y ), auf deren Grundlage die in G sinnvollen Sätze bzw. Aussagen φ definiert sind.36 Noch nicht einmal Quine oder Frege verstehen die volle Konstitution eines abstrakten Gegenstandes wie der Zahlen. Dazu wäre der Unterschied zwischen einer Menge M und einer Zahl Z zu begreifen. Dieser liegt wesentlich darin, dass für Zahlen Z keine Element-Relationen der Form a ∈ Z definiert sind, wohl aber für Mengen M . Selbst wenn man die Wahrheit von Gleichungen für Anzahlen über die Wahrheit von Gleichungen für Mengen festlegen kann, sind Zahlen keine Mengen. 36 Als zentrales Verträglichkeitsprinzip fungiert das auf das System der Prädikate in G zugeschnittene Leibnizprinzip. In der einen Richtung sagt 35
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Der Glaube an eine Ontologie aller ›wirklichen‹ Gegenstände und an einen materialen und nicht bloß formalen Wahrheits(wert)begri= in der so genannten Analytischen Philosophie des 20. Jahrhunderts macht diese zu einer formalistischen Metaphysik. Man verkennt dabei insbesondere die Möglichkeiten, durch nominale Operatoren lokale Gegenstandsbereiche unter expliziter oder stillschweigender Bezugnahme auf lokale Äquivalenzen zu definieren. Wir können ja ganz sinnvoll über Bedeutungen oder Gedanken, Eigenschaften und Begri=e als lokale Gegenstände sprechen, wenn wir nur eine passende Bedeutungs-, Begri=s- oder Eigenschaftsgleichheit lokal unterstellen. Alle so genannten mentalen Gegenstände sind so abstraktiv definiert. Das gilt für Gedanken wie Gefühle, für Empfindungen wie für Intentionen: Es bedarf dazu einer Festlegung oder Unterstellung dafür, was alles als Präsentation oder Repräsentation von ›gleichen‹ bzw. ›verschiedenen‹ Gedanken, Gefühlen, Empfindungen oder Absichten zugelassen ist, wie wir diese also als gedankengleich, gefühlsgleich, empfindungsgleich oder intentionsgleich bewerten, so wie wir Farben über eine Bewertung der Farbgleichheit lokal definieren. Man kann so sogar über Stimmungen als Gegenstände sprechen, wobei freilich die ›ontologische‹ Di=erenz hochbedeutsam ist, in einer gewissen Stimmung zu sein und über diese als Typ in einem immer endlichen System gegenständlich angesprochener Stimmungstypen mit entsprechender Typ- bzw. Artgleichheit zu sprechen. Generisch können wir also durchaus relativ präzise und gemeinsam über Stimmungen der Angst und Freude reden oder über Depressionen und Hochgefühle. Eine feste ›Menge‹ von ›einzelnen‹ Stimmungen oder Gefühlen, Empfindungen oder Spürungen gibt es allerdings genauso wenig, wie es keine feste Menge von Bedeutungen und Gedanken gibt, und zwar weil die entsprechenden Äquivalenzbeziehungen oder Entgegensetzungen indefinit variabel und lokal es, dass aus N = M und φ(N ) folgt, dass φ(M ). Die andere Richtung ist nur scheinbar anspruchsvoller: Wenn jede G -Eigenschaft φ(x ) auf N genau dann zutri=t, wenn sie auf M zutri=t, dann folgt (trivialerweise) die G -Gleichung N = M , wenn wir auch die Prädikate bzw. ›Eigenschaften‹ λx .x = M . bzw. λx .N = x . betrachten.
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festlegbar sind. Es gibt also auch schon deswegen keinen sortalen Bereich von Qualia, weil, wie Frege zu Recht sagt, mentale Zustände wirklich, aber nicht objektiv, d. h. nicht unmittelbar gegenstandsartig beredbar sind. In gewissem Sinn gilt das aber auch für Gedanken, Propositionen, Inhalte, Absichten: Alle semantischen und mentalen Reflexionsgegenstände bleiben abhängig vom Kontext und den zumeist implizit unterstellten Unterscheidungen und Identifikationen. Die geistreiche Reflexion, um diese hier zu erwähnen, besteht dagegen im Auffassen und Aussprechen des Widerspruchs. Ob sie zwar den Begri= der Dinge und ihrer Verhältnisse nicht ausdrückt und nur Vorstellungsbestimmungen zu ihrem Material und Inhalt hat, so bringt sie dieselben in eine Beziehung, die ihren Widerspruch enthält und durch diesen hindurch ihren Begri= scheinen läßt. – Die denkende Vernunft aber spitzt, so zu sagen, den abgestumpften Unterschied des Verschiedenen, die blosse Mannichfaltigkeit der Vorstellung, zum wesentlichen Unterschiede, zum Gegensatze, zu. Die Mannichfaltigen werden erst, auf die Spitze des Widerspruchs getrieben, regsam und lebendig gegen einander, und erhalten in ihm die Negativität, welche die inwohnende Pulsation der Selbstbewegung und Lebendigkeit ist. ¦ (288 | 81) Man könnte Hegel selbst eine Liebe zur geistreichen Reflexion vorwerfen, welche überall implizite dialektische Widersprüche auszumachen und auszusprechen bestrebt ist. Andererseits ist Hegels Bemerkung, dass denkende Vernunft den geistreichen Witz zuspitzt, ebenso schön und tief wie die Rede vom »abgestumpften Unterschied des Verschiedenen«. Freilich wird das Publikum, das mit überspitzten Witzen umgehen kann, in Relation zu einem globalen Gerede immer kleiner. Es ist schon über den ontologischen Beweis vom Daseyn Gottes erinnert worden, daß die darin zu Grunde gelegte Bestimmung, der Inbegri= aller Realitäten ist. Von dieser Bestimmung pflegt zuerst gezeigt zu werden, daß sie möglich sey, weil sie keinen Widerspruch enthalte, indem die Realität nur als Realität ohne Schranken genommen werde. Es wurde erinnert, daß damit jener Inbegri= zum einfachen unbestimmten Seyn, oder wenn die Realitäten in der That als mehrere Bestimmte genommen werden, zum Inbegri= aller
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Negationen wird. Näher den Unterschied der Realität genommen, so wird er aus der Verschiedenheit zum Gegensatze und damit zum Widerspruch, und der | Inbegri= aller Realitäten überhaupt zum absoluten Widerspruch in sich selbst. Der gewöhnliche Horror, den das vorstellende, nicht speculative Denken, wie die Natur vor dem Vacuum, vor dem Widerspruche hat, verwirft diese Consequenz; denn es bleibt bey der einseitigen Betrachtung der Auflösung des Widerspruchs in Nichts stehen, und erkennt die positive Seite desselben nicht, nach welcher er absolute Thätigkeit, und absoluter Grund wird. (289 | 81 f.) Es ist kein Zufall, dass Hegel auf seinen Kommentar zur philosophischen Ironie eine Reflexion auf seine eigene Rechtfertigung des ontologischen Gottesbeweises folgen lässt. Denn ihm ist die höhere Komik wohl bewusst, dass gerade er Kants Kritik kritisiert, obwohl er viel radikaler als dieser jeden Glauben an einen personalen Gott, auch als erbauliche Unterstützung einer ›moralischen Weltanschauung‹, aufs Schärfste ablehnt. Hegel betont, dass alle Beteiligten, von Augustinus, Anselm oder Avicenna über Descartes, Leibniz, auch Spinoza bis Kant darin übereinstimmen, dass Gott »der Inbegri= aller Realitäten« ist. Leibniz gehört zu denen, die von dieser Bestimmung zeigen wollten, »dass sie möglich sei, weil sie keinen Widerspruch enthalte«, so wie sich heute Mathematiker o;ziell schon zufrieden geben, wenn sie davon ausgehen können, dass irgendein willkürliches Axiomensystem konsistent ist. Daraus ›schließen‹ sie, dass es die im System beschriebene ›Struktur‹ gebe. Im Blick auf den Inbegri= aller Realitäten verweist Hegel auf den Umstand, dass »die Realität als Realität ohne Schranken genommen werde«, sodass wir Gott über eine Art allumfängliche Handbewegung definiert hätten, samt dem Kommentar, dass man sich nichts Umfänglicheres denken könne: Jede Hinzunahme von etwas Weiterem führt zur Inkonsistenz. Gott wäre dann ähnlich wie Cantors Naive Mengenlehre ein Gesamt aller widerspruchsfrei denkbaren Realitäten eines bestimmten Typs. Hegel selbst hatte nun daran erinnert, dass mit dieser Definition Gott identisch wird mit dem einfachen unbestimmten Sein. Und wenn wir dabei an den indefiniten Bereich aller möglichen Bestimmungen in der Welt denken, wird Gott zum
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Inbegri= aller Negationen oder möglichen Unterscheidungen. Am Ende wird Gott »zum absoluten Widerspruch in sich selbst«. Zwar ist der Weg über die »Verschiedenheit« zum Gegensatz und damit zum Widerspruch« durchaus noch obskur. Unser Kommentar zum Ergebnis aber ist richtig: Es gibt keinen festen Bereich aller möglichen Unterscheidungen. Hegel ›argumentiert‹ nun weiter ironisch unter Anspielung auf den horror vacui, die Angst vor dem Leeren und dem Nichts, erst recht vor dem Widerspruch. Denn das bloß verständige Denken bleibe »bei der einseitigen Betrachtung der Auflösung des Widerspruchs in Nichts stehen«. Man erkenne so nicht die positive Seite, nach welcher die Anerkennung der begri=lichen Inkonsistenzen in jedem ›gegenstandartigen‹ Gottesbegri= dazu führt, dass Gott nicht statisch-relational, sondern als ›absolute Tätigkeit‹, als das Welten oder Walten der Welt wie bei Heidegger sozusagen, zu verstehen ist und zum absoluten Grund aller Erscheinungen in unserem endlichen Sein wird, zum Wesen der Welt und der Dinge in ihr. Alle personalen Vorstellungen müssen dann aber aus diesem Gottesbegri= getilgt werden. Es bleibt nur eine negative Theologie des Kontrastes zwischen allen Totalitätsbegri=en (wie Welt, Sein, All, auch Natur, Werden, Wesen, Entstehen aus dem Nichts usf.) auf der einen Seite, endlichen empirischen Begri=en (wie Sonne, Erde, Mensch) und generisch-zeitallgemeinen Aussagen (wie »der Mensch ist wie alle Lebewesen sterblich«, »alles ist endlich«). Es ist überhaupt aus der Betrachtung der Natur des Widerspruchs hervorgegangen, daß es für sich noch, so zu sagen, kein Schaden, Mangel oder Fehler einer Sache ist, wenn an ihr ein Widerspruch aufgezeigt werden kann. Vielmehr jede Bestimmung, jedes Concrete, jeder Begri= ist wesentlich eine Einheit unterschiedener und unterscheidbarer Momente, die durch den bestimmten, wesentlichen Unterschied in widersprechende übergehen. Dieses Widersprechende löst sich allerdings in Nichts auf, es geht in seine negative Einheit zurück. Das Ding, das Subject, der Begri= ist nun eben diese negative Einheit selbst; es ist ein an sich selbst widersprechendes, aber eben so sehr der aufgelöste Widerspruch; es ist der Grund, der seine Bestimmungen enthält und trägt. (289 | 82)
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Nicht nur im Blick auf die Rede über Gott oder im Gebrauch anderer Totalitätswörter oder spekulativer Titel wie »Werden« oder »Wesen«, sondern auch in jeder Aussage über eine endliche Sache kann man reflexionslogische Widersprüche aufzeigen. So lässt sich z. B. das Verhältnis von Präsentation, Repräsentation und Gegenstand nur ›widersprüchlich‹ erläutern, da die Ersteren scheinbar bloße Bezugsnahmen oder Nennungen sind. Noch nicht einmal die Identität oder Gegenstandsgleichheit lässt sich ohne formalen Widerspruch artikulieren, denn wir sagen, zwei Dinge seien gleich, wenn sie sich nicht unterscheiden, ›meinen‹ damit aber, dass zwei Repräsentationen oder Präsentationen auf einen Gegenstand verweisen, wenn wir auf bestimmte Weise nicht zwischen ihnen unterscheiden (sollen, dürfen oder müssen). Es hängt also von der Rede-Ebene und der Vorauswahl der Wörter (Namen, Prädikate) ab, ob in einem Redebereich Widersprüche ausgeschlossen sind oder nicht. Wo Widersprüche der Art auftreten, dass φ irgendwie richtig und zugleich irgendwie falsch ist, wie z. B. im Satz, dass Rübezahl im Riesengebirge haust, oder im Satz, dass die Kreisform nirgends und doch überall existiert, ist freilich je noch unklar, worüber eigentlich gesprochen wird, über eine Romanfigur oder über ein reales Wesen, über einen abstrakt-generischen und damit zeitlosen Gegenstand oder über seine immer unreinen und nichtidealen empirischen Repräsentationen. Jeder Gegenstand der Rede, das Ding als Träger qualitativer Eigenschaften, als Verursacher von Wahrnehmungsempfindungen, auf deren Grundlage wir die Dinge voneinander und in ihren Arttypen unterscheiden, ist als Subjekt der Aussage ein »aufgelöster Widerspruch«. Dieser ist »in sich reflektiert«, weil es das Ding nicht ohne Bestimmung seiner Art (Typik) und Identität (in Ungleichheit zu anderen Dingen der Art) ›gibt‹, jedenfalls nicht als gemeinsamer Bezugsgegenstand. Insofern ist das Ding »negative Einheit«, »Grund, der seine Bestimmungen enthält und trägt« – wobei das »und« eine Art Widerspruch artikuliert. Das zeigt sich in der Frage: Wie soll das Ding als Substrat eine Eigenschaft ›tragen‹ bzw. als seine Äußerung dispositionell ›verursachen‹, wenn diese zur Wesensbestimmung des Dinges selbst gehört?
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Man kann sich freilich mit unseren Kommentarformen beruhigen und einfach sagen: Es gibt die Dinge und sie verursachen qualitative Unterscheidbarkeiten. Reflexionslogisch kann man, heißt das, im Tiefschlaf verharren. Was man gesagt hat, versteht man damit nämlich noch lange nicht. Eben daher ist das schematisch angewendete Prinzip des ausgeschlossenen Widerspruchs selbst ein Mittel, sinnkritische Reflexionen zur (transzendentalen) Konstitution der Gegenstände (der Rede) und (Sinn-)Bezüge zu umgehen oder zu unterlaufen, etwa indem man auf den vermeintlichen ›Widerspruch‹ hinweist, dass die Bezugnahme den Bezugsgegenstand doch nicht ›erscha=en‹ könne und dass Gleichheiten oder Identitäten doch nicht ›relativ‹ seien. Das Ding, das Subject, oder der Begri=, ist als in seiner Sphäre in sich reflectirt, sein aufgelöster Widerspruch, aber seine ganze Sphäre ist auch wieder eine bestimmte, verschiedene; so ist sie eine endliche, und diß heißt eine widersprechende. Von diesem höhern Widerspruche ist nicht sie selbst die Auflösung; sondern hat eine höhere Sphäre zu ihrer negativen Einheit, zu ihrem Grunde. (289 | 82) Hegels Rede davon, dass jeder Gegenstand, jedes Ding schon ›in sich reflektiert‹ ist, nicht anders als jeder Begri=, bedeutet am Ende, dass unsere ›äußere‹ Reflexion nur explizit macht, was in unseren Reden vom Ding und dem Gebrauch der Wörter und Begri=e implizit längst schon vorausgesetzt ist, und zwar als eine Art Kanonisierung einer indefiniten Gebrauchs- und Kommentargeschichte, die als solche eine Geschichte der Reflexion auf unser Wissen und sprachliches Können ist. Da dabei alle Normen und Regeln des Richtigen bloß generisch, robust, also grob kontrastiv sind, sind nie alle möglichen Widersprüche ausgeschlossen. In eben diesem Sinn ist jedes Wissen und ist jeder Begri=, jeder Sinn und jede Bedeutung endlich, in sich widersprüchlich; Quine sagt dazu nicht weniger orakelhaft »indeterminiert« oder »inscrutable«, ohne wirklich zu bemerken, was er damit sagt und dass er Hegel hinterherdenkt. Die endlichen Dinge in ihrer gleichgültigen Mannichfaltigkeit, sind daher überhaupt diß, widersprechend an sich selbst, in sich gebrochen zu seyn und in ihren | Grund zurückzugehen. – (289 | 82 f.)
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Hegel geht über Quine weit hinaus, indem er sagt, dass nicht nur die Bedeutungen und Inhalte der Wörter, sondern alle gegenständlichen Weltbezüge »in ihrer gleichgültigen Mannigfaltigkeit« indefinit, inskrutabel, widersprüchlich sind. Sie sind jedenfalls »in sich gebrochen«, keine gegebenen und festen Einheiten, wie dies Quine optimistisch für die physischen Dinge und physikalischen Entitäten annimmt (obwohl Letztere theoretische Glaubensdinge sind und nur wegen der Ambiguität des englischen Wortes »physical« nicht von den Ersten unterschieden werden). Man kann sich so beruhigen; wir sollten nur diesem ontischen Glauben an unverstandene Bezugsgegenstände nicht folgen. Was aber heißt es, wenn Hegel sagt, dass für die endlichen Dinge »in ihren Grund zurückzugehen« wesentlich sei? Nun, das bedeutet, dass die Aufteilung der Welt in Dinge weder in unserem sprachlichhandelnden Zugang noch in der Welt für sich ohne Betrachtung des weiteren Kontextes, der Umwelt und globaler Entwicklungen vollständig möglich ist. Jedes Ding ist nur ein Moment, eine Phase, in einer längeren Entwicklung. Und jede Zuschreibung lokaler Eigenschaften und Kräfte ist schon eine kontrafaktische Zurechtstellung, eine idealisierende Betrachtung, Erfüllung des Wunsches, aus der jeweiligen Lokalperspektive des Dinges her wenigstens seine eigene Wirkung auf andere Dinge explizit machen zu können. Man baut dann das Gesamtverhalten sozusagen wieder zusammen. Es ist eine großartige Idee, die Welt so atomistisch oder monadentheoretisch darstellen zu wollen. Zugleich sollten wir um die Grenzen und das Idealistische dieses Projektes wissen – und nicht in den naiven Glauben eines materialistischen Physikalismus versinken, der auf den Boden stampft und einfach versichert, seine Lieblingsentitäten seien die wirklichen Ursachen von allen Geschehen in der Welt. Wie bei allen willkürlichen Weltbildern kann man allerdings niemanden davon abhalten, die Welt durch diese Brille des idealen Wünschens anzusehen. Das schließt aber Kommentare zu den Scheuklappen und o=enbaren praktischen und theoretischen Widersprüchen dieser Weltsicht nicht aus. Wie weiterhin betrachtet werden wird, so besteht der wahre Schluß von einem Endlichen und Zufälligen auf ein absolut-nothwen-
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diges Wesen nicht darin, daß von dem Endlichen und Zufälligen als dem zum Grunde liegenden und liegen bleibenden Seyn, sondern daß, was auch unmittelbar in der Zufälligkeit liegt, von einem nur fallenden, sich an sich selbst widersprechendem Seyn aus, auf ein absolut nothwendiges geschlossen, oder daß vielmehr aufgezeigt wird, das zufällige Seyn gehe an sich selbst in seinen Grund ¦ zurück, worin es sich aufhebt, – ferner daß es durch diß Zurückgehen den Grund nur so setze, daß es sich selbst vielmehr zum Gesetzten macht. Im gewöhnlichen Schliessen erscheint das Seyn des Endlichen als Grund des Absoluten; darum weil Endliches ist, ist das Absolute. Die Wahrheit aber ist, daß darum weil das Endliche der an sich selbst widersprechende Gegensatz, weil es nicht ist, das Absolute ist. In jenem Sinne lautet der Satz des Schlusses so: Das Seyn des Endlichen ist das Seyn des Absoluten; in diesem Sinne aber so: Das Nichtseyn des Endlichen ist das Seyn des Absoluten. ¦| (289 f. | 83) Hegel greift hier auf eine spätere Überlegung vor, in welcher Kants Übergang vom bedingten Endlichen zum unbedingten ›Unendlichen‹ weiter durchdacht wird. Hier wird aber schon ein Ergebnis formuliert, nämlich dass das ›absolut notwendige Wesen‹ einfach nur das Ganze der Welt ist. Die je einzelnen und besonderen Ursachen der Erscheinungen sind selbst endlich und zufällig. Es gibt keine ›ewigen‹ Atome oder (aristotelischen) Substanzen. Der Rückgang in den Grund des kontingenten Seins lässt das, was wir den Erscheinungen als Ursachen zu Grunde legen, selbst als ein von uns Gesetztes erkennen. Das Wesen selbst ist (von uns) gesetzt. Es ist Teilform unserer begri=lichen Darstellung von Welt, soweit sie eben von uns darstellbar ist. Die zunächst schwer zu verstehende, gnomische Ausdrucksform, dass sich das Sein oder Wesen »selbst . . . zum Gesetzten macht«, ist also logisch so zu lesen, dass wir in der Reflexion auf das Sein und Wesen mit Notwendigkeit auf deren Gesetztsein stoßen. Warum »im gewöhnlichen Schließen« das »Sein des Endlichen als Grund des Absoluten« erscheint, ist ohne Interpolation nicht so recht klar. Gemeint ist wohl, dass wir aus der Endlichkeit aller Dinge auf ihre Entstehung (anthropomorph: ihre Erscha=ung) in einem vorgängigen Anfang des Weltalls als großer Dingstruktur ›schließen‹. Die einen beruhigen sich also mit einer Art Urknall, die anderen
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mit einem Mythos von einem Schöpfergott. Hegel setzt dem einen zunächst etwas undurchsichtigen Gedanken entgegen. Nicht, weil das Endliche ist, sondern weil es nicht ist, weil es begri=lich widersprüchlich ist, ewige endliche Atome und atomare Partikel zu unterstellen, ist ›das Absolute‹ das Ganze der Welt. Gott ist der Inbegri= aller Realität, der totale Rahmen, in dem es endliche Dinge auf Zeit gibt, die einzige Substanz des Spinoza, welche die Welt insgesamt ist, die man auch »Natur« nennen dürfte, wenn man das Wort angemessen verstünde. Allerdings vertritt Spinoza einen nicht unproblematischen Pantheismus, nach welchem einerseits die Gesamtnatur und Gott dasselbe sein sollen, diese Natur aber mit dem Gegenstand der Naturwissenschaften identifiziert wird, was falsch ist. Was aber besagt dann Hegels Formel: »Das Nichtsein des Endlichen ist das Sein des Absoluten«? Ich denke, es ist die Formel seiner negativen Theologie, die eben das besagt, was schon oben erläutert wurde: Weil alle endlichen Dinge entstehen und vergehen, ist das Ganze, die Welt, nicht als Haufen von sich nach ewigen Gesetzen bewegenden Partikeln zu begreifen. Man kann das als Aufforderung verstehen, die Entstehung von allem Sein aus dem Nichtsein oder Nichts anzuerkennen; es steht dann ein (relatives) Nichts oder ganz Anderes vor dessen Anfang als die unbedingte Bedingung von allem endlichen Sein des Seienden. Man kann dieses ganz Andere auch als Schöpfergott ansprechen, wenn man nicht vergisst, dass man dann metaphorisch und mythisch redet. Der Inhalt dieser Rede muss dann aber noch in spekulativer Reflexion explizit gemacht und sinnkritisch geprüft werden. Ein Teil dieses Gehalts betri=t die Artikulation einer guten Haltung zur Welt, also zu allen Tatsachen des endlichen Seins und Werdens. Diese ist unter Anderem gerichtet gegen blasierte Behauptungen, man könne alles kausal erklären.
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Drittes Kapitel. Der Grund Das Wesen bestimmt sich selbst als Grund. (291 | 84) Der schwierige Satz besagt wohl, dass eine begri=liche Reflexion auf die Rede von einem Wesen der Dinge dieses Wesen mit Notwendigkeit als das ausweist, was wir den Erscheinungen zu Grunde legen oder setzen, wenn wir den Dingen, wie wir so gerne sagen, auf den Grund gehen. Wie das Nichts zuerst mit dem Seyn in einfacher unmittelbarer Einheit, so ist auch hier zuerst die einfache Identität des Wesens mit seiner absoluten Negativität in unmittelbarer Einheit. Das Wesen ist nur diese seine Negativität, welche die reine Reflexion ist. Es ist diese reine Negativität als die Rückkehr des Seyns in sich; so ist es an sich oder für uns bestimmt, als der Grund, in dem sich das Seyn auflöst. Aber diese Bestimmtheit ist nicht durch es selbst gesetzt; oder es ist nicht Grund, eben insofern es diese seine Bestimmtheit nicht selbst gesetzt hat. Seine Reflexion aber besteht darin, sich als das, was es an sich ist, als Negatives zu setzen und sich zu bestimmen. Das Positive und Negative machen die wesenhafte Bestimmung aus, in die es als in seine Negation verlohren ist. Diese selbstständigen Reflexions-Bestimmungen heben sich auf, und die zu Grunde gegangene Bestimmung ist die wahrhafte Bestimmung des Wesens. (291 | 84) Wie schon zu Beginn der Seinslogik bei der Reflexion auf den Begri= des Anfangs und Entstehens z. B. eines Dinges oder des Weltalls als Dingsystem klar wurde, entsteht alles aus nichts in dem Sinn, als es aus etwas kategorial Anderem entsteht, also nicht aus etwas derselben Gegenstandsart. So ist schon ein Sperma und Ei etwas anderes als die Zygote, zumal Spermien und Eier getrennt keinen Lebensprozess zur Folge haben. Aber auch die Welt vor dem Urknall oder irgendeiner Form des Entstehens (der ›Erscha=ung‹) des Weltalls der Dinge ist weder ein Nichts noch ein Etwas im Sinn der Dingwelt – sondern ein Sein in unmittelbarer Einheit mit einem Nichtsein von etwas, wie es in unserer gegenwärtigen Welt bestimmbar ist. In analoger Weise soll hier »die einfache Identität des Wesens mit seiner absoluten Negativität« eine unmittelbare Einheit bilden. Was heißt das?
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Vielleicht meint Hegel dies, dass wir in gemeinsamer Reflexion auf Erscheinungen als durch objektive Sachen verursacht ihr bleibendes Wesen suchen. Indem wir die Sache als gemeinsamen Gegenstand besprechen, setzen wir sie als Wesen ihrer Äußerung oder Erscheinung negativ entgegen. Sie ist dann »der Grund, in dem sich das Sein auflöst«. Aber wir sind es, welche die Erscheinungen als durch ihren Grund verursacht darstellen. Daher ist es falsch, diesen Grund für sich zur Ursache zu erklären. Wohl reden wir so, als wären die lokalen Körper für sich Ursachen ihrer Wirkungen auf andere Körper, etwa auf wahrnehmbare Lebewesen und uns Menschen. Wir sprechen ›objektiv‹ oder ›gegenständlich‹ über Dinge als Wesen und als Grund ihrer Erscheinungen oder als Ursachen ihrer Wirkungen. Die wahre Bestimmung des Wesens besteht aber in unserer Setzung von generischen Wesenserklärungen für typische Erscheinungen: Wir gehen so den Erscheinungen auf den Grund, betrachten ihre Ursachen. Der Grund ist daher selbst eine der Reflexionsbestimmungen des Wesens, aber die letzte, vielmehr nur die Bestimmung, daß sie aufgehobene Bestimmung ist. Die Reflexionsbestimmung, indem sie zu Grunde geht, erhält ihre wahrhafte Bedeutung, der absolute Gegenstoß ihrer in sich selbst zu seyn, nemlich daß | das Gesetztseyn, das dem Wesen zukommt, nur als aufgehobenes Gesetztseyn ist, und umgekehrt, daß nur das sich aufhebende Gesetztseyn das Gesetztseyn des Wesens ist. Das Wesen, indem es sich als Grund bestimmt, bestimmt sich als das Nichtbestimmte, und nur das Aufheben seines Bestimmtseyns ist sein Bestimmen. – In diesem Bestimmtseyn als dem sich selbst aufhebenden, ist es nicht aus anderem herkommendes, sondern in seiner Negativität mit sich identisches Wesen. (291 | 84 f.) In jeder Redeform, in der wir einer Erscheinung auf den Grund gehen, etwa indem wir eine Fata Morgana als Luftspiegelung erklären, wird der Grund zu einem Moment einer reflexionslogischen Wesensbestimmung. In seinem Wesen ist eine Fata Morgana eine Luftspiegelung. Grund und Wesen sind ›aufgehobene‹ Bestimmungen – nach dem platonischen Prinzip der Rettung der Phänomene. Es müssen durch sie die erfahrenen Erscheinungen erklärt werden. Nur in der generischen Aufhebung der tatsächlichen Erfahrungen anerkennen
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wir Wesenserklärungen und Ursachen. Das ist der Wahrheitsgehalt der ›empiristischen‹ Denkbewegung in aller Philosophie. Allerdings sprechen wir über die Dinge als Ursachen der Erscheinungen so, als wären sie nicht (auch) durch uns bestimmt, sondern existierten unmittelbar mit den ihnen von uns zugeschriebenen Wirkkräften und Dispositionen so, dass zwar wir die erwarteten Folgerungen ziehen und so die Folge-Ereignisse erklären, zugleich aber sagen, die Dinge selbst hätten die Wirkungen als Folgeereignisse verursacht. Insofern bestimmen wir eine Ursache als das scheinbar nicht von uns bestimmte Fürsichsein der Sache selbst. Das gilt für alle gegenstandsförmige Rede über den Grund, das Wesen, die Wirkungen von Dingen usf. Bewusst wird uns die innere Form des Begri=es des Verursachens oder der Rede davon, dass man einer Sache, einer Erscheinung, auf den Grund gehe, erst wieder dadurch, dass wir das Gesetztsein in seiner Form explizit machen. Das Problem ist, dass die darstellende Form oder Reflexionsform dieser impliziten Vollzugsform durch uns sprachlich ›konstruiert‹ ist, während die dargestellte Form, die Seinsoder Vollzugsform in der Praxis ›konstituiert‹ ist. Es ist entsprechend eine notwendige Ironie der Reflexion, dass sie, im Unterschied zum wissenschaftlichen Glauben an objektive Dinge und Sachen, das kausale Erklären als ein theoretisches Setzen und inferentielles Rechnen aufdeckt und erkennt. Es findet also im Rahmen unserer Darstellungen sich häufig wiederholender Ablaufmuster statt. Insofern von der Bestimmung aus, als dem Ersten, Unmittelbaren zum Grunde fortgegangen wird, (durch die Natur der Bestimmung selbst, die durch sich zu Grunde geht,) so ist der Grund zunächst ein durch jenes Erste bestimmtes. Allein diß Bestimmen ist einestheils als Aufheben des Bestimmens die nur wiederhergestellte, gereinigte oder geo=enbarte Identität des Wesens, welche die Reflexions-¦ bestimmung an sich ist; – anderntheils ist diese negirende Bewegung als Bestimmen erst das Setzen jener Reflexionsbestimmtheit, welche als die unmittelbare erschien, die aber nur von der sich selbst ausschliessenden Reflexion des Grundes gesetzt und hierin als nur Gesetztes oder Aufgehobenes gesetzt ist. – So kommt das Wesen, indem es sich als Grund bestimmt, nur aus sich her. Als Grund also setzt es sich als Wesen, und daß es sich als Wesen setzt, darin
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besteht sein Bestimmen. Diß Setzen ist die Reflexion des Wesens, die in ihrem Bestimmen sich selbst aufhebt, nach jener Seite Setzen, nach dieser das Setzen des Wesens, somit beydes in einem Thun ist. (291 f. | 85) Man sollte die Frage nach dem Grund von etwas nicht in erster Linie als Frage nach der Begründung einer Aussage lesen, aber auch nicht einfach als Frage nach einer (kausalen) Ursache für ein Geschehen oder ein Wahrnehmungsphänomen. Wir fragen zwar nach dem Grund einer Handlung: Warum hast du das getan; warum hast du das gesagt? Der angegebene Grund kann dann auch ein Ziel oder Zweck sein. Nur im Fall von bloßen Verhaltungen ist er nur eine Bewegursache. Wir fragen aber auch nach dem, was einem Phänomen, einer Erscheinung, zu Grunde liegt, wobei der Grund einer Oberfläche gegenübergestellt wird. Einer Sache auf den Grund gehen ist die Weise, wie wir eine Art von Grund aufspüren. Es ist ein Fort- oder Übergang von einem Unmittelbaren, von einem Phänomen zur Aufdeckung dessen, was dem Phänomen zu Grunde liegt. Hegels leicht ironischer, dialektischer, Kommentar in Klammern sagt, dass die erste, oberflächliche Bestimmung des Phänomens dadurch zu Grunde geht, aufgehoben wird, dass man ihr einen Grund unterschiebt. Das versteht man sofort, wenn (aber auch nur wenn) man sich eine passende Situation vergegenwärtigt, etwa den Fall, dass man dem Phänomen des Hörens auf den Grund geht und die Schallwellen ›entdeckt‹. Man entdeckt dann vielleicht auch die ›Funktionsweise des Gehörs‹ und die ›Umwandlung des Schalls in neuroelektrische Impulse‹. Hegel kommentiert hier also unsere Kommentare zum Verhältnis zwischen Oberfläche und Grund, etwa wo er sagt, dass der Grund durch das Erste, die unmittelbare Erscheinung, bestimmt ist. In unserem Beispiel sind also die Schallwellen und die Funktionsweise des Hörens bzw. das Wissen um diese das Zweite. Primär ist das tatsächliche Phänomen des Hörens. Die Reflexion ist die reine Vermittlung überhaupt, der Grund ist die reale Vermittlung des Wesens mit sich. Jene, die Bewegung des Nichts durch Nichts zu sich selbst zurück, ist das Scheinen seiner in | einem andern; aber weil der Gegensatz in dieser Reflexion noch keine Selbstständigkeit hat, so ist weder jenes erste, das Scheinende
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ein Positives, noch das andere, in dem es scheint, ein Negatives. Beyde sind Substrate, eigentlich nur der Einbildungskraft; sie sind noch nicht sich auf sich selbst beziehende. Die reine Vermittlung ist nur reine Beziehung, ohne Bezogene. Die bestimmende Reflexion setzt zwar solche, die identisch mit sich, aber zugleich nur bestimmte Beziehungen sind. Der Grund dagegen ist die reale Vermittlung, weil er die Reflexion als aufgehobene Reflexion enthält; er ist das durch sein Nichtseyn in sich zurückkehrende und sich setzende Wesen. Nach diesem Momente der aufgehobenen Reflexion erhält das Gesetzte die Bestimmung der Unmittelbarkeit, eines solchen, das ausser der Beziehung oder seinem Scheine identisch mit sich ist. Diß Unmittelbare ist das durch das Wesen wiederhergestellte Seyn; das Nichtseyn der Reflexion, durch das das Wesen sich vermittelt. In sich kehrt das Wesen zurück als negirendes; es gibt sich also in seiner Rückkehr in sich, die Bestimmtheit, die eben darum das mit sich identische Negative, das aufgehobene Gesetztseyn, und somit eben so sehr seyendes, als die Identität des Wesens mit sich als Grund ist. (292 | 85 f.) Die Form der Bestimmung eines Gegenstandes wird in der Reflexion auf seine Gleichheit mit sich bzw. die den Gegenstandsbezug vermittelnden Präsentationen und Repräsentationen explizit gemacht. In der Kommentarsprache betrachten wir den Grund, den wir einer Oberfläche unterlegen, als »reale Vermittlung des Wesens mit sich«. Das ist so, weil wir den Grund bzw. dann auch die Ursache dem Objekt zuschreiben und völlig davon absehen, dass wir es waren oder sind, welche dem Objekt, das so und so von anderen unterschieden ist, diese oder jene Kraft und Wirkung zuschreiben, welche uns erlaubt, von der Oberfläche her zwischen einer durch den Grund G 1 , etwa einer Luftspiegelung, bewirkten Erscheinung und dem Schein, es läge ein Ding oder Grund G 2 (etwa eine Oase) vor, zu unterscheiden. Der Schein ist die Bewegung von etwas zu nichts. Es ist z. B. die Bewegung von dem durch eine Erscheinung nahegelegten Glauben, es läge ein G 2 (eine Oase) vor, zum Wissen, dass nichts dergleichen vorliegt. Der Grund ist »die Bewegung des Nichts durch Nichts zu sich selbst zurück« insofern, als wir in der Wahrnehmung zunächst auf den Einfall kommen können, was wir sehen, sei ein gekrümmter Stab im Wasser, was er nicht ist. Wir werden so über das Wissen,
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dass ein gerader Stab wegen der Brechung der Lichtstrahlen an der Wasseroberfläche als gekrümmt erscheint, zum nicht gekrümmten Stab selbst zurückgeführt. Der Stab scheint (lucet), indem er sehbar ist, und scheint gekrümmt zu sein (videtur),37 indem seine phänomenale Sehgestalt in die gleiche Äquivalenzklasse gehört wie die von wirklich gekrümmten Stäben. Um die Doppeldeutigkeit der Rede vom Schein geht es, wenn wir unterscheiden, was bloß scheinbar und was wirklich einer Erscheinung ›zum Grunde‹ liegt, wie also ein wirkliches Ding eine Erscheinung bewirkt oder wir bloß fälschlicherweise von einer Erscheinung auf einen gar nicht gegebenen Grund als Objekt oder Ursache geschlossen haben. In den beiden polaren Gegensätzen von Grund und Erscheinung sind beide in ihren Bestimmungen von der Einbildungskraft (imaginatio) abhängig: Weder ist uns die Erscheinung, das Wahrnehmungsurteil, noch sein Grund (seine Ursache) unmittelbar gegeben. Aufeinander bezogen werden sie erst unter Gebrauch bestimmender und reflektierender Urteilskraft. Und erst so gehen wir von einer oberflächlichen Reflexion auf Phänomene über zu einem verantwortungsvollen Urteil über ihren Grund in einer geformten Rede über Ursachen und Wirkungen, Objektbezüge und subjektiven Schein. Die Form des objektbezogenen Wahrnehmungsurteils entgeht uns deswegen so leicht, weil wir im entwickelten Wahrnehmen sehr schnell und ohne explizite Reflexionen, also habitualisiert, folgende Schritte durchlaufen, wie sie beim Aufwachen in einem fremden Zimmer gelegentlich auftreten: Perzeptionen legen über die sprachliche Einbildungskraft nahe, das, was ich sehe, sei, sagen wir, eine Lampe und nicht etwa ein anderer Gegenstand, etwa eine Statue. Zur PrüDie bekannte Debatte zwischen Emil Staiger und Marin Heidegger um den Vers »was aber schön ist, selig scheint es in ihm selbst« in Mörikes Gedicht »Auf eine Lampe« ist klar zugunsten von Heidegger zu entscheiden. Denn die schöne Lampe leuchtet (lucet)! Die Seligkeit ihres Scheins besteht in einer Art selbstvergessenen (nicht etwa instrumentellen) Vollkommenheit. Sie ist Symbol für personale Gelassenheit, welche auf nichts Anderes ausgeht als das zu sein, was und wie es ist. Es wäre zwar formal möglich anzunehmen, dass die Lampe nur in ihr selbst selig zu sein scheint, doch damit verlöre das Gedicht seine Tiefe. 37
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fung schaue ich genauer hin und bestätige das Urteil, es sieht aus wie eine Lampe. Indem ich urteile, dass die Lampe die Ursache (der Grund) für meine visuelle Wahrnehmung ist, greife ich nach ihr – und bemerke, dass ich das Spiegelbild einer Lampe im Spiegel gesehen habe, dessen Ursache (Grund) nicht vor, sondern hinter mir ist. Der Grund für die Erscheinung »ist die reale Vermittlung«. Durch den Ausschluss des Scheins, der falschen Ursache, wird die Sache (causa) im Erkennen gesetzt und ist als solche das als sich selbst setzend aufgefasste Wesen. Aufgehoben wird die Reflexion, was es denn wirklich ist, was ich da sehe, im Ergebnis. Die »Bestimmung der Unmittelbarkeit« – der Perzeption und dann des Wahrnehmungsurteils über die Sehgestalt – hatte dabei zum »wiederhergestellten Sein« des Spiegelbilds vor mir geführt, vermittelt durch das Wissen über seine Ursache hinter mir. Das »Nichtsein der Reflexion, durch das das Wesen sich vermittelt«, ist also der Ausschluss eines möglichen Scheins. Daher gibt es ein Wesen (einen Grund, eine Ursache) nur im Kontrast zu einem Schein, der als solcher über Fehlbegründungen der Erscheinungen durch nicht vorhandene Ursachen zu begreifen ist. Die Identität des Wesens mit sich ist (der) Grund. Das Objekt, das Ding, das wir als wirklichen Gegenstand z. B. seiner visuellen Wahrnehmung behaupten oder auch nur informativ aussagen, ist längst schon in sich reflektiert, ist hypothetische ›Erklärung‹ des Gesehenen bzw. sinnlich Geprüften und setzt erstens allgemeines, kausales, generisches Vorherwissen voraus und zweitens bestimmende und reflektierende Urteilskraft. Letztere steht im Kontext der Beantwortung der Frage, was mit gutem Grund als möglicher Grund (Ursache) meiner Perzeption (des Gesehenen) zu bedenken und dann ggf. als Schein (oder auch als unwahrscheinlich, kaum relevant) auszuschließen ist. Das Objekt oder Ding selbst ist in und durch seine Einbettungen in solche ›Erklärungen‹ wesentlich definiert. Das Ding in seinem Wesen ist wesentlich Grund seiner Erscheinungen. Der Grund ist zuerst absoluter Grund, in dem das Wesen zunächst als Grundlage überhaupt für die Grundbeziehung ist; näher bestimmt er sich aber als Form und Materie, und gibt sich einen Inhalt. (292 | 86)
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Immer wieder macht Hegels reflexive Ausdrucksform Schwierigkeiten, nach welcher sich in der vorliegenden Passage der Grund als Form und Materie einen Inhalt gibt. Wir würden wohl eher sagen, dass wir in der Rede über eine Ursache einer Sache auf den Grund gehen und dabei grundsätzlich immer Form und Inhalt zu bestimmen haben. Den orakelartigen Satz über den »absoluten Grund« lese ich also so, dass die Vollzugsform der Suche nach Ursachen von Erscheinungen im Wahrnehmungsbezug zunächst immer zum allgemeinen Verhältnis von Wesen und Erscheinungen und von da zu Form und Inhalt der Bestimmung der Art oder des Typs der Sachen und Dinge führt. Der Begri= des Grundes an sich führt also ›von selbst‹ zu Form und Inhalt als Momenten der Objektbestimmung. Zweytens ist er bestimmter Grund, als Grund von einem bestimmten Inhalt; indem die Grundbeziehung sich in ihrer Realisirung überhaupt äusserlich wird, geht sie in die bedingende Vermittlung über. | (292 | 86) Ein bestimmter Grund hat einen bestimmten Inhalt und in seiner Analyse werden wir die »bedingende Vermittlung« untersuchen müssen, die ihn ›kausal‹ mit seinen Erscheinungen verbindet. Immer bleibt klar, dass hier »Grund« nicht einfach das bedeutet, was wir im Kontext der Rede von Handlungsgründen ansprechen. Im Handeln werden Intentionen zu Gründen; sie liegen dem Verhalten zugrunde. Nur wenn sie das tun, ist dieses ein Handeln. Drittens, der Grund setzt eine Bedingung voraus; aber die Bedingung setzt eben so sehr den Grund voraus; das Unbedingte ist ihre Einheit, die Sache an sich, die durch die Vermittlung der bedingenden Beziehung in die Existenz übergeht. ¦ (292 | 87) Der Begri= des Grundes setzt voraus, dass als Bedingung des Erkennens (ratio cognoscendi) eine Erscheinung gegeben ist, der wir auf den Grund gehen wollen. Diese dagegen soll durch den Grund bedingt und bewirkt sein, sodass die Bedingung, die Erscheinung, den Grund als ihre Bedingung voraussetzt (ratio essendi). Das Unbedingte in dieser Weltbezugnahme ist das Hin und Her oder besser die Einheit von ›phänomenaler‹ und ›kausaler‹ Bedingung, die sich im Wissen darum zeigt, was der erfahrene Gegenstand an und für sich ist und dass bzw. wie er als wirklich existent anzuerkennen ist.
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Anmerkung Der Grund ist, wie die andern Reflexionsbestimmungen, in einem Satze ausgedrückt worden: Alles hat seinen zureichenden Grund. – Diß heißt im Allgemeinen nichts anderes, als was ist, ist nicht als seyendes unmittelbares, sondern als gesetztes zu betrachten; es ist nicht bey dem unmittelbaren Daseyn oder bey der Bestimmtheit überhaupt stehen zu bleiben, sondern davon zurückzugehen in seinen Grund, in welcher Reflexion es als aufgehobenes und in seinem An- und Fürsichseyn ist. In dem Satze des Grundes wird also die Wesentlichkeit der Reflexion in sich gegen das blosse Seyn ausgesprochen. – (293 | 87) Hegel deutet das gnomische Orakel »Alles hat seinen zureichenden Grund« gerade so, dass wir uns, wenn wir uns auf etwas beziehen, nie auf ein ›seiendes Unmittelbares‹, wie es ein Sinnesdatum oder ein Weltpixel sein soll, beziehen (solche ›Dinge‹ gibt es nicht), sondern auf Gegenstände, die als solche konstituiert sind und im Kontrast zwischen Objekt und Wahrnehmung bzw. Sein und Schein schon als gesetzt zu betrachten sind. Hegel selbst sagt, dass es darum geht, was das Objekt – etwa einer Wahrnehmung – an und für sich ist, also nicht, unter welcher Gestalt es mir erscheint oder was es so alles an sich sein könnte. Der Satz des Grundes macht demnach explizit, dass jede Unterstellung einer unmittelbaren Beziehung zu Objekten in der empirischen Wahrnehmung ungediegen ist; das gilt aber auch für die Unterstellung einer unmittelbaren Relation zwischen Denkakt und Objekt. Die Reflexion auf das Verhältnis Ursache – Wirkung ist und bleibt wesentlich, gerade wenn wir selbstbewusst den Erscheinungen auf den Grund gehen. Daß der Grund zureichend sey, ist eigentlich sehr überflüssig hinzuzusetzen, denn es versteht sich von selbst; das, für was der Grund nicht zureicht, hätte keinen Grund, aber alles soll einen Grund haben. Allein Leibnitz, dem das Princip des zureichenden Grundes vornemlich am Herzen lag, und der es sogar zum Grundsatz seiner ganzen Philosophie machte, verband damit einen tiefern Sinn und wichtigern Begri=, als gewöhnlich damit verbunden wird, indem man nur bey dem unmittelbaren Ausdruck stehen bleibt; obgleich
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der Satz auch nur in diesem Sinne schon für wichtig anzusehen ist, daß nemlich das Seyn als solches in seiner Unmittelbarkeit für das Unwahre und wesentlich für ein gesetztes, der Grund aber für das wahrhafte Unmittelbare erklärt wird. (293 | 87) Die Rede von zureichenden Gründen ist hier eigentlich überflüssig, da die Suche nach dem Grund, der Sache bzw. der Ursache das natürlich umfasst: Es soll ja nicht nur eine bloße Möglichkeit oder ein bloßes Teilmoment dessen genannt werden, worauf sich unsere Erfahrung bezieht, sondern die Erklärung des Phänomens. Auf Leibniz geht bekanntlich die Betonung des Zureichenden in diesem Kontext zurück. Obwohl schon im allgemeinen Sinn der Rede von einem Grund im Kontrast zur Oberfläche der Erscheinung das Unmittelbare »für das Unwahre« und dessen Erklärung »wesentlich für ein Gesetztes« und das Objekt bzw. der wirkliche Grund »für das wahrhafte Unmittelbare« erklärt wird, betont Leibniz noch mehr, nämlich den Kontrast zwischen bloß notwendigen kausalen Bedingungen und einem hinreichenden Verständnis dessen, was hinreichende Bedingungen sind und sein können. Leibnitz aber stellte das Zureichende des Grundes vornemlich der Caus|salität in ihrem strengen Sinne, als der mechanischen Wirkungsweise, entgegen. Indem diese eine äusserliche ihrem Inhalte nach auf Eine Bestimmtheit beschränkte Thätigkeit überhaupt ist, so treten die durch sie gesetzten Bestimmungen äusserlich und zufällig in eine Verbindung ; die Theilbestimmungen werden durch ihre Ursachen begri=en; aber die Beziehung derselben, welche das Wesentliche einer Existenz ausmacht, ist nicht in den Ursachen des Mechanismus enthalten. (293 | 87 f.) In der Rede über einen zureichenden Grund bei Leibniz geht es immer auch um den hier schon nebenbei mit angesprochenen Unterschied zu bloß e;zienzkausalen Ursachen. Kausalität im engeren Sinn betri=t mechanische Wirkweisen, wie beim Billard, in der Ballistik, aber auch in der Statik. Die hier auftretenden Ursachen können teils von uns hergestellt werden, teils sind sie Folgen kontingenten Geschehens. Was »das Wesentliche einer Existenz ausmacht«, und das nicht etwa nur im Blick auf ein Lebewesen oder den Menschen, sondern
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beliebiger Dinge in der Welt, lässt sich nie vollständig, zureichend, mechanisch erklären. Das erkennt Leibniz klar und Hegel lobt ihn dafür. Wer diese Einsicht nicht teilt, dem ist nicht zu helfen. Er übersieht, dass er die sich bewegenden Dinge und die Bewegungsformen, in denen sie sich bewegen, in seinen mechanischen Kausalerklärungen längst schon als gegeben voraussetzt. Aus der Kritik an der Vorstellung, es könne eine mechanische Erklärung von allem und jedem geben, folgt freilich noch nicht unmittelbar die Aussage, dass es echte teleologische Erklärungen gibt, schon gar nicht des Weltalls. Wohl aber müssen wir in diesem Zusammenhang die Rede von Zwecken bzw. Zielen und Enden in ihrem Ort erst einmal angemessen begreifen lernen. Eine ›absolute‹ Aufspaltung des Seins schon eines Lebewesens in Vergangenheit, momentane Gegenwart und Zukunft, und eine ›zureichende Erklärung‹ seines gegenwärtigen und zukünftigen Tuns aus seinem vergangenen Sein und allgemeinen e;zienzkausalen Bewegungsformen sind aber keineswegs möglich. Das gilt sogar für physikalische Prozesse. Man wünscht sich vollständige Kausalerklärungen in der Naturwissenschaft. Es gibt aber in der ganzen Welt keinen zureichenden Grund dafür, an die Erfüllbarkeit dieses Wunsches zu glauben, auch nicht ›im Prinzip‹ – was immer das heißen soll. Diese Beziehung, das Ganze als wesentliche Einheit, liegt nur im Begri=e, im Zwecke. Für diese Einheit sind die mechanischen Ursachen nicht zureichend, weil ihnen nicht der Zweck, als die Einheit der Bestimmungen, zu Grunde liegt. Unter dem zureichenden Grunde hat Leibnitz daher einen solchen verstanden, der auch für diese Einheit zureichte, daher nicht die blossen Ursachen, sondern die Endursachen in sich begri=e. Diese Bestimmung des Grundes gehört aber noch nicht hieher; der teleologische Grund ist ein Eigenthum des Begri=s und der Vermittlung durch denselben, welche die Vernunft ist. ¦| (293 | 88) Wenn wir die Lokalisierung der Welt in unseren Weltzugängen und Weltdarstellungen ernst nehmen und in ihrer Form begreifen, ist klar, dass jedes Ding und jede zeitliche Dingphase selbst nur in vorgängiger Bezugnahme auf ihre weitere Umgebung zu begreifen ist. Ein Verständnis der Einheit schon eines Körperdings ist daher nicht
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ohne Bezugnahme auf den holistischen Kontext zumindest eines Teils seines zukünftigen Normalverhaltens möglich. Daher liegt das Wesen der Dinge im Begri=, wie wir in der Begri=slogik noch deutlicher sehen werden. In Theorien stellen wir die Einheit wieder her, die wir durch eine Aufspaltung in lokale Dinge und Epochen, auch lokale Räumlichkeiten, erst einmal zerschlagen, auseinandergerissen, haben. Die Welt ist holistisch und auch das Wissen. Dennoch ist die Form des Weltzugangs notwendigerweise lokal und die Form der Namen und Sätze des Wissens notwendigerweise ›atomistisch‹. Russell geht in seinem metaphysischen Glauben an einen (möglichen logischen) Atomismus und seiner Polemik gegen Hegels Holismus an dieser Tatsache völlig vorbei, wobei freilich nicht klar ist, was er überhaupt von Hegel kennt und versteht (oder von Leibniz, trotz seiner Bücher) und wie weit er sich immer nur mit Bradley oder McTaggart auseinandersetzt. Der Zweck der begri=lichen Darstellungsform ist natürlich eng verbunden mit unseren Möglichkeiten des Weltzugangs: Wir wollen ein allgemeines, ein ›objektives‹ Weltbild; wir müssen es aber in diverse Mosaik-Teilbilder zerlegen. Die Einheit des Ganzen liegt dennoch den Bestimmungen der Teile zugrunde. Eben das betonen Hegel und Leibniz gemeinsam. Zwecke kommen allerspätestens als Endursachen auf der Ebene menschlichen Handelns ins Spiel. Sie sind als ›präsentische‹ Gerichtetheit auf eine erwartete oder erho=te bzw. befürchtete Zukunft in der Gegenwart schon Verhaltensmomente, meinetwegen im schwachen Sinn auch schon Verhaltensgründe bei Tieren und Pflanzen. Als solche sind sie in der Biologie sicher ernster zu nehmen, als dies allgemein geschieht. All das kann aber erst in der Begri=slogik näher diskutiert werden. Echte Zwecke müssen vorab laut oder leise artikuliert sein, wobei uns die Vielfalt dieser Artikulation leicht irreführt. Um z. B. auf meinem Weg in die Stadt den Zweck zu verfolgen, ein Eis zu essen, muss ich kaum mehr denken als »Eiscreme würde schmecken«; weitere Beschreibungen des Wegs sind zumeist nicht nötig. In analoger Weise muss eine Graugans nur ›sehen‹, dass ein Junges fehlt, um es zu suchen.
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A. Der absolute Grund a. Form und Wesen Die Reflexionsbestimmung, insofern sie in den Grund zurükgeht, ist ein erstes, ein unmittelbares Daseyn überhaupt, von dem angefangen wird. Aber das Daseyn hat nur noch die Bedeutung des Gesetztseyns und setzt wesentlich einen Grund voraus; in dem Sinne, daß es ihn vielmehr nicht setzt; daß diß Setzen ein Aufheben seiner selbst, das Unmittelbare vielmehr das Gesetzte und der Grund das Nichtgesetzte ist. Wie es sich ergeben hat, ist diß Voraussetzen, das auf das Setzende rükschlagende Setzen; der Grund ist als das aufgehobene Bestimmtseyn nicht das Unbestimmte, sondern das durch sich selbst bestimmte Wesen, aber als unbestimmt oder als aufgehobenes Gesetztseyn Bestimmtes. Er ist das Wesen, das in seiner Negativität mit sich identisch ist. (294 | 89) Eine Reflexionsbestimmung ist in unserem Kontext alles, was auf folgende Weise explizit gemacht wird: »x ist das Wesen der Sache y «, »x ist die Ursache / der Grund / der eigentliche Gegenstand der Erscheinung y «, dann auch »x existiert in der Form y « o. ä. Die Rede von der Reflexionsbestimmung »insofern sie in den Grund zurückgeht«, meint also ganz wörtlich, dass wir von einem Dasein überhaupt anfangen und ihm auf den Grund gehen, indem wir die Dinge oder die Gegenstände bestimmen wollen, die den qualitativen Unterscheidungen, von denen wir ausgehen, zugrunde liegen. In diesem Kontext erscheint dann aber das Dasein selbst als Gesetztsein und »setzt wesentlich einen Grund voraus«. Wir reden also schon unmittelbar über die Dinge und Objekte, nicht bloß über qualitative Unterscheidungen, ohne dass uns dabei klar wäre, dass dies eine Redeform ist, welche die qualitative Rede-Ebene des unmittelbaren Unterscheidens schon hinter sich gelassen hat. Wir sprechen über die Dinge, als wären sie nicht gesetzt, sondern unmittelbar gegeben. Wenn wir über Erscheinungen sprechen, so ist diese Redeform schon ›künstlicher‹, weil nicht sachbezogen, sondern reflektierend – und erscheint uns auch so. Hegel spricht auf Hegelianisch von einem »auf das Setzende zurückschlagenden Setzen«. Das bedeutet nicht (nur), dass unsere Sprachpraxis Rückwirkungen
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auf uns selbst hat, gerade indem sie die Dinge als bevorzugte Gegenstände und die Kräfte als bevorzugte Momente dispositioneller Verursachung in den Mittelpunkt stellt. Es bedeutet, dass mit der Fokussierung auf die Dinge im Urteil die Wahrnehmung selbst sich umprägt von einer qualitativen zu einer wesenslogischen. Das heißt, wir ›sehen‹ mehr und mehr das Vorhandensein der Dinge und nicht bloß das Zuhandensein qualitativ und instrumentell bestimmter Sachen, die wir im Zeugganzen unterscheiden, wie Heidegger es schildert. Der Grund als begri=liche Position ist aufgehobenes Bestimmtsein. Er ist nichts Unbestimmtes, sondern das Wesen des Dinges. Es ist Hegels dialektische Ader, die ihn dazu bringt, immer wieder zu betonen, dass uns die vorhandenen Dinge als unbestimmt, d. h. nicht als durch uns bestimmt erscheinen, dass uns im Wahrnehmen die besondere Form ihrer Bestimmung als aufgehobenes Gesetztsein nicht (immer) klar ist, – was alles erst in expliziter Reflexion auf unsere Dingbestimmungen und das Wissen um ihr Sein deutlich wird. Man kann also das Folgende sagen: Es gibt eine Art Dingfixierung oder Vorhandenheitsmystik in unserer normalen Weltbezugnahme, welche ideologiekritisch in ähnlicher Weise aufzuheben ist, wie Marx später den Fetisch des Geldes oder die Fetischisierung der Ware aufhebt.38 Was aber heißt es, dass der Grund als Wesen in seiner Negativität mit sich identisch sei? Hegels Gebrauch des Wortes »Identität« ist weiter als der, für den ich plädieren würde. So verwendet er ihn auch dort, wo ich in Wahrnehmung und erkennendem Weltbezug Umwelt und Welt mit mir identisch mache, in meine Welt verwandle. Der Grund einer Erscheinung ist demnach insofern mit dieser als seiner Das geschieht durch Verweis auf den Praxiszusammenhang, in welchem Dinge, aber auch die Arbeitskraft, zu Waren und nach ihrem Preis taxiert werden. Das Geld spielt die Rolle der Vermittlung von Kooperation im Tausch von Waren, aber auch von Arbeitskraft gegen die Sicherung ihrer Reproduktion durch den Geld- bzw. Produktionsmittelbesitzer – wobei dann alle Arbeitsergebnisse unmittelbar von diesem angeeignet werden, der Produzent (Arbeiter) also unmittelbar ent-eignet wird. Diese Tatsache des Mehrwerts der Arbeitsergebnisse im Vergleich zum Preis der Ware Arbeitskraft ermöglicht nach Marx eine schnelle Akkumulation von Kapital. 38
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Negativität identisch, als es der Grund der Erscheinung und sie die Erscheinung dieses Grundes ist. Wesenslogisch bilden beide, Grund und Erscheinung, eine Einheit, die des Wesens der Gesamtsache. Die Bestimmtheit des Wesens als Grund wird hiemit die gedoppelte, des Grundes und des Begründeten. Sie ist erstens das Wesen als Grund, bestimmt das Wesen zu seyn gegen das Gesetztseyn, als Nichtgesetztseyn. Zweitens ist sie das Begründete, das Unmittelbare, das aber nicht an und für sich ist, das Gesetztseyn als Gesetztseyn. Dieses ist somit gleichfalls mit sich identisch, aber die Identität des Negativen mit sich. Das mit sich identische Negative | und das mit sich identische Positive ist nun eine und dieselbe Identität. Denn der Grund ist Identität des Positiven oder selbst auch des Gesetztseyns mit sich; das Begründete ist das Gesetztseyn als Gesetztseyn, diese seine Reflexion in sich aber ist die Identität des Grundes. – Diese einfache Identität ist also nicht selbst der Grund, denn der Grund ist das Wesen gesetzt, als das Nichtgesetzte gegen das Gesetztseyn. Sie ist, als die Einheit dieser bestimmten Identität, (des Grundes) und der negativen Identität (des Begründeten) das Wesen überhaupt, unterschieden von seiner Vermittlung. (294 | 89 f.) Das Wesen als Grund ist also doppelt bestimmt, als Grund der Erscheinung und über die Erscheinungen des Grundes. Das ist weit mehr als kommentarlogisches Wortgeklingel. Dies ist es aber nur, wenn man Heraklits Kommentar zu solchen gnomischen Merksätzen ernst nimmt, nach dem diese, wie die Orakel des delphischen Gottes, nichts behaupten, sondern aufzeigen (›semainei‹: Frgm. 93). Sie verweisen in unserem Fall zeigend auf das prekäre Verhältnis zwischen einem Ding, sagen wir einer Statue, und ihren vielen Erscheinungen aus unterschiedlichen Perspektiven in unterschiedlichen Beleuchtungen für unterschiedlich motivierte oder gebildete Betrachter: Die Einheit des Wesens, der ousia, der Sache, ist eine Einheit seiner Erscheinungen, ohne dass wir sagen sollten oder dürften, das Ding sei die Menge seiner Erscheinungen. Das Ding liegt den Erscheinungsgestalten zu Grunde, ohne dass wir auf diesen Grund je unmittelbar, ohne Durchgang durch die Oberflächen der Erscheinungen gelangen könnten. Ebenso wenig gelangen wir zu ihm durch ›reines‹ Wahrnehmen oder ›reines‹ Denken.
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Indem wir ein Wesen aus Sto= und Form zusammen mit seiner Lichtreflexion als Grund meines Sehens einer Sehgestalt, etwa einer Oase mit ihren Palmen und Grünflächen, setzen und sagen: wir sehen dort eine wirkliche Oase, keine Fata Morgana, sagen wir, die Oase sei nicht bloß als möglicher Grund (Ursache) meines Wahrnehmens gesetzt, sondern es gibt sie auch als ›Nichtgesetztsein‹, d. h. wirklich. Unmittelbar ist aber nur die gesehene Oase, von der man sich fragen kann, ob sie bloß mir bloß erst als Möglichkeit der Erklärung meines Sehens gesetzt ist. Dann wäre sie noch keine Oase an und für sich, sondern bloß erst eine mögliche Oase an sich, eben ihr Gesetztsein. Anders gesagt, zunächst kann ich mir das, was ich sehe oder zu sehen scheine, nur als Oase ›erklären‹. Dann schaue ich genauer hin und schließe die Möglichkeit des Scheins einer Fata Morgana aus. Damit wird die wirkliche Oase, wie sich Hegel auszudrücken beliebt, zumindest aus Sicht meiner Bezugnahme auf sie zu einer »Identität des Negativen mit sich« – zur rechten Einheit von Grund und Erscheinung. Wäre die gesehene Oase Folge einer Fata Morgana, dann wäre die Wesenseinheit von Grund und Erscheinung anders. Es gäbe dann keine wirkliche Oase. Wir haben also eine Bedingungs-Relation R zwischen Grund (wirkliche Oase) und Erscheinung (gesehene Oase), die nur dann erfüllt ist, wenn die wirkliche Oase wirklicher Grund (Ursache) ihrer wirklichen Erscheinung ist. Es ist dies eine faktive, perfektive ›Relation‹, die, wie alle derartigen Relationen oder Prozesse, nicht leicht klar und deutlich zu explizieren ist. Das liegt daran, dass im Kontrast zu bloßen intentionalen oder propositionalen HaltungsAttitüden des Glaubens und Meinens (im Sinne Franz Brentanos) das Wort »wirklich« die bloße Möglichkeit transzendiert. Alle faktiven und perfektiven Verben wie »jemanden töten« unterscheiden sich so von bloß intentionalen Verben wie »etwas fürchten«. Ich kann etwas fürchten, was es nicht wirklich gibt, aber niemanden töten, den es nicht gibt. Wenn ich die Oase sehe, gibt es sie. Wenn ich weiß, dass es eine Oase ist, existiert sie. Dann ist die Daseins- oder Existenzaussage »Das ist eine Oase« wahr. Der Grund ist zunächst als möglicher Grund der Erscheinung gesetzt. Er bildet als wirklicher Grund gewissermaßen zusammen
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mit seiner Erscheinung das Wesen, wobei er in seinem Fürsichsein ein Nichtgesetztsein im eben erläuterten Sinn ist. In seinem Ansichsein aber ist er von uns gesetzte Möglichkeit. Daher ist die Einheit zwischen dem Grund einer Erscheinung und der Erscheinung eines Grundes nicht so trivial, wie das zunächst scheint. Die Nichttrivialität ergibt sich aus der impliziten Faktizität der Relation zwischen Wesen (Grund, Ursache) und Erscheinung. Ich vermeide in meinen Erläuterungen Hegels Rede von der »negativen Identität (des Begründeten)«, d. h. der Erscheinung mit dem Grund. Die »bestimmte Identität (des Grundes)« ist durch das Ansichsein gegeben, die Möglichkeit, dass ein X vorliegt, welches die Erscheinung (das zu begründende Y ) ›begründet‹ oder kausal verursacht oder erklärt. Als Vermittlung können wir die beschriebene faktive Relation auffassen, die aufgrund der Perfektivität aber den möglichen Grund zum wirklichen macht. Er wird so gewissermaßen zur Ursache, die jedoch mit der verursachten Erscheinung eine Wesenseinheit bildet. Das ist ein komplexer Kommentar zur bloß scheinbar einfachen Tatsache, dass ich z. B. die Oase sehe oder etwa auch wahrnehmend ›weiß‹, dass Milch im Kühlschrank ist. Diese Vermittlung, mit den vorhergehenden Reflexionen verglichen, aus denen sie herkommt, ist erstlich nicht die reine Reflexion, als welche nicht vom Wesen unterschieden ist, und das Negative, damit auch die Selbstständigkeit der Bestimmungen, noch nicht an ihr hat. Im Grunde als der aufgehobenen Reflexion aber haben diese Bestimmungen ein Bestehen. – (294 | 90) Ich beziehe Hegels Rede über die Vermittlung hier auf die faktive Relation R zwischen wirklichem Grund und realer Erscheinung. Sie ergibt sich zwar aus Reflexionen über mögliche Gründe (Ursachen), aber so, dass sie als interne Beziehung des An-und-für-sich-Seins des Gesamtwesens zur Einheit von Grund, Existenz und Erscheinung wird. In der reinen oder abstrakten Reflexion hatte sich dagegen ein Kontrast zwischen Wesen und Erscheinung ergeben. Die sozusagen bloß partielle Rede vom Wesen ist »das Negative« im Sinne des Ausschlusses von Scheinursachen. Sie hat »die Selbständigkeit der Bestimmungen« bzw. das Faktive der Rede über einen wirklichen Grund (Ursache) einer realen Erscheinung »noch nicht an ihr«. Hegel
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bestätigt meine Lesart im nächsten Satz, der besagt, dass der Grund (die Ursache) einer Erscheinung erstens »aufgehobene Reflexion« ist, also das Ergebnis einer kritischen Aussonderung von Scheinursachen, und zweitens (im Glückensfalle, versteht sich) eben daher »ein Bestehen« hat, also wirklich existiert. Auch ist sie nicht die bestimmende Reflexion, deren Bestimmungen wesentliche Selbstständigkeit haben; denn diese ¦ ist im Grunde zu Grunde gegangen, in dessen Einheit sind sie nur gesetzte. – (294 f. | 90) Die bestimmende Reflexion ist im Wesentlichen das, was Kant unter dem Titel »bestimmende Urteilskraft« verhandelt. Es geht dabei darum, dass mir in einer konkreten Situation aufgrund dessen, was ich gerade sehe, vielleicht die Möglichkeit einfällt, dass es sich um eine Oase handelt. Das, was im Normalfall ganz schnell passiert, kann man sozusagen in extremer Zeitlupe so kommentieren: In bestimmender Reflexion schaue ich noch einmal hin und prüfe, ob wenigstens dem Aussehen nach das, was ich sehe, als Oase durchgehen kann. Die Bestimmungen des Begri=s der Oase haben dabei in ihrem Ansichsein »wesentliche Selbständigkeit« insofern, als ich nicht beliebig sagen kann »Das ist eine Oase«, noch nicht einmal »Das sieht wie eine Oase aus« – auch wenn der zweite Fall klarer ist und die Erscheinung für uns aus unserer Perspektive sogar definiert. Wir wären also geneigt, mit Hinweis auf die bestimmende Reflexion zu sagen »Das ist eine Oase«. Jetzt kommt uns aber die Möglichkeit in die Quere, dass wir uns im Grund (der Sache, Ursache, Gegenstand) der Erscheinung täuschen können, sodass wir unter Einsatz von reflektierender Urteilskraft oder sinnkritischer Kontrolle gegebenenfalls neu nachprüfen (müssen), ob es nicht doch andere Gründe (Ursachen) für die Erscheinung geben kann, sodass sich die ›erste‹ kausale Erklärung der Erscheinung als irrtümlich, als Schein erweisen könnte, womit wir das Gesetzte des möglichen Wesens oder Grundes explizit bemerken. Unter Einsatz reflektierender Urteilskraft wird also skeptische Sinnkritik dadurch aufgehoben, dass man alternative Erklärungen prüft, die beste Erklärung abduktiv auswählt und als die wahre setzt. Wenn diese z. B. sagt, dass es sich nicht um eine Oase, sondern eine Fata Morgana handelt,
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ist der erste Grund zugrunde gegangen – und die neue Erklärung des Phänomens wird unser Handeln unter Umständen weit besser machen als der (leicht ›kopflose‹) Marsch in die Richtung einer Luftspiegelung. In ähnlicher Weise schließen wir heute astrologische Erklärungen aus, tolerieren das alte Spiel also bestenfalls als Zeitvertreib oder in mitleidigem Verständnis der Unbildung unserer Nachbarn. Sofern wir noch einigermaßen bei Trost sind, verhalten wir uns in der Medizin ebenso zu ›Erklärungen‹ und ›Therapien‹ der Homöopathie – nun ja, sofern wir nicht zugeben, dass diese Theorien interessante Vorbedingungen für einen massiven Einsatz von Placebos darstellen und insofern als Kulturgut ebenfalls zu schützen sind. Auch die Wirkung der chemischen Substanzen in ›echten‹ Arzneimitteln ist ja, wie man sagt, mindestens 50% ›Psychologie‹, also auch eine Frage der Stimmung und Haltung, so dass am Ende insgesamt gegen die Praxis der Homöopathie ebenso wenig einzuwenden ist wie gegen Gesprächstherapien aller Art. Diese Vermittlung des Grundes ist daher die Einheit der reinen und der bestimmenden Reflexion; ihre Bestimmungen oder das Gesetzte hat Bestehen, und umgekehrt das Bestehen derselben ist ein gesetztes. Weil diß ihr Bestehen selbst ein Gesetztes ist oder Bestimmtheit hat, so sind sie somit von ihrer einfachen Identität unterschieden, und machen die Form aus gegen das Wesen. (295 | 90) Hegel bereitet hier die Einführung des Begri=s der Form vor. Die Passage ist schwierig, wie alle Überleitungen zu einem neuen Thema. Diese werden häufig irrtümlicherweise so gelesen, als würde der neue Begri= ›begründet‹ oder irgendwie aus den bisherigen Überlegungen ›deduziert‹ bzw. ›gerechtfertigt‹. Das ist aber schon deswegen irreführend, weil es gar keinen Sinn hat, von einer solchen Rechtfertigung oder Deduktion eines Begri=s zu sprechen. Ein Begri=, also eine sprachlich artikulierte di=erentielle Inferenzform, wird immer nur begründet durch die guten Orientierungen seines sinnvollen Gebrauchs. Sinn und Orientierung sind ja dasselbe. Das schließt nicht aus, dass manche ›Begri=e‹ aufgrund dessen, was sie allein schon durch ihre Nennung an Urteilen präsupponieren, im Grunde gar keinen guten Gebrauch haben. Das gilt z. B. für das Schimpfwort »boche« oder ent-
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sprechende Wörter wie »Nigger«, aber auch für Beschönigungswörter wie »Euthanasie«. Wie dem auch sei, die faktiv angesprochene Relation zwischen Grund und Erscheinung bildet eine Einheit bestimmender und reflektierender Urteilskraft mit ihrem Ergebnis im Urteil, dass das so und so bestimmte Wesen der im Urteil ausgesagte und damit explizit gemachte bzw. erkannte Grund der zu erklärenden Erscheinung ist. Das Wesen ist dann nicht bloß als Möglichkeit an sich, als möglicher Grund gesetzt, sondern »hat Bestehen«, ist also als der Grund des Phänomens angesprochen. Weil nun aber, wie wir die ganze Zeit wohl schon bemerkt haben, alle Urteile über Grund und Oberfläche oder über kausale Erklärungen von Erscheinungen von uns gesetzt sind, auch im reflektierten ›Schluss auf die beste Erklärung‹, die uns realiter verfügbar ist (was ein von uns erfundener Gott wissen mag, darf uns nicht interessieren), müssen wir durchaus weiterhin zwischen der ›einfachen Identität‹ der vermittelnden faktiven Relation R , die sagt, das und das sei wirklicher, bestehender Grund G der Erscheinung E , und einer bloß möglichen Vermittlung dieser Art unterscheiden. Das aber bedeutet, dass wir die generische Form des Wesens oder Grundes unterscheiden müssen vom ›wirklichen‹ Grund an und für sich. Das gilt natürlich auch für Ursachen ›an sich‹, also bloß der Möglichkeit nach. An und für sich sind sie in einer wirklich richtig erklärten empirischen Manifestation. Das führt zu den Unterscheidungen zwischen Form und Materie im Wesen bzw. zwischen FormGrund und materialem Grund, Form-Ursache und Material-Ursache, wie wir im Folgenden noch genauer sehen werden. Das Wesen hat eine Form, und Bestimmungen derselben. Erst als Grund hat es eine feste Unmittelbarkeit oder ist Substrat. Das Wesen als solches ist eins mit seiner Reflexion, und ununterschieden ihre Be|wegung selbst. Es ist daher nicht das Wesen, welches sie durchläuft; auch ist es nicht dasjenige, von dem sie als von einem Ersten anfängt. (295 | 90 f.) Die Form jedes Wesens ist zunächst die Artform der Sache, des Dings oder Lebewesens. Deren Bestimmung ist uns z. B. durch Kriterien der Di=erenzierung zwischen der möglichen Anwendung eines Begri=sworts A und den ihm zugeordneten Dispositionen gegeben:
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Was etwas ist, ist damit auch wesentlich dadurch bestimmt, was es ›tut‹ und ›bewirkt‹, und zwar im Normalfall oder unter gewissen typischen Bedingungen, nicht bloß durch präsentische qualitative Unterscheidungen. Ein toter und ein lebender Hund sehen u. U. (fast) gleich aus; aber die Wesensform des Hundes geht darüber hinaus, wie jedes Kind weiß, das einen gemalten oder als Statue gestalteten Hund klar von einem lebenden unterscheiden kann. Die Dispositionen sind dabei nicht einfach zu den Kriterien zu schlagen. Denn sonst verharmlost man die nichttriviale modale Logik, nach welcher wir (häufig oder auch in seltenen Ausnahmen) erst post hoc, also nicht schon jetzt, entscheiden können, ob etwas ›wirklich‹ von der Art A ist oder war. Die formale Logik widerspruchsfreier Begri=sanwendung klammert also auf idealistische Weise den Fall der Steresis, der kontingenten Abweichung vom Normalfall, und damit die Zeitlichkeit und Modalität im empirischen Begri=sgebrauch einfach aus der Betrachtung aus, als ginge es nur um reine Kassifikationen von Dingen. Das gilt nur für ewige, rein mathematische, welttranszendente Wahrheiten, und zwar weil es für sie eine von uns festgesetzte ›Harmonie‹ zwischen der Klassifikation eines Satzes (qua Ausdruck oder Figur) als formal wahr und seiner Verwendbarkeit als zulässiger Schlussregel gibt. Was eine Sache in der empirischen Welt wirklich gewesen ist, das wissen wir dagegen oft erst a posteriori, nachdem sich seine wesentliche dispositionelle Form in weiteren Prozessen gezeigt hat. Das erste griechische Wort für Wesen ist ousia. Es steht sozusagen für ein Anwesen im Sinne der vollen Ausbreitung des Wesens wie auf einem gut funktionierenden Bauernhof. Das zweite Wort des Aristoteles für das Wesen ist »to ti e¯n einai« und besagt, dass eine Charakterisierung des Wesens auf die Frage antwortet, was etwas wirklich gewesen ist. Man antwortet dabei faktiv bzw. perfektiv. Vom Ende her wissen wir häufig, was etwas war. Wir kennen jetzt seine wirkliche Art- oder Wesensform besser. Man denke etwa an den Fall, dass wir die Oase erreichen oder die Milch aus dem Kühlschrank trinken. Eine Form ist etwas Allgemeines, Abstraktes. Sie ist definiert durch die Gleichgültigkeitsbeziehung der Formgleichheit. Aber erst als (wirklicher) Grund ist das Wesen Substrat, hypokeimenon, der Erscheinung. Was ihr zugrunde liegt, die Ursache, ist der feste Grund unter der
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schwankenden Oberfläche, um die Struktur metaphorisch oder im Bild zu skizzieren. Die Formursache besagt also, von welcher Form eine Sache sein muss, um als Grund (Ursache) dieser oder jener Erscheinung angesehen werden zu können. Wieder ist es im Detail nicht leicht, sicher zu sagen, was es heißt, dass das Wesen von seiner Reflexion »ununterschieden ihre Bewegung selbst« sei. Nach dem Gesagten liegt es nahe, dass der Satz sich gegen die Vorstellung richtet, eine Sache (Ursache) als Grund einer Erscheinung sei einfach ein geformter Körper und nicht dessen gesamtes Wesen in seiner Bewegung bzw. im Normalprozessablauf seines Seins und ›Tuns‹ – etwa im ›Wirken‹ auf anderes. Wir müssen damit das Wesen selbst von dem unterscheiden, was wir in der Reflexion auf das Wesen oder Wesentliche der Sache als Grund gesetzt haben: Das Wesen selbst zeigt sich in seinem Tun so, dass unsere Schlüsse auf beste Erklärungen in manchen Fällen sich post hoc als fallibel ausweisen können: Die Oase war z. B. eine Fata Morgana oder die Milch war ungenießbar. Das heißt, wir müssen das Ergebnis der Reflexion auf das Wesen, die Bestimmung des Wesentlichen einer erscheinenden Sache, und deren Wesen ›als solches‹ unter Umständen unterscheiden. Dieser Umstand erschwert die Darstellung der Reflexion überhaupt; denn man kann eigentlich nicht sagen, das Wesen geht in sich selbst zurück, das Wesen scheint in sich, weil es nicht vor oder in seiner Bewegung ist, und diese keine Grundlage hat, an der sie sich verläuft. Ein Bezogenes tritt erst im Grund nach dem Momente der aufgehobenen Reflexion hervor. Das Wesen als das bezogene Substrat aber ist das bestimmte Wesen; um dieses Gesetztseyns willen hat es wesentlich die Form an ihm. – (295 | 91) Hegel sagt hier in seinen Worten, was wir eben erläutert haben. Die Analyse der reflexionslogischen Grundbestimmungen wird in der Tat durch das Aposteriori im Wesen, also im ›to-ti-¯en-einai‹, erschwert. Denn die Redeform, nach der das Wesen »in sich selbst zurückgeht«, ist eigentlich nicht korrekt und – wie Hegel-Kritiker längst schon vermutet haben – eigentlich ›unsinnig‹. Dasselbe gilt für den Kommentar, das Wesen scheine in sich. Hegel selbst stellt hier seine eigenen Kommentare, die ihm weiter oben noch als passend erschienen, auf den Prüfstand. – Das zeigt aber gerade, dass wir Hegels Kommentierun-
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gen nicht einfach als Behauptungen lesen können und schon gar nicht aus dem Kontext reißen dürfen. Hier präzisiert er das Gesagte z. B. so: Es gibt das Wesen einer Sache, etwa dass der Sto= da Milch ist oder die Erscheinung dort eine Oase, nicht vor ›seiner Bewegung‹, wie sie von einer präsentischen Erscheinung zu einer Ursache an sich und von dieser zurück zur sich in der Zeit zeigenden Erscheinung der Ursache an und für sich führt. Das liegt daran, dass wir besonders in den häufigen oder seltenen Fällen zufälliger Mängel einer Sache erst im Nachhinein das to ti e¯n einai, das Ergebnis der Reflexion, was etwas in seinem Wesen gewesen war, endgültig festlegen. Auf diese Weise kritisieren wir ex post vorherige Urteile. Zugleich sehen wir, dass alle realen weltbezogenen Urteile generisch sind und bleiben. Wir sagen zum Beispiel, dass sich in Wirklichkeit nicht die Sonne um die Erde, sondern dass diese sich um ihre eigene Achse und um die Sonne dreht. Damit erkennen wir das Wesen der Planetenbewegungen, während in der Epizyklendarstellung des Eudoxos und Ptolemaios ein ›falsches‹ Modell der erscheinenden Bewegungen gesetzt worden war – das aber für viele Zwecke schon sehr gut war. Die Beziehung zwischen Wesen und Erscheinung tritt außerdem erst dort hervor, wo wir dem Schein des ›lucet‹ und ›videtur‹ auf den Grund gehen. Vor Thales und Heraklit z. B. ging man der Frage, warum die o=enbar so ferne Sonne, die weit im Osten, jenseits von Babylon, auf und weit im Westen, jenseits der Säulen des Herkules, unterging, dennoch so klein aussieht, o=enbar nicht auf den Grund. Das Wesen also ist das, was es in der Wesenserklärung der Erscheinung als deren Grund oder Ursache ist. Es ist das, was es ist, nicht unabhängig von dieser ›Kausalerklärung‹, die selbst o=enbar, und das ist das Ziel der ganzen Überlegung, nur als begri=lich gesetzte Relation begri=en werden kann. Indem wir sagen, die Achsendrehung der Erde sei die wahre Ursache von Tag und Nacht, verneinen wir z. B. Heraklits Erklärung durch ein riesiges Feuer in einer riesigen Halbkugel, die sich von Ost nach West bewegt und abends verlöscht, um sich morgens wieder zu entzünden. Wir unterscheiden damit mögliche Kausalerklärungen von wirklichen und setzen letztere voraus, wo wir von der Ursache einer Erscheinung sprechen und sagen, dass wir damit dem Wesen der Sache auf den Grund gegangen seien.
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Merkwürdigerweise hören wir heute von allen Seiten, der Wissenschaft gehe es nicht mehr um die Natur oder das Wesen der Dinge, schon gar nicht um absolute Wahrheit. Blasiert wie Pilatus hat man damit die Frage »Was ist schon Wahrheit?« mit einem Seufzer abgetan und ist zur Tagesordnung übergegangen. Nur noch verrückte Philosophen nerven, indem sie weiter mit solchen Reflexionswörtern hantieren und darauf bestehen, dass es ohne ihr Verständnis kein wahres Wissen und keine selbstbewusste Wissenschaft, sondern bloß noch einen akademischen Schul- und Forschungsbetrieb gibt. Es ist insbesondere zwischen bloß instrumentellen Modellen, etwa zum Zweck grob erfolgreicher Prognosen, und einem anerkennungswürdigen Wissen über Natur und Welt zu unterscheiden. Es ist außerdem daran zu erinnern, dass ›man‹ heute natürlich die Modelle des Heraklit, Eudoxos, Ptolemaios usf. für falsch erklärt und sich lustig macht darüber, dass man je glauben konnte, die Erde sei eine Scheibe. Provinziell ist aber sowohl der, welcher sich und seine Glaubensgruppe in das Zentrum des Wissens setzt, als auch der, welcher das Zentrum anderswohin setzt, etwa in das Wissen ›der Physik‹ oder, alternativ dazu, eines vorgestellten allwissenden Gottes. Am Schlimmsten aber ist, wenn man morgens das eine und abends das andere tut und sagt. Was nun den Begri= der Form angeht, so hat jede Wesensbestimmung, weil sie ja ist, wesentlich eine nicht bloß relationale, sondern prozessuale Bewegungs- oder Veränderungsform. In der Rede von dem Grund oder der Ursache wird diese Form als bestehend behauptet resp. anerkannt und ist damit als wahre Kausalerklärung der betre=enden Phänomene gesetzt und von bloß möglichen Alternativerklärungen abgesetzt, die man in der ›besten‹ Erklärung aufgehoben hat, so wie Kepler die Fehler des kopernikanischen Modells aufgehoben hat. Die Formbestimmungen dagegen sind nun die Bestimmungen als an dem Wesen; es liegt ihnen zu Grunde, als das Unbestimmte, das in seiner Bestimmung gleichgültig gegen sie ist; sie haben an ihm ihre Reflexion in sich. Die Reflexionsbestimmungen sollten ihr Bestehen an ihnen selbst haben und selbstständig seyn; aber ihre Selbstständigkeit ist ihre Auflösung; so haben sie dieselbe an einem
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andern; aber diese Auflösung ist selbst diese Identität mit sich oder der Grund des Bestehens, den sie sich geben. (295 | 91) Mit der Unterscheidung zwischen Wesen und Form, auch Ursache und Form, wird die Form sozusagen zu einer ›Eigenschaft‹ des Wesens (bzw. der Ursache, des Grundes), allein schon deswegen, weil verschiedene mögliche Ursachen partiell als formgleich bewertet werden können. Daher können wir zwischen der Ursache in ihrer Gesamtform und den kausalen Bedingungen als notwendigen Teilformen in einer Gesamterklärung eines typischen, sich z. B. regelmäßig wiederholenden Phänomens unterscheiden. Dass die Sonne sehr groß sein muss, ist z. B. eine solche notwendige Bedingung, die alle ernst zu nehmenden Kausalerklärungen von Tag und Nacht erfüllen müssen. Solche Formbedingungen bleiben am Ende nie selbständig, sondern werden zur Eigenschaft des Grundes, der Ursache. Die bestehende ›Substanz‹ kann dabei nicht eine Menge frei floatender Formen sein, so wenig wie ein Körperding eine Menge von Qualitäten. Der Form gehört überhaupt alles Bestimmte an; es ist Formbestimmung, insofern es ein gesetztes, hiemit von einem solchen, dessen Form es ist, unterschiedenes ist; die Bestimmtheit als Qualität ist eins mit ihrem Substrat, dem Seyn; das Seyn ist das unmittelbar bestimmte, das von seiner Bestimmtheit noch nicht unterschieden, – oder das in ihr noch nicht in sich reflectirt, so wie diese daher eine seyende, noch nicht eine Gesetzte ist. – Die Formbestimmungen des Wesens sind ferner als die Reflexionsbestimmtheiten, ihrer nähern Bestimmtheit nach, die oben betrachteten Momente der Reflexion. Die Identität, und der Unterschied, dieser theils als Verschiedenheit, theils als Gegen|satz. Ferner aber gehört auch die Grundbeziehung dazu, insofern sie zwar die aufgehobene Reflexionsbestimmung aber dadurch das Wesen zugleich als Gesetztes ist. Dagegen gehört zur Form nicht die Identität, welche der Grund in sich hat, nemlich daß das Gesetztseyn als aufgehobenes und das Gesetztseyn als solches, – der Grund und das Begründete, – Eine Reflexion ist, welche das Wesen als einfache Grundlage ausmacht, die das Bestehen der Form ist. Allein diß Bestehen ist im Grunde gesetzt; oder diß Wesen ist selbst wesentlich als bestimmtes; somit ¦ ist es auch wieder das Moment der Grundbeziehung und Form. – Diß ist die absolute
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Wechselbeziehung der Form und des Wesens, daß dieses einfache Einheit des Grundes und des Begründeten, darin aber eben selbst bestimmt oder negatives ist, und sich als Grundlage von der Form unterscheidet, aber so zugleich selbst Grund und Moment der Form wird. (295 f. | 91 f.) Klarerweise gehört die ›Grundbeziehung‹ R zwischen Erscheinungen und ihren Grundlagen oder Ursachen, also die Verursachung, zur Form unserer Weltbezugnahme. Das ist wohl das wichtigste Ergebnis der Transzendentalphilosophie Kants, wie es von Hegel gerade hier vor Kants eigener Fehldeutung gerettet wird. Denn Kant verkennt die logisch-begri=liche Form der Ursache in der Grund-Folge-Beziehung der Verursachung gerade deswegen, weil er sie rein in die Vergangenheit verlegt. Die Folge ist ein Fehlverständnis des Satzes, dass alles eine Ursache hat. Dabei ist Hegels Einsicht zentral, Gründe und Ursachen als Reflexionsbestimmungen im Kontext der Rede von einem Wesen oder einer Natur der Sache und diese als Erscheinung begri=lich richtig zu platzieren. Wir sprechen dann nicht etwa nur über aktuale, sondern auch über bloß mögliche Verursachungen, die als aktualisiert oder wirklich ausgesagt ist, wenn wir eine Erscheinung E als durch den Grund G bzw. die Ursache U verursacht erklären. Zur Form der Erklärung bzw. des Grundes gehört aber noch »nicht die Identität«, also die aktuale Existenz des Grundes bzw. der Ursache als Aktualisierung einer möglichen Ursache, die damit zu der Ursache, zu dem Grund der Erscheinung wird. Das to ti e¯ n einai ist die Ursache oder der Grund, wie er im Rückblick als aktualisiert erkannt ist, wobei wir vom Erfolgsfall dieser Erkenntnis ausgehen, also die immer noch möglichen Irrtümer ausschließen bzw. ausblenden. Der Grund oder die Ursache in ihrer Aktualität wird so als das (behauptete) Bestehen einer möglichen zureichenden Ursache begri=en und darf nicht bloß als Bestehen einer der vielen notwendigen kausalen Bedingungen (miss-)verstanden werden, wie das in den üblichen Reden allzu häufig geschieht. Notwendige Bedingungen sine qua non, ohne deren Bestehen etwas nicht geschehen kann oder eine Erscheinung nicht in ihrer Ursache verstanden wäre, reichen im Allgemeinen noch lange nicht aus, um die Ursache oder den Grund anzugeben. Sie sind eben bloße Teil-Formen des Grundes. Würde man das in den Wis-
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senschaften ernst nehmen, wären ihre Selbstkommentare und Selbstbeurteilungen weit professioneller, als sie es faktisch zumeist sind. So sind z. B. gewisse neurophysiologische Prozesse im Gehirn und die Erfüllung gewisser Bedingungen kausal notwendig für das menschliche Wahrnehmen und Denken, aber beileibe nicht hinreichend. Deswegen ist es wissenschaftlich naiv, so zu reden, als wären die durch bildgebende Verfahren im Gehirn beobachtbaren Aktivierungsmuster oder Hirnströme die Ursachen von Denken oder Wahrnehmung. Ohne Verbindung mit der gelernten Praxis des gemeinsamen Unterscheidens, Redens, Urteilens, begri=lichen Schließens usf. gibt es weder eine menschliche Wahrnehmung eines bestimmten Dings oder einer bestimmten Sache noch ein Urteilen und reflektierendes Denken über das Ding oder die Sache bzw. den Prozess, auf den man sich bezieht. Diese o=enkundige Tatsache wird rhetorisch übertüncht durch eine ungediegene Gleichsetzung der enaktiven Perzeption von Tieren mit den wahrnehmenden Weltbezügen von erwachsenen Menschen einerseits, wissenschaftlich unpräzisen, bloß intuitiv-vagen Reden vom Denken der Tiere andererseits. Man stellt sich dieses Denken naiv so vor wie in den Sprechblasen einer Katze oder Ente in Comics. Auf diesem Stand befindet sich leider die Argumentation einer großen Gruppe heutiger Hirnforschung und die Vorstellungswelt eines üblichen Biologismus, etwa auch dort, wo man mit volkspsychologischen Allgemeinplätzen zur Erziehung Säle füllt unter Hinzufügung von Expertenaussagen der Art, dass das Gehirn des Kindes nichts lieber als lernen wolle. Eine verantwortungsvolle Verbindung geisteswissenschaftlicher Analysen von Ursachen und Gründen für geistige Vermögen und naturwissenschaftlich-medizinischen Untersuchungen notwendiger Voraussetzungen für Lernfähigkeit und Kompetenzanwendung steckt damit ganz offenbar erst in den Kinderschuhen. Das logische Grundproblem ist seiner Form nach aber durchaus einfach zu durchschauen, gerade so wie die Tatsache, dass die Sonne sehr groß sein muss – und wird dennoch seit Hunderten von Jahren nicht beachtet.39
Leider ist Hegels Kommentarsprache zu schwierig, als dass ungeübte Leser diese Einsicht als zentralen Punkt erkennen könnten. 39
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Eine Form einer kausalen Erklärung ist also selbst erstens bestimmt und gesetzt, zweitens bloß erst notwendige, noch nicht hinreichende Bedingung, zumal von dem ›Bestehen‹ eines Grundes (einer Ursache) dieser Form erst noch abgesehen wird. Das Sein oder Bestehen des Grundes oder der Ursache lässt sich gar nicht unabhängig von seiner Beziehung R auf das durch ihn kausal erklärte Gesamt seiner Erscheinungen verstehen. Man kann, heißt das, die Ursache gar nicht abtrennen von ihren Erscheinungen. Eine Hinterwelt, bevölkert durch Dinge an sich, Ursachen an sich, Objekte an sich im unklaren Sinne Kants und/oder im Sinne von vagen Gegenständen eines vorgestellten Wissens, das unser menschliches Wissen auf gewisse Weise transzendieren soll, gibt es nicht. Es ist sogar sinnlos und widersprüchlich, über so etwas zu reden oder mit ihm zu rechnen. Diese Kritik richtet sich o=enbar auch gegen übliche Selbstkommentare ›der Wissenschaft‹, wo diese weit metaphysischer denkt, als sie von sich glaubt. Jedes Objekt, jede Ursache, jeder Grund muss auf der Grundlage qualitativer Unterscheidungen, Identifizierungen und reflexionslogischer Beziehungen zwischen diesen rekonstruiert werden. Daher müssen wir die absolute, d. h. empraktisch im Vollzug des Erklärens immer schon vorausgesetzte »Wechselbeziehung der Form und des Wesens« realistisch, d. h. phänomenologisch streng, betrachten. Wir dürfen uns nicht mit abstrakten Vorstellungen etwa vom Verhältnis zwischen einem ›empirischen Körperding‹, seinen Kräften, Dispositionen und Wirkungen, und seinen Erscheinungen in der qualitativen Erfahrung abspeisen lassen. Wer so redet, glaubt noch ›wörtlich‹ an eine ›Relation‹ zwischen einem ›empirischen‹ Körperding als Ursache und seine Empfindungen. Er spricht dementsprechend von Impressionen oder Eindrücken, die auf unseren ›Wahrnehmungsapparat‹ einwirken. Man merkt nicht, dass diese mythische Rede in direkter Tradition steht zum Glauben daran, die Sonne sei eine Scheibe auf einem Sonnenwagen. Die Form ist daher das vollendete Ganze der Reflexion; sie enthält auch diese Bestimmung derselben, aufgehobene zu seyn; daher ist sie eben so sehr als sie eine Einheit ihres Bestimmens ist, auch bezogen auf ihr Aufgehobenseyn, auf ein Anderes, das nicht selbst Form, sondern an dem sie sey. Als die wesentliche sich auf sich selbst bezie-
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hende Negativität, gegen diß einfache Negative ist sie das Setzende und Bestimmende; das einfache Wesen hingegen ist die unbestimmte und unthätige Grundlage, an welcher die Formbestimmungen das Bestehen oder die Reflexion in sich haben. – (296 | 92) Gerade im Kontext von Erklärungen, die als solche allgemein zu verstehen sind, ist klar, dass wir etwas nur über Formen und Formveränderungen erklären können. Denn die Materie, das Empirische, ist im Einzelfall erst einmal indefinit, wenn wir nicht schon an Sto=e, also an chemische Formen denken, sondern an das indefinite Substrat des Anaximander, das Apeiron, durch das dieser Freund von Thales dessen ›Materie‹, das Wasser, ganz richtig ersetzt hatte. Heraklit, Parmenides und Platon stimmen dann schon darin überein, dass wir, wenn wir den subjektiven Meinungen und empirischen Erscheinungen auf ihren Grund gehen wollen, also ihre Ursachen zu ergründen suchen, wegen der nötigen Allgemeinheit immer zu sich wiederholenden oder wiederholbaren Formen und Strukturen gelangen: Nur so gibt es wissenschaftliche, zeitinvariante Erklärungen jenseits der bloßen doxa, des ›mir scheint‹ es jetzt so, jetzt anders. Formen sind also die eigentlichen Themen situationsallgemein erklärender Wissenschaft. Bey dieser Unterscheidung des Wesens und der Form pflegt die äussere Reflexion stehen zu bleiben; sie ist nothwendig, aber dieses Unterscheiden selbst ist ihre Einheit, so wie diese Grundeinheit das sich von sich abstossende und zum Gesetztseyn machende Wesen ist. Die Form ist die absolute Negativität selbst, oder die | negative absolute Identität mit sich, wodurch eben das Wesen nicht Seyn, sondern Wesen ist. Diese Identität abstract genommen, ist das Wesen gegen die Form; so wie die Negativität abstract genommen als das Gesetztseyn, die einzelne Formbestimmung ist. Die Bestimmung aber, wie sie sich gezeigt hat, ist in ihrer Wahrheit, die totale sich auf sich beziehende Negativität, die somit als diese Identität das einfache Wesen an ihr selbst ist. Die Form hat daher an ihrer eigenen Identität das Wesen; wie das Wesen an seiner negativen Natur die absolute Form. Es kann also nicht gefragt werden, wie die Form zum Wesen hinzukomme, denn sie ist nur das Scheinen desselben in sich selbst, die eigene ihm inwohnende Reflexion. Die Form eben so an ihr selbst ist die in sich zurükkehrende Reflexion, oder das identische Wesen;
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in ihrem Bestimmen macht sie die Bestimmung zum Gesetztseyn als Gesetztseyn. – Sie bestimmt also nicht das Wesen, als ob sie wahrhaft vorausgesetzt, getrennt vom Wesen sey, denn so ist sie die unwesentliche, rastlos zu Grunde gehende Reflexionsbestimmung, hiemit ist sie so selbst vielmehr der Grund ihres Aufhebens oder die identische Beziehung ihrer Bestimmungen. Die Form bestimmt das Wesen, heißt also, die Form in ihrem Unterscheiden hebt diß Unterscheiden selbst auf, und ist die Identität mit sich, welche das Wesen als das Bestehen der Bestimmung ist; sie ist der Widerspruch in ihrem Gesetztseyn aufgehoben zu seyn und an diesem Aufgehobenseyn das Bestehen zu haben; somit der Grund, als das im Bestimmt- oder Negirtseyn mit sich identische Wesen. ¦ (296 | 92 f.) Eine nur erst äußere Reflexion besteht aus üblichen Kommentaren zum Verhältnis von Form und Materie, Struktur und allgemeiner kausaler Erklärung, wie sie in der Normalsprache längst schon durch den Gebrauch der hier relevanten Wörter »Wesen«, »Ursache«, »Grund«, »Form« und »Materie« artikuliert werden, aber ohne dass man diese Wörter weiter befragt hätte. Man sagt dann, ein Wesen (Ding, Gegenstand) habe eine Form, die Form selbst gäbe es nur an den Dingen oder Sachen. Das ist richtig und reicht doch nicht aus. Warum soll aber die Form »absolute Negativität« und »negative absolute Identität mit sich« sein? Und warum soll sie bzw. das Wesen gerade dadurch »nicht Sein, sondern Wesen« sein? Abstrakt genommen ist das Wesen Gesetztsein, Formbestimmung. Diese soll »Negativität« sein, die sich auf sich bezieht. Was heißt das? Und was heißt hier die Rede von einem einfachen Wesen? Was meint die Rede von einer absoluten Form? Es ist nicht immer klar, wogegen sich Hegels Sätze richten und was sie sagen, also betonen möchten. Denn in gewissem Sinn ist klar, dass es keine Formen unabhängig von geformten Sachen gibt, es sei denn in abstrakten Reflexionen, und dass sich Formen in Formvergleichen zeigen müssen oder, wie sich Hegel ausdrückt, dass sie nur »das Scheinen« des Wesens »in sich selbst« sind. Die Rede von der »eigenen ihm inwohnenden Reflexion« ist dabei gewöhnungsbedürftig. Es ist natürlich die Rede davon, dass eine Person tätig auf sich reflektieren kann, zu unterscheiden vom Fall, dass eine Sache
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in ihrem An-und-für-sich-Sein gar nicht bestimmt wäre ohne unsere Reflexion. Wir sind es, welche für die Sache selbst reflexive Relationen oder Prozesse setzen. Das identische Wesen ist also immer gleichzeitig von uns gesetzt und wird so behandelt, als wäre es nicht gesetzt, sondern gegeben. Die Schwierigkeit der Analyse ist, dass wir in der Bestimmung des Fürsich-Seins des Wesens oder der Natur der Sache in das Wesen oder die Natur die Relationen setzen müssen, welche das Wesen in seiner Identität bestimmen, und zwar als Selbstbeziehungen des Wesens auf sich. Dazu gehören Formen und Formänderungen, aber gerade auch die Wirkungen auf uns als wahrnehmende Menschen, für die aus je verschiedenen Perspektiven der Zugang zum Wesen der Sache nur über dessen Erscheinungen möglich ist, sodass wir auch die kausalen Wirkrelationen dem Wesen zuschreiben müssen, welche das Wesen begri=lich mit seinen Erscheinungen verbindet. Das geschieht zunächst alles auf der generischen Ebene des An-sich, also der eidetischen besonderen Möglichkeiten und generischen Allgemeinheiten. Das allgemeine Wissen ist dann je konkret auf den Einzelfall anzuwenden. Um diese Aspekte geht es hier, also um die begri=lichen Beziehungen von Wesen und Erscheinungen im allgemeinen Erklären der Erscheinungen durch das Wesen und um den konkreten Übergang von Erscheinungen zum Wesen und von da dann weiter zu Erklärungen weiterer Geschehnisse. – Es gibt keine wirklichen Formen, die völlig getrennt wären vom Wesen (der Sache, dem Körperding) im Ganzen. Wir müssen daher, wie schon Aristoteles sieht und sagt, die Formen an den Sachen und Dingen (in ihrem Dasein, Sein oder ihrem Vollzug) von idealen Formen unterscheiden, über die wir als abstrakte Rede-Gegenstände sprechen, indem wir erstens formgleiche Präsentationen als gleichberechtigte Vertreter der Form ansehen und zweitens die Form abstrakt nennen und beschreiben, wie wir das z. B. in der Geometrie für ebene Formkonstruktionen (Diagramme) tun – wobei Konstruktionsterme die Formen sprachlich repräsentieren. Hegel bedenkt hier also, wie sich Platons Formen als abstrakte Reflexionsgegenstände zu der Auffassung der Formen als Momente innerweltlicher Sachen bei Aristoteles verhalten. Dass die Form das Wesen bestimmt, bedeutet dabei, dass
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wir von einem Wesen als einem geformten Sein sprechen, das nicht nur abstrakter Gegenstand und nicht bloßes Objekt unseres Anschauens und Denkens ist. Es ist als konkrete Sache geformte Materie. Und es ist im Sein Vollzugsform. Diese Unterschiede, der Form und des Wesens, sind daher nur Momente der einfachen Formbeziehung selbst. Aber sie sind näher zu betrachten und festzuhalten. Die bestimmende Form bezieht sich auf sich als aufgehobenes Gesetztseyn, sie bezieht sich damit auf ihre | Identität als auf ein Andres. Sie setzt sich als aufgehoben; sie setzt damit ihre Identität voraus; das Wesen ist nach diesem Momente das Unbestimmte, dem die Form ein anderes ist. So ist es nicht das Wesen, das die absolute Reflexion an ihm selbst ist, sondern bestimmt als die formlose Identität; es ist die Materie. (297 | 93 f.) Der Kontrast zwischen Form und Wesen betri=t nur »Momente der Formbeziehung selbst«. Es gibt hier nicht zwei trennbare ›Gegenstände‹. Denn das Wesen einer Sache ist selbst nur die Artform einer Instanziierung. Diese ist im Kontrast zu anderen Artformen bestimmt. Wenn man ihre Aktualisierung anspricht, redet man zwar auch von einem Artwesen. Man bezieht sich dann aber auf dieses in seiner Identität oder seinem Für-sich-Sein als Grund oder Ursache der zu verstehenden oder erklärenden Erscheinung. Das Wesen als Aktualisierung der Artform ist aber zunächst »das Unbestimmte« (also das Apeiron des Anaximander) insofern, als es für eine Erscheinung allererst noch näher zu bestimmen ist. Diese zunächst noch ›formlose‹ Instanz wird als Materie angesprochen und der Form gegenübergestellt. Dass die Materie »absolute Reflexion« des Wesens »an ihm selbst« sein soll, ist zwar zunächst dunkel, meint aber wohl nur, dass wir zunächst noch keine Artformbestimmung zur Verfügung haben, also noch nicht wissen, was die Sache an sich, ihrem Formtyp nach, ist. Im Umgang mit Sachen und Dingen gibt es außerdem zwei wesentlich verschiedene Arten der Äquivalenz oder Gleichgültigkeit. Die erste ist die der Sto=- oder Materiegleichheit bei sich ändernder Form. Die zweite ist die der Form- oder Strukturgleichheit bei sich ändernder Materie. So kann man im ersten Fall an die Metamorphose von Engerlingen, Raupen und Schmetterlingen denken oder an die Änderung
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der Aggregatzustände eines Sto=es wie Wasser. Noch dramatischer wird die Formveränderung, wenn Masse zu Energie wird bzw. die ›Kräfte‹ des Zusammenhalts von Festkörpern sozusagen freigesetzt werden. Im zweiten Fall denke man eine Kopie einer Marmor-Statue aus Gips, Plastik oder Bronze. b. Form und Materie [1.] Das Wesen wird zur Materie, indem seine Reflexion sich bestimmt, zu demselben als zu dem formlosen Unbestimmten sich zu verhalten. Die Materie ist also die einfache unterschiedslose Identität, welche das Wesen ist, mit der Bestimmung das Andere der Form zu seyn. Sie ist daher die eigentliche Grundlage oder Substrat der Form, weil sie die Reflexion in sich der Formbestimmungen oder das Selbstständige ausmacht, auf das sie sich als auf ihr positives Bestehen beziehen. (297 | 94) Wenn man den Sachen als Erscheinungen auf den Grund geht, also nach ihrem bleibenden Wesen als Ursache forscht, gelangt man erstens zur Materie, zum Sto=, aus dem die Dinge sind. Dieser Sto= hieß im Griechischen ursprünglich »Holz«, hyl¯e, weil das Holz für allerlei menschliche Geräte gut formbar war. In anderen indoeuropäischen Sprachen wie im Hethitischen ist das auch so. Thales taufte die Materie sozusagen um. Ihm war wohl die Sto=gleichheit bei Veränderung der Aggregatzustände aufgefallen. Daher mag er das Wasser zum Prototyp der Materie, der Materialursache der Dinge genommen haben. Natürlich kann für diese Wahl auch die Beobachtung gesprochen haben, dass alles Leben Wasser braucht und aus dem Wasser kommt. Wahrscheinlicher aber ist, dass die Verwandlung von Wasser in Eis und Dampf die zentrale Rolle spielt. Philosophie und Naturwissenschaft in Ionien beginnen also erstens mit der thaletischen Einsicht in die Formgleichheit von Dreiecken gemäß dem Strahlensatz in der Zentralprojektion, zweitens einer frühen Überwindung der noch völlig archaischen Vorstellung von Feuer, Wasser, Luft und Erde als den vier verschiedenen ›Materien‹.40 Anaximander präzisiert den Entweder ist daher die Vier-Elemente-Lehre des Empedokles noch ganz archaisch oder sie verweist schon rein analogisch auf Ursto=e oder 40
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Satz seines Freundes Thales, »alles ist Wasser«, der, wie gesagt, mit Vernunft gelesen, nur sagt, dass das Wasser den Begri= der Materialursache im Wesen aller Erscheinungen prototypisch repräsentiert, und nennt die Materie Apeiron, das Indefinite, das auch in seiner Teilbarkeit und seiner Ausdehnung Unbegrenzte. Hegel kommentiert den allgemeinen Gedanken im sich ergebenden Satz »Alles ist Materie« oder auch »Das Wesen der Dinge ist Materie« zusammen mit dem Grundsatz des Anaximander: »Der Materiebegri= ist zunächst indefinit« so: »Das Wesen wird zur Materie«. Das geschieht, indem es zumindest in einem seiner Momente, vermittelt durch die Reflexion auf Formgleichheiten, zu etwas »formlosen Unbestimmten« wird. Mit anderen Worten, es ist der Begri= der Form und Formänderung, der zum Kontrast von Form und Materie führt und damit zum Kontrast von Formursache und Materialursache bzw. Formwesen und Sto=. Sto=e lassen sich umformen und Formen in verschiedenen Materien realisieren. Aber es gibt Formen nie getrennt von ihren materiellen Substraten. Diese wiederum sind nur indefinit oder reine Materie, wenn wir von den Sto=unterschieden absehen. Daher ist das Apeiron der reinen Materie nicht weniger abstrakt als eine reine Form. Diese ist Formidee oder Struktur. Es ›gibt‹ daher ›reine‹ Materie so wenig wie reine Formen: Beide sind nur abstraktionstheoretische bzw. reflexionslogische ›Momente‹ an den konkreten Dingen der Welt, die wir über ihre Erscheinungen lokalisieren und nach Form und Materie analysieren. Die lateinische und deutsche Übersetzung »Substanz« des Wortes »ousia« wird nun dort irreführend, wo sie von der epochalen Zeitlichkeit des Seins jedes Wesens absieht und so spricht, als wäre diese Substanz »ewig«. Ewige Materie oder Atome gibt es nicht in der Welt. Sie sind selbst Urmaterien, so wie Platon im Grunde zu drei Urelementen gelangt, nämlich das Feuer des Heraklit, die Erde und den Äther als quinta essentia. Diese ordnet er den platonischen Figuren der Dreieckspyramide, dem Würfel und dem Dodekaeder zu, mit regelmäßigen Dreiecken, Quadraten und Fünfecken als Seiten. Der Clou seiner ›Theorie der Materie‹ besteht dabei darin, dass Luft oder Dampf (Oktaeder) und Wasser (Ikosaeder) sich durch Feuer in Feuer verwandeln lassen.
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Formen in unseren Weltbezugnahmen, so dass sich hier der Unterschied zwischen Form und Materie aufhebt. Wenn von allen Bestimmungen, aller Form eines Etwas abstrahirt wird, so bleibt die unbestimmte Materie übrig. Die Materie ist ein schlechthin abstractes. (– Man kann die Materie nicht sehen, fühlen u. s. f. – was man sieht, fühlt, ist eine bestimmte Materie, d. h. eine Einheit der Materie und der Form). Diese Abstraction, aus der die Materie hervorgeht, ist aber nicht nur ein äusserliches Wegnehmen und Aufheben der Form, sondern die Form reducirt sich durch sich selbst, wie sich ergeben hat, zu dieser einfachen Identität. (297 | 94) Erst jetzt lässt sich Hegels verdichteter Kommentar zur Materie als Moment des Wesens der Sachen und Dinge neben der Form und deren Zeitlichkeit aufgrund der Form der Veränderlichkeit bloß relationaler bzw. statischer Formstrukturen angemessen begreifen. Zur Form einer Sache gehört immer eine Form der normalen Formveränderung und ein normaler Materietausch, der bei Lebewesen Sto=wechsel heißt. Im Fall bloßer Dinge denke man an die Di=usion. Sie ist normaler ›Materieverlust‹ bei allen Festkörpern und Flüssigkeiten und gehört zur Form der Ausbreitung von Gasen. Hegel interessiert sich für die allgemeine Logik der Rede von einem Wesen (ousia) als zeitlich begrenzte Substanz oder Ursache bzw. Grund seiner Erscheinungen und dann auch seiner Wirkungen auf andere Sachen, Dinge oder Wesen und für die Rolle, welche die Momente der Form und der Materie jedes Dings in dieser Redeform spielen. Sogar wenn man heute noch von Materie spricht, redet man wie Anaximander von einer »unterschiedslosen Identität«, sieht also von allen Formunterschieden ab, sogar noch von denen, die später als Unterschiede chemischer Sto=e und noch später als Unterschiede von Atomen und Molekülen bzw. von Teilchen in Atomen doch wieder als Formunterschiede eigenen Typs auftreten. Es ist daher keine Behauptung, sondern eine o=enkundige begri=liche Tatsache, dass alle Rede von ›reiner Materie‹ hochabstrakt ist, der Ausdruck also als wesenslogischer Reflexionsterminus zu verstehen ist. Der ›Materialismus‹, welcher ›an die Materie‹ glaubt, ist logisch so naiv, weil er nicht weiß oder sagen kann, woran er eigentlich glaubt. Denn niemand zweifelt, dass die Rede über Materie und Form, re-
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flexionslogisch verstanden, einen guten Sinn hat. Wohl aber ist ›die Materie‹ nicht einfach ontisch zu hypostasieren. Hegels Merksatz ist also absolut wahr: »Die Materie ist ein schlechthin Abstraktes«. Und es ist trivial, dass alles, was man wahrnehmen kann, geformte oder formbestimmte Materie ist, so wie jede wahrgenommene Form materialisierte Form sein muss. Freilich repräsentieren wir Formen auch rein verbal, und wir haben ein abstraktes Wort für die Materie – nämlich »die Materie«. Dabei gelangen wir zum abstrakten Inhalt dieses Reflexionsbegri=s nicht etwa dadurch, dass wir einer Sache oder einem Ding seine Form wegnehmen, sondern indem wir auf die Form als Abstraktum der Formgleichheit oder besser Formäquivalenz aufmerksam werden. So machen wir die Abstrakta Materie und Sto= explizit. Ferner setzt die Form eine Materie voraus, auf welche sie sich bezieht. Aber darum finden sich | beyde nicht äusserlich und zufällig einander gegenüber; weder die Materie noch die Form ist aus sich selbst, oder in anderer Sprache ewig. Die Materie ist das gegen die Form gleichgültige, aber diese Gleichgültigkeit ist die Bestimmtheit der Identität mit sich, in welche als in ihre Grundlage die Form zurükgeht. Die Form setzt die Materie voraus; eben darin, daß sie sich als aufgehobenes setzt, somit sich auf diese ihre Identität als auf ein anderes bezieht. Umgekehrt ist die Form von der Materie vorausgesetzt; denn diese ist nicht das einfache Wesen, das unmittelbar selbst die absolute Reflexion ist, sondern dasselbe bestimmt als das Positive, nemlich das nur ist, als aufgehobene Negation. – (297 | 94 f.) Hegel sagt hier ganz explizit, was ich als zentrales Zwischenergebnis der Überlegung schon hervorgehoben habe: Weder ist »die Materie noch die Form . . . ewig«. In anderer Sprache, z. B. der des Spinoza, sprach man davon, dass eine Substanz etwas »aus sich selbst« sei, was heute keine gebräuchliche Ausdrucksweise mehr ist. Indem gesagt wird, dass weder Materie noch Form in diesem Sinn Substanz ist, wird der klassische ›Materialismus‹ wie der klassische ›Idealismus‹ eines sogenannten Platonismus oder Formen-Realismus als logisch ungediegen und unbedarft ein für alle Mal abgetan, egal zu welcher Zeit oder in welcher Religion die Leute oder manche Leute an solche ›Theorien‹ geglaubt haben mochten oder immer noch glauben.
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Hier gibt es ohnehin nichts zu glauben, sondern nur zu begreifen und zu wissen, z. B., dass es keine atomare Substanz gibt, sondern dass die einzige ewige Substanz, die »aus sich selbst« und sozusagen ›unendlich‹ ist, die ganze Welt, das ganze Sein aller Wesen sein muss. Dabei ist es ganz unerheblich, wenn mancher Leser noch meint hervorheben zu müssen, dass Hegel die beiden logischen Formen der Abstraktion, den Übergang von Gleichgültigkeitsbeziehungen zu abstrakten Redegegenständen und das Operieren mit impliziten und noch nicht konkret belegten Variablen in (generischen) Aussagen über Arten und Gattungen, noch nicht klar getrennt hat. Er ist in jedem Fall weiter gekommen als die meisten seiner Nachfolger, unter Einschluss von Frege oder Quine. Dass die Materie, wie oben schon geschildert, durch eine Gleichgültigkeit gegenüber Formunterschieden und die Form über eine Gleichgültigkeit gegenüber verschiedenen Materialien definiert ist, das begreift Hegel ganz o=enbar klar und deutlich. Er sagt sogar, dass die Äquivalenzbeziehung der Gleichgültigkeit zu einer »Bestimmtheit der Identität mit sich« wird oder diese schon ist, gerade so wie die Formäquivalenz aller Kreise zur Identität der einzigen Kreisform wird, die es gibt, auch wenn es Kreise verschiedener Größe in einer komplexen Form mit mehreren Kreisen als Teilformen gibt. Unsere Interpretation von Hegels Überlegungen bestätigt sich hier voll und ganz. Sie ist im Grundansatz alternativlos, wenn wir den Text als ganzen und nicht bloß in Bruchstücken verstehen wollen. Sie macht z. B. klar, warum die wesenslogischen Momente der Form und der Materie einer Sache sich gegenseitig voraussetzen, eben weil FormÄquivalenzen auf Materiedi=erenzen und Materie-Äquivalenzen auf Formdi=erenzen verweisen. Trotzdem ist Hegels Ausdrucksform reformbedürftig bzw. in eine modernere Sprache zu übersetzen. Das gilt besonders für Ausdrücke wie »Aufhebung« und »in sich reflektiert« bzw. »Moment«. Aber auch unsere Rede etwa von den ›Eigenschaften‹ eines ›Kreises‹ und über ›die Form des Kreises an sich‹ oder, noch schwieriger, der geraden Linie und ebene Fläche ist keineswegs ganz einfach, zumal die jeweiligen ›Momente‹ an hinreichend guten Beispielen von Dingen oder Bewegungen der entsprechenden Formen herauszuheben sind. Denn für hinreichend gerade Linien auf einer
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Ebene sollte der Winkelsummensatz im Dreieck gelten. Wenn man daher sagt, dass der Bewegungsraum der Dinge im Kosmos nicht euklidisch sei, sagt man e=ektiv nur, dass man bei der Realisierung gerader Linien oder ebener Flächen sehr schnell an Grenzen kommt. Die Rede von einer ›kugelförmigen‹ Ausbreitung des Lichts ist daher wie eine Metapher zu lesen. Das gilt auch für die Neudefinition des Wortes »gerade« durch die Bestimmung, gerade sei eine irgendwie als ›kürzest‹ möglich ausgezeichnete Realverbindung oder ›Linie‹ zwischen zwei ›Stellen‹ im realen Raum. Anders gesagt, im Kosmos der realen oder empirischen Astronomie gibt es eigentlich gar keine Ebenen und Geraden. Alle Winkel sind hier nur lokal zu verstehen, also gerade nicht global wie in der formentheoretischen und zentralprojektiven Geometrie des Thales und Euklid. Die reale Materie ist dann auch kein einfaches Wesen, das man so und so formen könnte oder das von der Natur geformt wäre. Materie ist nichts Unmittelbares. Der Formelteil, der dementiert wird, nach dem die Materie möglicherweise »unmittelbar selbst die absolute Reflexion« sein könnte, ist ohne Entzi=erung nicht zu verstehen. Das Problem besteht darin, Hegels Zuschreibung eines falschen Gedankens an naive Denker angemessen zu rekonstruieren. Wer also ist es, der die Materie »unmittelbar selbst« als »absolute Reflexion« auffasst – und dabei etwas tut, sagt oder denkt, was o=enbar falsch, unmöglich oder sinnlos ist? Die Antwort oder Gegenaussage, die folgt, ist schon etwas leichter zu verstehen: Materie ist bestimmt als »das Positive . . . , das nur . . . als aufgehobene Negation« existiert. Betrachten wir dazu als Beispiel die Bronze einer Statue, so ist diese als Materie oder Sto= positiv bestimmt dadurch, dass sie sowohl in der Statue als auch in einem Schwert oder einem Metallklumpen auftreten kann. In der sto=lichen Materie ist der Unterschied, die Negation, zwischen Bronzeschwert, Bronzestatue und Bronzeschmuck aufgehoben. Der abstrakte Titel »Materie« hebt dann sogar noch alle Di=erenzen zwischen Bronze und Eisen, auch Wasser und Sauersto=, Luft und Silizium auf. Man spricht bloß noch indefinit über Materie, die damit nur insofern etwas ›Positives‹ bleibt, als es nichts gibt, das ohne jede Materie real existieren könnte.
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Hegel bemerkt hier übrigens, dass diese Aussage des sogenannten Materialismus keineswegs infrage steht, wohl aber der absolut sinnlose Gedanke, alles sei bloß Materie. Analoges gilt für platonistische Idealisten und ihren wunderbaren Glauben, alles sei bloß Form. Es sollte klar sein, dass Platon kein Platonist in diesem Sinn gewesen ist. Die Kritik des Aristoteles an der Ideenlehre ist entweder als Teilnahme an Platons eigenen Reflexionen etwa im Dialog Parmenides zu werten oder als Kritik an Platon-Schülern wie Speusippos, die nach dem Geschmack des Aristoteles zu ›pythagoräistisch‹ und ›formalistisch‹ denken, denen sozusagen die ganze Philosophie und Wissenschaft ›zur Mathematik‹ geworden ist – ein Vorwurf, den man Platon gewiss nicht, wohl aber der wissenschaftlichen Weltanschauung nach Kepler, Galilei und Newton machen kann. Der Satz stellt die riesigen Leistungen dieser Personen keineswegs infrage, nur manche überschwängliche, transzendent-metaphysische Ausdeutungen und Selbstkommentierungen. Aber von der andern Seite weil die Form sich nur als Materie setzt, inso¦fern sie sich selbst aufhebt, somit dieselbe voraussetzt, ist die Materie auch bestimmt als grundloses Bestehen. (297 f. | 95) Eine besondere Schwierigkeit von Hegels Darstellungsform besteht darin, dass sie nahelegt, Form und Materie würden selbst etwas tun, z. B. sich setzen, voraussetzen oder sich aufheben. Der unbedarfte Leser meint, es sei dabei von einer Sache in der Welt, dieser oder jener Materie, die Rede oder von einem überweltlichen Gegenstand, einer freischwebenden Form. Gesprochen wird aber von der begri=lichen Kategorie der Form und der Materie als Momente einer Sache oder eines Wesens, einer aristotelischen Substanz auf Zeit (ousia, to ti e¯ n einai). Und man spricht von notwendigen ›Entwicklungen dieser Begri=e‹ in folgendem Sinn: Unsere Rede von Form und Materie kann nur angemessen begri=en werden, wenn man die entsprechenden begri=lichen Beziehungen zwischen ihnen und der Rede von einem Wesen (ousia) als Grund oder Ursache (aitia) eines di=erenzierbaren Phänomens kennt. Dazu ist am Ende auch unsere reflexionslogische Kommentarsprache zu beherrschen, die Hegels ›spekulative‹ Kommentarsprache ihrerseits kommentiert. Der Satz, die Form setze sich nur als Materie, besagt also dasselbe wie der Satz, dass es in der
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realen Welt Formen nur als geformte Sachen gibt mit materiellem Substrat. Das Substrat (hypokeimenon) einer Eigenschaft ist immer materiell, aber keineswegs reine Materie, sondern längst schon bestimmter und geformter ›Sto=‹, z. B. ein mittelgroßes Körperding aus Bronze oder, ein Lebewesen. Besonders schwierig ist die Seinsweise der vom Körper losgelassenen freien Lichtausbreitung und ihrer Geschwindigkeit. Die Form hebt sich also nur als absolutes Wesen auf. D. h., es gibt keine freischwebenden Formen. Wir müssen vielmehr unsere abstrakten Reden über Formen als Reflexionsgegenstände von konkreten bzw. ›absoluten‹ Vollzugsformen im Sein der Sachen und Wesen unterscheiden. Dieses Sein und diese Vollzugsformen lassen sich nur im Gesamtzusammenhang des Redens und Denkens über ›das Wesen‹ im Sinn einer geformten Materie als ›Ursache‹ einer Klasse seiner typischen Erscheinungen angemessen begreifen. In der ›reinen‹ (allzu idealen) Abstraktion scheint dann aber die Materie, da sie viele Formen annehmen kann, ein ›grundloses Bestehen‹ zu haben, zumal sie ja der letzte (materialkausale) Grund der betre=enden Erscheinungen und Phänomene in all ihren bestimmten und damit ›geformten‹ Unterschieden sein soll. Eben so ist die Materie nicht bestimmt als der Grund der Form; sondern, indem die Materie sich setzt als die abstracte Identität der aufgehobenen Formbestimmung, ist sie nicht die Identität als Grund, und die Form insofern gegen sie grundlos. Form und Materie sind somit bestimmt, die eine wie die andere, nicht gesetzt durch einander, nicht Grund von einander zu seyn. (298 | 95) Es wäre falsch zu sagen, die Materie wäre Grund (Ursache) der Form. Materie ist das, was unter Absetzung der Formvarianten dasselbe ist. Sie ist »abstrakte Identität der aufgehobenen Formbestimmung«. Damit ist sie kein Grund der Form, nicht Ursache einer Strukturierung und kann das aus begri=lichen (kategorialen) Gründen nicht sein. Wer daher die Materie zu einer sich selbst formenden Sache erklärt, weiß nicht, wovon er redet. Denn jede der wirklichen und möglichen Formen oder Strukturen einer geformten Sache ist insofern ›grundlos‹, als sie nur als ganze Grund oder Ursache für etwas anderes sein kann. Weder ist die (oder eine) Form die (oder
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eine) Ursache der (oder einer) Materie noch umgekehrt. Das richtet sich wieder gegen die reflexionslogisch unbedarften Weltbilder des Materialismus und Atomismus, Pythagoräismus und Platonismus, wobei noch nicht einmal Demokrit oder Hobbes so naiv dachten wie die üblichen narrativen Berichte über sie in den üblichen Philosophiegeschichten mit ihren ›Ismen‹ und ›Thesen‹. Es richtet sich aber auch gegen die übliche Deutung der aristotelischen Vier-Ursachen-Lehre. Die Materie ist vielmehr die Identität des Grundes und des Begründeten, als Grundlage, welche dieser Formbeziehung gegenüber steht. Diese ihre gemeinschaftliche Bestimmung der Gleichgültigkeit ist die Bestimmung der Materie als solcher, und macht auch die Beziehung beyder aufeinander aus. Eben so die Bestimmung der Form, die Beziehung als unterschiedener zu seyn, ist auch das andere Moment des Verhaltens beyder zu einander. – (298 | 95) Materie ist Substrat, materielle Grundlage, des Grundes und des Begründeten, also von Ursachen und Wirkungen, die aber nicht getrennt voneinander, sondern, wie oben gesehen, als Einheit, ggf. als einheitlicher Gesamtprozess, zu begreifen sind. Die Prozessform der sich ändernden relationalen Formen (z. B. der räumlichen Relationen materieller Teile) steht als ›Formbeziehung‹ einer gewissen ›materiellen Identität‹ gegenüber – und umgekehrt. Hegel macht jetzt (noch einmal) das explizit, was ich oben schon vorgreifend zur Form- und zur Materie-Äquivalenz gesagt habe: Sie sind zusammen die »gemeinschaftliche Bestimmung der Gleichgültigkeit«, welche die Identität der Materie ebenso definiert wie die einer Form in der Verschiedenheit vielfältiger Formdi=erenzen. Dass nur von der oder einer Materie gesprochen wird, liegt, wie gesagt, daran, dass man zunächst von allen di=erenten ›Sto=en‹ absieht und im impliziten Gebrauch einer Variable generisch über ›den Sto=‹ redet. Das verführt zum Missverständnis, es gäbe einen indefiniten Ursto=, eben die Materie, das Apeiron des Anaximander. Natürlich ist die Beziehung zwischen Materie (hyl¯e, Substrat) und (begri=lich bestimmter) Form (eidos, morph¯e) durch die genannten Gleichgültigkeits- oder Äquivalenzbeziehungen selbst wesentlich definiert. Hegels ›Hylemorphismus‹ von Materie und Form, wenn man ihn so nennen darf, unterscheidet sich demnach von dem des Aristoteles
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in folgenden Punkten: Erstens wird die Methode der Form- und Materie-Abstraktion am Ende doch klar und deutlich dargelegt, zweitens gibt es, wie bei Aristoteles, die abstrakte Form bestenfalls als Inhalt reflektierender Rede, nicht aber als Seinsform unabhängig von dem materiellen Ding (der ousia), drittens ist die Form selbst im Sein ein Formprozess und viertens ist die indefinite Materie selbst ein generisches Abstraktum. Es verhalten sich also Materie und Form nicht etwa ›kausal‹ zueinander, sondern beide sind nur begri=liche Teilmomente einheitlicher Sachen, Dinge und Prozesse in der Welt. Falls man die Materie als Substrat (hypokeimenon) einer erscheinenden Sache auffasst, als Grund oder Ursache, ist sie schon geformte Materie, nie reine Materie, also schon Körperding-in-Bewegung mit Kräften und Dispositionen oder Lebewesen, eben ousia. Es gibt daher keine Möglichkeit, sich die Materie als im Raum verteilt und statisch vorzustellen, die dann durch einen ersten Beweger so in Bewegung versetzt wird, wie man das epizyklische (eudoxisch-ptolemäische) Planetenmodell, wenn man es nachbaut, durch Kurbeln in Bewegung setzen muss. Die Materie, das als gleichgültig bestimmte, ist das Passive gegen die Form als thätiges. Diese ist als das sich auf sich beziehende Negative der Widerspruch in sich selbst, das sich auflösende | sich von sich abstossende und bestimmende. Sie bezieht sich auf die Materie, und sie ist gesetzt, sich auf diß ihr Bestehen, als auf ein Anderes zu beziehen. (298 | 95 f.) Dennoch wird die Materie als das Passive gegen die Form von Umformungsprozessen, z. B. der Relativbewegungen der Dinge, dargestellt. Hegel betont, dass dieses Bild, wörtlich verstanden, sinnlos ist. Es ist in sich widersprüchlich. Denn es gibt gar nichts (mehr), wenn wir alle Formänderungs- und Formerhaltungsprozesse wegdenken. Ein so »sich auf sich beziehendes Negatives« geformter Materie oder materialisierter Formen gibt es nicht. Die Materie lässt sich daher auch nicht rein passiv deuten. Andererseits sollten wir extrem vorsichtig sein, wenn wir ihr eigenständige Formkräfte zuschreiben. Denn Materie gibt es nicht losgelöst von den wirklichen Sachen, den geformten Dingen und Dingprozessen, eben weil der Ausdruck »die Materie« nur ein abstraktes Moment ist in unseren Reflexionen auf
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die ousia ist. Diese ist das bleibende Wesen der Erscheinungen, welche wir als Erscheinungen dieses Wesens als geformter Sache oder eines sich in einem Umformungsprozess eine Zeitlang erhaltenden Dings, also einer zeitlich begrenzten aristotelischen Substanz, ansehen (können). D. h., Form und Materie sind aufeinander bezogene kategoriale Teilmomente zur Darstellung prozessualer Relationen von ›Dingen‹, deren Identität wesentlich über das Moment der Materie vermittelt ist, so wie die Identität eines Tieres oder Menschen als Muster oder Prototyp einer aristotelischen Substanz oder ousia durch den lebenden Körper oder eben den Leib. Die Materie hingegen ist gesetzt, sich nur auf sich selbst zu beziehen, und gleichgültig gegen anderes zu seyn; aber sie bezieht sich an sich auf die Form; denn sie enthält die aufgehobene Negativität, und ist nur Materie durch diese Bestimmung. (298 | 96) Die übliche Rede über die Materie versucht dennoch, das materielle Substrat bei völlig variabler Sache hervorzuheben. Die Materie erscheint dann bloß als eigentliches Substrat und als eigentliche Substanz aller Sachen und Dinge, und das bis heute, besonders in einem Physikalismus, der seine kleinsten Teilchen ontisch mit der Materie identifiziert, häufig ohne etwas von der logischen Form der Beziehung von Form und Materie zu wissen oder zu begreifen. Für Sachfragen der Physik ist das auch nicht nötig, wohl aber für ein Wissen über deren Grundlagen und Grenzen. Die Vorstellung ist inkohärent, dass sich Materie »nur auf sich selbst beziehe« und völlig »gleichgültig gegen Anderes« sein könne. Denn sie bezieht sich als bloßes Moment der Sachen, die wir als Grund oder Ursache ihren Erscheinungen oder Wirkungen zuordnen, immer schon mit absoluter Notwendigkeit auf Formen, besonders Prozess- und Bewegungsformen – und ist sogar gerade so gesetzt und bestimmt. Kurz, der ontisch-ontologische ›Glaube‹ eines Materialismus an einen ›Selbsterhalt‹ der Materie und andere ›Selbstformungskräfte‹ ist begri=lich ebenso abwegig wie die ›theologische‹ Vorstellung, die Formen stammten aus dem Kopfe eines Gottes, der als Architekt alle möglichen Formen kennt und als ein göttlicher Handwerker oder Demiurg manche Formen in Realität umsetzt, etwa indem er die passive Materie in Bewegung setzt. Im Übrigen ist schon
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die Vorstellung hochproblematisch, die Materie als das Dunkle, Tote, Unbewegte, Erd-Artige aufzufassen und ihr das Helle, Feurige, die Energie als Bewegungskraft gegenüberzustellen, eine Vorstellung, die in gewisser Modifikation schon bei Heraklit auftritt – wobei das Tiefe des Gedankens vom Irrtümlichen oder Oberflächlichen des metaphorischen Bildes im Detail zu unterscheiden wäre, was hier aber nicht geschehen soll. Sie bezieht sich auf sie nur darum als auf ein anderes, weil die Form nicht an ihr gesetzt, weil sie dieselbe nur an sich ist. Sie enthält die Form in sich verschlossen, und ist die absolute Empfänglichkeit für sie, nur darum weil sie dieselbe absolut in ihr hat, weil diß ihre an sich seyende Bestimmung ist. Die Materie muß daher formirt werden, und die Form muß sich materialisiren, sich an der Materie die Identität mit sich oder das Bestehen geben. (298 | 96) Es ist also unsere reflexionslogische Trennung von Materie und Form, welche erzwingt, dass beide Momente nur in konkreter Wechselbeziehung sinnvoll zu kommentieren sind. Jede konkrete Materie »enthält die Form in sich verschlossen« und es gibt sie als ›bloße‹ Materie nur als ›Empfänglichkeit‹ für Formung und Umformung. Diese Empfänglichkeit ist aber nicht etwa eine ›ontische‹ oder ›naturwissenschaftliche‹ Eigenschaft ›der Materie‹, etwa im Sinne einer allgemeinen ›Tatsache‹, deren Bestehen man vielleicht sogar erst noch jeweils empirisch untersuchen müsste. Es gibt sie aus begri=lichen Gründen: Ohne sie wäre die Rede von Materie gar nicht möglich, da sie begri=lich absolut mit Formvariationen verknüpft ist. Der Satz »Die Materie muss daher formiert werden« spricht also nicht etwa über eine Notwendigkeit, die ein Architektengott festgelegt haben mag, um die Aufgabe der Formierung einem Handwerkergott zu überlassen. Der Satz sagt vielmehr etwas über die Konkretisierung des bloß abstrakten Titels »die Materie« (an sich) aus, wenn nämlich das materielle Moment und die Formmomente in der konkreten Reflexion auf die Bestimmung von Sachen und Dingen konkret umgesetzt werden. – Wir hatten oben schon gesagt, was es heißt, dass sich die Form materialisieren muss, warum es also Formen in der Welt nur als geformte Materie (Dinge, Prozesse) gibt.
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2. Die Form bestimmt daher die Materie, und die Materie wird von der Form bestimmt. – Weil die Form selbst die absolute Identität mit sich ist, also die Materie in sich enthält; eben so weil die Materie in ihrer reinen Abstraction oder absoluten Negativität die Form in ihr selbst hat, so ist die Thätigkeit der Form auf die Materie, und das Bestimmtwerden dieser durch jene vielmehr nur das Aufheben des Scheines ihrer Gleichgültigkeit und Unterschiedenheit. Diese Beziehung des Bestimmens ist so die Vermittlung jeder der beyden mit sich durch ihr eigenes Nichtseyn, – aber diese beyden Vermittlungen sind Eine Bewegung und die Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Identität; – die Erinnerung ihrer Entäusserung. (298 | 96) Es ist jetzt eigentlich überflüssig zu betonen, dass die Form, von welcher Hegel spricht, kein mystischer Geist ist, der etwas macht und tut, auch wenn das an der Satzoberfläche so zu sein scheint. Denn dass die Form die Materie bestimmt, ist nur ein kurzer generischer Merksatz, der in Langform besagt, dass es kein bestimmtes Etwas in der Welt gibt, das nicht formbestimmte Materie wäre. Auf die Frage, woher wir das wissen, lautet die Antwort, dass wir sonst die Wörter »Etwas« und »in der Welt« nicht verstünden. Dass die Materie von der Form bestimmt wird, besagt natürlich dasselbe von der anderen Seite her. In welchem Sinn aber ist ›die Form‹ selbst ›absolute Identität mit sich‹ und warum soll sie ›deshalb‹ die Materie ›in sich‹ enthalten? Umgekehrt soll die Materie in ihrer absoluten Negativität die Form in ihr haben. O=enbar erinnert Hegel nur wieder daran, dass wir im Umgang mit Dingen und Sachen, Bewegungen und Veränderungen je geeignete Formen-Klassen und Materie- oder Sto=klassen bilden. Jedes Ding oder Element in einer Formenklasse ist eine materialisierte Form oder geformte Materie, ggf. zusammen mit einer Veränderungsform an den materialen Sachen. Die absolute Identität einer Form mit sich bezieht sich also auf die Gleichheit reiner Formen. Diese sind idealabstrakte Gegenstände. Ihre präsentischen Vertreter sind geformte materielle Sachen oder symbolische Repräsentationen der Formen, etwa in sprachlichen Formbeschreibungen. Die gesamte Passage besagt also, dass Formen nicht eigentlich etwas tun. Auch die Materie tut nichts. In den Reden
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von einem Tun drücken wir bestenfalls die Aufhebung der abstrakten Vorstellung aus, es könne die Form und die Materie unabhängig von ihren konkreten Beziehungen als Momente an konkreten Sachen und Prozessen geben. Hier passt auch das Wort »Vermittlung«. Jede der beiden Seiten ist mit sich und mit der anderen Seite »durch ihr eigenes Nichtsein« vermittelt. Es gibt die Momente nicht freischwebend. Es ist daher an die jeweilige ›Entäußerung‹ in den reflexionslogischen Abstraktionen zu erinnern – etwa in der metaphorischen Rede darüber, was eine Form oder eine Materie ›tut‹. Zuerst setzen Form und Materie sich gegenseitig voraus. Wie sich ergeben hat, heißt diß so viel, die eine wesentliche Einheit ist negative Beziehung auf sich | selbst, so entzweyt sie sich in die wesentliche Identität bestimmt als die gleichgültige Grundlage, und in den wesentlichen Unterschied oder Negativität, als die ¦ bestimmende Form. Jene Einheit des Wesens und der Form, die sich als Form und Materie gegenübersetzen, ist der absolute Grund, der sich bestimmt. Indem sie sich zu einem Verschiedenen macht, wird die Beziehung um der zu Grunde liegenden Identität der Verschiedenen willen zur gegenseitigen Voraussetzung. (298 f. | 96 f.) Worin besteht nun die »Einheit des Wesens und der Form, die sich als Form und Materie gegenübersetzen«? Und warum ist sie »der absolute Grund, der sich bestimmt«? Was heißt es, dass die Beziehung zwischen ihnen »um der zu Grunde liegenden Identität der Verschiedenen willen zur gegenseitigen Voraussetzung werde«? Wovon ist die Rede, wenn es nicht bloßes Wortgeklingel sein soll, was ja Schopenhauer und andere behaupten, welche Hegel als Scharlatan darstellen, der nur tief klingen möchte, dessen Logik, Dialektik und Philosophie aber schon deswegen nur willkürliches Gerede sei, weil sich Hegel beliebige Widersprüche ausdrücklich erlaube? Als Anfangsverdacht sind solche Urteile durchaus zu bedenken, wobei allerdings am Ende herauskommen kann, dass, wer bei ihnen stehenbleibt, das Urteil über sich selbst bereits gesprochen hat. Ich habe schon an verschiedenen Stellen gesagt, dass man Hegel deswegen so schwer versteht, weil er die Bezüge auf andere Autoren, Positionen und Lehren tilgt, indem er ›systematisch denkt‹, also vorführt, warum man zu Sätzen oder ›Thesen‹ gelangt, die in diesen
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Positionen irgendwie für richtig gehalten oder als Thesen oder Doktrinen verteidigt werden. Hegel will so einer philologisch-historischen Debatte entgehen, in der es um die ›Meinungen‹ irgendwelcher Leute und die ›Inhalte‹ irgendwelcher ›Ismen‹ geht. Mit anderen Worten, unter Umständen würden uns Hegels Hinweise, wen oder was er je gerade diskutiert, auch nur bedingt weiterhelfen. Andererseits ist es uns als Kommentatoren nicht bloß erlaubt, es ist Teil der von Hegel intendierten Lektüreaufgabe an den Leser, solche Bezüge selbst herzustellen. Ich denke, es geht weiter um das Verhältnis zwischen ousia und phainomenon, Wesen und Erscheinung, aristotelischer Substanz und ihren qualitativen Folgen bzw. Eigenschaften, samt der platonischen Forderung nach einer ›Rettung der Phänomene‹ in der Angabe ihrer ›Ursachen‹, wenn man den Erscheinungen wissenschaftlich auf den Grund gehen will. Dabei hat sich als erster Schritt – wie bei Platon und Aristoteles selbst – ergeben, dass die ousia oder Substanz, das objektive Wesen einer Sache, auf das wir uns durch seine subjektiven und perspektivischen Erscheinungen hindurch beziehen, an sich eine Artform, also eidetisch und daher, wie wir noch genauer sehen werden, begri=lich bestimmt ist. Die individuell instanziierte ousia ist geformte Materie, materialisierte Form. Die Einheit von Wesen und Form, ousia und eidos wird damit zur Einheit des Gegensatzes von Materie und Form, die man sich zunächst im Fall von Lebewesen als Leib und Seele, im Fall von Dingen als Sto= und Formgestalt vorstellen darf: Dass die Seele die Artform des Lebewesens ist, muss dem neuplatonisch und christlich vorgebildeten (damit partiell auch schon verbildeten) Leser neu gesagt werden – und natürlich erst recht einem Aufklärer, der diese Vorbildung gar nicht mehr kennt, sie auf naive Weise bekämpft oder, nicht weniger schlimm, in eigener Verbildung wiederholt. Interessanter ist schon, dass die Artform einer Sache eine Art Normalform oder Rahmenform für seine konkreten Entwicklungs- und Bewegungsformen ist. Denn das bedeutet, dass wir von einer Sache einer gewissen Art oder Form nicht schon dann sprechen, wenn sie nur so aussieht, als wäre sie von der Art oder Form. Eine noch so gut am Plastik nachgebildete Katze ist keine Katze. Es ist dann freilich schon schwerer genau zu verstehen, dass ein noch so gut dem Men-
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schen nachgebildeter Roboter keine Person ist, obwohl der Roboter sich selbst ›bewegt‹. Der »absolute Grund, der sich bestimmt«, von dem Hegel hier spricht, meint wohl das An-und-für-sich-Sein einer ousia, eines Lebewesens oder Dinges, auch eines Menschen, am Ende meiner selbst. Immer, jedenfalls häufig, wo das Wort »absolut« auftritt, geht es darum, von der bloßen Zuschreibung einer Eigenschaft durch uns zu abstrahieren und überzugehen zu dem, was das Ding oder Wesen o=enbar selbst ist oder selbst tut oder tun kann, also nicht bloß von uns so dargestellt wird, als sei es dies oder so oder als tue es dieses oder jenes, da es so aussieht. Dennoch wird jedes Für-sich-Sein einer Sache von uns zunächst erst einmal zugeschrieben und wird erst dadurch zu einer ›absoluten Eigenschaft‹ der Sache, indem wir sagen, dass die Relativität bzw. Relationalität auf uns unwesentlich sei. So kann eine Katze wirklich Mäuse fangen. Wir schreiben ihr dieses ›absolute‹ Können nicht bloß zu. Anders steht es, wenn manche zu sagen belieben, eine Katze könne denken, etwa wenn sie eine Maus fangen will und dafür allerlei ›technische‹ Vorkehrungen tre=e, wie wenn sie einem Plan folgte. Der absolute Grund einer Erscheinung ist also die ousia an und für sich, welche die Erscheinung verursacht. Er bestimmt sich in einem gewissen Gegensatz dazu, wie wir ihn (zunächst) bestimmen, eben dadurch, dass wir nur diejenigen Eigenschaften zu betrachten haben, die wir aufgrund unseres Allgemeinwissens der Sache selbst zuschreiben und nicht bloß ihrer Erscheinung. Denn die Erscheinung war ja als das bestimmt, was nicht als ›absolut‹ gelten soll, sondern als das, woran unsere perspektivischen Auffassungen noch wesentlich mitbeteiligt sind. Zwar gibt es eingeübte Korrekturverfahren, sodass ich einen Kreis unter Umständen keineswegs als Ellipse sehe, auch wenn ich von der Seite blicke, so wie der Reiher beim Tauchen nach dem Fisch den Brechungswinkel sozusagen mit einrechnet – und daher einen Stab im Wasser zunächst wohl gar nicht ›als gekrümmt‹ zu sehen in der Lage wäre. Aber ich sehe eine Scheune von der Straße zunächst nur von vorne oder ich sehe und rieche die Milch im Kühlschrank zunächst nur, bevor ich sie schmecke oder vielleicht noch auf ihre
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weiteren ›Wirkungen‹ warte. Die Scheune für sich ist mehr als ihr Aussehen. Dasselbe gilt für die Milch. In eben diesem Sinn ist die ousia als der absolute Grund ihrer Erscheinungen bzw. als geformte Materie von einer bloßen Gestalt (morph¯e, auch idea) verschieden und hängt mit ihr doch begri=lich zusammen. Hegel geht es darum, dass der absolute Grund, die ousia als causa, als Ursache, nicht ohne den gesamten Wirkprozess, die Form der prozessualen Beziehungen der Sache auf andere Sachen, besonders auch auf unser Wahrnehmen, in Art und Identität, also konkret, bestimmbar ist. Was eine Katze ist, ist nicht ohne das bestimmt, was eine Katze tun kann und tut. Das gilt natürlich erst recht für alle wesentlich dispositionell bestimmten Sachen wie Feuerlöscher oder Entfernungsmesser. Was immer sie in ihrer Materie und Gestaltform sein mögen, sie sind Feuerlöscher und Entfernungsmesser nur insofern, als sie Feuer löschen und Entfernungen messen – indem eben wir das mit ihnen tun können und tun. Das allgemeine Wort für das artgemäße Tun eines Lebewesens ist natürlich das Wort »leben«. Leben ist sozusagen allgemeines Titelwort für seine prozessuale Seinsform. Für uns hier ist das Leben nur deswegen so wichtig, weil das Absolute eines Lebewesens tatsächlich in seinem Leben als Vollzug besteht, was von allen Zuschreibungen durch mich oder dich ebenso zu unterscheiden ist wie von den bloß ›behavioralen‹ Eigenschaften, die von mir oder uns von außen registriert sind und das Lebewesen wie ein selbstbewegtes Ding behandeln, aber ohne sein Fürsichsein eigens zu bedenken. Das Ergebnis rein behavioraler Beschreibung ist daher bestenfalls eine Registrierung von Bewegungsverläufen und Hypothesen zum Ansichsein der beobachteten Gegenstände. Zwar ist das Anund-Fürsichsein, wie wir es von den Lebewesen und Dingen kennen, selbst immer von unserer Sicht her bestimmt, aber eben so, dass wir (an sich) auch das Für-sich-Sein bestimmen, also den Perspektivenwechsel von der ›objektiven‹ Betrachtung von uns her zur ›absoluten‹ Betrachtung vom Wesen selbst her mitberücksichtigen. Dementsprechend ist der absolute Geist schon in der Phänomenologie die Vereinigung des subjektiven und des objektiven Geistes im Vollzug des personalen Lebens für sich in der Gemeinschaft und dessen Feier.
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Es wäre allerdings auch ein Wissen aus der Perspektive eines Gottes absolut – wenn es ein solches Wesen bzw. ein solches Wissen geben könnte. Es gibt hier aber nur fiktive Vorstellungen, idealisierende Bilder, in denen so getan wird, als könnte jemand aus seiner Haut heraus und sich und Anderes von außen betrachten. Wir kommen auch nie aus unserer Zeit heraus und nichts und niemand kommt von seiner Stelle weg. Statt der daher inkohärenten Vorstellungen von Zeitreisen und sehr schnell reisenden Engeln sollten wir uns um ein Verständnis des erreichbaren Absoluten, nämlich aus der jeweiligen Perspektive des zu betrachtenden Wesens für sich, bemühen, also um einen kontrollierten Perspektivenwechsel. Würde man eine Form als freischwebend annehmen, würde man sich widersprechen: der Begri= der Form würde sich auflösen, also negativ aufheben. Dennoch ist es nicht falsch, in gewissem Sinn z. B. die Artform als in jedem Wesen seiner Art als wirksam anzunehmen. Diese Form ist als zweite ousia, als Art, das eidos zusammen mit seinen normalen Dispositionen. Das Individuum ist nach wie vor konkrete Einheit von Materie und Form. Die – im Grunde Aristoteles folgende – Aufhebung des Widerspruchs, dass eine allgemeine Form wirksam sein kann, besteht gerade darin, dass dieses Wirken allgemein, also generisch zu verstehen ist und dass das Wesen selbst gar nicht unabhängig von seiner je materialisierten Seinsform bestimmbar ist. Hier liegt ein durchaus vertracktes Problem verborgen. Man meint nämlich, dass man, wenn man nur alle raumrelationalen Strukturen der Teilchen (›Pixels‹) eines Dings (etwa einer Katze oder eines Menschen zu einem gewissen Zeitpunkt) reproduzieren könnte, etwa an einem anderen Ort zu einem Zeitpunkt t ∗ , man die Katze oder den Menschen reproduziert hätte, so wie man eine Statue in beliebiger Genauigkeit in Materie und Form reproduzieren kann, im Prinzip so, dass kein Unterschied (wenigstens vom ungeübten Auge) bemerkbar ist. Im Falle von Lebewesen ist es aber absolut ›unwahrscheinlich‹ (eher: unmöglich), dass man je solche Reproduktionen herstellen kann. (Wer hier anderes glaubt, ist bewundernswert in seinem Vertrauen auf menschliches Können.) Wichtiger ist, dass wir, wenn wir realistisch denken, die je konkreten Lebensformkräfte, die energeia und entelecheia des sich vollziehen-
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den Lebens, nie unabhängig von der genetischen Vorgeschichte des Wesens zur Verfügung haben. Anders gesagt, die Artform materialisiert sich in der sich vollziehenden Lebensform von Befruchtung und Geburt bis zum Tod individuell und erlaubt keine ›statische‹ Reproduktion einer bloß äußeren Form, die sich dann von selbst als Leben erhält. Wenn wir also über das Mögliche realistisch nachdenken, dann gilt: Leben lässt sich nicht künstlich herstellen. Ein lebender Körper (Leib) lässt sich nicht physiko-chemisch reproduzieren. Das heißt: Mit der entsprechenden ›Möglichkeit‹ ist so wenig zu rechnen wie mit Engeln und einem in die Vergangenheit und Zukunft blickenden Gott. In einer technischen Metapher sagt man zwar, dass das Programm eines Lebens in den Genen mitgegeben ist. Diese Aussage ist aber zwei- oder mehrdeutig. Sie ist zugleich trivial und wahr, weil zum Individuum seine unvertretbare Geschichte wesentlich hinzugehört, aber auch falsch, weil Programme voll reproduzierbar sind, hier aber nur die Tautologie wahr ist, dass Leben nur im Rahmen dessen verlaufen kann, was die Herkunft dem Lebewesen erlaubt. Hegel bemüht sich hier o=enbar um die Anerkennung der begri=lichen Tatsache, dass es keine zwei in allen Einzelheiten identischen Lebewesen an verschiedenen Orten oder Zeiten in der Welt gibt. Und doch gibt es einigermaßen stabile Artformen des Lebensvollzugs bei allen Individuen der gleichen Art. Dabei verweist Hegel natürlich auf Leibniz. Natürlich ergibt sich schon für zwei Statuen, selbst wenn die zweite eine ›perfekte‹ Kopie der ersten wäre, dass jede von ihnen in anderen raumzeitlichen Konstellationen steht und schon daher andere Seinsverläufe hat. Die eine mag eingeschmolzen oder von einem Felsen zerschmettert werden, die andere nicht. Es können auch subatomare Unterschiede wirksam werden etc. Auch hier tun wir daher gut daran, das Leibnizpostulat am Ende als Truismus anzuerkennen, dass es in der ganzen Welt keine zwei völlig formidentischen Körperdinge gibt. Zweytens, die Form als selbstständig ist ohnehin der sich selbst aufhebende Widerspruch; aber sie ist auch als solcher gesetzt, denn sie ist zugleich selbstständig und zugleich wesentlich auf ein anderes bezogen; – sie hebt sich somit auf. Da sie selbst zweyseitig ist, so
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hat auch diß Aufheben die gedoppelte Seite, erstlich, sie hebt ihre Selbstständigkeit auf, sie macht sich zu einem Gesetzten, zu einem das an einem andern ist, und diß ihr anderes ist die Materie. Zweytens sie hebt ihre Bestimmtheit gegen die Materie, ihre Beziehung auf dieselbe somit ihr Gesetztseyn auf, und gibt sich dadurch Bestehen. Indem sie ihr Gesetztseyn aufhebt, so ist diese ihre Reflexion die eigene Identität, in welche sie übergeht; indem sie aber diese Identität zugleich entäussert und als Materie sich gegenübersetzt, so ist jene Reflexion des Gesetztseyns in sich als Vereinigung mit einer Materie, an der sie Bestehen erhält; sie geht also in dieser Vereinigung eben so sehr mit der Materie als einem Andern, – nach der ersten Seite, daß sie sich zu einem Gesetzten macht, – als auch darin mit ihrer eigenen Identität zusammen. (299 | 97) Wann immer zwei Dinge vorliegen, wird es nicht lange dauern, bis wir an ihnen selbst – unter Absehung von allen Unterschieden ihrer äußeren Lage, welche ihre Verschiedenheit definiert – noch weitere Formdi=erenzen z. B. der inneren Lage der Teilchen bzw. Sto=di=erenzen der Materie feststellen können. Andererseits können wir zwischen dem lebendigen Leib und dem Leichnam nach dem Tod, wenn die Zeitpunkte hinreichend nahe beieinander liegen, keinen momentanen Unterschied feststellen. Der frische Leichnam unterscheidet sich rein physisch-relational nicht wesentlich von dem kurz zuvor lebendigen Leib, wohl aber dynamisch: Es gibt keinen Sauersto=wechsel und Blutkreislauf mehr. Die Lebensform ist schon daher eine dynamische Form, keine bloß statisch-relationale wie die Formgestalt einer Statue. Sie gehört als solche zum Für-sich-Sein des Lebewesens. Sie ist nicht herstellbar, wohl aber manipulierbar, wie wir aus Züchtung und Genetik wissen. Die geformte Materie ist daher im Allgemeinen keineswegs von der Art, dass eine Form rein ›von außen‹ auf die Materie aufgeprägt wird. Die Sache entwickelt vielmehr ihre Form nach natürlichen, nicht von uns manipulierten Entwicklungsformen, sowohl in der unbelebten als auch der belebten Natur. In eben diesem Sinn ist das bloß formale Gesetztsein einer Form – durch unsere Formzuschreibung – in der natürlichen Entwicklungsform schon aufgehoben. Die Identität einer Sache ist ihre eigene materialisierte Form.
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Die Thätigkeit der Form also, wodurch die Materie bestimmt wird, besteht in einem negativen Verhalten der Form gegen sich selbst. Aber umge|kehrt verhält sie sich damit auch negativ gegen die Materie; allein diß Bestimmtwerden der Materie ist eben so sehr die eigene Bewegung der Form selbst. Diese ist frey von der Materie, aber sie hebt diese ihre Selbstständigkeit auf; aber ihre Selbstständigkeit ist die Materie selbst, denn an dieser hat sie ihre wesentliche Identität. Indem sie sich also zum Gesetzten macht, so ist diß ein und dasselbe, daß sie die Materie zu einem Bestimmten macht. – (299 | 97 f.) Dass die Bestimmung der Materie durch die Form in einem negativen Verhalten der Form gegen sich selbst besteht, besagt in meiner Übersetzung, dass es natürliche Formveränderungsprozesse sind, welche materialisierte Formen bzw. geformte Materie in ihren Formen etwa zu bestimmten Zeiten bestimmen. Daher interessieren wir uns in den Wissenschaften in der Tat, wie Platon mit Parmenides sagt, wesentlich für Formen, und zwar gar nicht für die vereinzelten Formen konkreter empirischer Materialänderungen je hier und jetzt, sondern für grobe, typische Formen und sich wiederholende Formveränderungsformen, Prozessformen. An der Materie selbst, also den Sto=en interessieren uns ja auch bloß gattungsklassifizierte Sto=e, nie bloß der einzelne Fall. Kurz, Platon und Parmenides hatten recht zu sagen, dass das Wissen der Wissenschaft sich bloß für Formen interessiert, da nur dieses Wissen situationsallgemein ist und in beliebigen empirischen Situationen zu einigermaßen verlässlichen allgemeinen Orientierungen führt. Aber von der andern Seite betrachtet, ist die eigene Identität der Form zugleich sich entäussert, und die Materie ihr Anderes; insofern wird die Materie auch nicht bestimmt, dadurch, daß die Form ihre eigne Selbstständigkeit aufhebt. Allein die Materie ist nur selbstständig der Form gegenüber; indem das Negative sich aufhebt, hebt sich auch das Positive auf. Indem die Form also sich aufhebt, so fällt auch die Bestimmtheit der Materie weg, welche sie gegen die Form hat, nemlich das unbestimmte Bestehen zu seyn. (299 | 98) Die sich ergebenden robusten, nie zu feinen Formen als Grobformdi=erenzen und Formäquivalenzen sind als entäußerte Formen schon
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abstrakt gefasst, eben weil wir über diese Formen gegenstandsartig sprechen wollen und müssen, um gesetzesartige Formveränderungen artikulieren zu können. Daher fällt die abstrakte Materie (nicht die Formentheorie der Sto=e) sowie alles empirisch Einzelne (bloß hier und jetzt) aus dem Fokus der Wissenschaft heraus. Es ist dann aber auch nur auf reflexionslogischer Ebene sinnvoll, von ›der Materie‹ zu sprechen und etwa zu sagen: ohne Materie keine realisierte Form. D. h. die Materie wird nie ›als Materie‹ bestimmt, sondern immer über Formen (z. B. der Sto=e) im Kontext von Formveränderungen, also von geformten Prozessen. Deswegen ist die einzelne empirische Materie in der Tat etwas rein Indefinites, ein Apeiron, während das, was wir in kausalen Erklärungen an der Materie als relevant betrachten, sto=liche Unterschiede bzw. Sto=arten und Sto=umformungen sind, das Thema der Chemie. Dieß, was als Thätigkeit der Form erscheint, ist ferner eben so sehr die eigne Bewegung der Materie selbst. Die ansichseyende Bestimmung oder das Sollen der Materie ist ihre absolute Negativität. Durch diese bezieht sich die Materie schlechthin nicht nur auf die Form als auf ein Anderes, sondern dieses äussere ist die Form, welche sie selbst als verschlossen in sich enthält. (299 | 98) Umformungsprozesse an der Materie stellen sich als ›eigene Bewegung der Materie selbst‹ dar – ein Gedanke, der, wenn er einseitig aufgefasst wird, zum Aberglauben des Materialismus wird. Denn wir hatten – im Einklang mit der Tradition und damit der Sprach- und Begri=sentwicklung – die Materie ›an sich‹ als indefinites Substrat konkreter Sachen, also als ›absolute Negativität‹ gegen jede Form, definiert. Das ›soll‹ Materie sein – im doppelten Sinn der begri=lichen Intention und des Berichts über idealisierende Vorstellungen. Damit bezieht sich Materie nicht bloß, wie bisher schon hinreichend oft gesagt wurde, auf die Form im ›Gegensatz‹ von Form und Materie. Sondern alle Entäußerung der Materie, alles, worin sie sich als unterschiedlich zeigt, ist Form, z. B. die Unterscheidung zwischen Metallen oder zwischen Gesteinsarten oder zwischen Atomen und Molekülen usf. Die Materie ¦ ist derselbe Widerspruch an sich, welchen die Form enthält, und dieser Widerspruch ist wie seine Auflösung, nur Einer.
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Die Materie ist aber in sich selbst widersprechend, weil sie als die unbestimmte Identität mit sich zugleich die absolute Negativität ist; sie hebt sich daher an ihr selbst auf, und ihre Identität zerfällt in ihrer Negativität, und diese erhält an jener ihr Bestehen. (299 f. | 98) Die Materie, von jedem Formunterschied befreit, ist reines Apeiron und daher in sich auf die gleiche Weise widersprüchlich, inexistent, wie jede reine Form, wenn man sie von den konkreten Sachen trennt. Dennoch können wir abstrakt die Momente auseinanderhalten und über sie sprechen. Konkret entwickelt sich die Materie in ihrem Formunterschied zum Chemismus der Sto=e, die Form aber zur Mechanik der Bewegungsformen und zur Physik der Veränderungsformen der materiellen Dinge in ihren raumzeitlichen Ordnungen bei Bewegungszuständen. Aufgelöst wird also der ›Widerspruch‹ einer nicht aufeinander bezogenen Dichotomie von Materie und Form in der Einheit der Prozessformen der Sache, ousia, causa, in denen materialisierte Formen eine gewisse Rolle spielen. Jede solche ousia oder causa enthält dabei schon die Momente der Materialursachen, causa materialis und der causa formalis. Die Materialursache gliedert sich gemäß den Formunterscheidungen der Chemie, die Formursache gemäß den Formunterscheidungen an raumzeitlichen Ordnungen und Gestalten und dann auch am Artwesen. Unser Kommentar geht hier über das im Abschnitt Gesagte leicht hinaus – aber nur, um die Einsicht in das Indefinite der Materie angemessen hervorzuheben, samt der Tatsache, dass alle Erklärungen über Formumformungsgesetze zu geben sind.41 Der Gedanke des Anaximander (des geheimen Lehrers Heraklits und Freund, jedenfalls Schüler des Thales), dass die materiale arch¯e, der Materialgrund oder Materialursache, das Apeiron, das Indefinite ist, ist am Ende logisch weit tiefer, als man das zunächst annehmen mag. Dazu muss man ihn im Kontext eines Wechsels der Bezeichnung lesen, als Reaktion auf die Idee des Thales, ›das Wasser‹ sei der Materialgrund von allem: Wasser als Sto= bleibt Wasser. Das Wasser des Thales aber ist metonymisch das, was Anaximander richtiger als noch indefinite Materie anspricht, wenn wir so das Apeiron lesen dürfen oder sogar sollten. Das wird noch deutlicher, wenn man den Spruch des Anaximander hinzunimmt, der inhaltlich besagt, dass es feste Prozessformen in der Welt gibt, welche in gewisser Weise ähnlich wie beim Selbsterhalt eines Organismus eine Art stabilen 41
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Indem also die Materie von der Form als von einem äussern bestimmt wird, so erreicht | damit sie ihre Bestimmung, und die Aeusserlichkeit des Verhaltens sowohl für die Form als für die Materie besteht darin, daß jede oder vielmehr ihre ursprüngliche Einheit in ihrem Setzen zugleich voraussetzend ist; wodurch die Beziehung auf sich, zugleich Beziehung auf sich als aufgehobenes oder Beziehung auf sein anderes ist. (300 | 98 f.) Die Materie wird gerade durch negative Abstraktionen von Formbestimmungen definiert. Das führt, radikal durchdacht, mit begri=licher Notwendigkeit dazu, dass ›die Materie‹ (im Unterschied zu den chemischen Sto=en) das (variabel) Indefinite bleibt, weil ihr ja alle (bestimmte) Form und Materieart ›bloß äußerlich‹ ist. Das aber heißt, dass sie für das kausale Erklären so wenig wie das empirische Einzelne eine Rolle spielen kann. Daher ist wenig in der Welt falscher als die Vorstellung, ›die Materie‹ könne irgendeinen Prozess in der Welt ›kausal erklären‹. Jede brauchbare Erklärung muss definit sein, also von (sogar grob) bestimmten Formen über grobe Formprozesse, artikuliert in robusten Formgesetzen, zu Ergebnisformen übergehen. Wer das nicht einsieht, begreift noch nichts von Wissen und Erklären. Drittens, durch diese Bewegung der Form und Materie ist ihre ursprüngliche Einheit einerseits hergestellt, andererseits nunmehr eine gesetzte. Die Materie bestimmt ebensowohl sich selbst, als diß Bestimmen ein für sie äusserliches Thun der Form ist; umgekehrt die Form bestimmt eben so sehr nur sich oder hat die Materie, die von ihr bestimmt wird, an ihr selbst, als sie in ihrem Bestimmen sich gegen ein Anderes verhält; und beydes, das Thun der Form und die Bewegung der Materie ist dasselbe, nur daß jenes ein Thun ist, d. h. die Negativität als gesetzte, diß aber Bewegung oder Werden, die Negativität als ansichseyende Bestimmung. Das Resultat ist daher die Einheit des Ansichseyns und des Gesetztseyns. Die Materie ist als solche bestimmt, oder hat nothwendig eine Form, und die Form ist schlechthin materielle, bestehende Form. (300 | 99) Weltprozess mit gewissen Möglichkeiten des Vorherwissens und der Erklärung gewährleisten – z. B. in Bezug darauf, was passiert, wenn gewisse Gleichgewichtszustände verlassen werden.
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Wieder ist Hegels Kommentarsprache angemessen zu lesen. Natürlich ›bewegen‹ sich Form und Materie gar nicht. Was die Rede von ihrer Bewegung – generisch und metaphorisch – anspricht, ist die Bewegung der Reflexion auf die entsprechenden Reflexionsbegri=e und ihr angemessenes Verständnis. »Die Materie bestimmt . . . sich selbst«. Das bedeutet, dass sie in jeder konkreten Sache mitbestimmt ist. Zugleich ist sie durch das Absehen von Formen durch diese bestimmt. Wenn man dabei von allen Formen absehen möchte, bleibt nur etwas Indefinites übrig – wie Freges SinnF , der in ähnlicher Weise indefinit bzw. variabel ist wie Anaximanders Materie als Apeiron: Sie werden erst durch eine konkrete Materie- oder Inhaltsäquivalenz als ›Gegenstände‹ bestimmt.42 Die Einheit des Ansichseins und des Gesetztseins, von welcher Hegel hier spricht, bedeutet, dass wir Formentwicklungsformen im Idealfall so sehen, wie sich Sachen einer gewissen Art normalerweise, generisch, von selbst bewegen oder verändern oder entwickeln. Wir stellen Bewegung und Werden geformter Sachen generisch dar, indem wir etwa sagen, eine Raupe verpuppe sich und aus der Puppe schlüpfe ein Schmetterling – im glückenden Normalfall des Lebens des Tieres der Art nach seiner Lebensform. Wie bei einem bäuerlichen Anwesen eine räumliche Ausdehnung und der Gebrauch der Geräte, Felder rund Gebäude immer mitzudenken, mitzuerkennen und mitzuwissen sind, so ist es bei jeder ousia: Sie ist weit mehr als bloße Materie im Sinne einer in einem Zeitmoment rein geometrisch definierten Sto=ansammlung oder relationalen Struktur atomarer Teilchen (Pixel). Sie ist eine geformte Sache oder materialisierte Form, die im Kontext sachlicher Normalfallprozesse steht und nur aus diesem Kontext der
Die metaphorische Rede von einer Bewegung der Begri=e und Kategorien bereitet dem Verständnis große Schwierigkeiten, weil sich das Bild nicht ganz von selbst versteht, wie das z. B. in Freges Rede von ›gesättigten‹ Ausdrücken, ungesättigten Funktionen (›mit Variablen‹) und ›Erfüllungen‹ von o=enen Aussageformen bzw. Begri=en oder Geltungsbedingungen durchaus der Fall ist. Aber auch im Fall von Freges logischer Kommentarsprache muss man den eigentlichen Sinn kompetent erfassen und einen neuen Gebrauch lernen. 42
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besonderen Art nach bestimmt und über einen empirischen Einzelbezug (je von hier und jetzt her) individuiert ist. In einer konkreten ousia ist die Materie bestimmt und die Form materialisiert. Die Form, insofern sie eine Materie als das ihr andre voraussetzt, ist endlich. Sie ist nicht Grund, sondern nur das Thätige. Eben so ist die Materie, insofern sie die Form als ihr Nichtseyn voraussetzt, die endliche Materie, sie ist eben so wenig Grund ihrer Einheit mit der Form, sondern nur die Grundlage für die Form. (300 | 99) Wieder betont Hegel einen seiner Zentralpunkte, die in den bisherigen Lesarten massiv unterbelichtet oder gar völlig vernachlässig werden, nämlich die Endlichkeit von allem und jedem. Hier geht es um das Dementi, es könne ›ewige‹ Formen in der Welt geben. ›Ewig‹ oder zeitallgemein sind nur die idealen Formen der Mathematik und andere generische Reflexionsgegenstände, über die wir in völlig situationstranszendenten Sätzen sprechen. Diese Sätze sind aber eigentlich bloß Schlussregeln, Formen und Normen für bedingte Defaultinferenzen auf der Ausdrucksebene. Formen in der Welt aber setzen Materie als Substrate voraus. Es gibt sie nur als materialisierte Formen. Und diese sind als solche endlich, weil jedes Ding, jede geformte Materie, entsteht und vergeht, sich ändert. Sogar die Formen der Formveränderung ändern sich. Das ist keine ›empirische‹ Behauptung, sondern rahmenbegri=lich so fundamental wie die allgemeine Tatsache, dass Lebewesen sterben, die Erde entstanden ist und untergeht oder dass man nicht in die Vergangenheit reisen kann. Ob diese Prinzipien explizit in die Liste der (natur)wissenschaftlichen Grundgesetze aufgenommen sind oder nicht, spielt gar keine Rolle. Sie liegen dennoch aller (Natur-)Wissenschaft praktisch längst zugrunde. Man sollte sie als begri=liche Fundamentalwahrheiten erkennen und anerkennen. Die Form ist nicht Grund (aitia). Das scheint man zwar im Neuplatonismus zu glauben. Platon aber hat das wohl nicht behauptet. Eine Idee nicht im Sinn der britischen Vorstellung, sondern als wirkende Form im Sinne von Platons grundbegri=licher und damit kategorialer Analyse, ist »nur das Tätige«, also Form des Formerhaltens oder der Formänderung, jedenfalls wenn wir nicht bloß an die abstrakten Gegenstände einer Formalwissenschaft wie der Geometrie und Arith-
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metik denken, sondern an Seinsformen in der Welt, mit dem Leben als Muster. Es ist jetzt auch klar, dass die Ausdrucksform, in welcher Titel wie »die Form« und »die Materie« vorkommen, generisch so über Formen und sto=liche Substrate sprechen, wie wir in einer Wissenschaft über den Berglöwen oder das Elektron und ihre Seinsform sprechen. Entsprechend sagt der Satz, dass die Materie endlich ist, dass alle geformten Materien, insbesondere alle Sto=e, endlich sind und sich ändern, in andere Sto=e oder gar in etwas ganz anderes als Sto=e, die ja selbst Massen von hinreichend kleinen Festkörpern sind. Die Materie ist nicht Grund (Ursache) der Einheit mit ihrer Form. Das heißt, es ist absurd, dem reinen Sto= Dispositionen zuzuschreiben der Art, sich so und so formen zu wollen. Materie ist formalbegri=lich, kategorial, bloß die Grundlage ›für die Form‹, also für materialisierte Formen oder geformte Materie. Anders gesagt, alle ›Erklärungen‹ der Welt realisierter Formen ›aus der Materie‹ sind oberflächliches Gerede, das nur diejenigen beruhigen kann, die noch nie über den Begri= der Materie nachgedacht haben oder sich mit vagen Bildern und Vorstellungen zufriedengeben. Aber sowohl diese endliche Materie als die endliche Form hat keine Wahrheit; jede bezieht sich auf die andere, oder nur ihre Einheit ist ihre Wahrheit. In diese Einheit gehen diese beyden Bestimmungen zurück, | und heben darin ihre Selbstständigkeit auf; sie erweißt sich damit als ihr Grund. (300 | 99 f.) Was aber heißt es, dass die endliche Materie und endliche Form keine Wahrheit hat? Ist das eine typisch idealistische Kritik, welche dem einzig Realen, das es gibt, den endlichen Dingen in der Welt, jede Wahrheit abspricht und einer transzendenten Wirklichkeit des Geistes metaphysisch gegenüberstellt? – Wer genau liest, der sieht, dass es hier erstens nur darum geht, dass auch in allen Anwendungsbereichen der Unterschied zwischen Materie und Form als Unterscheidung von Momenten zu verstehen ist, die nur im Ganzen, in den relativen und relationalen Beziehungen zwischen Materie und Form, Substrat und Struktur einen Sinn erhält. Es geht also weiter um die Kritik an der Vorstellung einer Selbständigkeit von Materie im (atomistischen) Materialismus und von Formen oder Ideen im (ideentheoretischen,
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idealistischen) Platonismus, Begri=srealismus bzw. einer Ontologie von Universalien, was auch immer das sein soll. Im Übrigen sind sogar alle endlichen, geformten Dinge und Wesen selbst nur als Momente und Phasen in einem umfänglichen Gesamtprozess zu begreifen und haben keine völlig selbständige Wirklichkeit (›Wahrheit‹), ohne Bezugnahme auf Vorgeschichte und Raumumgebung, die als solche natürlich prozessuale (nicht bloß statische) Relationen zu koexistierenden Sachen umfasst. Die Materie ist daher nur insofern Grund ihrer Formbestimmung, als sie nicht Materie als Materie, sondern die absolute Einheit des Wesens und der Form ist; eben so die Form ist nur Grund des Bestehens ihrer Bestimmungen, insofern sie dieselbe eine Einheit ist. Aber diese eine Einheit als die absolute Negativität und bestimmter als ausschliessende Einheit ist in ihrer Reflexion voraussetzend; oder es ist Ein Thun, im Setzen sich als Gesetztes in der Einheit zu erhalten und sich von sich selbst abzustossen, sich auf sich als sich, und sich auf sich als auf ein anderes zu beziehen. Oder das Bestimmtwerden der Materie durch die Form ist die Vermittlung des Wesens als Grund mit sich in einer Einheit, durch sich selbst und durch die Negation seiner selbst. ¦ (300 | 100) Nicht als rein indefinite Materie (Apeiron), sondern als Einheit von Wesen und Form, als ousia oder aristotelische Substanz, ist Materie für eine physische Sache tautologischer »Grund ihrer Formbestimmung«. Die Formen, welche das Ding zeigt und hervorbringt, sind also nicht durch ›die Materie‹ kausale;zient verursacht, sondern jeweils Teil ihrer Wesens- bzw. Artbestimmung, sofern es sich nicht um kontingente Mängel in der Entwicklung oder ›äußere‹ Ursachen handelt. – Wir bewegen uns in der Überlegung langsam auf die Unterscheidung zwischen innerer und äußerer Form zu, welche im Fall von Ausdruckshandlungen wie Sprechakten zur Unterscheidung zwischen Inhalt und Form führt, wie sie ebenfalls anzuwenden ist auf das Wesen, die Idee als wesentliche Form oder den Geist einer Institution und ihrer äußeren Form. Im Fall der Form ist es klar, dass sie keine e;zienzkausale Ursache sein kann. Wir erhalten als Ergebnis, dass die Rede von Material- und Formalursachen eigentlich ganz irreführend ist, obwohl Form und
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Materie in der Tat Momente jeder causa, jeder Sache, jeder aristotelischen Substanz oder ousia sind, wie wir sie ihren Erscheinungen und äußeren Attributen zugrunde legen, und das in dingbezogenen Prädikationen sogar ununterbrochen, ohne dass uns diese Logik des Dingbezugs und der Dingkonstitution je voll bewusst wäre. Das Ding ist ›absolute Negativität‹, so können wir jetzt sagen, weil es, erstens, als ein Fürsichsein gesetzt ist, das der Idee noch losgelöst (ab-solut) ist von bloß provinziellen Zugängen zu seinen Erscheinungen durch mich oder dich, uns oder euch, zweitens dem Gesamt seiner möglichen Erscheinungen formal gegenübergestellt ist und zwar eben dadurch, dass negativ zwischen dem unterschieden wird, was der Gegenstand bloß zu sein scheint, und dem, was seine Eigenschaften, gerade auch als Erscheinungen, sind. In der Rede über eine Sache, ein Ding, einen Gegenstand, setzen wir dies alles, seine Form und Materie, und, wie wir noch sehen werden, seine Normalfalldispositionen als Artform oder Inhalt des Artwesens voraus. Mit anderen Worten, was in der Reflexion auf Wesensbezüge (wie z. B. Dingbezugnahmen) als Setzung (»supposition«) durch uns aufscheint und damit sinnkritisch aufschließbar wird, ist im Normalgebrauch von Dingbenennungen und im handelnden Umgang mit Dingen längst schon implizite Präsupposition, empraktische Voraussetzung. Ein Ding ist, wie ein Lebewesen, »ein Tun«. Es ist durch den Vollzug seines eigenen Seins und Für-sich-Seins bestimmt, das als solches immer auch den Selbsterhalt des Dinges oder Wesens (für die Epoche seiner Existenz) enthält. Dass es sich dabei von sich selbst abstößt, liegt daran, dass Selbstbezugnahmen selbst Beziehungen auf anderes sind, auch auf Teile dessen, was das Wesen selbst ist. Diese Repulsion steht zwar im Kontrast zur Attraktion, bildet aber mit dieser eine Einheit. Das zeigt sich im Sto=wechsel, aber auch in der langsamen Auflösung der Einheit jedes dinglichen Gegenstandes, nicht nur von Lebewesen. Diese sind bei Aristoteles klarerweise Prototypen für die ousia, das Wesen – also doch nicht das ländliche Anwesen, das aber ebenfalls aus vielen ›Teilen‹ besteht. Die ousia als Einheit von Form und Materie, als Ding, Lebewesen oder Sache ist also selbst ein durch Form und Materie vermittelter Selbsterhaltungsund Selbstauflösungsprozess. Dessen Form wird als Seinsform der
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allgemeinen Gattung (genos) oder besonderen Art (eidos) generisch oder eidetisch von uns in unserem Allgemeinwissen über das Wesen der Dinge dargestellt. Solche Darstellungen werden kanonisiert, gelehrt und gelernt, nachdem und soweit sie explizit gemacht sind. Auf die Formel, dass jedes Wesen Negation seiner selbst ist, können wir gerne verzichten, wenn wir sie nicht mögen. Sie ist nur ein Merk-Orakel für die Spannung zwischen Attraktion und Repulsion, Selbsterhalt und Aufhebung des ›Selbsts‹ jeder Sache, nicht bloß von Lebewesen oder gar personalen Individuen. Hier steht der Titel »das Selbst« nicht etwa für ein Ich oder Selbstbewusstsein, sondern nur für den Inhalt des Wörtchens »selbst«, etwa wenn wir sagen, dass ein Berg selbst aufgrund seiner Höhe und Steilheit bzw. der Brüchigkeit seines Gesteins zusammen mit Gravitations- und Reibungskräften, Wetter und Sonneneinwirkung Ursache dafür wird, dass er ›sich‹ nach und nach einebnet. Die formirte Materie oder die Bestehen habende Form, ist nun nicht nur jene absolute Einheit des Grundes mit sich, sondern auch die gesetzte Einheit. Die betrachtete Bewegung ist es, in welcher der absolute Grund seine Momente zugleich als sich aufhebende und somit als gesetzte dargestellt hat. Oder die wiederhergestellte Einheit hat in ihrem Zusammengehen mit sich, sich eben so sehr von sich selbst abgestoßen und sich bestimmt; denn ihre Einheit ist als durch Negation zu Stande gekommen, auch negative Einheit. Sie ist daher die Einheit der Form und der Materie, als ihre Grundlage, aber als ihre bestimmte Grundlage, welche formirte Materie, aber gegen Form und Materie zugleich als gegen aufgehobene und unwesentliche gleichgültig ist. Sie ist der Inhalt. | (301 | 100) Wie immer bei Hegel sind die Abschnitte, die zu einem neuen Thema überleiten, die schwierigsten. Das ist nicht zuletzt auch deswegen so, weil es Hegel in ihnen so erscheinen lassen möchte, als wäre der Übergang irgendwie notwendig. Dabei scheint es ihm nicht einmal (immer oder auch nur hinreichend häufig) zu gelingen, den Übergang plausibel zu machen. In unserem Fall geht es um den Übergang von der Unterscheidung zwischen Form und Materie zur Unterscheidung zwischen Form und Inhalt, wie das letzte Wort und der letzte Satz des Absatzes sagt: »Die formierte Materie« als »Einheit der Form und
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Materie« ist, so sagt der Satz »der Inhalt«. Das ist o=enbar ein merkwürdiger Inhaltsbegri=, da ja nirgends von Wörtern und Symbolen die Rede war, nur von einem Wesen (ousia), Ding oder Gegenstand. Hegel könnte hier irgendwie ›zugleich‹ an den Inhalt von Benennungen, Darstellungen und Beschreibungen von Sachen in der Welt und das ›Innere‹ dieser Sachen, ihre Dispositionen und Kräfte, Wirkungen und inneren Umformungsprozessen denken. Ob das so ist, wird sich aber erst noch zeigen müssen. – Hegel beginnt den Übergang mit der Feststellung, dass eine material realisierte Form nicht nur die »absolute Einheit des Grundes mit sich« sei, »sondern auch die gesetzte Einheit«. Die absolute Einheit einer ousia als aitia, als Grund oder Ursache seiner Erscheinungen und Wirkungen in der erfahrbaren Welt, ist das, was wir als das objektive Selbst- oder Für-sich-Sein der Sache voraussetzen. Wir haben gesehen, dass dieses nicht rein ablösbar ist von unserer Setzung einer Einheit von zugeschriebener Form (samt allen Formenumformungsformen und Dispositionen) und materiellem Substrat (in der Materialisierung der Sache etwa als Einzelding). Die Bewegung, von welcher Hegel spricht, ist also die Reflexion, welche uns von der Vorstellung freischwebender Formen und rein indefiniter Materie und zuvor schon vom abstrakten Gegensatz zwischen Wesen (Objekt, Ding) und (verursachter, in ihm gründender) Erscheinung zur Einsicht in deren reflexionslogischen bzw. abstrakten Status geführt hat. Das Ergebnis war, dass die Zuschreibung eines absoluten Grundes, einer objektiven Ursache, wie wir sie im normalen Reden über die Dinge unterstellen, einerseits immer noch unsere Setzungen sind, andererseits aber als Fürsichsein der Sache gesetzt sind, das unseren Unterschied zwischen Schein und Sein aufhebt. Es ist diese Negation oder Unterscheidung zwischen guten bzw. wahren und schlechten bzw. falschen Zuschreibungen von wesensbestimmenden Eigenschaften, Dispositionen und Wirkungen, welche der Bestimmung der Form oder Art (eidos, genos) der Sache zugrunde liegt, und zwar als materialisierte und nur damit realisierte Form – im Kontrast zu einer bloß abstrakten Form als reinem Reflexionsgegenstand oder als bloße Möglichkeit. Jede Bezugnahme auf ein Wesen (ousia) als Grund oder Ursache der Erscheinung (aitia) ist daher in mehrfachem Sinn eine »negative Einheit« von Wesen und Phänome-
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nen, Einzelding und Art, Materie und Form, Grund und Wirkfolge, da diese Kontraste alle nur Unterscheidungen von Momenten an den Bezugsgegenständen und ihren konkreten Bestimmungen (als Anund-Für-sich-Sein) sind. Dem konkreten Ding in seiner konkreten Form ist also eine bloße Rede von abstrakten Formen ebenso wie von einer reinen, indefiniten Materie völlig gleichgültig. Es ist der wesentliche Inhalt, genauer sogar: die BedeutungF , der Gegenstand selbst, in einem ding- oder wesensbezogenen Weltzugang, sowohl im Zeigen als auch Sagen oder Nennen.
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c. Form und Inhalt Die Form steht zuerst dem Wesen gegenüber; so ist sie Grundbeziehung überhaupt, und ihre Bestimmungen, der Grund und das Begründete. Alsdenn steht sie der Materie gegenüber; so ist sie bestimmende Reflexion und ihre Bestimmungen sind die Reflexionsbestimmung selbst und das Bestehen derselben. Endlich steht sie dem Inhalte gegenüber, so sind ihre Bestimmungen wieder sie selbst und die Materie. Was vorher das mit sich identische war, zuerst der Grund, dann das Bestehen überhaupt, und zulezt die Materie tritt unter die Herrschaft der Form und ist wieder eine ihrer Bestimmungen. (301 | 101) Wieder ist daran zu erinnern, dass die Form dem Wesen, das Eidos der Ousia gegenübersteht, also beide nicht einfach identisch sind, und zwar weil die aristotelische Substanz, das Wesen, der objektive, innerweltliche Gegenstand in seinem Sein und Fürsichsein, keineswegs bloße Idee, abstrakte Form ist, wie dies z. B. mathematische Formen sind. Dennoch ist die Gesamtform des Wesens, unter Einschluss der Form von dessen Selbsterhalt, in der Einheit geformter Materie sozusagen »Grundbeziehung überhaupt« – zwischen Ursache und Wirkung, Grund und erscheinender Existenz, aber auch zwischen dem allgemeinen Wesen als Artform an sich und seiner konkreten Materialisierung an-und-für-sich. Jetzt aber stellen wir die Form dem Inhalt, die Formen den Inhalten gegenüber. Ich habe, anders als Hegel, schon vorausschauend gesagt, dass es sich in diesem Kontrast um eine Entgegensetzung von Innerem und Äußerem handelt, und zwar sowohl in Bezug auf die Sache
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oder das Ding, zu dessen Innerem alle artbestimmenden Dispositionen und Kräfte bzw. wesensbestimmende ›Eigenschaften‹ gehören, als auch in Bezug auf menschliche Ausdrucksformen, symbolische Handlungen, an denen wir zwischen (semantischem, inferentiellem) Inhalt und äußerer (syntaktischer, rein konfigurativer) Form unterscheiden. Die Unterscheidung zwischen wesentlichem Inneren einer Sache und den von Zufällen der Betrachterperspektive abhängigen, insofern äußeren Formgestalten der Sache als deren Erscheinungen führt sozusagen zurück zum Unterschied von Wesen und Erscheinung, wobei sich das innere Wesen in die Momente der inneren Form und der Materie aufgliedert, die Erscheinung aber in die Momente der äußeren Formen, auch Wirkungen, und diese in die wesens- oder sachabhängigen und die zufälligen oder perspektiven- bzw. subjektabhängigen. Insgesamt hatte Platon durchaus recht, dass in allen diesen Unterscheidungen in gewissem Sinn die Form, das Eidos, die Herrschaft übernimmt. Denn alle betrachteten Kontraste, die zwischen Wesensform und Erscheinungsform, zwischen der Form des Grundes bzw. Verursachens und der Form des Begründeten oder Verursachten, zwischen Form und Materie und sogar zwischen den Arten oder Formen der Materie als verschiedenen Sto=en, sind Kontraste zwischen Formen und gehören zum Begri=, zum Eidos. Das gilt erst recht für Formen des Formenerhalts bzw. der Formenänderungen in Entwicklungen und jetzt eben auch zwischen Inhalten als inneren Formen und ›bloßen‹ Formen als äußeren Formen. Noch einmal ist daran zu erinnern, dass wir manchmal über reine Formen als abstrakte Gegenstände in einer halbsortalen Reflexionssprache sprechen wie in der Mathematik oder in zeitallgemeinen generischen Theorien, manchmal von geformter Materie, konkreten Sachen und Prozessen in der Welt des Daseins und Werdens. Nur Letztere sind Ursachen. – Platon war also völlig berechtigt, die zentrale Bedeutung des Formbegri=s für jedes Wissen und damit für die Wissenschaften hervorzuheben. Problematisch wird seine Ideenlehre nur als Idealismus, der angeblich freischwebende Formen als Wirkursachen ansieht und so die materielle, wirkliche Welt abwertet zugunsten einer reinen Welt des Geistes oder der Ideenschau – was immer das sein soll.
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Der Inhalt hat erstlich eine Form und eine Materie, die ihm angehören und wesentlich sind; er ist ihre Einheit. Aber indem diese Einheit zugleich bestimmte oder gesetzte Einheit ist, so steht er der Form gegenüber; diese macht das Gesetztseyn aus, und ist gegen ihn das Unwesentliche. Er ist daher gleichgültig gegen sie; sie begreift sowohl die Form als solche, als auch die Materie; und er hat also eine Form und eine Materie, deren Grundlage er ausmacht, und die ihm als blosses Gesetztseyn sind. (301 | 101) Sprechen wir im übertragenen Sinn der Reflexions- und Wesenslogik von einem Inneren einer Sache, ihrem Inhalt, so ist das nicht bloß räumlich gemeint. Es geht z. B. um innere Kräfte und Energien einer Sache, ihre Dispositionen, so und so zu wirken. In der Rede von einem Inhalt werden wir dabei und erst recht im Fall von semantischen Inhalten auf die Unterscheidung zwischen wesentlicher Form und materiellem Träger zurückgeführt. Materielle Träger im symbolischen Handeln sind Laute, Schreibfiguren, Zeichnungen etc. Dabei unterscheiden wir reproduzierbare Lautformen, Schriftformen, formgleiche und formverschiedene Diagramme von semantisch oder inferentiell äquivalenten begri=lichen Formen, wie wir später noch genauer sehen werden. Aber auch in der Rede über den dispositionellen ›Inhalt‹ eines Dinges – sagen wir, des Stuhles vor mir oder der Katze auf der Matte – unterscheiden wir zwischen Artformen und Materie: Der Stuhl muss eine Form erfüllen, welche das Sitzen möglich macht, die Katze muss so sein, dass ihr Leben und Weiterleben möglich ist, sonst ist sie keine wirkliche Katze, sondern entweder tot, ein Katzenkadaver, oder bloß eine Katzennachbildung. Gerade über die Setzung von Inhaltsäquivalenzen und Inhaltsunterschieden stehen Inhalte und steht das Innere eines Wesens oder einer Sache einer äußeren Form gegenüber, und zwar ähnlich wie im Fall des Kontrastes von Form und Materie und den verschiedenen Gleichgültigkeitsrelationen der Formgleichheit und der Materiegleichheit bzw. der Formdi=erenz und Sto=unterscheidungen. Ein Inhalt kann verschiedene äußere Formen haben. Ein Inneres kann gleichbleiben, auch wenn sich die äußere Form ändert. So zählen wir die Seele, den Charakter, die Disposition zum einigermaßen gleichbleibenden Inneren etwa einer Person, die sich äußerlich und
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in ihren äußeren Umständen gegebenenfalls schneller ändert als innerlich. Dabei korrespondiert die Unterscheidung zwischen innerem Gehalt und äußerer Form wieder der Unterscheidung zwischen allgemeinem Wesen bzw. etwas Wesentlichem und besonderen und einzelnen Variationen seiner Materialisierung. Insofern ist das Innere bzw. der Inhalt relativ gleichgültig gegen äußere Formveränderungen oder Formvariationen. In unseren Darstellungen erklären wir nun das Äußere durch das Innere, die Erscheinungen durch das Wesen. Wir sagen z. B., die Psyche sei das Innere, welche die äußeren Formen des Daseins, Werdens und Verhaltens der Lebewesen so erkläre wie die geistige Seele des Menschen sein Handeln. Alles materiell Äußere erscheint als unwesentlich, wenn wir vom ›wahren‹ Sein der Seele als dem Inneren her denken. Das zu leugnen hat wenig Sinn, bevor darüber geurteilt wird, was an diesem o=enkundigen Phänomen bloßer Schein und was an ihm richtig oder wahr ist. Dabei ist allerdings o=en, ob das Innere oder Wesen einer Sache Gesetztsein ist oder die äußere Form und in welchem Sinn das Innere, der Inhalt, Grund oder Ursache (aitia) einer Äußerung ist. Der Inhalt ist zweytens das in Form und Materie identische, so daß diese nur gleichgültige äusserliche Bestimmungen wären. Sie sind das Gesetztseyn überhaupt, das aber in dem Inhalte in seine Einheit oder seinen Grund zurükgegangen ist. (301 | 101) Die Analogisierung der Relation zwischen Inhalt und äußerer Form zur Relation zwischen Form und Materie ist passend und erhellend insbesondere im Blick darauf, dass es keinen Inhalt ohne äußere Form als materiellen Träger gibt, so wenig wie eine Form ohne ihre Materialisierung. Es gibt daher auch keinen direkten Zugri= auf Inhalte oder ein Inneres, weder im (leisen) Denken und Beabsichtigen noch in anderen Selbstverhältnissen der Seele oder des Geistes: Sie alle müssen materiell, leiblich, vermittelt werden. Die Seele selbst ist bloß innere Form. In der Tat sind Inhalt (SinnF ) und Materie (äußere Form, materieller Sinnträger) bloß zwei Momente einer sinnvollen symbolischen (Sprech-)Handlung. Entsprechend sind seelische Eigenschaften, etwa Triebe oder Intentionen, nur Teilmomente (einer Gesamtbeschreibung) einer besonderen Vollzugs- oder einer allgemeinen Seins- oder
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Lebensform. Dennoch sprechen wir so, als wären das Innere, Mentale, Psychische ›Grund‹ oder ›Ursache‹ für das äußere Verhalten. Die Identität des Inhalts mit sich selbst ist daher das einemal jene gegen die Form gleichgültige Identität; das andremal aber ist sie die Identität des Grundes. Der Grund ist in dem Inhalte zunächst verschwunden; der Inhalt aber ist zugleich | die negative Reflexion der Formbestimmungen in sich; seine Einheit, welche zunächst nur die gegen die Form gleichgültige ist, ist daher auch die formelle Einheit oder die Grundbeziehung als solche. Der Inhalt hat daher diese zu seiner wesentlichen Form und der Grund umgekehrt hat einen Inhalt. ¦ (301 | 101 f.) Zunächst ist ein Inhalt durch eine Inhaltsäquivalenz verschiedener äußerer Formen definiert – seine Identität ist gegenüber feineren Formunterscheidungen gleichgültig. Dann aber wird das Innere, z. B. die Seele, der Charakter, oder auch nur der Inhalt einer Absicht zum Grund (Ursache) eines äußeren Tuns oder Verhaltens erklärt und in seinem Fürsichsein sogar als nicht bloß von uns gesetzt angesprochen. Wichtig ist, dass es den Inhalt oder das Innere gar nicht als selbständig existierenden Grund oder geistig-spirituelle Ursache gibt. Das heißt nicht, dass wir die Redeform nicht in ihrer Bedeutsamkeit ernst nehmen sollten. Es heißt nur, dass ein Glaube an freischwebende Inhalte, Gedanken, nicht anders als an freischwebende denkende Seelen oder inhaltsverstehende Geister reiner Aberglaube ist. Wenn einige Leser Hegel selbst einen solchen Aberglauben zuschreiben, zeigt das einen Mangel genauer Lektüre der sicher in vielfacher Hinsicht schwierigen Texte. Das übliche Verfahren der Auswahl von Zitaten, die als Belegsätze aus dem Kontext genommen, kommentiert und als ›Beweise‹ für ein allgemeines Urteil angesehen werden, funktioniert bei Hegel überhaupt nicht. Das Verhältnis zwischen Inhalt bzw. Innerem und Äußerem ist keine e;zienzkausale Ursache-Wirkungs-Beziehung, sondern eine logisch-begri=liche Relation zwischen Grund und Erscheinung. Jeder Grund hat einen Inhalt; es ist die Wesensaussage, welche die Grundbeziehung zwischen Grund und Äußerung oder Erscheinung begri=lich vermittelt. Wenn z. B. der Inhalt meiner Absicht es ist, dir zu helfen, so verursacht weder mein Versprechen noch meine Absichts-
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erklärung die spätere Hilfe; wohl aber ist diese wohlbegründet, weil es eine begri=liche Norm ist, dass eine Äußerung einer Absicht und nicht bloß eines Wunsches vorliegt, nur wenn die Person sozusagen alles in ihren Kräften tut, um die Absicht in die Tat umzusetzen. Wenn der Inhalt der Absicht nicht realisiert und damit die Absicht nicht zureichender Grund für die Handlung ist, degradieren wir sie zu einem bloßen Handlungsversuch. Ein solcher Versuch ist nur dann Ausdruck einer echten Absicht und nicht bloß eines unverbindlichen SelbstWunsches, wenn das Scheitern absolut nicht am Handelnden liegt. Aber schon im Fall eines dispositionellen Verhaltens eines Felsbrockens, der aufgrund seiner Schwere, wenn er sich aus dem Gestein löst, herunterfällt, ist das Innere des Brockens, seine Masse, Grund für sein Verhalten. Ein Inhalt erklärt das Verhalten, aber nicht immer so, wie man beim Billard die Bewegung einer Kugel durch Stoß und Gegenstoß erklärt. Dispositionen sind Inhalte, Inneres, die häufig so wenig wirklich und wörtlich stoßen und drücken wie Triebe und Absichten. Die inhaltlichen Gründe in der Erklärung von Bewegungsformen sind nämlich begri=lich gesetzte Inhalte, Teile einer bedingten Normalfallbeschreibung von sich wiederholenden oder wiederholbaren Verhaltensabläufen. Man spricht dabei über allgemeine Gattungen, Arten und besondere Unterarten von Sachen. Dass Gründe Inhalte haben, führt die reflexionslogische Bewegung, die den Erscheinungen auf den Grund gehen will, zur Praxis des inhaltlichen Begründens von Normalfallerwartungen aufgrund bedingter inferentieller Normen des guten Unterscheidens, der äußeren Artikulation und des Schließens. Der Inhalt des Grundes ist also der in seine Einheit mit sich zurükgekehrte Grund; der Grund ist zunächst das Wesen, das in seinem Gesetztseyn mit sich identisch ist; als verschieden und gleichgültig gegen sein Gesetztseyn, ist es die unbestimmte, die Materie; aber als Inhalt ist es zugleich die formirte Identität, und diese Form wird darum Grundbeziehung, weil die Bestimmungen ihres Gegensatzes im Inhalte auch als negirte gesetzt sind. – (302 | 102) Der Inhalt des Grundes ist in seiner Einheit generisch bestimmt. Voraussetzung ist eine gute Bestimmung des Wesens und Wesentli-
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chen der Sache, die als Grund für eine ›Äußerung‹ zählt. O=enbar muss dabei die generische Sache, die Artform, gesetzt und bestimmt sein, und doch so, als spielte unsere Setzung keine Rolle, sondern nur der Inhalt, die wirkliche Sache, der wirkliche Grund (aitia, causa). In der völlig unbestimmten Rede über die Sache ist diese, wie gesehen, irgendwie indefinite Materie. Als Inhalt aber oder innerer Grund ist sie »formierte Identität«, genauer, di=erentiell bedingte generische Wirkform: Die causa ›bewirkt‹, sagen wir, alle ihre Äußerungen und Erscheinungen. Dabei ist die causa selbst längst schon Sache und Ding bzw. materielle Form oder geformte Materie mit zugeschriebenem ›Inneren‹, den ›Kräften‹ und ›Dispositionen‹, die sich in einer gewissen stabilen äußeren Form zeigen, in Formen der Formveränderung oder Wirkungen auf andere Dinge. Der Inhalt ist ferner bestimmt an ihm selbst; nicht nur wie die Materie als das gleichgültige überhaupt, sondern als die formirte Materie, so daß die Bestimmungen der Form ein materielles, gleichgültiges Bestehen haben. Einerseits ist der Inhalt die wesentliche Identität des Grundes mit sich in seinem Gesetztseyn, andererseits die gesetzte Identität gegen die Grundbeziehung; diß Gesetztseyn, das als Formbestimmung an dieser Identität ist, ist dem freyen Gesetztseyn, das heißt, der Form als ganzer Beziehung von Grund und Begründetem, gegenüber; diese Form ist das totale in sich zurükkehrende Gesetztseyn; jene daher nur das Gesetztseyn als unmittelbares, die Bestimmtheit als solche. (302 | 102) Die Materie, die nicht in ihren Sto=di=erenzen bestimmt ist, ist eben ›gleichgültig‹, indefinit, von keiner anderen Materie unterschieden. Das haben wir schon mehrfach gesagt. Dagegen sind jeder Inhalt und jede Form, das Innere wie das Äußere, im Unterschied oder sogar Gegensatz zu anderen Inhalten und Formen bestimmt. Wie das Wesen insgesamt ist auch dessen Inneres formierte Materie. Und das Innere ist formell in der Grundbeziehung gegen sein Äußeres, die Wirkungen oder Erscheinungen gesetzt, obwohl diese Beziehung selbst eine begri=liche Einheit zwischen dem Inneren als Grund und seinen Äußerungen scha=t. Das totale Gesetztsein der ousia enthält also auch diese Beziehung zwischen Inhalt und Form, Innerem und Äußerem. Es ist daher z. B. völlig abwegig zu fragen, wie
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denn in den Körper des Tieres eine animalische, in den Leib des Menschen eine geistige Seele komme. Das uralte Bild vom Einhauchen der Seele ist eine Metapher, die in diesem Betracht nicht wörtlich zu nehmen ist. Sie nennt nur die Tatsache, dass die Seinsweisen von Tier und Mensch je besondere sowohl gegeneinander als auch gegen andere Organismen und erst recht gegen ›tote‹ Sachen und ›rein physikalische‹ (und chemische) Prozesse sind und zu solchen geworden sind. Ihre Entwicklung im Wachsen und Evolution in der Gattung und Art sind daher begri=lich immer schon vorausgesetzt. Dass die Arten entstanden sind, ist also ein logischer Truismus, eine Selbstverständlichkeit, die es nicht wert wäre, zu behaupten, wenn die Leute nur an die allgemeine Zeitlichkeit und Geschichtlichkeit von allem und jedem ernsthaft denken würden. Da sie das nicht tun, ist die ›Entdeckung‹ von Charles Darwin für sie so überraschend wie für andere Leute, dass die Sonne kein Gott ist. Hegel wehrt sich nur deswegen gegen den Ausdruck »Evolution«, weil er im damaligen Sinn eine in der Natur angelegte ›Höherentwicklung‹ postuliert, nach welcher ›die Natur‹ dieses oder jenes gewollt habe und ›automatisch‹ alles zum Besseren wende. Es ist erstaunlich, wie unbedarft man später Hegel selbst Positionen zuschreibt, die er klarerweise bekämpft, hier z. B. im Blick auf Kants ›Geschichtszeichen‹ und Ho=nung auf eine solche ›Evolution‹ des Guten und Schönen. Gleichzeitig verurteilt Hegel jeden Glauben an eine ›Emanation‹, nach welcher am Anfang das Goldene Zeitalter steht und seither alles immer schlechter wird. Beide Totalitätsbilder der Welt sind willkürlich, sinnlos und falsch. Fortschritt in der Geschichte gibt es dennoch aus begri=lichen Gründen, nämlich im Rückblick der Rekonstruktion der Genese unserer geistigen Fähigkeiten. Wer daran zweifelt, hat die Form der Rekonstruktion schon nicht verstanden: Wir können die Vorgänger unserer geistigen Fähigkeiten nicht als bessere geistige Fähigkeiten als die unseren rekonstruieren, da sie über die Rekonstruktion schon zu den unseren würden. Wer es fassen kann, der fasse es, wer nicht, möge ein allfällig absprechendes Urteil über Hegels vermeinten Fortschrittsglauben so lange suspendieren, bis er es versteht. Der Grund hat sich damit überhaupt zum bestimmten Grunde gemacht, und die Bestimmtheit selbst ist die gedoppelte; erstens
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der Form und zweytens des Inhalts. Jene ist seine Bestimmtheit dem Inhalte überhaupt äusserlich zu seyn, der gegen diese Beziehung gleichgültig ist. Diese ist die Bestimmtheit des Inhalts, den der Grund hat. | (302 | 102) In der Reflexion auf das, was wir einer Erscheinung als Sache oder Ursache (causa, ousia) zugrunde legen, hat sich der Grund von einem indefiniten Etwas unbestimmter Materie sowohl als auch einer spirituellen Form in den Kontrast von Inhalt und Form, Wesensbestimmung und Äußerung verwandelt. Das Innere bringt nach dieser Redeform – die wir jetzt reflexionslogisch dingfest gemacht haben – das Äußere auf eine gewisse Form, also regel- oder gesetzesartig, hervor. Die Regel oder das Gesetz aber ist selbst bloß Teil der begri=lichen Bestimmung der ›Grundbeziehung‹ zwischen Wesen und Äußerung.
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a. Der formelle Grund Der Grund hat einen bestimmten Inhalt. Die Bestimmtheit des Inhalts ist, wie sich ergeben, die Grundlage für die Form; das einfache Unmittelbare gegen die Vermittlung der Form. Der Grund ist negativ sich auf sich beziehende Identität, welche sich dadurch zum Gesetztseyn macht; sie bezieht sich negativ auf sich, indem sie identisch in dieser ihrer Negativität mit sich ist; diese Identität ist die Grundlage oder der Inhalt der auf diese Weise die gleichgültige oder positive Einheit der Grundbeziehung ausmacht, und das Vermittelnde derselben ist. (302 | 103) In jeder Erklärung oder Begründung dafür, dass etwas die Ursache für dieses oder jenes Phänomen ist, ist die Ursache durch einen Inhalt als dieses oder jenes Ding bestimmt. Wir sagen etwa: Was wir sehen, ist eine Oase, keine Fata Morgana. Es kommt dann ein Wissen über die Grundbeziehung hinzu. Eine Fata Morgana kommt so und so zustande und ist, wie ein Regenbogen, nicht einfach als Sinnestäuschung zu werten. Wie sich der Grund äußert, wird auf der Grundlage des Inhalts der causa bestimmt, also der Sache als Ursache oder Grund: Oasen sehen so aus und haben
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diese handfesten Folgen. Eine Fata Morgana sieht so aus und verschwindet. Wenn, was ich sehe und dir zeige, z. B. wirklich ein Kaninchen ist, muss dieses so aussehen und das und das tun können etc. Der Grund bzw. die Ursache ist gesetzt, schon dadurch, dass wir über seine Nennung und Unterscheidung ein Sein von einem Schein unterscheiden. Der Inhalt der Sache ist dabei mehr als sein Aussehen, wie der Fall der Unterscheidung zwischen einem echten Kaninchen und einer Kaninchenattrappe zeigt. In diesem Inhalte ist zunächst die Bestimmtheit des Grundes und des Begründeten gegen einander verschwunden. Die Vermittlung ist aber ferner negative Einheit. Das Negative als an jener gleichgültigen Grundlage ist die unmittel¦bare Bestimmtheit derselben, wodurch der Grund einen bestimmten Inhalt hat. Alsdenn aber ist das Negative die negative Beziehung der Form auf sich selbst. Das Gesetzte einerseits hebt sich selbst auf und geht in seinen Grund zurück; der Grund aber, die wesentliche Selbstständigkeit, bezieht sich negativ auf sich selbst und macht sich zum Gesetzten. (302 f. | 103) Der Titel »der formelle Grund« ist die Übersetzung von »causa formalis« und steht anstelle von »Formalursache«. Warum aber soll im Inhalt, im Innern der causa, »die Bestimmtheit des Grundes und des Begründeten gegeneinander verschwunden« sein? Hegels Orakel geben leider immer noch zu viele Rätsel auf. Insofern beklagen sich Leser zu Recht, so wie man sich in der Antike partiell zu Recht über das Dunkle in Heraklits Texten beklagt hatte. Freilich unterscheiden Heraklits geniale Merksätze auf klare Weise zwischen der Lesefertigkeit und Denkfähigkeit bzw. dem Sprachvermögen seiner Leser. Bei Hegel ist man sich da nicht immer so sicher. Hegel meint wohl, dass im häufig fast schon unmittelbaren Übergang von einer Perzeption – ich sehe etwas – zur Inhaltsbestimmung im Wahrnehmungsurteil – es ist ein Kaninchen – die Unterscheidung zwischen der Ursache der Perzeption und dem Gegenstand der Wahrnehmung verschwunden ist: Der Gegenstand ist das Kaninchen, nicht eine Kaninchenerscheinung. Der Inhalt des Wahrnehmungsurteils und damit der Wahrnehmung ist in seiner Bestimmung eine Einheit, das Kaninchen. Nur die Reflexion hat hier Grund und Begründetes
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getrennt – im Blick auf die mehr oder weniger seltenen Fälle zufälligen Irrtums oder privativen Scheins. Die Vermittlung zwischen Erscheinung – was ich sehe – und Grund – was es ist – nennt Hegel eine »negative Einheit«. Negative Einheit ist das Kaninchen in unserem Fall deswegen, weil es, wenn es nicht bloß gesehen wird, sondern als Kaninchen benannt wird, von anderen Wesen unterschieden ist. Das kann laut oder leise geschehen oder der realen Möglichkeit nach, wenn ich mir also nicht die Mühe mache, mir selbst leise zu sagen »ah, das ist ein Kaninchen«, aber im Zweifel oder auf Nachfrage sozusagen wie aus der Pistole geschossen so sprechen würde. Das, was die Erscheinung hervorruft, erhält so als Grund seinen bestimmten Inhalt – samt allen erwarteten Fähigkeiten, die ein wirkliches Kaninchen haben muss, um nicht bloß ein scheinbares zu sein. Formulierungen der Art, das Negative sei »negative Beziehung der Form auf sich selbst« gehören zu Hegels idiosynkratischer Kommentarsprache. Gemeint ist die Bestimmung der Identität etwa des Kaninchens als Kaninchen im Gegensatz zu anderen Tieren, bloßen Kaninchengestalten, einem bloßen Aussehen wie dem eines Kaninchens usf. Die wesentliche Selbständigkeit des Kaninchens, dessen Fürsichsein sich nicht darum kümmert, ob es von mir als Kaninchen wahrgenommen wird (anders als in meinem Fall, der ich mich durchaus darum kümmere, ob du mich als Person wahrnimmst und behandelst), verwandelt sich in ein Gesetzsein, wenn wir den Beobachter und Sprecher wieder zum Zentrum machen. Der Grund macht sich zum Gesetzten dadurch, dass wir in der Reflexion auf das, was er ist, ihn als von uns gesetzt begreifen müssen. Natürlich kann jemand – auch ich – ein Kaninchen sehen, ohne es als Kaninchen zu sehen. Das heißt, wir müssen die Perspektive des Urteilenden beachten. Ein Kind unterscheidet Tiere von toten Dingen, vielleicht schon Katzen von Hunden, aber möglicherweise noch nicht Kaninchen von Hasen. Diese negative Vermittlung des Grundes und des Begründeten ist die eigenthümliche Vermittlung der Form als solcher, die | formelle Vermittlung. Die beyden Seiten der Form nun, weil die eine in die andere übergeht, setzen sich damit gemeinschaftlich in Einer Identität
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als aufgehobene; sie setzen dieselbe hiedurch zugleich voraus. Sie ist der bestimmte Inhalt, auf den sich also die formelle Vermittlung als auf das positive Vermittelnde durch sich selbst bezieht. Er ist das Identische beyder, und indem sie unterschieden, jedes aber in seinem Unterschiede die Beziehung auf das andere ist, ist er das Bestehen derselben, eines jeden als das Ganze selbst. (303 | 103 f.) Hegels schwierige Überlegung will einen schwierigen Begri= erläutern, den Begri= der Formursache. Die gesamten Reden vom Negativen und der Negativität beziehen sich dabei immer wieder zurück auf Spinozas Formel determinatio est negatio, jede Bestimmung ist eine Unterscheidung – bzw. Nichtunterscheidung. Die »negative Vermittlung des Grundes und des Begründeten«, die Hegel »formelle Vermittlung« nennt, ist eben die Grundrelation der Formursache. Da ein Kaninchen wie ein Hase mümmelt, ist die Ursache, dass Mümmelmann mümmelt, nicht als E;zienzursache nach Art des Anstoßes einer Kugel zu verstehen, sondern als tautologischer Inhalt einer Wesensaussage über Kaninchen und Hasen. Die »beiden Seiten der Form«, von denen Hegel hier spricht, sind einerseits der gesetzte Inhalt des Begri=s des Kaninchens, ausgedrückt im generischen Satz »Kaninchen mümmeln«, andererseits das, was wir sehen: ein Wesen, das mümmelt, das ein Kaninchen ist und das aufgrund seiner Artform erklärt, warum das Kaninchen, das wir sehen, mümmelt. Wir schließen also aufgrund des Inhalts einer Artbestimmung auf die Art des Wesens, das wir sehen oder wahrnehmen, und erklären über die Formalursache, den formellen Grund, was wir sehen. Die eine Identität, welche die Di=erenz zwischen Begri=sinhalt (was ein Kaninchen ist) und dem, was wir sehen (seine Erscheinung), aufhebt, ist das reale Kaninchen, die materialisierte Artform des Kaninchens in einem besonderen Exemplar, das sich verhält, wie sich Kaninchen zu verhalten haben, wenn sie Kaninchen sein sollen oder sein wollen, wie man in ironischem Perspektivenwechsel sagen könnte, um auszudrücken, was das Wesen selbst ›tun muss‹, um von uns berechtigterweise oder im vollen Sinn als Exemplar seiner Art zu gelten. Der bestimmte Inhalt, ein Kaninchen zu sein und dabei dieses Kaninchen zu sein, ist das Identische der äußeren Form des Wesens, wie
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wir es also sehen, und der inneren Form, was es also ist: ein Kaninchen, das hier materiell vor uns mümmelt, und zwar als ein Ganzes, zu dem am Ende seine gesamte Leibidentität gehört, da lebende Tiere keine Avatare, Maschinen etc. sind, sondern Individuen, die man relativ leicht auch wiedererkennbar machen kann, sozusagen über einen künstlichen Ausweis wie Beringung oder ähnliche Maßnahmen. Hienach ergibt sich, daß im bestimmten Grunde diß vorhanden ist; erstens, ein bestimmter Inhalt wird nach zwey Seiten betrachtet, das einemal insofern er als Grund, das andremal insofern er als Begründetes gesetzt ist. Er selbst ist gleichgültig gegen diese Form; er ist in beyden überhaupt nur Eine Bestimmung. Zweytens ist der Grund selbst so sehr Moment der Form als das durch ihn gesetzte; diß ist ihre Identität der Form nach. Es ist gleichgültig, welche von beyden Bestimmungen zum Ersten gemacht wird, von dem als dem Gesetzten zum andern als zum Grunde, oder von dem als dem Grunde zum andern als zum Gesetzten übergegangen wird. (303 | 104) Der interessante Punkt ist, dass zwar der Schluss von meiner Wahrnehmung auf dessen Ursache keine Tautologie ist, sondern ein »Urteil des Begri=s«, ein »abduktiver Schluss« auf die »beste Erklärung« der Erscheinung aufgrund von »reflektiver Urteilskraft« im Sinne Kants, welche nach einem passenden Begri= für eine noch nicht inhaltlich bestimmte Sache sucht. Der Schluss vom Inhalt auf die äußere Form gemäß der bestimmenden Urteilskraft ist dann aber eine reine Tautologie des formellen Begründens oder der Formalursache: Um zu erklären, warum das Wesen vor mir mümmelt, antwortete ich ja gerade, dass ein Mümmelmann, also ein Kaninchen, eben mümmelt, so wie Hunde bellen und Planeten sich um ihre Sonne bewegen – sonst wären sie keine rechten Hunde oder wirklichen Planeten, sondern etwa Kometen. Die Bewegungsform gehört eben zur Bestimmung einer Sache, zu ihrem Inhalt. In unserem Beispiel wird der Inhalt, dass Kaninchen mümmeln, »nach zwei Seiten betrachtet«, einmal als Grund dafür, dass das Wesen, das ich vor mir sehe, mümmelt, ein andermal als Teil des Begründeten im empirischen Fall. Der Satz »Kaninchen mümmeln« ist generisch wahr und er ist empirisch wahr. Als generische Wahrheit ist er gesetzt, sozusagen in einer Begri=serläuterung oder einem Allgemeinwissen, wie auch »Hunde bellen«
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und »Planeten bewegen sich um ihre Zentralkörper«. Den Rest des Absatzes haben wir im Grunde schon erläutert. Das Begründete für sich betrachtet, ist das Aufheben seiner selbst; damit macht es sich einerseits zum Gesetzten, und ist zugleich Setzen des Grundes. Dieselbe Bewegung ist der Grund als solcher, er macht sich zum Gesetzten, dadurch wird er Grund von etwas, das heißt, darin ist er sowohl als Gesetztes, wie auch erst als Grund vorhanden. Daß ein Grund ist, davon ist das Gesetzte der Grund, und umgekehrt ist hiemit der Grund Gesetztes. Die Vermittlung fängt eben so sehr von dem einen als von dem andern an, jede Seite ist so sehr Grund als Gesetztes, | und jede die ganze Vermittlung oder die ganze Form. – Diese ganze Form ist ferner selbst als das mit sich identische, die Grundlage der Bestimmungen, welche die beyden Seiten des Grundes und des Begründeten sind, Form und Inhalt sind so selbst eine und dieselbe Identität. (303 | 104 f.) Das Begründete – warum z. B. das Wesen vor mir mümmelt – wird im Urteil, dass es ein Kaninchen ist, aufgehoben. Es ist Teil des reflektierenden Urteils, das den Grund setzt: Es ist ein Kaninchen. Das ist zugleich im Begri= des Kaninchens gesetzt. Das Gesetzte im generischen Begri= ist Grund, nicht einfach Ding. Die Art des Dings ist nicht einfach eine Klasse oder Menge von Dingen. Ohne Setzung der Artform als Prozess- und Begründungsform könnte gar nichts ›erklärt‹ werden. – Wir kommen immer wieder auf dieses Verfahren zurück: Wir bestimmen eine wahrgenommene Sache, indem uns ein möglicher Grund für sie einfällt, und schauen dann nach, ob er ausreicht, etwa indem wir die Erscheinungen genauer beobachten, um dann unter Umständen über reflektierende Urteilskraft die Bestimmung zu verändern, zu verbessern und dann nachzusehen, ob das gesetzte generische Wissen zureicht, um das Wahrgenommene befriedigend zu erklären. Das alles geht im Normalfall ›sehr schnell‹, ohne dass wir auf den Prozess des Nachdenkens bei der begri=lichen Bestimmung auch nur aufmerksam würden. Um dieser Identität des Grundes und Begründeten willen, sowohl dem Inhalte als der Form nach, ist der Grund zureichend (das Zureichende auf diß Verhältniß eingeschränkt); es ist nichts im Grunde, was nicht im Begründeten ist, so wie nichts im Begründeten, was
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nicht im Grunde ist. Wenn nach einem Grunde gefragt wird, will man dieselbe Bestimmung, die der Inhalt ist, doppelt sehen, das einemal in der Form des Gesetzten, das anderemal in der des in sich reflectirten Daseyns, der Wesentlichkeit. ¦ (303 | 105) Meine Lesart wird bestätigt durch Hegels Kommentar, dass der Grund als zureichend zu beurteilen ist – eingeschränkt auf das relevante Grundverhältnis zwischen Wesen und Erscheinung. Es sind dieselben Bestimmungen, welche im generischen Fall gesetzt sind und sich jetzt im empirischen Fall zeigen (nun ja, vielleicht nicht gleich alle). Im generischen Fall sprechen wir über das Wesen, im empirischen Fall über das, was hier und jetzt geschieht und mehr oder weniger unmittelbar als Erscheinung beschreibbar ist – und zwar mit den gleichen Wörtern, wie sie im generischen Fall auftreten. Die Wesentlichkeit ist so das reflektierte Dasein, die ›objektiv‹ begründete Erscheinung durch inhaltliche Wesensbestimmung des Grundes auf der Basis (begri=lich) gesetzter Normalformen und Normalentwicklungen. Insofern nun im bestimmten Grunde Grund und Begründetes beyde die ganze Form, und ihr Inhalt zwar ein bestimmter aber einer und derselbe ist, so ist der Grund in seinen beyden Seiten noch nicht real bestimmt, sie haben keinen verschiedenen Inhalt; die Bestimmtheit ist erst einfache noch nicht an die Seiten übergegangene Bestimmtheit; es ist der bestimmte Grund erst in seiner reinen Form, der formelle Grund, vorhanden. – Weil der Inhalt nur diese einfache Bestimmtheit ist, die nicht die Form der Grundbeziehung an ihr selbst hat, so ist sie der mit sich identische Inhalt, gegen die Form gleichgültig und diese ihm äusserlich; er ist ein anderes als sie. | (304 | 105) In der ›Begründung‹ einer Erscheinung durch ihren Grund haben Grund (causa) und Phänomen denselben Inhalt. Daher sprechen wir hier bloß erst von Formalursachen, dem formellen Grund, dass ein Kaninchen wie ein Kaninchen aussieht und ein Hase wie ein Hase bzw. dass ein Kaninchen tut, was Kaninchen tun.
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Anmerkung Wenn die Reflexion über bestimmte Gründe sich an diejenige Form des Grundes hält, welche sich hier ergeben hat, so bleibt die Angabe eines Grundes ein bloßer Formalismus und leere Tavtologie, welche denselben Inhalt in der Form der Reflexion in sich, der Wesentlichkeit, ausdrückt, der schon in der Form des unmittelbaren, als gesetzt betrachteten Daseyns vorhanden ist. Ein solches Angeben von Gründen ist deswegen von derselben Leerheit begleitet, als das Reden nach dem Satze der Identität. (304 | 106) Das Standardbeispiel einer ›leeren‹, ›tautologischen‹ Formalursache bei der ›Erklärung‹ einer Sache ist Molières Erklärung dafür, dass jemand eingeschlafen ist, durch eine vis dormitiva, welche das Einschlafen wie die Müdigkeit bewirkt. Müdigkeit ist – so gesehen – nur ein anderes Wort für Einschlaftendenz und Schläfrigkeit. Die Wissenschaften, vornemlich die physikalischen, sind mit den Tavtologieen dieser Art angefüllt, welche gleichsam ein Vorrecht der Wissenschaft ausmachen. – Es wird z. B. als der Grund, daß die Planeten sich um die Sonne bewegen, die anziehende Kraft der Erde und Sonne gegeneinander angegeben. Es ist damit dem Inhalt nach nichts anders ausgesprochen, als was das Phänomen, nemlich die Beziehung dieser Körper auf einander in ihrer Bewegung, enthält, nur in der Form von in sich reflectirter Bestimmung, von Kraft. Wenn darnach gefragt wird, was die anziehende Kraft für eine Kraft sey, so ist die Antwort, daß sie die Kraft ist, welche macht, daß sich die Erde um die Sonne bewegt; das heißt, sie hat durchaus denselben Inhalt, als das Daseyn, dessen Grund sie seyn soll; die Beziehung der Erde und der Sonne in Rüksicht der Bewegung ist die identische Grundlage des Grundes und des Begründeten. – (304 | 106) Der Satz, dass es ein Vorrecht der Wissenschaft sei, gerade auch der physikalischen, ihre Bücher mit Tautologien zu füllen, ist teils ironisch, teils unverschämt und ist auch entsprechend aufzufassen. Hegels Beispiel ist die Erklärung der Planetenbewegung durch die in die Sonne gelegte Anziehungskraft, die Masse der Planeten und die jeweilige Richtungsgeschwindigkeit an einer tangentialen Stelle. Indem wir in das Innere dieser Körper die entsprechenden Kräfte (Gravitation und Fliehkraft je proportional zur Masse) setzen, können
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wir die beobachteten Erscheinungen, wie sie in einem allerwichtigsten ersten Schritt von Kepler als Ellipsenbewegungen dargestellt sind, jetzt im Newtonschen System formal erklären. Das Newtonsche System liefert so eine Formalerklärung oder einen formellen Grund dafür, dass die Planeten sich so um die Sonne bewegen, wie sie sich bewegen. Das ist weit mehr als nichts, da wir damit in die Lage kommen, über Gewichts- oder Massenvergleiche systematisch in lokale Dinge Kräfte als Dispositionen zu setzen und aus diesen Setzungen ihr Bewegungsverhalten unter gewissen Umständen allgemein zu ›berechnen‹, also generisch zu beschreiben und damit ›vorherzusagen‹. Dennoch wird hier nichts e;zienzkausal erklärt, sondern nur in bestimmter Weise eine Bewegungsform beschrieben. Diese Weise ist aber so allgemein, dass sie auch in der Erd- und Satellitenballistik sicher anwendbar ist, und geht damit weit über Keplers bloß auf den besonderen Fall der Bewegung der Planeten bezogene Erklärung hinaus. Richtig ist, dass wir das Ondit nicht einfach nachreden sollten, dass Newtons Theorie allererst ›erklären‹ würde, ›warum‹ sich die Planeten auf den Keplerschen Bahnen bewegen und ›warum‹ die Keplerschen Gesetze gelten: Die Gesetze selbst sind in den ›Grund‹ für sie bei Newton schon eingearbeitet, so dass dieser nur ein formaler Grund ist, so wie man die Wahrheiten der Arithmetik schon kannte, bevor man einige von ihnen in einem Axiomensystem wie dem von Peano sammelte und erklärte, durch Deduktion aus ihnen ließen sich ›die‹ (d. h. einige wenige) Wahrheiten arithmetischer Sätze ›beweisen‹. Das ist zwar durchaus ein Verfahren, arithmetische Wahrheiten schematisch herzuleiten, aber eben keineswegs das Verfahren. Es ist eine logische Tautologie, dass aus wahren arithmetischen Sätzen durch Anwendung logisch gültiger Schlussformen wahre Sätze entstehen. Die Wahrheit der Sätze ist dadurch aber weder definiert noch ›erklärt‹ oder ›bewiesen‹. Wenn eine Krystallisationsform dadurch erklärt wird, daß sie ihren Grund in dem besondern Arrangement habe, in das die Molecules zu einander treten, so ist die daseyende Krystallisation diß Arrangement selbst, welches als Grund ausgedrückt wird. Im gewöhnlichen Leben gelten diese Aetiologieen, auf welche die Wis-
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senschaften das Privilegium haben, für das, was | sie sind, für ein tavtologisches, leeres Gerede. (304 | 106 f.) Hegels weiteres Beispiel ist dieses: Man erklärt die Kristallisation dadurch, dass sich die Moleküle in einer bestimmten Gitterform arrangieren. Man hat damit aber nicht eigentlich erklärt, warum etwas so kristallisiert, sondern nur eine generische Tatsache auf eine gewisse Weise artikuliert. Die generische Tatsache selbst ist ein Normalfallgeschehen unter gewissen Bedingungen. Im normalen Leben würde man Erklärungen der Art, dass etwas geschehe, weil es immer so geschehe, für ein leeres Gerede halten. Die Frage, warum es in der Wissenschaft nicht so ist, ist keineswegs so trivial, wie man das meint, wenn man sich über Hegels leicht ironisch-provokative Darstellungsform bloß aufregt. Wirklich provokativ ist die folgende Analogie, weil sie Attraktionskräfte als geheime teleologische Erklärungen und damit gerade nicht als mechanische Druck-und-Stoß-Erklärungen darstellt: Wenn auf die Frage, warum dieser Mensch in die Stadt reise, der Grund angegeben wird, weil in der Stadt sich eine anziehende Kraft befinde, die ¦ ihn dahin treibe, so gilt diese Art des Antwortens für abgeschmakt, die in den Wissenschaften sanctionirt ist. – (304 f. | 107) Auf die Frage, warum jemand in die Stadt reise, erwarten wir eine konkrete Antwort, nicht einfach die, die Stadt sei für ihn eben ›attraktiv‹, ziehe ihn (magisch) an. Wie bei jeder Analogie wäre auch in der ironischen Kritik Hegels Passendes und Unpassendes zu trennen, was ich hier aber nicht weiter verfolge, sondern dem Leser überlasse. Leibnitz warf der Newtonischen anziehenden Kraft vor, daß sie eine solche verborgene Qualität sey, als die Scholastiker zum Behuf des Erklärens gebrauchten. Man müßte ihr eher das Gegentheil zum Vorwurf machen, daß sie eine zu bekannte Qualität sey; denn sie hat keinen andern Inhalt, als die Erscheinung selbst. – (305 | 107) Hegels Polemik läuft jetzt zu großer Form auf. Das hat ihm verständlicherweise wenig Freunde eingebracht. Er beginnt mit dem Vorwurf von Leibniz, Newtons Gravitationskraft sei eine okkulte Kraft, zumal sie eine actio in distans, eine unmittelbare Wirkung auf Distanz unterstelle, im scharfen Gegensatz zu klassischen mechanischen ›Erklärungen‹, nach denen eine Billardkugel eine andere lokal in Zeit und Raum ›berühren‹ und ›stoßen‹ muss. Auch Euler, Le Sage und andere
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waren mit Newton in diesem Punkt unzufrieden und forderten einen Erklärungsmechanismus nach Art der Erklärung der Ausbreitung von Wellen oder so ähnlich. Einer von Hegels Lehrern in Tübingen war glühender Anhänger von Le Sage – wie Schelling und zunächst wohl auch Hegel. Gegen diese Art von Zusatzerklärungen allerdings wehrte sich Newton mit Recht durch das Orakel »hypotheses non fingo«, d. h. meine Erklärungen bleiben nahe an der beobachtbaren Oberfläche und tauchen nicht zu tief in fingierte theoretische Entitäten und Modelle ab, deren Realität sich in nichts weiter zeigt, als was man auch ohne sie schon weiß. Ironischerweise wirft Hegel nun Newton eben diese Grundhaltung vor und weist – selbst ironisch – den Vorwurf von Leibniz, Newton operierte wie die Scholastiker mit okkulten Qualitäten, zurück. Dabei hat er sogar recht zu sagen, dass Newtons Kraft am Ende fast eine ›zu bekannte‹ Eigenschaft sei, denn »sie hat keinen anderen Inhalt, als die Erscheinung selbst«. In gewissem Sinn hätte Newton zugestanden, dass er als Kräfte proportional zur Masse nur das in die Körperdinge legt, woraus sich nachher die beobachtete Bewegungsform wieder aufbauen lässt. Eben das besagt ja das Orakel: »Ich erfinde oder fingiere keine hypothetischen Erklärungen«. Auf diese Lesart könnten sich Hegel und Newton sogar (fiktiv) einigen – was Hegel aber partout nicht will, wie wir gleich sehen werden, und das möglicherweise zu seinem eigenen Schaden. Wodurch sich diese Erklärungsweise eben empfiehlt, ist ihre große Deutlichkeit und Begreiflichkeit; denn es ist nichts deutlicher und begreiflicher, als daß z. E. eine Pflanze ihren Grund in einer vegetativen, d. h. Pflanzen hervorbringenden Kraft habe. – Eine occulte Qualität könnte sie nur in dem Sinne genannt werden, als der Grund einen andern Inhalt haben soll, als das zu erklärende; ein solcher ist nicht angegeben; insofern ist jene zum Erklären gebrauchte Kraft allerdings ein verborgener Grund, als ein Grund, wie er gefodert wird, nicht angegeben ist. Es wird durch diesen Formalismus so wenig etwas erklärt, als die Natur einer Pflanze erkannt wird, wenn ich sage, daß sie eine Pflanze ist; bey aller Deutlichkeit dieses Satzes, oder daß sie ihren Grund in einer Pflanzen hervorbringenden Kraft
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habe, kann man diß deßwegen eine sehr occulte Erklärungsweise nennen. (305 | 107) Zunächst lobt Hegel Newtons Erklärungsform. Als lobenswerte Eigenschaften nennt er z. B. ihre Deutlichkeit, Begreiflichkeit (Einfachheit). Doch dann geht er rhetorisch wie Marcus Antonius bei Shakespeare vor und analogisiert Newtons Erklärungen der ballistischen Bewegungsformen mit der Erklärung des Wachsens der Pflanzen in ihrer vegetativen Wachstumskraft. D. h., Hegel erklärt die Newtonsche Erklärungsform für rein tautologisch und beginnt ein ironisches Spiel damit, dass tautologische Erklärungen das Okkulteste sind, was man sich denken kann. Newtons ›Formalismus‹ erkläre nichts. Die Gründe (Ursachen), die er angibt, seien deswegen okkult, weil sie nicht das erfüllen, was wir von Ursachen erwarten, nämlich etwas Anderes zu sein, als das, was sie erklären sollen; ein solcher Grund bleibe bei Newton verborgen, weil er nicht angegeben werde. Das Problem, das wir mit Hegels Ausfällen haben (sollten), besteht darin, dass Newtons ›Formalismus‹ für das, was wir an Erklärungen brauchen und wünschen, tatsächlich ausreicht und trotzdem sehr allgemein ist, weit allgemeiner, als Hegel rhetorisch unterstellt, indem er so tut, als erkläre die Theorie im Grunde nur die Keplerbewegungen. In Hegels Kritik mischen sich tiefe Einsichten mit Fehleinschätzungen. Denn es ist ganz richtig, dass sich Newton nicht an der Druckund Stoßmechanik orientiert und nichts weiter dazu sagt, wie seine ›Kräfte‹ in die Ferne wirken, nur dass sie das so tun, wie es sich an den entstehenden Bewegungsbeschreibungen zeigt. Es ist auch richtig, dass die ›Dispositionen‹ bzw. ›Kräfte‹ in die Körper gerade so gelegt werden, dass sie über die Masse der Körper unabhängig von einem Vorgri= auf das konkrete Bewegungsverhalten bestimmbar sind – sonst wäre das Vorgehen in der Tat sinnlos. Man würde die Masse nur aus der Bewegung post hoc kennen. Da sich aus der Masse die sich reproduzierenden oder reproduzierbaren Bewegungsformen erklären lassen, tritt sie als zentrale Ursache auf. Mehr Gründe brauchen und wollen wir nicht als die Beschreibung der Konstellation des Bewegungsverlaufs vor der zu erklärenden bzw. zu prognostizierenden Fortsetzung.
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Hegels Formalismusvorwurf tri=t daher nicht, jedenfalls nicht Newton. Denn dieser kann sich zurücklehnen und sagen, dass die üblichen Vorstellungen von mechanischen Wirkungen zu eng waren und gerade die Suche nach einer Ursache ›mit anderem Inhalt‹ als generische Darstellung sich reproduzierender Bewegungs- oder Formumformungsformen abwegig ist. Wir erklären Einzelnes durch Besonderes und Besonderes durch Allgemeines. Wer das als ›tautologisch‹ oder ›formalistisch‹ kritisiert, hat die Form des Erklärens selbst nicht verstanden. Tri=t das auf Hegel zu? Ich denke, zum Teil schon. Zweytens, der Form nach, kommen in dieser Erklärungsweise die beyden entgegengesetzten Richtungen der Grundbeziehung vor, ohne in ihrem bestimmten Verhältnisse erkannt zu seyn. Der Grund ist einestheils Grund, als die in sich reflectirte Inhaltsbestimmung des Daseyns, das er begründet, anderntheils | ist er das Gesetzte. Er ist das, woraus das Daseyn begri=en werden soll; umgekehrt aber wird von diesem auf ihn geschlossen und er aus dem Daseyn begri=en. Das Hauptgeschäfte dieser Reflexion besteht nemlich darin, aus dem Daseyn die Gründe zu finden, das heißt, das unmittelbare Daseyn in die Form des Reflectirtseyns umzusetzen; der Grund statt an und für sich und selbstständig zu seyn, ist somit vielmehr das Gesetzte und Abgeleitete. Weil er nun durch diß Verfahren nach dem Phänomen eingerichtet ist, und seine Bestimmungen auf diesem beruhen, so fließt dieses freylich ganz glatt und mit günstigem Winde aus seinem Grunde aus. (305 | 107 f.) Das Problem, das man mit Hegels Kritik haben kann und sollte, liegt darin, dass er Newtons Ansatz nicht als Variante seiner eigenen Sichtweisen deutet und sich nicht klar von einem kausalistischen Fehlverständnis physikalischer Erklärungen distanziert. Denn Hegel selbst wehrt sich gegen Hypostasierungen von Ursachen und erkennt, dass wir Dispositionen und Kräfte in die Dinge als Ur-Sachen so setzen, dass sich die tatsächlichen Veränderungen und Bewegungen je nach Vorliegen von diversen Bedingungen aus ihnen ergeben. Gerade das macht Newton. Was also hat Hegel hier auszusetzen? Er spricht von zwei Richtungen der Grundbeziehung zwischen Ursache und Phänomen. Und in der Tat, wie im Fall von Kants bestimmender und reflektierender Urteilskraft ist zwischen der Prognose,
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was auf der Ebene der Phänomene eintreten wird, wenn etwas ein X ist und die Situation Y (X ) besteht, nämlich z. B. die Erscheinung W , und der Frage, ob etwas ein X ist und Y (X ) besteht, nachdem empirisch W vorliegt, zu unterscheiden. Warum aber sollte Newton das nicht zugestehen und erkannt haben? Der Grund als »in sich reflektierte Inhaltsbestimmung« des (phänomenalen) Daseins W ist das Wesen X , das (im Fall, dass Y (X ) besteht) W begründet. X ist aber zugleich das Gesetzte, also was wir aus W als dingliche Ursache zusammen mit dem Grund Y (X ) für W erschließen. Das geschieht, nachdem allgemein der Inhalt von X als System von Dispositionen schon gesetzt ist (die im Fall von Y (X ) zu W führen). Insofern sagt Hegel nur noch einmal, was wir oben schon gesagt haben: Wir schließen abduktiv auf den Grund aus seinen Erscheinungen und erschließen die Erscheinungen im Dasein aus dem vorausgesetzten Grund. Allerdings haben wir dabei die Arten und Typen von ›Gründen‹, i. e. Sachen, allgemein, also unabhängig von besonderen Anwendungen, unterschieden und in die Sachen dispositionelle Kräfte gesetzt – was auch Newton tut. Im Erklären eines Einzelfalls ist in der Tat das Hauptgeschäft, die Sache zu bestimmen und den Grund zu finden – also abduktiv auf die beste Erklärung zu schließen. Der Grund ist dann nicht ›selbständig‹ gegeben, sondern »das Gesetzte und Abgeleitete«, »nach dem Phänomen eingerichtet«. Daher »fließt« die Erscheinung »ganz glatt und mit günstigem Winde aus seinem Grunde aus«. Was ich selbst oben schon erläutert habe, wird so neu formuliert. Nur hätte Hegel sich seine Ironie sparen können. Aber die Erkenntniß ist hiedurch nicht vom Flecke gekommen; sie treibt sich in einem Unterschiede der Form herum, den diß Verfahren selbst umkehrt und aufhebt. (305 | 108) Hegel täuscht sich jetzt in der Tat, wenn er meint, wir seien bei der Erklärung des Phänomens keinen Schritt weitergekommen. Das gilt nur für den Einzelfall, nicht für dessen Subsumtion unter einen allgemeinen Fall. Der allgemeine Fall wird zwar auch so eingerichtet, dass er die einzelnen Fälle möglichst gut charakterisiert. Aber eben darin besteht der gesamte Witz generischen Wissens.
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Eine der Hauptschwierigkeiten sich in die Wissenschaften einzustudiren, worin diß Verfahren herrschend ist, beruht deßwegen auf dieser Verkehrtheit der Stellung, das als Grund voraus zu schicken, was in der That abgeleitet ist und indem zu den Folgen fortgegangen wird, in ihnen in der That erst den Grund jener seyn sollenden Gründe anzugeben. Es wird in der Darstellung mit den Gründen angefangen, sie werden als Principien ¦ und erste Begri=e in die Luft hingestellt; sie sind einfache Bestimmungen, ohne alle Nothwendigkeit an und für sich selbst; das Folgende soll auf sie gegründet werden. (305 f. | 108) Hegel scheint sich hier gegen das ›axiomatische‹ Verfahren auszusprechen, das »Prinzipien und erste Begri=e in die Luft« hinstellt und aus diesen die Phänomene durch Ableitung erklärt. So wären sie bloß »einfache Bestimmungen ohne alle Notwendigkeit an und für sich selbst«. Alles »Folgende soll auf sie gegründet werden«. Das Verfahren wäre tatsächlich schlecht, wären die Axiome und Prinzipien einfach willkürliche Glaubenssätze und nicht schwer erarbeitete Kernbestandteile einer Theorie als Satzsystem, das ein gesamtes begri=liches Geflecht erlaubter Defaultregeln des Schließens und damit generisches Wissen leicht lernbar macht. Die Frage nach der ›Notwendigkeit‹ und ›Begründung‹ der Axiome ist sicher eine wichtige Frage. Aber die folgende Antwort – die durchaus in die Nähe der Überlegungen Karl Poppers führt – ist nicht so abwegig, wie es Hegel erscheinen lässt: Die Axiome sind begründet dadurch, dass sich die richtigen Sätze aus ihnen durch gewisse Ableitungsregeln ergeben. Wer daher in dergleichen Wissenschaften eindringen will, muß damit anfangen sich jene Gründe zu inkulkiren; ein Geschäft, das der Vernunft sauer ankommt, weil sie Grundloses als Grundlage gelten lassen soll. Am besten kommt derjenige fort, der sich ohne vieles Nachdenken die Principien als gegebene gefallen läßt, und sie von nun an als Grundregeln seines Verstandes gebraucht. (306 | 108) Wieder ist richtig, dass wir wissenschaftlich kanonisiertes Wissen erst einmal lernen und uns einprägen, wobei Hegel ironisch davon spricht, dass das auch für die Gründe gilt. Nach der Begründung der Gründe bzw. angenommenen Formen der Verursachung zu fragen, ist etwas ganz anderes, als sie zu kennen und beherrschen zu ler-
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nen. Es ist daher wieder nur dialektische Rhetorik, wenn Hegel es so darstellt, als müsse man »Grundloses als Grundlage gelten lassen«. Hier begeht er den Fehler, die Perspektive zu vernachlässigen, aus der gesprochen wird: vom Schüler her, der erst eine Technik z. B. des Erklärens lernen soll, oder dem Wissenschaftler, der eine so gelehrte Technik kritisch prüft, also auf Fragen nach der Begründung der Gründe antwortet. Am besten lernt tatsächlich der, welcher nicht zu früh nach Begründungen der Gründe fragt, sondern ihren Gebrauch nur erst verstandesmäßig lernt. Wieder hätte sich Hegel seine Ironie sparen sollen. Ohne diese Methode kann man den Anfang nicht gewinnen; eben so wenig läßt sich ohne sie ein Fortgang ma|chen. Dieser aber hindert sich nun dadurch, daß in ihnen der Gegenstoß der Methode zum Vorschein kommt, die im Folgenden das Abgeleitete aufzeigen will, das aber in der That erst die Gründe zu jenen Voraussetzungen enthält. Ferner weil das Folgende sich als das Daseyn zeigt, aus welchem der Grund abgeleitet wurde, so gibt diß Verhältniß, in dem das Phänomen aufgeführt wird, ein Mistrauen gegen die Darstellung desselben; denn es zeigt sich nicht in seiner Unmittelbarkeit ausgedrükt, sondern als Beleg des Grundes. (306 | 108 f.) Hegel gibt zwar zu, dass man nur durch Lernen einen Anfang gewinnt. Er meint aber, der Fortgang des Wissens werde behindert dadurch, dass man das aus den Prinzipien oder Axiomen Abgeleitete empirisch aufzeigen will, obwohl es als Phänomen der Grund dafür war, die Ursache so und so anzusetzen und mit Dispositionen und Kräften so auszustatten, dass man das Phänomen als durch die Ursache verursacht darstellen kann. Wieder ist an Hegels Darstellung einiges dran. Nur müssen wir zwischen Einzelfall und generischem Fall unterscheiden. Letzterer ist so eingerichtet, dass viele Einzelfälle über bestimmte Bedingungen erklärbar und daher aus den Bedingungen sogar prognostizierbar werden. Insofern stammt zwar alles Wissen aus der Erfahrung, aber nicht aus meinen einzelnen Wahrnehmungen. Hegels Bedenken, der vermeintliche Zirkel, der ein Dasein (eine Erscheinung) aus einem Grund ableitet, der seinerseits als Erklärung für die Erscheinung gesucht wurde, würde »ein Misstrauen« gegen die Methode schüren, kann zurückgewiesen werden. Denn
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wieder führt der abduktive Schluss vom Einzelfall zum Allgemeinen, um sich in einer Ableitung aus den besonderen Bedingungen ableiten zu lassen: Gerade so gehen wir vor. Zirkulär wäre es nur, wenn es in der Theorie kein Allgemeines gäbe, sondern je nur einzelne Gründe (Ursachen) so gesetzt würden, dass die beobachtbaren Einzelphänomene sich tautologisch ableiten lassen. Weil aber dieser hinwieder aus jenem hergeleitet ist, verlangt man es vielmehr in seiner Unmittelbarkeit zu sehen, um den Grund aus ihm beurtheilen zu können. Man weiß daher in solcher Darstellung, worin das eigentlich Begründende als Abgeleitetes vorkommt, nicht, weder wie man mit dem Grunde, noch wie man mit dem Phänomen daran ist. Die Ungewißheit wird dadurch vermehrt, besonders wenn der Vortrag nicht streng consequent, sondern mehr ehrlich ist, daß sich allenthalben Spuren und Umstände des Phänomens verrathen, die auf Mehreres und oft ganz anderes hindeuten, als bloß in den Principien enthalten ist. (306 | 109) Wenn ich den Grund so konstruiert habe, dass er ausreicht, das Phänomen zu erklären, verlangt man wenigstens, dass dieses als Erscheinung relativ unmittelbar klar und deutlich beschrieben ist und nicht etwa partiell bloß aus dem gesetzten Grund abgeleitet ist. Denn sonst könnte man vom Phänomen her den Grund gar nicht als ›beste‹ oder auch nur ›zureichende‹ Erklärung beurteilen. Das aber unterstellt, dass die wahrnehmbaren Erscheinungen theorieund annahmefrei gegeben und beschreibbar sind – was zur Idee der unmittelbaren Konstatierungen führt. Solche Konstatierungen gibt es nicht. Es gibt, heißt das, keine Sachverhaltsbeschreibungen oder state-descriptions ohne jede theoretische bzw. begri=liche Zurechtstellungen. Anders gesagt, alle Aussagen und auch alle Wahrnehmungen sind schon inferentiell dicht. Wie immer wir dabei den Widerspruch zur Vorstellung unmittelbarer Empirie auflösen, es ist klar, dass Hegel auf dieses extrem wichtige Problem aufmerksam macht. Im Falle der Anerkennung der Theorieabhängigkeit der Erfahrung selbst, gemäß welcher z. B. das Gesehene sozusagen aus Prinzipien und Axiomen noch einmal hergeleitet werden muss, um beglaubigt zu werden, weiß man, so argumentiert Hegel, »weder wie man mit dem Grunde, noch wie man mit dem Phänomen dran ist«. Denn es tritt hier das zu
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Begründende als Abgeleitetes aus prinzipiellen Annahmen auf und sollte doch als Erscheinung gegeben sein, die wiederum als durch die theoretisch beschriebene wesenslogische Objektivität kausal bewirkt sein soll. Wiederum zeigt sich in diesem Punkt keineswegs bloß Hegel als verwirrt. Wir alle sind es, wenn wir hin und her schwanken zwischen der empiristischen Position, nach welcher die Phänomene die unmittelbare Realität im Dasein sind, welche durch die Theorie(n) nach dem Prinzip der ›Rettung der Phänomene‹ bloß epitomierend (d. h. bloß abkürzend) dargestellt werden sollen, so also, dass man viel über sie sagen kann, obwohl man nur wenige Sätze sagt. Andererseits soll die Theorie uns sagen, was wirklich objektiv existiert und dass wir uns bei der Beschreibung des Phänomens irren können, sodass der scheinbar unmittelbare Zugang zu den Erscheinungen bloßer Schein ist und die Theorie (z. B. der Physik) uns sagen soll, was es wirklich gibt, so wie ein Platonist (nicht Platon) an seine Ideen als allein wirklich glaubt und die wahrgenommenen Phänomene als bloß oberflächlichen Schein abtut. Der übliche Empirismus vertuscht seit Locke diese Ungewissheit, dieses Schwanken zwischen einem Phänomenalismus (etwa im Glauben an Sinnesdaten oder einen radikalen subjektiven Idealismus wie bei George Berkeley) und einem dogmatischen, freundlicher gesagt, vertrauensvollen Glauben an einen pythagoräistischen Physikalismus (wie wir ihn schon bei Thomas Hobbes finden und wie er sich bis zu W. V. O. Quine und David Armstrong durchzieht). Während Spinoza immerhin gefordert hatte, alle ›wissenschaftliche‹ Begründung rein durch logische Ableitung aus irgendwie intuitiv eingesehenen Prinzipien und Axiomen vorzuführen, so also, dass kein empirisches Zusatzwissen von der Seite beigefügt wird (eine Forderung, die er selbstverständlich keineswegs selbst erfüllt, weil sie gar nicht erfüllbar ist), geht man üblicherweise ganz treuherzig vor. Hegel sagt dazu, dass man dabei eher ehrlich, also gefühlsmäßig, als konsequent schließt und argumentiert, wobei sich »allenthalben Spuren . . . des Phänomens verraten«. Mit anderen Worten, von einer strengen kausalen Herleitung des Phänomens aus seinen theoretisch zu setzenden Ursachen als den objektiven Sachen hinter der Ebene der Erscheinungen kann gar keine Rede sein.
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Damit wird jetzt etwas klarer, dass Hegel die ganze Zeit tatsächlich über das Problem der theoretischen Erklärung von Phänomenen durch gesetzte Ursachen gesprochen hat – was zwischendurch manchem Leser fraglich geworden sein könnte. Zweitens müssen wir unsere Kritik an Hegels Newton-Kritik möglicherweise leicht modifizieren. Sie besagt am Ende nur, dass man fehlgeht, wenn man die Theorie als unmittelbare Aussage über objektive Ursachen liest, aus denen man die Phänomene herleiten und so kausal erklären könne. Denn in Wirklichkeit ist die theoretische Darstellung der Fälle, wie sie bei Galilei und in Keplers Planetenbewegung entwickelt ist, in Newtons Theorie genial zusammengefügt. Die beiden Theorieteile, die der Erdballistik und die der planetarischen Bewegungen, samt der für sie nötigen Kräfte oder Dispositionen in Abhängigkeit von den Massengrößen, bilden so eine Einheit. Hegel hat aber darin recht, dass es falsch wäre zu sagen, Newtons Theorie erkläre die ›wahren Gründe‹ der Geltung der Gleichungen Galileis und Keplers. Es werden diese idealgenerischen Darstellungen von Normalfallbewegungen (unter Absehung von Störungen wie Reibung etc.) nur in einer umfänglicheren Darstellung so zusammengefasst, dass sehr viele Bewegungen sich in ihr sehr schön und einfach in ihrer Grundform darstellen lassen. Der Denkfehler, den Hegel in den Fokus seiner manchmal beißenden Kritik nimmt, liegt also in den Mystifizierungen des Kraftbegri=s und der kausalen Ursache. Diese sind nicht als ontische Behauptungen über Sachen und Tatsachen jenseits der Erfahrung zu lesen, sondern als Momente der Form der Darstellung von sich wiederholenden oder wiederholbaren Erfahrungen. Hegels Position ist hier wohl noch ›kantischer‹ als die von Kant selbst, der ohne zureichenden Grund glaubt, dass alle Bewegungen und Veränderungsprozesse der erfahrbaren Welt sich im Prinzip in einer axiomatischen Physik deduktiv beziehungsweise kausal erklären ließen. Hegel sieht dagegen, dass dies eben nur für einige Bewegungsformen gilt, die zwar sehr schön und umfangreich sind, aber keineswegs alle Veränderungen der Sachen und Dinge der Welt wirklich kausal zu erklären vermögen. Die Verwirrung wird endlich noch größer, indem reflectirte, und bloß hypothetische Bestimmungen mit unmittelbaren Bestimmun-
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gen des Phänomens selbst vermischt werden, wenn jene auf eine Art ausgesprochen sind, als ob sie der unmittelbaren Erfahrung angehörten. So kann wohl mancher, der mit ehrlichem Glauben zu diesen Wissenschaften hinzutritt, der Meynung seyn, die Molecules, die leeren Zwischenräume, die Fliehkraft, der Aether, der vereinzeinte Lichtstrahl, die elektrische, magnetische Materie und noch eine Menge dergleichen seyen Dinge oder Verhältnisse, die, nach der Art, wie von ihnen als unmittelbaren Daseynsbestimmungen gesprochen wird, in der That in der Wahrnehmung vorhanden seyen. Sie dienen als erste Gründe für anderes, wer|den als Wirklichkeiten ausgesprochen, und zuversichtlich angewendet; man läßt sie auf guten Glauben hin dafür gelten, ehe man inne wird, daß sie vielmehr aus dem, was sie begründen sollen, geschlossene Bestimmungen, von einer unkritischen Reflexion abgeleitete Hypothesen und Erdichtungen sind. In der That befindet man sich in einer Art von Hexenkreise, worin Bestimmungen des Daseyns und Bestimmungen der Reflexion, Grund und Begründetes, Phänomene und Phantome in unaus¦geschiedener Gesellschaft durch einander laufen und gleichen Rang mit einander geniessen. (306 f. | 109 f.) Es gibt kaum einen Begri=, der im normalen Verständnis verwirrter wäre als der Begri= der Ursache. Das liegt nicht nur daran, dass zwischen den vier Momenten einer Formalursache, Hegels formellem Grund, einer Materialursache, Hegels Materie, einer mechanischen E;zienzursache, causa e;ciens, und einer Zweckursache, causa finalis, trotz der Vorarbeiten des Aristoteles bis heute nicht gemeinsam, kanonisch, unterschieden wird. Dabei sollte klar sein, dass in unseren Sprachen alle Fragen der Form »warum ist das so?« auf eine Weise beantwortet werden, die in reflexionslogischer Kommentarsprache als Angabe eines (angeblichen oder wirklichen) Grundes bzw. einer Ursache (aitia) dargestellt wird. O=enbar haben wir dabei – wie bisher auch der Text – noch gar nicht zwischen Grund und Ursache (ratio und causa, reason und cause) unterschieden. Eine kurze Rekapitulation der Unterscheidungen könnte daher hilfreich sein. Wenn wir einer Erscheinung auf den Grund gehen wollen und fragen, warum uns etwas so und so erscheint beziehungsweise warum etwas so und so aussieht oder überhaupt als Phänomen da ist,
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also nach dem Grund oder der Ursache eines Daseins fragen, zeigt häufig erst die Antwort, wie die Frage verstanden worden ist. Sage ich, dass etwas wie ein Kaninchen aussieht, weil es ein Kaninchen ist, oder etwas anderes wie ein Stuhl, weil es der Stuhl ist, den wir sehen, so geben wir eine Materialursache an, wobei sich das gesehene Objekt beziehungsweise die Sache (causa, ousia) gleich noch in Form und Sto= (Materie) aufspaltet. Die Artform als zweite Substanz macht den (generischen) Inhalt, das ›Innere‹ des Wesens des Kaninchens oder Stuhls aus. Die Dispositionen, Normalbewegungsformen, Fähigkeiten und Behandlungsmöglichkeiten werden ins Innere des Gegenstands gelegt, so wie man die Seele in den Leib versenkt. Man unterscheidet sie von den Äußerungen und den äußeren Gestalten, wobei wir sagen, dass das Innere das Äußere ›verursache‹, ›erwirke‹ oder ›bewirke‹. Wenn wir sagen, dass die Disposition zu schlafen bzw. zu attrahieren den Schlaf bzw. die Bewegung (oder ein Bewegungsmoment) in Richtung des anziehenden Gegenstandes verursache oder begründe, haben wir in der Tat nur erst eine ›tautologische‹ Formalursache angegeben. Dabei wird, wie gesehen, sogar die scheinbare Realerklärung, dass etwas aussieht wie eine Oase, weil es eine Oase ist, zur bloßen Formalursache, wenn der Unterschied zwischen faktivem Sehen und der Möglichkeit, das Gesehene könne eine Fata Morgana sein, schon als irrelevant ausgeschlossen ist oder ausgeschlossen werden kann. Daher kann eine Materialursache zu einer Formalursache werden und umgekehrt, je nachdem, ob ein möglicher Schein oder Irrtum ernsthaft zu reflektieren ist oder schon als aufgehoben gelten kann. Natürlich lassen sich Verursachungen und Wirkungen nicht einfach über die Objekte und ihre rein räumlich-relationale Ordnungsstruktur ›kausal‹ erklären, ohne dass man längst schon in das Innere der Dinge selbst bzw. in die Konstellationen der Dinge gewisse Kräfte oder eben Dispositionen gelegt hat, welche besagen, dass unter gewissen weiteren Bedingungen sich die Objekte so und so bewegen oder sie und die Raumkonstellationen sich so und so verändern. Das aber heißt, wie Hegel sieht, dass die statischen Konstellationen von Objekten bloß als Momente, sozusagen als momentane Zeitschnitte einer längst schon laufenden und zumeist als bekannt vorausgesetzten Bewegungs- und Entwicklungsform der Dinge und Konstellationen zu
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begreifen sind. Daher gibt es z. B. gar keinen Ruhezustand des Planetensystems. Man muss es nicht durch ›äußere‹ Kräfte in Bewegung setzen, wie das nicht etwa bloß Platon und Aristoteles zu der wunderbaren Hypothese eines ersten Bewegens führt, sondern versteckt auch noch in den modernen Hypostasierungen von in die Dinge gesetzten Tendenzen, Trieben, Kräften und Dispositionen nachwirkt. Es geht Hegel also darum, die gesamte Praxis der Zuschreibung von Wirkkräften, der Verlegung von Dispositionen in das Innere der Körperdinge, in ihrer wirklichen Gesamtform zu begreifen und nicht einfach das übliche Gerede nachzubeten, nach welchem es scheinbar klar sei, dass die Körper eben als Materie natürlicherweise diese oder jene Kräfte, Tendenzen, Neigungen, Strebungen haben. Dabei wird noch nicht einmal sinnkritisch zwischen bloß subjektiven, auch willkürlichen Setzungen bzw. Zuschreibungen einerseits und einer guten Setzung, einer wahren Zuschreibung beziehungsweise dem wirklichen Haben einer Kraft oder Fähigkeit unterschieden. Eben diese Unterscheidung aber gilt es so zu verstehen, wie wir schon im Fall des Fürsichseins gesehen haben, dass es nicht darum gehen kann, ein setzungsfreies Fürsichsein eines Dings an sich zu setzen, wie das Kant widersinnigerweise tut, sondern zwischen allzu ›subjektiven‹, perspektivischen Zugängen zu den Sachen und perspektiven-kovarianten, ›objektiven‹ Zugängen zu unterscheiden. Spätestens jetzt sollte Hegels Feststellung, dass jede Objektivität die Subjektivität der gemeinsamen Vernunft voraussetzt und in ihrer Gesetztheit eine Tat ›des Geistes‹ ist, begri=en sein. Sie ist keine merkwürdige metaphysische Behauptung oder ein spekulatives Weltbild wie bei George Berkeley, sondern registriert eine Selbstverständlichkeit. Der subjektive Idealismus Berkeleys ist nicht deswegen problematisch, weil er mit durchschlagenden Argumenten die Unaufhebbarkeit der subjektiv-empirischen Zugänge zur realen Welt betont hat, sondern weil er erstens die Rolle des Denkens in der Konstruktion ›objektiver‹ Gegenstände in ihrer perspektiveninvarianten (genauer: kovarianten) Allgemeinheit und Generizität unterschätzt, zweitens ein metaphysisches Weltbild statt einer reflexionslogischen Analyse unseres längst in sich reflektierten Redens über die endlichen Dinge in der
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Welt entwickelt. – Hegels Newtonkritik ist dann nicht etwa so zu lesen, dass er die Theorie kritisierte, sofern man sie als holistische Darstellung von Normalfallbewegungsformen mit lokalen Momenten liest, sondern die Selbst- und Fremdkommentare, welche die in die Körper gesetzten Kräfte hypostasieren und nicht als Momente einer möglichst zeit- und ortsallgemeinen Darstellung gewisser typischer Bewegungsformen der Ballistik auf der Erde und im Weltall der Sonnen und Planeten begreifen. Die Allgemeinheit von Hegels Analysen ist dazu allerdings selbst erst zu verstehen und als angemessen zu beurteilen. Die Verwirrung im objektstufigen Erklären, von der die vorliegende Passage spricht, bezieht sich darauf, dass die Leute generell generische Vorhersagen a priori und empirische Beobachtung a posteriori auf unentwirrbare Weise ineinander flechten, wenn sie z. B. einen Unfall so erklären, als hätte er mit Naturnotwendigkeit eintreten müssen. Man meint, zureichende ›Gründe‹ (Ursachen) angeben zu können, ohne irgend eine Kontingenz, einen empirischen Zufall, der nicht generisch miterklärt ist, zugeben zu müssen. Dabei werden hypothetische Gesetze mit post hoc vorgenommenen empirischen Tatsachenbeschreibungen vermischt. Und es werden allgemeine Gesetze oder nomologische Hypothesen so dargestellt, »als ob sie der unmittelbaren Erfahrung angehörten«. Bey dem formellen Geschäfte dieser Erklärungsweise aus Gründen, hört man zugleich auch wieder, alles Erklärens aus den wohlbekannten Kräften und Materien ungeachtet, sagen, daß wir das innre Wesen dieser Kräfte und Materien selbst nicht kennen. Es ist hierin nur das Geständniß zu sehen, daß dieses Begründen sich selbst völlig ungenügend ist; daß es selbst etwas ganz anderes fordere, als solche Gründe. Es ist dann nur nicht abzusehen, wozu sich denn diese Bemühung mit diesem Erklären gemacht, warum nicht das Andere gesucht, oder jenes Erklären wenigstens bey Seite gethan, und bey den einfachen Thatsachen stehen geblieben wird. (307 | 110) Die Inkohärenz oder gar innere Unwahrhaftigkeit der Rede von Erklärungen der ballistischen und planetarischen Bewegungen durch Kräfte, die man als den Massen proportional annimmt bzw. (nicht etwa zu Unrecht) über diese in ihrer Quantität definiert, zeigt sich darin, dass man einerseits sagt, die Newtonsche ›Mechanik‹ erkläre
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die Bewegungen e;zienzkausal, andererseits aber zugleich erklärt, dass man »das innere Wesen dieser Kräfte« und das Materielle an der Masse selbst (noch) nicht kenne. Hegel deutet dies als »Geständnis, . . . , dass dieses Begründen sich selbst völlig ungenügend« sei. Nun verweigert sich Newton aber unter dem Slogan »hypotheses non fingo« ganz mit Recht allen weiteren Erklärungen, sodass die Frage erneut auftritt, ob Hegel die Leistung Newtons erstens in der wesentlichen Verbesserung der Gesetze Galileis und Keplers und zweitens in der berechtigten Zurücknahme einer ›mechanischen‹ Erklärungsform über Druck und Stoß wie im Paradigma des Billardspiels wirklich angemessen gewürdigt hat. Der nächste Satz macht dem genauen Leser aber klar, dass Hegel nur gegen die Deutung der Newtonschen Gesetze als kausale Erklärungen protestiert, aber nichts dagegen hätte, wenn die Bescheidenheit des Erklärungsanspruchs wirklich ernst gemeint wäre und nicht dauernd vergessen würde. Denn dann könnte man »bei den einfachen Tatsachen« der sich reproduzierenden bzw. reproduzierbaren ballistischen und planetarischen Bewegungsformen stehen bleiben und bräuchte den Mythos oder Aberglauben von einer ›kausalen Erklärung‹ nach dem falschen Muster einer ohnehin unverstandenen »causa e;ciens« gar nicht zu bemühen. b. Der reale Grund Die Bestimmtheit des Grundes, ist, wie sich gezeigt hat, einestheils Bestimmtheit der Grundlage oder Inhaltsbestimmung; anderntheils das Andersseyn in der Grundbeziehung selbst, nemlich die Unterschiedenheit ihres Inhalts und der Form; die Beziehung von Grund und Begründetem verläuft sich als eine äusserliche | Form an dem Inhalt, der gegen diese Bestimmungen gleichgültig ist. – (307 | 110 f.) Ein Grund, der einer Erscheinung zugeordnet wird, ist bestimmt durch einen Inhalt, eine innere Form. Sie wird der Erscheinung als Grundlage (hypokeimenon, Substrat) zugeordnet, sofern sie materialisiert vorliegt. Der Inhalt wird bestimmt, wie Inhalte bestimmt werden, durch eine Äquivalenz der Inhaltsgleichheit auf einem System von Unterscheidungen, die teils Unterscheidungen von gegebenen Phänomenen selbst sind – also von Präsentationen des Äußeren der Grundlage, teils sprachliche oder diagrammatische bzw. archi-
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tektonische, grundsätzlich aber sprachartige Repräsentationen. Die Grundbeziehung, welche die naive Lehre von einer E;zienzkausalität bis heute nicht versteht, weil sie dem Ur-Bild von einem Druck und Stoß verfallen ist, ist eine Relation der Andersheit von Grund und Erscheinung, die keineswegs immer eine zeitliche Abfolge voraussetzt, wie Humes Abfolge-Vorstellung und Kausalität suggeriert. Die Angabe der ›Gründe‹ für die ballistischen Bewegungen in Newtons System bestehen in der (mathematischen) Beschreibung der allgemeinen Bewegungsform – unter der Bedingung der Massenzahlen. Von einer causa e;ciens kann hier nicht im normalen Sinn des Drucks und Stoßes gesprochen werden, wie die vorherige Anmerkung zeigt. Im Fall der Darstellung der Phänomene des Lebens nennen wir als Grund die generische Lebensform der Art, die Artform. Auf die Frage, warum die Spinne das Männchen nach der Begattung frisst, antworten wir zunächst: »Es ist eben so«, wie auch auf die Frage, warum Menschen nicht weit über 100 Jahre alt werden. Man kann dann noch etwas über das Altern der Zellen wissen und wie man das Altern hinauszögert. Am Ende aber steht ein: C’est la vie. Wir nennen es vielleicht auch reflexionslogisch eine große Tatsache, im Wissen um die kategoriale Di=erenz zu kleinen, empirischen Tatsachen, wie z. B. dem Ausbruch des Krakatau im 19. Jahrhundert. Als Form des Lebens der Gattung ist eine große Tatsache keine empirische Konstatierung, sondern eine generisch-begri=liche Voraussetzung dafür, dass etwas zur Gattung gehört und sich entsprechend im Normalfall verhält. Die Angabe des Grundes erklärt die Einzelerscheinung allgemein. Sich einfach mit irgendwelchen Sätzen zufrieden zu geben, ist o=enbar noch nicht einmal ein Glaube, sondern sieht nur so aus, hat nur die formale Äußerlichkeit zu einer Überzeugung. Natürlich lässt sich das der bloß formal Glaubende, der den Unterschied nicht beherrscht, ungern sagen. Die causa finalis ist Moment eines Grundes etwa dafür, dass ein Vogel zu seinem Nest fliegt. Er tut es, weil er seine Jungen zu füttern begehrt. Es ist das ein Trieb, wie wir den formalen Grund dafür nennen, dass der einzelne Vogel das tut, was Vögel seiner Art tun – und dabei etwa einen Kuckuck füttert. Hegels tiefe Einsicht ist hier,
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dass es die zeitlich ausgedehnten und sich wiederholenden oder tätig wiederholbaren Bewegungs- und Prozessformen sind, welche in allen sogenannten ›kausalen‹ Erklärungen die Grundlage abgeben, und dass sich die vier aristotelischen Gründe (Ursachen, aitiai, causae) nur danach unterscheiden, ob man die Gesamtform vom Anfang her charakterisiert (causa e;ciens) oder vom Ende her (causa finalis). Alle perfektiven oder fiktiven Darstellungen und Versprachlichungen lassen den Weg o=en und bestimmen eine Verhaltens- oder Handlungsform von der Erfüllung der Bedingung der guten (perfekten) ZielErreichung her. Dass die Wege zum Ende o=en sind, heißt, dass es viele äquivalente Weisen geben kann, das Ziel zu erreichen, wobei der Fall, dass das Ziel ein bewusster Zweck ist, der als der notwendigerweise sprachlich auf die eine oder andere Weise, laut oder leise vorher repräsentiert sein muss, ein ganz besonderer Fall des menschlichen Handelns ist. In der handlungsfreien Natur, also dem Geschehen jenseits menschlicher Intervention, gibt es keine (derartigen) Zwecke. Aber es gibt in der lebendigen Natur normale Endzustände von gerichteten Prozessen, wie z. B. im Füttern und der Aufzucht der Jungen im Tierreich, der Fortpflanzung von Leben auch im gesamten Bereich von Pflanzen und Organismen. Analoges gibt es sogar schon in der Kristallisation, der Sättigung einer Lösung oder der Gleichverteilung von Wärme (aufgrund von Di=usion). Eine Verlaufsform wird vom Beginn her beschrieben, wenn ein Anfangsstück ausreicht, um die Gesamtform zu charakterisieren und das erwartbare Ende zu skizzieren. Mit anderen Worten, nur wenn wir wissen, dass die Herstellung des Anfangsstücks einer Bewegung zu einem bestimmten Ende führt, können wir sinnvoll von einer causa e;ciens sprechen. Logisch gesehen ist daher die Teleologie, das Wissen um das regelmäßige Ende einer Anfangsbedingung, die Wahrheit des Mechanismus, wie Hegel in der Begri=slogik sagen wird. Das heißt, es kann keine causa e;ciens geben ohne Wissen um die causa finalis, die Bestimmung des Verlaufsprozesses durch sein erwartetes Ende. Dieses ist bedingt durch den Anfang. Das sollte als logischer Truismus anerkannt werden. Leider hört das Denken häufig schon vorher auf und begnügt sich mit der rein angelernten Doktrin, es gäbe
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in der Welt nur eine Wirkursache, die determiniert festlege, wie die Verläufe weitergehen. Dass die Suche nach solchen Wirkursachen das besondere Thema der Naturwissenschaften ist, soll nicht etwa geleugnet, sondern muss sogar hervorgehoben werden. Naiv ist nur zu glauben, die Suche sei immer im Prinzip erfolgreich, es läge nur an uns, wenn sie es nicht ist. Richtig ist zwar, dass nur der sucht, wer an den Erfolg glaubt, etwas zu finden. Die wohl anerkannte Tatsache, dass wir nie alles kausal erklären können, liegt dennoch nicht bloß am Mangel unseres beschränkten Wissens. Es ist absolut nicht trivial, zwischen der Suche nach einem Gegenstand, etwa nach einem verlorenen Schlüssel, von dem man weiß, dass es ihn gibt, und der Suche nach etwas, was es bloß möglicherweise gibt, zu unterscheiden. Der mythische Aberglaube des ›Kausalismus‹ besteht in der Doktrin, es sei prinzipiell möglich, für alles Geschehen in der Welt eine causa e;ciens zu finden. Der Fehler dieses Aberglaubens besteht ironischerweise darin, dass er die Vorgegebenheit der jeweiligen Enden allen Geschehens voraussetzt. Mit anderen Worten, man meint, es sei die Welt schon wie ein mehrdimensionaler holographischer Film abgedreht und es gälte nur noch, aus Anfangsstücken auf den Fortgang so zu schließen, dass wahre Prognosen im Sinn von wahren Aussagen über ein schon prädeterminiertes zukünftiges Geschehen gefolgert werden können. Das Bild, so suggestiv es ist, ist gemeinsamer Irrtum naturwissenschaftlicher und monotheistischer Weltanschauung. Im ersten Fall heißt er ›Prädeterminismus‹, im zweiten ›Prädestinationslehre‹. Um unseren Kommentar zu den aristotelischen vier Ursachen hier zu vervollständigen, muss nur noch einmal darauf verwiesen werden, dass die causa materialis das Moment betont, dass jede Form materielle Substrate braucht. In der Welt gibt es nur materialisierte Formen. Im Fall der Bewegungs- und Veränderungsformen von Dingen und Sachen haben daher immer auch die Bewegung und Veränderung von Materien, Sto=en, Teilen und Teilchen Berücksichtigung zu finden. Im Fall von Lebewesen fällt dies als Prozess des Sto=wechsels sozusagen ins Auge, ist also sonnenklar. Im Fall von nichtlebendigen Körpern und Sachen aber gibt es Zerfallserscheinungen wie Di=usion als eine
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Form physikalischer Repulsion. Verdichtungsphänomene wiederum haben die Form der Attraktion, wie bei der Entstehung von festen Großkörpern etwa aus interstellaren ›Nebeln‹ o. ä. Die konkrete Darstellung von Materialursachen ist ersichtlich sekundär zu den allgemeineren Formen der systematisch aufeinander bezogenen Dualität von Final- und Anfangsursache. Die Rede von einer Formalursache aber ist eigentlich Titel für die allgemeine Form von Grund und Erscheinung und damit für das, was Hegel ganz passend »Grundbeziehung« nennt. Im Ergebnis sehen wir, dass die vier Ursachen des Aristoteles Momente sind, die in jeder ursächlichen Erklärung von Erscheinungen auftreten, was eine absolut nichttriviale Einsicht ist, welche das überkommene deterministische Weltbild des Szientismus, des metaphysischen Glaubens der naturwissenschaftlichen Weltanschauung, in ihren Grundfesten so erschüttern müsste, gerade so wie die Einsicht, dass Mond und Sonne riesengroß sein müssen, die religiösen Mythen der Antike. Dass wir uns immer noch in der Lage eines Heraklit befinden, der nur durch dialektische Ironie den verfestigten Aberglauben seiner Zeit logisch bekämpfen konnte, sollte uns zu denken geben. Was der damalige Glaube an Helios oder den von Pferden gezogenen Sonnenwagen war, ist heute der Glaube an einen kausalen Determinismus bzw. der Glaube an ewige Gesetze der festen Bewegung kleinster Atome. Die wissenschaftliche Aufklärung nimmt die Einsicht, dass theologische Schöpfungslehren aus dem Nachdenken mythisch aussteigen, zum Anlass, selbst nicht weiter nachdenken zu müssen. Man sieht daher nicht, dass die eigenen Selbstplatzierungen der Physik und ihrer vermeintlich unbegrenzten Reichweite selbst mythisch sind. Jetzt erst können wir zurückkommen auf die Di=erenz zwischen Grund und Erscheinung, Ursache und Folge, die ›erklärende‹ Grundbeziehung und die Gleichgültigkeit oder Äquivalenz des Inhalts des Grundes gegen Variationen seiner äußerlichen Formen in Erscheinungen. Denn so, wie es Variationen der Wege gibt, die von einem Ausgangspunkt zu einem Zielpunkt führen, gibt es Variationen von Erscheinungsformen eines inhaltlich bestimmten Grundes. Das ist für Handlungsgründe ohnehin klar, da diese wesentlich auf ein vorab abgezwecktes, d. h. von mir vordefiniertes Ziel hin ausgerichtet sind.
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Es gilt aber auch für die Gründe, die wir im Fall von handlungsfreiem Geschehen besser terminologisch als Ursachen ansprechen, auch wenn man intuitiv sagt, dass auch Graugänse Dinge aus Gründen tun. Die Bestimmung der Ursache der Planetenbewegungen liegt im Inhalt der Keplergesetze. Diese kann man aber, wenn man unbedingt will, als bloß äußere Formen der Darstellung der Ursache ansehen. Den Inhalt der Gesetze kann man im System von Newton finden. Dieser Inhalt korrespondiert in der Ballistik und in den kosmischen Bewegungsformen verschiedenen äußeren Erscheinungen, wobei wir natürlich an Erscheinungsformen und nicht an bloß kontingenten Einzelheiten interessiert sind. Im Übrigen bleiben die Gesetze Galileis und Keplers in der Tat bloß ›deskriptiv‹, insofern sie die Rolle der Masse in der Gravitation noch nicht erkennen. Die Grenzen der Theorie sind uns aber, sofern wir nur aufmerksam genug sind, völlig klar. So sind z. B. die Explosion des Urknalls und die Implosion eines Schwarzen Loches keine Anwendungsfälle der Gravitationstheorie, so wenig wie die gesamte Optik und Elektrodynamik, obwohl am Ende überall der Begri= der Masse eine wichtige Rolle spielt. Die Entwicklung einer nicht bloß mythischen, also bloß narrativ erzählenden Reflexionssprache in einer Logik der Kausalität bedarf o=enbar großer Geduld, Erfahrung und Umsicht, die weit über das hinausgeht, was bisherige Leser Hegels aller Couleur zu investieren bereit oder in der Lage waren, um von den vielen Autoren einfacherer Kausalitätstheorien in der Nachfolge von Hume, Kant und besonders in der Analytischen Philosophie des 20. Jahrhunderts gar nicht zu sprechen. In der That aber sind beide einander nicht äusserlich; denn der Inhalt ist diß, die Identität des Grundes mit sich selbst im Begründeten, und des Begründeten im Grunde zu seyn. Die Seite des Grundes hat sich gezeigt, selbst ein Gesetztes, und die Seite des Begründeten, selbst Grund zu seyn; jede ist an ihr selbst diese Identität des Ganzen. Weil sie aber zugleich der Form angehören und ihre bestimmte Unterschiedenheit ausmachen, so ist jede in ihrer Bestimmtheit die Identität des Ganzen mit sich. Jede hat somit einen gegen die andere verschiedenen Inhalt. – Oder von Seite des Inhalts betrachtet, weil er die Identität als der Grundbeziehung mit sich ist, hat er wesent-
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lich diesen Formunterschied an ihm selbst, und ist als Grund ein anderer, denn als Begründetes. (307 | 111) Die Inhaltsbestimmung eines Grundes oder einer Ursache ist der Bestimmung ihrer Erscheinungsformen ganz o=enbar nicht rein äußerlich: Die Grundbeziehung zwischen Grund und Handlung bzw. Ursache und Prozessform ist eine begri=liche Beziehung. Analoges gilt für die Beziehung zwischen der Ellipsenform der Planetenbewegung und der Regel, dass der Durchlauf gleicher Sektorenflächen gleichen Zeiten entspricht, die sich hinter Hegels stenographischem Ausdruck verbirgt, dass die Zeitzahlen Wurzeln sind. Wir haben schon gesehen, dass Ursachen im Kontext der Gegenüberstellung von rezeptiv a posteriori gegebenen empirischen Erscheinungen und theoretischen Modellierungen apriorisch gesetzter Bewegungs- oder Prozessformen zu verstehen sind. Andererseits ist das, was in einer Theorie oder einem Modell als begründet gilt, als Grund für eine bedingte Folge-Erwartung und als Ursache für die zugehörigen Phänomene zu begreifen. Von der Erde her sehen Sonne, Mond und Planeten z. B. anders aus als von der Venus her. Der von Kopernikus vorgeschlagene und von Kepler an die realen Erscheinungen angepasste ›wahre Grund‹ wäre nicht ohne eine kluge theoretische (Re-)Konstruktion auffindbar gewesen, wie sie durchaus in der Nachfolge der Modellierungen bei Heraklit, Eudoxos, Platon oder viel später Ptolemaios steht. Insgesamt erweisen sich die als verlässlich, gut und wahr überprüften kausalen (oder dann auch handlungstheoretischen) Ursachen für die durch sie erklärten Folge-Erscheinungen als Teilmomente einer Gesamtdarstellung, einer »Identität des Ganzen«, nämlich generischer Gegenstands- und Prozessformen. Dabei haben Ursache und Phänomen, Grund und Handlung je verschiedenen Inhalt, gerade weil es sich um Momente einer Gesamtdarstellung handelt. Das sind im Grunde selbstverständliche Kommentare zur Form der Rede von Ursache und Erscheinung, Grund und zu ziehender Folgerung als dem Begründeten, das nicht bloß ein verbales Urteil, sondern auch eine nicht-verbale Handlung sein kann. Darin nun, daß Grund und Begründetes einen verschiedenen Inhalt haben, hat die Grundbeziehung aufgehört, eine formale zu
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seyn; der Rükgang in den Grund, und das Hervorgehen aus ihm zum Gesetzten ist nicht mehr die Tavtologie; der Grund ist realisirt. Man verlangt daher, wenn man nach einem Grund fragt, eigentlich für den Grund eine andere Inhaltsbestimmung als diejenige ist, nach deren Grund man fragt. (307 | 111) Brauchbar wird eine begri=lich festgesetzte Relation des ›schließenden‹ Übergangs von einem Grund zur Erwartung einer Erscheinung (bzw. von der Ursache auf das Folge-Phänomen) oder dann auch, umgekehrt, von einer Erscheinung auf den Grund als beste Erklärung gemäß der Grundbeziehung natürlich nur, wenn es zumindest gelegentlich, wenn nicht gar häufig oder immer, auch relativ unabhängige Möglichkeiten der Beurteilung des Bestehens des Grundes und dann auch der Folge gibt. Ein Grund ist im Erklärungsfall die äußere, weil unsere, Denkform der Ursache. Die Ursache ist ihr Inhalt. Gründe für Erwartungen und Schlüsse auf Folgen sind in der Sinnkonstitution der Rede von Ursachen vorgängig. Es gibt keinen direkten Zugang zu (bestimmten) Ursachen. Es bedarf der Vermittlung von Gründen. Das lässt sich nicht bezweifeln, sofern man es versteht. Man lässt sich nur leicht dadurch verwirren, dass man reflexionslogisch auf die Ebene der Rede über objektive Inhalte wechselt und im Fall wahrer Erklärungen, also im Erfolgsfall, sagt, dass es die Ursachen natürlich gibt. Dennoch zeigt sich hier das von Fichte mit Recht hervorgehobene Primat der Praxis und des Geistes: Ursachen sind in ihrer Bestimmung Inhalte von Gründen und auch alle guten Gründe, genauer, alle Bewertungsbedingungen von möglichen Gründen, sind von uns gesetzt. Wäre nun aber jede deskriptive Beschreibung einer Erscheinung schon völlig abhängig vom unterstellten theoretischen Grund, wie eine überschwängliche Deutung der richtigen Einsicht in die grundsätzliche Theorieabhängigkeit von Wahrnehmungsurteilen suggeriert, könnten wir die Richtigkeit der Grundbeziehung gar nicht mehr sinnkritisch kontrollieren. Wir haben aber normalerweise viele verschiedene ›Beschreibungen‹ der Phänomene, die, wie gesagt, relativ unabhängig von den vielen verschiedenen Darstellungen ihrer Gründe oder Ursachen sind. Im Fall von Keplers Gesetzen sind die Unterschiede nicht bloß die zwischen Modell und Realität. Diese gäbe es auch im Fall der eudoxisch-ptolemäischen Modellierung der Planeten-
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bewegung. Wir haben jetzt auch die Unterschiede der Beschreibung derselben Phänomene aus verschiedenen Perspektiven – vom Mond oder der Erde her oder eben der Sonne. Was man von den Leistungen des Kopernikus und Kepler bis heute Kindern erzählt, nämlich die ›Entdeckung‹, dass die Sonne das Zentrum des Planetensystems ist, ist eigentlich eine ganz irreführende Kolportage. Die Wahl des Perspektivenpunktes für die Beschreibung wäre als solche ganz irrelevant, wenn es nicht um die konkreten Koordinatentransformationen der Bewegungsgleichungen ginge. Um diese dingfest zu machen, ist die Wahl der Sonne als Zentrum der Betrachtung in der Tat entscheidend. Rein theoretisch hätte man das Zentrum auf einen beliebigen Planeten oder auch an einem sich beliebig im System bewegenden Satelliten verlegen können. Doch dann kann man, wie in der Epizyklentheorie, die Koordinatentransformationen nicht mehr angeben. Aber auch die Keplergleichungen reichen nicht aus, alle ›natürlichen‹ ballistischen Beschleunigungen sozusagen ohne technische Antriebe im Sonnensystem oder gar im gesamten Kosmos zu beschreiben. Denn es fehlt die funktionale Rolle der Masse. Nachdem Tycho de Brahes Beobachtungsdaten gegen Kopernikus zeigen, dass eine kreisförmige Bewegung der Planeten um die Sonne auszuschließen ist, lautete die zentrale Frage Keplers dennoch weiterhin so: Wie sieht die Bewegung der Erde von der Sonne her aus? Nicht also der dogmatische Glaube an die kopernikanische Idee, sondern die Übernahme von deren wesentlichem Inhalt bringt Kepler weiter – wobei er mit Galilei die Drehbewegung der Erde um die eigene Achse natürlich als haltbares, ja geradezu selbstverständliches, kopernikanisches Zwischenergebnis voraussetzt. Von hier her ist es immer noch ein großer, genialer Schritt zu den Keplergesetzen. Das Ergebnis ist jetzt aber kein absolutes mathematisches Wunder mehr. Aber auch im Falle von Handlungsgründen ist es absolut notwendig, von einer bloß tautologischen Beziehung zwischen den vorab zugeschriebenen Gründen, auch Neigungen, Maximen und Zwecken auf der einen Seite und den post hoc sich im Verhalten zeigenden Handlungsformen auf der anderen Seite zu unterscheiden. Donald Davidson macht dagegen in seiner Analyse der Tendenz nach aus jeder Rede von einer Absicht als Grund für eine Handlung einen Pa-
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piertiger. Denn nach der Tat kann man im Prinzip jedes Verhalten durch Zuschreibungen passender Absichten rationalisieren. Die Rede davon, dass es zuvor diese oder jene Absicht als wirklichen Grund gegeben habe, darf dann aber nicht als unklare Hypostasierung von Versicherungen ohne überprüfbaren Objektivitätsgehalt dargestellt werden. Wenn sich nur im realen Verhalten zeigen sollte, was das wirkliche Begehren war, sodass wir immer das am meisten begehren, was wir am Ende tun, dann gibt es unter der vagen Identifikation von Wollen und Begehren kein vom Tun unabhängiges ›Beabsichtigen‹ mehr. Es gäbe nur noch verbale Artikulationen möglicher Wünsche im Sinne von Prima-facie-Versicherungen sogenannter Pro-Attitüden (pro-attitudes). Welche dieser A-priori-Attitüden die stärkste ist, würde sich allein im Tun entscheiden. Die Rede von ihnen spielt dann, bei Daniel Dennett noch klarer als bei Davidson, nur noch eine Rolle bei der möglichen Vorhersage des Tuns. Wenn also einer so klug ist, den anderen häufig die ›richtigen‹ Absichten zuzuschreiben, dann wird er besonderen Erfolg haben bei der Vorhersage ihres Verhaltens. Analoges gilt am Ende für mich in Bezug auf mich: Meine wahren Gründe bzw. Absichten kenne ich, so legt dieses Bild nahe, dann am besten, wenn meine Prognosen und Erwartungen, was ich tun werde, sich regelmäßig erfüllen. Das Phänomen, dass ich mich häufig über mein Tun ärgere, weil der von mir verfolgte Wunsch nicht in Erfüllung gegangen ist, ändert nichts an der Tatsache, dass ich gemäß den stärksten Wünschen ›gehandelt‹ bzw. mich verhalten habe. Reue ist dann ein durchaus sinnloses Gefühl, so wie »des Willens Widerwillen gegen die Zeit und ihr ›es war‹«, wie Nietzsche den »Geist der Rache« durchaus scharfsinnig charakterisiert. In dieser Tradition steht auch noch Harry Frankfurt mit seiner Definition des Wollens als eines metastufigen Wunsches, diese oder jene verhaltensleitenden Wünsche wirklich zu haben. Wir sollten uns mit diesen ›Analysen‹ und ›Definitionen‹ durchaus nicht zufrieden geben, jedenfalls nicht ohne zu fragen, was ein Wunschwunsch der Art von Harry Frankfurt überhaupt sein soll und wie er sich von einem wirklichen Wollen jenseits der bloß verbalen Deklaration eines Wunsches (etwa auch: diese oder jene Person zu sein) unterscheidet. Kurz, der Verzicht auf Anerkennung der relati-
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ven Unabhängigkeit des wirklichen Habens eines Grundes von einer bloßen Zuschreibung bzw. einer Absicht im Wollen (über die ProAttitüde und das bloß verbale Wünschen hinaus) vom realen Tun lässt die Unterschiede zwischen Absicht und Wunsch, sogar zwischen Intention und Begierde, in sich zusammenfallen. Es implodiert oder verschwindet dann auch der Unterschied zwischen Grund und Verhaltung bzw. Verhaltung und Handlung. Hegel wird all das in der Rechtsphilosophie wieder aufgreifen.43 Diese Beziehung bestimmt sich nun weiter. Insofern nemlich ihre beide Seiten verschiedener Inhalt sind, sind sie gleichgültig gegen einander; jede ist eine unmittelbare mit sich identische Bestimmung. Ferner als Grund und Begründetes auf einander bezogen, ist der Grund das in dem Andern als in seinem Gesetztseyn ¦ in sich reflectirte; der Inhalt also, welchen die Seite des Grundes hat, ist eben so im Begründeten; dieses als | das Gesetzte hat nur in jenem seine Identität mit sich und sein Bestehen. Ausser diesem Inhalte des Grundes hat aber das Begründete nunmehr auch seinen eigenthümlichen, und ist somit die Einheit von einem zweyfachen Inhalt. Diese nun ist zwar als Einheit unterschiedener deren negative Einheit, aber weil es gegen einander gleichgültige Inhaltsbestimmungen sind, ist sie nur ihre leere, an ihr selbst inhaltslose Beziehung, nicht ihre Vermittlung; ein Eins oder Etwas als äusserliche Verknüpfung derselben. (307 f. | 111 f.) Hegels Wort »gleichgültig« ist notorisch zweideutig, da es mal Äquivalenz, mal Unabhängigkeit signalisiert. Hier geht es um die relative Unabhängigkeit eines Zugangs zu einem Grund (oft praeter hoc) und einer Erscheinung (oft als Folge post hoc). So beschreiben
Im Übergang von der Begierde zur Handlung (in der Phänomenologie des Geistes unter dem Titel »Arbeit«) und in den weiteren Passagen zur Herrschaft des Denkens und der Knechtschaft der Neigungen der hatte Hegel schon derartige Denkfehler thematisiert. Es ist hier nicht der Ort, das Beispiel weiter zu diskutieren. Es geht nur um die Betonung der Wichtigkeit der von Hegel geforderten relativen Unabhängigkeit gerade auch der generischen Inhalte im Wünschen bzw. Beabsichtigen von dem, womit man sich nachher zufriedengibt. 43
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wir z. B. die Geschwindigkeit, Richtung und die Stelle des Auftre=ens einer Billardkugel auf eine andere in gewissem Sinn unabhängig davon, wie sich beide nach dem Stoß weiterbewegen. Der Inhalt der Ursache erklärt aber durchaus den Inhalt der Folge, die jetzt sowohl als Folge der Ursache vorhergesagt als auch als beobachtbare Bewegungsform beschrieben werden kann – woraus sich allererst der Sinn der Grundbeziehung der Verursachung ergibt. Das ist nach meiner Lektüre der »zweifache Inhalt« des Begründeten. Die Frage, wie ein gesetzter Grund das Begründete ›erklärt‹, ist damit aber noch nicht voll erläutert. Es kann nach dem bisher Gesagten noch sein, dass es ›bloß zufällig‹ und ›äußerlich‹ so aussieht, als würde der Grund das Begründete bzw. die Ursache die Wirkung ›hervorbringen‹. Mit anderen Worten, Hegel nennt am Ende des Abschnitts das Problem, dass bloß statistische Korrelationen, sie mögen prima facie noch so überzeugend sein, in der Regel noch nicht gut genug sind. Wie aber begründen wir darüber hinaus, ob eine gesetzte Ursache wirklich Ursache ist? Und was ist ein wirklicher Grund im Handeln? Es ist also in der realen Grundbeziehung das doppelte vorhanden, einmal die Inhaltsbestimmung, welche Grund ist, in dem Gesetztseyn mit sich selbst continuirt, so daß sie das einfach identische des Grundes und Begründeten ausmacht; das Begründete enthält so den Grund vollkommen in sich, ihre Beziehung ist unterschiedslose wesentliche Gediegenheit. Was im Begründeten zu diesem einfachen Wesen noch hinzukommt, ist daher nur eine unwesentliche Form, äusserliche Inhaltsbestimmungen, die als solche vom Grunde frey, und eine unmittelbare Mannichfaltigkeit sind. Von diesem Unwesentlichen ist also jenes Wesentliche nicht der Grund, noch ist es Grund von der Beziehung beyder aufeinander in dem Begründeten. Es ist ein positiv identisches, das dem Begründeten inwohnt, aber sich darin in keinen Formunterschied setzt, sondern als sich auf sich selbst beziehender Inhalt gleichgültige positive Grundlage ist. – (308 | 112) Wenn wir die Grundbeziehung als ›Kausalrelation‹ oder ›UrsacheFolge-Beziehung‹ R U (A, B) notieren, so gibt es erstens unabhängige Charakterisierungen von A und B, wobei die von A den Grund
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bestimmt und die von B die ›Folge‹ oder besser die zu ›erklärende‹ Erscheinungsform. Zweitens wird A als Grund von B gesetzt. Die Geltung von R U (A, B) ist also zunächst eine Setzung. B ist als Erscheinungsform von A bestimmt, also gar nicht unabhängig von (oder gleichgültig zu) A. In dieser zweiten Hinsicht enthält B den Grund A ›vollkommen in sich‹ und die Beziehung R U (A, B) ›ist unterschiedslose wesentliche Gediegenheit‹. Die schwierige Phrase bedeutet wohl gerade, dass man Sätze, die eine solche Grundbeziehung artikulieren, wie etwa in »Wo gehobelt wird, fallen Späne« wie aus der Pistole geschossen reproduziert, um die Späne B als durch das Hobeln A kausal zu erklären. Unterstellt wird die ›Gediegenheit‹, d. h. die Verlässlichkeit der artikulierten ›Einheit‹. Wir hatten schon gesagt, dass das durch einen Grund Begründete eine Gegenstands- oder Verlaufsform ist, welche gewisse unwesentliche Variationen als äquivalente Ausprägungen erlaubt. Das Wesen oder Wesentliche ist die Form. Das ist bei Handlungen und zielbestimmten Prozessen klar: Häufig ist es egal, in welchen Reihenfolgen etwas getan wird. Es gibt möglicherweise viele äquivalente Teilhandlungen für die gleiche, häufig durch das zu erreichende Ziel bestimmte Gesamthandlung. Anderseits können Details wichtig werden. So hängen z. B. die Wirkungen eines Pistolenschusses von vielen Umständen ab. Von den unwesentlichen Variationen ist der angegebene Wesensgrund nicht der Grund. Hier bedarf es weiterer, feinerer ›Begründungen‹ und ›Verursachungen‹, die uns sagen, welche besondere Formausprägung das allgemein so und so Begründete noch zusätzlich hat, wie im Fall der Farbe etwa aufgrund der reflektierenden Oberfläche des beschienenen Dinges – oder der Brille vor meinen Augen. Man kann das auch so sagen: Die Grundbeziehung R U (A, B) verbindet nur generische Typen, nie Einzelereignisse. Das ist eine absolut nicht triviale logische Grundtatsache der Form ›kausaler‹ Erklärungen und dann auch der Angabe von Handlungsgründen. Die Vorstellung, die Relation R U sei eine Relation, die für individuelle ›Ereignistoken‹ definiert wäre, ist utopisch-idealistisches Hirngespinst. Schon die Vorstellung, es könne eine Bestimmung einzelner Ereignisse als Token geben, ist völlig leer, so wie die Vorstellung, es könne in der realen
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Welt unausgedehnte Raumzeitpunkte wie in der Mathematik geben. Was aber möglich ist, ist eine Verfeinerung der Grundbeziehung für Subpartitionen von A und B, sodass wir etwa das grüne Aussehen eines blauen Hundes über das Neonlicht oder über meine gelb getönte Brille erklären können. Fürs andere ist das mit dieser Grundlage im Etwas verknüpfte ein gleichgültiger Inhalt, aber als die unwesentliche Seite. Die Hauptsache ist die Beziehung der Grundlage und der unwesentlichen Mannichfaltigkeit. Diese Beziehung aber, weil die bezogenen Bestimmungen gleichgültiger Inhalt sind, ist auch nicht Grund; eine ist zwar als wesentlicher, das andere nur als unwesent|licher oder gesetzter Inhalt bestimmt, aber als sich auf sich beziehender Inhalt ist beyden diese Form äusserlich. Das Eins des Etwas, das ihre Beziehung ausmacht, ist deswegen nicht Formbeziehung, sondern nur ein äusserliches Band, das den unwesentlichen mannichfaltigen Inhalt nicht als gesetzten enthält; es ist also gleichfalls nur Grundlage. (308 | 112 f.) Die Form der Angabe von Ursachen ist eigentlich ganz bekannt und einfach, wenn man sich nicht durch den Perspektivenwechsel der Sprecherhaltung verwirren lässt, in der man von der performativassertorischen Angabe etwa einer Kausalerklärung von B durch A übergeht zur Rede von der Seite, oft aus der Anmaßung einer Gottesperspektive, nach welcher A als die Ursache für B ausgegeben wird: Man sagt damit, dass man B durch A erklären kann und sollte. Diese Erklärung bleibt erstens subjektiv und ist zweitens generisch. Der Einzelfall, der unter den Falltyp A fällt, erklärt daher nicht einen Einzelfall. Erklärt wird nur, dass der Folgefall unter den Falltyp B fällt. Aber ›erklären‹ wir die Bewegungsbahn eines Planeten, eines Geschosses oder einer Billardkugel nicht ›ganz genau‹? Berechnen wir nicht ›ganz exakt‹ die Ortspunkte, an denen sie sich zu einem gewissen Zeitpunkt befinden? Nun ja, wir erreichen in gewissen Sonderfällen wunderbare Genauigkeiten. Man beachte aber, dass alle ›Raumpunkte‹ je schon ausgedehnte Raumstellen sind, die noch dazu nur grob völlig unabhängig von der Betrachterperspektive bestimmbar sind. Das gilt erst recht für Zeitpunkte, die nicht nur je bloße ›Stellen‹ und dabei durch je ausgedehnte präsentische Prozes-
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se bestimmt sind, sondern auch noch das Problem haben, dass eine Gleichzeitigkeit an verschiedenen Orten nicht eindeutig definierbar ist. Zeitzahlen von ›Uhren‹ sind je lokal durch gegenwärtige physikalische Prozesse in Taktgebern bestimmt, die Synchronisierung von Ereignissen an anderen ›Orten‹ enthält dann immer eine konventionelle Entscheidung, so aber, dass wir einiges über die Umrechenbarkeiten je nach Bewegungsbahn der ›Uhren‹ wissen, z. B. dass alle Takte bei Beschleunigungen der Uhren oder Taktgeber gegenüber ›unbewegten‹ artgleichen Exemplaren langsamer werden. Eine Grundlage ist, sagt Hegel nun, im Unterschied zu einem zureichenden Grund bloß eine notwendige kausale Bedingung. Es kann auf Grund einer Grundlage noch ganz vieles geschehen. So ist eine Eichel Grundlage für das Wachsen einer Eiche. Aber sie ist bei weitem kein zureichender Grund dafür. Dennoch sprechen wir häufig etwas schlampig davon, dass eine Eichel ›die‹ oder wenigstens ›eine‹ Ursache dafür gewesen sei, dass hier eine Eiche steht. Es gibt eine Mannigfaltigkeit von Möglichkeiten, wie die gewachsene Eiche nachher aussieht, und nicht alle liegen an der Eichel. Sie ist ›Grundlage‹ nur im Rückblick auf die Eiche an sich, genauer, dafür, dass der Baum sich im Rahmen dessen entwickelt, was Eichen allgemein so tun, und dann auch dessen, was aus den Eicheln dieses Baumes sich entwickeln kann. Aber erst dann, wenn alles Nötige zusammenkommt, erhalten wir ›die Ursache‹ als zureichende Bedingung dafür, dass dieser Baum so wächst, wie er wächst. Der Grund, wie er als realer sich bestimmt, zerfällt hiemit um der Inhaltsverschiedenheit willen, die seine Realität ausmacht, in äusserliche Bestimmungen. Die beyden Beziehungen der wesentliche Inhalt, als die einfache unmittelbare Identität des Grundes und des Begründeten; und dann das Etwas, als die Beziehung des unterschiedenen Inhalts, sind zwey verschiedene Grundlagen; die mit sich identische Form des Grundes, daß Dasselbe das einemal als Wesentliches, das anderemal als Gesetztes sey, ist verschwunden; die Grundbeziehung ist so sich selbst äusserlich geworden. (308 | 113) Während wir in der Grundbeziehung R U (A, B) eine begri=lich notwendige Verbindung zwischen Typen von wesentlichen Sachen und Geschehnissen am Grund und Arten von Erscheinungsformen an
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der Oberfläche sehen konnten – etwa nach Art der Beziehung eines Tisches zu allen möglichen Weisen seines Aussehens oder seiner realen Brauchbarkeit als Tisch –, fällt im Falle eines realen Grundes vieles in die Kontingenz nicht allgemein erklärter Realbedingungen. Dass gerade ich im Lotto gewonnen habe, liegt an einer ›zufälligen‹ Übereinstimmung meiner Tippnummer mit den vom Zufallsautomat der Lottogesellschaft gezogenen Kugeln bzw. deren Aufschriften. Die volle Ursache des Ereignisses ist hier am Ende das Ergebnis selbst. Dass die Kugeln gezogen werden, dass ich getippt habe usf., sind notwendige Bedingungen. Es wäre aber verwegen anzunehmen, es gäbe hier eine vorab angebbare Grundbeziehung R U (A, B), welche uns auf allgemeine Weise die Ursache dafür darstellen könnte, dass die Zufallsmaschine nichts anderes zieht als meine Tippnummer. Im Realfall der Instanziierung von A durch a kann die Grundbeziehung, die als solche generisch ist, zu einer kontingenten Abfolge werden; es entsteht dann statt ein b des Typs B ein c eines unerwarteten, nicht vorhergesagten Typs C . Das Geschehen ›enthält‹ dann einen bloßen Zufall und stellt gar keinen Fall der Instanziierung der Beziehung R U von Ursache und Wirkung mehr dar, da wir ja angenommen hatten, dass R U (A, B) (generisch) gilt, nicht aber R U (A, C ). Es ist daher nun ein äusserlicher Grund, welcher verschiedenen Inhalt in Verknüpfung bringt und es bestimmt, welcher der Grund und welcher das durch ¦ ihn Gesetzte sey; in dem beyderseitigen Inhalte selbst liegt diese Bestimmung nicht. Der reale Grund ist daher Beziehung auf Anderes, einerseits des Inhalts auf andern Inhalt, andererseits der Grundbeziehung selbst (der Form) auf anderes, nemlich auf ein Unmittelbares, nicht durch sie Gesetztes. (308 f. | 113) Ein bloß äußerer Grund, eine bloß empirische ›Ursache‹, bringt also ganz unterschiedliche Inhalte in einen zum Teil kontingenten Ablauf – sodass hier von einer prognostischen Kausalerklärung überhaupt nicht mehr die Rede sein kann. Nur wenn die Erscheinungsform als das Begründete so allgemein ist, dass es sich allgemein aus ihrem Grund qua Inhalt (und Form) ergibt, kann sinnvoll von kausaler Erklärung bzw. einer bzw. der Ursache A von B gesprochen werden. Im Einzelfall kann an »dem beiderseitigen Inhalte selbst« die Bestimmung der Verursachung nicht liegen. Anders gesagt, ech-
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te Kausalerklärungen sind generisch, typisch, oft prototypisch oder idealtypisch und beruhen auf gesetzten normalbegri=lichen Verknüpfungen einer eher wesenslogischen Reflexionssprache mit einer eher oberflächlichen, ›deskriptiven‹ Sprache der Konstatierungen von Unterschieden im Dasein und seinen Erscheinungen. Völlig trennen lassen sich die Ebenen nicht. Anmerkung Die formelle Grundbeziehung enthält nur Einen Inhalt für Grund und Begründetes, in dieser Identität | liegt ihre Nothwendigkeit, aber zugleich ihre Tavtologie. Der reale Grund enthält einen verschiedenen Inhalt, damit tritt aber die Zufälligkeit und Aeusserlichkeit der Grundbeziehung ein. (309 | 113 f.) Die formelle Grundbeziehung wird als notwendig gesetzt und verbindet die Typen A und B so, dass B die zur Grundform A gehörige Erscheinungsform ist. Die Beziehung selbst ist eine begri=lich gesetzte ›Tautologie‹ – so wie Wittgenstein im Tractatus erklärt, dass alle scheinbaren Kausalerklärungen als logisch-begri=liche Beziehungen zu deuten sind. Man kann R U (A, B) also als ›begri=liche‹ Regel lesen: Wenn A, dann B. Man schließt von der Ursache auf die Wirkung. Wenn A als ›die‹ Ursache von B ansprechbar ist, gilt auch die Umkehrung: Wenn B, dann A. Hier schließt man von der Wirkung auf die Ursache, etwa aus Fußspuren auf Menschen, welche sie verursacht haben. Durch die Grundbeziehung können A und B auf begri=liche (›tautologische‹) Weise miteinander verbunden sein, so wie z. B. der Stein vor mir mit seinem Aussehen in diversen Perspektiven. Die reale, besondere Ursache einer realen, besonderen Folge lässt sich dennoch nicht durch eine allgemeine Grundbeziehung voll kausal erklären, da der Einzelfall in seinen vielen Besonderheiten zu den Variationen von A und B gehört. Man kann immer nur den Grund angeben, warum etwas von einem gewissen Typ passiert ist. Wenn man ›die‹ Ursache kennt, kann man sagen, was als Erscheinungsform typisch folgt. Damit sind die vielen Zufälligkeiten und Äußerlichkeiten der A- und B-Variationen natürlich noch nicht kausal erklärt. Eine ganz bestimmte Eichel mag ganz richtig (wenn auch lax genug) als
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›die‹ Ursache für diese Eiche hier angesprochen sein, ist aber noch lange nicht (zureichend) dafür, dass diese noch in 100 Jahren existiert. Einerseits ist dasjenige, was als das Wesentliche und deswegen als die Grundbestimmung betrachtet wird, nicht Grund der andern Bestimmungen, die mit ihr verknüpft sind. Andererseits ist es auch unbestimmt, welche von mehrern Inhaltsbestimmungen eines concreten Dinges als die wesentliche und als Grund angenommen werden soll; die Wahl ist daher zwischen ihnen frey. (309 | 114) Was wesentlich ist und was nicht, ist in gewissem Sinn in einem doppelten Sinn relativ. Erstens ist es relativ auf unsere Unterscheidungsinteressen und Relevanzbewertungen. Zweitens hängt es ab von den konkret bestimmten Nichtunterscheidungen oder groben Äquivalenzen bzw. Identifizierungen von Verschiedenem. Hier ist die Wahl von Sprecher und Hörer relativ frei, muss aber koordiniert werden, da man sich sonst missversteht. Wenn es für mich als Sprecher wesentlich ist zu sagen, dass Eichen nur aus Eicheln wachsen, kann ich die Eichel als Ursache der Eiche betrachten, obwohl natürlich noch viele weitere kausale Bedingungen hinzukommen müssen, damit aus einer Eichel ein Sprössling und aus diesem eine Eiche wächst. Wenn ich also sagen wollte, das bloße Vorhandensein der Eichel ist ›zureichender Grund‹ für die Eiche, so wäre das selbstverständlich falsch. Zureichende Gründe (Ursachen) gibt es nur unter Ceterisparibus-Bedingungen eines festen Rahmens guter Bedingungen, die als gegeben unterstellt werden. Ein ›wörtliches‹ Verständnis von Ursache-Wirkungs-Aussagen ist praktisch immer falsch. Es gibt sinnvollerweise nur grobe, generische Verständnisse, die eine charitable Kooperation zwischen Sprecher und Hörer voraussetzen. Auch die Angaben physikalischer Ursachen sind keineswegs ›völlig exakt‹. Die entsprechenden Kausalerklärungen sind auch immer nur mit erfahrener Urteilskraft in der Anwendung und nie rein schematisch zu verstehen. Von ihrer Grundform her sind naturwissenschaftliche Erklärungen noch nicht einmal wesentlich anders als geistes- und gesellschaftswissenschaftliche, nur setzen letztere mehr Wissen und wesentlich mehr Urteilskraft voraus und lassen sich, weil es um E=ekte kooperativen
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Handelns geht, nicht einfach instrumentell reproduzieren. Ansonsten aber sind die Fehler bei Missachtung kausalen Wissens analog: Wer in seiner Handlungsplanung nicht die physikalischen Gesetze, also unser Wissen, berücksichtigt, wird ebenso mit großer Gewissheit scheitern wie der, welcher in Politik und Ökonomie bloß Lotterie spielt und z. B. die Tendenzen in den Handlungen der Menschen nicht berücksichtigt, ihren eigenen Nutzen nicht aus den Augen zu lassen. Wer daher darauf setzt, dass jeder andere so ein Gutmensch ist wie er, der wird auf erwartbare Weise scheitern. Das instrumentelle und prognostische Kausal- und Erfahrungswissen der Naturwissenschaften unterscheidet sich von einem geistesund gesellschaftswissenschaftlichen Wissen aber natürlich darin, dass nur Menschen auf Inhalte reagieren, also etwa auf verbal vorgebrachte Gründe, Tiere und Dinge aber nicht. Die Kooperativität der Mitmenschen ist eine ganz besonders geartete Voraussetzung für ihr und unser Tun. Diesem Verständnis steht die überschwängliche Begeisterung für die ›Präzision‹ instrumentellen Wissens leider im Wege. Man übersieht dabei auch leicht die erreichten Leistungen im Bereich des Wissens um institutionelles Handeln und deren weit folgenreichere Bedeutung für das menschliche Leben, da es um Krieg und Frieden, Armut und Wohlstand durch Nichtzusammenarbeit oder Zusammenarbeit geht – wofür Technik und Naturwissenschaft bloß Vorbedingungen liefern, wie man wissen könnte, aber noch immer nicht zu wissen scheint. Denn sonst wäre der Aberglaube, nach dem es in Politik und Gesellschaft immer nur bergab geht und die Menschen nie aus ihren Fehlern im Bereich der Sittlichkeit und Staates lernen, als ebenso töricht durchschaubar wie der blinde Glaube an einen Fortschritt rein durch Technik. So ist in ersterer Rüksicht z. B. der Grund eines Hauses die Unterlage desselben; wodurch diese Grund ist, ist die der sinnlichen Materie inwohnende Schwere, das sowohl in dem Grunde als dem begründeten Hause schlechthin identische. Daß an der schweren Materie nun ein solcher Unterschied ist, wie der einer Unterlage und einer davon unterschiedenen Modification, wodurch sie eine Wohnung ausmacht, ist dem Schweren selbst vollkommen gleichgültig, seine Beziehung auf die andern Inhaltsbestimmungen des
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Zwecks, der Einrichtung des Hauses u. s. f. ist ihm äusserlich; es ist daher wohl Grundlage, aber nicht Grund derselben. (309 | 114) Eine Grundlage ist, wie schon gesagt, eine conditio sine qua non, also bloß notwendige Bedingung. In der Rede von dem Grund aber verweisen wir auf einen zureichenden Grund. Hegel unterscheidet entsprechend den Gesamtgrund für ein Haus vom bloßen Fundament. Und er setzt die Überlegung in ironischer Kritik an dem modernen Aberglauben fort, die Materie, die Atome und ihre Bewegungen, lieferte die Ursachen für alles und jedes in der Welt. Er sagt mit Recht, dass es der Materie völlig gleichgültig ist, ob sie am Ende als Wohnung dienen kann oder bloß ein Haufen Steine bleibt. Es sind unsere Zwecke, welche weitere notwendige Gründe dafür sind, dass eine Wohnung entsteht. Materielle, mechanische Prozesse liefern entsprechend Grundlagen für das Leben, aber nicht mehr. Noch nicht einmal Phänomene wie die Lichtausbreitung, die elektrodynamischen und elektromagnetischen Phänomene oder auch nur der Zusammenhalt fester Körper lassen sich durch Newtons Gravitationstheorie bzw. Körperbewegungsdynamik zureichend erklären, geschweige denn durch eine Druck- und Stoßmechanik. Die Schwere ist so sehr als Grund, daß ein Haus steht, auch Grund, daß ein Stein fällt; der Stein hat diesen Grund, die Schwere, in sich; aber daß er eine weitere Inhaltsbestimmung hat, wodurch er nicht bloß ein Schweres, sondern Stein ist, ist der Schwere äusserlich; es ist ferner durch ein anderes gesetzt, daß er von dem Körper vorher entfernt worden sey, auf welchen er fällt, wie auch die Zeit und der Raum und deren Beziehung, die Bewegung, ein anderer Inhalt als die Schwere sind, und ohne sie (wie man zu sprechen pflegt) vorgestellt werden können, folglich nicht wesentlich durch sie gesetzt sind. – (309 | 114) Auch die Schwere als Masse und damit als Gravitation ist nur notwendige Bedingung dafür, dass der Apfel vom Baum fällt oder ein Stein von einem Berg: Es muss zuvor der Stiel brüchig und der Stein aus dem Felsen herausgebrochen sein. Wenn wir die Schwere der Gravitationslehre über die Masse bestimmen, ist sie Ursache von Bewegung nur im Zusammenhang mit anderen Bestimmungen, z. B. den ›unbeschleunigten‹ (inertialen) Bewegungslinien in einer
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Raumzeit, welche die (lokale) Trägheit des Körpers (der Masse) als Bewegungsdisposition (in der Ballistik) theoretisch definieren. Hegel spricht hier etwas vage von Zeit und Raum. Sie ist auch so sehr Grund, daß ein Projectil die dem Fallen entgegengesetzte Wurfbewegung macht. – (309 | 114) Beim Fall eines Körpers auf die Erde spielt nicht seine Schwere, sondern die Masse der Erde (ihre Gravitation) die entscheidende Rolle. Auch wenn Hegels Formulierung etwas allzu gewollt ›dialektisch‹ klingen sollte, die dem »Fallen entgegengesetzte Wurfbewegung des Projektils« besagt, dass in der Ballistik dessen Schwere (Masse) gerade für die ›entgegengesetzte‹ Kraft verantwortlich ist: Je schwerer das Projektil ist (und je schneller es fliegt), desto ›träger‹ ist die Bewegungsbahn – und desto durchschlagender seine Kraft. Aus der Ver|schiedenheit der Bestimmungen, deren Grund sie ist, erhellt, daß ein Anderes zugleich erfordert wird, welches sie zum Grunde dieser oder einer andern Bestimmung macht. – Wenn von der Natur gesagt wird, daß sie der Grund der Welt ist, so ist das, was Natur genannt wird, einerseits eins mit der Welt, und die Welt nichts als die Natur selbst. Aber sie sind auch unterschieden, so daß die Natur mehr das Unbestimmte, oder wenigstens nur das in den allgemeinen Unterschieden, welche ¦ Gesetze sind, bestimmte, mit sich identische Wesen der Welt ist, und zur Natur, um Welt zu seyn, noch eine Mannichfaltigkeit von Bestimmungen äusserlich hinzukommt. Diese aber haben ihren Grund nicht in der Natur als solcher, sie ist vielmehr das gegen sie als Zufälligkeiten gleichgültige. – (309 f. | 114 f.) Hegels Formulierungen sind immer noch etwas schwerfällig und daher schwer zu verstehen, zumal das anaphorische Pronomen ›sie‹ weit zurück auf ›die Schwere‹ verweist. Hegel sagt hier, dass es verschiedene Bestimmungen der Schwere gibt: Die des Gewichts wird relativ verglichen auf der Erde durch Waagen als Instrumente des Gewichtsvergleichs und der Metrisierung von Gewicht. Man misst sie in Kilogramm etc. Die träge Masse aber wird verglichen durch den ›Impulssatz‹ – grob also dadurch, dass man ›misst‹, ›wie viel‹ an ›Kraft‹ erforderlich ist, um den Körper aus einer inertialen Bahn abzulenken. Praktisch lebensnäher ist o=enbar der Gewichtsvergleich –
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auch wenn der Vergleich der trägen Masse unabhängig ist von den Anziehungskräften der Erde und daher als ›exakter‹ erscheinen mag. Logisch gesehen ist in Erinnerung zu behalten, dass die Masse des Körpers für sein Verhalten beim Fall auf die Erde gar keine Rolle spielt, wohl aber für das ›träge‹ (›inertiale‹) Verhalten in der Ballistik. Das Produkt von Masse mal Geschwindigkeit, wie bei der Durchschlagskraft schon skizziert, definiert eine (lokale) Kraft. Wenn man in spekulativen Totalitätsaussagen die Natur (der Dinge) zum Grund der Welt macht, ergibt sich zum einen die triviale Identität von Natur und Welt, zum anderen, dass die Natur als das wesenslogische Pendant zur gesamten Welt aller Erscheinungen bloß erst das Unbestimmte, das gesetzartig vorgestellte Wesen der Welt der Phänomene ist. Jedes konkrete Gesetz muss sich als praktisch erfolgreich ausweisen. Die Vorstellung, man könne der Natur ein von einem Architektengott gesetztes System von Gesetzen, das uns im Detail noch unbekannt ist, als fix gegebenes unterschieben, ist ein metaphysischer Aberglaube. Seine Namen sind »Szientismus«, »wissenschaftliche Aufklärung« oder auch »Naturalismus«. Es ist dasselbe Verhältniß, wenn Gott als Grund der Natur bestimmt wird. (310 | 115) Hegel sagt hier mit vollem Recht, dass der Naturalismus von einem völlig gleichen Verhältnis zwischen seiner gesetzesartig vorgestellten Natur zu den Erscheinungen der Welt ausgeht, wie eine theologische Metaphysik, die im Rationalismus nur explizit gemacht wird. Dabei hat man »Gott als Grund der Natur« bestimmt oder mit Spinoza die Natur mit Gott identifiziert. Als Grund ist er ihr Wesen, sie enthält es in ihr und ist ein identisches mit ihm; aber sie hat noch eine weitere Mannichfaltigkeit, die von dem Grunde selbst unterschieden ist; sie ist das Dritte, worinn dieses beide Verschiedene verknüpft ist; jener Grund ist weder Grund der von ihm verschiedenen Mannichfaltigkeit noch seiner Verknüpfung mit ihr. Die Natur wird daher nicht aus Gott als dem Grunde erkannt, denn so wäre er nur ihr allgemeines Wesen, der sie nicht, wie sie bestimmtes Wesen und Natur ist, enthält. (310 | 115) Es ist von entscheidender Bedeutung für die Lektüre von Hegels
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Texten, den Status der jeweiligen Sätze in der Überlegung richtig zu platzieren. Nicht jeder Satz im Indikativ ist eine ›Behauptung‹ Hegels – im Grunde sogar gar keiner, da Hegel nichts behauptet, sondern nur an eigentliche Selbstverständlichkeiten erinnert. So ›behauptet‹ Hegel hier nicht etwa, dass Gott als Grund das Wesen der Natur sei. Sondern er sagt, dass in dieser Auffassung die Natur mit Gott identisch sei und dennoch von der Welt und Gott unterschieden werde. Das aber bedeutet, dass die abstrakte Rede von Gott uns nicht hilft, die Natur, das System der Gesetze im Geiste Gottes, des vorgestellten Weltarchitekten, zu erkennen, geschweige denn, die Gesetze zu formulieren. Gott fungiert also überhaupt nicht als Grund. Er ist ohnehin bestenfalls das formale Wesen der Welt der Erscheinungen. Hegel schlägt also vor, die traditionelle Dreiheit von Welt, Natur und Gott so zu deuten: Wer ›an die Welt‹ glaubt, orientiert sich bloß an präsentischen Erscheinungen. »Die Welt« oder auch das bloß »Irdische« und »Endliche« steht für eine Haltung zum Ganzen des Seins, für die es wie für das notwendigerweise autistische Tier nur die bisherigen und zukünftigen, zum Teil zu erwartenden eigenen Empfindungen, Wahrnehmungen und Gefühle gibt. »Die Natur« steht für den Gegenstand naturwissenschaftlichen Gesetzeswissens, mit dem man seit der Zeit des Thales und Anaximander den bloßen Erscheinungen auf den allgemeinen Grund gehen will, wie Heraklit und Parmenides in ihren frühen Wissenschaftsreflexionen für kompetente Leser schon klar machten. Die ›wissenschaftliche‹ Haltung zur Welt als Natur überschreitet immerhin als Programm die empiristische Haltung, welche das Leben des Tieres zum Muster des Verständnisses des Lebens der Menschen macht. Hier ist Anthropologie, Epistemologie und Kognitionswissenschaft sozusagen bloß erst angewandte Zoologie. Spinozas Slogan deus sive natura plädiert dagegen immerhin schon für eine holistische und wissenschaftliche, nicht empiristisch-behavioristische Betrachtung von Welt. Die naturwissenschaftliche Weltanschauung ist sozusagen Schöpfungsgeschichte ohne anthropomorphen Schöpfer. Der Mythos von einer Herstellung der Welt (in allen Erscheinungen) durch einen vermenschlichten Gott wird ersetzt durch die Geschichte einer Evolution
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von objektiver Natur samt ihren Formen und Gesetzen als Ursachen der von uns subjektiv rezipierten Erscheinungen. Hegel betont nun, dass das Ganze von Welt und Natur nicht einfach als spinozistische Substanz, als Großbereich von Gegenständen und deren Verhalten, immanent gesteuert durch ›ewige‹ Naturgesetze, verstanden werden darf, sondern auch als Subjekt. Das bedeutet, dass wir den Kontrast zwischen einer Bezugnahme auf Welt und Natur und dem Vollzug eigenen handelnden Tuns in diesen Bezugnahmen und den durch sie geleiteten weiteren Handlungen unbedingt mitberücksichtigen müssen, aber auch schon den Unterschied zwischen Leben im Vollzug und unseren Darstellungen der Lebensformen oder zwischen dem Sein der Welt im Vollzug und unseren Thematisierungen und Erklärungen der dabei relevanten Formen. Das ist eine Art Transformation der Ansätze des transzendentalen Idealismus Kants, dessen Grundidee bei Descartes beginnt, sich spurenartig im ›Empirismus‹ Berkeleys und Humes und im ›Rationalismus‹ bei Spinoza und Leibniz, nämlich in dessen Monadologie, erhalten hat. Die Gesetze, die wir der Natur zuschreiben und den Erscheinungen als Grund oder gar Ursache unterschieben, sind, wie Fichte klar sieht, von uns, als vom Geist, konstruiert, freilich in Anpassung an die Formen, die sich in den Erscheinungen erfahrenen Lebens gezeigt haben und weiter zeigen. Wissen und Wissenschaft sind reale Projekte der Menschheit, des Geistes, die im ersten Fall praktisch, im zweiten theoretisch den Erscheinungen auf den Grund gehen. Philosophie ist ihr Selbstbewusstsein, das Wissen um die Form und Geschichte, die formale Unendlichkeit und reale Endlichkeit nicht bloß des Projektes, sondern auch seiner Formidee. Hegels Philosophie anerkennt daher viel radikaler als Descartes und Kant die endliche Kontingenz aller Realität und Wirklichkeit – obwohl es ironischerweise eine Mehrheit von Interpreten gibt, welche aus ihrer unergründlichen Lektüre des Textes heraus meinen, Hegel habe jede Kontingenz, den Zufall, abgelehnt und wolle alles ›mit Notwendigkeit‹ aus einer Art Geist Gottes erklären. In Wahrheit erkennt Hegel, dass die ersatzlose Streichung Gottes bzw. des Geistes in der naturwissenschaftlichen Weltanschauung eine ideelle Tragödie ist. Denn es entsteht das höchst problematische Welt-
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und Menschenbild, das über Schopenhauer und Darwin nicht nur Nietzsche und den frühen Wittgenstein und damit die Intellektuellen des 20. Jahrhunderts gefangen hält, sondern auch einen sozialdarwinistischen Rassismus teils ›philosophisch‹ wie bei Rosenberg, teils ›wissenschaftlich‹ wie bei Gobineau und Chamberlain ›begründet‹. Darwins Ideen sind freilich für sich betrachtet nicht gefährlich, wie Dennett meint. Sie bedeuten bei rechtem Verständnis nur die absolut notwendige Anerkennung, dass die Biologie einen fest bestimmten Gegenstandsbereich mit einer einzigen Entstehungsgeschichte hat: Alles Lebendige ist, historisch gesehen, miteinander verwandt. Das wäre, wenn man sich trauen würde, es zu formulieren, das wahre Grundprinzip der Biologie. Als geschichtliches Prinzip unterscheidet es sich wesentlich von dem in manchem analogen ›Grundprinzip der Mechanik‹: Es gibt kein perpetuum mobile. Diese scheinbaren Umwege der Erläuterung sind nötig, um zu verstehen, was es heißt, dass Hegel die Rede von Gott als Sinnbild des (menschlichen) Geistes im Gesamt der (kooperativen) Vollzugsformen des Wissens und Handelns, der Wissenschaft und Praxis der Menschheit weiterhin für unbedingt nötig hält. Ohne sie kollabiert der empiristische Naturalismus in ein animalisches Weltbild: Der Mensch wird zu einem klugen Tier. Die Katastrophe dieses Weltbilds wird nur vertuscht durch eine sentimentale Moral, in der die Tierliebe zum obersten Gebot wird, und das nicht bloß auf rein dogmatische, sondern ganz und gar inkohärente Weise. Der physikalistische Naturalismus aber mystifiziert seine vorausgesetzten Naturgesetze und betrachtet am Ende die Menschen, also die Handelnden in der Wissenschaft und in aller anderen institutionellen Praxis, als bloße Objekte. Nur wenn wir die Identität von Geist, Gott und Menschheit begreifen, und zwar im Kontrast zu Natur, Gesetz und Tierheit, gelangen wir zu einem angemessenen Selbstwissen, einer no¯esis no¯ese¯os geistigen Selbstbewusstseins. Das Angeben von realen Gründen wird also um dieser Inhaltsverschiedenheit des Grundes oder eigentlich der Grundlage und dessen, was mit ihm im Begründeten verbunden ist, eben so sehr ein Formalismus, als der formale Grund selbst. In diesem ist der mit sich identische Inhalt gleichgültig gegen die Form; im realen |
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Grunde findet diß gleichfalls Statt. Dadurch ist nun ferner der Fall, daß er es nicht an ihm selbst enthält, welche der mannichfaltigen Bestimmungen als die wesentliche genommen werden soll. Etwas ist ein Concretes von solchen mannichfaltigen Bestimmungen, die sich gleich beständig und bleibend an ihm zeigen. Die eine kann daher so sehr wie die andere als Grund bestimmt werden; nemlich als die wesentliche, in Vergleichung mit welcher alsdenn die andere nur ein gesetztes sey. Es verbindet sich damit das vorhin erwähnte, daß, wenn eine Bestimmung vorhanden ist, die in einem Falle als Grund einer andern angesehen wird, daraus nicht folgt, daß diese andere in einem andern Falle oder überhaupt, mit ihr gesetzt sey. – (310 | 115 f.) Die Angabe eines realen Grundes für eine reale Sache im Dasein (a posteriori) besteht im Fall einer Verursachung darin, das ›wirkliche‹ Objekt oder den ›wirklichen‹ Prozess zu nennen, der die Sache hervorgebracht haben soll. Im Fall der Begründung einer Handlung besteht er in der Angabe einer wirklichen Absicht als einsehbarer (ggf. guter) Intention, welche das Verhalten bestimmt haben soll. Im Fall einer Institution betrachtet man die wirklichen Zwecke und zielführenden Mittel, welche die Anerkennungswürdigkeit der Praxisform ergeben sollen. Die Schwierigkeit besteht in den Alternativen und der prima facie willkürlichen Auszeichnung eines ›wirklichen‹ oder ›wesentlichen‹ Grundes bzw. der entsprechenden ›Ursache‹. Hegels Ausdrucksform ist zumindest ergänzungsbedürftig. Die Kritik am ›Formalismus‹ der Angabe von Gründen und Ursachen besteht erstens darin, dass zwischen der Form der Aussage »X ist Grund für Y « bzw. »X ist Ursache für Y « und der Geltung einer solchen Aussage bzw. Versicherung zu unterscheiden ist, wenn X und Y nicht bloß alternative Beschreibungen derselben und insofern inhaltsverschieden sind. Das gilt erst recht, wenn nicht genau genug zwischen Grund und Grundlage, also etwa einer wirklich zureichenden Ursache und bloß notwendigen ›kausalen Bedingungen‹, unterschieden wird, wie wir schon gesehen haben. Im Fall der Anwendung einer generischen ›Begründung‹ durch eine Regel der Form ›Nur wenn A auf der Wissensebene gegeben ist, findet B auf der Erscheinungsebene statt‹ auf einen im Dasein vorliegenden Einzelfall b tritt natürlich die Frage auf, ob b vom rechten Typ
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B ist, ob die Grundbeziehung R U (A, B) als begri=liche ›Identität‹ im Sinne der Lektüre der Regel in der Form »dann und nur dann« gesetzt und als solche geprüft oder anerkennbar ist und ob einer der möglichen Fälle a des Typs A wirklich ›vorliegt‹ – was immer das je konkret heißt. Besonders schwierig ist, dass die Grundbeziehung R U (A, B) beziehungsweise die oben genannte Regel im Allgemeinen nur generisch gilt, also kontingente Ausnahmen zulässt. Was ist nicht alles Ursache eines Sturmes in Bayern, am Ende der Flügelschlag eines Schmetterlings am Amazonas? Trotz aller mathematischen Katastrophentheorien ist der Gedanke sinnlos, da alle brauchbaren Begri=e der Verursachung robust sind. Bei Hegel ist entsprechend klar, dass die Frage, was als relevant und wesentlich zu bewerten ist, nicht sub specie aeternitatis zu beurteilen, sondern als Ergebnis der Suche nach ›besten Erklärungen‹ bzw. ›bestmöglichen‹ allgemeinen Orientierungen zu lesen ist. Wegen der immer zu berücksichtigenden Kontingenz von Einzelfällen kommt dabei die Frage nach ›der Ursache‹ an eine Grenze. Man kann nicht alles kontrollieren. Sagen wir, ein Unglück wäre nicht passiert, wenn der behandelnde Arzt anderes geurteilt hätte, so darf das nicht so gedeutet werden, als könnte man Regelungen tre=en, die solche Fälle ausschließen. Wenn daher z. B. die Depression eines Co-Piloten als ›Ursache‹ seines Verhaltens und damit eines Absturzes eines Flugzeugs genannt wird, so folgt weder, dass es nicht noch weitere notwendige Bedingungen (Grundlagen) gegeben hat und gegeben haben muss, noch, dass auch in anderen Fällen ähnliche Depressionen zu ähnlichen Katastrophen führen. Es ist im Prinzip ebenso möglich, dass ein psychisch völlig gesunder Pilot ›plötzlich‹ entscheidet, seinem Leben und den Insassen des Flugzeugs ein Ende zu setzen, wie dass auch Personen, die unter seelischen Problemen leiden, etwa aufgrund religiöser Überzeugungen sich und andere nie umbringen können – in einem wieder nur allgemeinen Sinn von ›können‹. Die Strafe z. B. hat die mannichfaltigen Bestimmungen, daß sie Wiedervergeltung, ferner abschreckendes Beyspiel, daß sie ein vom Gesetz zur Abschreckung angedrohtes, auch ein den Verbrecher zur Besinnung und Besserung bringendes ist. Jede dieser verschiedenen Bestimmungen ist als Grund der Strafe betrachtet worden, weil jede
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eine wesentliche Bestimmung ist, und dadurch die andern als von ihr unterschieden, gegen sie nur als Zufälliges bestimmt werden. Diejenige aber, die als Grund angenommen wird, ist noch nicht die ganze Strafe selbst; dieses Concrete enthält auch jene andern, die mit ihr darin nur verknüpft sind, ohne daß sie in ihr ihren Grund hätten. – (310 | 116) In der Debatte über den Grund der Strafe als Institution gibt es bekanntlich verschiedenste ›Theorien‹. Hegel nennt die Vergeltung, womit Strafe eine Form von Rache wird. Er unterscheidet das psychologisch wirksame abschreckende Beispiel von der Strafandrohung als Verschiebung der durchschnittlichen Nutzererwartung, die natürlich nur wirkt, wenn die abschreckende Drohung auch konsequent als Strafe umgesetzt wird, sofern man des Täters habhaft wird. Außerdem nennt er die Besserungstheorie: Strafe soll den Täter zur Besinnung bringen. Hegel betont, dass die Vorstellung provinziell ist, es gäbe für die Institution nur einen dieser Gründe als den wesentlichen, während die anderen bloß unwesentliche Nebengesichtspunkte seien. Die erste Theorie verlangt nach dem Motto ›Auge um Auge, Zahn um Zahn‹ besonders in institutionell schwachen Staaten wie den USA die Todesstrafe als Standardantwort auf Mord. Davon, dass statistisch diese Strafandrohung nur wenig abschreckt, lässt man sich dann ebenso wenig beeindrucken wie von anderen Argumenten. Die Strafe als psychologische Abschreckung widerspricht dem von Kant explizit gemachten Prinzip, dass niemand zum Instrument des Wohlseins anderer gemacht werden darf, auch kein Täter. Andererseits funktioniert Strafandrohung nur dann als Verschiebung der berechenbaren Auszahlungsmatrix zugunsten des Schutzes vor Verbrechen aus Eigennutz, wenn angekündigte Strafen auch ausgeführt werden. Zwar soll nicht die Strafe, sondern die Drohung abschrecken. Aber bedingte Strafandrohungen wirken nicht, wenn die Strafen nicht ausgeführt werden. Nietzsche argumentiert daher sophistisch, wenn er darauf hinweist, dass keine Strafe die Tat ungeschehen macht. Die generische Ebene wird damit ausgeblendet. Hegel betont daher zu Recht, dass die genannten Strafgründe und Straftheorien noch nicht angemessen begreifen, was »die ganze Strafe selbst« als Institution ist. Denn sie antwortet auf alle genannten Probleme und noch einige mehr.
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Oder ein Beamter hat Amts-Geschiklichkeit, steht als Individuum in Verwandschaft, hat diese und jene Bekanntschaft, einen besondern Charakter, war in diesen und jenen Umständen und Gelegenheiten, sich zu zeigen, u. s. f. Es kann jede dieser Eigenschaften Grund seyn, oder als solcher angesehen werden, daß er diß Amt hat; sie sind ein verschiedener Inhalt, der in einem Dritten verbunden ist; die ¦ Form, als das Wesentliche und als das Gesetzte gegeneinander bestimmt zu seyn, ist demsel|ben äusserlich. Jede dieser Eigenschaften ist dem Beamten wesentlich, weil er durch sie das bestimmte Individuum ist, welches er ist; insofern das Amt als eine äusserliche gesetzte Bestimmung betrachtet werden kann, kann jede gegen dieses als Grund bestimmt, aber auch selbst umgekehrt können jene als gesetzte, und das Amt als Grund derselben angesehen werden. Wie sie sich wirklich, d. h. im einzelnen Fall, verhalten, diß ist eine der Grundbeziehung und dem Inhalte selbst, äusserliche Bestimmung; es ist ein Drittes, was ihnen die Form von Grund und Begründetem ertheilt. (310 f. | 116 f.) Hegel betrachtet noch ein anderes höchst relevantes Beispiel. Beamte einer staatlichen Administration haben eine besondere Stellung in Staat und Gesellschaft, weil es professioneller Kenntnisse bedarf, so dass als Grund für die Stellenvergabe natürlich die personale Fähigkeit gelten soll, wie nicht etwa bloß Platon fordert, sondern sich etwa auch in den Institutionen der chinesischen Tradition zeigt. Dabei gibt es das Problem des Nepotismus, der familialen Seilschaften, neben den Problemen des Ehrgeizes, der Chancen enormer Bereicherung wie im Fall der römischen Administration (Prätor, Prokonsul). Auf die Frage, warum jemand eine Position (einen Posten) erhalten hat, gibt es daher ganz verschiedene ›Gründe‹ (Familie, Leistung, Charakter, Taktik, Frechheit usf.) Welcher Grund wesentlich ist oder war, ist häufig nicht durch Ausschluss der anderen zu bestimmten. Es ist daher anzuerkennen, dass alle politischen Beamten auch aus Eigennutz handeln, sich auch bereichern können, auch auf die eine oder andere Weise ›bestechlich‹ sind – und wenn auch nur durch populistische Zustimmung. Beamte sind also keine altruistischen Engel auf Erden. Wer daher im Misstrauen gegen ›die politische Kaste‹ die Gründe für deren Karriere und ihr Handeln nur auf eine Weise
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erklärt und z. B. die Notwendigkeit des Leistungswettbewerbs und der Konkurrenz um Zustimmung unterschätzt, hat schon seinen Blick auf die Institution willkürlich vereinigt – und personalisiert ein Problem, das mit der Form der Institution zu verbinden wäre. Hier wäre die Tatsache zu begreifen, dass Friede, Rechtsicherheit, Wohlstand durch koordinierte Kooperation, Freiheitsspielräume eigener Lebensplanung und Bildung zur bürgerlichen Person nicht ohne Anerkennung von Machtdi=erenzen, Gewinnmitnahmen, gewisse Formen der Selbstbedienung und ›Bestechlichkeit‹ real möglich sind. Den Staat braucht auch ein Volk von Teufeln, sagt Kant in passender Zusammenfassung der Gedanken von Hobbes. Es kommt dann aber darauf an, die Institutionen so einzurichten, dass das unvermeidliche Eigeninteresse derer, die nach Beamtenstellen streben oder welche sich, was am Ende dasselbe ist, als Unternehmer ökonomisch engagieren, ungefähr in die gleiche Richtung zeigt wie das Gemeininteresse. Kurz, es müssen die Institutionen so eingerichtet sein, dass das, was Bernard Mandeville und Adam Smith als unsichtbare Hand bloß unterstellen, erwartbar funktioniert und ö=entlich kontrollierbar bleibt. So kann überhaupt jedes Daseyn mancherley Gründe haben, jede seiner Inhaltsbestimmungen durchdringt als mit sich identisch das concrete Ganze, und läßt sich daher als wesentlich betrachten; den mancherley Rüksichten d. h. Bestimmungen, die ausser der Sache selbst liegen, ist um der Zufälligkeit der Verknüpfungsweise Thür und Thor unendlich aufgethan. – (311 | 117) Handlungen und Praxisformen, nicht anders als jedes Dasein, jeder Gegenstand und jeder Prozess als besonderes oder einzelnes Geschehnis können »mancherlei Gründe haben«. Teilgründe bzw. Teilursachen sind nie mit dem Vollgrund bzw. der ›wesentlichen‹ Vollursache blindlings zu identifizieren. Das ist der Grund, warum es in der Reflexion auf das Wesen einer Sache oder Erscheinung als Dasein (post hoc) und ihren Grund oder ihre Ursache einen ewigen Streit gibt: Jeder erklärt anderes als wesentlich, hauptsächlich relevant. Das ist nicht zufällig. Vielmehr ist die Ausdrucksform »X ist wesentlich dies« bzw. »X ist relevanter Grund für Y « immer auch als expressive Form willkürlicher Deklaration und Versicherung zu lesen. Diese werden dann häufig allzu schnell vom
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Sprecher wie Gegensprecher als ›neutrale‹, ›objektive‹ Aussage über ›das wahre Wesen‹ und ›den wahren Grund‹ gedeutet. Das Performative jeder dieser Aussagen darf aber nicht übersehen und der Inhalt nicht unmittelbar wie von der Seite, aus der Sicht Gottes, als wahr oder falsch beurteilt werden. Die O=enheit der verschiedenen Gesichtspunkte und Beurteilungen sind anzuerkennen. Die Anmaßung einer absoluten Beurteilungskompetenz beginnt schon da, wo man sich auf die Perspektivenwechsel gar nicht mehr einlässt. Ob ein Grund diese oder jene Folge habe, ist deßwegen eben so zufällig. Die moralischen Beweggründe z. B. sind wesentliche Bestimmungen der sittlichen Natur, aber das, was aus ihnen folgt, ist zugleich eine von ihnen verschiedene Aeusserlichkeit, die aus ihnen folgt, und auch nicht folgt; erst durch ein Drittes kommt sie zu ihnen hinzu. Genauer ist diß so zu nehmen, daß es der moralischen Bestimmung, wenn sie Grund ist, nicht zufällig sey, eine Folge oder ein Begründetes zu haben, aber ob sie überhaupt zum Grund gemacht werde oder nicht. (311 | 117) Hegels Anerkennung von Kontingenzen und einer Mannigfaltigkeit zu berücksichtigender Grundlagen, Gründe und Ursachen im schwachen Sinn wird sicher manchem Leser zu weit gehen – was dann aber im krassen Widerspruch steht zum Vorwurf, es gäbe für Hegel keinen Zufall und nur Notwendigkeit. Für uns scheint es zunächst ganz sinnlos zu sein zu sagen, »ob ein Grund diese oder jene Folge habe«, sei »zufällig«. Wenn A Ursache für B ist, so muss doch, so scheint es, B aufgrund von A eintreten, und wenn es nur zufällig eintritt, so war A kein ›Grund‹ (in Hegels Sinn, der Ursachen enthält). Doch Hegel hat recht. Da R U (A, B) nur generisch wahr ist, kann es Einzelfälle a des Typs A geben, auf die keine Erscheinungsform b des Typs B folgt – und umgekehrt, es kann Phänomene b des Typs B geben, die nicht durch die normalen Ursachen des Typs A verursacht sind. Hegel versucht das am Beispiel moralischer »Beweggründe« zu erläutern. So kann z. B. eine Person sich der strengen Befolgung utilitaristischer Maximen verschrieben haben und nach Kräften versuchen, im Handeln diese Maximen zu befolgen. Damit ist aber noch nicht ausgeschlossen, dass die Person nicht zu einem weit schlimmeren Tyrannen als Robespierre wird. ›Gute‹ moralische Maximen sind
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bestenfalls Grundlagen, notwendige Bedingungen, für ethisch gutes Handeln, keineswegs ausreichende Gründe. Das gilt z. B. auch für Kants bloß kohärentistische Moral, nach der man, grob gesagt, die Form des Handelns, die man sich selbst zugesteht, allen zugestehen soll. Eine solche moralische Maxime schließt bestimmte Formen des Handelns aus, etwa dass man sich erlaubt, was man anderen nicht erlauben würde, und damit auch ein reines Trittbrettfahrertum. Aber was man sich und anderen erlaubt, braucht damit noch lange nicht von den anderen als gut anerkannt sein – und ist dann eben noch immer moralisch schlecht. Daher kann »aus einem moralischen Beweggrund« im Sinn Kants eine gute Handlung resultieren – »oder auch nicht«, wie Hegel sagt: Allein da auch wieder der Inhalt, der ihre Folge ist, wenn sie zum Grund gemacht worden, die Natur der Aeusserlichkeit hat, kann er unmittelbar durch eine andere Aeusserlichkeit aufgehoben werden. Aus einem moralischen Beweggrunde kann also eine Handlung hervorgehen oder auch nicht. Umgekehrt kann eine Handlung mancherley | Gründe haben; sie enthält als ein Concretes mannichfaltige wesentliche Bestimmungen, deren jede deßwegen als Grund angegeben werden kann. Das Aufsuchen und Angeben von Gründen, worinn vornemlich das Räsonnement besteht, ist darum ein endloses Herumtreiben, das keine letzte Bestimmung enthält; es kann von allem und jeden einer und mehrere gute Gründe angegeben werden, so wie von seinem Entgegengesetzten, und es können eine Menge Gründe vorhanden seyn, ohne daß aus ihnen etwas erfolgt. (311 | 117 f.) Umgekehrt gibt es für jede Handlung sozusagen tausend Gründe. Man kann häufig nicht einfach einen der möglichen Gründe für ausschlaggebend erklären. Das gilt besonders für Zuschreibungen und Selbstzuschreibungen von Absichten. Hier entsteht die schon in der Phänomenologie des Geistes diskutierte Schwierigkeit, das Haben von Absichten von bloßen Zuschreibungen zu unterscheiden. Erst recht schwierig ist die Rede ›von der Seite‹ darüber, was für mögliche Gründe oder Ursachen ›es gibt‹. Denn dieses ›es gibt‹, dieses ›Vorhandensein‹ von Gründen, Ursachen und Absichten, bezieht sich
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bloß auf eine Rede über ›prinzipielle‹ Möglichkeiten, sogar zumeist aus einer angemaßten Gottesperspektive. Rein formallogisch kann es sein, dass ein völlig unbekanntes übermächtiges Wesen vor 4000 Jahren den Kosmos, die Sonne, die Erde, die Tiere und die Menschen in einer Woche erscha=en hat. Die formale Logik der Regeln für »nicht«, »und« und »für alle« schließt das ja nicht aus. Aber so etwas zu ›glauben‹, bedeutet, Beliebiges zu ›glauben‹, d. h. nichts wirklich zu glauben, noch irgendetwas zu wissen. Es ist bloßes Gerede, ein Festhalten an Wörtern ohne Sinn, Verstand und Vernunft. Nicht wesentlich anders aber steht es um den ›Glauben‹, dass es doch auch sein könnte, dass alle meine und deine Handlungen durch ewige Gesetze der Natur und irgendwie determinierte Hirnströme verursacht wurden, wir also nur meinen, unter Absichten und Zwecken, moralischen Maximen und einem Wissen über Möglichkeiten und Wirklichkeiten frei gehandelt zu haben oder weiter so zu handeln. Beide Fälle sind Weigerungen, ein breites Wissen als Voraussetzungen sinnvoller Einschätzungen von Möglichkeiten anzuerkennen, also Mischungen von Unbildung, Inkompetenz und Rechthaberei – gerade in Bezug auf das formal in der Tat willkürfreie Urteil über alles und jedes. Ironischerweise urteilt der freie Glaube an den Determinismus, dass das Wort »frei« leer sei. Es gibt nach diesem Glauben noch nicht einmal einen (ausreichend klaren) Unterschied zwischen bloßen Widerfahrnissen, automatischen Verhaltungen und geplanten und zu verantwortenden Handlungen. Man kann sich aber an Sätzen auch formal festhalten, ohne zu prüfen, ob man sich auch im praktischen Unterscheiden und Folgern, Urteilen und Bewerten an ihnen kohärent orientiert. Es ist daher häufig gar nicht klar, was die Leute inhaltlich und inferentiell sagen, wenn sie von sich erklären, etwas zu glauben. Aber gerade auch die Smartheit eines Sophisten steht in klarem Widerspruch zur nötigen dialektischen Weisheit ›des Philosophen‹, d. h. jedes ernsten Wissenschaftlers und robusten, realistischen, nicht idealistischen Logikers. Dass Hegel selbst so urteilt, macht die folgende Passage klar: Was Socrates und Plato Sophisterey nennen, ist nichts anderes als das Raisonnement aus Gründen; Plato setzt demselben die Betrach-
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tung der Idee, d. h. der Sache an und für sich selbst, oder in ihrem Begri=e entgegen. Die Gründe sind nur von wesentlichen Inhaltsbestimmungen, Verhältnissen und Rüksichten genommen, deren jede Sache, gerade wie auch ihr Gegentheil, mehrere hat; in ihrer Form der Wesentlichkeit gilt die eine so gut als die andere; weil sie nicht den ganzen Umfang der Sache enthält, ist sie einseitiger Grund, deren die andern besondern Seiten wieder besondere ¦ haben, und wovon keiner die Sache, welche ihre Verknüpfung ausmacht und sie alle enthält, erschöpft; keiner ist zureichender Grund, d. h. der Begri=. (311 f. | 118) Platon definiert im Sophist¯es den Sophisten rein negativ als mangelhaften Wissenschaftler, auch wenn das nicht immer klar begri=en wird, weil man meint, ein Sophist sei durch Merkmale positiv definiert. Dabei nennt er diverse Mängel wie eine formalistische Logik, konformistischen Populismus, Eigennutz und Eigeninteresse der Protagonisten sowie eine Rhetorik der Überredung oder der Selbstüberschätzung, gerade nach ein paar wirklichen Leistungen. Hegel verweist hier auf ein urteilsschwaches »Raisonnement aus Gründen« und erklärt, Platon setzte dem »die Betrachtung der Idee, d. h. der Sache an und für sich selbst oder in ihrem Begri=e entgegen«. Was besagt das? Wie ist der Kontrast zu begreifen? Verstehen wir die Sache an und für sich selbst nicht gerade dann und dadurch, dass wir ihre Ursachen beziehungsweise Gründe kennen? Und was soll es heißen, dass nur der Begri= zureichender Grund ist? Beweist hier Hegel nicht, dass er platonistischer Idealist ist, der glaubt, dass die wirklichen Sachen und Dinge der Welt Formen, Ideen, Begri=e sind, also geistige Entitäten, während die ›bloßen‹ Erscheinungen ›unwahr‹ und ›unwirklich‹ seien, sodass eine Hinterwelt zur Wirklichkeit und Welt der Erscheinungen angeblich bloße Täuschung sein soll? Wie Hegels Gedanken hier zu verstehen sind, ist o=enbar nicht einfach zu rekonstruieren. Das Problem ist gerade die Di=erenz zwischen Allgemeinem und Einzelnem und die Einsicht, dass alles Wissen generisch ist, auch empirisches Wissen über Einzelsachen. Die Folge ist, dass wir zwischen begri=lich kanonisierten generischen Gründen bzw. Ursachen und der Reflexion auf mögliche Gründe oder Ursachen für Einzelsachen unter-
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scheiden müssen, wobei wir die Möglichkeiten von Kontingenz und Zufall noch zusätzlich berücksichtigen müssen. Eine Sache an und für sich ist also je nur ein hinreichend prototypischer Fall eines begri=lich allgemein bestimmen Falltyps, ein hinreichend gutes Exemplar einer Art oder Gattung mit hinreichend guten Eigenschaften, die es allererst zu einem ›wahren‹ Exemplar des Genus machen. Auch die Wahrheit einer Aussage ist von diesem Typ. Wahr ist eine Aussage, wenn die zugehörige Sache, der Sachverhalt, ein guter Fall des allgemeinen Inhalts, der ausgesagten Form ist. Wenn wir sagen, dass eine Tatsache sei, was der Fall ist, so lesen wir den Einzelfall als hinreichend unter den Falltyp fallend. Die Kritik am sophistischen Raisonnement über Gründe ist also so zu verstehen, dass die Sophisten empirische einzelne Tatsachen und Einzelphänomene je hier und jetzt schematisch gegen allgemeine Gründe oder Ursachen stellen, ohne zwischen Normalfall und Ausnahme zu unterscheiden. Oder sie nehmen formale Möglichkeiten allzu ernst. Oder sie lassen sich nur auf interne Widerlegungen ein, verlangen also, dass man willkürliche Meinungen als unmöglich widerlegen soll, was häufig unmöglich ist, weil der Glaube frei ist. Andererseits reichen auch Einzelfälle oder Gegenbeispiele nicht aus, um allgemeine Wahrheiten zu widerlegen, auch wenn Karl Popper das meint. Diese sind aber auch nicht in einer induktiven Logik oder Statistik unmittelbar zu begründen, wie Rudolf Carnap glaubt. Die einzige ›Notwendigkeit‹, die es gibt, ist die der kanonischen Setzungen di=erentieller Inferenzen auf der sprachlich-begri=lichen Ebene. Der Glaube an einen notwendigen Kausalnexus zwischen Einzeltatsachen ist der Aberglaube, wie Wittgenstein im Tractatus richtig, aber mit einer falschen Begründung, sagt. Die Gründe, welche in der Sophistik als einer unzureichenden Wissenschaft den einzelnen Geschehnissen als Ursachen bzw. den Einzelhandlungen als Absichten zugesprochen werden, sind keine zureichenden begri=lichen Bestimmungen der Sache, sondern bloße Grundlagen, vielleicht generisch notwendige Bedingungen, von denen es aber sehr viele gibt. Es ist falsch, nur eine von ihnen zu der (wesentlichen) Ursache oder dem eigentlichen Grund zu erklären, so wie z. B. die Anzahl der Synapsen und in bildgebenden Verfahren sichtbar
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gemachten Ströme im Gehirn keine zureichenden Ursachen für ein inhaltlich, begri=lich bestimmtes Denken, Urteilen und Handeln ist. Ein typischer Fehler eines Sophisten ist z. B. das Urteil des Protagoras, der Mensch sei das Maß aller Dinge, in der empiristischen Lesart, jeder von uns sei als Einzelner dieses Maß, statt in der viel schwierigeren Bedeutung, dass der Geist, die generische Menschheit, die als solche gewisse allgemeine Formen der Vernunft verfolgt, Geltungsbedingungen setzt und beurteilt – sodass wir sie nicht mit einer Menge von Einzelindividuen identifizieren dürfen. Aber auch die Argumentationen eines Kallikles, die darauf setzen, dass ein zufällig Stärkerer und Clevererer die Macht habe, sodass ein Gyges sich durchsetzt und der ›Tugendhafte‹ immer der ›Dumme‹ sei, verkennen, dass das manchmal passieren mag – und als immer möglich sogar anerkannt werden muss –, dass aber im Allgemeinen etwas ganz anderes gilt und zu erwarten ist, sodass es nicht anzuraten ist, durch ›Unrecht‹ Macht durchsetzen zu wollen.
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c. Der vollständige Grund 1. Im realen Grunde sind der Grund als Inhalt, und als Beziehung, nur Grundlagen. Jener ist nur gesetzt als wesentlich und als Grund; die Beziehung ist das Etwas des Begründeten, als das unbestimmte Substrat eines verschiedenen Inhalts, eine Verknüpfung desselben, die nicht seine eigne Reflexion, sondern eine | äusserliche und somit nur eine gesetzte ist. (312 | 118 f.) Nur der vollständige Grund ist ein hinreichender Grund. Die kolloquiale Rede von Gründen und Ursachen verweist bloß auf Grundlagen bzw. kausal notwendige Bedingungen, wie oben schon an Beispielen vorgeführt worden ist. Wir müssen also in der Tat, wie es Hegel vorschlägt, zwischen begri=lichen und realen, allgemeinen und ›konkretisierten‹ bzw. ›empirischen‹ Gründen bzw. Ursachen unterscheiden. Dann wird klar, dass das eben diskutierte Problem die ›realen‹, ›empirischen‹ Gründe oder Ursachen betraf, nicht die allgemeinen, begri=lichen, welche Formen und Typen miteinander durch kanonische Setzungen verbinden. Diese sagen, was ›theoretisch notwendig‹ folgt, nicht etwa, was in jedem Einzelfall gilt. Sie sind mit bestimmender und reflektierender Urteilskraft und in Ver-
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antwortung der Anwender der Begri=e bzw. theoretischen Modelle auf je besondere Einzelfälle anzuwenden. Mit anderen Worten, die Notwendigkeit begri=licher Inferenzen betri=t zunächst nur die Technik ihrer Anwendung – sodass nur der das »und« versteht, der aus ›p und q ‹ sowohl p als auch q folgert, aus ›x ist ein Junggeselle‹ ›x ist unverheiratet‹ und aus ›x ist kreisförmig‹ etwa: ›Es gibt einen Mittelpunkt‹. Im realen Fall gibt es nur Grundlagen, nur notwendige Bedingungen. Das ist so, weil ein zureichender Grund nur darin bestehen kann, dass die möglicherweise partiell kontingente Tatsache schon in den Grund aufgenommen ist. Aus bloß Allgemeinem und früherem Geschehen ›folgt‹ nur das ›mit Notwendigkeit‹, was auf der allgemeinen Ebene folgt – was dann aber voraussetzt, dass die generisch-theoretische Wesensdarstellung des vorlaufenden Ereignisses schon richtig war. Noch genauer gilt: Da die wesenhafte Darstellung des realen Grundes in aller Regel dispositionelle Zuschreibungen, welche auf die Zukunft verweisen, schon mitenthält, entscheidet sich oft erst post hoc, welcher Grund vorgelegen hatte, sodass es mit einer ›absolut sicheren‹ Vorhersage schon deswegen nicht weit her ist, weil schon ein Satz wie »Es ist Milch im Kühlschrank« nicht anders als »Das ist ein Feuerlöscher« nur dann ›wahr‹ ist, wenn das, was wir aus ihm für die Zukunft folgern, wahr sein wird. Der inferentielle Überschuss im begri=lichen Normalfallschließen, der über präsentische Kriterien des Di=erenzierens immer schon hinausweist, begründet die grundsätzliche Fallibilität von empirischen Urteilen. Eben daher ist es auch ein utopischer Traum, die Zukunft ›exakt‹ vorhersagen zu wollen. Exakt kann man nur mit Symbolen rechnen. Freilich sind manche Erwartungen und Vorhersagen mindestens so sicher wie der Schluss von meiner Prüfung der Flüssigkeit im Kühlschrank durch Augenschein, Geruch und Geschmack auf »es ist Milch«. Für pragmatische Zwecke ist das ganz ausreichend. Die reale Grundbeziehung ist daher vielmehr der Grund als aufgehobener; sie macht somit vielmehr die Seite des Begründeten oder des Gesetztseyns aus. Als Gesetztseyn aber ist nun der Grund selbst in seinen Grund zurückgegangen; er ist nun ein Begründetes, das einen andern Grund hat. (312 | 119)
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Die reale Grundbeziehung ist die der bloß epiphänomenalen Folge R U ∗ (a, b) zwischen empirischen Erscheinungen a (hier und jetzt) und b (gleich darauf). Dabei soll der generisch-begri=liche Fall R U (A, B) zwischen passenden Typen oder Formen ›aufgehoben‹ sein. Das aber bedeutet, dass in R U ∗ (a, b) das a schon als Fall von A und das b als Fall von B gesetzt ist, also die Erscheinung b vom Typ B durch ein unterstelltes Wesen a vom Typ A ›erklärt‹ wird. Da aber ein A zu sein nur im Normalfall sicherstellt, dass ein b vom Typ B folgt, liegt nur eine Grundlage, eine relativ zur generischen Bestimmung A resp. B notwendige Bedingung für b vor; viele Variationen b ∗ des Typs B könnten noch im Normalfall möglich (gewesen) sein und im Ausnahmefall sogar ein c, das der Normalfallregel ›wenn A, dann B‹ widerspricht. Dieser bestimmt sich hiedurch so, daß er erstlich das mit dem realen Grunde als seinem Begründeten identische ist; beyde Seiten haben nach dieser Bestimmung einen und denselben Inhalt; die zwey Inhaltsbestimmungen und deren Verknüpfung im Etwas befinden sich gleichfalls im neuen Grunde. Aber zweytens der neue Grund, in welchen sich jene nur gesetzte äusserliche Verknüpfung aufgehoben hat, ist als ihre Reflexion in sich die absolute Beziehung der zwey Inhaltsbestimmungen. (312 | 119) Zunächst ist unklar, wie Hegel sich hier auf den ›anderen Grund‹ bezieht. Es geht wohl weiterhin um den Unterschied zwischen einem b vorlaufenden Ereignis a in der bloß empirischen Sphäre der zeigbaren Erscheinungen (das meint Hegel mit ›realen‹ Grund, da das Reale oder Positive immer nur das je mir oder dir oder ihm Präsente, das Empirische ist) und den wahren Ursachen dieser Erscheinungen, die ihrerseits allererst Ursachen der Folgen und damit der Folge-Erscheinungen sein können. Dabei geht es erstens auch immer um eine Begründung oder ›Aufhebung‹ von R U durch oder in R U ∗ , zweitens um die schwierige Subsumtion von Einzelfällen unter generische Prozessverlaufsformen. Dabei ist die O=enheit der Debatte um subjektive und mögliche Zuschreibungen auf der einen Seite und allgemein als vernünftig oder wahr bewertete oder zu wertende Zuschreibungen auf der anderen zu beachten. Es entsteht auch eine rekursive Schachtelung von Gründen für Gründe oder Begründungen in reflexi-
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onslogischer Aufhebung der einfachen ›objektstufigen‹ Reden über Gründe als gegeben, wohldefiniert und nach gut und wahr bewertet, als wären sie fixe Gegenstände. Dasselbe gilt natürlich auch für Ursachen als den kausalen Inhalten von Gründen in kausalen Erklärungen. Dadurch daß der reale Grund selbst in seinen Grund zurükgegangen ist, stellt sich an ihm die Identität des Grundes und Begründeten, oder der formelle Grund wieder her. Die entstandene Grundbeziehung ist darum die vollständige, die den formellen und realen Grund zugleich in sich enthält und die im letztern gegen einander unmittelbaren Inhaltsbestimmungen vermittelt. (312thegslash 119) Der reale Grund a geht in seinen allgemeinen Grund A an sich zurück. Das scheint zu besagen, dass wir im Allgemeinen nur wissen, dass ein A vorliegt, nicht, welches der vielen gleich gültigen a, die alle A sind. Die Folge ist wieder, dass wir nur einen Grund dafür gefunden haben, dass die Erscheinung vom Typ B ist, nicht, dass sie ›die‹ konkrete Erscheinung b ist. 2. Die Grundbeziehung hat sich hiemit folgendermassen näher bestimmt. Erstens Etwas hat einen Grund; es enthält die Inhaltsbestimmung, welche der Grund ist, und noch eine zweyte als durch ihn gesetzte. Aber als gleich gültiger Inhalt, ist die eine nicht an ihr selbst Grund, die andere nicht an ihr selbst das Begründete von jener, sondern diese Beziehung ist in der Unmittelbarkeit des Inhalts als eine aufgehobene oder gesetzte, und hat als solche in einer andern ihren Grund. Diese zweyte Beziehung als nur | der Form nach unterschieden, hat denselben Inhalt als die erstere, nemlich die beyden Inhaltsbestimmungen, ist aber die unmittelbare Verknüpfung derselben. Indem jedoch das Verknüpfte überhaupt verschiedener Inhalt, somit gegen einander gleichgültige Bestimmung ist, ist sie nicht ihre wahrhaft absolute Beziehung, daß die eine der Bestimmungen das im Gesetztseyn mit sich identische, die andere nur diß Gesetztseyn desselben Identischen wäre; sondern ein Etwas trägt sie und macht ihre nicht reflectirte, ¦ sondern nur unmittelbare Beziehung aus, welche daher nur relativer Grund gegen die Verknüpfung im andern Etwas ist. (312 f. | 119 f.) Hegels Sätze rauschen bei jedem ersten Lesen als reines Wortgeklingel vorbei. Dass es hier irgendwie um die Grundbestimmung
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R U (A, B) geht, das freilich ist klar. Es soll jetzt festgehalten werden, was für eine solche nach den bisherigen Überlegungen gelten muss: 1. Wenn wir sagen, es gäbe einen Grund für b, sprechen wir von einer allgemeinen Inhaltsbestimmung A und einer besonderen Instanziierung a von A. Aber A begründet, wie schon gesagt, nicht b, sondern bloß, dass ein B-Fall vorliegt. b hat in a seinen Grund, aber wir wissen von a nur, dass es ein A ist, nicht, welches es ist, sodass nicht b, sondern nur ein B begründet ist. Der Argumentationsgang scheint also so zu verlaufen: Wir unterscheiden Wesen und Sein, Grund und Erscheinung. In der Rede von Gründen und Ursachen unterscheiden wir zwischen einem A als Grund für B (bzw. als Ursache). Außerdem unterscheiden wir zwischen formellen Gründen bzw. Ursachen A an sich und realen Gründen oder Ursachen a – und dann auch auf der Ebene des Begründeten oder Verursachten zwischen b und B. Wir haben daher die Grundbeziehungen R U (X ,Y ) und R U ∗ (x, y ) zu unterscheiden und haben das ja auch getan. Die erste ist auf der allgemeinen Ebene an sich, die zweite auf der realen Ebene zwischen besonderem Einzelnen angesiedelt. Ein erster, o=enbarer Punkt ist nun dieser: Dass A ein Grund für B ist, bedeutet (nur), dass A eine kausale (notwendige) Bedingung für B ist. A ist nur dann der Grund für B, wenn A ein normalerweise hinreichendes Gesamt von kausalnotwendigen Bedingungen ist. Am Ende ist das immer nur die ganze Welt. Nur im generischen Sinn kann ein endlicher Falltyp ausreichen, dass (mit relativer Notwendigkeit) ein B zu erwarten ist (und im Normalfall in der Form von b existiert). Die beyden Etwas sind also die zwey unterschiedenen Beziehungen von Inhalt, die sich ergeben haben. Sie stehen in der identischen Grundbeziehung der Form; sie sind ein und derselbe ganze Inhalt, nemlich die zwey Inhaltsbestimmungen und deren Beziehung; unterschieden sind sie nur durch die Art dieser Beziehung, die in dem einen unmittelbare, in dem andern gesetzte Beziehung ist; wodurch sich das eine von dem andern nur der Form nach als Grund und Begründetes unterscheidet. — (313 | 120) Wenn wir ein Ding oder eine Sache als Grund bzw. Ursache seiner Erscheinung auffassen, scheinen wir zwei Gegenstände vor uns zu
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haben: das Ding selbst und seine Wahrnehmungsgestalt. Die Ausdrucksform »die beiden Etwas« ist ungrammatisch und unglücklich, auch wenn formal richtig ist, dass hier die Rede von zwei Gegenständen irreführend ist. Der Stuhl vor mir ist in einem Betracht nicht eigentlich etwas anderes als das Gesamt seiner Wahrnehmungsqualitäten. Dies verführt den Empirismus aber zur unverantwortlichen Rede von einem Bündel oder einer Menge von Qualitäten, welche angeblich mit dem (Körper-)Ding identisch sein soll. Solche Qualitäten sind nämlich gar keine ›Gegenstände‹ oder ›Elemente‹ in sortalen Mengen. Sie werden außerdem so angesprochen, als lägen sie irgendwie in unserem Bewusstsein – was eine ganz unglückliche Metapher ist. Frei schwebende Qualitäten gibt es aber auch nicht. Jede verstehbare Qualität stammt vielmehr aus einer Unterscheidung. Dabei unterscheiden wir nicht bloß zwischen verschiedenen oder gar schon disjunkten Klassen von schon in ihrer Identität und Verschiedenheit definierten (semi-) sortalen Gegenständen. Dennoch ist der Fall der den Sinnen irgendwie zugänglichen Eigenschaften von Dingen ein wichtiger Prototyp. Wir müssen daher auch die logische Form der Dingbenennung von der logischen Form der Aussagen über Dingerscheinungen unterscheiden – und auf der Sachebene das Ding und seine Erscheinungen, je nach perspektivischem Zugang zu ihm. Dennoch verhält sich die Erscheinung oder Wahrnehmungsgestalt des Dings je von mir hier und jetzt her zum Ding selbst auf ähnliche Weise wie der Sinn einer namensartigen Gegenstandsrepräsentation zu deren Bedeutung im Sinne Freges, also zum Gegenstand selbst. Die ›identische Grundbeziehung der Form‹, von welcher Hegel spricht, welcher ›ein und derselbe ganze Inhalt‹ korrespondiert, verweist gerade darauf, dass die Dinggleichheit durch eine Äquivalenz von Dingerscheinungen als seiner Ding(re)präsentationen definiert ist, formal nicht anders als ein abstrakter Gegenstand wie eine Zahl durch die Äquivalenz seiner Repräsentanten. Eine Zahl ist übrigens auch nicht die Menge seiner Benennungen. Hegel spricht von ›zwei Inhaltsbestimmungen und der Beziehung‹. Dabei ist die eine Inhaltsbestimmung sozusagen wahrnehmungsnah, empirisch, je bezogen auf subjektive perzeptivische Zugänge und
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Perzeptionsurteile. Hier geht es um sinnlich vermittelte Wiedererkennungen. Für das Ding selbst aber sind vermöge seiner allgemeinen und besonderen Artbestimmungen ganze Systeme von relationalen und prozessualen ›Eigenschaften‹ begri=lich gesetzt. Diese verweisen z. B. implizit auf die Epoche seiner Existenz als ›mit sich identisches Ding‹, auf dispositionelle ›Kräfte‹, welche das Ding zusammenhalten und sein Verhalten zu anderen Dingen bzw. der anderen Dinge zu ihm im System der Körperkräfte (oder auch der Kräfte bzw. Fähigkeiten von Lebewesen) festsetzen. Dabei sagen wir, dass das Ding auch alle seine Erscheinungen als Wirkungen aufgrund seiner dispositionellen Wirkkräfte (und den zusätzlichen nötigen Bedingungen) kausal hervorruft. Zumeist vergessen wir allerdings hinzuzufügen, dass wir selbst durch unsere begri=lichen Art-Bestimmungen den Dingen der jeweiligen Art die Dispositionen und Kräfte kanonisch zugeschrieben haben, und zwar so, dass diese in Normalfällen gerade zu einer allgemeinen (daher partiell auch prognostischen) Darstellung (Beschreibung) der sich (unter gewissen Bedingungen) zeigenden Verhaltensformen (wie z. B. Relativbewegungen) in prozessualen Relationen zu anderen Dingen führen. Mit anderen Worten, wenn wir eine Erscheinung durch ein Ding als Ursache kausal erklären, dann wenden wir nur ein Allgemeinwissen über relationale Verhaltenstypiken von Sachen bestimmter Arten auf konkrete, empirische Einzelfälle an. Wir kommentieren diese Praxis reflexionslogisch so, dass wir sagen, die Körperkräfte (Dispositionen) selbst ›verursachten‹ die ›Wirkungen‹. In Wahrheit ist also jede Ursache ein reflexionslogischer Gegenstand und keine unmittelbare ›Sache‹ in der Welt. Außerhalb unserer generischen Darstellungen von Verhaltenstypiken und Bewegungsformen gibt es keine (unmittelbare) Ursache, kein fact of the matter wirkender Dinge. Das heißt nicht, dass es falsch wäre zu sagen, dass das Ding wirklich seine Wirkungen mitverursacht und seine Dispositionen als Teilursachen neben weiteren kausalen Bedingungen angesprochen werden dürfen. Es ist nur wichtig, dass wir nicht vergessen, was das in unserem realen Reden und Erklären je wirklich bedeutet, nämlich dass wir mit unseren generischen Darstellungs- und Erklärungsformen hinreichend gut in der Welt zurechtkommen.
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Damit verstehen wir allererst Hegels Satz, dass wir in einer ›kausalen‹ Erklärung seiner Erscheinung durch ein Körperding als Ursache das Ding oder die Sache »nur der Form nach als Grund« vom Begründeten unterscheiden, also vom Phänomen, in dem sich das Ding uns zeigt. Mit anderen Worten, das Ding oder die Sache selbst als Grund seiner Erscheinungen ist inhaltlich gar nicht von diesen seinen Erscheinungen verschieden, zumal jede von ihnen als Repräsentation des verursachenden Dinges zählt. Der Formunterschied ergibt sich aber aus der begri=lichen Fassung des Dings als Ding einer gewissen Art und den begri=lichen, dispositionellen Arteigenschaften, die sagen, was ›ein Etwas‹ einer gewissen Art so alles tut, tun wird, tun kann oder tun muss, wenn man noch weitere Bedingungen hinzufügt. Zweytens ist diese Grundbeziehung nicht nur formell, sondern auch real. Der formelle Grund geht in den realen über, wie sich gezeigt hat; die Momente der Form reflectiren sich in sich selbst; sie sind ein selbstständiger Inhalt, und die Grundbeziehung enthält auch einen eigentümlichen Inhalt als Grund und einen als Begründetes. (313 | 120) Andererseits ist die Grundbeziehung zwischen Ding und Erscheinung, Ursache und Wirkung, »nicht bloß formell, sondern auch real«, und zwar weil wir die begri=lich in die Sachen gewisser Arten gesetzten Dispositionen oder Normalverhaltensweisen immer schon an das angepasst haben, was sich im Dasein empirisch zeigt. Im je konkreten Einzelfall geht »der formelle Grund« dadurch »in den realen über«, dass sich im Einzelfall gerade zeigt, was Dinge der allgemeinen oder besonderen Art normalerweise tun: So eben ›funktionieren‹ kausale Erklärungen und die Rede von Ursachen. Hegels Ausdrucksform, nach welcher sich »die Momente der Form« jeweils »in sich selbst« reflektieren, ist ohne eigenes Nachdenken schwer zu verstehen. Gemeint ist, dass wir in die Dinge alle Artdispositionen als bedingte Normalfallinferenzen oder ›Regeln‹ setzen. So lernen und sagen wir etwa, dass sich verschiedenpolige Magnete anziehen, Salz sich in Wasser löst oder dass bestimmte Tiere Bestimmtes fressen. Wie diese ›Regeln‹ konkret anzuwenden sind, lernen wir praktisch: Wir unterscheiden magnetisierte Metalle, die Pole der Magneten, Kochsalz von anderen Salzen und Wasser von
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anderen Sto=en, außerdem zwischen schon gesättigten und noch nicht gesättigten Lösungen usf. Der Inhalt macht zuerst die unmittelbare Identität der beyden Seiten des formellen Grundes aus, so haben sie einen und denselben Inhalt. Aber er hat auch die Form an ihm selbst und ist so gedoppelter Inhalt, der sich als Grund und Begründetes verhält. Die eine der zwey Inhaltsbestimmungen der beyden Etwas ist daher bestimmt, als ihnen nicht bloß gemeinschaftlich nach äusserer Vergleichung, sondern ihr identisches Substrat | und die Grundlage ihrer Beziehung zu seyn. Gegen die andere Inhaltsbestimmung ist sie die wesentliche und Grund derselben als der gesetzten, nemlich in dem Etwas, dessen Beziehung die begründete ist. Im ersten Etwas, das die Grundbeziehung ist, ist auch diese zweyte Inhaltsbestimmung unmittelbar und an sich mit der ersten verknüpft. Das andere Etwas aber enthält nur die eine an sich als das, worin es mit dem ersten Etwas unmittelbar identisch ist, die andere aber als die in ihm gesetzte. Die erstere Inhaltsbestimmung ist Grund derselben dadurch, daß sie in dem ersten Etwas ursprünglich mit der andern Inhaltsbestimmung verknüpft ist. (313 | 120 f.) Der Inhalt einer Artbestimmung ist die Artform, das eidos, der Begri= der Sache. Es ist das, was wir über die Art allgemein wissen, was also die Dinge, Sachen, Wesen der Art so alles tun, tun können, tun müssen – je nachdem, ob es um ›notwendige‹ Eigenschaften geht oder eine Vielfalt von Möglichkeiten. Dabei ist der Inhalt der Artbestimmung der Sache selbst keineswegs verschieden vom Inhalt ihrer Erscheinungen – was die Rede von deren ›unmittelbarer Identität‹ begründet. Wohl aber verdoppelt sich der Inhalt durch die formale Unterscheidung zwischen Grund (Ursache, Ding) und (bewirkter bzw. verursachter) Erscheinung. Aber es gibt für die Sachen (Dinge, Ursachen) einer Art von Gegenständen andere Identitätsbedingungen als für Erscheinungen. Nur für Letztere sind etwa qualitative Unterscheidungen von Empfindungen usf. relevant. Das Ding wird zum Substrat von qualitativen Eigenschaften, zum hypokeimenon, Träger von Dispositionen und Qualitäten. Um eine Erscheinung kausal zu erklären, müssen wir o=enbar im Bereich der Gründe bzw. Ursachen so weit auf die generischen
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Besonderheiten des Einzelfalls heruntergehen, dass sich die Art der Erscheinung aus den besonderen Arten der am Einzelfall des Wirkens involvierten Dinge allgemein ergibt. Wenn ein Lamm von einem Wolf gerissen wurde, erklären wir das kausal dadurch, dass Wölfe in gewissen Situationen Lämmer reißen – und dieser Wolf von der betre=enden Art sich in der betre=enden Situation befand. Oder wir erklären z. B. einen Unfall kausal dadurch, dass sich ein Felsbrocken im Winterfrost vom Felsen gelöst hat, sodass das Gewicht des auf ihn tretenden Touristen zum Absturz führte. Man beachte, dass der Tourist nur Ursache ist vermittelt durch sein Gewicht; wäre er leichter gewesen, wäre der Felsbrocken vielleicht nicht abgestürzt. Die Grundbeziehung der Inhaltsbestimmungen im zweyten Etwas ist so durch die erste an sich seyende Beziehung des ersten Etwas vermittelt. Der Schluß ist, weil in einem Etwas die Bestimmung B mit der Bestimmung A an sich verknüpft ist, so ist im zweyten Etwas, dem nur die eine Bestimmung A unmittelbar zukommt, auch B damit verknüpft. Im zweyten Etwas ist nicht nur diese zweyte Bestimmung mittelbar, sondern auch daß seine unmittelbare Grund ist, ist vermittelt, nemlich durch ihre ursprüngliche Beziehung auf B im ersten Etwas. Diese Beziehung ist somit Grund des Grundes A, und die ganze Grundbeziehung ist [im] zweyten Etwas als Gesetztes oder Begründetes. (313 | 121) Nicht nur Erscheinungen werden verursacht, sondern auch Veränderungen der (dispositionellen) Eigenschaften der Dinge und Sachen selbst. Es sei A eine Eigenschaft einer Art von Dingen D und diese sei so, dass immer, wenn ein d mit der Eigenschaft A vorliegt, d auch die Eigenschaft B hat (wenigstens im Normalfall, wenn wir Mängel und Ausnahmen ausschließen müssen oder wollen). Das Wort »an sich« verweist wieder darauf, dass es sich bei der Folge »wenn A, dann B« um einen generischen, die Art und damit den Gegenstand d ›an sich‹ betre=enden Schluss handelt. Wenn sich nun die Eigenschaft B (von d ) in einer gewissen Erscheinung zeigt und wir diese durch d aus D mit der Eigenschaft A begründen bzw. kausal erklären, ist der Grund für die Erscheinung (das d aus D mit der Eigenschaft A) o=enbar mehrfach vermittelt. Das d mit der Eigenschaft A ist nur Grund der Erscheinung, weil die
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Eigenschaft A die Eigenschaft B zur Folge hat. B wird damit, sozusagen, zum Grund des Grundes A, also dafür, dass A Grund sein kann. Daher gehört B als Vermittlung zur Grundbestimmung des Grundes A bzw. dafür, dass das d aus D mit der Eigenschaft A Grund für die durch es kausal zu erklärende Erscheinung werden kann. – Es ist jetzt leicht, sich ein Beispiel auszumalen: Wir sehen menschliche Fußspuren im Sand. Wir wissen, dass sie normalerweise vom Gewicht laufender Menschen bewirkt sind und schließen (aufgrund der extremen Unwahrscheinlichkeit alternativer Erklärungsmöglichkeiten), dass die Ursache für die Spuren (das Phänomen) die in eine gewisse Richtung spazierenden Menschen (gewesen) sind. Die Menschen und ihr Tun zählen als Ursache für die Spuren über die Vermittlung der Folge des Tuns: des Abdrucks von Fußspuren (B). 3. Der reale Grund zeigt sich als die sich äusserliche Reflexion des Grundes; die vollständige Vermittlung desselben ist die Wiederherstellung seiner Identität ¦ mit sich. Aber indem diese dadurch zugleich die Aeusserlichkeit des realen Grundes erhalten hat, so ist die formelle Grundbeziehung in dieser Einheit ihrer selbst und des realen Grundes, eben so sehr sich setzender als sich aufhebender Grund; die Grundbeziehung vermittelt | sich durch ihre Negation mit sich. (313 f. | 121 f.) Der reale Grund einer Sache (Erscheinung) »zeigt sich« in der Erscheinung als Abfolge und dadurch, dass wir in der Reflexion auf einen generischen Grund schließen – und das ho=entlich so erfolgreich, dass es noch weitere Äußerungen des Grundes gibt, welche diesen ›Schluss‹ bestätigen. Das Gesamt seiner Erscheinungen ist »die vollständige Vermittlung« und »Wiederherstellung« der Identität des Grundes (des Wesens der Sache) mit sich. Über den Grund (die Ursache) ordnen wir also diverse Erscheinungen des Grundes, diverse Wirkungen der Ursache, einander zu. Der Grund ist dabei ebenso gesetzter Grund wie auch in den Erscheinungen aufgehobener Grund. Die reflexive Form, dass der Grund sich setzt und sich aufhebt, drückt extrem verdichtet aus, dass wir im Umgang mit möglichen Gründen diese setzen, um die Erscheinung zu erklären. In der Erklärung der Erscheinung hebt sich der Grund im doppelten Sinn auf: Er ist keine von der begründeten oder erklärten Erscheinung völlig unabhängige Sache
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(qua Ereignis, Geschehen etc.) und kann doch nur durch seine Erscheinung als bestehend aufgewiesen werden – sodass der Weg von der Erscheinung zum Grund (als beste Erklärung) und vom Grund zurück zur Erscheinung (als durch den Grund generisch begründet) verläuft. In der Tat ›schließen‹ wir, wie schon erläutert, in der Wahrnehmung immer schon dialektisch in einem komplizierten Hin und Her zwischen Perzeption, Einbildungskraft, bestimmender und reflektierender Urteilskraft auf die wahrgenommenen Dinge als Ursachen des Wahrgenommenen. Morgens beim Aufwachen geschehen solche Dinge gewissermaßen in Zeitlupe, sodass der Fall meines Blickes auf eine Gestalt im Zimmer ein plastisches Beispiel abgeben kann: Das, was ich sehe, scheint vielleicht zunächst ein Tier zu sein. Aber es bewegt sich zu lokal und regelmäßig, sodass ich nach zweitem und dritten Hinsehen und Nachdenken erkenne, dass es ein sich im Luftzug bewegendes Kleidungsstück ist. Schon einfachste Wahrnehmungsurteile sind daher dialektische Schlüsse in der Bewegung von Perzeption, Imagination, Begri=sbestimmung, Widerspruch und Korrektur. Hegels schwierige Rede von sich setzenden und sich aufhebenden Gründen und besonders von einer »Negation mit sich« ist auf dialektische Bewegungen dieser Form und Art zu beziehen. Dass der abduktive Schluss auf die beste Erklärung schon im objektbestimmenden Wahrnehmen von Dingen eine zentrale Rolle spielt, entgeht unserer Reflexion normalerweise deswegen, weil wir die ›Bewegungsformen‹ im wahrnehmenden Denken und denkenden Wahrnehmen längst habitualisiert haben und auf sie selten oder nie achten, zumal hier vieles bei einem erfahrenen Sprecher einer Sprache extrem schnell geschieht. Hegel wird die abduktive Schlussform in der Begri=slogik unter dem Titel eines Urteils bzw. Schlusses des Begri=s noch einmal etwas genauer kommentieren. Erstlich ist der Grund als die ursprüngliche Beziehung, Beziehung von unmittelbaren Inhaltsbestimmungen. Die Grundbeziehung hat als wesentliche Form zu ihren Seiten solche, welche aufgehobene oder Momente sind. Daher als Form unmittelbarer Bestimmungen ist sie die mit sich identische Beziehung zugleich als Beziehung ihrer Negation; somit ist sie Grund nicht an und für sich selbst, sondern als Beziehung auf die aufgehobene Grundbeziehung. – (314 | 122)
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Zunächst betrachten wir den Grund (die Ursache) einer Erscheinung als ›ursprüngliche‹ Beziehung ›unmittelbarer Inhaltsbestimmungen‹. Ein Stuhl, Tisch, Kleidungsstück ›sieht so und so aus‹, je nachdem, wie wir auf die Sache blicken. Man kann mit diesen Dingen das und das machen etc. Dabei scheinen wir noch nicht einmal auf die Art der Dinge zu schließen, sondern sie unmittelbar wahrzunehmen – obwohl das schon im Fall der Pflanzen und Tiere nicht ganz so einfach und klar ist. Sogar Kenner müssen manchmal genauer hinsehen und Unterscheidungskriterien genauer prüfen. Vorausgesetzt sind, wie gesagt, die Inhaltsbestimmungen der verbal gefassten Artbegri=e – nicht bloß in Bezug auf präsentisch Wahrnehmbares, sondern auch auf länger dauernde Seinsweisen und dispositionelle Modalitäten, die man, ich werde nicht müde, das zu wiederholen, als explizit gelernte Systeme komplex bedingter Inferenzregeln (generischer Art) oder als implizit praktizierte, ebenfalls di=erentiell bedingte Normalfallerwartungen zu verstehen hat. Dass Salz wasserlöslich ist, wird entsprechend explizit in der ›erlaubten‹ Regel »Wenn X Salz ist, und es in Wasser getan ist, löst es sich (normalerweise)«. Die Grundbeziehung, nach welcher eine Sache oder ein Ding d der Art D Ursache einer Erscheinung E ist, was wir kurz als stenographische Regel so notieren wollen D ⇒ E , vermittelt Grund und Begründetes, Ursache und Wirkung.44 Daher ist D nur Ursache (an sich) von E vermöge der Regel oder Grundbeziehung D ⇒ E . Grund Eine inferentielle Regel und eine (Normalfall-)Implikation als ihre (formale) Anwendung sind unbedingt von wenn-dann-Sätzen (und deren formaler ›Wahrheit‹) zu unterscheiden. Solche Sätze können Teilsätze logisch komplexerer Sätze sein. Russells extrem unglückliche Rede von einer materialen Implikation verwischt diesen Unterschied – mit Folgen für die formallogische Semantik und Analytische Philosophie des 20. Jahrhundert, die wie Russell selbst zum großen Teil die entsprechende Kritik des späteren Wittgenstein gar nicht versteht. Regeln kann man zunächst gar nicht ›schachteln‹. Man muss sie zuvor in ›subjunktive‹ Sätzen verwandeln. Dazu ist ihr Gebrauch in Schachtelungen ›neu‹ zu definieren – wobei wahrheitswertsemantische Festlegungen sogar in der Mathematik nur eine Möglichkeit unter vielen anderen ist. 44
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und Begründetes sind nur Momente eben dieser Regel. Das aber heißt, dass die Art des Dings D und der Erscheinungstyp E nicht unmittelbar, sondern in Bezug auf diese kanonische Grundbeziehung bestimmt sind. In diesem Sinn ist die Grundbeziehung D ⇒ E »nicht an und für sich selbst« Grund (etwa zusammen mit d als Instanz von D ) für die Erscheinung e vom Typ E , sondern »Beziehung auf die aufgehobene Grundbeziehung«. Das bedeutet, dass die Regel D ⇒ E die Anwendung der Grundbeziehung R U (D, E ) zwischen Ursache und verursachter (Erscheinungs-)Folge oder Wirkung vermittelt. Mit anderen Worten, wir können die Regel D ⇒ E nicht rein schematisch anwenden, sondern nur nach Prüfung, ob zur vage vorliegenden und noch keineswegs voll bestimmten Erscheinung (E ) die Bestimmung passt, dass sie eine D -Erscheinung ist, die verursacht (›begründet‹) ist durch das Vorliegen eines Dings (oder dann auch eines Ereignisses, Geschehens etc.) d des Typs D . Indem ich das Gesehene als Tiergestalt oder als sich bewegendes Kleidungsstück bestimme, bestimme ich allererst die Erscheinung E im Kontrast zu anderen möglichen Erscheinungen bzw. Erscheinungstypen. Zweytens die aufgehobene Beziehung oder das Unmittelbare, das in der ursprünglichen und der gesetzten Beziehung die identische Grundlage ist, ist realer Grund gleichfalls nicht an und für sich selbst, sondern es ist durch jene ursprüngliche Verknüpfung gesetzt, daß es Grund sey. – (314 | 122) Umgekehrt ist das Ding (Ereignis, Geschehen) selbst nie losgelöst davon bestimmbar, für welche Erscheinungen oder weiteren Geschehnisse es typischerweise Grund (Ursache) ist. Das sollte inzwischen klar sein. Ohne begri=liche Regel, dass man auf Stühlen sitzen können muss und dass sie im Kontrast zu einem Hocker eine Lehne haben (müssen), kann etwas kein Stuhl sein und sich als Stuhl von anderen Sachen unterscheiden (lassen). Daher sind wirkliche Dinge nie ohne Bezugnahme auf ihre Erscheinungen und daher sozusagen nie ohne (oft implizite) Bezugnahme auf eine kanonische Regel oder Grundbeziehung D ⇒ E in ihrer Art (und dann auch in ihrer Identität) bestimmt bzw. bestimmbar. Die Grundbeziehung in ihrer Totalität ist somit wesentlich voraussetzende Reflexion; der formelle Grund setzt die unmittelbare
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Inhaltsbestimmung voraus, und diese als realer Grund setzt die Form voraus. Der Grund ist also die Form als unmittelbare Verknüpfung; aber so daß sie sich von sich selbst abstößt, und die Unmittelbarkeit vielmehr voraussetzt, sich darin auf sich als auf ein anderes bezieht. Dieses Unmittelbare ist die Inhaltsbestimmung, der einfache Grund; aber er ist als diß, nemlich als Grund, eben so von sich abgestossen und bezieht sich auf sich gleichfalls als auf ein anderes. – So hat sich die totale Grundbeziehung zur bedingenden Vermittlung bestimmt. | (314 | 122) Die Vermittlung der Grundbeziehung ist insgesamt zumeist nicht von der einfachen Form D ⇒ E ; aber das soll uns nicht weiter stören: Wir nehmen sie, pars pro toto, so an, wohl wissend, dass schon eine explizite Formulierung einer entsprechenden Regel Schwierigkeiten machen muss, da ja D und E gar nicht völlig unabhängig voneinander bestimmt bzw. bestimmbar sind – was sich in der Rede von den Erscheinungen des Dinges und von dem Ding als Ursache seiner Erscheinungen zeigt. Viele derartige Genitiv-Beziehungen sind im wahrnehmenden Urteilen bzw. beurteilten Wahrnehmen vorausgesetzt. In der Reflexion auf die Ursache(n) und erscheinende(n) Wirkung(en) werden sie als relational und regelbezogen begreifbar und explizit thematisiert. Die formelle Angabe einer Ursache (eines Grundes) setzt die (relativ unmittelbare) Inhaltsbestimmung der Sache voraus und diese, als realer Grund einer realen Erscheinung, setzt die Form der Grundbeziehung bzw. von D und E voraus. Dass sich ein begri=lich bestimmter Grund D als Ursache einer Erscheinung E von sich selbst ›abstößt‹, obwohl er als Form (genauer als Teilform in der Regel D ⇒ E ) in unmittelbarer Verknüpfung zu E steht, liegt eben daran, dass D Ursache verschiedener Erscheinungen sein kann, obwohl D als Ursache von E sich gewissermaßen begri=lich notwendig auf E bezieht. Im Ausschluss anderer Ursachen (Dinge) bezieht sich, wie Hegel anschaulich, aber auch leicht missverständlich sagt, das Ding d des Typs D bzw. der Grund D (qua Formteil der Grundbeziehung D ⇒ E ) »auf sich als auf ein Anderes«, genauer: auf sich als auf ein Anderes des möglichen Anderen, das auch Grund bzw. Ursache von E sein könnte, aber – wie wir ggf. feststellen – es nicht ist.
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A priori ›unmittelbar‹ ist je nur die generische Inhaltsbestimmung, die ›sagt‹, was ein D ist, welcher Art von Erscheinung E vorliegt usf. Wie man es wendet und dreht, die scheinbare Unmittelbarkeit des Grundes (Dinges, der Sache oder Ursache) verwandelt sich in eine kausale Bedingung, ein Moment eines Bedingungsgefüges etwa der Art D 1 & · · · & D n ⇒ E 1 ∨ · · · ∨ E m zwischen ›Dingen‹ (›Sachen‹, ›Ursachen‹) und Erscheinungen in einer ›Disjunktion‹ möglicher Erscheinungen. Die ›totale‹ Grundbeziehung der Verursachung besteht im engen Zusammenhang ›aller möglichen‹ Grundbeziehungen und der Bestimmung der besten Erklärung durch einen normalerweise zureichenden Grund. Dieser reicht im Standardfall aus, um einen bestimmten Erscheinungstyp oder eine Alternative solcher Typen als Folge eines vermittelnden Bedingungsgefüges zu ›erklären‹.
C. Die Bedingung a. Das relativ Unbedingte 1. Der Grund ist das Unmittelbare und das Begründete das Vermittelte. Aber er ist setzende Reflexion, als solche macht er sich zum Gesetztseyn, und ist voraussetzende Reflexion, so bezieht er sich auf sich als auf ein aufgehobenes, auf ein Unmittelbares, wodurch er selbst vermittelt ist. Diese Vermittlung, als Fortgehen vom Unmittelbaren zum Grunde, ist nicht eine äussere Reflexion, sondern, wie sich ergeben, das eigne Thun des Grundes, oder was dasselbe ist, die Grundbeziehung ist als Reflexion in die Identität mit sich eben so wesentlich sich entäussernde Reflexion. Das Unmittelbare, auf das der Grund sich als auf seine wesent¦liche Voraussetzung bezieht, ist die Bedingung ; der reale Grund ist daher wesentlich bedingt. Die Bestimmtheit, die er enthält, ist das Andersseyn seiner selbst. (314 f. | 123) Man versteht Hegels Redeformen nicht, wenn man sich nicht ganz klarmacht, das weder der Grund noch der Geist noch die Vernunft etwas im wörtlichen Sinn tut, so wenig wie der generische Löwe oder der typische Deutsche, der übrigens weder männlich noch weiblich ist, gerade wie das ebenfalls generische Wort »Gott«.
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Der Grund wird seinsmäßig als unmittelbarer angenommen oder gesetzt, so wie die Ursache unmittelbarer zu sein scheint als die Wirkung. Das Begründete, Verursachte, die Wirkung erscheint als durch den Grund, die Ursache, vermittelt. Aber die Ursache ist als Ursache ›setzende Reflexion‹, genauer, Gesetztsein. Das heißt, der Grund D ist in der Grundbeziehung relativ zum Begründeten E als Bedingung gesetzt. Das Wort »Bedingung« suggeriert zwar eine Regel der GrundFolge- oder Ursache-Wirkungs-Beziehung der Art D ⇒ E . Allerdings steht »Bedingung« zumeist für eine bloß notwendige Bedingung, was die umgekehrte Regel E ⇒ D unterstellt. In der Reflexion auf die Bedingung als notwendige und hinreichende Bedingung und die zugehörige Gesamtregel, formal ausgedrückt als Doppelregel, die in beide Richtungen führt, erhalten wir auf der einen Seite das Moment des Grundes, das der Prämisse korrespondiert, auf der anderen das der Folge. Ursache und Wirkung scheinen entsprechend aufeinander bezogen zu sein. Die Unmittelbarkeit des Grundes bzw. der Ursache ist aufgehoben in der Übergangsregel, dem Bedingungsgefüge des ›(nur) wenn . . . , dann . . . ‹ (das nicht schon als zusammengesetzter Satz oder Subjunktion zu lesen ist). Dabei ist der Grund selbst, wie gesehen, längst nicht mehr unmittelbar als solcher gegeben, sondern nur als ›Moment‹ (der Aktualisierung) des Bedingungsgefüges (der Abfolge) bestimmbar bzw. gegeben. Man schließt sogar von der Folge (der Erscheinung) auf den Grund (die Ursache), wenn man die Erscheinung bestimmen bzw. kausal erklären will, wobei das Vorliegen der Ursache keineswegs immer, wie die nur erst oberflächliche Analyse von Hume suggeriert, ein von seiner Folge (›Wirkung‹) unabhängiges, empirisches Vorgängerereignis vor einem Folgeereignis im zeitlichen Ablauf ist. Das Ding als Ursache meines Sehens des Dinges ist z. B. kein Ereignis. Bestenfalls könnte man die Brechung des Lichts, das Tre=en von ›Photonen‹ auf mein Auge und die Weiterverarbeitung der optischen Information als ›Ereignisse‹ ansprechen. Die Zurechtstellung der Rede von Ursachen und Folgen nach dem Muster von Billardballbewegungen vor und nach einem Zusammenprall oder Stoß tri=t die allgemeine Form der Angabe von Ursachen für Erscheinungen und Gründen für Wahrnehmungsaussagen keineswegs.
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Dabei ist der Fortgang vom Unmittelbaren einer Erscheinung (eines qualitativen Perzipierens, z. B.) zu ›seinem‹ Grund (der Ursache) keine »äußere Reflexion« bloß unserer Betrachtung in die Dinge zurechtstellenden Kommentaren. Denn jede Rede von einer Erscheinung, ihrem Grund oder ihrer Ursache, führt mit Notwendigkeit auf die hier vorgetragene Betrachtung, zumal wir, wie gesagt, die Erscheinung selbst über ihre Ursache begri=lich bestimmen. Wir nehmen ja gar keine Gestalten oder Formen unabhängig von den begri=lichen Vorbestimmungen bzw. Artfestlegungen der Dinge (Körper) wahr. An diesen heben wir eine Gestalt hervor, indem wie auf eine Äquivalenz gestaltgleicher Dinge oder Bewegungen (auch Prozesse) fokussieren. Gestalten sind also zunächst irgendwie dingfest zu machen, gerade so wie geometrische Formen oder Zahlen, wobei wir sie an diversen Präsentationen wiedererkennen und durch diverse tätige Repräsentationen, z. B. sprachlich oder symbolisch, zu thematischen Gegenständen machen können. Das geschieht vor dem holistischen Hintergrund lebensweltlichen Allgemeinwissens über Formen des Normalverhaltens von Körperdingen, zu denen z. B. gehört, dass man gute Quader etwa im Ziegelbau herstellen kann, mit ebenen Flächen und rechten Winkeln, die alle zueinander passen. Es ist daher falsch, den Weg zu einem Wissen über Formen ›empirisch‹ bei lokalen Empfindungen, Sinnesdaten, Qualia oder subjektiven Impressionen beginnen zu lassen. Diese sind, wie Hegel als Erster klar sieht, höchst komplexe Abstrakta in einer idealen Reflexionssprache und damit das gerade Gegenteil unmittelbarer Gegenstände von Wahrnehmung oder ›experience‹. Die Grund-Folge-Beziehung ist »sich entäußernde Reflexion«. Das ist sie, weil das Ding (das Wesen) auf typische Weise erscheinen muss, um da zu sein und als Grund (Ursache) seiner Erscheinung zu gelten. Die Verhältnisse geraten scheinbar durcheinander, wenn wir die kausal zu erklärenden Erscheinungen als das Unmittelbare auffassen, die durch den Grund (die Sache, Ursache) verursacht sind. Sie werden nämlich zur Voraussetzung des Vorhandenseins ihres Grundes (der dinglichen, physischen Ursache). Andererseits ist das wirklich Unmittelbare im Urteil über eine Ursache D einer Erscheinung E gerade die unterstellte Regel eines typischen ›Hervorbringens‹
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der Art D ⇒ E . Der reale Grund d des Typs D , auf den wir schließen, indem wir durch ihn die z. B. gerade wahrgenommene Erscheinung, das laufende Ereignis E , bestimmen, ist aber durch die Doppelregel D ⇔ E wesentlich bedingt. Wir bestimmen die (Ur-)Sache d des Typs D von E nicht bloß durch Kriterien dafür, wie ein D (an sich) sich von anderen Sachen qualitativ unterscheidet, sondern durch ein »Anderssein seiner selbst« in dem Sinn, dass wir normale Wirkungen eines d von der Art D auf andere Sachen und Dinge schon kennen. d bzw. D selbst ist durch seine Folgen wesentlich bestimmt. So ist z. B. ein Feuerlöscher fast ganz durch das Andere seiner selbst bestimmt, nämlich dass er Feuer löscht, nicht etwa durch eine konkrete Substanz (wie Wasser, Trockenschaum, Sand oder was weiß ich). Für den Benutzer sind die rote Warnfarbe des Containers und das Versprechen, dass der Inhalt Feuer löscht, erst einmal genug. Aber auch die normalen, gemischten Fälle, in denen eine Sache teils durch präsentisch überprüfbare qualitative Unterschiede, teils durch generische Dispositionen der Art nach bestimmt sind, fallen unter Hegels Kommentar. Etwas ist Wasser nicht bloß deswegen, weil es wie Wasser aussieht oder schmeckt, sondern weil es sich wie Wasser verhält, und zwar auch auf Anderes, als es selbst ist, etwa indem es sich in Wassersto= und Sauersto= aufspalten lässt oder Salze löst oder Pflanzen wachsen lässt und den Durst animalischer Lebewesen stillt. – Es ist überhaupt nicht trivial, dass wir innerweltliche Sachen und Dinge nur in relationalen Prozessbeziehungen bestimmen können. Der Form nach ist das nicht anders im Fall der Zahlen, die ebenfalls nur durch ihre Stellung im relationalen Ordnungssystem der Zahlen in ihrer Identität definiert sind. Eben das drückt Hegels schwierige Ausdrucksweise aus, dass die Bestimmtheit einer Sache das Andere ihrer selbst ist.45 In der elementaren Arithmetik finden wir ein schönes Paradigma. Denn es folgt aus n < m, dass n , m ist. Und es gilt für jedes Paar wohlgebildeter Zahlterme t , t ∗ , dass t = t ∗ per Definitionen gilt, wenn t , t ∗ nicht gilt, also wenn weder t < t ∗ noch t ∗ < t gilt. Es sollte deutlich geworden sein, dass wir dabei in der richtigen Kategorie von Termen bleiben müssen. Für Cäsar 45
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Die Bedingung ist also erstens ein unmittelbares, mannichfaltiges Daseyn. Zweytens ist dieses Daseyn bezogen auf ein anderes, auf etwas, das Grund ist, nicht dieses Daseyns, sondern in anderer Rüksicht; denn das Daseyn selbst ist unmittelbar und ohne Grund. Nach jener Beziehung ist es ein Gesetztes; das unmittelbare Daseyn soll als Bedingung nicht für sich, sondern für anderes seyn. Aber zugleich ist diß, daß es so für anderes ist, selbst nur ein Gesetztseyn; daß es ein | Gesetztes ist, ist in seiner Unmittelbarkeit aufgehoben, und ein Daseyn ist dagegen, Bedingung zu seyn, gleichgültig. Drittens ist die Bedingung so ein unmittelbares, daß sie die Voraussetzung des Grundes ausmacht. Sie ist in dieser Bestimmung die in die Identität mit sich zurükgegangene Formbeziehung des Grundes, hiemit der Inhalt desselben. (315 | 123 f.) Die Rede von einer Bedingung ist, wie gesagt, zweideutig. Häufig meint man die Prämisse D in einer gesetzesartigen Abfolge D ⇒ E bzw. die Gegebenheit eines d von der Art D als (hinreichende) Bedingung für E . Die Gegebenheit von d wird dabei oft als »unmittelbares, mannigfaltiges Dasein« aufgefasst, das im Bedingungsgefüge als »bezogen auf ein Anderes« zu lesen ist, »das Grund ist« – aber nicht des Daseins d , da dieses zunächst ›ohne Grund‹ gesetzt ist. Das »unmittelbare Dasein« d vom Typ D soll Bedingung »für Anderes sein«, etwa eine Erscheinung e vom Typ E . Das aber ist nur möglich, wenn es eine Regel D ⇒ E zwischen dem Dasein (des Typs) D und dem Anderen E gibt, die als solche gesetzt, kanonisch sein muss, auf die man sich also berufen kann, wenn man von der Bedingung D oder dem Bedingtsein von E spricht. Dem Dasein d ist es gleichgültig, ob es Bedingung in einer Regel D ⇒ E ist oder nicht. Die Bedingung als Gesamtgefüge oder Regel ist Voraussetzung der Rede von einem oder dem Grund, seiner Inhaltsbestimmung und Gegebenheit. Der Inhalt der Passage bleibt noch etwas unklar, nicht zuletzt, weil Hegels Wort »Gesetztsein« für eine kanonisch gelehrte
gilt z. B. weder, dass Cäsar gleich, kleiner oder größer als 5 ist. Für Cäsar ist nichts Sinnvolles dieser Art festlegbar. Es gibt keine (arithmetischen) Relationen zwischen Zahlen und Cäsaren.
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(implizite) Norm – auch als Inhalt einer schon expliziten Regel oder eines Satzes – steht. Aber der Inhalt als solcher ist nur die gleichgültige Einheit des Grundes, als in der Form; ohne Form kein Inhalt. Er befreyt sich noch von derselben, indem die Grundbeziehung im vollständigen Grunde zu einer gegen ihre Identität äusserlichen Beziehung wird; wodurch der Inhalt die Unmittelbarkeit erhält. Insofern daher die Bedingung das ist, worin die Grundbeziehung ihre Identität mit sich hat, macht sie seinen Inhalt aus; aber weil er das gegen diese Form gleichgültige ist, ist er nur an sich ihr Inhalt, ein solches, das erst Inhalt werden soll, hiemit das Material für den Grund ausmacht. Als Bedingung gesetzt, hat das Daseyn nach dem zweyten Momente die Bestimmung, seine gleichgültige Unmittelbarkeit zu verlieren und Moment eines Andern zu werden. Durch seine Unmittelbarkeit ist es gleichgültig gegen diese Beziehung; insofern es aber in dieselbe tritt, macht es das Ansichseyn des Grundes aus, und ist das Unbedingte für denselben. Um Bedingung zu seyn, hat es am Grunde seine Voraussetzung, und ist selbst bedingt; aber diese Bestimmung ist ihm äusserlich. (315 | 124) Was heißt es, dass der Inhalt die »gleichgültige Einheit des Grundes« sein soll? Dass es ohne Form keinen Inhalt gibt, mag einleuchten. Aber was besagt das genau? Inhalte sind durch die Gleichheiten oder Äquivalenzen di=erentiell bedingter Inferenzen und Dispositionen entsprechend benannter Sachen oder Dinge bestimmt. Im Fall der Sprache ist dabei klar, dass Formäquivalenzen normalerweise feiner sind als Inhaltsäquivalenzen. Wir wollen ja, dass verschiedene Inhalte durch verschiedene Äußerungsformen ausgedrückt werden. Es kann und muss aber ganz unterschiedliche Ausdrücke und Sprechhandlungsformen gerade auch in verschiedenen Sprachen geben, welche im Wesentlichen den gleichen Inhalt haben. Nur so können verschiedene Personen ›dasselbe‹ verstehen. Was wir verstehen, sind gemeinsame Inhalte. Die Inhaltsgleichheit vermittelt den Perspektivenwechsel von Sprecher und Hörer. Daher ist es so naiv zu meinen, wir als Sprecher verstünden den Inhalt oder die Intention von Sprechhandlungen auf unmittelbare Weise. Als bloße Sprecher verlassen wir noch gar nicht die Ebene des
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Vollzugs, des Artikulationsversuchs eines Inhalts, der als Inhalt erst in einem Verstehen durch andere bestimmt ist. Erst im Selbstgespräch mit gespieltem Rollentausch verhandelt eine Person Inhalte mit sich selbst – was von Platon über Descartes, Hobbes, Hamann, Kant und Hegel von allen wahren Philosophen als Grundform des Denkens erkannt und anerkannt wird. Analoges wie für Inhalte gilt schon für Formgleichheiten bzw. -verschiedenheiten. Die Einheit des Grundes (der Ursache) ist ›inhaltlich‹ gröber als die ›feiner‹ unterscheidenden Formvariationen. Der Inhalt wird relativ unabhängig von der Form dadurch, dass die Grundbeziehung D ⇒ E »im vollständigen Grunde« zu einer gegen die Identität der Form »äußerlichen Beziehung« wird – eben weil sie gröber ist als die Formäquivalenz. Der Inhalt erhält seine relative Unmittelbarkeit oder auch Unabhängigkeit eben durch diese Gleichgültigkeit gegen verschiedene Instanziierungen (in verschiedenen Formen). Die Bedingung selbst ist das, was in den verschiedenen Ausdrucksformen D ⇒ E als inhaltsgleich gelten kann. Wir sind also an der äußeren Form der Regel nicht weiter interessiert – oder besser, es gibt für die gleiche Bedingung verschiedene äußere Darstellungsformen. Dass der Inhalt das gegen die Form Gleichgültige ist, ist Hegels Ausdrucksvariante dafür, dass auch Inhalte Äquivalenzen von Formen sind. Der Grund von etwas ist nur erst an sich Inhalt, solange nämlich die Inhaltsäquivalenz nicht konkretisiert ist. Wir müssen daher zwischen einer formalen Rede über einen möglichen Grund (eine mögliche Ursache) und einer konkreten Angabe des Inhalts des Grundes, der materialen Bestimmung der kausalen Bedingung unterscheiden. Als Bedingung gesetzt verliert das Dasein »seine gleichgültige Unmittelbarkeit« und wird »Moment eines Anderen« – eben dadurch, dass das Andere durch es kausal determiniert bzw. erklärt wird. Soweit wir ohne Bezugnahme auf das Andere, die Folge, relativ unmittelbar Zugang zum Dasein haben, das Bedingung (›Prämisse‹) ist, ist dieses »gleichgültig gegen diese Beziehung« – in unserem Beispielfall D ⇒ E . Sofern aber das Dasein D selbst durch die Beziehung mitbestimmt ist, ist es mit dieser Unabhängigkeit nicht so weit her. Es wird das Moment D in D ⇒ E zum ›Ansichsein des Grundes‹. Dieser
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aber ist das »Unbedingte für denselben«: Die Normalnorm D ⇒ E ist generisch gesetzt und als solche das Unbedingte der Bedingung, dass d vom Typ D ein e vom Typ E verursacht. Um Bedingung zu sein, hat ein Dasein d vom Typ D »am Grunde seine Voraussetzung, und ist selbst bedingt« – nämlich durch die Geltung von D ⇒ E . Warum aber ist die Bestimmung D dem Dasein d äußerlich? Geht es hier wirklich nur um die Subsumtion eines Einzelfalls d unter ein Dasein des Typs D , das als Grund für eine Erscheinung e vom Typ E zählt? Dann verwiese die Äußerlichkeit, von der hier die Rede ist, darauf, dass das Vorhandensein von d des Typs D relativ unabhängig von seiner Rolle als Verursachung von e des Typs E zu verstehen ist – aber eben, wie oben schon erläutert, doch nicht ganz, nämlich wegen der Interferenz von Grund und Folge, Wesen und Erscheinung, Ding und seinen qualitativen Entäußerungen etc. 2. Etwas ist nicht durch seine Bedingung; seine Bedingung ist nicht sein Grund. (315 | 124) Nichts existiert schon dann, wenn bloß erst ›eine‹ Bedingung vorhanden ist. Hier verwandeln sich Bedingungen in notwendige Voraussetzungen dafür, dass etwas da ist. Sie sind dann nicht schon hinreichende Bedingungen. Allerdings suggeriert Hegels definiter Artikel im Ausdruck »seine Bedingung«, dass etwas doch durch seine Bedingung existiert. Aber auch dann, wenn das Gesetz D ⇒ E nur generisch gilt, ist das Vorhandensein eines d des Typs D für das Bestehen eines e des Typs E nicht in jedem Fall ausreichend. Gleiches gilt für den Umkehrschluss vom gegebenen oder als gesetzt angenommenen Ereignis auf seinen Grund oder seine Ursache. Sie ist das Moment der unbedingten Unmittelbarkeit für den Grund, aber ist nicht selbst die Bewegung und das Setzen, das sich negativ auf sich bezieht, und sich zum Gesetztseyn macht. Der Bedingung steht daher die Grundbeziehung gegenüber. Etwas hat ausser seiner Bedingung auch ei|nen Grund. – Dieser ist die leere Bewegung der Reflexion, weil sie die Unmittelbarkeit als ihre Voraussetzung ausser ihr hat. Sie ist aber die ganze Form und das selbstständige Vermitteln; denn die Bedingung ist nicht ihr Grund. Indem dieses Vermitteln sich als Setzen auf sich bezieht, ist es nach dieser Seite gleichfalls ein Unmittelbares und Unbedingtes; es setzt
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sich zwar voraus, aber als entäussertes oder aufgehobenes ¦ Setzen; das was es hingegen seiner Bestimmung nach ist, ist es an und für sich selbst. – (315 f. | 124 f.) Die Bedingung soll das »Moment der unbedingten Unmittelbarkeit für den Grund« sein. Hier wird ganz o=enbar von E auf D geschlossen, und wir sprechen von der Bedingung E als Folge für das Vorliegen von D als einem möglichen Grund. E ist dann also notwendige Bedingung für D , vermöge der Regel D ⇒ E . Man kann dann aber nicht schon auf D schließen, da es auch andere Gründe geben kann. Nur wenn wir von dem Grund für E sprechen können, kann man aus E den Grund D erhalten – vermöge einer Doppelregel D ⇔ E . Das bedeutet, dass wir jetzt bei aller Suche nach einem Grund von einem tatsächlichen Dasein – manifestiert z. B. hier und jetzt als ein e vom Typ E – ausgehen. Anders gesagt, alles kausale Erklären beginnt mit der Anerkennung erstens empirischer Tatsachen und zweitens allgemeiner generischer ›Sachverhalte‹ als kausalen Bedingungen und Bedingtheiten, artikuliert durch generisch-allgemeine Regeln des Übergangs – die nur in einem mythischen Idealfall ›alle‹ relevanten, wesentlichen Einzelfälle abdecken. Normalerweise sind unsere ›Ursachen‹ bloß kausale Bedingungen. Das heißt, dass E dann und nur dann eintritt, wenn alle kausalen Bedingungen D 1 , . . . , D n erfüllt sind, sodass man (im Idealfall) von einer Doppelbeziehung (1) D 1 , . . . , D n ⇒ E und (2) E ⇒ D i ausgeht. Wegen (2) ist jedes der D i notwendige Bedingung. Wegen (1) leistet jede notwendige Bedingung D i einen gewissen Beitrag dazu, dass E der Fall ist oder als der Fall beurteilt werden kann, auf der Grundlage der unterstellten Bedingungsform (1) und (2). In der Oberflächenform unserer normalen Redeweisen nennen wir D i eine Bedingung für E , erstens, wenn (1) E ⇒ D i gilt, und zweitens, wenn (2) D 1 & · · · & D n ⇒ E gilt. Im Fall von (1) sind die D i notwendige Bedingungen für E sine qua non. Gälte nur (2), so würde D i noch nicht als Bedingung von E gelten, weil möglicherweise auch (2)* D 1 & · · · & D i∗ & · · · & D n ⇒ E gilt, mit D i , D i∗ . Für solche Fälle gibt es keinen Standardausdruck in der deutschen Kommentarsprache. Ceterum paribus könnte dann aber »D i oder D i∗ oder D i∗ · · · « eine ›hinreichende‹ Bedingung für E sein.
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Die Rede von kausalen Bedingungen ist o=enbar weder elegant noch klar, auch wenn sie in manchen Kontexten durchaus ausreichend und nützlich sein mag. Nach Regel (1) sind notwendige Bedingungen für E relevant. Im Fall (2) liefert eine Art Konjunktion eine hinreichende Bedingung, in welcher eine Alternative D i ∨D i∗ ∨ · · · ceteris paribus, also bei Gegebenheit der D j mit j , i gemäß (2) als ›hinreichend‹ für E gelten kann. Dieser Kommentar zu unserer Kommentarsprache ›behauptet‹ nichts, sondern zeigt nur auf, wie wir mit dem Wort »Bedingung« im Normalfall umgehen. Er zeigt, warum wir dazu neigen zu sagen, dass eine Erscheinung oder ein Ereignis einer gewissen Art vorliegt, eingetreten sein muss oder eintreten wird, wenn alle Bedingungen erfüllt sind, und dass »der Grund« (»die Ursache«) von E das Gesamt seiner (kausalen) Bedingungen ist. Schwierigkeiten machen dann nur die etwas lockeren Reden von einer Ursache D i neben anderen Ursachen (eines Grundes neben anderen Gründen), weil diese implizit die Erfüllung der anderen kausalen Bedingungen D j , mit i , j voraussetzen. Der Ausdruck »ceteris paribus« besagt eben dieses. Man fokussiert dann nur noch auf die Rolle von D i und entsprechender Alternativen D i∗ . Unter der Voraussetzung (Bedingung), dass D 1 , . . . , D i −1 , D i +1 , . . . , D n gegeben oder erfüllt sind, ist das Vorhandensein eines d i des Typs D i dann ja in der Tat ›der‹ im konkreten Fall – ceteris paribus – zureichende Grund (resp. ›die‹ Ursache) für E . Unglücklicherweise ist die lockere Weise, über kausale Bedingungen unter Verwendung der Ausdrücke »eine Ursache« und auch »die Ursache« zu sprechen, der Normalfall. Dabei ist es o=enbar praktisch selten oder nie möglich, alle relevanten notwendigen Bedingungen D j sine qua non für E oder alle alternativen hinreichenden Bedingungen D i oder D i∗ , D i∗∗ etc. ceteris paribus explizit zu nennen und die unterstellte Regel voll auszuformulieren. D. h., wir operieren praktisch immer mit implizit unterstellten weiteren (Vor-)Bedingungen. Als Folge ergibt sich schlussendlich sogar, dass »die Ursache« eines einzelnen Ereignisses e eines Ereignistyps E ›inskrutabel‹, ›ineffabel‹ wird, da, wie oben schon erwähnt, die ganze (bisher existente) Welt in gewisser Weise zu den Bedingungen gehört. Das wiederum heißt erneut, dass uns in der Angabe von Ursachen bzw. Bedingun-
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gen immer nur grobe generische Regeln zur Verfügung stehen. Das wiederum hat Folgen für die Rede von ›der Ursache‹ auch nur eines Einzelereignisses wie z. B. des Untergangs der Titanic. Ohne den Eisberg wäre sie nicht untergegangen, aber auch nicht ohne die Hybris von Kapitän und Schi=fahrtsgesellschaft. Diese wiederum haben weitere Vorbedingungen und Seitenbedingungen, sodass im Grunde, wie gesagt, fast die ganze Vorgeschichte der Menschheit und der Natur einen Beitrag zum Eintreten des Ereignisses leistet. Damit kippt die Rede von dem Grund, der Ursache und sogar schon von einer Bedingung im Gesamt der Bedingungen aus einem Moment einer begri=lichen Regel in einen Totalbegri=. Mir scheint, Hegel versucht hier, eben diese Kippbewegung aufzuzeigen und zu kommentieren. Insofern so die Grundbeziehung selbstständige Beziehung auf sich ist und die Identität der Reflexion an ihr selbst hat, hat sie einen eigenthümlichen Inhalt, gegen den Inhalt der Bedingung. Jener ist Inhalt des Grundes und darum wesentlich formirt; dieser hingegen ist nur unmittelbares Material, dem die Beziehung auf den Grund zugleich eben so äusserlich ist, als es auch das Ansichseyn desselben ausmacht; es ist somit eine Vermischung von selbstständigem Inhalt, der keine Beziehung auf den Inhalt der Grundbestimmung hat, und von solchem, der in sie eingeht, und als ihr Material, Moment derselben werden soll. (316 | 125) Die Grundbeziehung R U (D, E ) soll eine selbständige Beziehung auf sich sein. Was heißt das? Sie soll die Identität der Reflexion an ihr selbst haben. Das klingt obskur. Dass sie einen anderen Inhalt hat als D , die Bedingung, ist aber klar. Nehmen wir an, E gehöre zu D insofern, als es eine Erscheinung von D ist. Dann ist R U (D, E ) in der Tat eine ›innere Beziehung von D ‹. D selbst aber zählt zugleich als Bedingung für E und wird eben so vom Ding D als Grund für E und der Grundbeziehung R U (D, E ) unterschieden. Der Inhalt des Grundes ist D und D ist »wesentlich formiert«. Es ist ›nur unmittelbares Material‹, dem die Beziehung auf d , einen konkreten Grund vom Typ D , »äußerlich ist«. Zugleich aber macht R U (D, E ) das Ansichsein des Grundes D für E aus: D ist für sich z. B. ein Ding. Es ist Grund für E o=enbar nur durch Vermittlung von R U (D, E ).
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Wir vermischen daher in einem Urteil über einen Grund etwa für ein phänomenales Ereignis e vom Typ E einen »selbständigen Inhalt« D von d bzw. E von e, der in gewissem Sinn noch keine begri=liche Beziehung auf R U (D, E ), die Grundbestimmung, hat, mit einer Bezugnahme auf das generische D und E an sich, die wiederum längst schon begri=lich miteinander durch die Grundbeziehung R U verbunden sind. Damit wird d als Token zu einem Moment von D , e zur Aktualisierung von E und e wird auf d als ein D bezogen. 3. Die beyden Seiten des Ganzen, Bedingung und Grund, sind also einerseits gleichgültige und unbedingte gegen einander; das eine als das Unbezogene, dem die Beziehung, in welcher es Bedingung ist, äusserlich ist; das andere als die Beziehung oder Form, für welche das bestimmte Daseyn der Bedingung nur als Material ist, als ein passives, dessen Form, die es für sich an ihm hat, eine unwesentliche ist. Ferner sind auch beyde vermittelte. Die Bedingung ist das Ansichseyn des Grundes; sie ist so sehr wesentliches Moment der Grundbeziehung, daß sie die einfache Identität desselben mit sich ist. Aber diß ist auch aufgehoben ; diß An|sichseyn ist nur ein gesetztes; das unmittelbare Daseyn ist gleichgültig dagegen Bedingung zu seyn. Daß die Bedingung das Ansichseyn für den Grund ist, macht also ihre Seite aus, nach welcher sie eine vermittelte ist. Eben so die Grundbeziehung hat in ihrer Selbstständigkeit, auch eine Voraussetzung, und ihr Ansichseyn ausser sich. – Somit ist jede der beyden Seiten der Widerspruch der gleichgültigen Unmittelbarkeit und der wesentlichen Vermittlung, beydes in Einer Beziehung; – oder der Widerspruch des selbstständigen Bestehens und der Bestimmung, nur Moment zu seyn. (316 | 125 f.) Was heißt es aber, dass Bedingung und Grund zwei Seiten des Ganzen sein sollen, gleichgültig gegeneinander und unbedingt? Inwiefern ist die Bedingung unbezogen? Wie ist ihr die Regel äußerlich? Und was soll es heißen, dass das Material nur »ein Passives« sein soll, »dessen Form wiederum, die es für sich an ihm hat«, irgendwie unwesentlich sei? Wie verhält sich das dazu, dass ganz o=enbar nur geformte Materie und materialisierte Formen kausale Bedingungen sein und dispositionelle Kräfte haben können? Die Bedingung soll das Ansichsein des Grundes sein. Das heißt, sie
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ist das Allgemeine des Grundes bzw. der Ursache. Sie ist das, was die Prämisse D = D 1 & · · · & D n der generischen kausalen ›Erklärung‹ von E besagt. Die Bedingung ist damit klarerweise »wesentliches Moment der Grundbeziehung«, also der Relation R U (D, E ), nach welcher D die Ursache der Erscheinung E sein soll bzw. ist. D ist eigentlich der Grund (die Ursache) an sich selbst. Aber dieses Ansichsein »ist auch aufgehoben«, da ja die Regel D ⇒ E gesetzt ist, also nicht unmittelbar etwas in der Welt darstellt. Aufgehoben wird die Bedingung D eben darin, dass die Regel als gut oder wahr gelten kann, als bewährt und brauchbar zur Bestimmung von Erscheinungen oder Ereignissen des Typs E . Das »unmittelbare Dasein« von D ist »gleichgültig dagegen Bedingung zu sein«. Das heißt, irgendwie soll auch unabhängig von E festgestellt werden können, ob D besteht oder nicht, und unabhängig von D , ob E besteht oder nicht. Diese Unabhängigkeit ist aber nur relativ, da im Normalfall E durch die D bestimmt ist und das Vorliegen von D oft über E zu kontrollieren ist. Die Bedingung ist in Relation zur Ursache (zum Grund) das Ansichsein und sorgt dafür, dass Ursachen bzw. Gründe alle vermittelt sind. Dasselbe gilt für die Grundbeziehung R U . Auch diese hat ihre Allgemeinheit, ihr Ansichsein, außer sich. Der Widerspruch, der Hegel hier interessiert, ist der zwischen der relativen Unabhängigkeit der Bestimmung der Bedingung(en) bzw. Ursache und des kausal erklärten Ereignisses und ihrer wesentlichen Vermittlung, nach der sie nicht unabhängig voneinander bestimmt sind. Beides findet in einer Beziehung der Verursachung R U (D, E ) statt. Es ist gerade der »Widerspruch des selbständigen Bestehens« von Grund und Begründetem, Ursache und Wirkung »und der Bestimmung, nur Moment zu sein«, sodass die Bestimmungen von E durch D und D durch E gar nicht (immer) voneinander trennbar sind. b. Das absolute Unbedingte Die beyden relativ-Unbedingten scheinen zunächst, jedes in das andere; die Bedingung als Unmittelbares in die Formbeziehung des Grundes, und diese in das unmittelbare Daseyn als sein Gesetztseyn; aber jedes ist ausser diesem Scheine seines Andern an ihm selbstständig und hat seinen eigenthümlichen Inhalt. (316 | 126)
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D und E spiegeln sich je im anderen und scheinen doch auch relativ unbedingt zu sein. Das Problem ist bekannt: Wir nehmen, wie wir sagen und meinen, den Hund unmittelbar wahr, nicht bloß eine Hundegestalt oder Hunde-Erscheinung. Und doch ist die Bestimmung dessen, was wir wahrnehmen, als Hund nicht immer einfach unmittelbar, zumal das Wahrnehmen als ein H mit dem Urteilen »es ist ein H « begri=lich ganz eng verbunden ist. Die Sache D , also unser Hund d , wird als Ursache von E unmittelbar aufgefasst. In der Artbestimmung der Sache (des Grundes D von E ) wird das d aber als unabhängig von E , der Erscheinung angenommen; zugleich ›scheint‹ die Artbeziehung des Grundes »in das unmittelbare Dasein«, das bestimmt wird »als sein Gesetztsein«. Das bedeutet, dass das Dasein durch die Ursache bestimmt ist. Und doch gibt es außerhalb dieses Scheinen-im-Anderen auch den selbständigen Inhalt von D und E . Wir sollten diese Passagen als Auseinandersetzung mit Kants Schematismuskapitel in der Kritik der reinen Vernunft lesen (also KrV B 176 =.46). Heidegger nennt dieses Vgl. dazu z. B.: »Nun ist klar, daß es ein Drittes geben müsse, was einerseits mit der Kategorie, andererseits mit der Erscheinung in Gleichartigkeit stehen muß, und die Anwendung der ersteren auf die letzte möglich macht. Diese vermittelnde Vorstellung muß rein (ohne alles Empirische) und doch einerseits intellektuell, andererseits sinnlich sein. Eine solche ist das transzendentale Schema. Der Verstandesbegri= enthält reine synthetische Einheit des Mannigfaltigen überhaupt. Die Zeit, als die formale Bedingung des Mannigfaltigen des inneren Sinnes, mithin der Verknüpfung aller Vorstellungen, enthält ein Mannigfaltiges a priori in der reinen Anschauung. Nun ist eine transzendentale Zeitbestimmung mit der Kategorie (die die Einheit derselben ausmacht) sofern gleichartig, als sie allgemein ist und auf einer Regel a priori beruht. Sie ist aber andererseits mit der Erscheinung sofern gleichartig, als die Zeit in jeder empirischen Vorstellung des Mannigfaltigen enthalten ist. Daher wird eine Anwendung der Kategorie auf Erscheinungen möglich sein, vermittelst der transzendentalen Zeitbestimmung, welche, als das Schema der Verstandesbegri=e, die Subsumtion der letzteren unter die erste vermittelt. Nach demjenigen, was in der Deduktion der Kategorien gezeigt worden, wird ho=entlich niemand im Zweifel stehen, sich über die Frage zu entschließen: ob diese reinen Verstandesbegri=e von bloß empirischem oder auch von transzendentalem Gebrauche sind, d. i. ob 46
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Kapitel nicht zu Unrecht »das Kernstück« des ganzen Werkes, wie er im Kantbuch ausführt.47 Zuerst ist die Bedingung unmittelbares Daseyn; seine Form hat die zwey Momente, das Gesetztseyn, nach welchem es als Bedinsie lediglich, als Bedingungen einer möglichen Erfahrung, sich a priori auf Erscheinungen beziehen, oder ob sie, als Bedingungen der Möglichkeit der Dinge überhaupt, auf Gegenstände an sich selbst (ohne einige Restriktion auf unsere Sinnlichkeit) erstreckt werden können. Denn da haben wir gesehen, daß Begri=e ganz unmöglich sind, noch irgend einige Bedeutung haben können, wo nicht, entweder ihnen selbst, oder wenigstens den Elementen, daraus sie bestehen, ein Gegenstand gegeben ist, mithin auf Dinge an sich (ohne Rücksicht, ob und wie sie uns gegeben werden mögen) gar nicht gehen können; daß ferner die einzige Art, wie uns Gegenstände gegeben werden, die Modifikation unserer Sinnlichkeit sei; endlich, daß reine Begri=e a priori, außer der Funktion des Verstandes in der Kategorie, noch formale Bedingungen der Sinnlichkeit (namentlich des inneren Sinnes) a priori enthalten müssen, welche die allgemeine Bedingung enthalten, unter der die Kategorie allein auf irgendeinen Gegenstand angewandt werden kann. Wir wollen diese formale und reine Bedingung der Sinnlichkeit, auf welche der Verstandesbegri= in seinem Gebrauch restringiert ist, das Schema dieses Verstandesbegri=s, und das Verfahren des Verstandes mit diesen Schematen den Schematismus des reinen Verstandes nennen. Das Schema ist an sich selbst jederzeit nur ein Produkt der Einbildungskraft; aber indem die Synthesis der letzteren keine einzelne Anschauung, sondern die Einheit in der Bestimmung der Sinnlichkeit allein zur Absicht hat, so ist das Schema doch vom Bilde zu unterscheiden. So, wenn ich fünf Punkte hintereinander setze, ..... ist dieses ein Bild von der Zahl fünf. Dagegen, wenn ich eine Zahl überhaupt nur denke, die nun fünf oder hundert sein kann, so ist dieses Denken mehr die Vorstellung einer Methode, einem gewissen Begri=e gemäß eine Menge (z. E. tausend) in einem Bilde vorzustellen, als dieses Bild selbst, welches ich im letzteren Falle schwerlich würde übersehen und mit dem Begri= vergleichen können. Diese Vorstellung nun von einem allgemeinen Verfahren der Einbildungskraft, einem Begri= sein Bild zu verscha=en, nenne ich das Schema zu diesem Begri=e« (KrV B 178 f, A 139). 47 Vgl. S. 89. Heidegger sagt im Vorwort zur 1. Auflage von Kant und das Problem der Metaphysik inhaltlich selbst (vgl. S. XVI), das Buch präsentiere das vorhandene Material des (nie fertiggestellten) zweiten Teils von Sein und Zeit, und zwar so, dass Kants Kritik der reinen Vernunft als Metaphysik
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gung Material und Moment des Grundes ist; – und das Ansichseyn, nach welchem es die Wesentlichkeit des Grundes oder seine einfache Reflexion in sich ausmacht. Beyde Seiten ¦ der Form sind dem unmittelbaren Daseyn äusserlich; denn es ist die aufgehobene Grundbeziehung. – (316 f. | 126) Das unmittelbare Dasein »der Ursache« D oder einer Bedingung d ist gegeben, indem es als ein Fall von R U (D, E ) gesetzt ist. Als solches ist es Material bzw. Instanz oder Moment des Grundes, der Verursachung. Sein Ansichsein ist die »Wesentlichkeit des Grundes«, die generische Allgemeinheit D der Ursache. An sich ist E Erscheinung von D . An sich erscheint D als E . Die einfache Reflexion des Grundes in sich ist sein Ansichsein, die allgemeine Grundbestimmung D , als Prämisse in der Grund-Regel D ⇒ E . Aber sowohl D als auch E sind in ihrer Allgemeinheit dem konkreten Dasein, dem vorliegenden Fall ›äußerlich‹. D. h. der Fall muss als D /E -Fall bestimmt werden und wird es mit reflektierender Urteilskraft bzw. im dialektischen Hin und Her der Bestimmung von e als D /E -Fall. Aber erstens ist das Daseyn an ihm selbst nur diß, in seiner Unmittelbarkeit sich aufzuheben und zu Grunde zu gehen. Das Seyn ist überhaupt nur das Werden zum Wesen; es ist seine wesentliche Natur sich zum Gesetzten und zur | Identität zu machen, die durch die Negation ihrer das Unmittelbare ist. (317 | 126 f.) Das Dasein von D ist nicht unmittelbar bestimmt. Im Werden hängt es kontinuierlich mit vielem anderen zusammen. Es geht zu Grunde im leicht ironischen Sinn, dass wir es als Grund von seinem E bestimmen müssen, wodurch die Vorstellung, es sei unmittelbar bestimmt, zugrunde geht, sich als falsch, ungediegen, naiv erweist. Das Sein ist deswegen überhaupt bloß Werden zum Wesen, weil der Metaphysik lesbar wird. Im § 8 von Sein und Zeit hatte er noch explizit angekündigt, »Kants Lehre vom Schematismus und der Zeit als Vorstufen einer Problematik der Temporalität« darzustellen (S. 40). Das Vorhaben scheitert, und zwar weil Heidegger anders als Hegel den Kontrast zeitlichempirischer und überzeitlich-begri=licher Sätze und damit auch den Anwendungsvollzug hier und jetzt von allgemeinem Regelwissen nicht in das Zentrum der Analyse stellt.
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es erst in wesenslogischen Gliederungen aus dem Kontinuum des Geschehens zu etwas Bestimmtem wird und diese seine Bestimmung eine Wesens- oder auch Grundbestimmung ist. Dass es die »wesentliche Natur« des Seins ist, »sich zum Gesetzten und zur Identität zu machen«, bedeutet also erstens, dass das Sein im Kontrast zum Nichtsein als etwas Bestimmtes gesetzt sein muss. Die Negation der Identität ist das Unmittelbare – so wie jede Identität oder Gleichheit die unmittelbare Gegebenheit des Seins (Gegenstandes) längst schon negiert. Die Formbestimmungen also, des Gesetztseyns und des mit sich identischen Ansichseyns, die Form, wodurch das unmittelbare Daseyn Bedingung ist, sind ihm daher nicht äusserlich, sondern es ist diese Reflexion selbst. (317 | 127) Das Gesetztsein, dass d ein D ist, und das mit sich identische Ansichsein von D sind Formbestimmungen. Dabei ist das Ansichsein von D selbst Form, Begri=, eidos. Nur über die Form D wird das unmittelbare Dasein d Bedingung (für E ). Diese sind dem d also nicht äußerlich: d ist, was es ist, als Grund für e vom Typ E . Nur in der Reflexion von D /E in d /e ist das Dasein (die Ursache, das Ding) bestimmt. Zweytens, als Bedingung ist das Seyn nun auch als das gesetzt, was es wesentlich ist; nemlich als Moment, somit eines Andern, und zugleich als das Ansichseyn gleichfalls eines Andern; es ist an sich aber nur durch die Negation seiner, nemlich durch den Grund und durch dessen sich aufhebende und damit voraussetzende Reflexion; das Ansichseyn des Seyns ist somit nur ein Gesetztes. (317 | 127) Als Bedingung für eine Erscheinung ist das Sein »als das gesetzt, was es wesentlich ist«. Das heißt, wir belassen es nicht dabei, dass etwas ist oder geschieht, ohne zu bestimmen, was es als Sache oder Ding ist, was sein Grund ist, seine Ursache, eben seine Bestimmung. Und diese Bestimmung geschieht im Rahmen eines als bekannt vorausgesetzten Bedingungsgefüges. Wir wissen, wenn etwas so . . . aussieht, ist es ein Regenbogen, eine Wolke, ein Berg, jedenfalls höchstwahrscheinlich, oder ein Embryo, ein Tumor oder was weiß ich, wenn wir mit bildgebenden Verfahren in unseren Körper hineinblicken.
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Wesentlich ist das Ding, die Sache, auf die wir uns dann beziehen, als Moment für etwas anderes, die Erscheinung. Das aber heißt, dass es allgemein, als Ansichsein, bestimmt ist. Ohne die allgemeine Bedingung D ⇒ E wäre der Einzelfall im Allgemeinen gar nicht als Sache oder Ding, Grund oder als Erscheinung der Ursache bestimmbar. An sich aber bestimmt ist die einzelne Erscheinung e bzw. das vermutete Einzelding d als seine Ursache (sein Grund) »nur durch die Negation seiner«. Das Deutsch, das Hegel hier spricht, mag unelegant sein. Kants Sprache ist aber weder schöner noch einfacher, wie das obige Zitat in der Anmerkung zeigt. Das liegt auch an der Sache. Hier negiert Hegel die Unmittelbarkeit der Gegebenheit des Seins. Die Angabe des Grundes – z. B. dass etwas eine Kuh, kein Hirsch ist, den der Jäger schießen möchte – verneint einen Schein der Erscheinung, ein bloßes Aussehen. In der Antwort hebt sich die Reflexion darüber, was es wohl sein könnte, auf: In der besten Erklärung der Erscheinung bestimmen wir das Wesen, was es wirklich ist. Das Ansichsein dessen, was etwas ist, ist eben daher etwas, was wir setzen (müssen). Diß Ansichseyn der Bedingung hat die zwey Seiten, einerseits ihre Wesentlichkeit als des Grundes, andererseits aber die Unmittelbarkeit ihres Daseyns zu seyn. Oder vielmehr beydes ist dasselbe. Das Daseyn ist ein Unmittelbares, aber die Unmittelbarkeit ist wesentlich das Vermittelte, nemlich durch den sich selbst aufhebenden Grund. Als diese durch das sich aufhebende Vermitteln vermittelte Unmittelbarkeit ist es zugleich das Ansichseyn des Grundes, und das Unbedingte desselben; aber diß Ansichseyn ist zugleich selbst wieder eben so sehr nur Moment oder Gesetztseyn, denn es ist vermittelt. – Die Bedingung ist daher die ganze Form der Grundbeziehung; sie ist das vorausgesetzte Ansichseyn derselben, aber damit selbst ein Gesetztseyn, und ihre Unmittelbarkeit diß, sich zum Gesetztseyn zu machen; sich somit von sich selbst so abzustossen, daß sie sowohl zu Grunde geht, als sie Grund ist, der sich zum Gesetztseyn macht und hiemit auch zum Begründeten; und beydes ist ein und dasselbe. (317 | 127) Das Ansichsein der Bedingung D hat zwei Seiten: D ist wesentlich Grund für eine Erscheinung E in R U (D, E ). Andererseits gibt es re-
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lativ unmittelbare Kontrollen, ob ein d des Typs D vorliegt. Es gibt also noch weit mehr Erscheinungen E 0 , E 00 , usf., an denen wir feststellen können, ob D vorliegt, aufgrund der Beziehungen R U (D, E 0 ), R U (D, E 00 ) usf. In der begri=lichen Vermittlung R U (D, E ) ist das Ding unmittelbar durch E gegeben; wir nehmen D unmittelbar wahr – aufgrund der vorausgesetzten Grundbeziehung R U (D, E ). Der scheinbare unbedingte Grund ist aber selbst nur im Urteil gesetzt. Das Gesetztsein ist Moment in der Grundbeziehung. Das Moment ist vermittelt. Die Bedingung oder Regel D ⇒ E ist daher »die ganze Form der Grundbeziehung« R U (D, E ), das Ansichsein der Beziehung. d , e fallen unter D , E , wenn die Regel anwendbar wird. Die Subsumtion des Daseins e unter das Ding d geschieht durch Aufsuchen der Regel D ⇒ E und passenden Typisierungen des Dinges d als D und der Erscheinung e als E . Die Unmittelbarkeit des Wahrnehmungsbezugs auf d als ein D besteht also darin, dass man d zu einem Gesetztsein macht, es als ein D sieht, als Instanz von D /E . Das aber heißt, dass sich das d /D von sich selbst sozusagen abstößt, aufteilt in d /D und e/E bzw. D ⇒ E und die Subsumtion von e unter E , damit unter d /D . Damit wird e das durch d /D Begründete. Eben so ist an dem bedingten Grunde das Ansichseyn nicht nur als Scheinen eines Andern an ihm. Er ist die selbstständige, das heißt, die sich auf sich bezie|hende Reflexion des Setzens; und hiemit das mit sich identische, oder ist in ihm selbst sein Ansichseyn, und sein Inhalt. Aber zugleich ist er voraussetzende Reflexion; er bezieht sich negativ auf sich selbst, und setzt sich sein Ansichseyn als ihm anderes entgegen, und die Bedingung sowohl nach ihrem Momente des Ansichseyns als des unmittelbaren Daseyns ist das eigene Moment der Grundbeziehung; das unmittelbare Daseyn ist wesentlich nur durch seinen Grund, und ist das Moment seiner als Voraussetzens. Dieser ist daher eben so das Ganze selbst. (317 | 127 f.) Aber auch an dem (durch e/E bedingten) Grund d /D ist das Ansichsein D »nicht nur ein Scheinen eines Anderen an ihm«. Der Grund D »ist die selbständige . . . Reflexion des Setzens«. Wir setzen D , erklären e/E durch D und beziehen D auf E gerade so, wie es schon in sich gesetzt ist. E galt ja an sich schon als Erscheinung von D . Der
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sachliche Inhalt von e/E ist damit gerade d /D , sein Ansichsein ist die begri=liche Beziehung R U (D, E ). Zugleich aber beziehen wir uns in der Grundbeziehung R U (D, E ) negativ auf das Ding D als Ursache selbst, indem wir sein Moment E als eine der möglichen Erscheinungen E von D , begründet in D , in eine Beziehung zu D setzen, obwohl E doch auch eine Art ›Teil‹ von D ist, jedenfalls ›Moment‹ von D . Dabei wird D ⇒ E vorausgesetzt. In der Reflexion, ob e zu E und d /D gehört, wird also auf D und R U (D, E ) bzw. D /d und E /e reflektiert. Daher beziehen wir uns in der Beurteilung einer Erscheinung e/E als Fall von d /D negativ auf d /D selbst. ›Es‹ setzt sich, wenn wir objektstufig sprechen, d /D seinen Erscheinungen e/E , e 0 /E 0 etc. gegenüber. Die Bedingung D ⇒ E , D ⇒ E 0 etc. »ist das eigene Moment der Grundbeziehung« R U (D, E ) bzw. R U (D, E 0 ), wobei es relativ unmittelbare Subsumtionsbeziehungen zwischen E und e, E 0 und e 0 gibt, aber auch zwischen D und d . Das unmittelbare Dasein einer Sache oder eines Dinges ist wesentlich bestimmt durch seinen Grund, seine Ursache, da sein Dasein über die Erscheinung E vermittelt ist, also die sinnliche Perzeption, zugleich aber über die Ursache- und Grundbeziehung R U (D, E ) bzw. die Bedingung D ⇒ E . Der Grund, die Ursache, dass D die Erscheinung E hervorbringt, ist das Moment des Voraussetzens in der Wahrnehmung von d als D über e als E , vermittelt durch D ⇒ E . Der Grund, die Ursache, das Objekt, ist daher auch das Ganze der Gegenstandswahrnehmung im Prozess der Gegenstandsbestimmung und damit der denkenden Wahrnehmungsbeurteilung. Die Identität von Wahrnehmungsinhalt und Inhalt des Wahrnehmungsurteils, von der John McDowell in Mind and World spricht, ist nicht billiger zu haben bzw. zu verstehen. Es ist somit überhaupt nur Ein Ganzes der Form vorhanden; aber eben so sehr nur Ein Ganzes des Inhalts. Denn der eigenthümliche Inhalt der Bedingung ¦ ist nur wesentlicher Inhalt, insofern er die Identität der Reflexion mit sich in der Form, oder als diß unmittelbare Daseyn an ihm selbst die Grundbeziehung ist. Dieses ist ferner nur Bedingung durch die voraussetzende Reflexion des Grundes; es ist dessen Identität mit sich selbst, oder sein Inhalt, dem er sich gegenüber setzt. Das Daseyn ist daher nicht bloß formloses Material
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für die Grundbeziehung, sondern weil es an ihm selbst diese Form hat, ist es formirte Materie, und als zugleich das in der Identität mit ihr gegen sie gleichgültige ist es Inhalt. Es ist endlich derselbe Inhalt, den der Grund hat, denn es ist eben Inhalt als das in der Formbeziehung mit sich identische. (317 f. | 128) In der Bezugnahme auf einen Gegenstand ist je nur ein Ganzes der Form und des Inhalts vorhanden: Die Form, das Eidos, ist das äußere generische Wesen an sich, gegeben durch das System seiner Präsentationen und Repräsentationen, die alle auch Erscheinungen sind. Der Inhalt ist durch das Innere, die semantische Form gegeben. Das Äußere von d also sind alle Gestalten und Formen, die d (re-) präsentieren. Das Innere von d ist der Inhalt D zusammen mit der Grundbeziehung R U (D, E ), für alle Ding-Erscheinungen des Typs E . Das alles sind Erläuterungen zu unserer reflexionslogischen Kommentarsprache. Daher ›begründet‹ ein Wort wie »denn« hier weniger, als man meint. Begründet wird nur die Art der Kommentierung der betre=enden reflexionslogischen Unterscheidungen. Der Inhalt der Bedingung D »ist nur wesentlicher Inhalt« schreibt Hegel. Was heißt das? Es geht wohl um den festen Zusammenhang von Grund und Folge, Wesen und Erscheinung. Das unmittelbare Dasein des Dinges ist »an ihm selbst die Grundbeziehung«. Denn nur über seine Erscheinung wird das Ding zugänglich. Vorausgesetzt wird »die Grundbeziehung« als »Reflexion des Grundes« nämlich im Dasein (der Erscheinung). Das Dasein ist nie formlose Mannigfaltigkeit von Sinnesdaten, auf das man, wie Kant suggeriert, quasi willentlich eine Grundbeziehung oder ein Bild bzw. ein Schema projiziert. Sondern es hat »an ihm selbst diese Form«, ist also »formierte Materie«. Der Hinweis auf den aristotelischen Hylemorphismus ist o=enkundig. Das Dasein ist Inhalt, weil es schon eine wesentliche Gleichgültigkeitsbeziehung oder relevante Inhaltsäquivalenz bzw. wesensbestimmende Inhaltsidentität gibt: Es ist als Ding bestimmt durch seine di=erentiellen und inferentiellen Bedingungen. Die beyden Seiten des Ganzen, Bedingung und Grund, sind also Eine wesentliche Einheit; sowohl als Inhalt, wie als Form. Sie gehen durch sich selbst in einander über, oder indem sie Reflexionen sind, so setzen sie sich selbst als aufgehobene, beziehen sich auf
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diese ihre Negation und setzen sich gegenseitig voraus. Aber diß ist zugleich nur Eine Reflexion beyder, ihr Vor|aussetzen daher auch nur eines; die Gegenseitigkeit desselben geht vielmehr darein über, daß sie ihre Eine Identität als ihr Bestehen und ihre Grundlage voraussetzen. Diese, der eine Inhalt und Formeinheit beyder, ist das wahrhaft Unbedingte; die Sache an sich selbst. – (318 | 128 f.) Bedingung und Grund sind deswegen zwei Seiten des Ganzen, weil es um eine Genau-dann-wenn-Beziehung geht zwischen einem (zureichenden) Gesamt-Grund D und einer (als notwendig beurteilten) Bedingung E für D . Es gilt also D ⇔ E . In gewissen Sinn ist D = D 1 & · · · & D n und E = E 1 ∨E 2 ∨· · · ∨E m , wie oben schon beschrieben. Der Gesamtgrund D hat zur Folge, dass eine der Alternativen, die jeweils notwendige Bedingung E für D , der Fall ist, während je eine dieser Bedingungen in der als Alternative aufzufassenden Gesamtbedingung ausreicht, um auf den Grund zu schließen. In der Doppelregel D ⇔ E bilden Grund und Bedingung eine wesentliche Einheit. Der Grund D ist eine Konjunktion D 1 & · · · & D n von wesentlichen ›Bedingungen‹ für das Bestehen oder Dasein des Grundes. Die ›Erscheinung‹ E von D ist eine Adjunktion (›Disjunktion‹) E 1 ∨ · · · ∨ E m von ›notwendigen phänomenalen Bedingungen‹ dafür, dass D (insgesamt) besteht: aus jeder lässt sich auf D schließen. Als Inhalt bilden Grund D und Bedingung E schon deswegen eine Einheit, weil E die möglichen Erscheinungen des (dinglichen) Grundes sind und D der Grund bzw. das Ding mit den Erscheinungen E als Folgen ist. Inhaltlich kann das Ding z. B. ein geformtes MaterieStück, ein Stuhl etwa, sein, oder ein Lebewesen, mit seinen Erscheinungen, zu denen auch Folgen seines Tuns gehören, wie z. B. Spuren von Pfoten etc. Grund (Ursache) und Bedingung gehen entsprechend ineinander über: Wir erkennen D aus E und wir erwarten, dass E bzw. eines der E i gilt, wenn D vorliegt. Inwiefern aber sind D und E Reflexionen? Und was heißt es, dass sie ›sich selbst‹ setzen – und zwar als ›aufgehobene‹? Wie beziehen sie sich »auf diese ihre Negation«? – Dass sie jeweils einander voraussetzen, ist vielleicht der leichteste Teil: Das Wissen um das Vorliegen von D ist immer nur über (eine seiner) Erscheinungen E
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vermittelt. Wenn aber D vorliegt, ist je nach Stand des Beobachters möglicherweise eine der Erscheinungen oder Realfolgen von D zu erwarten. Der Stuhl oder die Milch ist eine Reflexion ihrer Bedingungen insofern, als etwas nur dann ein Stuhl oder Milch ist, wenn die notwendigen Bedingungen erfüllt sind, welche u. a. Dispositionen und damit bestimmte Folgen in der Zukunft sein können und sind. Ob sie dies sind, entscheidet sich also zumeist nicht unmittelbar, schon gar nicht einfach in direkter, bloß gegenwärtiger Wahrnehmung. Ein festgeschraubtes Ding, das wie ein Stuhl aussieht, wäre z. B. kein normaler Stuhl, weil es sich nicht bewegen lässt. Im Stuhl müssen also die Bedingungen des Stuhlseins aufgehoben sein, so wie in der Milch die des Milchseins. Stuhl und Milch sind aber selbst Ursache dafür, dass die Bedingungen ihres Daseins in Erscheinungen auftreten. Sie ermöglichen entsprechende Unterscheidungen und sind selbst die zugehörigen Unterschiede, Negation(en), Verschiedenheiten, so wie ein Kaninchen kein Hund oder Hase ist – und kein totes Tier oder bloß gemaltes Tier. Die Trennung von Grund (Ursache, Sache, Ding) und seinen Erscheinungen (Folgen, Bedingungen im empirischen Dasein) ist also selbst bloß etwas, das wir in der Reflexion auf die vorausgesetzte Einheit von Ding und seinen qualitativ erfahrbaren Eigenschaften voraussetzen. Der inferentielle Inhalt des (Daseins des) Dinges als Grund und die Formeinheit mit den Bedingungen als Erscheinungen »ist das wahrhaft Unbedingte«, die Sache an (und für) sich selbst. Man bezieht sich dabei natürlich nicht wirklich auf die ganze Welt (als die umfänglichste Sache an und für sich), sondern auf endliche, innerweltliche Dinge. Wir sagen etwa, dass die Sonne deswegen so schmal wie ein Menschenfuß aussieht, weil sie o=enbar sehr weit weg ist, aber eben deswegen notwendigerweise sehr groß ist. D. h. die Entfernung und Größe der Sonne bedingen ihr Aussehen. Umgekehrt ist die Sonne an und für sich selbst eben das, was dies alles ›bedingt‹, also im Bereich der Erscheinungen zur Folge hat und wofür sie Grund bzw. Ursache ist. In der Sonne sind daher alle ihre Erscheinungen reflektiert, ohne dass die Sonne selbst eine Menge qualitativer Folgen auf unsere Sin-
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ne wäre. Mengen sind etwas ganz anderes als Körperdinge, Ursachen oder ›Gründe‹.48 Die Bedingung ist, wie sich oben ergeben hat, nur das relativ-unbedingte. Man pflegt sie daher selbst als ein Bedingtes zu betrachten, und nach einer neuen Bedingung zu fragen, womit der gewöhnliche Progreß ins Unendliche von Bedingung zu Bedingung eingeleitet ist. Warum wird nun bey einer Bedingung nach einer neuen Bedingung gefragt, das heißt, warum wird sie als Bedingtes angenommen? Weil sie irgend ein endliches Daseyn ist. Aber diß ist eine weitere Bestimmung der Bedingung, die nicht in ihrem Begri=e liegt. Allein die Bedingung als solche ist darum ein Bedingtes, weil sie das gesetzte Ansichseyn ist; sie ist daher im absolut Unbedingten aufgehoben. (318 | 129) Die Bedingung D ⇒ E ist nur relativ unbedingt, nämlich für eine genetivförmige Rede von der Erscheinung E des Dinges D und der Ursache D der Erscheinung E . Dann aber ist D möglicherweise noch ganz anders vermittelt und unter Umständen durch D ∗ bedingt aufzufassen, also über eine Ursache-Beziehung als durch D ∗ bedingt bzw. verursacht – und so fort. Das ist dann nicht (bloß) eine Frage der Genese, der Entstehung von D , sondern oft schon ein Teil der Wesensbestimmung von D – und damit dann auch von E selbst. Denn es könnte D etwas ganz anderes sein, als es ist, wenn es durch D ∗ und nicht etwa durch D ∗∗ bedingt wäre. Hegel selbst fragt, warum man im Fall einer Bedingung D nach dessen Bedingtheit durch eine weitere Bedingung D ∗ fragt. Und er antwortet unter Rückgri= auf das oben schon Ausgeführte, dass sich D und E keineswegs absolut so unterscheiden, dass E unmittelbar gegebene Erscheinung wäre, D aber eine untergeschobene rein theoretische Bedingung oder unmittelbar körperliche (physische) Ursache. Vielmehr gibt es noch viele andere Möglichkeiten des relativ unmittelbaren Zugangs zu D über ›andere‹ Erscheinungen E ∗ als Meine Hinweise auf W. V. O. Quine stehen im Kontext der Tatsache, dass er schon in Mathematical Logic explizit vorschlägt, alle Dinge und Gegenstände, auch Zahlen, als Mengen zu betrachten – und damit übrigens direkt in der Tradition der Bündeltheorie Humes steht. 48
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der ggf. vorliegenden e vom Typ E . Da D selbst ein Dasein ist, ist die Frage seiner Bedingung von derselben Form wie im Fall von E . Das ist grundsätzlich so. Allerdings ist dies, wie Hegel sagt, »eine weitere Bestimmung« von D als Bedingung für E , »die nicht in ihrem Begri=e liegt«, denn wir betrachteten in der Grundbeziehung R U (D, E ) bzw. der Regel D ⇒ E das Ding D als zureichende GrundBeziehung bzw. die Erscheinung E als notwendige Bedingung von D . Daher bezieht sich eine Beziehung der Verursachung von D durch D ∗ bzw. eine Regel der Form D ∗ ⇒ D auf eine andere, weitere Frage, nämlich nach dem Dasein von D selbst, nicht nach dem Dasein von E als durch D bedingt. Aber schon deswegen, weil die Bedingung D »das gesetzte Ansichsein« des vorliegenden Daseins E (bzw. e) ist, ist D selbst bedingt. Das liegt daran, dass man zwar E als Erscheinung von D deuten kann, das Vorliegen von D (in einem d ) aber auf D ∗ zurückweist (usf.). Was heißt es dann aber, dass die Bedingung »im absolut Unbedingten aufgehoben« sei? Dieses nun enthält die beyden Seiten, die Bedingung und den Grund, als seine Momente in sich; es ist die Einheit, in welche sie zurükgegangen sind. Sie beyde zusammen machen die Form oder das Gesetztseyn desselben aus. Die unbedingte Sache ist Bedingung beyder, aber die absolute, das heißt, die Bedingung, welche selbst Grund ist. – Als Grund ist sie nun die negative Identität, die sich in jene beyden Momente abgestoßen hat; – erstens in die Gestalt der aufgehobenen Grundbeziehung, einer unmittelbaren, einheitslosen, sich selbst äusserlichen Mannichfaltigkeit, welche sich auf den Grund als ein ihr Andres bezieht, und zugleich das Ansichseyn desselben ausmacht; zweytens, in die Gestalt einer innerlichen, einfachen Form, welche Grund ist, aber sich auf das mit sich identische Unmittelbare als auf ein Anderes bezieht, und dasselbe als Bedingung, d. h. | diß ihr Ansich als ihr eigenes Moment bestimmt. – (318 | 129 f.) Die Form und das Gesetztsein des Dinges d vom Typ D (als Grund oder Ursache seiner Erscheinungen E ) besteht erstens darin, dass bestimmt ist, was ein Gegenstand d der entsprechenden Art so alles an (dispositionellen) Eigenschaften hat, die als bedingte Wirkungen auf andere Dinge und Sachen auftreten. Hinzu kommen besondere Vereinzelungen einzelner Dinge der jeweiligen Art,
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z. B. weibliche Kaninchen, dreibeinige Katzen oder zwergwüchsige Bäume. Die unbedingte Sache, das Ding an sich der relevanten Art, ist in seinem vereinzelten Fürsichsein die Bedingung dafür, dass es Grund seiner Erscheinungen ist und dass gewisse Erscheinungen notwendige Bedingungen seines Daseins sind. Das Ding selbst ist ›absolute‹ Bedingung, und das heißt, zureichender Grund (Ursache) aller (notwendigen und hinreichenden) Bedingungen seiner Existenz. Als Grund ist die Sache »negative Identität«. Das heißt, sie ist die Identität aller (notwendigen) Bedingungen und aller ursächlichen Prämissen im Erklären der Erscheinungen als Folgen der Sache. Was aber war die ›aufgehobene‹ Grundbeziehung? Warum ist sie ›unmittelbare‹, ›einheitslose‹, ›sich selbst äußerliche‹ Mannigfaltigkeit? Diese scheint das Gesamt der möglichen Erscheinungen als Folge des verursachenden Grundes, des Dinges oder der Sache selbst zu sein. Dabei machen die Folgen das Ansichsein der Sache aus, da ja die generische Sache durch ihre dispositionellen bzw. bedingten Inferenzen allererst bestimmt ist. Andererseits ist die Form der Rede über die dingliche Sache selbst so, dass diese Dispositionen und Kräfte als ›innere‹ oder ›innerliche‹ Eigenschaften des Dinges gesetzt sind. Dies ist die ›einfache Form‹, welche ›Grund‹ ist, also das Ding zum Grund oder Substrat seiner wirklichen, wirkenden Eigenschaften macht. Dabei ist das Unmittelbare des Selbstseins der Dinge formal das Andere seiner relationalen Prozess-Eigenschaften. Es sind Dinge also, wie wir eigentlich schon längst wissen, in sich dadurch reflektiert, dass ihre eidetische Identität und sortale Individualität als Setzungen von Artunterscheidungen in einer Gattung und Normalfallfolgen für das Genus, die Spezies oder besondere Teilarten bestimmt bzw. bestimmbar sind. Das wird hier nur in einer eigens entworfenen und doch nahe an unserem üblichen Reden liegenden Kommentarsprache eigens explizit gemacht. Quines bekannte Überlegungen zur Unerforschlichkeit der Referenz (in dem großen Werk Word and Object) beziehen sich übrigens auf genau dasselbe Phänomen – und tre=en doch daneben. Quine geht nämlich von einer mystischen Stimulus-Meaning aus. Im Grunde
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ist dies das schon bei John Locke zu findende Postulat von Impressionen der Dinge auf unsere Physiologie. Die in ihrer Allgemeinheit völlig korrekte und extrem wichtige Rede von einer Theorie-Abhängigkeit der Erfahrung verhindert dann ironischerweise eine genauere logische Konstitutionsanalyse. Eben damit wird aber ein System physikalischer Kräfte und Dispositionen wirklicher Dinge einfach unterstellt. Diese beyden Seiten setzen die Totalität so voraus, daß sie das setzende derselben ist. Umgekehrt, weil sie die Totalität ¦ voraussetzen, so scheint diese auch wieder durch jene bedingt zu seyn, und die Sache aus ihrer Bedingung und aus ihrem Grunde zu entspringen. Aber indem diese beyden Seiten sich als das identische gezeigt haben, so ist das Verhältniß von Bedingung und Grund verschwunden, sie sind zu einem Scheine herabgesetzt; das absolut Unbedingte ist in seiner Bewegung des Setzens und Voraussetzens, nur die Bewegung, in welcher dieser Schein sich aufhebt. Es ist das Thun der Sache, sich zu bedingen, und ihren Bedingungen sich als Grund gegenüber zu stellen; ihre Beziehung als der Bedingungen und des Grundes ist aber ein Scheinen in sich und ihr Verhalten zu ihnen ihr Zusammengehen mit sich selbst. (318 f. | 130) Es ist freilich schwierig, Hegels Kommentare zu den Reflexionstermini »Grund« und »Bedingung« in allen Details zu verstehen. Das liegt daran, dass sie erstens schwanken zwischen Reflexionen auf ›normale‹ Ausdrucksformen und auf ihre ›globalen‹ oder ›idealen‹ Gebräuche, in denen sozusagen nur die ganze Welt Grund und (notwendige) Bedingung ist oder auch Gott, wenn man das Absolute des Wahren als des Ganzen lieber so anspricht. Die beiden bzw. drei Seiten in einer Grundbeziehung D ⇒ E , Grund (Ding), Erscheinung und Bedingungsgefüge, »setzen die Totalität«, nämlich der Welt, »so voraus, dass sie das Setzende derselben ist«. Denn nur als ein holistisches Ganzes ist D zureichender Grund für eine Erscheinung oder ein Ereignis E und nur im idealen Ganzen ist E notwendige Bedingung dafür, dass D für E vollständig Grund ist. Das liegt daran, dass aktuale Ereignisse wirklich notwendige Bedingung nur des Vorliegens einer Totalität ihrer Gründe (Ursachen) sind, zumal zu diesen auch Zufälle gehören können. Das Problem ist, dass man sich mit generischen Erklärungen zufrieden gibt. Das ist im
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Prinzip durchaus in Ordnung, wenn man nur nicht vergisst, dass die endlichen, generisch angegebenen Gründe oder Ursache nur ceteris paribus ausreichen, die Folgen hervorzubringen. Im Allgemeinen schwankt man daher in einer ›realistischen‹ Deutung der Angabe von Gründen und Ursachen zwischen einer idealen Abbildungsvorstellung und einer Anerkennung von Ceteris-paribus-Bedingungen hin und her. Nur im zweiten Fall beachtet man die generische Form und daher die Endlichkeit und Fallibilität jedes sachbestimmten Weltbezugs wirklich – und dass alles bloß Ideale nur der Reflexion auf reale Vollzugsformen dient. Das Zugeständnis, dass jeder Geltungsanspruch Normalfallbedingungen unterstellt, also besonders gut auf Proto- und Idealtypen passt, sollte dann aber zu einer Einsicht in eine allgemeine Formeigenschaft von Geltungen entwickelt werden. Der Schein, es würde »die Sache aus ihrer Bedingung und aus ihrem Grund entspringen«, ist in diesem Sinn als reflexionslogischer Schein zu begreifen. Das Problem ist, dass es gar keine bestimmte Sache und keine Ursache gibt ohne Wissen über die generischen Grundlagen generischer Erscheinungen. Die endliche Sache als Ding, Ereignis oder Prozess hat also je ›unendliche‹ Bedingungen bzw. Gründe. Die Lokalität der Sache steht im Widerspruch zu ihrer vorgängigen globalen Vernetzung. Wir erhalten die für unseren Weltzugang notwendigen lokalen Perspektiven und die zugehörige Lokalisierung des Daseins der Sache in Raum und Zeit, wie wir dazu sagen, nur durch Einklammerung mancher oder vieler globaler Hintergrundbedingungen. Dass wir uns einen logischen Atomismus wünschen, soll Bertrand Russell und seinen Anhängern nicht genommen werden. Naiv ist nur zu meinen, dieser Wunsch sei uns kostenfrei durch die Natur der Dinge gewährt. Die holistischen Hintergründe werden besonders bedeutsam für (ein volles Verstehen in Bezug auf) Form und Seinsweise personalen Lebens von Menschen. Unsere geistigen Fähigkeiten finden nämlich ihre zureichenden Gründe (Ursachen) ganz o=enbar nur in der Gesamtentwicklung der Menschenwelt und nicht einfach in der Ontogenese der Einzelmenschen, etwa in der Ausprägung ihres Gehirns. Analoges gilt am Ende für jedes Einzelereignis auf analoge Weise. Ein Ereignis wie z. B. das Desaster der Schlacht von Waterloo für Napoléon hat viele Vorbedingungen und Folgen, wobei wir uns nur für
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besonders robuste kausale Ursache- und Folge-Typen interessieren (sollten), dabei insgesamt aber auch immer für die Rolle des Zufalls, ohne dass wir je wüssten, ob z. B. die Unpässlichkeit Bonapartes, die Tollkühnheit General Neys oder der Regen entscheidend waren oder doch eher nicht. Indem nun außerdem in der Beziehung von D und E , Grund und Erscheinung, die Unabhängigkeit von D und E infrage steht, da beide bloß sinnverschiedene Zugänge zu der gleichen Sache sind, die Sache also selbst nur durch eine Art der Bedeutungs- oder besser Bezugsgleichheit im Kontrast zu einer (groben) Bezugsverschiedenheit definiert ist, verschwindet das Verhältnis von Bedingung und Grund sozusagen in der Sache D , wird durch diese, anders gesagt, so verschluckt, wie die Bedeutungsgleichheit gewisse Sinnverschiedenheiten verschluckt. Damit werden die Reden davon, dass eine unabhängige Sache Grund einer unabhängigen Erscheinung sei, zu einem Schein »herabgesetzt«. Das heißt, wir merken, dass die Verhältnisse in unserer Reflexion auf die Di=erenz von Ding und Eigenschaft, auf die Sache D als Grund und das von ihr begründete Phänomen E , nicht einfach relational oder gar kausal darstellbar sind, weil es gar keine voneinander unabhängigen (sortalen) Gegenstände sind, die in (Wirk-)Relationen zueinander stehend aufzufassen sind. Es ist daher in der Tat die dialogisch-dialektische Bewegung der Reflexion auf die Bewegungen von Momenten in unseren reflexionsoder wesenslogischen Redeformen, die Hegel hier thematisiert. Die Bewegung des Setzens und Voraussetzens ist eine dieser Bewegungen der Reflexion, welche die Sache deswegen erzwingt, weil sie selbst in ihrem Begri= längst in sich reflektiert ist. Was das heißt, ist sicher nicht leicht zu verstehen und bedarf einer fast übergroßen Geduld. Wir betrachten es noch einmal an einem Beispiel. Wenn wir ein Kaninchen als ›Grund‹ (Ursache) dafür auffassen, dass wir eine Kaninchengestalt vorbeihuschen sehen, und wenn wir mit anderen Beobachtern in die Lage versetzt sind, aufgrund unseres Spracherwerbs zu sagen »Schau, ein Kaninchen«, so wie Quines Eingeborene (in Word and Object) vielleicht sagen: »Gavagai!«, dann ist das Kaninchen selbst, so wie wir es von anderen Dingen und Sachen unterscheiden und mit sich identifizieren, längst schon in folgendem Sinn »in sich reflektiert«: Ein
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Kaninchen ist etwas anderes als eine bloße Kaninchenphase, ein Kaninchenteil, etwa ein Kaninchenschwanz, obwohl normalerweise das Vorhandensein ›aller‹ wesentlichen Teile eines Kaninchens notwendige Bedingung dafür ist, dass ein Kaninchen da ist. Wäre nur die Gestalt vorhanden, etwa in einem technischen Hologramm, gäbe es kein Kaninchen, genauso wenig wie wenn es nur eine Kaninchenattrappe wäre, ein Plüschtier vielleicht. Zu den notwendigen Bedingungen gehört also insbesondere, dass das Tier für sich lebt und nicht etwa bloß für ein Kind wie ein Tamagotchi zu leben scheint. Wenn Quine meint, das dingliche Kaninchen würde aufgrund gelernter Abrichtung die verbale Reaktion »sieh, ein Kaninchen« kausal hervorrufen, übersieht er die hier extensiv verhandelte logische Grundbeziehung R U . Diese Grundrelation basiert selbst schon auf einer sozialen Praxis. Diese Praxis ist in ihren Anwendungen keine rein physikalische Reaktion, eher eine Art Erlaubnisregel, etwas laut zu sagen, was einem aufgrund eines Lernprozesses als naheliegende Möglichkeit neben anderen eingefallen ist. Außerdem vergisst Quine im Verlauf seiner naturalistischen Dogmatik, was ihm während der sinnkritischen Phase der Überlegung noch aufgefallen war, nämlich dass in den Unterscheidungen zwischen Kaninchen und Hasen, diesem Kaninchen und anderen Kaninchen, Tieren und Plüschtieren schon ein riesiges System von allgemeinem Weltwissen und gemeinsamen Unterscheidungspraktiken sozusagen enthalten sind. Diese Voraussetzungen werden, wie gesagt, bloß vage unter dem Titel »Theorie« thematisiert. Dabei denkt Quine wie Kant nur an mathematische Modelle. Immerhin greift Quine Hegels Kritik an der Naivität jedes (logischen) Atomismus (wie bei Hobbes, Russell, auch Carnap oder Ayer) auf. Er tendiert daher zu seinem Theorienholismus. Allerdings ist das nur erst ein verbaler Holismus, eine Art allgemeine Handbewegung: Das Gesamtsystem einer idealen Physik soll uns sagen, was es wirklich in der Welt gibt. Damit geht man an der Tatsache vorbei, dass jedes derartige System bloß etwas dazu sagen kann, was es ›an sich‹ in der Welt ›geben kann‹, da es nur Arten, Formen von Sachen und Prozessen darstellen kann. Schon die empirischen Einzeltatsachen in ihrer Kontingenz und Lokalität, etwa dass gerade jetzt ein Gewitter nur hier im Süden Leipzigs niedergeht, sind gar keine Gegenstände einer solchen Theorie.
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Aus Hegels Sicht übersehen Naturalisten bzw. Physikalisten wie der atomistische Hobbes oder der theorienholistische Quine, die Tatsache, dass das Für-sich-Sein relativ von anderen Sachen unabhängiger Dinge erstens objektiv zu erarbeiten ist, und zwar so, wie es sich, zweitens, z. B. im Sein von tierischen Lebewesen wirklich zeigt. Von der Tatsache, dass wir diese Dinge oder Wesen gemeinsam hinreichend gut unterscheiden und identifizieren können, gehen wir zu Vorhandenheitsurteilen über. Wir selbst aber sind es, die darüber urteilen, welche Relationen und Eigenschaften (etwa geometrischer Art) den Sachen an und für sich zukommen, also den einzelnen Aktualisierungen (für sich) von typischen Arten (an sich), und welche eher Beziehungen auf uns sind (wie z. B. Geschmack und Geruch, auch Farbe, in jedem Fall aber Wohlgeschmack und Wohlgeruch). Hegel sieht damit, dass wir die ›primären Qualitäten‹ nicht einfachhin den Gegenständen zuschreiben dürfen, oder besser, nicht vergessen dürfen, dass wir sie setzen und ihnen zusprechen, selbst wenn wir von der ›Objektivität‹ der Gehalte angesichts normalerweise glückender Unterscheidungen hochgradig überzeugt sind, so sogar, dass unser objektives Wissen auf dieser (berechtigten) Grundüberzeugung aufruht. In diesem und nur in diesem Sinn ist es das »Tun der Sache, sich zu bedingen«. D. h. es gehört zu dem von uns begri=lich vor dem Hintergrund allgemeinen Wissens bestimmten bzw. gesetzten Sachbegri= – etwa eines Kaninchens – dass wir in die Lage kommen, Kaninchen als Arten und Einzelwesen von anderen Tieren zu unterscheiden, notwendige Bedingungen für die Richtigkeit dieser Unterscheidungen festzulegen und zu prüfen, davon zu reden, dass das Kaninchen es ist, das Grund oder Ursache für diese oder jene Erscheinung ist usf. Das Kaninchen wird so zum Grund seiner Bedingungen, wie schon fast allzu ausführlich beschrieben. Das alles ist ein »Scheinen in sich«, wie Hegel so schön sagt, und ein »Zusammengehen mit sich selbst«. Die mengentheoretische Rede, wie sie von Hume bis Quine hier häufig in Anschlag gebracht wird, führt nicht weiter. Man meint, das Ding wäre eine Menge von Qualitäten, Erscheinungen, Eigenschaften. Aber es gibt Mengen nur dort, wo es gegenstandsartige Elemente gibt. Qualitäten, Erscheinungen und Eigenschaften sind als solche keine derartigen Gegenstände. Dazu müssten schon Gleichheiten zwischen
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Qualitäten, Eigenschaften oder Erscheinungen definiert sein, über eine (kanonisch normierte) Praxis des Unterscheidens hinaus. Die Normen einer zugehörigen Negation der Negation, des vernünftigen Nichtunterscheidens, sind aber in jedem Fall eigens zu betrachten. Außerdem ist nicht nur die Identität einer Menge, auch ihre Seinsweise als abstrakter Gegenstand von völlig anderer logischer Form als die Identität einer innerweltlichen Sache oder eines Dings. Dennoch gibt es analogische Beziehungen, wie Hegels Rede von einem ›Zusammengehen‹ ausdrückt: So wie eine Menge durch eine Unterscheidungs- und eine Gleichgültigkeitsbeziehung zwischen verschiedenen Weisen der Klassifikation von Gegenständen bei der Mengenbildung als Extension seiner Elemente definiert ist, sind auch eine Sache und ein Ding als solche durch das definiert, was alles ihre Erscheinungen, Eigenschaften und Qualitäten sind. Die Prädikate, die für Mengen definiert sind, sind zwar auf die Elementrelation zurückzuführen. Die Prädikate aber für innerweltliche Sachen und Dinge haben längst schon ganz andere Formen. Sie gehen z. B. auf raumzeitliche Relationen zu anderen Sachen und Dingen zurück.
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c. Hervorgang der Sache in die Existenz Das absolut Unbedingte ist der absolute mit seiner Bedingung identische Grund; die unmittelbare Sache, als die wahrhaft Wesenhafte. Als Grund bezieht sie sich negativ auf sich selbst, macht sich zum Gesetztseyn, aber zum Gesetztseyn, das die in ihren Seiten vollständige Reflexion, und die in ihnen mit sich identische Formbeziehung ist, wie sich ihr Begri= ergeben hat. Diß Gesetztseyn ist daher erstlich der aufgehobene Grund, die Sache als das Reflexionslose Unmittelbare; die Seite der Bedingungen. Diese ist die Totalität der Bestimmungen der Sache, – die Sache selbst, aber in die Aeusserlichkeit des Seyns hinausgeworfen; der wiederhergestellte Kreis des Seyns. (319 | 130) Was ist absolut unbedingt? Hegel spricht von einem ›mit seiner Bedingung identischen Grund‹. Was bedeutet das? – Ein allgemeines Vorurteil dazu, was das Wort »absolut« bedeute oder zu bedeuten habe, steht meinem Interpretationsvorschlag in der Tat im Weg. Man meint üblicherweise, absolut sei das, was aus einem Blick von nirgendwo und überall her, also nur aus einer göttlichen Perspektive sich
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als wahr oder wirklich erweise. Hegel lehnt diese teils theologische, teils materialistische (naturalistische, physikalistische) Sicht auf eine angeblich absolute Wahrheit und Wirklichkeit noch weit vehementer ab als der in jedem Betracht schwankende Empirismus, der seine eigenen Einsichten nicht festhalten kann, da sie ihm wie glitschige Schlangen aus den Händen gleiten, und zwar weil ihm das Begreifen des Begri=s und Hegels Reflexion auf das Ideale und Abstrakte bloß formaler Betrachtungen bzw. das bloß Formale in allen unseren Reden von Idealen fehlt. Ich lese Hegel so, dass die Bedingungen einer Sache gerade ihre notwendigen empirischen Erscheinungen sind, ohne welche die Sache nicht vorhanden oder da wäre. Wenn nun die doppelte Regel D ⇒ E und E ⇒ D gilt und sich aus dem Grund seine Erscheinungen ergeben und sich aus den Erscheinungsalternativen der Grund ergibt, dann ist der Grund mit seiner Erscheinung identisch. Dann ist die Sache an und für sich selbst als solche relativ ›unbedingt‹. Denn wir können jetzt von weiteren Bedingungen ebenso absehen wie von weiteren Gründen. Die Sache ist (relativ) unmittelbar das, als was sich zeigt, was in sich als mit sich zusammengehend aufscheint, uns bekannt und von uns erkannt ist. In ihrem Vollzugssein ist die Sache für sich. In unserer Bezugnahme auf sie in Manifestationen dieser oder jener Art bestimmen wir ihr An-und-für-sich-sein. Die Sache an und für sich selbst zählt als wahrhaft wesenhaft, als wirklich, gerade so wie das Kaninchen, das wir vorbeihuschen sehen – jetzt im Sinne eines faktiven, perfektiven, Wahrnehmens von Wahrem. Wir wissen von der Sache relativ unmittelbar (aufgrund eines allgemeinen Vorherwissens), dass wir sie wahrnehmen und was sie so alles tun kann bzw. was wir erwarten dürfen oder sollten, was sie so alles tun könnte. Als Grund (›Ursache‹) für die Erscheinung, das Sehen des Kaninchens und unsere Tendenz zu sagen, »ja, das ist doch ein Kaninchen!« bezieht sich die Sache (das Wesen) »negativ auf sich selbst, macht sich zum Gesetztsein«. D. h., wir können und müssen in unseren spekulativen (hochstufig-reflexiven) Kommentaren zur Reflexionslogik so etwas sagen wie dieses: Das Kaninchen ist der wirkliche Grund für die wahre Wahrnehmungsaussage »Das ist ein Kaninchen«. Wir
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sagen, in einem solchen Urteil werde gesetzt, dass da ein Kaninchen (und kein Hase, kein Hologramm etc.) ist. Aber das Urteil ist nicht bloß ein erster Einfall auf eine Perzeption. Es kann gewissenhaft geprüft sein. Die »vollständige Reflexion«, von der die Rede ist, besagt eben dies, dass die notwendigen Bedingungen dafür, dass der Grund für die Wahrnehmung ein Kaninchen ist, als erfüllt überprüft sind, nun ja, soweit dies jeweils möglich (bzw. notwendig oder sinnvoll) ist. Was dabei zu überprüfen ist, sagt der Begri=. Es ist zu prüfen, ob es ein wirkliches Kaninchen ist, das wir wahrnehmen. Der aufgehobene Grund ist die Sache, die sich auf zureichende Weise zeigt – sodass die Sache im Normalfall, naiv, als ›reflexionslos unmittelbarer‹ Gegenstand der Wahrnehmung erscheint, obwohl das nie wirklich der Fall ist, da jede Sache an und für sich längst schon in sich reflektiert ist und nur über eine Nachprüfung reflexionslogischer Wesensbestimmungen als vorhanden beurteilbar ist. Allerdings geschieht das in Normalfällen ›sehr schnell‹, quasi ›automatisch‹, ›unmittelbar‹ – was aber bloßer Schein ist, allerdings ein solcher, der ›notwendig‹ ist für das schnelle begri=sbestimmte Wahrnehmen der Menschen nach Ausbildung ihrer ›zweiten Natur‹, der sprachlich-begri=lichen Begleitung oder Kommentierbarkeit ihrer Wesensunterscheidungen in der Rede über eine Wirklichkeit, die einem bloß subjektiven Schein dann doch auch wieder entgegengesetzt wird. Die Totalität der Sache als Identität der Erfüllung ›aller‹ notwendigen Bedingungen und der Sache selbst als deren Grund ist jetzt ideal als Form analysiert. Im konkreten Fall wissen wir sehr gut, wie wir mit dieser Form praktisch umgehen. Die Schwierigkeit bestand darin, die Form explizit zu machen. In »die Äußerlichkeit des Seins hinausgeworfen« ist die Sache eben dadurch, dass sie sich in ihren aktualen Erscheinungen als Bedingungen ihrer Existenz zeigt. Der Kreis des Seins geht von der Erscheinung über die Setzung eines Wesensgrunds zu der durch diesen Grund erklärten Erscheinung zurück. Der Grund, die Sache, rettet das Phänomen. In der Bedingung ent|läßt das Wesen die Einheit seiner Reflexionin-sich als eine Unmittelbarkeit, die aber nunmehr die Bestimmung
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hat, bedingende Voraussetzung zu seyn, und wesentlich nur eine seiner Seiten auszumachen. – (319 | 130 f.) Bedingungen sind zunächst immer endliche Bedingungen. Sie sind in der Welt bestimmt. Die ganze Welt als Bedingung anzusehen, führt in eine ganz andere, nämlich spekulative, Redeform, ist eine metabasis eis allo genos. Eben diese kategorialen Übergänge und ihre Folgen sind jetzt Hegels Thema. Endliche Bedingungen sind nun immer Erscheinungen. Sie sind notwendige Bedingung dafür, dass ein Wesen einer bestimmten Art vorliegt. Es gibt das Wesen an sich in seiner Art, als Typ D , und seinem Fürsichsein, als einzelne Instanziierung d , nicht ohne seine Erscheinungen. Aber es existiert das Wesen d von der Art D nur durch alle seine notwendigen Bedingungen. Die Einheit des Wesens, des Dinges, der Sache d vom Typ D besteht in einer Reflexion-in-sich, in der Identität der Sache, die als Gleichgültigkeit der Zugänge zur Sache durch seine Erscheinungen oder Bedingungen zu lesen ist. In der Bedingung zeigt sich die Sache quasi unmittelbar: Die Bedingung ist jedenfalls oberflächennäher als die Sache. Die Mannigfaltigkeit der (notwendigen) Bedingungen korrespondiert der Mannigfaltigkeit der (möglichen) Erscheinungen der Sache. Insofern sind Bedingungen unmittelbarere Zugänge zur Sache – wobei allerdings der ›Schluss‹ von notwendigen Bedingungen (als Folgen der Sache) auf die Sache selbst kein absolut sicherer ist: Dazu bräuchten wir alle Bedingungen. Alle Bedingungen aber sind uns aufgrund unseres eigenen lokalen Seins nie unmittelbar zugänglich – so dass, wie gesagt, der ›Schluss‹ auf die Totalität der wirklichen Sache immer bloß ›generisch richtig‹ sein kann. Denn die ›notwendigen‹ Bedingungen des guten Falls, dass eine Sache eines bestimmten Typs vorliegt, geht nach unseren eigenen Setzungen inferentiell immer weit über das hinaus, was je hier und jetzt vollständig kontrollierbar ist. Jede bedingende Voraussetzung oder notwendige Bedingung ist also wesentlich, ihrem Wesen nach, von der Art, dass sie nur eine Seite der ganzen Sache ausmacht. Wir können eben daher immer nur generisch von dem, was wir sinnlich erfahren, auf das schließen, was etwas wirklich ist, sagen wir, ein Elefant, wie in dem berühmten indischen
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Gleichnis von den Blinden, nach welchem der eine den schlangenartigen Rüssel, der andere die säulenartigen Beine ertastet (usf.). Die Bedingungen sind darum der ganze Inhalt der Sache, weil sie das Unbedingte in der Form des formlosen Seyns sind. (319 | 131) Die Bedingungen als das, was wir begri=lich als ›notwendig‹ mit einer Sache verbinden, sind am Ende »der ganze Inhalt der Sache«. Wir hatten ja gesagt, dass die Sache vorhanden ist, ein Sachverhalt besteht, ein sachlich bestimmtes Ereignis oder Prozess stattfindet genau dann, wenn die ›notwendigen‹ Bedingungen dafür erfüllt sind. Diese Bedingungen in ihrer Gesamtheit sind mögliche Erscheinungen, sozusagen »das Unbedingte in der Form des formlosen Seins«, jedenfalls insofern wir die Mannigfaltigkeit dieser Erscheinungen als von der Sache losgelöst denken, also so, als wären sie nicht schon als Erscheinungen der Sache verstanden, sondern bloß erst eine Art Haufen mannigfaltiger Phänomene. Ein solcher Haufen aber definiert, wie oben schon erläutert, noch keineswegs eine Menge und schon gar keine Sache oder ein Ding. Sie haben aber um dieser Form willen auch noch eine andere Gestalt, als die Bestimmungen des Inhalts, wie er in der Sache als solcher ist. Sie erscheinen als eine Einheitslose Mannichfaltigkeit, vermischt mit Ausserwesentlichem und andern Umständen, die zu dem Kreise des Daseyns, insofern es die Bedingungen dieser bestimmten Sache ausmacht, nicht gehören. – (319 | 131) Eine bloße Menge qualitativer Eigenschaften bleibt ohne spezifische Bezugnahme auf Sachen, deren besondere Eigenschaften oder äußere ›Bedingungen‹ sie sind, eine ›einheitslose Mannigfaltigkeit‹. Für die absolute uneingeschränkte Sache ist die Sphäre des Seyns selbst die Bedingung. Der Grund, der in sich zurükgeht, setzt sie als die erste Unmittelbarkeit, worauf er sich als auf sein Unbedingtes bezieht. Diese Unmittelbarkeit als die aufgehobene Reflexion, ist die Reflexion in dem Elemente des Seyns, das also sich als solches zu einem Ganzen ausbildet; die Form wuchert als Bestimmtheit des Seyns fort, und erscheint so als ein mannichfaltiger von der Reflexionsbestimmung verschiedener, und gegen sie gleichgültiger Inhalt. (319 | 131) Die Sphäre des Seins, der qualitativen Unterscheidungen und Un-
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terscheidbarkeiten, ist und bleibt aber der Bereich der (notwendigen) Bedingungen dafür, dass eine Sache vorhanden ist, existiert, sich im Dasein irgendwie spezifisch zeigt. Sie ist Grund für das Dasein als erscheinende Existenz, als Herausstehen der Sache in diese O=enheit der auch sinnlich vermittelten Erkennbarkeit. Bedingungen gehören also auf die Ebene des perzeptiv unterschiedenen Seins. Gründe und wirkliche Sachen bzw. Ursachen liegen auf der Ebene des reflexionslogischen Wesens. Indem eine Sache als Grund seiner Erscheinungen aufgefasst wird, werden diese zur ›ersten Unmittelbarkeit‹, auf die sich der Grund, also die den Erscheinungen als Ursache zugrunde gelegte Sache, als das ›Unbedingte‹ bezieht. D. h., die Vorhandenheit der Sache ist bedingt. Sie ist abhängig von ihren Erscheinungen als Bedingungen ihrer Existenz. Absolut ist, wie gesagt, der Vollzug des Seins, zu dem alles gehört, was sich je gegenwärtig zeigt. Uneingeschränkt ist dieses Sein als Vollzug, solange nichts oder wenig di=erentiell und inferentiell bestimmt ist. Die Sache als Grund geht insofern in sich zurück, als sie eine Einheit ihrer Bedingungen bzw. Erscheinungen ist. Ihre relative Unmittelbarkeit, wenn wir uns auf sie also gemeinsam im Wahrnehmen und Denken, Perzipieren und Urteilen, beziehen (können), ist selbst schon (Ergebnis von) Reflexion, die aber im relativ unmittelbaren Wahrnehmen aufgehoben ist. Dabei bildet sich die Sache als ein Ganzes aus, eben durch die di=erentiell-inferentielle Bestimmung ihrer notwendigen Bedingungen. Das alles enthält, was man aus dem Vorhandensein der Sache (wenigstens generisch, für den Normalfall) folgern darf, kann oder soll. Hegel spricht plastisch von einer Wucherung der generischen Form (bzw. des Forminhalts) der Sache. Die zu einer Sache gehörigen Erscheinungen erscheinen, wenn man sie von ihrem Grund reflexionslogisch ablöst, als ›mannigfaltiger Inhalt‹, als von der Reflexionsbestimmung der Sache verschieden, so, als wären sie gegen die Sache, das Ding, gleichgültige Phänomene. Das aber sind sie nicht. Es ›gibt‹ keine freischwebenden Phänomene, Erscheinungen, Qualia. Diese sind selbst nur Gedankendinge, bestenfalls Momente in der Reflexion auf den holistischen Prozess innerweltlicher Gegenstandsbezugnahme.
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Warum es allerdings die Form sein soll, die in der Bestimmtheit des Seins fortwuchert, und nicht der Inhalt, ist zunächst ein Rätsel. Wer meint, das sofort zu verstehen, irrt wahrscheinlich. An dem Beispiel kann man sehen, dass Hegel sich nicht allzu sehr darum kümmert, ob der Leser seinen Gedankengängen leicht folgen kann. Möglicherweise geht es darum, dass die Form der Unterscheidung zwischen Wesen und Erscheinung, Grund und Bedingung, Sache und sinnlicher Perzeption unendlich viele Ausprägungen finden kann. Man kann das Körperding als Wesen und eine wiedererkennbare Sehgestalt als Bedingung in der Sphäre des Seins ansehen, aber auch die invariante Gestalt als Wesen mit mehr oder weniger typischen Perzeptionsreaktionen, wie z. B. auch bei Farben. Manche meinen, bis herunter zu absolut subjektiven Qualia etwas di=erenzieren zu können, obwohl von einer gemeinsamen Unterscheidung ohne Identifikation dessen, was nicht zu unterscheiden ist, gar keine Rede sein kann. Wäre wirklich alles voneinander unterscheidbar, dann wäre nichts voneinander unterschieden. Das war im Grunde schon die basale Einsicht des Beginns der Seinslogik gewesen. Das Sein kollabiert im Nichts oder wird mit ihm identisch, wenn gar nicht zwischen etwas und etwas anderem, einem Bestehen und einem Nichtbestehen unterschieden wird. Genauer gesagt, ein Sein, das nicht zu einem halbsortalen Bereich der Rede über Gegenstände und deren Eigenschaften, also in einen Bereich der Seienden entwickelt ist (oder wird), ist das Om, Om, Om des Lamaismus oder die indefinite Substanz des Spinoza, eine Art milchige Mannigfaltigkeit von allem und jedem, von Qualia und Empfindungen, Pixels und minimalen Einzelereignissen, die es alle nicht ›gibt‹, weil sie gar nicht unterscheidbar oder identifizierbar, zeigbar oder beredbar sind. Die Wucherung der Form meint entsprechend die o=ensichtliche Möglichkeit beliebiger Verfeinerungen von Unterscheidungen, die im naiven Denken zur skeptischen Angst vor unendlichen Regressen oder zur dogmatischen Unterstellung einer indefiniten Mannigfaltigkeit von Sinnesdaten oder punktartigen Atomen oder Weltpixeln führt. Das Unwesentliche, welches die Sphäre des Seyns an ihr hat, und was sie, insofern sie Bedingung ist, abstreift, ist die Bestimmtheit
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der Unmittelbarkeit, in ¦ welche die Formeinheit versenkt ist. Diese Formeinheit, als die Beziehung des Seyns, ist an ihm zunächst als das Werden, – das Uebergehen einer Bestimmtheit des Seyns in eine andre. Aber das Werden des Seyns ist ferner Werden zum Wesen und das Zurückgehen in den Grund. Das Daseyn also, welches die Bedingungen ausmacht, wird in Wahrheit nicht von einem andern als Bedingung bestimmt und als Material gebraucht; sondern es macht sich durch sich selbst zum Moment eines andern. – (319 f. | 131) Die Verwandlung der Sphäre des Seins, also der sinnlich-qualitativen Unterscheidungen, in Bedingungen streift das Unwesentliche bloß subjektiver Di=erenzgefühle und Intuitionen ab. Indem wir zwischen Schein/Erscheinung und wirklicher Sache bzw. seinem Wesen an sich als generische Art oder Form unterscheiden, verwandeln wir sozusagen perzeptivisch kontrollierte Bedingungen in Bestimmungen der (relativ unmittelbaren) Sache selbst, wie sie uns gegeben ist, nämlich durch ihre phänomenalen Folgen oder notwendigen Bedingungen ihres Bestehens. Hegel kommentiert das so, dass in die unmittelbaren Bedingungen – z. B. dafür, dass das, was wir sehen, ein Kaninchen ist – »die Formeinheit versenkt ist«. Der Einzelgegenstand, etwa dieses Kaninchen hier, ist die Einheit der Art, ein Kaninchen zu sein, und des Einzelwesens, dieses Kaninchen für sich zu sein. Vorausgesetzt sind qualitative Kriterien der präsentischen Unterscheidung zwischen Kaninchen und anderen Tieren, wie sie verdichtet sind durch Normalfallinferenzen, die besagen, was wirkliche Kaninchen normalerweise je schon getan haben müssen und noch tun werden oder tun können, wenn sie denn noch lebende und hinreichend normale Kaninchen sind. Die Formeinheit als Beziehung des Seins ist o=enbar selbst schon ein Werden, also zeitlich ausgedehnt. Es ist das Werden dessen, was es jeweils ist. Das ergibt sich daraus, dass eine Sache oder ein Ding wie ein Kaninchen überhaupt nicht von anderen Sachen oder Dingen unterscheidbar ist ohne Bezugnahme auf seine stabile Seinsform, nach welcher z. B. kleine Kaninchen nach ihrer Geburt wachsen, eine Zeit lang leben und dann sterben – aber als solche je für sich, also in ihrer Identität, von allen anderen Wesen unterschieden sind. Ohne Vorwissen über dieses Werden als Vollzugsform des Seins gibt es
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keine stabilen Wesensunterscheidungen. Dieses Vorwissen kennt die notwendigen, genauer: generischen Formen des »Übergehens einer Bestimmtheit des Seins in eine andere«, wie z. B. die Metamorphose von Raupe und Schmetterling, das Wachsen von Pflanzen oder die Gestaltveränderungen von allen möglichen Dingen, z. B. auch von Bergen, Landschaften, Flussverläufen, oder auch nur die perspektivischen Di=erenzen bei verschiedenen Bezugnahmen oder ›Sichtpunkten‹ auf eine Gestalt wie ein Kreis oder ein Quadrat. Ein Quadrat z. B. ist ja keineswegs durch sein Aussehen definiert, sondern dadurch, wie quadratische Flächen aneinandergepasst werden können. Dass das Sein als Aktualisierung von Vollzügen (Vollzugsformen) Werden ist, wird reflexionslogisch völlig klar, wenn man zwischen (bleibendem) Wesen qua Artform einer Vereinzelung in einem Wesen an und für sich und seinen vielen (relationalen) Erscheinungen, seinem Aussehen, und deren (›gesetzesartigen‹) Veränderungen unterscheidet. »Werden zum Wesen« und »Zurückgehen in den Grund« sind Hegels Titel für die Deutbarkeit von (qualitativen) Erscheinungen der Sphäre des Seins (auch des präsentischen Daseins) als Bedingungen für das Vorhandensein der entsprechenden (z. B. dinglichen) Wesen (und deren Wesenseigenschaften, Kräften, Dispositionen). Jetzt wird endgültig klar, dass unsere Lektüre korrekt war: Hegel selbst erläutert, dass die Bedingungen, von denen er hier dauernd spricht bzw. gesprochen hat, der Sphäre des Daseins angehören, also der je präsentischen Kontrollmöglichkeiten, die jedenfalls dann bestehen, wenn es entsprechende Kontrollinstanzen gibt, an denen sich relationale Eigenschaften der betre=enden Sachen aufzeigen können (wenigstens ›im Prinzip‹). Das Wesen selbst ›bestimmt‹ dabei seine Bedingungen. Das besagt natürlich, dass der Begri= des Wesens diese seine Bedingungen bestimmt. Die Bedingungen sind sozusagen das Material des Wesens. Das heißt, es gibt kein Wesen, keine Sache, ohne die sich unter passenden Umständen zeigenden phänomenalen Äußerungen der Sache, seine Bedingungen. Diese sind Momente der Sache. Nur pro forma, gedanklich, reflexionslogisch sind sie daher etwas anderes als die Sache, die sich in ihnen zeigt. Sachlich gesehen aber sind Form und Materie, Begri= und das Gesamt der Seinsbedingungen seiner materialen Aktualisierung ein und dasselbe.
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Sein | Werden ist ferner nicht ein Anfangen von sich als dem wahrhaft Ersten und Unmittelbaren; sondern seine Unmittelbarkeit ist nur das Vorausgesetzte; und die Bewegung seines Werdens ist das Thun der Reflexion selbst. (320 | 131 f.) Wir erkennen jetzt schon weit deutlicher als am Anfang der Seinslogik und im Kapitel zu den Qualitäten als den sinnlichen Unterscheidbarkeiten, dass wir gar nicht mit unmittelbaren präsentischen Unterschieden »als dem wahrhaft Ersten« beginnen können, um anhand von deren Veränderungen die Tatsache zu bemerken, dass alles Sein Werden ist. Vielmehr sind die Unmittelbarkeiten des Daseins vorausgesetzte Unterstellungen einer wesens- oder reflexionslogischen Bezugnahme auf Dinge als Grundlage qualitativer Eigenschaften, die sich in ihrem Sein und ihren Qualitäten laufend verändern, in ihrer Identität aber durch ihre Veränderungsform bestimmt sind, welche uns (allein) sagt, was Änderungen derselben Sache bzw. desselben Dinges sind. Insofern und nur insofern ist die »Bewegung« des »Werdens« einer Sache »das Tun der Reflexion selbst«. Das heißt nicht, dass wir in unserem reflektierenden Denken die Sache oder das Ding begri=lich ›konstruieren‹, indem wir eine Art ›willkürliche‹ Menge von Bedingungen seines Daseins ›setzen‹. Es heißt aber sehr wohl, dass der Gegenstandsbezug begri=lich so bestimmt ist, wie wir die Einheit der Sache kriterial an ihre Bedingungen gehängt haben, wie sie der Form oder im Prinzip nach festzustellen ist, nachdem sie durch uns in ihrem Ansichsein qua Artform und Gleichheit an sich bestimmt worden war. Diese Bestimmungen ruhen auf allgemeinen Erfahrungen und Kenntnissen über Möglichkeiten. Anders gesagt, die Konstitutionsanalyse des Dinges in seiner Identität, seinem Dasein und seinen (phänomenalen) Bedingungen machen eben das explizit, was in unserer Praxis der Dingbezugnahme im Dingbegri= selbst längst schon ›in sich reflektiert‹ vorhanden ist. Die Wahrheit des Daseyns ist daher Bedingung zu seyn; seine Unmittelbarkeit ist allein durch die Reflexion der Grundbeziehung, welche sich selbst als aufgehobene setzt. Das Werden ist somit, wie die Unmittelbarkeit nur der Schein des Unbedingten, indem dieses sich selbst voraussetzt, und darin seine Form hat; und die
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Unmittelbarkeit des Seyns ist daher wesentlich nur Moment der Form. (320 | 132) Das rechte Verständnis präsentischen Daseins als Sphäre, auf die wir uns in sinnlicher Perzeption und denkendem Urteil wahrnehmend beziehen, hat die Bedingungen der Existenz der Sachen und Dinge zu finden, denen wir dispositionelle Kräfte bzw. entsprechende Eigenschaften zuschreiben, je nach allgemeiner Art und besonderer Ausprägung als Einzelding im entsprechenden Umgebungsrahmen. Die Unmittelbarkeit des Daseins – des Kaninchens, das ich sehe, aber schon der braunen Farbe eines Hundes – gibt es nur »durch die Reflexion der Grundbeziehung«, also aufgrund der Regel D ⇒ E , welche uns sagt, was normalerweise als zureichender, dinglicher Grund für E zu gelten hat bzw. wie oder wann wir auf ihn durch die Gegenregel E ⇒ D zurückschließen dürfen. Diese Beziehung wiederum »setzt sich selbst als aufgehobene«, insofern sie in der Praxis der kriterialen Ding-Identifizierung längst vorausgesetzt ist, nicht erst in den reflexionslogischen Reden davon, dass das Ding D die Erscheinung E ›verursache‹. Warum aber soll »somit« das Werden »wie die Unmittelbarkeit« »nur der Schein des Unbedingten« sein? – Der zentrale gedankliche Punkt scheint der zu sein, dass sich das Unbedingte »selbst voraussetzt« und dass es »darin seine Form hat«. Das bedeutet, dass die Gesamtsache das Ganze ihrer Bedingungen und als solche längst nicht mehr lokal, endlich ist. Wir müssen daher auf die Form der Angabe eines endlichen Grunds von Erscheinungen achten. Der unendliche Grund ist als formaler generisch, ein Grund an sich oder im Prinzip, ceteris paribus. Als spekulativer Gesamtgrund aber ist er immer nur die Totalität der ganzen Welt, also ›Gegenstand‹ einer alles umfassenden Armbewegung. Unser endliches Wissen ist fallibel, gerade weil wir immer mit generischen Gründen für empirische und damit lokale Erscheinungen operieren, was in seltenen Fällen schiefgehen kann. Unendliches Wissen aber ›gibt‹ es nur als ideale Reflexion auf Formen – gerade so wie in der Geometrie. Veränderungen und unmittelbare Erscheinungen in der Sphäre des Seins sind daher »wesentlich nur Moment der Form«, also des eidetischen Begri=s der Sache. Hat man das einmal begri=en, kann man nicht mehr
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naiv an ein begri=sfreies Sein der (endlichen) Körperdinge glauben, das es empirisch in der Wahrnehmung zu erkennen und gedanklich durch Glaubens-Urteile über seine wahren, aber leider eigentlich unerkennbaren, kausalen Wirkungen zu erklären gälte. Vielmehr sind die sogenannten kausalen Folgen eines Dings Teilmomente unserer eigenen begri=lich gefassten eidetischen Erklärungsform des unmittelbaren Seins, also der ›Realität‹ der jeweiligen Gegenwart. Die andere Seite dieses Scheinens des Unbedingten ist die Grundbeziehung als solche, als Form bestimmt gegen die Unmittelbarkeit der Bedingungen und des Inhalts. Aber sie ist die Form der absoluten Sache, welche die Einheit ihrer Form mit sich selbst oder ihren Inhalt an ihr selbst hat, und indem sie ihn zur Bedingung bestimmt, in diesem Setzen selbst seine Verschiedenheit aufhebt und ihn zum Momente macht; so wie sie umgekehrt sich als wesenloser Form in dieser Identität mit sich die Unmittelbarkeit des Bestehens gibt. (320 | 132) Insgesamt ergibt sich eine Einheit von Form und Inhalt der Wesensbestimmung der Sache als Grund (Ursache) ihrer Erscheinungen im Dasein und Werden – vergangen, präsentisch und zukünftig. Indem wir sagen, was die Sache bestimmt oder setzt, was ihre Bedingungen sind, sprechen wir eigentlich schon über ihren Begri=. Wir heben damit zugleich die Verschiedenheit von Sache als Grund und ihren (notwendigen) Bedingungen oder kausalen Folgen im Reich der daseienden Erscheinungen auf. Es gibt also gar keine Phänomene ohne Wesen und kein Wesen ohne seine Erscheinungen oder Folgen. Es gibt daher keine reinen Qualitäten oder Qualia, die nicht längst schon als bestimmte Momente bzw. Bedingungen bezogen wären auf ›objektive‹ Sachen oder Dinge, selbst im Fall von Halluzinationen, verursacht durch zufällige Gehirnströme. Ein Moment in diesem Sinn zu sein, bedeutet, wesentlich zur Sache zu gehören, wie sie durch deren begri=liche Setzung artmäßig längst schon in sich reflektiert ist und das auch sein muss, wenn sie denn als bestimmte von anderen unterschieden bzw. unterscheidbar sein soll. Die Reflexion des Grundes hebt die Unmittelbarkeit der Bedingungen auf, und bezieht sie zu Momenten in der Einheit der Sache; aber die Bedingungen sind das von der unbedingten Sache selbst
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vorausgesetzte, sie hebt damit also ihr eigenes Setzen auf; oder ihr Setzen macht sich somit unmittelbar selbst eben so sehr zum Werden. – Beydes ist daher Eine Einheit; die Bewegung der Bedingungen an ihnen selbst ist Werden, Zurükgehen in den Grund und Setzen des Grundes; aber der Grund als gesetzter, das heißt als aufgehobener, ist das Unmittelbare. (320 | 132) Indem wir auf den Begri= des Grundes und der Folge reflektieren, also explizit machen, was im Begri= eines Dings immer schon in sich reflektiert ist, hebt sich die Vorstellung auf, die Erscheinungen als Bedingungen wären unmittelbar ohne Bezugnahme auf die Sache und das in ihr vorausgesetzte Vorwissen irgendwie gegeben, etwa als Sinnesdaten. Die Bedingungen und Erscheinungen werden zu notwendigen »Momenten in der Einheit der Sache«. Andererseits hebt sich in den Bedingungen, den Erscheinungen, das »eigene Setzen« der »unbedingten Sache« auf, und zwar weil sich die Bedingungen zeigen können und unter Umständen müssen, sodass aufgrund der Voraussetzung des Vorliegens der notwendigen Bedingungen die Sache selbst keine bloß theoretische Setzung ist, sondern sie selbst erscheint und muss erscheinen, und zwar in ihren Bedingungen. Die als mit sich identisch gesetzte Sache, das Ding, ist so selbst schon als Werden bestimmt. In der Analyse zeigt sich, dass sie »sich selbst« zum Werden macht, wenn man nur über das begri=lich Vorausgesetzte nachdenkt. Die Bewegungen der Bedingungen dafür, dass eine Sache (z. B. ein Kaninchen) vorhanden ist, bestehen eben darin, dass bei sich änderndem Blickpunkt oder im Lauf der Zeit je andere Bedingungen relevant werden. Das kleine Kaninchen sieht etwas anders aus als das große. Als Kaninchen muss es dieses oder jenes tun (können) usf. Dieses Werden der sich ändernden Bedingungen wird zusammengehalten durch den Grund, die Sache, die als gesetzte und in den Bedingungen aufgehobene der (neue) unmittelbare Gegenstand einer jetzt begri=lich und d. h. immer auch artmäßig bestimmten WahrNehmung der Sache ist, die zugleich die denkend erfasste Ursache ihrer Bedingungen oder Erscheinungen ist. Der Grund bezieht sich negativ auf sich selbst, macht sich zum Gesetztseyn und begründet die Bedingungen; aber darin daß so das
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unmittelbare Daseyn als ein Gesetztes be|stimmt ist, hebt der Grund es auf und macht sich erst zum Grunde. – Diese Reflexion also ist die Vermittlung der unbedingten Sache durch ihre Negation mit sich. (320 | 132 f.) Der Grund als dingliche Ursache seiner Erscheinungen »bezieht sich negativ auf sich selbst« insofern, als seine Identität durch ein Für-sich-Sein äquivalenter Bedingungen gegeben ist, die aufeinander bezogen sind, indem sie das Werden der Sache und die verschiedenen Zugänge zur Sache sozusagen explizit machen. Das Ding wird so zum Gesetztsein der Äquivalenz seiner Bedingungen – durch die es sich im unmittelbaren Dasein zeigt, obwohl es selbst in seiner Identität durch den Begri= (eidos) gesetzt ist und als Aktualisierung der Artform (eidos) ›existiert‹. Die ›Reflexion‹ des Grundes bzw. der Sache in den (erscheinenden) Bedingungen ist die »Vermittlung der unbedingten Sache durch ihre Negation mit sich«, wobei die Bedingungen diese Negation sind. Sie stehen ja formal im Kontrast zur Sache als ihrem Grund. Oder vielmehr die Reflexion des Unbedingten ist zuerst Voraussetzen, aber diß Aufheben ihrer selbst ist unmittelbar bestimmendes Setzen; zweytens ist sie darin unmittelbar Aufheben des Vorausgesetzten und Bestimmen aus sich; somit ist diß Bestimmen wieder Aufheben des Setzens und ist das Werden an sich selbst. Darin ist die Vermittlung als Rükkehr zu sich durch die Negation, verschwunden; sie ist einfache in sich scheinende Reflexion, und grundloses absolutes Werden. (320 | 133) Das Nachdenken darüber, was in der Vorstellung von einer unbedingten Sache oder einem dinglichen Gegenstand als Grund seiner Bedingungen oder Erscheinungen vorausgesetzt ist, führt uns zur Einsicht, dass der Gegenstand als Grund gesetzt ist und so erst seine Bedingungen bestimmt. Allerdings wird diese Gesetztheit gleich wieder aufgehoben dadurch, dass es die Sache oder das Ding im Zusammenhang seiner Bedingungen, deren Werden und (wie sich zeigen wird) gesetzesartigen Veränderungen, wirklich gibt, dass sie sich zeigt, wie sie nicht bloß an sich, unserem Begri= gemäß, ist, sondern wie sie für sich, ihren eigenen Selbstbeziehungen nach, existiert und sich zeigt. Damit verschwindet die Vermittlung der Sache durch
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die Rückkehr aus der Bedingung zu sich; sie ist einerseits »einfache in sich scheinende Reflexion« auf der Ebene des Wesens, andererseits »grundloses absolutes Werden« auf der Ebene des Seins und der qualitativen Unterscheidungen; das ist sie in einer Art begri=lich prästabilierter Einheit, wobei das Begri=liche an das angepasst ist, was sich artmäßig, generisch, als wirklich zeigt. Die Bewegung der Sache, durch ihre Bedingungen einerseits und andererseits durch ihren ¦ Grund gesetzt zu werden, ist nur das Verschwinden des Scheins der Vermittlung. Das Gesetztwerden der Sache ist hiemit ein Hervortreten, das einfache sich Herausstellen in die Existenz; reine Bewegung der Sache zu sich selbst. (320 f. | 133) Immer wieder erinnert Hegel daran, dass eine Sache Einheit ist von Grund und Bedingung, Ursache und erscheinender Wirkung. Wenn man dies erkennt, verschwindet der Schein der Vermittlung durch ein bloßes Gesetztsein. Die Erscheinung (genauer: das Phänomen im Sinn der Phänomenologie Heideggers) wird zu einem Hervortreten der Sache in den Bedingungen. Die Sache zeigt sich und man kann sie zeigen. Sie ist praktisch o=enbar und macht als O=enbarung (Hegel) bzw. O=enbarkeit (der ›Lichtung‹ Heideggers) entsprechende Aussagen wahr. Die Existenz des Wesens ist so sein Herausstehen in die reale Welt des präsentisch Zuhandenen, des praktischen, aber längst schon gemeinsam normativ geformten Lebens. Wahrheit ist so Hervortreten in das O=ene möglicher Anschauung. Eben das nennt Hegel auch »sich Herausstellen in die Existenz« und »reine Bewegung der Sache zu sich selbst«. Wenn alle Bedingungen einer Sache vorhanden sind, so tritt sie in die Existenz. (321 | 133) Der Satz, dass etwas existiert, wenn alle Bedingungen dafür erfüllt sind, dass es existiert, scheint rein tautologisch zu sein. Warum es sich trotzdem lohnt, ihn noch einmal genau anzusehen, liegt daran, dass die Bedingungen einer Sache als notwendige aufzufassen sind und dass die Aussage, dass die Sache in die Existenz tritt, wie eine Art reales Entstehen klingt, aber eigentlich ein begri=liches Werden artikuliert: Die Existenz einer Sache und die Erfülltheit aller notwendigen Bedingungen, also aller ihrer Folgen, ist am Ende ein und dasselbe.
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Die Sache ist, eh sie existirt; und zwar ist sie erstens als Wesen, oder als Unbedingtes; zweytens hat sie Daseyn, oder ist bestimmt, und diß auf die betrachtete gedoppelte Weise, einerseits in ihren Bedingungen, andererseits in ihrem Grunde. In jenen hat sie sich die Form des äusserlichen, grundlosen Seyns gegeben, weil sie als absolute Reflexion die negative Beziehung auf sich ist und sich zu ihrer Voraussetzung macht. Diß voraus gesetzte Unbedingte ist daher das grundlose Unmittelbare, dessen Seyn nichts ist, denn als Grundloses da zu seyn. (321 | 133) Die Sache an sich ›ist‹, bevor sie existiert. Das heißt erstens, es muss die Möglichkeit der Sache bestimmt sein, um die Wirklichkeit der Erfüllung all ihrer notwendigen Bedingungen aussagen bzw. im Prinzip als überprüfbar unterstellen zu können. Es heißt zweitens, dass die Existenz als epistemisches Heraustreten der Sache in meine oder unsere Anschauung bzw. als Eintritt in unser Wissen sekundär ist zur Vorhandenheit der Sache für sich. Die Wirklichkeit ist eine bestehende Möglichkeit. Sie ist das Fürsichsein eines Ansichseins. Wir sollten dabei nicht, wie Heidegger, dass Vorhandene allzu abhängig vom Zuhandenen, der präsentischen Anschauung, machen, auch wenn wir zugeben müssen, dass aller Zugang zum Vorhandenen für sich, also alles Wissen über alle Objektivität, präsentisch vermittelt ist. Als Wesen ist die Sache ein Unbedingtes. Das heißt, dass wir über sie unter Absehung der Kontrolle der Erfüllung konkreter notwendiger Bedingungen sprechen, eben als Sache oder Ding an und für sich. Dasein hat die Sache (oder kann der Sache zugesprochen werden) nur über die Erfüllung ihrer notwendigen Bedingungen, die als solche durch die Sache an sich, ihre Art, Artform, ihren Begri= bestimmt sind. Dabei sind die Bedingungen die sich zeigenden Erscheinungen der Sache, der Grund oder das Gesamt der Gründe die inferentielle Form der Sache, deren Inhalt das ausmacht, was die Sache selbst tut und macht bzw. tun und bewirken muss, um das zu sein, als was sie bestimmt ist. In den Bedingungen finden wir das Äußerliche der Sache, ihrer Erscheinungen, die, wenn man sie von der Sache ablöst, als grundlos, als schiere Phänomene erscheinen. Das sieht aber bloß so aus, nämlich in einer absoluten Reflexion auf die negative Beziehung der Sache selbst auf sich (und für sich) selbst, also zwischen ihren Er-
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scheinungen, die am Ende ihre Voraussetzungen, Bedingungen ihrer Existenz sind. Ein Unmittelbares reiner Phänomene ohne Bezug auf ihre Ursache wäre grundlos für mich. Wenn also alle Bedingungen der Sache vorhanden sind, das heißt, wenn die Totalität der Sache als grundloses Unmittelbares gesetzt ist, so erinnert sich diese zerstreute Mannichfaltigkeit an ihr selbst. – | (321 | 133) Wenn alle Bedingungen erfüllt sind, liegt die Totalität der Sache vor, ist sie vorhanden. Hegels Metapher ist schwierig: Es »erinnere« sich, sagt er, die »zerstreute Mannigfaltigkeit« der Bedingungen im Reich des qualitativ unterscheidbaren Seins oder Daseins »an ihr« selbst. Das heißt, die Vielheit der Bedingungen wird zum Inneren der Sache, zu ihren realen oder je nach Umständen sich realisierenden Dispositionen. Die ganze Sache muß in ihren Bedingungen da seyn, oder es gehören alle Bedingungen zu ihrer Existenz; denn Alle machen die Reflexion aus; oder das Daseyn, weil es Bedingung ist, ist durch die Form bestimmt, seine Bestimmungen sind daher Reflexionsbestimmungen und mit einer wesentlich die andern gesetzt. – (321 | 134) Dass alle (notwendigen) Bedingungen die Reflexion der Sache (in sich, im Inneren) ausmachen, bedeutet eben dies, dass die Sache nur über die Setzung der zu erfüllenden Bedingungen als solche bestimmt ist. Diese sind die Momente der Sache, in welche diese sich reflektiert. Das Dasein der Sache ist damit durch die eidetische Form, ihren Begri=, bestimmt, der als solcher alle (notwendigen) Bedingungen im phänomenalen Dasein umfasst. Die Bestimmungen des Daseins der Sache sind also Reflexionsbestimmungen, welche sagen, welche Bedingungen notwendig sind, damit etwas eine Sache dieser Art oder Form ist. Die Erinnerung der Bedingungen ist zunächst das zu Grunde gehen des unmittelbaren Daseyns, und das Werden des Grundes. Aber damit ist der Grund ein gesetzter, d. h. er ist, so sehr er als Grund ist, so sehr als Grund aufgehoben, und unmittelbares Seyn. Wenn also alle Bedingungen der Sache vorhanden sind, so heben sie sich als unmittelbares Daseyn und Voraussetzung und eben so sehr hebt sich der Grund auf. Der Grund zeigt sich nur, als ein Schein,
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der unmittelbar verschwindet; diß Hervortreten ist somit die tavtologische Bewegung der Sache zu sich, und ihre Vermittlung durch die Bedingungen und durch den Grund ist das Verschwinden beyder. Das Hervortreten in die Existenz ist daher so unmittelbar, daß es nur durch das Verschwinden der Vermittlung vermittelt ist. (321 | 134) Hegels Rede von einer »Erinnerung der Bedingung« ist zweideutig und meint sowohl, dass in der Sache die Bedingungen zu inneren Momenten geworden sind, als auch, dass sich derjenige, welcher die Sache erkennen will, der Bedingungen erinnern muss. Das Unmittelbare, rein qualitative Sein geht dabei in einem doppelten Sinn zu Grunde: Es gibt keine unmittelbaren qualitativen Unterscheidungen und Identifizierungen, keine Sinnesdaten oder Qualia, die man als (gegenstandsartigen) Ausgangspunkt für Mengenbildungen und Relationsbeziehungen (auch für Relationen der Äquivalenz) nehmen könnte. Andererseits werden alle ›Erscheinungen‹ durch die zu Grunde gelegte Sache als die zur Sache gehörigen Bedingungen zusammengehalten. Der Grund und die Sache sind daher ebenso sehr begri=lich gesetzt, wie sie in der Existenz oder Erfülltheit der Bedingungen aufgehoben sind. Der Grund hebt sich in der Sache ebenso auf wie die bloß äußeren, sinnlich kontrollierten Bedingungen. Warum aber soll sich der Grund »als ein Schein« zeigen, »der unmittelbar verschwindet«? Zurückgewiesen wird hier nur die Vorstellung, es gäbe einen von seinem Hervortreten in die Existenz seiner Erscheinungen unabhängigen Grund, da dieses »die tautologische Bewegung der Sache zu sich« ist, nicht anders als die Beziehungen aller Repräsentanten eines und desselben abstrakten Gegenstandes (des Modus des Fürsichseins) bloß innere Relationen sind. Es verschwinden also beide Momente, der scheinbar unabhängige Grund (die Sache an sich) und die scheinbar unabhängigen phänomenalen Bedingungen (die Sache für sich) in der konkreten, objektiven Sache an und für sich selbst. In gewissem Sinn beziehen wir uns auf diese Sache relativ unmittelbar, auch wenn das »Hervortreten in die Existenz« gerade durch »das Verschwinden der Vermittlung« durch Grund und Bedingung vermittelt ist. Anders gesagt, es verschwindet die bloß gedanklich konstruierte ›Möglichkeit‹, unabhängig vonein-
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ander über das Grund- oder Ursachen-Moment der Sache und die qualitativen Bedingungen der Sache zu sprechen. Die Sache geht aus dem Grunde hervor. (321 | 134) Die prozessuale Rede, dass die Sache aus dem Grund hervorgehe, ist nicht kausal, sondern begri=lich zu lesen. Es wird gerade die Vorstellung abgewehrt, es gäbe einen unabhängigen Grund, welcher die Sache oder einen Sachverhalt kausal hervorbringe. Sie wird nicht durch ihn so begründet oder gesetzt, daß er noch unten bliebe, sondern das Setzen ist die Herausbewegung des Grundes zu sich selbst, und das einfache Verschwinden desselben. Er erhält durch die Vereinigung mit den Bedingungen die äusserliche Unmittelbarkeit und das Moment des Seyns. (321 | 34) Dass eine Sache besteht, wird also nicht durch einen (ihren) Grund (kausal) begründet, da dieser als bloß generischer nur die Art der Sache (an sich) bestimmt, nicht deren Realität ›erklärt‹. Diese ergibt sich vielmehr aus der ›totalen‹ Erfülltheit ›aller‹ notwendigen Bedingungen der Sache, die nur als eine solche Totalität zu einer ›hinreichenden‹ Bedingung wird. Das Bild vom Grund als das der Sache Unterliegende, hypokeimenon, wird dann irreführend, wenn man meint, der Grund liege »unter« den ›oberflächlichen‹ Erscheinungen. Was aber heißt es, das Setzen der Sache sei »die Herausbewegung des Grundes zu sich selbst« und »das einfache Verschwinden desselben«? Hegel selbst antwortet, dass »durch die Vereinigung mit den Bedingungen« die bloß formale Rede von einem Grund oder einer zugrunde liegenden Sache ihre »äußerliche Unmittelbarkeit« bzw. »das Moment des Seins« erhält. Aber er erhält sie nicht als ein äusserliches noch durch eine äusserliche Beziehung; sondern als Grund macht er sich zum Gesetztseyn, seine einfache Wesentlichkeit geht im Gesetztseyn mit sich zusammen, und ist in diesem Aufheben seiner selbst das Verschwinden seines Unterschiedes von seinem Gesetztseyn, somit einfache wesentliche Unmittelbar|keit. Er bleibt also nicht als ein Verschiedenes vom Begründeten zurük, sondern ¦ die Wahrheit des Begründens ist, daß der Grund darin mit sich selbst sich vereint und somit seine Reflexion in anderes, seine Reflexion in sich selbst ist. Die Sache ist hiemit eben so, wie sie das Unbedingte ist, auch das Grundlose,
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und tritt aus dem Grunde nur insofern er zu Grunde gegangen und keiner ist, aus dem Grundlosen, d. h. aus der eigenen wesentlichen Negativität oder reinen Form hervor. (321 f. | 134 f.) Die Sache, das Ding, ist nie bloß irgendeine Menge von Erscheinungen oder Bedingungen. Das Wesen der Sache besteht im Gesetztsein ihrer di=erentiellen und inferentiellen Bedingungen. Ihre »einfache, wesentliche Unmittelbarkeit« zeigt sich in der Erfülltheit dieser Bedingungen – sofern sie sich zeigt. Wir haben daher nichts, das vom Begründeten, scheinbar durch die Sache Verursachten, verschieden wäre, keinen unabhängigen Grund der Sache, keine unabhängige Ursache. Die »Wahrheit des Begründens« besteht also darin, dass die Sache Einheit der Rede von Grund und Bedingung ist – und nur als solche ›unbedingt‹ das ist, was sie wirklich ist, nämlich ihre ›grundlose‹ Erscheinung, die aus dem Grund nur insofern ›hervortritt‹, als sie »aus der eigenen wesentlichen Negativität oder reinen Form« hervorgeht. Das lässt sich möglicherweise etwas klarer so sagen: Es ist die Form der Art der Sache, aus der sich die (notwendigen) Bedingungen als ihre Folge ergeben, aufgrund der begri=lichen Setzungen ihrer di=erentiell-inferentiellen Bedingungen, auch dispositionellen Eigenschaften. Diese durch Grund und Bedingung vermittelte, und durch das Aufheben der Vermittlung mit sich identische Unmittelbarkeit ist die Existenz. ¦| (322 | 135) Die Existenz einer Sache erhält in Hegels Kommentarsprache jetzt folgende Formel als Ausdruck: Sie ist »die durch Grund und Bedingung vermittelte . . . Unmittelbarkeit«. Das ist klarerweise eine katachrestische Formel, die noch paradoxer wird durch Hinzufügung des Formelteils, der besagt, sie werde »durch das Aufheben der Vermittlung mit sich identisch«. Was besagt das? – Es handelt sich um einen Kommentar dazu, dass wir uns in der Wahrnehmung scheinbar direkt und unmittelbar auf die Sachen und Dinge, nicht etwa auf Sinnesempfindungen, Sinnesdaten, Qualia, qualitative Eigenschaften und dergleichen beziehen, da diese als Gegenstände weder unmittelbar gegeben noch bestimmt sind. Vielmehr sind Gegenstände nur als Instanziierungen von Arten Träger von Eigenschaften. Nur als manifestierte Typen sind sie Substrat oder Subjekt einer Aussage
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Das Wesen als Reflexion in ihm selbst
(hypokeimenon). Als Gegenstände sind sie dadurch vermittelt, dass ihr Begri= die Gegenstandsart (der Sache) an sich (qua Typ) in ihren notwendigen Bedingungen festlegt. Wir haben entsprechend gelernt, die Bedingungen dem ersten Anschein nach zu prüfen und dann das ›wirkliche‹ Wesen der Sache zu eruieren, auf die wir uns über ihre Erscheinungen beziehen (oder im Fall einer zufälligen Täuschung zu beziehen meinen). Die Aufhebung der Vermittlung besteht darin, dass wir im Normalbezug auf Dinge und Sachen keineswegs auf die inneren Relationen des Fürsichseins reflektieren, sondern diese implizit voraussetzen, wann immer wir auf die Sache selbst als scheinbar unbedingten Gesamtgegenstand direkt fokussieren und referieren. Ein Gegenstand zu sein, ist wie die Wahrheit eine logische Form. Sie bezieht sich auf einen Gegenstandsbereich G , für den passende Prädikate (Relationen) definiert sind, nämlich über Wahrheitsbedingungen für mögliche Aussagen qua (Äußerungen von) Sätzen. Die G Gegenstände sind durch G -Repräsentationen, G -Präsentationen und G -Äquivalenzen definiert. Die möglichen Präsentationen scha=en (ggf. vermittelt über kausale Ursachen von gegenwärtigen Anschauungen) den (empirischen) Weltbezug. Daher ist keine Sachwissenschaft echte Wissenschaft ohne Philosophie. So verstandene Philosophie wird ewig die Aufgabe haben, die im Sachbezug immer ausgeblendeten Unterstellungen explizit zu machen und damit das wahre, also: ein je besseres, Verständnis sinnvollen Glaubens und Wissens und der zugehörigen ›objektiven‹ Redeweisen zu befördern. Philosophie wird dabei in ihrem kritischen Denken und ihren spekulativ-holistischen, also auf das größere Ganze von Sein und Wissen achtenden, Reflexionen und Explikationen auch ewig von den Sachwissenschaften missverstanden werden, solange jedenfalls, wie der Unterschied der Themen, auch Forschungs- und Redeformen, nicht allgemein begri=en ist. Denn schon reine narrative Tatsachenberichte und erst recht alle so genannten Theorien über bestimmte Sachbereiche ruhen aufgrund ihres Sachbezugs auf formal gelernten Voraussetzungen auf. Das Problem konnten wir mit Hegel z. B. schon an dem nur scheinbar trivialen Beispiel des Rechnens mit einem Minuszeichen vor Zahlzeichen und Variablen, besonders aber am Zweiwertigkeitsprinzip Tertium non datur der formalen und
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damit nur erst idealen Logik klar sehen. Es handelt sich bei der Unterstellung dieses formallogischen ›Prinzips‹ um einen nur scheinbar wahren ›Satz‹, der zunächst nur als formaler Wunsch zu verstehen ist, ›dritte Fälle‹ ausschließen zu können. Betrachtet man ein formal gelerntes Vorgehen einfach als gegeben und bekannt, beherrscht man es o=enbar noch keineswegs selbstbewusst in seiner partiell konventionellen Form und hat es auch noch nicht in der jeweiligen Beschränkung seines Sinns explizit erkannt.
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Die Erscheinung
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Zweiter Abschnitt. Die Erscheinung 238
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Das Wesen muß erscheinen. (323 | 136) Die Erscheinung ist das Moment der Sache, das ihre Existenz als Grund aller ihrer notwendigen Bedingungen aufzeigt. Die Erscheinung der Sache ist sozusagen das Gesamt ihrer Bedingungen. Dass das Wesen, die Natur der Sache an sich, erscheinen muss, bedeutet gerade, dass wir seine Existenz an der ›hinreichenden‹ Erfüllung seiner notwendigen Bedingungen überprüfen. Das Seyn ist die absolute Abstraction; diese Negativität ist ihm nicht ein äusserliches, sondern es ist Seyn und sonst nichts als Seyn, nur als diese absolute Negativität. Um derselben willen ist Seyn nur als sich aufhebendes Seyn, und ist Wesen. Das Wesen aber ist als die einfache Gleichheit mit sich umgekehrt ebenfalls Seyn. Die Lehre vom Seyn enthält den ersten Satz: Das Seyn ist Wesen. Der zweyte Satz: Das Wesen ist Seyn, macht den Inhalt des ersten Abschnittes der Lehre vom Wesen aus. Dieses Seyn aber, zu dem das Wesen sich macht, ist das wesentliche Seyn, die Existenz; ein Herausgegangenseyn aus der Negativität und Innerlichkeit. (232 | 136) Das Sein im allgemeinsten Sinn des Wortes ist »die absolute Abstraktion« im Sinne des Vollzugseins von allem (im Werden) ohne jede (halbsortale) Bestimmung gegenstandsförmiger Sachen (endlicher Dinge, Körper; auch Materien) und entsprechender relationaler (auch prozessualer, dispositioneller) Eigenschaften. Die Negativität des Seins besteht eben darin, dass es nicht nur selbst noch kein (endlicher) Gegenstand (kein Etwas) ist, sondern sich zunächst noch gar nicht in Gegenstände aufgliedert, es noch gar keine (gemeinsamen, objektiven) Bezüge auf bestimmte ›Teile‹ des Gesamtseins gibt. Wir verstehen jetzt das Di=use des Anfangs der Seinslogik, und warum dieser zunächst so schwer verstehbar ist, noch besser. »Sein und sonst nichts als Sein« ist Titel nur für diese »absolute Negativität«, die Negation aller Bestimmtheit – formal ähnlich, wie wenn wir nur eine Variable betrachten, die noch nichts konkret benennt, sondern nur erst auf einen ganzen Bereich grob verweist. Eben darum aber ist das Sein, auf das wir uns beziehen, Wesen »als sich aufhebendes Sein«, als das, was wir mit den Bedingungen verbinden, in denen
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sich objektive Dinge oder Sachen als seiend oder vorhanden (auch als praktisch zuhanden in ihren dispositionellen Möglichkeiten der Gebrauchbarkeit) zeigen. Das Wesen ist einfache Gleichheit mit sich im Sinne der Äquivalenz seiner Bedingungen bzw. seiner Erscheinungen. Der erste Satz, das Grundprinzip der Lehre vom Wesen lautet: Das Sein ist Wesen. Die seienden Gegenstände, wirklichen Objekte, Sachen, Dinge existieren vermöge ihrer Artform oder Natur, ihrem Wesen. Der zweite Satz kehrt den ersten um: Das Wesen ist Sein, da die Bedingungen als die wesentlichen Momente der Sache in der Sphäre des Seins, genauer, der qualitativen Unterscheidungen im Dasein und Werden, ›fundiert‹ bzw. ›definiert‹ sind. Dieses Sein der sich notwendigerweise (unter entsprechenden Umständen) zeigenden Bedingungen oder Erscheinungen ist dann aber wesentliches, die Sache an sich bestimmendes Sein, nicht kontingent-zufälliges Phänomen; wir haben sie mit Hegel Existenz der Sache bzw. des Dinges genannt. Es geht hier o=enbar um eine konkrete Belegung einer Variablen durch einen bestimmten Gegenstand der Art von endlichen Gegenständen, auf welche die Variable verweist. Die Existenz einer solchen innerweltlichen Sache lässt sich deswegen nicht unmittelbar auf die Wahrheit einer ›Existenzaussage‹ der Form \x .φ(x ). zurückführen, weil es ja gerade um die Frage geht, ob eine konkrete Aussage der Form φ(N ) mit einer Gegenstandsbezugnahme N durch eine ggf. deiktische Ur-Benennung in der rechten Gegenstandsart wahr ist.49 Am nominalen Kommentar-Ausdruck »Herausgegangensein aus der Negativität und Innerlichkeit« lässt sich Hegels Erläuterungspraxis erläutern. Die Existenz einer Sache besteht darin, dass die bloße Negativität oder Nichtbestimmung des indefiniten Seins als auch des indefiniten Grundes bzw. der Ursache einer Erscheinung und die bloß Ur-Benennungen sind das, was Variablen vertreten. Diese stehen ja nie unmittelbar für Gegenstände, obwohl das die Mythen der formalen Logik bis heute lehren. Sie unterscheiden sich wesentlich von logisch komplexen Kennzeichnungen dadurch, dass sie keine wesentlichen Variablen enthalten, wie ich an vielen anderen Orten (übrigens ganz unabhängig von jeder Hegellektüre) erläutert habe, z. B. schon in Grundprobleme der Logik, Berlin 1986, S. 324 =. und 340 =. 49
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in den Inhalt einer begri=lichen Art versenkten Bedingungen in die Äußerlichkeit dessen, was sich o=enkundig zeigt, ›herausgegangen‹ ist. So erscheint das Wesen. Die Reflexion ist das Scheinen des Wesens in ihm selbst. Die Bestimmungen derselben sind in die Einheit eingeschlossen schlechthin nur als gesetzte, aufgehobene; oder sie ist das in seinem Gesetztseyn unmittelbar mit sich identische Wesen. Indem dieses aber Grund ist, bestimmt es sich real, durch seine sich selbst aufhebende oder in sich zurükkehrende Reflexion; indem weiter diese Bestimmung oder das Andersseyn der Grundbeziehung sich in der Reflexion | des Grundes aufhebt und Existenz wird, so haben die Formbestimmungen hieran ein Element des selbstständigen Bestehens. Ihr Schein vervollständigt sich zur Erscheinung. (323 | 136 f.) Warum aber nennt Hegel das »Scheinen des Wesens in ihm selbst« Reflexion? Wieder liefert der nächste Satz die Antwort: Die Bestimmungen dessen, was im Wesen in sich reflektiert oder als verschiedene Momente seiner Einheit auffassbar ist, sind gesetzt und zugleich im relativ unmittelbaren Gegenstandsbezug aufgehoben. Das gesetzte Wesen ist Grund der Existenz. Seine Bedingungen sind Äußerungen. Der Schein der Formbestimmungen vervollständigt sich zur Erscheinung des Wesens, indem es uns zunächst bloß so scheint (wir also bloß meinen), dass etwas, das wir perzeptivisch von anderem unterscheiden (wollen), von der und der Art ist. Erst wenn wir ›hinreichend‹ gewissenhaft geprüft haben, ob, was uns so zu sein dünkt, auch so ist, wird sozusagen der erste Anschein zur Erscheinung, zur ›O=enbarung‹ der Existenz des Wesens bzw. eines Gegenstandes der betre=enden Art. Die zur Unmittelbarkeit fortgegangene Wesenheit ist zunächst Existenz, und Existirendes oder Ding ; als ununterschiedne Einheit des Wesens mit seiner Unmittelbarkeit. Das Ding enthält zwar die Reflexion, aber ihre Negativität ist in seiner Unmittelbarkeit zunächst erloschen; allein weil sein Grund wesentlich die Reflexion ist, hebt sich seine Unmittelbarkeit auf; es macht sich zu einem Gesetztseyn. (323 | 137) Es geht um die Existenz eines Dinges. Ein Ding, sagt Hegels Kommentarformel, ist »unterschiedene Einheit des Wesens mit seiner
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Unmittelbarkeit«. Das heißt, es wird faktisch gar nicht unterschieden, über welches ›hinreichende‹ Gesamtsystem notwendiger Bedingungen das Vorhandensein der dinglichen Sache bestätigt ist bzw. über welche Artikulation Grund und Ansichsein als bestimmt gelten können. Man nimmt relativ unmittelbar auf das Gesamt der Erscheinungen (Bedingungen) und begri=lichen Bestimmungen (›seinen Grund‹) Bezug. Das Ding ist zwar in sich reflektiert, enthält die Reflexion, die wir in spekulativer Explikation seiner begri=lichen ›Innerlichkeit‹ (d. h. seines Für-sich-Seins etwa im Kontrast zu einem Für-uns-Sein) explizit machen. Aber deren »Negativität«, wie sie in einer abstrakten spekulativen Reflexion als Momente der Einheit des Dinges auseinandergelegt wird, verschwindet in der holistischen Einheit der Gesamtsache. Der Grund ist, wie wir gesehen haben, schon wesentlich Reflexion, also Explikation des begri=lichen, di=erentiell-inferentiellen Ansichseins. Eben daher ist jedes Ding der Art nach Gesetztsein, explizit nur theoretisch bestimmt und durch die begri=s- bzw. artbestimmende Theorie praktisch vermittelt, also nicht unmittelbar. So ist es zweytens Erscheinung. Die Erscheinung ist das, was das Ding an sich ist, oder seine Wahrheit. Diese nur gesetzte, in das Andersseyn reflectirte Existenz ist aber eben so das Hinausgehen über sich in ihre Unendlichkeit; der Welt der Erscheinung stellt sich die in sich reflectirte, an sich seyende Welt gegenüber. ¦ Aber das erscheinende und das wesentliche Seyn stehen schlechthin in Beziehung auf einander. So ist die Existenz drittens wesentliches Verhältniß; das Erscheinende zeigt das Wesentliche, und dieses ist in seiner Erscheinung. – Das Verhältniß ist die noch unvollkommene Vereinigung der Reflexion in das Andersseyn und der Reflexion in sich; die vollkommene Durchdringung beyder ist die Wirklichkeit. | (323 f. | 137) Das Ding ist, als Erscheinung, o=enbare Erfüllung seiner Bedingungen. – Warum aber soll nun die Erscheinung und nicht der Grund, also die begri=liche Artbestimmung, das sein, was das Ding an sich ist? Scheitert hier unser Interpretationsansatz? – Die erkannte und die erkennbare Wahrheit (der Existenz) des Dings liegt in der Tat in seinen Erscheinungen. Hier ist allerdings bloß erst die Rede von den notwendigen Erscheinungstypen, nicht ihren Aktualisierungen
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für sich. Das passt dann immer noch dazu, dass das Ansichsein des Dinges eine Artbestimmung ist. Es geht hier also um die Art seiner notwendigen Bedingungen oder Erscheinungen, noch nicht um das volle Fürsichsein oder die Bestimmung eines Einzeldings bzw. Einzelwesens der betre=enden Art. Was alles als (typische) Erscheinung einer Sache gesetzt oder vorausgesetzt ist, bezieht sich aber je auf anderes, z. B. auf unsere perzeptive Wahrnehmung, oder auf die sonstigen prozessualen Wirkungen der Sache, die nach Art eines Schneeballsystems in eine Unendlichkeit von Folgen auf andere Sachen ›hinausgehen‹. Insofern können wir nie von allen Relationen der Kategorie des Für-anderes-Seins oder dann auch des Erscheinens und Für-uns-Seins abstrahieren, wie Kant noch meinte, was ihn zum Unbegri= des Dinges an sich führte. Der Welt der aktualen Erscheinungen, der sich zeigenden Vollzüge des Seins der Welt, stellt sich »die in sich reflektierte, an sich seiende Welt« der Dinge (in ihrer wirkenden Wirklichkeit, wie wir gleich sehen werden) gegenüber – obwohl sie »schlechthin in Beziehung aufeinander« stehen, was wir inzwischen hinreichend klar gemacht haben. Doch eben damit lässt sich die Existenz eines Dinges als wesentliches Verhältnis zwischen der Sache (an sich und für sich) und seinen Erscheinungen auffassen. In den Erscheinungen zeigt sich das Wesentliche. Das Wesentliche oder Wesen ist aber – im Sinne des realen Seins – »in seiner Erscheinung«. Unvollkommen ist die »Vereinigung der Reflexion in das Anderssein«, also der inferentiellen Wirkungen einer Sache auf andere Sachen, und der »Reflexion in sich« im Modus der Existenz insofern, als sich das Wesen dabei bloß erst relativ unmittelbar zeigt. Vollkommen vereinigt sind sie in der Wirklichkeit, d. h. in den Ergebnissen gewissenhaft reflektierter Beurteilung, ob die Sache wirklich hier und jetzt existiert.
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Wie der Satz des Grundes ausdrückt: Alles was ist, hat einen Grund, oder ist ein Gesetztes, ein Vermitteltes; so müßte auch ein Satz der
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Existenz aufgestellt und so ausgedrückt werden: Alles, was ist, existirt. Die Wahrheit des Seyns ist, nicht ein erstes Unmittelbares, sondern das in die Unmittelbarkeit hervorgegangene Wesen zu seyn. (324 | 138) Alles, was es gibt, hat einen Grund. Hegel erläutert den Satz so: Alle Bezugsgegenstände, auf die wir in der Welt referieren, sind etwas Gesetztes. Das heißt, sie sind vermittelt, begri=lich bestimmt, nicht einfach unmittelbar gegeben. Damit wird der Satz vom Grund keineswegs in seiner üblichen Deutung anerkannt, sondern nur in einer entsprechenden Neudeutung. Sein Sinn muss so aufgehoben werden. Hegels neuer Satz lautet: »Alles, was ist, existiert«. Wir mögen diesen Satz für tautologisch halten. Denn wir neigen dazu, ihn so zu lesen: Alles, was es gibt, gibt es. Doch Hegel liest ihn als Merksatz für eine reflexions- oder wesenslogische Einsicht. Sie besagt, dass wir im gemeinsamen Weltbezug nicht bei bloßen Vollzügen des subjektiven Unterscheidens stehen bleiben, sondern als Wahrheit des Seins ein allgemeines Wesen annehmen (müssen), womit die erste Unmittelbarkeit einer bloß eingeübten enaktiven Reaktion auf Perzeptionen, wie sie Tiere vollziehen, längst schon hinter uns liegt. Die neue Unmittelbarkeit des begri=lich vermittelten gemeinsamen Unterscheidens ist so in sich reflektiert, dass wir zwischen Schein und Sein, bloßem Phänomen und wirklicher Sache an und für sich unterscheiden. Nur auf dieser Grundlage gibt es Wahrheit, also den Kontrast zu falschen Aussagen oder Urteilen. Es ist daher logisch naiv, ohne Wesenslogik von weltbezogener Wahrheit zu reden. Wir sollten den Satz aber nicht so lesen: Alles was in der Welt vorhanden ist, zeigt sich uns. Er besagt nämlich genauer nur dies: Alles, von dem wir wahrerweise sagen können, dass es in der Welt vorhanden ist, muss existieren, sich uns also irgendwie zeigen. Wenn aber ferner auch gesagt wurde, was existirt, hat einen Grund und ist bedingt, so müßte auch eben so gesagt werden: es hat keinen Grund und ist unbedingt. Denn die Existenz ist die aus dem Aufheben der durch Grund und Bedingung beziehenden Vermittlung hervorgegangene Unmittelbarkeit, die im Hervorgehen eben diß Hervorgehen selbst aufhebt. (324 | 138)
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Was existiert, ist das, was sich als Sache selbst in ihren Erscheinungen zeigt, also nicht einfach das unmittelbare ›Es ist‹ oder ›Es ist nicht‹ im Sinne einer bloß erst subjektiven Versicherung eines Seins auf der Basis bloß qualitativer Unterscheidungen. Was existiert, ist bedingt, nämlich durch seine Erscheinungen, und hat einen Grund (oder ist ein Grund), indem wir seine Existenz begründen (müssen). Andererseits können wir sagen, dass alles, was existiert, keinen weiteren Grund hat, als dass es existiert und insofern unbedingt ist. Das mag erstaunen, zumal wenn man die terminologischen und gedanklichen Besonderheiten in Hegels Überlegungen nicht ernst nimmt. Wenn man nur so daherredet, wie es einem ehrlich und intuitiv als richtig vorkommt, meint man, dass alles, was als existent behauptet wird, einen Grund braucht. Aber intuitive Urteile dieser Art sind für eine reflektierte Entwicklung einer Kommentarsprache untauglich. Hegel will hier wohl sagen, dass alle Gründe im präsentisch Zuhandenen unserer eigenen Existenz im Sinne Heideggers, also unseres Daseins, liegen und dieses am Ende das Absolute aller Bedingungen dafür, dass etwas als vorhanden ausgesagt wird, zusammenfasst. Insofern die Beweise von der Existenz Gottes hier erwähnt werden können, ist zum voraus zu erinnern, daß es ausser dem unmittelbaren Seyn erstens, und zweytens der Existenz, dem Seyn, das aus dem Wesen hervorgeht, noch ein ferneres Seyn gibt, welches aus dem Begri=e hervorgeht, die Objectivität. – (324 | 138) Der zunächst vielleicht überraschende Übergang zum ontologischen Gottesbeweis ist hier erstens darin begründet, dass der Vollzug des Daseins, die eigene Existenz, absolut ist, also nicht relativ zur Wahrheit von Sätzen oder Aussagen über mich. Zweitens wird Gott in diesem Beweis als Inbegri= der Existenz gefasst. Seine Existenz ergibt sich damit auf tautologische Weise, freilich nicht seine Identität mit dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Hegel kann hier immerhin seine Kanonisierung der spekulativen Kommentarsprache dazu gebrauchen, gewisse Probleme in Kants kritischer Behandlung des ›ontologischen‹ Beweises »von der Existenz Gottes« (in der Seinslogik: »vom Dasein Gottes«) aufzuzeigen. Kant sagt in einer entsprechenden Rekonstruktion, dass aus einer verbalen Definition eines Prädikats λx .φ(x ). in einem Gegenstands-
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bereich G die Gültigkeit der Existenz-Aussage \x .φ(x ). nicht unmittelbar bewiesen werden kann. Wir hatten in der Seinslogik schon gesehen, dass Kants Argument für elementare Prädikate keineswegs gilt, da eine elementare Unterscheidung wie z. B. zwischen grünen und blauen Sachen oder zwischen Tieren und Pflanzen rein sinnlos wäre, wenn es keine grünen und blauen Sachen oder Tiere und Pflanzen gäbe. Dasselbe gilt auch für die relativ elementare Unterscheidung zwischen freien Handlungen und Widerfahrnissen (bzw. automatischen Reaktionen). Das Beweisen ist überhaupt die vermittelte Erkenntniß. Die verschiedenen Arten des Seyns fodern oder enthalten ihre eigene Art der Vermittlung; so wird auch die Natur des Beweisens in Ansehung einer jeden verschieden. Der ontologische Beweis will vom Begri=e ausgehen; er legt den Inbegri= aller Realitäten | zu Grunde, und subsumirt alsdann auch die Existenz unter die Realität. Er ist also die Vermittlung, welche Schluß ist, und die hier noch nicht zu betrachten ist. Es ist bereits oben (I. Th. I. Abth. S. 47. f.) auf das, was Kant hiegegen erinnert, Rüksicht genommen und bemerkt worden, daß Kant unter Existenz das bestimmte Daseyn versteht, wodurch etwas in den Context der gesammten ¦ Erfahrung, d. h. in die Bestimmung eines Andersseyns und in die Beziehung auf Anderes tritt. (324 f. | 138 f.) Beweise braucht man nur dort, wo eine Erkenntnis oder ein Wissen sich nicht aus einem relativ unmittelbaren Können ergibt. So muss man und kann man nicht eigentlich beweisen, dass 2 + 2 = 4 oder 7 + 5 = 12 sind. Von anderer Art ist der Beweis, dass n = 2 die größte natürliche Zahl ist, für die sich x n + y n = z n in den natürlichen Zahlen lösen lässt. Hier bedarf es eines Beweises. Es ist eine tiefe Einsicht, dass die verschiedenen Arten des Seins bzw. einer Gegenstands- oder Eigenschaftsbestimmung je ihre eigenen Arten von Vermittlungen haben und damit verschiedene Arten des Aufweises des Vorhandenseins von Gegenständen dieser Art ggf. mit als weiteren Bedingungen formulierten Zusatzeigenschaften fordern oder erlauben. Der ontologische Beweis von der Existenz Gottes will – so schon im Beweisplan bei Anselm und dann auch bei Descartes und Leibniz – vom Begri= Gottes ausgehen. Dieser ist durch die Formel »Inbegri=
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aller Realitäten« bestimmt. Der klassische Beweisgang besteht, so skizziert ihn Hegel hier, in der Subsumtion der Existenz unter die Realität. Das heißt, es wird zunächst gesagt, dass Gott in seinem Umfang per definitionem alles Reale umfasst. Etwas umfänglicheres Reales gibt es nicht. Es wird dann gesagt, dass Gottes Existenz sich gerade in der Existenz eben dieser Gesamtrealitäten zeigt, sie sozusagen unter diese fällt, unter sie subsumierbar ist, wenn auch nicht als Realität eines G egenstandes, sondern als Existenz des totalen Grundes aller Erscheinungen bzw. aller Bedingtheiten und Bedingungen endlicher Existenzen und Realitäten. Kant dagegen versteht, wie in der Seinslogik schon ausgeführt wurde, unter Existenz nicht das Herausstehen eines gedachten Grundes einer (endlichen) Sache in der Erscheinungswelt der Realitäten, sondern »das bestimmte Dasein« bzw. »ein bestimmtes Dasein«, wodurch etwas als (dinglicher) Gegenstand der Erfahrung in konkreten Beziehungen zu allen (anderen) Gegenständen der Erfahrung stehen muss – und eben daher lokal und endlich sein muss, was Gott aber per definitionem nicht ist. Also ›existiert‹ Gott nicht als bestimmtes Dasein in Kants Sinn und kann nicht nur nicht als existierend bewiesen werden. D. h. Kant beweist in gewissem Sinn zu viel und in einem anderen Sinn etwas anderes, als was zu zeigen wäre. So ist als Existirendes Etwas vermittelt durch anderes, und die Existenz überhaupt die Seite seiner Vermittlung. Nun liegt in dem, was Kant den Begri= nennt, nemlich in Etwas, insofern es als nur einfach auf sich bezogen genommen wird, oder in der Vorstellung als solcher, nicht seine Vermittlung; in der abstracten Identität mit sich ist die Entgegensetzung weggelassen. (325 | 139) Hegel di=erenziert zwischen einem Satz der Art »Es gibt etwas, das die Eigenschaft Gottes hat, im endlichen Dasein« und »Es gibt den Inbegri= aller Realität«. Gott ist, was sich in der Tatsache der Welt insgesamt zeigt, wozu nicht bloß die Natur handlungsfreien Geschehens, sondern auch der Geist der Menschheitsgeschichte mit ihren Entwicklungen institutioneller Kooperations- und Wissensformen, damit der Sprache und des Denkens gehören. Daher ist Gott, die einzige Substanz, die existiert oder in das O=ene der Erscheinungswelt heraussteht, auch als Subjekt aufzufassen: als eine Art natura
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naturans im Bereich der toten Physis des Alls und der bloß lebenden Natur auf der Erde zusammen mit dem gemeinsamen Geist als Realisierung der Kooperationsformen der Menschheit. Das Tun des Geistes oder Gottes heißt Idee. – Hegel kritisiert nun, dass Kant seine Vorstellung von Gott als Gegenstand »nur einfach auf sich bezogen« auffasst und »seine Vermittlung« ebenso wie »die Entgegensetzung« weglässt. Was besagt diese Kritik konkret? Als Erstes übersieht die Vorstellung von einer rein abstrakten Identität oder Existenz alle Unterschiede zwischen einem endlichen ›Ding‹ oder ›Wesen‹ wie das Kaninchen dort, einer abstrakten Entität wie einer geometrischen Form oder einer Zahl oder einem ›spekulativen‹ Thema wie Gott und die Welt. Außerdem gibt es im Innern jedes dieser Redegegenstände unendlich viele Momente und Relationen. Diese intensionalen Unterschiede, Kontraste, des Fürsichseins kann man in einer Reflexionslogik nicht einfach weglassen. Im Fall von Gott und Welt ist das besonders dramatisch, da es für sie, wie für die spinozistische Substanz, gar kein ›Außen‹ gibt, es also gar nichts gibt, das nicht Moment oder Teil oder Ganzes der Welt oder Gottes wäre. Das ist nur ein anderer Ausdruck dafür, dass ein absolutes Nichts, wenn man denn mit dieser Nominalisierung arbeiten will, per definitionem völlig leer wäre. Das aber bedeutet im Umkehrschluss, dass die Aussage, die Gott bzw. der Welt Existenz zuspricht, trivial wahr ist. Die Welt zeigt sich wirklich im Sein und Dasein und Gott o=enbart sich in dieser – was aber nur heißt, dass er als (Ur-)Grund der erscheinenden Welt ansprechbar ist, wenn man so reden möchte. Ob man so reden sollte, wird hier nicht verhandelt. Wer sich beweisen lassen möchte, dass er die Rede von der Welt oder von Gott so verstehen muss, um kompetent mit den Ausdrücken umzugehen, verlangt ebenfalls etwas anderes, als hier zu finden ist. Er will darüber belehrt werden, dass es ein Zeichen tiefer Unbildung des deutschen Bildungsbürgers wäre, wenn er meinte, ›aufgeklärt‹ gegen den Gebrauch des Wortes »Gott« in einer bundesdeutschen Verfassung oder in Schwurformeln argumentieren zu müssen. Das ist auch wahr, steht hier aber nicht zur Debatte. Die Vorschläge, das Wort »Gott« durch andere zu ersetzen, sind aber in der Tat nur Zeichen einer sancta simplicitas im Verständnis des Wortes »Gott«. Auf die »Verfassung«,
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»Menschheit« oder »Humanität« zu schwören, heißt am Ende, dass man nur auf einen Teil des Ganzen schwört. Das gebildete Ohr hört das rhetorisch Luftige dieser neuen Beschwörungsformeln.50 Der ontologische Beweis hätte nun darzustellen, daß der absolute Begri=, nemlich der Begri= Gottes, zum bestimmten Daseyn, zur Vermittlung komme, oder wie das einfache Wesen sich mit der Vermittlung vermittle. Diß geschieht durch die angegebene Subsumtion der Existenz unter ihr Allgemeines, nemlich die Realität, welche als das Mittlere zwischen Gott in seinem Begri=e einerseits, und zwischen der Existenz andererseits angenommen wird. – Von dieser Vermittlung, insofern sie die Form des Schlusses hat, ist, wie gesagt, hier nicht die Rede. Wie aber jene Vermittlung des Wesens mit der Existenz in Wahrheit bescha=en ist, diß hat die bisherige Darstellung enthalten. Die Natur des Beweisens selbst ist in der Lehre von der Erkenntniß zu betrachten. Hier ist nur anzugeben, was sich auf die Natur der Vermittlung überhaupt bezieht. (325 | 139) Die Aufgabe des ontologischen Beweises ›der Existenz Gottes‹ besteht, recht verstanden, nicht darin, einen Satz der Form \x .φ(x ). in einem Gegenstandsbereich (wie der ›Welt der endlichen Dinge‹) G als wahr zu beweisen (was, wie schon mehrfach gesagt, ohnehin dem Sinn der Rede von Gott zuwiderliefe). Es ist vielmehr aufzuweisen, dass »der Begri= Gottes«, der als ›absoluter Begri=‹ des Ganzen begri=ener Welt aufzufassen ist, sich im Dasein zeigt, also ›mit der Vermittlung‹ der Existenz ›vermittelt‹. Dies kann tatsächlich aufgewiesen werden, nämlich indem man zwischen dem, was es in der Welt gibt, und der Existenz der Welt unterscheidet und dann auch zwischen der Existenz der Welt als bloßer Substanz, d. h. als bloßem Gesamt daseiStatt also das viel gewichtigere Wort »Gott« aus dem Verkehr zu ziehen – so wie das Wort »Geist«, das die Leute durch das bleiche Wort »Kultur« ersetzen wollen, oder das Wort »Vernunft« durch »Pluralismus«, also den Appell an die autistische Willkür beliebiger Weltsichten – ist sein aufgeklärter Gebrauch zu erläutern und einzuüben. Erstaunlicherweise schämt man sich nicht von sich zu sagen, religiös unmusikalisch zu sein. Niemand sagt stolz, er verstehe nichts von Mathematik, Musik, Kunst, Politik usf. oder er glaube dabei ›an das‹, was eine besondere Gruppe von Leuten lehrt. In Religion und Theologie soll das aus unerfindlichen Gründen anders sein. 50
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ender Realitäten bzw. Erscheinungen, und der Welt unter Einschluss des Ich und Wir der Menschheit, ihrer Geschichte und Entwicklung, also des Geistes als dem formalen ›Subjekt‹ von Begri= und Idee. Hegel spricht von der ›angegebenen‹ Subsumtion der Existenz als besonderem Aufscheinen eines begri=lich (verbal) gefassten Grundes in der Realität »unter ihr Allgemeines«, eben die Realität. Ganz wie im Fall der Existenz eines Dinges, sagen wir unseres exemplarischen Kaninchens, vermittelt die Realität »zwischen Gott in seinem Begri=« und »der Existenz«. Daher erklärt Hegel, dass der folgende Schluss aus der Definition oder Begri=serläuterung Gottes als Inbegri= aller Realitäten (1) völlig korrekt ist: Die Existenz Gottes besagt, dass sich Gott in der Realität zeigt (2). Der Inbegri= aller Realität ist kein bloßes Vorstellungsprädikat, sondern Totalitätstitel für alle Realität (3). Das Verhältnis Gottes zu seiner Existenz bzw. Realität ist ein Verhältnis eines (abstrakten) Grundes zum Gesamt seiner Bedingungen (4). Die Sache selbst ist Einheit von Grund und Bedingung, Wesen und Erscheinung (5). Gott als die totale Sache (als Welt unter Einschluss der Geistesgeschichte und damit des begri=lichen Wissens von Welt) existiert, indem ›er‹ (oder ›sie‹) sich in der Realität zeigt (6). Diese Realität aber ist gerade das, was sich je präsentisch zeigt – und der Begri= Gottes ist der Inbegri= oder das Gesamt dieser (›empirischen‹) Realität (7). Also existiert Gott in genau dem Sinn von Existenz, den wir hier erarbeitet haben. Dieser ist freilich nicht im Sinne des »es gibt« zu verstehen. Dieses ist als Existenzquantor eingeschränkt auf einen ›endlichen‹, d. h. beschränkten, sortalen oder halbsortalen Gegenstandsbereich in der Welt oder in unserem Reden. Gott als Wesen ist die ganze Welt, wie sie im Sein oder Vollzug ›west‹, bei Heidegger: ›waltet‹, also sich entwickelt und in dieser Entwicklung sich uns partiell zeigt. Ihr Begri= ist das, was sich über ihre Form sagen lässt. Analoges gilt für den Begri= Gottes. Die Idee (Gottes) ist so der realisierte Begri= (der Welt), die Vollzugsform von Welt als Natur und Geist, die dann beide total und damit in gewissem Sinn trans-objektiv und trans-personal zu denken sind. Die ›Transzendenz‹ Gottes (und der Welt) besteht daher schlicht in dieser Negativität, der ›unendlichen Verneinung‹, welche das Ganze abhebt von jedem bestimmten, ›endlichen‹ Teil. Hegel selbst spricht hier
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nicht von einem Schluss. Ihm geht es um die Unmittelbarkeit des Satzes »Der Inbegri= aller Realität existiert«, da dieser ja – wie unsere ›Schluss-Schritte‹ zeigen – gleichbedeutend ist mit dem plausiblen Kommentarsatz: »Das Gesamt des Realen kann und muss selbst als real gelten«. Der ontologische Gottesbeweis beweist nach Hegel also nicht etwa, dass eine bloß verbal definierte Möglichkeit eine Wirklichkeit ist oder ›Objektivität‹ habe. Die »Natur des Beweisens« ist, so sagt Hegel interessanterweise, Thema der Erkenntnislehre, nicht der Logik. Denn in der Logik geht es um die Setzung der Wahrheitsbedingungen, den Sinn der Rede vom Richtigen und von einer Geltung, nicht um das rechnende Beweisen solcher Wahrheiten. Die Frage, wie wir einen Schüler überzeugen, dass der Satz wahr ist, ist von anderem Typ als die Frage, was es bedeutet, dass der Satz wahr ist. Das gilt für mathematische Sätze nicht anders als für unseren ›ontologischen‹ Beweis der Existenz (Realität) Gottes. Die beweisende Form ist bloß äußerlich. Es geht um das Verständnis (der Richtigkeit) des Inhalts. Die Beweise vom Daseyn Gottes geben einen Grund für dieses Daseyn an. (325 | 139) Die sogenannten Beweise vom Dasein Gottes nennen im Wort »Gott« den Grund allen Daseins. Das aber bedeutet, wie die allgemeinen Überlegungen zu diesem Gebrauch von »Grund« gezeigt haben, dass man alles Dasein und Sein insgesamt als Bedingung bzw. Erscheinung der Existenz Gottes deutet. Der Grund des Daseins Gottes und der Grund des Daseins bzw. das Sein der Erscheinungen sind identisch. Daher können wir im Dasein den Grund des Daseins Gottes sozusagen unmittelbar erfahren. In diesem Sinn geben die (ontologischen) Beweise vom Dasein Gottes »einen Grund für dieses Dasein« an, nämlich unter dem Titel des »Inbegri=s aller Realitäten«. Er soll nicht ein objecti|ver Grund des Daseyns Gottes seyn; denn dieses ist an und für sich selbst. So ist er bloß ein Grund für die Erkenntniß. Damit gibt er sich zugleich für ein solches aus, das in dem Gegenstande, der zunächst als begründet dadurch erscheint, verschwindet. Der Grund nun, der von der Zufälligkeit der Welt hergenommen ist, enthält den Rükgang derselben in das absolute Wesen; denn das Zufällige ist das an sich selbst grundlose, und sich aufhebende. Das absolute Wesen geht somit in dieser Weise in der
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That aus dem Grundlosen hervor; der Grund hebt sich selbst auf, somit verschwindet auch der Schein des Verhältnisses, das Gott gegeben wurde, ein in einem andern Begründetes zu seyn. (325 | 139 f.) Es wäre falsch, hier von einem ›objektiven Grund für das Dasein Gottes‹ zu sprechen. Denn dieses Dasein (bzw. das Dasein selbst) ›ist an und für sich selbst‹. Das aber heißt, der angegebene Grund für das Dasein Gottes ist nur ein Grund für die Erkenntnis, die Einsicht in die Rolle Gottes in unserer Rede über den Gesamtgrund des Daseins. Im ›Gegenstand‹ (Thema) der Rede von Gott verschwindet dieser Grund als bloße Beziehung auf unser Verstehen. Indem man aber »von der Zufälligkeit der Welt« auf den Grund zu schließen scheint, führt man diese »in das absolute Wesen« zurück. Denn bloß als zufällig, ephemer aufgefasst, wäre die Welt der Erscheinungen »das an sich selbst Grundlose«. Mit anderen Worten, in der Rede von Gott als Grund des Daseins wird gerade nicht einfach nur ein anderer Ausdruck für das Gesamt der zufälligen Realität der Erscheinungen der Welt erfunden, ebenso wenig wie in der Angabe einer dinglichen Sache als Grund ihrer Erscheinungen. Vielmehr wird eine ungeordnete Zufälligkeit von Erscheinungen in eine Einheit oder Ordnung gebracht. Dennoch geht das »absolute Wesen« so »aus dem Grundlosen« ephemerer Erscheinungen, der Realitäten des Daseins, hervor und es hebt sich der Grund in der Tatsächlichkeit der Realitäten der Welt auf. Damit verschwindet die naive Lesart der Metapher des Hervorbringens, nach welcher Gott ein reales Etwas wäre, das die Welt scha=e, begründe, von einem Anfang her in Bewegung setze usf. Diese Vermittlung ist hiemit die wahrhafte. Allein jene beweisende Reflexion kennt diese Natur ihrer Vermittlung nicht; sie nimmt sich einerseits für ein bloß subjectives, und entfernt hiemit ihre Vermittlung von Gott selbst, anderntheils aber erkennt sie deßwegen nicht die vermittelnde Bewegung, daß und wie sie im Wesen selbst ist. Ihr wahrhaftes Verhältniß besteht darin, daß sie beydes in einem ist, die Vermittlung als solche, aber zugleich allerdings eine subjective, äusserliche nemlich die sich äusserliche Vermittlung, welche sich an ihr selbst wieder aufhebt. In jener Darstellung aber erhält die Existenz das schiefe Verhältniß, nur als vermitteltes oder gesetztes zu erscheinen. (325 | 140)
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Die Vermittlung des Daseins Gottes in seiner Einheit durch seine Existenz in der Gesamtheit der Realität (der Welt) ist das wahre Verständnis der Rede von Gott in seinem Dasein oder seiner Existenz. In den üblichen Vorträgen der ontologischen Beweise ist diese »wahre Natur« Gottes, d. h. das Wesentliche im Begri= Gottes, sein Wesen im Sinn der Signifikanz der Rede von Gott überhaupt nicht erkannt. Man kennt die Vermittlung zwischen Grund und Bedingung nicht – und dass jede Rede von einem Wesen oder einer Wirklichkeit sich negativ zu einer bloß oberflächlichen Bezugnahme auf Welt, etwa bloß auf das präsentische Dasein von der eigenen Geburt bis zum eigenen Tod oder gar nur auf eine Menge von Sinnesempfindungen verhält. Stattdessen wird der Gottesbegri= der subjektiven Intuition, dem Meinen und Glauben, überantwortet, den anthropomorphen Geschichten und damit einer ›literalen‹ Rede, ohne deren mehrfach metonymischen bzw. metaphorischen Sinn auch nur zu bedenken. Gott wird zu einem alten Mann mit Bart, zu einem Großarchitekten, zu einem inkarnierten Kämpfer gegen das Böse wie Krishna oder gegen den Teufel wie Christus usf. Die sogenannte Aufklärung meint bis heute, diese kindlichen Geschichten als ›metaphysisch‹ bekämpfen zu müssen. Hegel erkennt, dass sie dabei selbst den gleichen Fehler wie die Mehrheit der Theologen und Gläubigen macht, nämlich die Reden über Gott narrativ, also als ›mythische‹ Aussagen über einen subjekt- und personenförmigen Gegenstand und in diesem Sin ›wörtlich‹ bzw. anthropomorph zu lesen. Hegel erkennt damit das Hauptproblem sowohl der traditionalen positiv-theologischen Religionen als auch der neuzeitlichen Theologieund Religionskritik, bis hin zu Kant, um von durchaus kleineren Geistern trotz ihrer Größe, wie etwa Diderot oder dann auch Nietzsche, gar nicht zu sprechen. Indem nämlich nicht auf Form und Inhalt der Rede von Gott, die Vermittlung zwischen Grund oder Wesen mit seiner Bedingung oder Erscheinung, nämlich als ganze Welt, damit auch nicht auf die ›inneren Beziehungen‹ auf sich selbst geachtet wird, zieht sich der Gegenstand der Rede sozusagen auf einen Punkt in seiner abstrakten Einheit zusammen, wird zu einer punktförmigen ›Entität‹ und damit – zu gar nichts. Die ›Verdinglichung‹ Gottes geschieht also nicht nur dort, wo man sich anthropomorphe Geschichten über
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sein Wirken erzählt, sondern überall, wo man gegenstandsartig über Gott spricht. Der Fehler ist analog dazu, gegenstandsförmig von Welt und Natur, Ich und Wir, Volk und Menschheit zu sprechen. Es ist ein logischer Fehler, den eine bloß formale Logik deswegen nicht aufdecken kann, weil sie selbst seit der Antike nur mereologische, also TeilGanzes-Modelle, seit Frege nur sortal-gegenstandsförmige Strukturen, also Mengen diskreter Elemente mit auf diesen definierten Relationen behandelt. Der subjektive Glaube an Gott entfernt sich gerade in seiner Vorstellung Gottes »von Gott selbst«, also vom Begri= Gottes im Sinne des rechten Verstehens unserer Rede von Gott und von der Idee Gottes im Sinne der Realisierung dieses Begri=s im Weltverlauf: Die Idee ist ja der Vollzug, auf den wir begri=lich über die syntakto-semantische Form ›gegenständlicher‹ Rede reflektieren, der aber als solcher so wenig wie ein Prozess, ein Ereignis, ein Sachverhalt oder eine Tatsache wirklich ein Gegenstand ist, so dass die spekulative Reflexionsform wörtlich genommen sinnlos ist – dennoch in figurativer Rede mit solchen Totalbegri=en wie Gott, Welt und Ich über Ganzheiten sinnvoll zu sprechen erlaubt. Die Wörter »Gegenstand«, »Einheit«, »Seiendes«, »Ens«, »Entität«, »Objekt« sind am Ende allerdings ähnlich schwierig wie schon »Sein« und »Wesen«. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Gegenständen als Themen, Gegenständen als Reflexionsgebieten in nominalisierenden Reflexionen (als topics), abstrakten Gegenständen in mathematischen oder mathematikanalogen sortalen Gegenstandsbereichen (wie den Quantitäten) und konkreten, objektiven Gegenständen (in der Welt) wie Dingen, Körpern und Materien, gerade auch Lebewesen, in ihrer je bloß halb-sortalen Konstitution und bloß epochalen, zeitlich begrenzten Identität. Spekulative Gegenstände hochstufiger Reflexion über globale Ganzheiten sind dann noch von einem anderen Typ: Spekulative Sätze sind auf besondere Weise zu verstehen und nicht unbedacht als unklar oder sinnlos zu verwerfen. Beispiele für spekulative Reflexionsgegenstände sind neben Gott, Welt und Ich auch Wahrheit und Wirklichkeit, Sein und Wesen. Dazu gehören aber am Ende alle Themen der allgemeinen Wissenschaft der Logik, wie z. B. der Begri=, das Bewusstsein, das Urteil usf. Es
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gehören im engeren Sinn auch dazu: der Staat, das Recht, die Kunst, die klarerweise keine »abstrakten Gegenstände« sind nach Art von Zahlen oder geometrischen Formen. Ich schlage vor, solche Wörter – zu denen am Ende alle auf »-heit« und »-keit« endenden Wörter und viele nominalisierte Infinitive, Adjektive und Pronomina wie »das Du« Martin Bubers oder »das Man« Heideggers gehören, als Titelwörter für Totalitätsbegri=e zu verstehen, wobei die überschriebenen Totalitäten ganze Wissensgebiete bzw. Praxisbereiche sind, deren ›logische‹ bzw. ›begri=liche‹ Form und Gliederung von uns in spekulativen Analysen explizit gemacht und dabei auch im Blick auf die Normativität des rechten Sinnverständnisses kommentiert werden. Eine logische ›Spekulation‹ ist damit weder ein System von Thesen noch ein konstruiertes Weltbild, noch eine subjektive Intuition oder Meinung. Es handelt sich weit eher um einen Vorschlag zur Kanonisierung selbstbewusster Explikationen von allgemeinsten Seinsund Praxisformen, in appellativer Erinnerung an unsere praktische Kenntnis der Vollzugsformen und an die Anerkennungswürdigkeit der vorgeschlagenen Unterscheidungen, Identifizierungen und bestehenden Kommentare. In einer Zeit, in der ein willkürliches Meinen das Projekt der Arbeit am Begri= ersetzt hat, hat diese Einsicht in die Aufgabe von Philosophie, allgemeiner Logik und Geisteswissenschaft allerdings einen schweren Stand. So kann auf der andern Seite die Existenz auch nicht bloß als Unmittelbares betrachtet werden. In der Bestimmung einer Unmittelbarkeit genommen, ist das Auffassen der Existenz Gottes, für etwas unbeweisbares, und das Wissen von ihr ¦ als ein nur unmittelbares Bewußtseyn, als ein Glauben ausgedrükt worden. Das Wissen soll zu diesem Resultate kommen, daß es Nichts weiß, das heißt, daß es seine vermit|telnde Bewegung und die in ihr vorkommenden Bestimmungen selbst wieder aufgibt. Diß hat sich auch im Vorhergehenden ergeben; allein es ist hinzuzusetzen, daß die Reflexion, indem sie mit dem Aufheben ihrer selbst endigt, darum nicht das Nichts zum Resultat hat, so daß nun das positive Wissen vom Wesen als unmittelbare Beziehung auf dasselbe, von jenem Resultate getrennt und ein eigenes Hervorgehen, ein nur von sich anfangender Akt wäre; sondern diß Ende selbst, diß zu Grunde gehen der
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Vermittlung, ist zugleich der Grund, aus dem das Unmittelbare hervorgeht. (325 f. | 140 f.) Wir haben gesehen, und dürfen nicht vergessen, dass die Rede von der Existenz einer in ihrem Wesen bestimmten Sache nie unmittelbar zu verstehen ist, also so, als könne man einen gedanklichen Zugang zur Sache selbst abtrennen von der Vermittlung über Repräsentationen und Präsentationen, Erscheinungen und Bedingungen der Sache. Der tiefste Aberglaube des Glaubens an Gott als einer transzendenten Sache liegt eben in der Unterstellung der Unmittelbarkeit seines Begri=s. Durchaus analog ist aber auch der Glaube an ›den‹ Kausalnexus in ›der‹ materiellen Welt. Auch hier meint man glauben zu können, dass es eine die Ereignisse prä-determinierende Kausalität und entsprechende wirkende Kräfte in ›der Natur‹ gibt, die wir mangels unseren endlichen Wissens nur leider nicht kennen. D. h. man meint in Theologie wie Anti-Theologie, in einer spiritualistischen Religion wie in einem materialistischen Physikalismus, an eine unmittelbar für sich seiende Wirklichkeit oder Wahrheit glauben zu dürfen und zu können. Eben darin besteht Hegels Radikalisierung der transzendentallogischen Reflexion Kants, dass der Begri= Gottes nicht anders als die Begri=e der Materie, Ursache, Wirkung usf. nicht unmittelbar, sondern in reflexionslogischer Rede über das Verhältnis zwischen nachhaltigem Wesen und epiphänomenalen Erscheinungen, auch wirklichem Sein und subjektivem Schein, allererst zu rekonstruieren bzw. zu begreifen sind. Hier kann man einfach nicht mit einem Glauben beginnen. Man weiß nicht einmal unmittelbar, was man glaubt oder was man meint, dass andere Leute es glauben. Es hat daher auch keinen Sinn zu versichern, Gott oder die Welt, das Wesen oder die Natur der Dinge seien unerkennbar, ›unbeweisbar‹, man könne nur an sie glauben und sich in seinem subjektiven ›Bewusstsein‹ an sein eigenes ›subjektives‹ Weltbild halten. Denn indem man dies meint, hat man schon falsch verstanden, dass es bei einem angemessenen Gebrauch dieser Reflexionstermini in Bezugnahmen auf Gott, Wirklichkeit, Welt oder Wahrheit nicht um eine unmittelbar zu hypostasierende Hinterwelt, sondern um eine Form der reflektierenden Explikation dessen geht, was wir selbst tun, wenn wir von den Erscheinungen eines Wesens sprechen. Im Falle eines ›unendlichen‹
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Wesens wie Gott ist dabei explizit kein innerweltlicher Gegenstand angesprochen, sondern der totale Reflexionsbegri= der Welt. Nicht anders steht es im Fall der Wörter »Wirklichkeit«, »Natur«, »Sein«, »Begri=« und dann auch »Idee«. Hegel erkennt damit, dass Kant nicht anders als Jacobi (oder Hume) in seiner epistemologischen Wissenskritik längst schon in den Skeptizismus abgestürzt ist. Alle die Genannten meinen nämlich sagen zu müssen, dass wir (angeblich seit Sokrates) wissen, dass wir nichts wissen und dass all unser vermeintliches Wissen bestenfalls eine pragmatisch einigermaßen gut begründete Überzeugung ist. Das soll für das Wissen über Erfahrungsdinge (physische Körper) am Ende auf die gleiche Weise gelten wie das Wissen über Freiheit, Seele und Gott: Im ersten Fall ermäßigen Hume und Kant den Wissensbegri= auf Erfahrungen bzw. Wahrnehmungen. Empirisches Wissen ist bei Hume ungeformtes, aber überlebenswirksames Reagieren auf Perzeptionen, bei Kant immerhin schon ein gemeinsam geformtes und damit normativ nach richtig und falsch bewertbares Aussagen (und Handeln) mit gemeinsamer Bezugnahme auf gemeinsame Erfahrbarkeiten. Das Ding an sich, die eigentliche Ursache der Erscheinungen und damit der bloßen Sache der Erfahrung sei dagegen unerkennbar, meint Kant, obwohl wir denken und glauben dürfen, ja müssen, dass es so ein Ding an sich jenseits aller bloß auf Menschen bezogenen Erscheinungen (für sich, unmittelbar) geben soll. Da nun aber aufgrund der Vernetzung von allem die Ursache von etwas die ganze Welt ist, fällt am Ende Kants Ding an sich sogar mit dem Eins-und-Alles Plotins bzw. mit dem mediterranen Gott der theologischen Hochreligionen (des hellenisierten Judentums, Christentums und Islam) oder mit Spinozas Substanz zusammen. Dabei ist Hegel der radikalste Kritiker aller nicht bloß spekulativen, d. h. reflexionslogischen Deutungen derartiger Wörter und Ausdrucksformen. Leider macht Hegel seinen Gedankengang nicht für jeden Leser so klar und deutlich, wie das angesichts der Wichtigkeit der Sache wünschenswert wäre. Sein Fokus auf das Argument kann gelegentlich den Inhalt abschatten – und eben das geschieht hier. Argumentativ besteht das Vorgehen Hegels in der Entwicklung einer entsprechenden spekulativen Kommentarsprache als Meta-Logik reflexionslogischer
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Redeformen. Aus ihr ergibt sich für unseren Fall, dass zwar das Erkennen endlicher Dinge in der Tat immer fallibel ist. Als Wissen ist es immer nur wahr im generischen Sinn, so wie es eben wahr ist, dass Katzen vier Beine haben, der Stuhl vor mir zum Sitzen taugt und Milch im Kühlschank ist. Aber hinter oder jenseits dieser Art von endlichem Wissen über endliche Dinge und ihre generischen Eigenschaften und Dispositionen gibt es kein Ding-an-sich – es sei denn, wir gebrauchen das Wort »an sich«, bzw. »per se«, bloß generisch, also in einer reflexionslogischen Rede über ein ganzes Genus, eine Gattung, Art oder Spezies wie die Katze an sich oder den Stuhl an sich. D. h. gewissenhaft geprüfte und von uns anerkannte empirische Erkenntnis ist als generische trotz seltener Ausnahmen so wahr und richtig, wie empirisches Wissen, das auf endliche Kontingenzen geht, je wahr und richtig sein kann. Es ist daher falsch zu sagen oder zu meinen, angesichts der Kontingenz der Welt, der inferentiell und dispositionell dichten Begri=e (wie ›Katze‹, ›Stuhl‹ und ›Milch‹) und der Endlichkeit je meiner und je unserer Kontrollmöglichkeiten zeitlich nachhaltiger bzw. quantorenlogisch universalquantifizierter Erfüllungen von (empirischen) Bedingungen sei empirisches Erkennen und Wissen immer bloß ein Glauben. Dasselbe gilt für das zeitallgemeine Wissen kanonisierter generischer Normalfälle. Jeder von uns weiß so sicher, wie er weiß, dass 2 + 2 = 4, dass Wasser H2 O ist. Was wir dabei wissen, ist das lernbare Wissen heutiger Enzyklopädien, heutiger Wissenschaft. Dieses ist sogar weniger fallibel als empirische Einzelaussagen über Einzelnes, da das Gelernte als wahr gesetzt ist und bestenfalls die Frage noch o=en ist, wie der Satz oder die Regel angemessen zu gebrauchen sind. Möglicherweise verlangen manche derartigen Regeln in der Zukunft einen neuen, verbesserten Wortlaut, wie das z. B. beim Satz »Die Sonne dreht sich um die Erde« der Fall ist. Erst recht falsch wird die These von einem Nichtwissen, wo es um unsere spekulativen, metalogischen Kommentare und Titelwörter geht. Hier wissen wir nämlich, wenn wir uns selbst verstehen, dass es die Welt gibt und dass die Rede von der Existenz Gottes wahr ist, da sie bedeutet, dass die Einheit der Welt des Geistes und der Natur des handlungsfreien Geschehens mit gutem Grund traditionell durch den
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Kontrast zwischen Gott als Grund der Welt und einer Welt oder Natur endlicher Bedingungen und Erscheinungen artikuliert wurde. Gott, d. h. der Begri= und die Idee Gottes, ist also ›erkennbar‹ in einem weit höheren Maß als endliche empirische Sachen in der Welt. Es hat überhaupt keinen Sinn, von einem »Glauben an Gott« zu sprechen, so wenig wie von einem Glauben an die Arithmetik. Hier gibt es ein Können und Wissen oder ein Unvermögen und Fehlverstehen, kein Meinen und kein Glauben. Indem wir sagten, dass die reflexionslogische Unterscheidung zwischen (sachlichem) Grund und (phänomenaler) Bedingung in der (dinglichen) Gesamtsache aufzuheben und diese insgesamt als relativ ›unmittelbar‹ anzunehmen ist, etwa in der begri=lich bestimmten Wahrnehmung, soweit sie gewissenhaft durchgeführt und damit generisch richtig vollzogen ist, haben wir nicht gesagt, dass der Grund leer (nichts) werde und der Kontrast Grund und Bedingung wegfiele, schon gar nicht, dass der wahre Grund unerkennbar werde. Das gilt für Einzeldinge ebenso wie für die Totalreflexion auf die ganze Welt – und Gott als ›Ur-Grund‹. Die Sprache vereinigt, wie oben bemerkt, die Bedeutung dieses Untergangs und des Grundes; man sagt, das Wesen Gottes sey der Abgrund für die endliche Vernunft. Er ist es in der That, insofern sie darin ihre Endlichkeit aufgibt und ihre vermittelnde Bewegung versenkt; aber dieser Abgrund, der negative Grund, ist zugleich der positive des Hervorgehens des Seyenden, des an sich selbst unmittelbaren Wesens; die Vermittlung ist wesentliches Moment. Die Vermittlung durch den Grund hebt sich auf, läßt aber nicht den Grund unten, so daß das aus ihm hervorgehende, ein gesetztes wäre, das sein Wesen anderswo nemlich im Grunde hätte, sondern dieser Grund ist als Abgrund, die verschwundene Vermittlung; und umgekehrt ist nur die verschwundene Vermittlung zugleich der Grund, und nur durch diese Negation das sich selbst Gleiche und Unmittelbare. (326 | 141) Im Wort »Abgrund« vereinigt die deutsche Sprache den Untergang, die Auflösung des festen Grundes, mit dem Grund. Indem man den Urgrund der Welt, Gott, mit dem Abgrund identifiziert, sagt man daher, bei rechtem Verständnis, durchaus etwas Richtiges. Da-
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bei ist jedoch alles endliche Verständnis von Gott als einem festen, bestimmten, gegenstands- oder personenförmigen Grund aufzugeben. Gott ist bestenfalls der Abgrund der Vergangenheit, vielleicht zusammen mit dem O=enen der Zukunft. Es ist dabei die Ambivalenz der Rede zu erkennen, dass dieser Abgrund in seinem Inhalt unseren Verstand übersteige. Denn das heißt nicht, dass es sich um etwas handelt, von dem man nicht weiß, was es ist (oder gar »wer« es ist), sondern dass endliche, halb-sortal gegenständliche Rede überhaupt nicht auf das Thema, den ›Ur‹- bzw. ›Abgrund‹ der ganzen Welt, passt. Wir wissen also, dass die Welt abgründig ist, und das heißt erstens, dass unser Wissen über endliche Dinge in der Welt endlich ist, gerade weil wir wissen, wie es verfasst ist, nämlich über unsere Setzungen generisch-dichter bedingter Inferenzen, welche die lokale Kontrollierbarkeit je aus meiner bzw. unserer Perspektive hier und jetzt begri=lich transzendieren. Aber es ist diese generische Allgemeinheit selbst, die wir reflexionslogisch voraussetzen und in der Metalogik so explizieren, dass wir sie selbstbewusst erkennen, also um sie wissen, welche diese ›Transzendenz‹ erzeugt. Und es ist das entsprechende Wissen über die Grundformen von Zeit und Raum endlicher Dinge, nicht etwa ein Nichtwissen über Einzelnes in Vergangenheit und Zukunft, welches zur begri=lichen Trivialität führt, dass eine kontingente Zukunft nicht vorhersagbar und daher auch nicht alles, was in der Vergangenheit geschehen ist, je von heute her gewusst werden kann. Vieles, was vergangen ist, und vieles, was gerade gegenwärtig geschieht, ist erst über seine wirklichen Folgen in einer wirklichen Zukunft ›endgültig‹ in ›allen wesentlichen Besonderheiten‹ (und d. h. Allgemeinheiten) bestimmbar. So kann es z. B. sein, dass man erst in hundert Jahren ›wirklich‹ weiß, was die Gründung der europäischen Gemeinschaft ›wirklich bedeutet‹, so wie man erst heute weiß, was die Erfindung der Dampfmaschine, des Autos, des Flugzeugs bedeutet hat. Man beginnt auch zu ahnen, wie das Internet die Menschenwelt gerade auch im Bereich von Politik, Ethik, Kultur und Kooperation verändert. Aber schon rein natürliche Ereignisse erhalten oft erst im Nachhinein ihre konkrete Bestimmung. So könnte der Anstieg der Treibhausgase für das Weltklima verheerende Folgen haben – aber
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welche der möglichen Szenarien eintreten werden, ist durchaus noch weitgehend o=en. Hegel hat jedenfalls recht, den Abgrund einer indefiniten Vergangenheit als das (relative) Nichts anzusehen, aus dem die Welt der Dinge (mit Sternen, Sonne, Planeten und Erde, dann auch mit Meeren, Bergen und Lebewesen) hervorgegangen ist. Wer mythisch-metaphorische Rede vorzieht, wird von Gott als dem Schöpfer der Welt sprechen und zugleich Gott mit dem Abgrund identifizieren, der nicht nur ›negativer Grund‹ ist in dem Sinn, als er gar kein endlicher Gegenstand, sondern auch ›positiv‹ als Anfang von allem zu begreifen ist. Der Grund bleibt aber nicht ›unter‹ den bloß oberflächlichen Erscheinungen, auch nicht bloß als deren Anfang, sodass alles, was aus ihm hervorhebt, sein Wesen in diesem Grund hätte. Vielmehr ist der Grund als Abgrund »verschwundene Vermittlung«. Das heißt einfach, dass wir die schiere Tatsache der Welt, wie sie ist, anzuerkennen haben. Das war schon die Weisheit der Inder, des Buddha, gewesen, aber auch des Hellenismus und Christentums. Die Rede von Gott als dem Schöpfer und vom Abgrund als dem Urgrund der Welt ist am Ende immer auch schon Artikulation einer vernünftigen Haltung zur Kontingenz der Welt im Ganzen – dass es die Welt gibt – und damit zugleich zur Kontingenz und Endlichkeit der dann doch auch erfolgreichen generisch-gesetzesartigen Darstellung von Welt in relativ stabilen Formen und Inhalten mit ihren dinglichen Sachen, Bewegungen von Körpern und typischen Prozessen der Veränderung und Entwicklung. Noch einmal sei es gesagt: Wir behaupten nichts und glauben nichts, wenn wir von Gott als Abgrund der Welt sprechen, sondern artikulieren ein Wissen über eine vernünftige Haltung zur Endlichkeit empirischen Kennens und Erkennens auf der Basis begri=lichen Wissens zu einer Zeit – samt der Entwicklung des Begri=s in kooperativer Arbeit am generischen Wissen. Umgekehrt gilt auch für endliche Sachen, dass die verschwundene Vermittlung selbst der Grund, die Sache selbst ist. Die Entgegensetzung von Ursache und erscheinungsartigen Bedingungen oder Folgen hebt sich im Erfahrungsbezug auf. Erst eine reflexionsanalytische Wesenslogik holt dabei das so genannte Innere der Sachen, z. B. die ihnen artgemäß zugeschriebenen Dispositionen und Kräfte ans Tages-
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licht: Sie macht damit explizit, wie durch unsere begri=lichen Formen des Unterscheidens die Dinge und Sachen längst schon in sich reflektiert sind und unser vermeintlich unmittelbarer Zugri= auf sie im Dingbezug wegen der unterstellten Einheit oder Identität des Dings und seines Tuns längst schon generisch-abstrakt und ideell-ideal ist. So ist die Existenz hier nicht als ein Prädicat oder als Bestimmung des Wesens zu nehmen, daß ein Satz davon hiesse: Das Wesen existirt, oder hat Existenz; – sondern das Wesen ist in die Existenz übergegangen; die Existenz ist seine absolute Entäusserung, jenseits deren es nicht zurükgeblieben ist. Der Satz also | hiesse: Das Wesen ist die Existenz; es ist nicht von seiner Existenz unterschieden. – Das Wesen ist in die Existenz übergegangen, insofern das Wesen als Grund sich von sich als dem Begründeten nicht mehr unterscheidet, oder jener Grund sich aufgehoben hat. Aber diese Negation ist eben so wesentlich seine Position, oder schlechthin positive Continuität mit sich selbst; die Existenz ist die Reflexion des Grundes in sich; seine in seiner Negation zu Stande gekommene Identität mit sich selbst, also die Vermittlung, die sich mit sich identisch gesetzt hat, und dadurch Unmittelbarkeit ist. (326 | 141 f.) Es haben alle recht, die sagen, dass Existenz kein normales Prädikat ist. Denn der Existenzquantor ist in Bezug auf einen Bereich G ein Prädikatenprädikat für komplexe G -Prädikate. Hier geht es aber gar nicht um solche Sätze und Sätze der Art »Die Welt existiert« oder »Gott hat Existenz«. Vielmehr ist klar zu machen, dass unter dem Titel »Existenz« die Einheit von Grund und Erscheinung ausgedrückt wird, sodass die ›Existenz Gottes‹ und die ›Existenz der (erfahrbaren) Welt‹ am Ende ein und dasselbe sind. Die Rede von der absoluten Entäußerung hebt den Unterschied zwischen Grund und Folgebedingung bzw. Sache und Erscheinung auf. Diese Aufhebung macht sie zu zwei Momenten einer Einheit – sodass Gott und die Welt zu bloßen Momenten der Einheit von Sein und Wesen, Begri= und Wirklichkeit, Idee und Realisierung wird. Dass die Existenz »die Reflexion des Grundes in sich« sei, heißt, sie enthält alle Teilmomente des Gesamtgrundes. Weil nun die Existenz wesentlich die mit sich identische Vermittlung ist, so hat sie die Bestimmungen der Vermittlung an ihr, aber so
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daß sie zugleich in sich reflectirte sind, und das wesentliche und unmittelbare Bestehen haben. Als die durch Aufheben sich setzende Unmittelbarkeit ist die Existenz negative Einheit und Insichseyn; sie bestimmt sich daher unmittelbar als ein Existirendes und als Ding. ¦| (326 | 142) Hegels Titelwort »die Existenz« vereinigt den Grund an sich mit seiner Erscheinung in einem komplexen Für-sich-Sein. Diese enthält alle einheitsbildenden Relationen, welche die volle Sache mit ihren Erscheinungen allererst in Gegenüberstellung zu anderen Sachen und ihren Erscheinungen definiert oder bestimmt. Das gilt gerade auch im endlichen Fall, der als solcher immer aspekt-logisch lokal ist. Dagegen gibt es in gewissem Sinn zur Einheit von Gott bzw. der Welt im Ganzen kein Außen – es sei denn, man denkt an unsere subjektiven Haltungen – nicht zu Gott oder zur Welt als Begri= und Idee, sondern zu unserem möglicherweise begrenzten Verständnis dieses Begri=s und dieser Idee, wie es sich in einem ›Glauben‹ an Gottesbilder oder Weltbilder zeigt. Der übliche Glaube an Gott setzt nämlich bloß ein Verhältnis eines Subjekts zu seinem Gottesbild. Von den meisten Menschen, die von sich sagen, dass sie an Gott glauben, müssen wir leider sagen, dass sie ganz o=enbar nicht wissen, was sie sagen und tun. Denn wenn man weiß, was mit den Wörtern »Gott« und »Welt« als (Ab-)Grund angesprochen wird, weiß man auch schon, dass es gar niemanden gibt, der sich nicht zu Gott bzw. der Welt verhält. Die Frage ist jeweils nur, ob er weiß und begreift, dass das so ist und was er dabei wirklich tut. – Wer Gott leugnet, weiß sicher kaum, was er leugnet, so wenig wie der, welcher ›an ihn‹ glaubt, aber auch wie der, welcher die Welt leugnet. Man kann irgendwelche konkreten Auffassungen von Gott oder der Welt nicht teilen mögen, gewisse Sätze nicht lieben usf. Doch das betri=t nur ein Verhalten zu Äußerlichkeiten, zu figurativen Sätzen, paradigmatischen Gestalten, zu einem Gottesbild oder zu einem Weltbild. Die Existenz ist die negative (abstrakte) Einheit der Sache und ihr Insichsein im Sinne dessen, dass die Sache ihre Erscheinungen und Bedingungen ›in sich‹ enthält. Im endlichen Fall hat die Existenz daher die beiden Momente des Existierens und des Dings: Das
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Ding ist ein Existierendes, etwas, das sich in seinen Erscheinungen zeigt.
A. Das Ding und seine Eigenschaften Die Existenz als Existirendes ist gesetzt in der Form der negativen Einheit, welche sie wesentlich ist. Aber diese negative Einheit ist zunächst nur unmittelbare Bestimmung, somit das Eins des Etwas überhaupt. Das existirende Etwas ist aber unterschieden von dem seyenden Etwas. Jenes ist wesentlich eine solche Unmittelbarkeit, die durch die Reflexion der Vermittlung in sich selbst entstanden ist. So ist das existirende Etwas ein Ding. (327 | 143) Jemand kann sinnvoll glauben, die Welt sei anders, als er sie sich vorstellt oder als andere sie sich vorstellen oder vorzustellen scheinen. Aber niemand kann sinnvollerweise behaupten bzw. glauben, die Welt als ganze gäbe es nicht, existierte nicht in ihren Erscheinungen, in ihrem Sein und Schein. Das ist so wenig möglich, wie sinnvoll zu sagen oder zu glauben, dass es mich nicht gäbe. Zwar kann einer (fälschlicherweise) so reden und handeln, wie wenn es nur ihn und seine Welt gäbe und nicht auch die Welt der anderen. Doch schon die genaue Formulierung macht klar, dass er nicht meinen oder glauben kann, die Welt sei seine Welt und die anderen gäbe es nicht als Menschen und Personen. Denn indem er sich als Mensch und Person versteht, hat er schon zugestanden, dass er Mensch wie die anderen Leute und Person (nur) in Relation zu anderen Personen ist. Denn diese Wörter sind ohne die genannten Tatsachen, die ich »materialbegri=liche Wahrheiten« nenne, ganz und gar unverständlich. So gesehen ist es in der Tat, wie Kant sagt, ein Skandal der Philosophie, dass mancher, der an ihr teilzunehmen vermeint, noch glaubt, eines ›Beweises‹ der Existenz der (Außen-)Welt zu bedürfen, nachdem er sich vielleicht mit Descartes vergewissert hat, dass er selbst mit seinem denkenden und empfindenden Inneren zu existieren scheint. Das Innere aber ist bloß etwas, das wir nur im lokalen Kontrast zwischen Weltbezugnahme und Selbstbezugnahme zu uns selbst zählen, also
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je ich zu je mir. Man denke etwa an meine leisen Vorstellungen im Sprechplanen oder an meine bild- oder besser skizzenartigen Einfälle, auch von Wörtern und Sätzen, samt den Empfindungen. Aber schon diese stellen sich zumeist schon als (begri=lich) gegliedert dar, zumal sich schon mein Wissen um meine Schmerzen im Kopf oder Bauch oder der Leistengegend aufgrund bewusster Lokalisierung nach allem unserem Wissen relativ klar und deutlich von entsprechenden enaktiven Empfindungen von Tieren unterscheiden. Wenn man dann noch die logische Form von Grund und Erscheinung (Bedingung) begreift, samt der Unterscheidung zwischen endlichen Dingen in der Welt und spekulativen Totalbegri=en bzw. endlichen Aussagen und metalogischen Reflexionen, dann wird schon klarer, warum man an der Existenz Gottes ebenfalls nicht sinnvoll zweifeln kann, sofern Gott als Ur- und Abgrund der Welt und dann gerade auch als das Nichts bei Beginn des Weltalls verstanden wird. Es gibt den so verstandenen Gott so sicher und gewiss wie die Welt. Etwas kann als existent behauptet werden nur in der Form, dass wir seine Bestimmung schon kennen, was es also ist, von welcher Art es ist. Es ist die »negative Einheit« der Existenz bzw. eines existierenden Wesens, dass ein Typ instantiiert ist. Die Form einer Existenzaussage setzt daher die Momente der generischen Sache an sich und ihrer Bedingungen voraus – und sagt, dass Letztere erfüllt sind und die Sache an sich daher ein konkretes Fürsichsein im Reich des Seins von Erscheinungen hat. Das »Eins des Etwas überhaupt« ist die (Halb-)Sortalität eines Redegegenstandes. Der Unterschied zwischen einem existierenden Gegenstand und einem bloßen Sein besteht gerade darin, dass im ersten Fall der Formunterschied zwischen den Momenten des Wesens und seiner Erscheinungen, des Dings und seiner Wahrnehmbarkeiten, schon vorausgesetzt ist. Das nackte Sein des »ist« kontrastiert noch nicht zwischen wirklicher Sache und Schein/Erscheinung. Es bestätigt sich hier daher unsere Lektüre von Hegels Formulierungen: Die Unmittelbarkeit des Dingbezugs entsteht »durch die Reflexion der Vermittlung in sich selbst«. Das bedeutet in meiner Ausdrucksweise: Die Identität eines durch ihren Artbegri= wesenslogisch bestimmten halbsortalen innerweltlichen Gegenstandes ist
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durch seine inneren Beziehungen zwischen Momenten definiert, welche ihrerseits dadurch bestimmt sind, dass sie repräsentative (begri=liche) oder präsentative (anschauungsbezogene, phänomenale) Momente einer und derselben Sache sind. Der Genitiv oder das Possessivpronomen stehen dabei für die Einheitsbildung. Wenn diese als vollzogen gilt, werden alle inneren Beziehungen zu bloßen Reflexionsbestimmungen ›herabgesetzt‹. Das Ding erscheint dann ›unmittelbar‹ als Einheit aller seiner Erscheinungen und Bezugnahmen, so wie eine Zahl, wenn wir von allen Besonderheiten ihrer sinnverschiedenen, aber bezugsgleichen Benennungen (etwa durch Terme) abstrahieren. Das Ding wird von seiner Existenz unterschieden, wie das Etwas von seinem Seyn unterschieden werden kann. Das Ding und das Existirende ist unmittelbar eins und dasselbe. Aber weil die Existenz nicht die erste Unmittelbarkeit des Seyns ist, sondern das Moment der Vermittlung an ihr selbst hat, so ist ihre Bestimmung zum Dinge und die Unterscheidung beyder nicht ein Uebergang, sondern eigentlich eine Analyse; und die Existenz als solche enthält diese Unterscheidung selbst in dem Momente ihrer Vermittlung; den Unterschied von Ding-an-sich, und von äusserlicher Existenz. (327 | 143) Hegel greift hier eine Unterscheidung auf, die schon Platon im Dialog Parmenides behandelt, aber auf eine Weise, welche manche Leser bis heute mystifizieren, wenn sie zu wenig von Logik verstehen. Platon weist nämlich darauf hin, dass das Seiende (to on), das ein (dinglicher) Gegenstand ist (1), extensional dasselbe ist wie das Eins (to hen) als Einzelelement (2) und dann auch wie das Sein (einai, esse) der Gegenstandsexistenz (3) und der formalen Eigenschaft, mit sich identisch zu sein (tauton), der Identität (4). Die Art des Zugangs zum Gegenstand ist dabei aber immer verschieden, so dass Sein, Elementoder Gegenstand-Sein, Existenz, Einheit und Identität verschiedene Sinnmomente im Gegenstandbezug sind. Dabei ergeben sich die Momente des Dinges, die Art an sich und die Erscheinungsformen als Bedingungen eigentlich nur in einer Analyse. Die Existenz (als das Sein von Dingen) enthält die Unterscheidung zwischen Ding-ansich (Artbestimmung) und »äußerlicher Existenz« (Erscheinung) als Momente je eines und desselben existierenden Dings.
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Die Verschiedenheit von Seiendem und Sein, Gegenstand und Existenz ergibt sich natürlich auch aus der Unterschiedlichkeit der reflexionslogischen Nominalisierungen, so wie z. B. auch der Unterschied zwischen dem Lebendigen und dem Leben. Es sind für diese Gegenstände der Rede jeweils andere Relationen und Prädikate definiert, nicht anders als für ein Ding und eine Menge seiner Eigenschaften. Die Rede von der Existenz (eines Dinges) hat außerdem das »Moment der Vermittlung an ihr selbst« wegen der nötigen Aufhebung des Kontrastes zwischen Wesen (Dingart, samt Dingidentität) und Erscheinung – während im Fall des allgemeinen Seins alle Fragen der Vermittlung erst noch o=en gehalten werden, auch wenn im Kapitel Quantität schon die Konstitution abstrakter (arithmetischer, auch geometrischer) Gegenstände (auch von Größen und Proportionalen) thematisch geworden war.
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a. Ding an sich und Existenz 1. Das Ding an sich ist das Existirende als das durch die aufgehobene Vermittlung vorhandene, wesentliche Unmittelbare. Darin ist dem Ding an | sich die Vermittlung eben so wesentlich; aber dieser Unterschied in dieser ersten oder unmittelbaren Existenz, fällt in gleichgültige Bestimmungen auseinander. Die eine Seite, nemlich die Vermittlung des Dinges ist seine nicht reflectirte Unmittelbarkeit; also sein Seyn überhaupt, das, weil es zugleich als Vermittlung bestimmt ist, ein sich selbst anderes, in sich mannichfaltiges und äusserliches Daseyn ist. Es ist aber nicht nur Daseyn, sondern in Beziehung auf die aufgehobene Vermittlung und wesentliche Unmittelbarkeit; es ist daher das Daseyn als unwesentliches, als Gesetztseyn. – (327 | 143 f.) Wie immer man meine Identifikation des Hegelschen An-sich mit dem Genus oder der Art einer Sache insgesamt beurteilt, sie erläutert, wie sich die generische Bestimmung einer Wesensart zu einer jeweils vorliegenden Instanziierung verhält. Deren Fürsichsein ist von der bloß auf mich bezogenen Wahrnehmung abstrakt unterschieden. Für den sogenannten methodischen, in Wahrheit empiristischen Individualismus (gerade auch in den Sozialwissenschaften, nicht erst nach Max Weber) ist eine Art bloß eine Menge von als schon definiert
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unterstellten Individuen. Die Einzelwesen sollen deren Mitglieder oder Elemente sein. Das aber heißt, dass man die logische Konstitution von Elementen und Mengen im Kontext von Relationen und Prädikaten schon überspringt, erst recht aber von Dingen und ihren Eigenschaften. Alles, was dabei schon vorausgesetzt ist, wird einfach nicht mehr bemerkt. Die Sache selbst ist nun aufgehobene Vermittlung, dinglicher Gegenstand an und für sich selbst, in seiner Art und seiner (konkreten) Realität, wie etwa das Kaninchen hier und jetzt vor mir. Wesentlich unmittelbar ist die Art. Aufgehobene Vermittlung ist die Existenz eines Dings dieser Art. Warum aber soll das Ding »das Dasein als Unwesentliches, als Gesetztsein« sein und nicht vielmehr als daseiendes Wesentliches oder in seinem Wesen gesetztes Dasein? Unwesentlich ist Dasein doch nur, wo eine Ding- oder Wesensbestimmung fehlt. Was will Hegel hier dementieren? (Wenn das Ding von seiner Existenz unterschieden wird, so ist es das Mögliche, das Ding der Vorstellung, oder das Gedankending, welches als solches nicht zugleich existiren soll. Die Bestimmung der Möglichkeit und der Gegensatz des Dings gegen seine Existenz ist jedoch später.) – (327 | 144) Die Klammer hilft etwas bei der Klärung des Rätsels. Indem man nämlich das Ding (an sich, im Sinn Hegels) und seine Existenz (in der Erscheinung) unterscheidet, wird das Ding (an sich) zu einem bloß möglichen Ding. Als solches ist es zunächst nur eine mögliche Erklärung eines Phänomens, nicht schon ein wirklich vorliegendes Wesen oder Ding. Alle bloß möglichen Dinge sind Gedankendinge. Wie solche Möglichkeiten und damit der Gegensatz des Dings an sich gegen seine Existenz für sich konstituiert sind, wird später genauer behandelt. Aber das Ding-an-sich und sein vermitteltes Seyn sind beyde in der Existenz enthalten, und beyde selbst Existenzen; das Ding-ansich existirt, und ist die wesentliche, das vermittelte Seyn aber die unwesentliche Existenz des Dinges. ¦ (327 | 144) In der Existenz einer existierenden Sache sind die generische Sache und das vermittelnde Sein der Erscheinung schon enthalten. Das generische Wesen ist dabei schon für wesentlich erklärt und das
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erscheinende Sein (das auch ein falscher Schein sein kann) für unwesentlich. Genauer gilt, dass wir das Wesentliche über den Artbegri= bestimmen oder setzen und dem empirischen Sein zuordnen. Das Ding an sich, als das einfache Reflectirtseyn der Existenz in sich, ist nicht der Grund des unwesentlichen Daseyns; es ist die unbewegte, unbestimmte Einheit, weil es eben die Bestimmung hat, die aufgehobene Vermittlung zu seyn, und daher nur die Grundlage desselben. Darum fällt auch die Reflexion als das sich durch anderes vermittelnde Daseyn ausser dem Dinge-an-sich. Dieses soll keine bestimmte Mannichfaltigkeit an ihm selbst haben; und erhält sie deßwegen erst an die äusserliche Reflexion gebracht; aber bleibt gleichgültig dagegen. (– Das Ding-an-sich hat Farbe erst an das Auge gebracht, Geschmak an die Nase u. s. f.) Seine Verschiedenheit sind Rüksichten, | welche ein Andres nimmt, bestimmte Beziehungen, die sich dieses auf das Ding-an-sich gibt, und die nicht eigene Bestimmungen desselben sind. (328 | 144 f.) Das Ding an sich in Hegels Sinn ist Grund seiner Eigenschaften. Es ist als solches das »einfache Reflektiertsein der Existenz in sich«, also die (wahrgenommene bzw. beurteilte) Vorhandenheit eines Dings einer bestimmten Art, das sich als existent zeigt. Wir können dabei nur relational zu wesentlichen Bedingungen oder Eigenschaften davon sprechen, dass ein Ding (an sich, d. h. qua Element einer Art) Grund ist. Wenn ich mir beim Anblick eines Teekessels den Ausbruch eines Kraters halluziniere, ist der Teekessel nicht Grund (Ursache) meiner unwesentlichen Vorstellung, die mehr von meiner blühenden Phantasie als dem vorhandenen Ding herkommt. Eine Grundlage, also ein kausales Moment neben anderen, kann der Teekessel aber für meine Halluzination durchaus sein. »Aufgehobene Vermittlung« ist Hegels schwieriger Ausdruck dafür, dass ein Artbegri= auf eine indexikalisch-empirisch gegebene Sache zutri=t. Auch die Reflexion, in der sich die Bedingungen als erfüllt zeigen, welche notwendig sind, damit etwas von einer Art ist, gehört nicht in das Ding an sich, das als solches generisch-allgemein bestimmt ist, sozusagen durch seine Stelle in einem satzartig artikulierten Theoriengeflecht, nicht durch konkrete Projektionen auf konkrete Phänomene. Es sind daher notwendige Bedingungen als Erscheinungstypen von
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ihren konkreten Erfüllungen im realen Dasein zu unterscheiden. In diesem und nur in diesem Sinn hat das Ding an sich »keine bestimmte Mannigfaltigkeit« von Phänomenen »an ihm selbst«. Erst wenn wir in »äußerlicher Reflexion« einen vorliegenden Gegenstand auf seine Art hin über vorliegende qualitative Eigenschaften bestimmen, tritt eine Mannigfaltigkeit konkreter Einzelerscheinungen auf, wobei wir, wie schon erläutert, unsere eigenen ›Vorstellungen‹ häufig wieder in Abzug bringen müssen. Wir können das auch so sagen: Das objektive Ding (an sich) bleibt gegen unwesentliche qualitative Folgen seines Daseins gleichgültig, so wie es sich äquivalent zu verschiedenen perspektivischen Zugängen zu ihm verhält. Hegel selbst nennt bezeichnenderweise sekundäre Qualitäten wie Geruch, Geschmack, auch Farbe – wobei freilich auch haptisch ertastete Formgestalten noch nicht unmittelbar identisch mit der ›objektiven‹ räumlichen Form eines Körperdinges sind. Hegels Rede von Rücksichten meint gerade perspektivische Beziehungen auf andere Sachen und Dinge – sodass die Dingeigenschaft, rot zu sein, nur aus der relationalen Beziehung zu anderem bestimmbar ist: Eine Körperoberfläche bzw. die Farbe eines Kleides ist rot, wenn in Rücksicht auf Normalbedingungen und die Normalsichtigkeit von entsprechend kompetenten Personen diese übereinstimmen in der Klassifikation der gesehenen Farbe, nämlich als Rot. Rot zu sein ist also gar keine Eigenschaft bloß des Dinges, zumal die Umgebung, die Lichtbrechung und Beleuchtung eine Rolle spielt. 2. Diß Andere ist nun die Reflexion, welche bestimmt als äusserlich erstens sich selbst äusserlich, und die bestimmte Mannichfaltigkeit ist. Alsdann ist sie dem wesentlich Existirenden äusserlich, und bezieht sich darauf als auf seine absolute Voraussetzung. Diese beyden Momente der äusserlichen Reflexion aber, ihre eigene Mannichfaltigkeit und ihre Beziehung auf das ihr andre Ding-an-sich, sind ein und dasselbe. Denn diese Existenz ist nur äusserlich, insofern sie sich auf die wesentliche Identität als auf ein anderes bezieht. Die Mannichfaltigkeit hat daher nicht jenseits des Dinges-an-sich ein eigenes selbstständiges Bestehen, sondern ist erst als Schein gegen dieses, in ihrer nothwendigen Beziehung darauf, als der sich an ihm brechende Reflex. Die Verschiedenheit ist also vorhanden, als die Be-
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ziehung eines Andern auf das Ding-an-sich; aber dieses Andere ist nichts für sich bestehendes, sondern ist erst als Beziehung auf das Ding-an-sich; zugleich aber ist es nur als das Abstossen von diesem; es ist so der haltlose Gegenstoß seiner in sich selbst. (328 | 145) Es gibt keine Mannigfaltigkeit von Qualitäten und Gestaltempfindungen ohne Bezugnahmen auf dingliche Gegenstände oder auf je sich selbst als körperliches Empfindungswesen. Nur in der Reflexion auf verbal abtrennbare Momente eines (holistischen) Dingbezugs kann man von einer (Pseudo-)Menge von Eigenschaften sprechen. Eigenschaften sind zunächst Unterscheidungen an Dingen, wobei die Dingart bestimmt, welche Eigenschaften in Frage kommen. Nimmt man eine Eigenschaft wahr, so ist sie immer Eigenschaft einer dinglichen Sache, selbst wenn die Artbestimmung der Sache irgendwie fehlerhaft wäre. Ein lauter Schrei kam vielleicht aus einem Lautsprecher, nicht von einem Menschen oder Tier her – so wie an der Wasseroberfläche ein gerader Stab geknickt zu sein scheinen kann »als der sich an ihm«, dem Ding an und für sich, »brechende Reflex«. Von einem Schein sprechen wir, wie gesehen, wenn wir entweder von einer anderen Art ausgehen, als es die Art des vorhandenen bzw. zuhandenen Gegenstandes ist, oder wenn wir von einer anderen Gegenstandsidentität ausgehen, etwa wenn zwei fast nebeneinander gehende Tiger im Busch wie ein Tiger aussehen. Wir haben also gar keine voneinander ablösbare Verschiedenheit von Ding an sich (Art und Einzelgegenstand der Art) und sich zeigender Existenz (Erscheinung, Schein). Dennoch stoßen sich die Eigenschaften vom Ding ab, eben weil sie Eigenschaften anderer Dinge sein können. Haltlos wäre eine Eigenschaft, die frei schwebend von ihrem dinglichen Gegenstand abgelöst wäre. Solche Qualitäten gibt es nicht. Genauer: Sie treten bestenfalls in Träumen und Halluzinationen auf oder dann auch in reflexionslogischer Rede, indem wir auf Momente der Dinge oder ihre Erscheinungen fokussieren. Dem Ding-an-sich nun, da es die wesentliche Identität der Existenz ist, kommt daher diese wesenlose Reflexion nicht zu, sondern sie fällt ihm äusserlich in sich selbst zusammen. Sie geht zu Grunde, und wird damit selbst zur wesentlichen Identität oder zum Ding-ansich. – (328 | 145)
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Indem wir in konkreter Weise über die »wesentliche Identität der Existenz«, also des sich zeigenden Einzelgegenstandes (Einzeldings) einer Art sprechen, kommen dem Ding qua Wesen gerade nicht die bloß kontingenten, von zufälligen Umständen abhängigen Eigenschaften zu. Hegel spricht, leicht zweideutig, von einer wesenslosen Reflexion. Er meint damit äußerliche, nicht durch das Wesen oder den Begri= bestimmte Erscheinungen, die auf das Konto der Umstände oder relationalen Parameter gehen – z. B. auf die gelbe Brille und das grünliche Aussehen im Kontrast zur blauen Farbe des Hemds. Analoges gilt für andere Perspektiven des Zugangs. Dennoch sind uns die wesensbestimmenden Eigenschaften der Sache selbst nur durch die Vermittlung konkreter Wahrnehmungssituationen gegeben. Im Ausgang von relationalen Eigenschaften abstrahieren wir kovariante Eigenschaften der Dinge an sich und für sich. Sie werden so zu wesentlichen Dispositionen oder wirkenden Kräften und stehen in einem gewissen Gegensatz zu äußeren Wirkungen auf uns und andere Dinge. Sie sind damit aufgehobene Folgen der Sache selbst, Teil der wesentlichen Identität der Sache als Wesen oder Grund. Diß kann auch so betrachtet werden: Die wesenlose Existenz hat am Ding-an-sich ihre Reflexion in sich; sie bezieht sich darauf zunächst als auf ihr Anderes; aber als das Andre gegen das, was an sich ist, ist sie nur das Aufheben ihrer selbst, und das Werden zum An|sich-seyn. Das Ding-an-sich ist somit identisch mit der äusserlichen Existenz. (328 | 145 f.) Wir müssen von den realen Erscheinungen durch Wegrechnen von besonderen Umständen z. B. auch unserer Beobachtungsperspektive die begri=liche Art der Sache an sich und ihr konkretes Fürsichsein bestimmen. Damit wird das Ding-an-sich in gewisser Weise »identisch mit der äußerlichen Existenz« und es verschwindet Kants Fehlurteil von einer vermeintlichen Unerkennbarkeit des Dinges-an-sich. Diß stellt sich am Ding-an-sich so dar. Das Ding-an-sich ist die sich auf sich beziehende, wesentliche Existenz; es ist nur insofern die Identität mit sich, als es die Negativität der Reflexion in sich selbst enthält; das was als ihm äusserliche Existenz erschien, ist daher Moment in ihm selbst. Es ist deßwegen auch sich von sich abstossendes Ding-an-sich, das sich also zu sich als zu einem andern verhält. Somit
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sind nun mehrere Dinge-an-sich vorhanden, die in der Be¦ziehung der äusserlichen Reflexion aufeinander stehen. Diese unwesentliche Existenz ist ihr Verhältniß zu einander als zu andern; aber sie ist ihnen ferner selbst wesentlich – oder diese unwesentliche Existenz, indem sie in sich zusammenfällt, ist Ding-an-sich; aber ein anderes, als jenes erste; denn jenes erste ist unmittelbare Wesentlichkeit, dieses aber das aus der unwesentlichen Existenz hervorgehende. Allein dieses andere Ding-an-sich ist nur ein anderes überhaupt; denn als mit sich identisches Ding hat es weiter keine Bestimmtheit gegen das erste; es ist die Reflexion der unwesentlichen Existenz in sich wie das erste. Die Bestimmtheit der verschiedenen Dinge an-sich gegen einander fällt daher in die äusserliche Reflexion. (328 f. | 146) Es ist, wie wir gesehen haben, nicht trivial, dass man den Ausdruck »Ding an sich« überhaupt auf sinnvolle Weise in den Plural setzen kann. In Kants Verwendungsform geht das nicht. Es gibt dort nur ein Ding an sich, die ganze Welt, auch wenn Kant und seine Anhänger das nicht wissen. Das Ding-an-sich in Hegels Sinn ist die wesentliche Existenz, also das, was sich als vorhanden und in seinem Artwesen dadurch zeigt, dass es je nach Umstand eine bestimmte Erscheinung ›hervorbringt‹. Auf sich selbst bezieht sich die Existenz insofern, als die realen Erscheinungen als Instanzen der notwendigen Bedingungen des Vorhandenseins des Dings an sich durchgehen können und über die hinreichende Erfüllung ›aller‹ notwendigen Bedingungen die Existenz sichern. Das Ding ist Identität mit sich. Alle generischen Relationen seines Fürsichseins gehören zu ihm, zu seinem Wesen. Es enthält daher »die Negativität der Reflexion in sich« in folgendem Sinn: Was wir in der metalogischen Analyse als Momente der Sache rekonstruieren und aufeinander beziehen, gehört schon längst zur inneren Bestimmung der Sache, ihrem begri=lichen Fürsichsein. Scheinbar kontingente Erscheinungen werden über das oben beschriebene Verfahren ihrer generischen Erklärung durch Aufspaltung des Eigenbeitrags der Sache selbst und der Umstände zu wesentlichen Eigenschaften des Dingesan-sich, der Sache selbst. Die Eigenschaften des Dinges an sich erweisen sich jetzt als prozessuale Relationen bzw. Dispositionen, welche begri=lich längst
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schon ein ganzes System von Relationsgliedern und damit viele verschiedene Dinge-an-sich voraussetzen. Mehr noch, wir müssen viele verschiedene Feinheiten von Artbestimmungen unterscheiden. Das meint die bloß erst blumige Rede von einem »Abstoßen von sich selbst«. Wenn wir nicht bloß in total spekulativen Reflexionen verharren (wollen), kann es also nicht bloß ein Ding-an-sich geben, in dem alles bloße innere Selbstbeziehung ist, da es dann (begri=lich) kein Außen oder Anderes gibt. In einem System von Dingen aber muss zwischen inneren und äußeren Relationen des Für-sich-Seins und Füranderes-Seins unterschieden werden; und es sind die Gegenstände sogar nicht ohne Bezugnahme auf die relevant anderen Dinge (auch Arten) bestimmt. Das aber heißt, dass die wesentlichen Eigenschaften der Dinge-an-sich wesentliche Relationen im Dingsystem sind. In eben diesem Sinn spricht Hegel von einem Abstoßen, wie schon in der Seinslogik von einer Repulsion – die jetzt auch besser verstehbar wird. Das Wesentliche der wesentlichen Eigenschaften der Dinge-an-sich ist, so kann man den Gedanken wohl etwas klarer artikulieren als in Hegels Rede von unwesentlicher Existenz und äußerlicher Reflexion, die relationale oder prozessuale, am Ende notwendigerweise gesetzesartig zu formulierende Struktur des dinglichen Gegenstandsbereichs mit seinen verschiedenen Gegenstandsarten, -klassen und -typen. 3. Diese äusserliche Reflexion ist nunmehr ein Verhalten der Dinge-an-sich zu einander, ihre gegenseitige Vermittlung als anderer. (329 | 146) Im Blick auf die Relationen zwischen erkennendem Subjekt und erkanntem Objekt erschien bei Kant die epistemische Relation zu uns als für die Sache selbst völlig unwesentlich. Das stellt sich jetzt als eine maßlose Übertreibung heraus. Ihr fallen aber bis heute alle zum Opfer, welche von der Unerkennbarkeit der Wirklichkeit sprechen und die Erscheinungen und Erfahrungen als bloß für uns ausgeben. Der Erfahrungsgegenstand lässt sich nicht als vom Subjekt völlig unabhängig verstehen, aber auch nicht als völlig von ihm konstruiert. Jetzt wird klarer, dass und warum es gar keine dinglichen Gegenstände und deren wesentliche Eigenschaften gibt, welche nicht auch längst
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in ihrer Bestimmung von einem relationalen Gefüge der Dinge zueinander und zu uns als Lebewesen und Menschen abhingen. Anders gesagt, die Objektivität der Sache selbst ist relational zu verstehen. Die Wesenseigenschaften der innerweltlichen Gegenstände entstammen einem System basaler Relationen. Diese sind bei Dingen in der Welt immer schon prozessuale Relationen und Funktionen ›im Werden‹. Es ist eben daher logisch ganz falsch, am Ende sogar widersinnig, das Subjektive erfahrbarer Objekte aus der Bestimmung von deren objektiven Eigenschaften ganz heraushalten zu wollen. Eben das aber tut oder versucht Kant in seiner Rede von einem Ding an sich. Die Dinge-an-sich sind so die Extreme eines Schlusses, dessen Mitte ihre äusserliche Existenz ausmacht, die Existenz, durch welche sie andre für einander und unterschiedene sind. Dieser ihr Unterschied fällt nur in ihre Beziehung ; sie schicken gleichsam nur von ihrer Oberfläche Bestimmun|gen in die Beziehung, gegen welche sie als absolut in sich reflectirte gleichgültig bleiben. – (329 | 146 f.) Was heißt es nun aber, dass die Dinge-an-sich in Hegels Sinn »Extreme eines Schlusses« sind? Die Mitte sei ihre »äußerliche Existenz«, »durch welche sie andere für einander« sind. – Es handelt sich wie immer um metaphorische Kommentare zum Begri= des Dinges und zum Kontrast von Wesen und Erscheinung, Ding-an-sich und Phänomen-für-uns. Spätestens seit Frege ist der Modus Ponens Paradigma oder UrBild für jede Art von Schluss, nämlich als Anwendung einer ›Regel‹ »φ ⇒ ψ«, satzförmig ausgedrückt durch eine Subjunktion, d. h. einen Bedingungssatz »φ → ψ«. Als Form wird diese Anwendung artikuliert durch eine Art Meta-Regel der gleichen Form, aber mit zwei Prämissen, nämlich (φ, φ ⇒ ψ) ⇒ ψ bzw. (φ, φ → ψ) ⇒ ψ. Es ist klar, dass diese Meta-Regel die praktische Beherrschung der Übergangsform voraussetzt. Damit erübrigen sich dann aber schon ganz viele Mystifizierungen des Regelfolgens in der Nachfolge der Überlegungen Wittgensteins. Es ist einfach klar, dass nicht alle Handlungsformen voll sprachlich artikulierbar sind, zumal das Sprechhandeln selbst praktische Formen als bekannt und beherrscht voraussetzt. – Für Hegel war noch, wie traditionell generell, der Übergang im Modus ›Barbara‹ prototypisch. Es handelt sich um die mereologische Form:
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»Wenn A in B liegt und B in C , liegt A in C «, mit B als ›Mittelbegri=‹, der die mereologische Teilbeziehung von A und C ›vermittelt‹.51 Hier geht es nun darum, dass eine Erscheinung die ›Vermittlung‹ liefern soll zwischen einem Arttyp (dass etwas ein Kaninchen ist) und einem Einzeltier, nennen wir es »Mümmelmann«. Mümmelmann soll einzelnes Exemplar der Dingart Kaninchen sein. Dazu muss die Erscheinung erstens ›artgerecht‹ in dem Sinn sein, dass wir sie als Kaninchenerscheinung von anderen unterscheiden können, und sie muss so sein, dass nur ein Kaninchen und nicht auch noch ein anderes oder viele verschiedene Kaninchen die Erscheinung in ihrer zeitlichen Folge ›begründen‹ bzw. ›verursachen‹. Es könnte ja sein, dass das, was ich für ein Kaninchen halte, zwei oder drei Kaninchen waren, die z. B. nacheinander aus einem Loch kamen. Sowohl das Kaninchen als Art als auch das Einzelkaninchen in seiner Identität müssen sich im Prinzip in ihrer Existenz unterscheiden lassen, also über die Vermittlung ihrer Erscheinungen. Das sollte ein Truismus im Blick darauf sein, was es überhaupt heißt, ein Kaninchen bzw. ein (objektives) Ding-an-und-für-sich in der Welt zu sein.52 Dieses Verhältniß macht nun die Totalität der Existenz aus. Das Ding-an-sich steht in Beziehung auf eine ihm äusserliche Reflexion, worin es mannichfaltige Bestimmungen hat; es ist diß das Abstossen seiner von sich selbst in ein anderes Ding-an-sich; diß Abstossen ist der Gegenstoß seiner in sich selbst, indem jedes nur ein Anderes ist als sich aus dem Andern wiederscheinend; es hat sein Gesetztseyn nicht an ihm selbst, sondern an dem andern, ist bestimmt nur durch
Wenn man Sätzen φ und ψ die Umfänge A und C der Situationen zuordnet, in denen sie als Sätze wahr sind, dann korrespondiert die Regel φ → ψ der ›Aussage‹, dass A in C enthalten ist, die man in der Form A ⊂ C notieren könnte. Die Rede von der Suche nach einem ›Mittelbegri=‹ B kann dann als Suche nach einer ›Begründung‹ der Aussage A ⊂ C über zwei Aussagen der Formen A ⊂ B und B ⊂ C gelesen werden. Dem Modus Ponens entspricht hier die Transitivität des Enthaltenseins. 52 Es gibt daher gar keine sinnvoll bestimmbare Unterscheidung zwischen einem Erfahrungsding und einem per definitionem unerkennbaren Ding-an-sich in seiner kantischen Auffassung. 51
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die Bestimmtheit des andern; diß andere ist eben so bestimmt nur durch die Bestimmtheit des ersten. (329 | 147) Im Ausgang von qualitativen Oberflächenunterscheidungen schließen wir aufgrund eines materialbegri=lichen Wissens über die Beziehungen von Dingen gewisser Art zueinander auf das Vorhandensein eben dieser Dinge. Wir lesen damit Erscheinungen als ein Herausstehen, eine O=enbarung, ein Sich-Zeigen der in ihrer Art voneinander unterschiedenen Dinge. Dies ist die Beziehung des Dings auf die »ihm äußerliche Reflexion«. Das Abstoßen von anderen Dingen ist gerade Wissen um deren Unterscheidbarkeiten als einzelne Instanzen im Kontext prozessualer Normalfallrelationen. Das mechanische Bewegungsverhalten bei Druck und Stoß wie beim Billard ist hier nur ein Paradigma. In wechselwirkenden Relationen fügen sich die Dinge in ein Bewegungssystem zusammen, nachdem unser di=erenzierender Verstand sie entsprechend als semi-sortale Gegenstände in ihrer räumlichen Lokalität und zeitlichen Identität unterschieden hatte. Hegels Metapher von einem »Gegenstoß« versucht diese Struktur bildlich aufzurufen. Aber die beyden Dinge-an-sich, da sie hiemit nicht die Verschiedenheit an ihnen selbst haben, sondern jedes nur an dem andern, sind keine unterschiedene; das Ding-an-sich verhält sich, indem es sich auf das andre Extrem als ein anderes Ding-an-sich verhalten soll, zu einem von ihm ununterschiedenen, und die äusserliche Reflexion, welche die vermittelnde Beziehung zwischen Extremen ausmachen sollte, ist ein Verhalten des Dings-an-sich nur zu sich selbst, oder wesentlich seine Reflexion in sich; sie ist somit an sich seyende Bestimmtheit, oder die Bestimmtheit des Dings-an-sich. (329 | 147) Was heißt es jetzt aber, dass jedes der Dinge die Verschiedenheit nicht an sich selbst, sondern je nur an dem anderen hat? Inwiefern haben wir bisher nur von einem Selbstverhältnis eines einzigen Dinges gesprochen? – Es ist zuzugeben, dass nicht eindeutig rekonstruierbar ist, was Hegel hier wirklich sagen möchte. Insgesamt scheint die Sache dennoch klar zu sein: Wir brauchen die Kenntnis der Kontraste zwischen Tierarten (Kaninchen, Erdhörnchen, etc.) und zwischen Einzeltieren derselben Art (Mümmelmann ist ein anderes Tier als, sagen wir, seine Geschwister). Das Verhalten Mümmelmanns zu sich selbst
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ist durch seine ›dingliche‹ Identität als Individuum, als unteilbares Lebewesen definiert. So verhält sich Mümmelmann z. B. zu sich selbst, wenn er sich mit den Pfoten das Gesicht abwischt oder sich Löwenzahn fressend selbst erhält. Mümmelmann ist in sich reflektiert auf genau die gleiche Weise, wie wir in unserer Reflexion auf die Bestimmung der Art und des Individuums zwischen seinen Eigenschaften und Relationen zu anderen Sachen unterscheiden, etwa auch, wie er uns gefällt oder am Ende als Kaninchenbraten schmecken wird. Dieses hat dieselbe also nicht in einer ihm äusserlichen Beziehung auf ein anderes Ding-an-sich, und des andern auf es; die Bestimmtheit ist nicht nur eine Oberfläche desselben, sondern ist die wesentliche Vermittlung seiner mit sich als mit einem Andern. – (329 | 147) Die Bestimmtheit des Dings-an-sich in seiner Existenz ist, wie schon mehrfach gesagt wurde, eine Konkretisierung des Fürsichseins, die Hegel hier terminologisch »Reflexion in sich« nennt. Es handelt sich um ›innere‹ Relationen der individuellen Sache x selbst, für welche aus x R y die Gleichheit x = y folgt, also gerade die Negation von x , y . Die Bestimmtheit der Sache selbst ist daher nicht etwa nur durch eine Klassifikation eines Arttyps auf der Ebene der Erscheinung gegeben, sondern durch wesentliche, arttypische, Relationen der Sache zu sich selbst, wie z. B. denen eines artgemäßen Selbsterhalts eines Lebewesens. Aber auch Berge und Täler, Ozeane und Kontinente, Planeten und Sonnen bleiben einige Zeit lang als Quasi-Individuen erhalten und enthalten viele innere Beziehungen im Kontrast zu prozessualen Relationen zu anderen Dingen und Sachen. Die beyden Dinge-an-sich, welche die Extreme der Beziehung ausmachen sollen, indem sie an sich keine Bestimmtheit gegen einander haben sollen, fallen in der That in eins zusammen; es ist nur Ein Ding-an-sich, das in der äusserlichen Reflexion sich zu sich selbst verhält, und es ist dessen eigene Beziehung auf sich als auf ein anderes, was dessen Bestimmtheit ausmacht. | (329 | 147) Die beiden Dinge-an-sich, von denen Hegel hier spricht und die sich nicht unterscheiden lassen, sind, wie oben schon erläutert, Kants Ding-an-sich, wenn es denn einen Plural erlaubte, und das Objekt-inder-Erscheinung, die Instanziierung einer Art. Ich hatte dazu schon
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gesagt, dass das »an sich« im allgemeinen Verständnis des Ausdrucks Signal für einen generischen Gebrauch ist, nicht anders als die Ausdrücke »im Prinzip« oder »im Wesentlichen«. »Im Prinzip hat die Katze vier Beine« bedeutet also dasselbe wie »an sich haben Katzen vier Beine«. In unserem Fall vermittelt unsere Kontrolle der Objektkonstanz (z. B. der stetigen Bewegung Mümmelmanns in unserem Gesichtsfeld bzw. einem Verfahren seiner Identifizierung durch Markierungen) die Kenntnis der individuellen Identität des Gegenstandes an und für sich, nachdem wir schon wissen, dass Kaninchen Individuen und keine bloßen Gestalten sind, wie sie sich bewegen und sich auch verändern können, etwa wenn sie wachsen. Diese Bestimmtheit des Dings-an-sich ist die Eigenschaft des Dings. ¦ (329 | 148) Das Wort »Eigenschaft« wird von Hegel in einem starken Sinn von proprium und idion der Sache (an und für sich) gelesen, also nicht so schwach, wie wir das üblicherweise tun, indem wir empirisch zufällige Erscheinungen eines Dings bloß je hier und jetzt auch zu seinen Eigenschaften zählen, obwohl sie ggf. nur ›kontingent‹, relational zu einer zufälligen Perspektive sind. Eigenschaften sind also entweder art- oder wesensbestimmend oder sie bestimmen die individuelle Identität des Einzeldings auf nicht bloß ›akzidentelle‹ Weise. Wenn wir parametrisierte Relationen als Eigenschaften zulassen (was durchaus sinnvoll ist), so kann es z. B. eine (wesentliche) Eigenschaft von Mümmelmann sein, ein Nachkomme des Kaninchens Rammler zu sein. Die entsprechende Eigenschaft gehört zur Bestimmtheit von Mümmelmann als objektiv existierendes Ding, eben als lebendes Kaninchen. Von mir gerade gesehen zu werden, gehört nicht dazu, auch wenn die Bezugnahme auf die Dinge immer auch über solche zufälligen empirischen Relationen vermittelt ist. O=enbar erinnert Hegel hier an die Bedeutung der schon von Aristoteles vorgeschlagenen Kanonisierung der Unterscheidung zwischen einer Eigenschaft als einem objektbezogenen Prädikat und einer bloßen Qualität als situationsabhängig zugesprochenem Wahrnehmungsprädikat, dessen präsentischer Inhalt auch Folge eines zufälligen Umstands als accidens (griech: »symbebekos«) sein kann..
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b. Die Eigenschaft Die Qualität ist die unmittelbare Bestimmtheit des Etwas; das Negative selbst, wodurch das Seyn Etwas ist. So ist die Eigenschaft des Dings die Negativität der Reflexion, wodurch die Existenz überhaupt ein Existirendes, und als einfache Identität mit sich, Ding-an-sich ist. Die Negativität der Reflexion, die aufgehobene Vermittlung, ist aber wesentlich selbst Vermittlung, und Beziehung, nicht auf ein Anderes überhaupt, wie die Qualität als die nicht reflectirte Bestimmtheit; sondern Beziehung auf sich als auf ein Anderes; oder Vermittlung, die unmittelbar eben so sehr Identität mit sich ist. (330 | 148) Eine Qualität ist »unmittelbare Bestimmtheit« eines Gegenstandes im Sinne der präsentischen Unterscheidung, die als solche je von uns her getro=en werden muss. Das »Negative selbst« ist im Grunde der Unterschied, der sich auf reproduzierbare Weise gemeinsam feststellen lässt. Nur als Nichtunterschiedenes in einem System von Unterscheidungen ist eine Gegenstandsart definiert. In einer solchen Art (oder Gattung) sind die einzelnen Gegenstände bestimmt. Entsprechend »ist die Eigenschaft des Dings die Negativität der Reflexion«. Das heißt, eine Eigenschaft (idion, proprium) eines Dings (etwa Mümmelmanns) ist als solche am besten zu verstehen, wenn wir alle Eigenschaften als Gattungs-, als Art- oder als Typenunterscheidungen verstehen. Diese sind generische Bestimmungen Mümmelmanns in seiner allgemeinen Art und besondere in seiner Identität. Die interessantesten Eigenschaften sind dispositionelle Potentialitäten, bedingte Inferenzen, Kräfte in möglichen Verursachungen. Die Qualität ist »nicht reflektierte Bestimmtheit« insofern, als eine qualitative Unterscheidung zwar sinnlich vermittelt ist, aber noch kaum Allgemeinwissen über begri=liche Normalfallinferenzen bedingter Art voraussetzt. Hegels Formel, es handele sich um eine »Beziehung auf sich als auf ein Anderes« ist wie viele andere Kommentare dieser Art gewöhnungsbedürftig. Es handelt sich wohl nur darum, dass die wesentlichen Eigenschaften eines Dinges durch seine wesentlichen Interaktionen mit anderen Dingen unter typischen Bedingungen bestimmt sind. So ist es z. B. eine wesentliche Eigenschaft des Wassers, sich in Sauersto= und Wassersto= zerlegen oder aus diesen Sto=en herstellen zu lassen, aber auch, Durst zu löschen,
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wenn es nicht zu salzig ist, oder Feuer, wenn Wasser als Löschmittel ausreicht usf. Das abstracte Ding an-sich ist selbst diß aus anderem in sich zurükkehrende Verhalten; es ist dadurch an sich selbst bestimmt; aber seine Bestimmtheit ist Bescha=enheit, die als solche selbst Bestimmung ist, und als Verhalten zu anderem nicht in das Andersseyn übergeht und der Veränderung entnommen ist. (330 | 148) Das »abstrakte Ding-an-sich« ist ebenso sehr eine Variable in einem Genus als ein generisches Objekt mit seinen Eigenschaften. Diese äußern sich als arttypische Dispositionen oder Kräfte unter gewissen Bedingungen so und so. Die Metapher von einem »aus anderen in sich zurückkehrenden Verhalten« ist bildliche Formel für eine Disposition. Eine solche ist ein Reflexionsbegri=, da wir in die Dinge qua generische Arten kanonisch entsprechende Kräfte oder Verhaltenstypiken legen oder setzen, sie als Eigenschaften den Dingen oder Arten zuschreiben, und zwar so, dass die Dinge unter den entsprechenden Umständen das entsprechende Verhalten bei sich oder anderen Dingen sozusagen hervorrufen. Während in der Aktualisierung einer Disposition das Verhalten zu anderen Dingen sich im gemeinsamen Verhalten zeigt, bleibt eine Disposition als Eigenschaft oder Bescha=enheit an einem Ding der bestimmten Art latent erhalten. Salz ist wasserlöslich. Dass sich Salz jetzt oder dann in Wasser löst, ist eine Aktualisierung dieser Disposition. Ein Ding hat Eigenschaften; sie sind erstlich seine bestimmten Beziehungen auf anderes; die Eigenschaft ist nur vorhanden als eine Weise des Verhaltens zu einander; sie ist daher die äusserliche Reflexion, und die Seite des Gesetztseyns des Dings. Aber zweytens ist das Ding in diesem Gesetztseyn an sich; es erhält sich, in der Beziehung auf anderes; es ist also allerdings nur eine Oberfläche, mit der die Existenz sich dem Werden des Seyns und der Veränderung preisgibt; | die Eigenschaft verliert sich darin nicht. (330 | 148 f.) Dispositionelle Eigenschaften eines Dinges sind erstens, »seine bestimmten Beziehungen auf Anderes«, wobei, es muss immer wieder erinnert werden, an prozessuale, nicht bloß statische Relationen, zu denken ist, also an Formen der gemeinsamen Veränderungen von Konstellationen im Fall, dass die Bedingungen des Wirksamwerdens
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der Dispositionen eintreten. Der Glaube an innewohnende Kräfte ohne Wissen darum, wie wir diese Kräfte als Normalfallinferenzen begri=lich in die Dinge legen, ist die Naivität des Materialismus. Da auch das Festhalten an einem Kinderglauben oder einer jugendlichen Überzeugung frei ist, können Argumente niemanden ›zwingen‹. Das Einzige, was man hier tun kann, ist, die Naivität aufzuzeigen, also die Gedankenlosigkeit, welche das Festhalten an einem solchen Glauben in Parallele setzt zum Glauben an Helios und den Sonnenwagen. Analoges gilt für den Glauben an die Existenz möglicher Welten oder für den Glauben an die Existenz kleinster Atome oder irgendwelcher Energiefelder an sich, ohne Wissen um die theoretische, sprachlich-begri=liche Konstitution der entsprechenden Redebereiche und Modellbilder als Formen des Denkens und unserer Darstellung bzw. ›Erklärung‹ der Welt in ihren generischen Normalfallverläufen. Das eben drückt Hegels Rede vom »Gesetztsein des Dinges« aus. In diesem Gesetztsein ist das Ding generisch, also an sich bestimmt – wie Hegel im zweiten Punkt dieses Gedankens hervorhebt. Dabei spielt er mit der doppelten Bedeutung von der Oberfläche: Das Ding ist je jetzt als res extensa durch seine Ober- oder Grenzfläche als dreidimensionaler Körper räumlich bestimmt. Aber in seinem relativen Bewegungsverhalten ist es durch eine Verteilung von dispositionellen Kräften als Eigenschaften auf die Dinge so bestimmt, dass man aus diesen Kräften und den Dingkonstellationen ein generisches Veränderungsverhalten der entsprechenden Dingkonstellationen rekonstruieren kann. Zum Projekt dieser Art von generischer Darstellung von Welt gehört die Bedingung, dass sich die Eigenschaften nicht plötzlich verlieren, d. h., dass sie mit der Dingkonstanz einigermaßen überzeitlich stabil bleiben – so wie die ›Lebenskraft‹ der Lebewesen, die zur Masse proportionale ›Gravitationskraft‹ eines Körpers oder eine Reaktionsdisposition eines chemischen Sto=es wie Wassersto=, Sauersto= oder Kohlensto=. Ein Ding hat die Eigenschaft, diß oder jenes im Andern zu bewirken und auf eine eigenthümliche Weise sich in seiner Beziehung zu äussern. Es beweist diese Eigenschaft nur unter der Bedingung einer entsprechenden Bescha=enheit des andern Dinges, aber sie ist ihm
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zugleich eigentümlich und seine mit sich identische Grundlage; – diese reflectirte Qualität heißt darum Eigenschaft. (330 | 149) Hegel selbst identifiziert hier die Eigenschaften der Dinge damit, wie sie zusammen mit anderen Dingen dieses oder jenes bewirken und sich so oder so äußern. Dass von Dispositionen die Rede ist, zeigt die Nennung »der Bedingung einer entsprechenden Bescha=enheit« der anderen Dinge. Es geht darin in eine Aeusserlichkeit über, aber die Eigenschaft erhält sich darin. Das Ding wird durch seine Eigenschaften Ursache, und die Ursache ist dieß, als Wirkung sich zu erhalten. Jedoch ist hier das Ding nur erst das ruhige Ding von vielen Eigenschaften; noch nicht als wirkliche Ursache bestimmt; es ist nur erst die ansichseyende, noch nicht selbst die setzende Reflexion seiner Bestimmungen. (330 | 149) Dispositionen zeigen sich empirisch in der Äußerung, Entäußerung, der in die Dinge gelegten Kräfte, falls die zugehörigen Bedingungen empirisch erfüllt sind. Einer Disposition eines Gegenstandes g korrespondiert dessen Eigenschaft E , in einem gewissen Kontext A auf eine gewisse Art zu wirken. Diese Wirkungsart kann ggf. durch eine Regel E & A ⇒ B artikuliert sein. Bei der Bestimmung von Dispositionen ist es nicht unbedingt notwendig zu prüfen, ob bzw. wann die Bedingung A erfüllt werden wird. Es reicht zu wissen, dass, wenn sie erfüllt ist, auch die erwartete Folge B eintreten wird oder würde. Das begründet übrigens den grammatisch durchaus wichtigen Merkspruch für Kinder: »Wenn das Wörtchen ›wenn‹ nicht wär’, wär’ mein Vater Millionär«. Wenn wir die Logik regellogisch und nicht wahrheitswertlogisch verstehen, drückt das »wenn« eine erlaubte Regel aus, die man nach dem Modus Ponens verwendet. Als Regel ist sie zeitallgemein und kümmert sich nicht darum, ob A jetzt, zufällig oder nie zu einer ›wahren Aussage‹ wird. Wenn das nie der Fall sein sollte, ist die Regel nicht anwendbar und die Disposition wird leer. Wir sollten trotzdem auf alles Rechnen mit leeren Bedingungen verzichten. So wird etwa in der Rede über einen kontrafaktischen Gott jenseits von Zeit und Raum die Möglichkeit der Erfüllung der Bedingungen unterstellt – was schon Parmenides weiß. Doch damit hat man schon die Begri=e der Zeit und des Raumes zerstört.
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Die zeitallgemeinen Sätze der Arithmetik artikulieren situationsallgemeine Regeln, deren ›Wahrheit‹ bedeutet, dass wir ›immer‹ mit ihnen rechnen dürfen. Die Wahrheitswertsemantik passt so gerade für mathematische Belange, in denen es nur um Erlaubnisregeln geht. Das Problem ist hier nicht das der Repräsentation, wie Brandom meint, sondern dass die Regeln nur für die reine Mathematik entworfen ist und daher mit der Spannung in der nicht-idealen Welt zwischen generischen Inferenznormen oder Normalfallschlüssen a priori und empirischen, dabei immer auch kontingenten Wahrheiten a posteriori nicht zurechtkommt. Während die Überlegungen zu Grund und Bedingung noch so allgemein waren, dass alle Regeln der Form A ⇒ B in allen Anwendungen durch sie kommentiert werden konnten, wird jetzt klar, dass die Rede von Ursachen auf Dispositionen und Kräfte von Dingen eingeschränkt zu verstehen ist. Ein Ding wird daher »durch seine Eigenschaften« zur Ursache. Hegel bestätigt hier unsere Lesart: Ursachen werden durch die Dispositionen bestimmt, die wir in der Form bedingter Inferenzregeln den Dingen zuschreiben und dabei sozusagen die Beiträge, welche die Einzeldinge im Gesamtkonzert der Dinge spielen, auf die lokalen bzw. endlichen Dinge verteilen. Wenn Hegel von der Ursache spricht, meint er eine Ursache im generischen Sinn. Eine Ursache besteht in den dispositionellen Eigenschaften der Dinge, welche in einer Gesamtkonstellation von Dingen eine bestimmte Wirkung auf diese Konstellation oder auf andere Dinge ausüben. Die Wirkungen sind dabei so generisch wie die Ursachen. Sie zeigen sich in den empirischen Einzelfällen als Normalfallprozesse. Außerhalb der Konstellationen hat das einzelne Ding viele latente dispositionelle Eigenschaften, die erst dann zu einer Ursache werden, wenn die Bedingungen erfüllt sind, welche die Dispositionen als bedingte Regeln oder Inferenzen wirksam werden lassen. Das Wort »ruhig« ersetzt bei Hegel das Wort »latent«. Dabei gibt es Sonderfälle, welche dafür verantwortlich sein können, dass eine normale Wirkung ausbleibt, ohne dass sie uns davon abzuhalten sollten, die Disposition dem Ding weiter zuzusprechen. Hegels Verwendung des Ausdrucks »setzende Reflexion« ist besonders obskur. O=enbar geht es darum, dass die in das Ding generisch
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oder an sich gesetzte Disposition sich im konkreten Fall äußert, sodass sich in der setzenden Reflexion die im Dingbegri= schon reflektierten Eigenschaften äußerlich zeigen oder entäußern. Das Ding-an-sich ist also, wie sich ergeben hat, wesentlich nicht nur so Ding-an-sich, daß seine Eigenschaften Gesetztseyn einer äusserlichen Reflexion sind, sondern sie sind seine eigenen Bestimmungen, durch die es sich auf bestimmte Weise verhält; es ist nicht eine jenseits seiner äusserlichen Existenz befindliche bestimmungslose Grundlage; sondern ist in seinen Eigenschaften, als Grund vorhanden, das heißt, die Identität mit sich in seinem Gesetztseyn; aber zugleich als ¦ bedingter Grund; das heißt, sein Gesetztseyn ist eben so sehr sich äusserliche Reflexion; es ist nur insofern in sich reflectirt und an sich, insofern es äusserlich ist. – (330 f. | 149) Die einem Ding-an-sich in Hegels neuem Sinn vermöge seiner Art zukommenden Eigenschaften sind nun nicht bloß willkürlich oder bloß aufgrund meiner Erfahrungen oder Erfahrungen einer relativen kleinen Gruppe von Leuten zugeschrieben, sondern gelten als »seine eigenen Bestimmungen, durch die es sich auf bestimmte Weise verhält«. Mit anderen Worten, wir setzen unsere gesamte Kunst der Begri=sbestimmung daran, die Eigenschaften eines Dinges so zu bestimmen, dass sich durch diese möglichst alle Verhaltensweisen des Dinges in Relation zu anderen Dingen bestimmen lassen, soweit dies generisch möglich ist. Angesichts der immer anzuerkennenden Zufälle, Unfälle und Ausnahmen, mit denen wir immer rechnen müssen, kommen wir dabei aber schnell an Grenzen. Das heißt zugleich, dass das Ding-an-sich in Hegels Sinn kein Jenseits unseres Wissens ist. Es gehört weit eher zur Form unserer Arbeit am Begri=, d. h. an einem generisch-allgemeinen Wissen, das, als solches, objektives Sachwissen und nicht bloß epiphänomenales Erscheinungswissen ist und sein will. Das Ding-an-sich ist auch nicht »bestimmungslose Grundlage«, reine Materie ohne schon konkret artbestimmte Eigenschaften. Denn eine solche Grundlage, als indefinites Apeiron, wäre noch gar nicht lokal begrenzt und individuierbar. Eigenschaften bzw. Dispositionen sind sozusagen bedingte Gründe im Erklären, die auf der Ebene des Erklärten zu Ursachen werden, wenn die Bedingungen erfüllt sind. Die innere Reflexion der inneren Eigenschaften der Dinge besteht
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darin, dass sie unter entsprechenden Bedingungen sich in äußeren Wirkungen zeigen. Durch die Existenz tritt das Ding-an-sich in äusserliche Beziehungen; und die Existenz besteht in dieser Aeusserlichkeit; sie ist die Unmittelbarkeit des Seyns, und das Ding dadurch der Veränderung unterworfen; aber sie ist auch die reflectirte Unmittelbarkeit des Grundes, das Ding somit an sich in seiner Veränderung. – (331 | 149) Ich erinnere kurz an die Gründe der ganzen Überlegung: Würde jemand in die Vergangenheit reisen können, und wäre er ein Gott, so wäre schon unklar, was Zeit ist. Manches Geschehen könnte dann nach Belieben ex post ungeschehen gemacht werden. Daher kann es einen ›wirklichen‹ Gott mit ›überzeitlichen‹ Fähigkeiten des Tuns und Wissens nicht geben. Kant aber operiert noch mit einer solchen Vorstellung – weil er die Zeit nicht als Grundtatsache der realen Welt des endlichen Werdens anerkennt. Nicht wesentlich besser steht es auch mit dem Glauben an einen materialistischen (physikalistischen) Prädeterminismus. Während es durchaus sinnvoll sein kann, relativ abwegige empirische Möglichkeiten zu erwägen, etwa zu glauben, dass nicht der Geschäftsmann Shakespeare, sondern meinetwegen der gar nicht ums Leben gekommene Christopher Marlowe unter dem Pseudonym des Geschäftsmanns Shakespeare Werke geschrieben hat, ist es logischer Unsinn zu meinen, seit dem Urknall sei alles, was später geschieht, jede Bewegung eines Tieres auf der Erde und jeder Gedankenblitz eines Menschen samt den folgenden Handlungen, schon prädeterminiert. Man kann so etwas verbal leicht sagen und sich, wie Jacques le Fataliste, manchmal an dem Gesagten trösten. Aber wirklich in allen Konsequenzen an das Gesagte glauben, und das heißt, konsequent danach handeln, das kann man keineswegs. Man würde sich eben damit, dass man es tut, selbst widersprechen. Das freilich ist nicht ganz einfach einzusehen, weil die entsprechenden Gläubigen sich nicht nehmen lassen, frei zu behaupten, alles, was sie und andere tun, sei längst schon in einer Art großem Buch festgeschrieben, gerade wie Diderots Diener Jakob. Und doch lässt sich niemand von seinen eigenen Sätzen so beeindrucken, dass er nicht tätig handelte.
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Die Existenz eines Dinges war nun gerade als Realisierung äußerer Beziehungen zu anderen Dingen aufgefasst worden, z. B. zu einem das Ding perzipierenden und tätig berücksichtigenden Tier, einem es wahrnehmenden Menschen oder einer das Ding instrumentell gebrauchenden Person. Die Existenz einer Sache oder eines Dinges besteht daher immer in deren Äußerlichkeit, nicht in ihren bloß innerlichen Beziehungen, da diese, wenn sie sich nicht bloß als Relationen zwischen Körperteilen darstellen, bloß ideelle Reflexionen, also von uns in die Sachen und Dinge gesetzte Potentialitäten, Dispositionen oder Kräfte, sind, deren Realität sich in der Existenz, d. h. in den Kraftäußerungen, den Wirkungen, zeigen (lassen) müssen. Die Existenz ist die Unmittelbarkeit des (empirischen) Seins der Dinge im Werden, wobei das Ding sich eben wegen dieser sich in der Zeit ändernden Präsenz des Daseins dauernd in vielem, besonders in seinen Relationen zu anderen Dingen, ändert. Aber indem wir das Ding erstens lokal mit sich identifizieren (als körperliche res extensa im Raum und im Zeitverlauf), zweitens aufgrund seiner je besonderen Art und einer hinreichend speziell zu machenden Typik mit latenten, ruhenden, festen Eigenschaften ausgestattet begreifen, bleibt sich das Ding in seinen wesentlichen Eigenschaften während seiner Existenz trotz aller Veränderung auch gleich. Diese Erwähnung | der Grundbeziehung ist jedoch hier nicht so zu nehmen, daß das Ding überhaupt als Grund seiner Eigenschaften bestimmt sey; die Ding-heit selbst ist als solche die Grundbestimmung, die Eigenschaft ist nicht von ihrem Grunde unterschieden, noch macht sie bloß das Gesetztseyn aus, sondern ist der in seine Aeusserlichkeit übergegangene, und damit wahrhaft in sich reflectirte Grund; die Eigenschaft selbst als solche ist der Grund, an sich seyendes Gesetztseyn, oder er macht die Form ihrer Identität mit sich aus; ihre Bestimmtheit ist die sich äusserliche Reflexion des Grundes; und das Ganze der in seinem Abstossen und Bestimmen, in seiner äusserlichen Unmittelbarkeit sich auf sich beziehende Grund. – (331 | 149 f.) Das Ding ist nicht eigentlich Grund oder Ursache seiner Eigenschaften, es ist eher, wie wir sagen, deren Träger. Zur Dingheit gehören die Eigenschaften, schon der Art und dem Typ nach, und das Ding ist
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nur zusammen mit seinen Eigenschaften Grund bzw. Ursache seiner Folgen bzw. Wirkungen. Wieder verlangen Hegels idiosynkratische Formulierungen o=enbar eine Art Übersetzungsmanual. Das Ding-an-sich existirt also wesentlich, und daß es existirt, heißt umgekehrt, die Existenz ist als äusserliche Unmittelbarkeit zugleich Ansichseyn. (331 | 150) Dass das Ding-an-sich wesentlich existiert, bedeutet, dass es sich als wirkendes Wesen qua Instanz seiner Wesensart in seinen Wirkungen empirisch zeigt. Indem wir sagen, dass das Ding existiert, sagen wir, dass es sich in der Wirkung seiner dispositionellen Kräfte zeigt. Wir sagen zwar auch, dass es ›Ursache‹ dieser Wirkungen ist. Allerdings ist diese Rede von einer Ursache rein logisch, nicht etwa ›physikalisch‹. In der Rede von der Existenz des Dings verbinden sich sein Ansichsein und seine äußeren Erscheinungen auf ›tautologische‹ Weise. Anmerkung Es ist schon oben (I. Abth. S. 64.) bey dem Momente des Daseyns, dem Ansichseyn, des Dings-an-sich erwähnt, und dabey bemerkt worden, daß das Ding-an-sich als solches, nichts anderes, als die leere Abstraction von aller Bestimmtheit ist, von dem man allerdings nichts wissen kann, eben darum weil es die Abstraction von aller Bestimmung seyn soll. – (331 | 150) Hegel selbst erinnert jetzt noch einmal daran, dass schon in der Seinslogik im Abschnitt zum Ansichsein auf die Rede von einem Ding-an-sich eingegangen worden war. Als bloß indefinites Ding an sich wie bei Kant wäre ein solches »die leere Abstraktion« ohne jede Bestimmung – von dem man nichts wissen kann, weil man von allem Wissbaren abstrahiert hat. So will Hegel die Rede vom ›an sich‹ gerade nicht verstanden wissen. Nachdem so das Ding-an-sich als das Unbestimmte vorausgesetzt wird, so fällt alle Bestimmung ausserhalb desselben, in eine ihm fremde Reflexion, gegen welche es gleichgültig ist. Dem transcendentalen Idealismus ist diese äusserliche Reflexion das Bewußtseyn. Indem dieses philosophische System alle Bestimmtheit der Dinge sowohl der Form als dem Inhalte nach in das Bewußtseyn verlegt, so
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fällt es nach diesem Standpunkt in mich, in das Subject, daß ich die Baumblätter nicht | als schwarz, sondern als grün, die Sonne rund und nicht viereckig sehe, den Zucker süß und nicht bitter schmecke; daß ich den ersten und zweyten Schlag einer Uhr als succedirend, und nicht neben einander, noch den ersten als Ursache, auch nicht als Wirkung des zweyten bestimme u. s. f. – (331 | 150 f.) Wenn man mit Kant von einem Ding-an-sich als etwas ganz Unbestimmtem spricht, ähnlich wie Anaximander von seinem indefiniten Apeiron (ohne Grenze und Bestimmung), dann scheinen alle Bestimmungen in anderes – etwa die betrachtenden Subjekte – zu fallen, sodass es so scheint, als wären wir es, welche perzipierte Qualitäten zu Bündeln vereinigten, und als wären unsere Erfahrungsobjekte ganz andere Sachen als die Dinge, wie sie diesem Gedanken (oder Ungedanken) nach an sich selbst sind. Kants transzendentaler Idealismus meint tatsächlich, es sei unser Bewusstsein, welches die Dinge bestimme, sowohl ihre Form als auch ihren Inhalt, ihre räumlichen Gestalten und ihre inneren Dispositionen. Demnach liegt es ›nur‹ an mir, dass ich das Gras grün und nicht etwa schwarz sehe. Aber schon beim ›Sehen‹ einer rechteckigen Fläche wird übersehen, dass deren Passungseigenschaften nicht bloß Bezug auf mein visuelles System nehmen: Rechtecke müssen auf gewisse Weise in ihren Kopien so zueinander passen wie Ziegel einer Mauer. Auch der Zucker schmeckt nicht bloß mir süß. Nicht nur ich zähle die Takte einer Uhr, sondern in gewisser Weise zählt sie die ganze Welt. Wie Hume überdehnt also auch Kant das Subjektive der Erfahrung und deutet es nicht bloß als ein Moment des (prozessual) Relationalen aller Eigenschaften, Tatsachen und Dingbestimmungen. Dabei hatte schon Platon, wie ich selbst schon ausgeführt habe, eben diese Relationalität der Prädikate gegen den subjektivistischen Relativismus des Empirismus eines Protagoras gesetzt. Die Deutung kausaler Beziehungen über irreale Konditionalsätze statt umgekehrt die Wahrheit dieser Sätze als ›Folgerungen‹ aus gesetzten kausalen Regeln stellt jede vernünftige Analyse der Kausalität auf den Kopf. Indem wir zwischen empirischen Aussagen (je bezogen auf Betrachter hier und jetzt oder dort und dann) und situations- und zeitallgemeinen kanonischen Regeln bzw. Inferenzformen (›Kausal-
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gesetzen‹, ›Naturgesetzen‹) unterscheiden, wird relativ klar, dass kontrafaktische Konditionale nur Aussagen des ersten, nicht des zweiten Typs variieren. Man kann auf der Grundlage der Aussagen des zweiten Typs ›schließen‹, was der Fall sein würde, wenn dieses oder jenes Ereignis einträte oder eingetreten wäre. Aber es ist rein überschwänglich, wenn man behauptet, jedes Ereignis, das anders gewesen wäre als die Ereignisse, die sich faktisch begeben haben, widerspräche ›dem Naturgesetz‹, sodass aufgrund desselben Naturgesetzes ›alles mit Notwendigkeit‹ habe so kommen müssen, wie es gekommen ist, und alles weiter so geschehe, wie es geschehen wird. Das ist ein Missbrauch oder Missverstand der Wörter »Naturgesetz«, »Kausalität« und »Notwendigkeit«. Das Fehlverständnis wird deswegen nicht bemerkt, weil man meint, es könne Einzelereignisse geben, die als solche, also nicht bloß in einem Bedingungsgefüge, relativ zu einem schon kontingenten Geschehen der Vorgeschichte, als ›notwendig‹ bewertbar sind. Doch so etwas gibt es nicht. Es ist sinnlos zu sagen, dass – absolut gesehen – Napoleon den Krieg gegen England und Russland verlieren musste, zumal er den Letzteren auch hätte vermeiden können. Dieser grellen Darstellung des subjectiven Idealismus widerspricht unmittelbar das Bewußtseyn der Freyheit, nach ¦ welchem Ich mich vielmehr als das Allgemeine und Unbestimmte weiß, jene mannichfaltigen und nothwendigen Bestimmungen von mir abtrenne und sie als ein für mich äusserliches nur den Dingen zukommendes erkenne. – (331 f. | 151) Hegel weiß, dass er den subjektiven Idealismus Kants (Humes und Berkeleys) in ›grellen‹ Farben plakativ darstellt. Die Karikatur soll zeigen, dass wir in unserem »Bewusstsein der Freiheit« dieser Auffassung alle widersprechen. Dies ist eine überraschende Aussage, insbesondere weil unklar ist, warum das Bewusstsein der Freiheit darin bestehen soll, dass »ich mich vielmehr als das Allgemeine und Unbestimmte weiß«. Wie soll es zu verstehen sein, dass ich »jene mannigfaltigen und notwendigen Bestimmungen« wie die Süße des Zuckers, die Farbe des Hemds oder die Folge der Takte der Uhr, »von mir abtrenne und sie als ein für mich Äußerliches nur den Dingen Zukommendes erkenne«. Wie also argumentiert Hegel hier?
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Das Merkwürdige und aus empiristischer Sicht scheinbar völlig Verkehrte in Hegels Darstellung besteht darin, dass die wirklichen Ursachen der Farbwahrnehmung, des Geschmacks und der Folge der gehörten Töne oder Takte in die Dinge selbst gelegt werden und eben nicht in ›das Bewusstsein‹ oder ›das Subjekt‹. Das Wissen um die kausalen Folgen, ja der Begri= der Kausalität selbst, bleibt dagegen mit unserer Freiheit verbunden. Ich bin, heißt das, keine Registriermaschine, welche auf sogenannte Impressionen irgendwie ›reliabel‹, etwa überlebensfördernd, enaktiv reagierte. Ob Tiere so zu verstehen sind, mögen die halbcartesianischen Empiristen mit ihrem eigenen Weltbild ausmachen. (Sie sind es nicht.) Hier geht es nur darum, dass es keinen durch einen Stimulus erzeugten Inhalt (stimulus meaning) gibt. Das wäre eine rein von der Seite beschreibbare automatische Reaktion auf eine von den Dingen verursachte Impression, welche physiologisch in eine Empfindung und einen Inhalt verwandelt würde. Manche versuchen dabei auch noch mystisch von subjektiven Qualia zu sprechen. Doch die Annahme gegebener sensations, impressions und reflections im Sinn von psycho-physiologischen Verarbeitungen im Innern des Leibes ist reine Theorie, reines Bild, ohne jede Basis in unserem realen Weltbezug. Real und robust analysiert unterscheiden wir immer schon zwischen Eigenschaften von Dingen und den Variationen subjektiver Erscheinungen. Wir wissen, dass wir es sind, die so unterscheiden, wobei je ich bewusst handelnd an dieser Praxis teilnehme. Eben das ist das Bewusstsein der Freiheit (des Urteilens), von dem Hegel hier spricht. Das Problem des Empirismus besteht darin, dass er ohne Kontrolle schwankt zwischen einer rein subjektiven ›Perspektive‹ der bloß inneren Empfindungen und einer rein drittpersonalen, ›objektiven‹ Rede über Geschehnisse und Vorgänge um den Körper (Leib) des Individuums herum und in diesem Leib – wobei im zweiten Fall die Konstitutionsform immer wieder vergessen wird. Menschen im Altertum oder Mittelalter und solche, die für sich in ihrem religiösen Glauben diese Traditionen sinnblind festschreiben, mögen ›vergessen‹ haben zu fragen, wie groß die Sonne sein muss oder dass ein Gott mit Bart eine Metapher ist. Entsprechend ist auch die ›aufge-
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klärte‹ Rede von einem Naturgesetz zweideutig. Die Gleichsetzung von tierischer Kognition und menschlichem Wissen ist bestenfalls eine partielle Analogisierung. Diese steht immer in der Gefahr einer naiven Vermenschlichung der Seinsweise und Fähigkeit der Tiere oder einer entsprechenden (Re-)Animalisierung des Menschen – wie in jedem Biologismus, besonders seinen Rassenlehren. Hobbes hat also durchaus recht zu sagen, dass Metaphern und Analogien Irrlichter sein können. Doch ihre Vermeidung ist vergebliche Liebesmüh. Was wir lernen müssen, ist, sie kompetent zu gebrauchen und dabei unsere freie Urteilskraft nicht zu verlieren. Dass ich mich als das Allgemeine weiß, bedeutet nun, dass ich nicht einfach vergesse, dass jedes Urteil über Möglichkeiten, also Allgemeinheiten, je mein Urteil sein muss und es gar keinen anderen Zugang zu Modalitäten gibt als über (sprachliche) Repräsentationen und Urteile. Es kann, wenn wir das nicht vergessen, auch keine andere Notwendigkeit geben als über allgemein gesetzte Regeln. Dass ein Satz notwendig gilt, bedeutet, dass die entsprechende Regel unbedingt ernst zu nehmen ist und gegebenenfalls, nämlich im seltenen Fall universal-allgemeiner Sätze, gar keine Ausnahme zulässt. Aber auch generische Wahrheiten artikulieren im Allgemeinen, d. h. nach Prüfung der entsprechenden Normalitätsbedingungen, unbedingt zu beachtende Inferenzregeln, Erwartungen oder eben weiche ›Notwendigkeiten‹. So ist es eine Art Notwendigkeit, nicht naiv damit zu rechnen, ein Sonntagskind zu sein und im Lotto zu gewinnen: Warum sollte es unter zig Millionen gerade mich als den Glücklichen tre=en? Dasselbe gilt freilich auch für entsprechend überflüssige Ängste vor seltenen Unglücksfällen. Ich ist in diesem Bewußtseyn seiner Freyheit sich diejenige wahrhafte in sich reflectirte Identität, welche das Ding-an-sich seyn sollte. – (332 | 151) Das Ergebnis der Phänomenologie des Geistes, nach welchem der performative Vollzug des Seins, Lebens und Handelns je hier und jetzt das Absolute ist und nichts sonst, erhält jetzt eine neue Formulierung. Je ich bin im Bewusstsein meiner Freiheit absolut. Während Kant das Ding-an-sich als absolut angenommen hatte, ohne dass damit mehr als das indefinite Apeiron der ganzen Welt angesprochen
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werden konnte, ist uns jetzt klar, dass weit eher je ich in meiner reflektierten Identität als personales Subjekt das Absolute bin. Denn ich kann um die Formen der Konstitution der Gegenstände des Wahrnehmens und Denkens wissen. Ich kann begreifen, wie wir das Für-sichSein der Dinge durch Abstraktion der Kovarianz bestimmen – sofern ich das nicht gleich wieder vergesse und mich selbst bloß noch als Gegenstand, Objekt, epochale Substanz für die Zeit meines Lebens und nicht als Subjekt, freien Akteur und selbst bei Orientierung an angelernten Schemata absolut frei urteilend begreife. Anderwärts habe ich gezeigt, daß jener transcendentale Idealismus über die Beschränktheit des Ich durch das Object, überhaupt über die endliche Welt nicht hinauskommt, sondern allein die Form der Schranke, die ihm ein absolutes bleibt, ändert, indem er sie nemlich nur aus der objectiven Gestalt in die subjective übersezt, und dasjenige zu Bestimmtheiten des Ich und einem in diesem als einem Dinge vorgehenden wilden Wechsel derselben macht, was das gewöhnliche Bewußtseyn als eine ihm nur äusserlichen Dingen angehörige Mannichfaltigkeit und Veränderung weiß. – (332 | 151) Hegel selbst verweist mit dem Wort »anderwärts« hier auf die Argumentation sowohl der Seinslogik als auch der Phänomenologie des Geistes. Er kommentiert eines von deren Ergebnissen so: Es sei dort gezeigt worden, dass Kants Transzendentaler Idealismus »über die Beschränktheit des Ich durch das Objekt, überhaupt über die endliche Welt nicht hinauskommt«. Der unbedarfte Leser deutet dies so, als werde auf mystische Weise das Ich, die Seele oder der Geist zu einer unendlichen Welt hypostasiert. Doch Hegel argumentiert anders: Über die endliche Welt der bloß präsentischen empirischen Empfindungen und Wahrnehmungen hinaus kommen weder der Empirismus noch Kant; der Empirismus nicht, weil er den Status zeitallgemeinen, generischen Wissens bzw. materialbegri=licher Sätze und Regeln nicht kennt und nicht weiß, dass und wie uns diese das Reich des Möglichen, Notwendigen und Allgemeinen allererst erschließen. Der Transzendentale Idealismus als verbesserte Variante des subjektiven Idealismus stellt alle Formen des Verstandes, d. h. alle begri=lichen Regeln des Unterscheidens und Schließens, die über ein bloß empirisches Verhalten des Regularismus hinausgehen, als quasi
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angeborene Formung der Empfindung, Wahrnehmung und des Weltzugangs dar, also von der Seite. Damit unterschlägt er unsere eigene Reflexion auf unsere freien Setzungen und Handlungen gerade auch bei der Begri=sbildung, im bestimmenden und reflektierenden Urteil. Kant macht die Vorstellung von einer Schranke, nach der wir die Dinge der Welt angeblich nicht so, wie sie an und für sich sind, erkennen können, sondern nur so, wie sie uns erscheinen, zur These über eine angebliche objektive Limitation unseres Denkens. Das scheinbar ›endliche‹ Denken menschlicher Subjekte wird einem ›unendlichen‹ Denken eines Gottes gegenüberstellt. Eben damit aber wird einem realen Wissen und Denken eine fingiert-ideale Vorstellung von Wissen so kontrastiert, als verhielte sich das menschliche Wahrnehmen und Denken zum göttlichen wie die animalische Perzeption und ›Gewohnheit‹ zum menschlichen Wissen – ein Bild, das schon Heraklit bemüht.53 Dass ich »durch das Objekt« beschränkt bin, bedeutet erstens, dass ich selbst leiblich bin und meine sinnlichen Wahrnehmungen als leibliche je hier und jetzt lokal beschränkt sind. Die Überwindung dieser Endlichkeit leistet das Denken. Denkend, d. h. symbolisch repräsentierend, habe ich Zugang zu (möglichen) Vergangenheiten und (generisch-typischen) Zukünften und Vergangenheiten, damit auch zu anderen Orten. Kant unterschätzt diese Möglichkeiten. Im Grunde verachtet er das ›bloße‹ Denken manchmal als ›bloßes‹ Reden. Wie Hume lässt er sich dazu verführen, nur die eigene (sinnliche) Anschauung als letztes Geltungs- bzw. Wahrheitskriterium auszugeben. Das ist eine Nebenfolge seiner subjektivistischen ›Aufklärung‹, die als skeptische Kritik an jeder Tradition heillos provinziell wird. Denn damit verfehlt er das allgemeine Wissen, das wir der Tradition verdanken und auf das wir uns vertrauensvoll stützen können und müssen. Es ist Vermittlung zwischen spontanem, freiem begri=lichem Denken und weltbezogener Erkenntnis. Diese reicht weit über die extreme Endlichkeit des sinnlichen Hier und Jetzt und des leiblichen Objekts hinaus. Es ist also die endliche Welt hier und jetzt, an die Kants rationalistischer Empirismus gebunden bleibt. Hegel setzt ihr keine Ewigkeit unsterblicher Seelen gegenüber, sondern die indefinite Unbegrenzt53
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heit der Welt und die Unbeschränktheit der Möglichkeiten, unser allgemeines Wissen über Mögliches und Wirkliches zu erweitern und zu vertiefen. Hegel kritisiert also Kants im Grunde empiristische Auffassung von einer bloß leicht ins Transzendentale gewendeten Lockeschen Psychophysiologie des Verstandes und der Anschauung. Er erkennt, dass Kants Wissensbegri= kaum über den der animalischen Kognition, der enaktiven Perzeption hinausreicht. Zwar analogisiert Kant mit der Name-Prädikat-Struktur des empirischen Satzes den formalen Begri= von Konstatierungen. Doch ohne hinreichend klare Konstitutionsanalyse des Begri=s der Dingeigenschaften kommt er dabei kaum über reine Informationshandlungen der Art »Da hinten ist eine Gazelle. Sie frisst Gras« hinaus. Das ist zwar schon weit mehr als das bloße Signalverhalten sozialer Tiere wie Ameisen, Bienen, Wildhunde, Delfine usf. Aber damit erreicht man noch bei Weitem nicht den Begri= des Wissens, das man »unendlich« nennen kann, soweit es zeit- und damit situationsallgemein ist. Es ist in seinem Status generisch und kann daher nicht einfach über Allsätze rekonstruiert werden, zumal es die (halb-)sortalen Gegenstände, über die man so quantifizieren möchte, nur auf der Grundlage arttypischer Konstitution gibt. D. h. es gibt solche Gegenstände nie unmittelbar; nie ohne (lokale) Definition dessen, was ihre Benennungen (Belegungen von Variablen), deren Gleichheiten (Gegenstandsidentitäten) und prädikativen Relationen sein sollen. Dass Hegel gerade an diese Probleme denkt, zeigt seine Rede von einem »wilden Wechsel« von Empfindungen als Zuständen in einem Objekt, nämlich je meinem Leib. Damit verweist er auf Kants Vorstellung von einer angeblich durch den Verstand zu ordnenden Mannigfaltigkeit von Impressionen oder Intuitionen – wie sie Hegel mit Recht als rein mythisch und mystisch ablehnt. Das Ich wird bei Kant wie in der Neurophysiologie zu einem Ding, dem Gehirn. Das ist eine durchaus böse Kritik, da Kantianer sich der Gefahr überhoben glauben, in diese Tradition Lockes und Humes und die Selbstüberschätzung moderner Hirnforschung und behavioraler Verhaltensforschung zu gehören. In folgendem Punkt allerdings stimmen Hegel und Kant überein: Aus der drittpersonalen Perspektive der Suche nach Verhaltensgesetzen kann man ›per definitionem‹ die
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Tatsache der Freiheit des Handelns und Urteilens nach Gründen nicht erfassen. In der gegenwärtigen Betrachtung steht nur das Ding-an-sich und die ihm zunächst äusserliche Reflexion gegenüber; diese hat sich noch nicht als Bewußtseyn bestimmt, wie auch das Ding-an-sich nicht als Ich. (332 | 151) Im Vorgri= auf die Begri=slogik (bzw. in Rückgri= auf die Phänomenologie des Geistes) lässt sich zur allgemeinen Orientierung schon jetzt sagen, in welchem Sinn das Ding-an-sich nun auch das Ich ist: Mein eigenes Dasein und der Vollzug unseres eigenen geistig mitbestimmten Lebens ist für uns absolut, und zwar so wie das ›ich bin‹ im Denken und Handeln, Wahrnehmen und Wissen. Kant selbst kommt diesem Gedanken nahe, lehnt aber Fichtes Präzisierung ab und verbleibt in seiner Trennung von empirischem und transzendentalem Subjekt in einer Version des cartesischen Dualismus, auch wenn er, formal ganz korrekt, das Ich, den Willen, als Instanz des spontanen und damit freien Handelns dem Reich des Dinges-an-sich, dem mundus intelligibilis, zuordnet. Indem er dieses aber als bloßen Bereich von noumenalen Denkgegenständen auffasst und seine ›Gegenstände‹ für ›unerkennbar‹ erklärt, sodass man nur an sie ›glauben‹ können, dürfen oder müssen soll, verdirbt er die ganze Analyse. Aus der Natur des Dinges-an-sich und der äusserlichen Reflexion hat sich ergeben, daß dieses Aeusserliche selbst sich zum Dingean-sich bestimmt, oder umgekehrt zur eigenen Bestimmung jenes ersten Dinges-an-sich wird. Das Wesentliche der Unzulänglichkeit des Standpunkts, auf dem jene Philosophie stehen bleibt, besteht nun darin, daß sie an dem abstracten | Dinge-an-sich als einer letzten Bestimmung fest hält und die Reflexion, oder die Bestimmtheit und Mannichfaltigkeit der Eigenschaften dem Dinge-an-sich gegenüber stellt, indem in der That das Ding-an-sich wesentlich jene äusserliche Reflexion an ihm selbst hat, und sich zu einem mit eigenen Bestimmungen, mit Eigenschaften begabten bestimmt, wodurch sich die Abstraction des Dinges, reines Ding-an-sich zu seyn, als eine unwahre Bestimmung erweist. (332 | 151 f.) Hegel fasst hier Hauptkritikpunkte an Kants Transzendentalem Idealismus in der Formel zusammen, dass Kant »an dem abstrakten
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Ding-an-sich als einer letzten Bestimmung festhält«. Dabei trennt er das Ding von seinen Eigenschaften bzw. Erscheinungen (Qualität) und erkennt nicht, dass es von uns gesetzte und an allgemeine Erfahrungen angepasste Grundbeziehungen sind, welche die Eigenschaften und Erscheinungen zu Eigenschaften und Erscheinungen des Dinges machen und im Übrigen das Ding in seiner (raumzeitlichen, damit immer lokalen) Bestimmtheit in Relationen zu anderen Dingen allererst begri=lich definieren, umgrenzen, und mit dispositionellen Wirkkräften als generische Partialbeschreibung globaler Veränderungsformen von Dingkonstellationen versehen. Unrichtig ist es also, vom Dingbegri= alle Eigenschaften wegzunehmen. Es bleibt dann gar nichts, ein reines Nichts, übrig. Gegenstände müssen immer etwas beibehalten, das sich im qualitativen Zugang zur Welt einigermaßen als stabil oder reproduzierbar zeigt.
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c. Die Wechselwirkung der Dinge. Das Ding-an-sich existirt wesentlich; die äusserliche Unmittelbarkeit und die Bestimmtheit gehört zu seinem Ansichseyn, oder zu seiner Reflexion-in-sich. Das Ding an-sich ist dadurch ein Ding, das Eigenschaften hat, und es sind dadurch mehrere Dinge, die nicht durch eine ihnen fremde Rüksicht, sondern sich durch sich selbst von einander unterscheiden. Diese mehrern verschiedenen Dinge stehen in wesentlicher Wechselwirkung durch ihre Eigenschaften; die Eigenschaft ist diese Wechselbeziehung selbst, und das Ding ist nichts ausser derselben; die gegenseitige Bestimmung, die Mitte der Dinge-an-sich, die als Extreme gleichgültig ¦ gegen diese ihre Beziehung bleiben sollten, ist selbst die mit sich identische Reflexion und das Ding-an-sich, das jene Extreme seyn sollten. Die Dingheit ist damit zur Form der unbestimmten Identität mit sich herabgesetzt, die ihre Wesentlichkeit nur in ihrer Eigenschaft hat. Wenn daher von einem Dinge oder von Dingen überhaupt ohne die bestimmte Eigenschaft die Rede ist, so ist ihr Unterschied ein bloß gleichgültiger, quantitativer. Dasselbe, was als ein Ding betrachtet wird, kann eben so sehr zu | mehrern Dingen gemacht, oder als mehrere Dinge betrachtet werden; es ist eine äusserliche Trennung oder Vereinigung. – (332 f. | 152 f.)
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Ein Ding existiert als Wesen. Seine Artbestimmung gehört zu seiner Existenz als Instanz der Art, die sich in äußeren Folgen oder Wirkungen zeigt. Vorausgesetzt ist eine Grundbeziehung, wie Erscheinungen mit ihrem Wesen verbunden sind. Allgemeines Wissen vermittelt diese Beziehung. Hegels schwieriger Titel dafür, dass all das im Dingbegri= enthalten ist, ist »Reflexion-in-sich«. Die Eigenschaften der Dinge sind die der je allgemeinen oder besonderen Dingart generisch zugeschriebenen dispositionellen Kräfte. Über bloß qualitative und damit relativ unmittelbare Unterscheidungen hier und jetzt klassifizieren wir die Dinge als Einzelfälle der je relevanten besonderen Art. Das heißt, die Eigenschaften sind immer artbestimmende Eigenschaften. Sie sind als solche dem Ding wesentlich, das ja in seiner Einzelheit durch viele verschiedene, wenn man will, immer feinere Besonderheiten bestimmbar sein mag. Ein Buch ist ein Ding, und jedes seiner Blätter ist auch ein Ding, und eben so jedes Stükchen seiner Blätter und so fort ins Unendliche. Die Bestimmtheit, wodurch ein Ding, nur dieses Ding ist, liegt allein in seinen Eigenschaften. Es unterscheidet sich durch sie von andern Dingen, weil die Eigenschaft die negative Reflexion und das Unterscheiden ist; das Ding hat daher nur in seiner Eigenschaft den Unterschied seiner von andern, an ihm selbst. Sie ist der in sich reflectirte Unterschied, wodurch das Ding in seinem Gesetztseyn, d. h. in seiner Beziehung auf anderes zugleich gleichgültig gegen das Andere und gegen seine Beziehung ist. Dem Dinge ohne seine Eigenschaften, bleibt deßwegen nichts als das abstracte An-sichseyn, ein unwesentlicher Umfang und äusserliches Zusammenfassen. (333 | 153) Hegels erstes Beispiel der Zerlegung von Dingen in Teile ist der Fall eines Buches und seiner Blätter. Auch die Blätter lassen sich teilen. Da ein Ding durch seine Eigenschaften bestimmt ist, also seine generischen dispositionellen Normalfallwirkungen unter gewissen Bedingungen, ist ein Teil eines Buchs kein Buch. Bücher unterscheiden sich voneinander, nicht von Spiralnebeln, Wolken oder Regenbögen oder auch von einem Hammer oder einer Nähmaschine. Die Vorstellung, es seien die Dinge und Sachen unabhängig von unseren Art- und Dispositionsbestimmungen an und für sich definiert, ist ebenso ab-
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wegig wie Kants Rede von einem jenseitigen Ding an sich. Hegel zeigt im Grunde nur die Naivität der Vorstellung, es ließe sich ein Begri= des Dings oder Körpers ohne jedes wirkliche Vorwissen über Arten von Dingen und deren dispositionelles Normalfallverhalten bestimmen. Er erkennt, dass entweder über gar nichts oder über nicht wohldefinierte Pseudogegenstände gesprochen wird, wo von allen Vermittlungen durch Realbestimmungen von Gattungen und Arten abstrahiert wird. Hegels Rede von einem reflektierten Unterschied meint eben diese Einheit von di=erentiellen Kriterien und mit den Gattungs- oder Artbenennungen oder Beschreibungen begri=lich verbunden Normalfallinferenzen oder Dispositionen. Nur durch einen solchen Unterschied ist ein Ding in seiner Art gesetzt, und zwar in (prozessualen) Relationen auf relevant andere Dinge. Jedes Ding ist dabei in einem gewissen Ausmaß »gleichgültig gegen das andere«, d. h. auch in seiner Identität durch eine gewisse Gleichwertigkeit seiner verschiedenen Aspekte und eine gewisse Selbständigkeit bestimmt, da es ohne relative Unabhängigkeit von seinen Beziehungen kein Gegenstand in den Relationen wäre. Andererseits ist kein (halb-)sortaler Gegenstand je unabhängig von den für ihn definierten (möglichen) Relationen zu relevanten anderen Gegenständen (auch Gegenstandsarten). Beides also wäre falsch: anzunehmen, dass die Gegenstände ohne Bezugnahme auf wesensbestimmende relationale Eigenschaften und das zugehörige Allgemeinwissen bestimmt seien, und anzunehmen, dass sie nur als formale Extreme solcher Relationen ohne jeden relativ unabhängigen Zugang bestimmt wären. Das wahrhafte Ansichseyn ist das Ansichseyn in seinem Gesetztseyn; dieses ist die Eigenschaft. (333 | 153) Das wahre Ansichsein einer Sache ist, wie ich fast schon zu oft gesagt habe, eine generische Bestimmung einer Sache, eine Eigenschaft, welche die allgemeine Gattung oder besondere Art der Gegenstände oder eines konkreten Gegenstandes charakterisiert – als proprium oder idion. Diese Eigenschaft ist Gesetztsein, begri=liche Artbestimmung, und zwar nicht bloß di=erentiell-klassifikatorisch, sondern auch inferentiell-dispositional. Damit ist die Dingheit in die Eigenschaft übergegangen. (333 | 153) Die Dingheit ist nach dieser Analyse durch Eigenschaften be-
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stimmt. Diese Eigenschaften sind wesensbestimmende di=erentielle Inferenzen. Als Dispositionen sind sie bedingte Inferenzen bzw. materialbegri=liche Schlussregeln der Art »Wenn Salz in Wasser gebracht wird, löst es sich bis zur Sättigung der Salzlösung«. Die Regel artikuliert eine (relationale) Eigenschaft von Salz. Andere werden z. B. durch chemische Molekülformeln artikuliert, z. B. NaCl für Kochsalz – wobei der Ausdruck gewisse Reaktionsmöglichkeiten schon anzeigt, da Natrium (Na) und Chlor (Cl) Bestandteile sind, deren Eigenschaften wiederum bestimmt sind durch ein Allgemeinwissen, das u. a. die Reaktionsmöglichkeiten mit anderen reinen chemischen Sto=en bzw. ›Atomen‹ artikuliert. Das Ding sollte sich als an-sich-seyendes Extrem gegen die Eigenschaft verhalten und diese die Mitte zwischen den in Beziehung stehenden Dingen ausmachen. Allein diese Beziehung ist das, worin die Dinge sich als die sich von sich selbst abstossende Reflexion begegnen, worin sie unterschieden und bezogen sind. Dieser ihr Unterschied und ihre Beziehung, ist Eine Reflexion und Eine Continuität derselben. Die Dinge selbst fallen hiemit nur in diese Continuität, welche die Eigenschaft ist, und verschwinden als bestehende Extreme, die ausser dieser Eigenschaft eine Existenz hätten. (333 | 153) Formal fasst man seit Aristoteles, nicht erst seit Frege, einen Gegenstand als eine Art Punkt auf, dem alle Eigenschaften oder Prädikate äußerlich sind, wie dem Punkt die Flächen (oder Räume), in denen er liegt. Die formale Auffassung ist aber mehr als trügerisch. Hegel spricht von einem ›an sich seienden Extrem‹, wobei das Wort ›Extrem‹ möglicherweise als Übersetzung von »Terminus« bzw. »horos« (in einer Gebrauchsweise dieses Wortes) zu lesen ist, deren Sinn einfach »das Ende« ist. In jedem Fall spielt der Ausdruck auf eine Darstellung einer (zweistelligen) Relation zwischen Extremen oder Termini in der Form a R b an. Die relationale Eigenschaft oder Beziehung R würde hier sogar augenscheinlich »die Mitte zwischen den in Beziehung stehenden Dingen ausmachen«. Die Eigenschaft, welche die Beziehung der selbstständigen Extreme ausmachen sollte, ist daher das | Selbstständige selbst. Die Dinge dagegen sind das Unwesentliche. Sie sind ein Wesentliches nur als die, als sich unterscheidend sich auf sich beziehende Reflexion; aber
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diß ist die Eigenschaft. Diese ist also nicht das im Dinge aufgehobene, oder sein blosses Moment; sondern das Ding ist in Wahrheit nur jener unwesentliche Umfang, der zwar negative Einheit ist, aber nur wie das Eins des Etwas, nemlich ein unmittelbares Eins. (333 | 153 f.) Hegel selbst erklärt, dass in gewissem Sinn die (relationalen, prozessualen, bedingt-inferentiellen, daher dispositionalen) Eigenschaften das Wesentliche der Dinge ausmachen. Die Dinge selbst – jedenfalls wenn man sie als punktförmige Aussage-Subjekte, als reine, formale Gegenstände, benannt durch den »Satzgegenstand« auffasst – sind bzw. erscheinen gegenüber ihren wesens- und identitätsbestimmenden Eigenschaften als unwesentlich. In der Tat sind es die (relevanten) Eigenschaften, die mich als leibliches Individuum, als performativen Akteur oder Subjekt meiner Handlungen oder als auf gewisse Rollen und Status eingeschränkte bzw. völlig allgemeine Person ›definieren‹. Je nach dieser Definition ›nennt‹ das Wort »ich« durchaus Verschiedenes – sodass die Logik des »ich« bis heute nicht in relativer Abhängigkeit von den zugehörigen wesentlichen Eigenschaften bzw. Identitätsbedingungen voll begri=en wird. Hegels Formel für die Bestimmung von Sinn und Bedeutung eines Gegenstandes – hier eines dinglichen Gegenstandes – durch die wesentlichen Eigenschaften, also basalen relationalen Prädikate im relevanten Gegenstandsbereich lautet: Ein Ding ist wesentlich nur »als sich unterscheidend sich auf sich beziehende Reflexion«. Das »Unwesentliche« des Dinges (Gegenstandes) besteht wohl darin, dass weder die bloße Deixis (das Zeigen von ›etwas‹) noch der nackte Name (das Äußern eines Wortes, von dem man annimmt, dass es etwas Einzelnes nennt) schon explizit macht oder explizit machen kann, was es ist, das gezeigt oder genannt ist. Was es ist, die Gegenstandsart (Gattung, Spezies, der besondere Typ) muss durch (wesentliche) Eigenschaften auf der reflexionslogischen Ebene von Wesensbestimmungen durch Eigenschaften explizit gemacht werden. Man sagt etwa: Mümmelmann ist ein Kaninchen, kein Hase. Flocke ist ein Hund, kein Mensch. Wenn vorhin das Ding als unwesentlicher Umfang insofern bestimmt wurde, als es durch eine äusserliche Abstraction, welche die Eigenschaft von demselben wegläßt, dazu gemacht werde, so ist nunmehr diese Abstraction durch das Uebergehen des Dings-
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an-sich in die Eigenschaft selbst geschehen, aber mit umgekehrtem Werthe, so ¦ daß wenn jenem Abstrahiren das abstracte Ding ohne seine Eigenschaft noch als das Wesentliche, die Eigenschaft aber als eine äusserliche Bestimmung vorschwebt, hier das Ding als solches sich durch sich selbst zu einer gleichgültigen äusserlichen Form der Eigenschaft bestimmt. – (333 f. | 154) Es ist o=enbar das Hin und Her zwischen Dingbenennung und Eigenschaftscharakterisierung nicht leicht zu verstehen. Ohne Dingbenennungen haben wir keinen Einzelbezug. Ohne relevante Eigenschaftsangaben fehlt die Explikation der relevanten Gattung, Art und der zugehörigen (möglichen) relationalen Eigenschaften – sodass man nicht weiß, wovon man redet, da ein nacktes, reines Zeigen und Nennen nichts zeigt und nennt. Die Unterscheidung zwischen ›äußerlichen‹ Prädikaten und ›inneren‹ (ding- bzw. gegenstandsbestimmenden) Eigenschaften lässt sich o=enbar nicht an der Sprachoberfläche ablesen. Sage ich, »Flocke ist ein Junge« (statt: »Flocke ist ein Hund«), erläutere ich den Namensbezug und spreche nicht über Flocke. Ich kann kaum über Flocke sprechen, solange unklar ist, ob Flocke ein Hund oder Mensch ist. Eine äußere, empirische Prädikation liegt vor, wenn ich etwa sage: »Schau, Flocke fängt gerade ein Kaninchen«, wenn der Satz nicht, was auch geschehen kann, in der Äußerung als Teil einer Kennzeichnung zu verstehen ist, etwa im Sinne von »Schau, der Hund/der Junge, der gerade ein Kaninchen fängt, ist/heißt Flocke.« Wieder ist es so, dass die (artbestimmenden) Eigenschaften, nicht der Name oder die Benennung, die Vermittlung zwischen (di=erentieller) Dingbestimmung und (inferentieller) Disposition (Kraft, Ursache) scha=en. Daher sind Eigenschaften, auch wenn es syntaktisch so scheint, nie dem Ding äußerlich – im Unterschied zu bloß akzidentellen, zufälligen, empirischen Prädikaten. Diese ist somit nunmehr befreyt von der unbestimmten und kraftlosen Verbindung, die das Eins des Dinges ist; sie ist das, was das Bestehen desselben ausmacht; eine selbstständige Materie. – Indem sie einfache Continuität mit sich ist, hat sie die Form zunächst nur als Verschiedenheit an ihr; es gibt daher mannichfaltige dergleichen selbstständige Materien und das Ding besteht aus ihnen. | (334 | 154)
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Ein Ding bloß als Eins, als Gegenstand einer nicht schon durch ihre Eigenschaften bestimmten allgemeinen Gattung oder besonderen Art, wäre nur erst »kraftlos«. Das heißt, es wäre gar nicht möglich, ihm Dispositionen und Wirkkräfte zuzuschreiben, zumal es als Ding gar nicht konkret bestimmt, sondern bloß variabel angedeutet wäre. Es wäre noch nicht einmal der Variablenbereich bestimmt. Ein Etwas kann z. B. ein Gerät sein oder ein Geräteteil oder ein Teilchen, das kaum zeitlich ausgedehnt existiert und als solches keinerlei Folge für das stabile Sein des Geräts hat. Es sind also die Systeme der prozessualen und relationalen Eigenschaften, die Strukturen, welche das konkrete Bestehen eines konkreten Dings an-und-für-sich ausmachen. Ein solches Ding ist aufgrund seiner bestimmenden Eigenschaften eine (relativ) »selbständige Materie«. Der Übergang zum Verhältnis von Ding und Materie ist als Vorgri= auf das Folgende zu lesen und nicht einfach als ›Ergebnis‹ der bisherigen Betrachtung. Es wird also ein (partiell neues) Thema aufgemacht, sodass der Übergang für den, der eine ›Begründung seiner Notwendigkeit‹ erwartet, etwas abrupt erscheinen mag. Das Thema der Kontinuität des Dinges war oben schon über seine Teilbarkeit angesprochen, die über die Variabilität der Dingbestimmungen noch einmal (implizit) aufgerufen wurde. Insofern ist der Übergang von der Analyse des Begri=es des Dings zur Analyse des Begri=s der Materie keineswegs willkürlich und in gewissem Sinn längst als ›notwendig‹ vorbereitet. Dass ein Ding aus Materien besteht, ist nur die Umkehrung der Aussage, dass es sich in dinglich-materielle Teile in vielfältiger Weise zerlegen lässt, wobei dann auch noch der Begri= der Sto=e und deren Aggregatzustände, also die Verwandlung in flüssige und gasförmige Zustände, hinzukommt – und natürlich die chemischen Reaktionen. Dabei ist der Übergang der Eigenschaften der Dinge in materielle Sto=e ein etwas anderer Übergang als der des Dinges in seine Teile.
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B. Das Bestehen des Dings aus Materien Der Uebergang der Eigenschaft in eine Materie oder in einen selbstständigen Sto= ist der bekannte Uebergang, den an der sinnlichen Materie die Chemie macht, indem sie die Eigenschaften der Farbe, des Geruchs, des Geschmaks u. s. f. als Lichtsto=, Färbesto=, Riechsto=, sauren, bittern u. s. f. Sto= darzustellen sucht oder andere wie den Wärmesto=, die elektrische, magnetische Materie geradezu nur annimmt, und damit die Eigenschaften in ihrer Wahrhaftigkeit zu handhaben überzeugt ist. – (334 | 155) Hegels Kommentierung der Chemie tri=t nur auf eine Frühform chemischer Analyse zu. Es ist zwar nach wie vor wahr, dass in der Chemie Geruch und Geschmack eine Rolle bei der Bestimmung der (gasförmigen bzw. flüssigen) Substanzen spielen können. Aber die allzu sinnennahe Definition von Riechsto=en, Geschmacksto=en etc. führt nicht zu einer chemischen, wissenschaftlichen Definition von Sto=en. Chemische Sto=e sind vielmehr als Invarianzen in chemischen Reaktionen definiert, also über Sto=äquivalenzen, nicht über Geruch, Geschmack, visuelle Optik usf. Was Hegel hier distanziert eine »Materie« nennt wie die ›elektrische, magnetische, saure, bittere‹ ist noch allzu sehr an der perzeptivischen Oberfläche des Daseins und nicht wesenslogisch und damit abstraktionstheoretisch konstituiert. Für eine Wissenschaft sind solche ›Materien‹ noch allzu oberflächlich. Eben so geläufig ist der Ausdruck, daß die Dinge aus verschiedenen Materien oder Sto=en bestehen. Man hütet sich, diese Materien oder Sto=e Dinge zu nennen; ob man wohl auch einräumen wird, daß z. B. ein Pigment, ein Ding ist; ich weiß aber nicht, ob z. B. auch der Lichtsto=, der Wärmesto=, oder die elektrische Materie u. s. f. Dinge genannt werden. Man unterscheidet die Dinge und ihre Bestandtheile, ohne genau anzugeben, ob diese und in [wie] weit sie auch Dinge, oder etwa nur Halbdinge seyen; aber Existirende überhaupt sind sie wenigstens. (334 | 155) Wenn man sagt, dass Dinge aus verschiedenen Materien oder Sto=en bestehen, unterscheidet man die Sto=äquivalenz etwa von Wasser, Wasserdampf und Eis und die Sto=di=erenz etwa von Tro-
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ckeneis und Wassereis oder das Eisen des Ei=elturms vom Plastik seiner Nachbildung. Obwohl man Teile von Dingen gern als Dinge auffasst, nennt man Sto=e oder Materien als mass terms nicht »Dinge«, da sie keine (halb-)sortalen Gegenstands- oder Individuenbereiche bilden, sondern nur mereologische Teil-Ganzes-Beziehungen zueinander haben. Hegel distanziert sich ganz o=enbar auf ironische Weise von Reden über einen Lichtsto=, Wärmesto= oder der elektrischen Materie. Dennoch bestehen körperliche Dinge wesentlich aus Teilen bzw. Bestandteilen, Sto=en und Materien. D. h., es ist durchaus immer möglich, jedes Ding als geformte Materie anzusehen und seine (ggf. lokal verteilten) Sto=e zu untersuchen. Daher kann man auch den Leib eines Menschen und alle Organismen chemisch untersuchen, samt den chemischen Reaktionen, die im Organismus ablaufen. Die Nothwendigkeit, von den Eigenschaften zu Materien überzugehen, oder daß die Eigenschaften in Wahrheit Materien sind, hat sich daraus ergeben, daß sie das Wesentliche und damit das wahrhaft Selbstständige der Dinge sind. – (334 | 155) Gerade als Teile bzw. Bestandteile sind die Materien und Sto=e das »wahrhaft Selbständige der Dinge« und nicht die zeitlich sich ändernden Formgestalten. Das drückt die Sprache dadurch aus, dass man das Wort »Substanz« gerade auch als chemische Substanz oder Sto= versteht. Warum aber sollten die wesentlichen Eigenschaften der Dinge »in Wahrheit Materien« sein? Warum sollten sie »das Wesentliche« der Dinge ausmachen? Ist das nicht gerade die problematische These des (›chemischen‹) »Materialismus«, dass alles im Wesentlichen Materie sei und die chemischen Prozesse die ›eigentlichen‹ Veränderungsprozesse der Dinge sind? Warum unterschreibt Hegel hier – scheinbar – diese Doktrin? – Ich denke, es geht nur darum, dass die Konkretheit der Dinge als geformte Körper wie Tische und Geräte, auch Lebewesen, durch ihre Materialität oder Sto=lichkeit bestimmt ist. Zugleich aber macht die Reflexion der Eigenschaft in sich nur die eine Seite der ganzen Reflexion | aus; nemlich das Aufheben des Unterschieds und die Continuität der Eigenschaft, die eine Existenz für anderes seyn sollte, mit sich selbst. Die Dingheit, als die negative Re-
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flexion in sich, und das sich von anderem abstossende Unterscheiden ist dadurch zu einem unwesentlichen Momente herabgesetzt; zugleich aber hat es sich damit weiter bestimmt. (334 | 155 f.) Die Reflexion »der Eigenschaft« – also der Eigenschaften – in sich ist nichts anderes als die Position des Dings im Dingsystem oder auch die Rolle, die es im Veränderungsprozess der Dingkonfigurationen spielt. Die Dingheit ist »negative Reflexion in sich« in eben diesem Sinn. Sie bedarf aber eines materiellen Trägers. Diß negative Moment hat sich erstens erhalten; denn die Eigenschaft ist nur insofern mit sich continuirlich und selbstständige Materie geworden, als sich der Unterschied der Dinge auf¦gehoben hat; die Continuität der Eigenschaft in das Andersseyn enthält also selbst das Moment des Negativen, und ihre Selbstständigkeit ist zugleich als diese negative Einheit das wiederhergestellte Etwas der Dingheit; die negative Selbstständigkeit gegen die positive des Stoffes. Zweytens ist hiedurch das Ding aus seiner Unbestimmtheit zur vollkommenen Bestimmtheit gediehen. (334 f. | 156) In der Materie, dem Sto=, hat sich der durch die Formen gegebene »Unterschied der Dinge aufgehoben« – da ja viele verschiedene Dinge sto=gleich sein können. Hegels idiosynkratische Rede vom »Moment des Negativen« meint auch hier nur dies, dass alle Bestimmungen, auch die der Sto=e, durch Kontrastierungen zu setzen sind. Die vollkommene Bestimmtheit des Dinges ist die Einheit von Materie und (Struktur-)Eigenschaft bzw. Form, die als solche durchaus kausal wirkt – über die Masse der Materie und die chemischen Reaktionen der Sto=e (nun ja, im flüssigen oder gasförmigen Zustand) hinaus. Feste Körper reagieren ja nicht sehr freudig oder schnell im chemischen Sinn miteinander. Als Ding an sich ist es die abstracte Identität, die einfach negative Existenz, oder sie bestimmt als das Unbestimmte; alsdann ist es bestimmt durch seine Eigenschaften, durch welche es sich von andern unterscheiden soll; aber indem es durch die Eigenschaft vielmehr continuirlich mit andern ist, so hebt sich dieser unvollkommene Unterschied auf; das Ding ist dadurch in sich zurükgegangen und nun bestimmt als bestimmt; es ist an sich bestimmt oder dieses Ding. – (335 | 156)
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»Ding an sich« ist jetzt nur Dingheit pur, ohne Artbestimmung und Individuierung. Ich halte hier Hegels Ausdrücke »abstrakte Identität« oder »einfach negative Existenz« nicht für wirklich glücklich. Die Rede davon, dass ein bzw. das Ding an sich bestimmt sei als das Unbestimmte, verweist wieder auf eine Variable, für die, wie oben schon gesagt, noch nicht einmal der Gegenstandsbereich der Variablenbelegung festgelegt ist. Das wäre die bessere Charakterisierung. Wenn die Art bestimmt ist, unterscheidet sich ein Ding durch seine artspezifischen Eigenschaften von Dingen anderer Art. Dabei bleiben Arten trotz aller Besonderheiten allgemein. Insofern wäre ein Ding an sich einer Art immer noch eine Variable, jetzt aber mit Artbestimmung. Zu einem konkreten Ding wird sie erst durch ihre materielle Substantiierung (hier und jetzt, zum Beispiel). Da Arten und Eigenschaften allgemein sind, bedarf es also des Materiellen, um die Selbständigkeit eines körperlichen Individuums in einem (semi-)sortalen Dingbereich zu erhalten. Es gibt keine freischwebenden Eigenschaften ohne Gegenstände – es sei denn, wir sprächen von Sto=eigenschaften, deren ›Gegenstände‹ mereologische Sto=teile sind. Aber drittens ist diese Rükkehr in sich zwar die sich auf sich beziehende Bestimmung; aber sie ist zugleich unwesentlich; das mit sich continuirliche Bestehen macht die selbstständige Materie aus, in welcher der Unterschied der Dinge, ihre an und für sich seyende Bestimmtheit aufgehoben und ein äusserliches ist. Das Ding als dieses ist also zwar vollkommene Bestimmtheit, aber es ist diß die Bestimmtheit im Elemente der Unwesentlichkeit. | (335 | 156) Dieses Ding ist bloß erst Gegenstand eines Zeigens, der Deixis, z. B. eines Kaninchens. Das »kontinuierliche Bestehen« als Organismus »macht die selbständige Materie« des lebenden Körpers des Kaninchens aus, gerade so wie im Fall des Leibes einer Person. Da nun aber im Fall des Leibes ganz o=enbar ein Sto=wechsel stattfindet, sieht es so aus, als wäre der Unterschied der Dinge, der Organismen, »ihre an und für sich seiende Bestimmtheit«, aufgehoben und bloß äußere Form ›der Materie‹. Man meint also, ein Organismus wäre bloß irgendwie konfigurierte Materie – sodass das Ding gegenüber dem scheinbar wesentlichen Sto=, seinen Teilen, als ganz unwesentlich erscheint. Das Ding – in unserem absichtlich schon hochkomplexen
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Beispiel: der Leib – ist zwar bei Tier und Mensch »vollkommene Bestimmtheit« – und das keineswegs akzidentell, bloß für andere Dinge und Wesen, sondern je für sich selbst. Aber aus der Sicht der sto=lichen Substanz erscheint sein Sein und seine Bestimmtheit »im Element der Unwesentlichkeit«. Ich habe hier in Hegels Text bewusst Distanzmarkierungen eingetragen, um zumindest davor zu warnen, ihm die Aussagen als Behauptungen zuzuschreiben und sie nicht bloß als mögliche bzw. relevante Überlegungen zu lesen, die dann modifiziert und damit aufgehoben, partiell zurückgewiesen, werden können. Diß von Seite der Bewegung der Eigenschaft aus betrachtet, ergibt sich so. Die Eigenschaft ist nicht nur äusserliche Bestimmung, sondern an sich seyende Existenz. Diese Einheit der Aeusserlichkeit und Wesentlichkeit stößt sich, weil sie die Reflexion-in-sich und die Reflexion in anderes enthält, von sich selbst ab, und ist einerseits die Bestimmung als einfaches sich identisch auf sich beziehendes Selbstständiges, in welchem die negative Einheit, das Eins des Dinges ein aufgehobenes ist; – andererseits diese Bestimmung gegen Anderes, aber ebenfalls als in sich reflectirtes an sich bestimmtes Eins; die Materien also, und dieses Ding. Diß sind die zwey Momente der mit sich identischen Aeusserlichkeit, oder der in sich reflectirten Eigenschaft. – (335 | 157) Die Rede von der »Bewegung der Eigenschaft« ist erstens klarerweise metaphorisch, zweitens eher unglücklich. Es handelt sich um eine verkürzte Ausdrucksweise über die »dialektische Bewegung« des Nachdenkens über den Begri= der Eigenschaft. Zunächst erschien eine Eigenschaft als von uns den Dingen zugeschrieben, z. B. als in die Dinge gelegte Disposition. Dann sprechen wir davon, dass solche Eigenschaften als »in sich reflektiert« dem Ding selbst zukommen, also nicht bloß zugeschrieben sind, so wie wir dazwischen unterscheiden, ob einer (wirklich) eine Absicht hat (oder hatte) oder ob ihm diese nur von anderen (oder von sich selbst) zugeschrieben wird oder wurde. Die Unterscheidung mag schwierig zu kontrollieren sein, aber wir kennen sie und wissen, wie mit ihr umzugehen ist. Es ist ein törichter Glaube, alle Unterscheidungen müssten unmittelbar so klar und deutlich sein, dass sie ein Kleinkind direkt lernen und
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kontrollieren kann. Viele Unterscheidungen setzen enormes Wissen und Erfahrung voraus. Die Eigenschaft als Existenz an sich ist also ›mehr‹ als bloß ›äußerliche Bestimmung‹. Wassersto= reagiert an sich mit Sauersto=. Die Disposition wird ihm nicht bloß von uns zugeschrieben. Dasselbe gilt für die ›Lebenskraft‹ der Organismen, Tiere und Menschen. Sie existiert (als Psyche, Seele) so wirklich wie die obigen Eigenschaften. Ihre Existenz zeigt sich im Leben. Eben darin besteht die »Einheit der Äußerlichkeit und Wesentlichkeit«, von welcher Hegel spricht. Die »Reflexion in Anderes« zeigt sich in den Wirkungen, Erscheinungen, im Verhalten. Der sogenannte Behaviorismus ist am Ende eine Art sprachlicher Ikonoklasmus: Er will auf alle wesenslogischen Ausdrucksformen zugunsten der angeblich einzig realen Sprache der äußeren Beschreibung des bloßen Verhaltens der Sachen in ihren relativen Bewegungen zueinander verzichten. Das ist nicht als großes Ziel absoluter Objektivität zu verstehen, sondern als verwirrte Re-Animalisierung des eigenen Verhaltens. Es gibt keine rein empirisch-behaviorale Sprache. Jede Sprache, jeder Begri=, jede lernbare artikulierte Unterscheidung setzt wesenslogische Reflexionen, dispositionell dichte Inferenzen, damit ein Allgemeinwissen voraus, das sich nicht rein behavioristisch voll verstehen lässt. Die Eigenschaft war das, wodurch sich die Dinge unterscheiden sollten; indem sie sich von dieser ihrer negativen Seite, einem andern zu inhäriren, befreyt hat, so ist damit auch das Ding von seinem Bestimmtseyn durch andere Dinge befreyt worden, und aus der Beziehung auf anderes, in sich zurükgegangen; aber es ist zugleich nur das sich anderes gewordene Ding-an-sich; weil die mannichfaltigen Eigenschaften ihrerseits selbstständig, hierin also ihre negative Beziehung in dem Eins des Dinges nur eine aufgehobene geworden ist; es ist darum die mit sich identische Negation nur gegen die positive Continuität des Sto=es. (335 | 157) Die Eigenschaft, das proprium, sollte nicht als bloßes Merkmal für uns zur Unterscheidung angesehen werden, sondern wir selbst ›befreien‹ die Eigenschaft von dieser Bindung an uns und verstehen die Eigenschaft als dem Ding selbst inhärierend. Das geschieht dadurch,
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dass die Eigenschaft als Kraft oder Disposition in allgemeiner Weise auf verschiedene andere Dinge bzw. uns ›wirkt‹, wir also die Variationen der Wirkungen je nach Konstellation sozusagen zu einer Einheit zusammenbinden. Das findet seinen Ausdruck darin, dass wir sagen, dass das Ding D die Eigenschaft E wirklich hat, sie ihm wesentlich zukommt. Damit wird das Ding relativ unabhängig (›befreit‹) von seinen je bloß relativen Beziehungen (hier und jetzt) zu anderen Dingen. Die variablen Wirkungen werden sozusagen von Konstellationen mit anderen Dingen als Bedingungen abhängig gemacht, wie das eben bei Dispositionen oder bedingten Inferenzen der Fall ist. Das drückt Hegel metaphorisch so aus, dass das Ding in seinen Eigenschaften »aus der Beziehung auf Anderes in sich zurückgegangen« ist. Die »mannigfaltigen Eigenschaften« werden aber als dispositionelle Wirksamkeit unter bestimmten Bedingungen im Ding nur je lokal ›aufgehoben‹. Das Ding ist eine »gegen die positive Kontinuität des Sto=es« »mit sich identische Negation«, indem seine Identität durch die sich einige Zeit erhaltene Typik (Gattung, Art) des gesamten (geformten, strukturierten) Dings in seinen funktionalen (dispositionalen) Eigenschaften bestimmt ist. Man denke einfach wieder an den Selbsterhalt eines lebenden Leibes durch Sto=wechsel – wobei die Lebensform des Menschen, Tieres oder Organismus bestimmt, wie sich die Eigenschaften erhalten bzw. entwickeln. Das Diese macht also so die vollkommene Bestimmtheit des Dinges aus, daß sie zugleich eine äusserliche ist. Das Ding besteht aus selbstständigen Materien, die gegen ihre Beziehung im Dinge gleichgültig sind. Diese Beziehung ist daher nur eine unwesentliche Verknüpfung derselben, und der Unterschied eines Dinges von andern beruht darauf, ob mehrere der besondern Materien und in welcher Menge sie sich in ihm be|finden. Sie gehen über dieses Ding hinaus, continuiren sich in andere, und diesem Dinge anzugehören, ist keine Schranke derselben. Eben so wenig sind sie ferner eine Beschränkung für einander, weil ihre negative Beziehung nur das kraftlose Diese ist. Sie heben sich daher, indem sie in ihm verbunden werden, nicht auf; sie sind als Selbstständige undurchdringlich für einander; beziehen sich in ihrer Bestimmtheit nur auf sich, und sind
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eine gegen einander gleichgültige Mannichfaltigkeit des Bestehens; sie sind nur einer quantitativen Grenze fähig. – (335 f. | 157 f.) Man meint, ein Einzelding voll durch eine Bezugnahme der Art »dieses Ding« oder meinetwegen auch »dieses Kaninchen« bestimmen zu können. Bei den Eigenschaften oder Ereignissen ist das sicher schwieriger. Auf welche Eigenschaft soll »diese Eigenschaft« verweisen? Und auf welches Ereignis »dieses Ereignis«? Es hilft noch nicht einmal, wenn man den Eigenschaftstyp als »physikalisch« oder »chemisch« einzuschränken versucht oder den Ereignistyp über Arten wie »wetterbezogen« oder »politisch« grob charakterisiert. Ohne die Nennung der Eigenschaft der Gravitationskraft (proportional zur Masse) oder des Ereignisses, dass es gerade regnet, ist keine Eigenschaft bzw. kein Ereignis, noch nicht einmal der Gattung oder besonderen Art nach, bestimmt. Analoges gilt zunächst auch für »Gegenstand« und »Ding«. Erst wenn wir die besondere Ding-Art und ihre (halb-)sortalen Individuierungsbedingungen kennen (wie z. B. wenn wir wissen, dass von Kaninchen oder Schmetterlingen in ihrem gesamten Lebenszyklus die Rede ist), kann die Bezugnahme in der Deixis unter Begleitung der Äußerung »dieses Kaninchen da« oder »dieser Schmetterling« ein eindeutiges Ding herausgreifen. Dabei ist die materielle Dingheit zentral. Es ist dazu z. B. zu unterscheiden zwischen chemischen Sto=en, die überall auf der Erde verteilt vorkommen können, Gestalten oder auch Eigenschaften bzw. Qualitäten, die es ebenfalls an vielen Orten geben kann und die daher nicht wie Dinge als eine Zeit lang lokalisierbare einzelne Gegenstände aufgefasst werden können usf. Die Sto=e oder Materien, aus denen ein Ding besteht, sind als Sto=e oder Materie unabhängig vom Ding bestimmt, nämlich als Teil der Sto=art – so wie Salz oder Wasser. In diesem Sinn sind Sto=e gleichgültig gegen die Körper, in denen sie vorkommen: Die Sto=äquivalenz ist Dingtranszendent. Es ist nicht leicht, Hegels Satz zu entschlüsseln. Aber so gelesen leuchtet er ein und ist absolut richtig. Dinge unterscheiden sich auch danach, ›wie viel‹ an Materie sie ›enthalten‹, aber auch danach, wie sich die Sto=e im Ding strukturell verteilen und in welchen prozessualen Relationen sie zueinander stehen, wie etwa in einem Organismus mit seiner ›Außenhaut‹, seinem
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Innern, seinem Sto=wechsel usf. Im Sto=wechsel, auch schon in der Di=usion, verändern sich Dinge und bleiben doch auch (eine Zeit lang) gleich, mit sich identisch, aus diversen Perspektiven identifizierbar und lokalisierbar. Dass es für einen Sto= keine Schranke ist, »diesem Ding anzugehören«, ergibt sich daraus, dass Sto=e je nur mereologische Teile der Gesamtmasse des Körpers sind. Es ist das Salz oder Wasser in meinem Blut in gewissem Sinn ›dasselbe‹ Salz oder Wasser wie das im Meer. Hegels Rede von einem »kraftlosen Dieses« führt aber auch hier zurück zur Bedeutung der Artbestimmung. Ein di=uses »Dies da« in der Luft oder im Wasser, ohne klare Bezugnahme auf bestimmte Sachen, hat noch gar keinen Bezug. Warum aber sollen die Materien in den Dingen »undurchdringlich füreinander« und »nur einer quantitativen Grenze fähig« sein? Wieder kann man nur raten, woran Hegel hier denkt. Möglicherweise will er nur sagen, dass feste Körper sich voneinander unterscheiden aufgrund ihres Zusammenhalts (Attraktion) und der Repulsion (dem Abstoßen) anderer Dinge – indem sie sozusagen ihren Raum gegen andere Dinge ›verteidigen‹. In einem Volumen kann es dagegen viele der Art nach verschiedene Sto=e geben, aber nur so viele, wie im Körper nebeneinander Platz haben. Außerdem sind diese Sto=e nicht unmittelbar über die Sinnesqualitäten definiert, über welche wir die Dinge unterscheiden. Hegel polemisiert dabei gegen eine uns inzwischen ganz fremde Vorstellung, es könne so etwas wie eigene Riechsto=e oder elektrische Materien und dergleichen geben. Logisch bedeutet das, dass die Gleichheit von Qualitäten und Gestalt-Äquivalenzen von ganz anderem Typ sind als die Sto=gleichheit, und dass Dinge holistisch zusammen mit ihrer Umgebung typische qualitative Wahrnehmungen bedingen. Das Ding als dieses ist diese ihre bloß quantitative Beziehung, eine blosse Sammlung, das Auch derselben. Es besteht aus irgend einem Quantum von einem Sto=e, auch aus dem eines andern, auch andern; diesen Zusammenhang, keinen Zusammenhang zu haben, macht allein das Ding aus. (336 | 158) Das Ding als Dieses, ohne Artbestimmung, wäre nur wie bei Hume irgendein Bündel von Qualitäten oder, in der ›Verbesserung‹ durch die Vorstellung qualitativ definierter ›Materien‹, ein Haufen oder Konglo-
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merat solcher ›Sto=e‹. Als Konglomerat hätte es noch keine stabilen Eigenschaften, keinen besonderen Zusammenhang. Um die Rede über Dinge zu konkretisieren, müssen wir ihre Art bestimmen, also sagen, dass wir über Tiere, Berge oder meinetwegen auch Atome und Moleküle sprechen.
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Dieses Ding, wie es sich bestimmt hat, als der bloß quantitative Zusammenhang der freyen Sto=e, ist das schlechthin veränderliche. Seine Veränderung besteht darin, daß eine oder mehrere Materien aus der Sammlung ausgeschieden oder zu diesem Auch hinzugefügt werden, oder daß ihr Mengenverhältniß zu einander verändert wird. Das Entstehen und Vergehen dieses Dings ist die äusserliche Auflösung solcher äusserlichen Verbindung, oder die Verbindung solcher, denen es gleichgültig ist verbunden zu seyn oder nicht. Die Sto=e | circuliren aus diesem Dinge unaufgehalten hinaus oder herein; es selbst ist die absolute Porosität ohne eigenes Maaß oder Form. (336 | 158 f.) Hegel will hier zeigen, dass die Vorstellung, Dinge seien Bündel von Qualitäten oder auch Haufen von qualitativ unmittelbar definierten Sto=en sich auflöst. Den Titel »Auch« hatte Hegel eingeführt, um die Einheit von Verschiedenem auszudrücken. Ein Organismus enthält Wasser – aber auch viele andere Sto=e. Unsere Lesart wird bestätigt dadurch, dass Hegel vom Entstehen und Vergehen von (geformten, strukturierten, in ihrer Art relativ stabilen) Dingen spricht und von ›äußerlichen‹ Verbindungen und Auflösungen der ›sto=lichen‹ Einheit. Im Unterschied zu einem Lebewesen haben nichtlebende Dinge keine eigene sich selbst erhaltende Kontrolle des Sto=wechsels. Sie sind nur Teildinge in einem rein physikalisch-chemischen Gesamtprozess: Die Sto=e »zirkulieren« aus dieser Art von ›toten‹ Dingen »unaufgehalten hinaus und herein«, so wie Wasser im Kalkstein. Wenn man nun mit der Vorstellung von Dingen als Haufen qualitativer Sto=en operiert, ergibt sich, dass die nichtlebenden physischen Dinge sozusagen als »absolut porös«, »ohne eigenes Maß« oder
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eigene Formbildungskraft dastehen, wenn man von Prozessen wie der Kristallisation einmal absieht. So ist das Ding in seiner absoluten Bestimmtheit, wodurch es dieses ist, das schlechthin auflösbare. Diese Auflösung ist ein äusserliches Bestimmtwerden, so wie auch das Seyn desselben; aber seine Auflösung und die Aeusserlichkeit seines Seyns ist das Wesentliche dieses Seyns; es ist nur das Auch; es besteht nur in dieser Aeusserlichkeit. (336 | 159) Ein Ding als solches wäre »schlechthin auflösbar«, wenn es nur durch seine Qualitäten als Wirkung auf uns bestimmt wäre. Es verlöre alle Substanz. Ein eigentliches Individuum wie die höheren Lebewesen ist es ohnehin nicht. Dabei ist es sogar wahr, dass seine Artbestimmung äußerlich ist. Damit ist auch das Entstehen oder Vergehen eines Körpers, der wie ein Stuhl durch seine Gestalt und Brauchbarkeit definiert ist, rein äußerlich, nicht durch das Ding selbst bestimmt. Dennoch gibt es auch für Körper einen Gesamtprozess sto=licher Reaktionen, der physikalischen Di=usion und Attraktion usf. Diese physikalisch-chemischen Prozesse machen das wesentliche Sein der toten Dinge aus. Sie sind ein Teil des »Auch«, also eine Art Sammlung von Materien und der sich aus diesen und ihren Anordnungen ergebenden (dispositionellen) Eigenschaften. Aber es besteht auch aus seinen Materien, und nicht nur das abstracte Dieses als solches, sondern das ganze diese Ding ist die Auflösung seiner selbst. Das Ding ist nemlich bestimmt als eine äusserliche Sammlung selbstständiger Materien; diese Materien sind nicht Dinge, sie haben nicht die negative Selbstständigkeit; sondern sind die Eigenschaften als das Selbstständige, nemlich das Bestimmtseyn, das als solches in sich reflectirt ist. (336 | 159) Dass ein Ding nicht ein abstraktes, d. h. bloß erst wie eine Variable zu lesendes »Dieses« ist, haben wir schon gesehen. Es besteht »auch aus seinen Materien«, sonst ist es nicht bestimmt. Dabei ist durchaus auf die chemischen Sto=e und ihre Konfiguration Bezug genommen. »Selbständig« sind die »Materien« nur als ein Bestimmtsein durch uns, »das als solches in sich reflektiert ist«, indem wir den Dingen und ihren Materien die Ursache der Wirkungen auf uns zuschreiben, durch welche wir sie unterscheiden.
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Die Materien sind daher zwar einfach und beziehen sich nur auf sich selbst; aber ihr Inhalt ist eine Bestimmtheit; die Reflexion-insich ist nur die Form dieses Inhalts, der nicht als ¦ solcher in sich reflectirt ist, sondern nach seiner Bestimmtheit sich auf anderes bezieht. Das Ding ist daher nicht nur das Auch derselben, – die Beziehung derselben als gegen einander gleichgültiger, sondern eben so sehr ihre negative Beziehung; – um ihrer Bestimmtheit sind die Materien selbst, diese ihre negative Reflexion; welche die Punctualität des Dinges ist. (336 f. | 159) Die »Materien« als »Ursachen« der Empfindungsqualitäten scheinen zunächst voneinander unabhängig zu sein, zugleich aber als Materien oder Qualitäten desselben Dings – das der Form nach in der Sprache »sortal« oder »punktförmig« als »Träger« seiner Eigenschaften angesprochen wird. – Offenbar versucht Hegel unter dem Titel »Materien« terminologisch zu unterscheiden zwischen chemischen Stoffen einerseits, den so genannten qualitativen Materien andererseits als den vermeintlich unmittelbaren Ursachen für qualitative Unterscheidbarkeiten ›durch uns‹. Die »Reflexion-in-sich«, mit der wir ›materielle Ursachen‹ qualitativer Wirkungen ansprechen, ist aber nur hypostasiere Form des qualitativen Inhalts. Der Inhalt selbst wäre hier bloß erst durch unsere sinnlichen Unterscheidungen bestimmt, sodass die Relativität, die begriffliche Abhängigkeit in der ›Definition‹ der qualitativen Materie von unseren verschiedenen Sinnen bestehen bliebe. Dass das Ding das »Auch« derartiger Materien in ihren qualitativen Wirkungen sei, bedeutete also einfach, dass z. B. eine Seife sowohl so und so (ggf. gut) riecht als auch (abscheulich) schmeckt, sich relativ leicht im Wasser löst und dabei Schmutz abwaschen hilft. Dass das Ding eine ›negative‹ Beziehung zu diesen ›Materien‹ als verdinglichten Qualitäten hat, bedeutet, dass wir es formal als eine Einheit betrachten, an der oder in der diese ›Materien‹ im metaphorischen Sinn ›haften‹ – der Geruch, der Geschmack, das Ertastbare im trockenen und feuchten Zustand etc. Die »Punktualität des Dinges« wäre dabei die bloße Form der Einheit des Dinges auf der Grundlage seiner Identifikation durch uns. Die eine Materie ist nicht, was die andere ist, nach der Bestimmtheit ihres Inhalts gegen einander; und die eine ist nicht, insofern die andere ist, nach ihrer Selbstständigkeit. (337 | 151)
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Im Fall der chemischen Sto=e gibt es ›objektive‹ Definitionen der Sto=arten, im Fall der ›qualitativen Materien‹ oder ›sinnlich wirksamen Sto=e‹ gerade nicht. Diese bleiben relativ zu unseren Unterscheidungen von Sinnesqualitäten. Das Ding ist daher so die Beziehung der Materien, aus denen es besteht, auf einander, daß in ihm | die eine und die andere auch bestehen, aber daß darin zugleich die eine nicht besteht, insofern die andere besteht. Insofern also die eine Materie in dem Dinge ist, so ist die andere dadurch aufgehoben; aber das Ding ist zugleich das Auch, oder das Bestehen der andern. (337 | 159 f.) Im Fall von Farbe, Geruch, Geschmack und den Tastqualitäten sind die Gegensätze je in den Dimensionen definiert. Konträr und kontradiktorisch sind das Rote und Blaue bzw. Rote und Nicht-Rote, der Geruch nach Lavendel und der nach Rosen oder der Geschmack nach Seife oder nach Rindssuppe. Wir werden daher zu unterscheiden haben zwischen begri=lichen Ausschlussregeln der Art »Was die (materialbedingte) Sinnesqualität A hat, hat die (materialbedingte) Sinnesqualität B nicht« und einer modalen Möglichkeitsregel der Art »Was so grau aussieht wie gekochtes Rind- oder Hammelfleisch, kann gutschmeckend sein und doch für manchen prima facie nicht überzeugend riechen«. In dem Bestehen der einen Materie besteht daher die andere nicht, und eben so sehr besteht sie auch in der erstem; und so gegenseitig alle diese verschiedenen Materien. Indem also in derselben Rüksicht, als die eine besteht, auch die andern bestehen, welches Eine Bestehen derselben die Punktualität oder negative Einheit des Dings ist, so durchdringen sie sich schlechthin; und indem das Ding zugleich nur das Auch derselben, und die Materien in ihre Bestimmtheit reflectirt sind, so sind sie gleichgültig gegen einander, und berühren sich in ihrer Durchdringung nicht. (337 | 160) Das »Bestehen der einen Materie« schließt also andere aus und kann doch zugleich mit anderen bestehen – wobei, da es sich um ein Ding handeln soll, die zugleich bestehenden ›Materien‹ (sinnlich wirksamen Sto=e) sich irgendwie ›durchdringen‹, wie es jedenfalls scheint, wenn wir sie als verschiedene Sto=e oder Materien in die Dinge lesen wollen.
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Die Materien sind daher wesentlich porös, so daß die eine besteht in den Poren oder in dem Nichtbestehen der andern; aber diese andern sind selbst porös; in ihren Poren oder ihrem Nichtbestehen besteht auch die erste, und alle die übrigen; ihr Bestehen ist zugleich ihr Aufgehobenseyn, und das Bestehen von andern; und diß Bestehen der andern ist eben so sehr dieser ihr Aufgehobenseyn und das Bestehen der erstern und auf gleiche Weise aller andern. (337 | 160) Hegel amüsiert sich nun über die Vorstellung, die Möglichkeit des Auch von Riechsto= und Sehsto= läge daran, dass sie sich in den Poren der Dinge befänden. Man stellt sich dabei ein Ding als Gemisch aus festem Sto= (wie Käse) und gasförmiger Materie (wie Geruchssto=en) vor. Das Ding ist daher die sich widersprechende Vermittlung des selbstständigen Bestehens mit sich durch sein Gegentheil, nemlich durch seine Negation, oder einer selbstständigen Materie durch das Bestehen und Nichtbestehen einer andern. – (337 | 160) Warum aber soll ein solches Ding »sich widersprechende Vermittlung des selbständigen Bestehens mit sich durch sein Gegenteil« sein? Können verschiedene Materien nicht zusammen bestehen, und wenn zur Not auch lokal getrennt in einem räumlich ausgedehnten Körper mit Teilen und Poren? Die Existenz hat in diesem Dinge ihre Vollständigkeit erreicht, nemlich in Einem an sich seyendes Seyn oder selbstständiges Bestehen, und unwesentliche Existenz zu seyn; die Wahrheit der Existenz ist daher, ihr Ansichseyn in der Unwesentlichkeit, oder ihr Bestehen in einem andern und zwar dem absolut andern, oder zu ihrer Grundlage ihre | Nichtigkeit zu haben. Sie ist daher Erscheinung. (337 | 160 f.) Dem schwer verständlichen Übergang zum Begri= der Erscheinung liegt o=enbar folgender Gedanke zugrunde: Wir müssen zwischen dem Wesen als der Seinsform eines Dinges mit seinen echten sto=lichen Materien für sich und seinen qualitativen Erscheinungen bei uns unterscheiden – und die halbgaren Vorstellungen des Empirismus von qualitativen Materien hinter uns lassen. Die zu kommentierende Passage ist schon ein kurz gefasster Vorgri= auf die begri=liche Platzierung der Rede von einer Erscheinung. In meiner Kommentierung
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habe ich übrigens anders als Hegel, das Wort »Erscheinung« bisher nicht vermieden, obwohl es erst jetzt als Thema eingeführt wird. Die Existenz im Sinne des Herausstehens des Dings in unsere qualitativ gegliederte Erfahrungswelt ist jetzt voll entwickelt: Wir sprechen vom Ding (als Körper) in der Form, dass es als (halb-)sortaler Gegenstand eine Einheit (mit Identität) bildet, ein an sich seiendes Sein hat oder haben soll, also ein Gegenstand einer bestimmten Wesensart ist, mit einem selbständigen Bestehen, das (relativ) unabhängig ist von unserem je subjektiven und perspektivischen Zugri= auf das Ding als einem objektiven Gegenstand in der Welt. Nur als Erscheinung aufgefasst, hätte das Ding bloß erst eine »unwesentliche Existenz« im Sinne eines Bündels seiner Wahrnehmbarkeiten. Damit sehen wir Hegels Widerspruch oder Einspruch gegen eine empiristische Auffassung des Dinges bloß als Menge seiner qualitativen (sinnlichen) Materien, als Bündel von Wahrnehmbarkeiten. Recht verstanden ist die Rede von der Existenz also erst dann, wenn wir den Gegensatz von Wesen und Erscheinung ernst nehmen. Das heißt, man muss die Art des Gegenstandes in seinem An-und-für-sichSein schon kennen, um aus der ›Unwesentlichkeit‹ des Wahrnehmens heraus das Wesen (die Artform) zu bestimmen und die wahrgenommenen Qualitäten als materiell vom Ding bewirkt begreifen zu können. Das aber heißt, dass das Bestehen des Dinges immer noch von uns her ausgesagt und festgestellt wird, wir aber von bloß oberflächlichen Relationen des Dinges bloß auf mich oder dich in besonderen Wahrnehmungssituationen abstrahieren. In dieser Abstraktion und den mit ihr verbundenen systematischen Perspektivenwechseln (der Kovarianz qualitativer Erscheinungen) konstituieren wir die objektive Identität und die wirklichen Eigenschaften des Dinges. Die impliziten Voraussetzungen unserer personalen Fähigkeiten, sinnliche Unterscheidungen auf Gegenstände zu beziehen, bleiben in jedem objektiven Gegenstands- und Dingbezug erhalten und für dessen Verständnis fundamental. Allerdings müssen wir dann auch verstehen lernen, wie wir zwischen bloßen Zuschreibungen von Eigenschaften und dem Haben von Eigenschaften der Dinge unterscheiden, ferner zwischen unserem Zugang zu den Dingen und deren von diesem Zugang relativ unabhängigen Sein für sich, sodass es am Ende
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keine mystische Aussage mehr ist, dass es viele Dinge gegeben hat, bevor wir Menschen Zugang zu ihnen etwa über ihre Spätwirkungen heute haben konnten. Hegel selbst sagt, dass das Ansichsein der Existenz eines Dinges »in der Unwesentlichkeit« liegt, da bei ihm die Existenz das Sein bedeutet, wie es uns erscheint und wie wir die Arten der Sachen und ihre Normalfallwirkungen bestimmt haben. Damit hält Hegel fest, dass, wenn es um die Bestimmungen der Sachen und Dinge geht, man gar nicht von unserem Weltbezug abstrahieren kann. Hegel analysiert also den Begri= des Scheins hier nicht generell so, dass wir erst dann davon sprechen können, dass etwas so zu sein scheint, wenn wir schon wissen, dass es nicht so ist. Sondern mancher Schein ist völlig real und weist über sein Verständnis als Erscheinung auf das Wesen des Dings für sich (und für uns) hin. Es ist eine spezielle Redeform, wenn der Schein bloß als nichts und nichtig aufgefasst wird, also als völlige Verneinung des »ist« oder »Sein«, nämlich wenn etwas ganz anders ist, als es zu sein scheint (videtur), statt so, dass es normalerweise so erscheint (lucet).
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Anmerkung Es ist eine der geläu;gsten Bestimmungen des Vorstellens, daß ein Ding aus vielen selbstständigen Materien bestehe. Einerseits wird das Ding betrachtet, daß es Eigenschaften habe, deren Bestehen das Ding ist. Anderer¦seits aber werden diese verschiedenen Bestimmungen als Materien genommen, deren Bestehen nicht das Ding ist, sondern umgekehrt besteht das Ding aus ihnen; es selbst ist nur ihre äusserliche Verbindung und quantitative Grenze. (337 f. | 161) Die Anmerkung kommt noch einmal auf die Vorstellung zurück, dass ein Ding aus vielen – z. B. unmittelbar qualitativ wirksamen – Materien bestehe. Es geht darum, den Unterschied zwischen der sto=lichen Zusammensetzung eines Dings und der Tatsache zu begreifen, dass jedes Ding als Ganzes charakteristische dispositionell wirkende Eigenschaften hat. Diese lassen sich nur manchmal auf die verschiedenen Materien verteilen – wie z. B. die Geruchssto=e in der Seife, deren cremige Konsistenz mit Wasser- und Fetteinlagerungen in Poren durchaus zusammenhängt. – Das Ding soll aber
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einer falschen, radikal empiristischen und gewissermaßen konstruktivistischen Theorie zufolge nur eine »äußerliche Verbindung« oder »quantitative Grenze« eines Haufens qualitativer Materien sein. In einem solchen Fall gäbe es kein Wesen des Dings an und für sich. Diese ›Theorie‹ ist für den allgemeinen Fall völlig untauglich, ja in sich widersprüchlich. Wir wollen ja verstehen, wie das Ding kausal auf uns wirken kann. Beydes, die Eigenschaften und die Materien sind dieselben Inhaltsbestimmungen, nur daß sie dort Momente, in ihre negative Einheit als in eine von ihnen selbst unterschiedene Grundlage, die Dingheit, reflectirte sind, hier selbstständige verschiedene, deren jedes in seine eigene Einheit mit sich reflectirt ist. (338 | 161) Inhaltlich gesehen sind nun aber (merkmalartige, charakteristische) Eigenschaften der Dinge und (auf die Sinne wirkende) Materien (im speziellen Sinn Hegels) dasselbe, stammen aus denselben Unterscheidungsformen, nur dass die Zuschreibung von Eigenschaften des Dinges die Dingheit abstrakt voraussetzt, während in der (doppeldeutigen) Rede von den Materien, aus welchen das Ding bestehen soll, auf die Sinne wirkende Kräfte gewissermaßen auf Sto=e und BestandTeile der Materie verteilt werden – ggf. auch auf ihre äußere Form (wie im Fall der Lichtbrechung und Sehgestalt). Die Doppeldeutigkeit des Sto=- oder Materiebegri=s besteht darin, dass man ihn einerseits zu eng mit unseren sinnlichen Unterscheidungen zusammenhängen lassen will, andererseits aber auch z. B. mit chemischen Reaktionen und damit mit einer durchaus technisch vermittelten Definition chemisch reiner Sto=e bzw. der dann später genauer analysierten molekularen Bindungen. Diese Materien nun bestimmen sich ferner als selbstständiges Bestehen; aber sie sind auch zusammen in einem Dinge. Dieses Ding hat die zwey Bestimmungen, erstlich dieses zu seyn, und zweytens das Auch zu seyn. Das Auch ist dasjenige, was in der äussern Anschauung als Raumausdehnung vorkommt; Dieses aber, die negative Einheit, ist die Punktualität des Dinges. Die Materien sind zusammen in der Punktualität, und ihr Auch oder die Ausdehnung ist allenthalben diese Punktualität; denn das Auch als Dingheit ist wesentlich auch als negative Einheit bestimmt. (338 | 161)
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Ein Ding hat nach der Vorstellung, dass es aus Materien bestehe, zwei Bestimmungen: Es soll, erstens, als dieses Ding je hier und jetzt von anderen unterscheidbar sein. Es soll, zweitens, »das Auch« sein, also das, »was in der äußeren Anschauung als Raumausdehnung vorkommt« – sodass wir im Ding (räumlich) verschiedene materielle Teile unterscheiden und manche davon als unmittelbare Ursache etwa seines Geruchs oder Geschmacks ansehen können. Dennoch wird das Ding formal punktförmig aufgefasst. Seine ›Punktualität‹ oder ›Sortalität‹ besteht eben darin, einheitlicher Gegenstand zu sein, von dessen räumlicher Ausdehnung man absieht, obwohl sie da ist. Wir wollen (oder können) das Ding nicht teilen, ohne es in seiner zeitlichen Integrität und Kontinuität zu zerstören. Das »Auch als Dingheit« ist deswegen »wesentlich auch als negative Einheit bestimmt«, weil es die unterscheidenden, charakteristischen, sinnlichen ›Wirkungen‹ des Dinges auf uns sind, über die wir Art und Einheit des Dinges bestimmen, und zwar im Kontrast zu anderen Dingen und zu uns selbst. Wo daher die eine dieser Materien ist, in einem und demselben Punkte ist die andere; das Ding hat nicht an einem andern Orte seine Farbe, an einem andern seinen Riechsto=, an einem dritten seinen Wärmesto= u. s. f. sondern | in dem Punkte, in dem es warm ist, ist es auch farbigt, sauer, elektrisch u. s. w. (338 | 161 f.) Im Allgemeinen gibt es, wie Hegel betont keine räumlich getrennten Materien oder ›Sto=e‹ für das Riechen, Schmecken, die Optik und Akustik etc., keinen ›Wärmesto=‹ usf., sondern das Ding hat (mehr oder weniger ganz) diese oder jene Wärme, es riecht oder schmeckt so und so, sieht so aus und reagiert elektrisch oder magnetisch so und so. Manchmal sind dabei sto=liche Bestandteile für die Wirkungen ›verantwortlich‹, manchmal nur die gesamte Sache wie im Fall eines Organismus. Es gibt Leser, die Hegel vorwerfen, er habe den Begri= der Materie von den Sinnesqualitäten unserer sensitiven Empfindungen her abstrahieren wollen. Das Gegenteil ist der Fall. Er zeigt, dass und warum ein derartiger empiristischer Zugang nicht funktionieren kann. Weil nun diese Sto=e nicht ausser einander, sondern in Einem Diesen sind, werden sie als porös angenommen, so daß die eine in den Zwischenräumen der andern existirt. Diejenige, die sich in den
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Zwischenräumen der andern befindet, ist aber auch selbst porös; in ihren Poren existirt daher umgekehrt die andere; aber nicht nur diese, sondern auch die dritte, zehnte, u. s. f. (338 | 162) Allerdings wird erst beim zweiten Lesen klar, dass Hegel hier in ironischer Distanz zeigt, warum alle empiristischen Theorien unbefriedigend bzw. logisch unhaltbar sind, und zwar weil sie gezwungen wären zu postulieren, dass nicht nur die Sto=e, die den Geruch verursachen, sondern auch die, welche der Haptik Widerstand leiten oder angeblich Wärme oder Farbe produzieren usf., in den Zwischenräumen der jeweils anderen Sto=e existieren, so dass das Ding als so porös angenommen wird wie ein Karst- oder Kalkgebirge, in dessen Poren sich Wasser befindet. Alle sind porös und in den Zwischenräumen einer jeden befinden sich alle andern, wie sie sich mit den übrigen in diesen Poren einer jeden befindet. Sie sind daher eine Menge, die sich so gegenseitig durchdringt, daß die durchdringenden von den andern eben so durchdrungen werden, daß somit jede ihr eigenes Durchdrungenseyn wieder durchdringt. (338 | 162) Wenn ›alles‹ porös ist, führt das Bild der verschiedenen qualitativen Wirksto=e, welche jeweils in den Poren der anderen sich befinden sollen, in einen infiniten Regress. Ich lese Hegels Formulierung, dass jede dieser porösen Sachen »ihr eigenes Durchdrungensein wieder durchdringt«, nicht etwa a;rmativ, also nicht als seine eigene Behauptung, sondern als ironische Formulierung der Unklarheit eines Denkens, welches das Problem der Lokalisierung der entsprechend gefassten qualitativen Materien durch das Gerede von Poren, Hohlräumen und ein Durchdrungensein der obigen Art beantworten und so retten möchte. Jede ist als ihre Negation gesetzt, und diese Negation ist das Bestehen einer andern; aber diß Bestehen ist eben so sehr die Negation dieser andern und das Bestehen der ersten. (338 | 162) Auch dass die sto=lichen Materien eines Körperdings »als ihre Negation gesetzt« seien, ist nicht a;rmativ gesagt. Es ist als Modus eines kommentierenden Berichts über eine – am Ende zu kritisierende – Vorstellung vom Zusammenbestehen vieler ›qualitativer Sto=e‹ in einem Ding zu lesen. Diese ›Sto=e‹ sind durch typische dispositio-
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nelle Wirkungen zunächst des Gesamtdings auf unsere Sinnlichkeit zu ersetzen. Hegel will also schlicht zeigen, dass und warum es z. B. keine eigenen Riech- oder Farbsto=e in den Poren der ›festen‹ TastMaterie gibt, selbst wenn nicht geleugnet werden soll, dass in scheinbar trockener Materie Flüssigkeiten und Gase ›eingeschlossen‹ sein mögen und wir Wände farbig anstreichen können. Die Ausrede, durch welche das Vorstellen den Widerspruch des selbstständigen Bestehens der mehrern Materien in Einem, oder die Gleichgültigkeit derselben gegen einander in ihrer Durchdringung abhält, pflegt bekanntlich die Kleinheit der Theile und der Poren zu seyn. (338 | 162) Die Ausrede, die Hegel hier als unzulässig angreift, besteht in der Aussage, dass die Sto=teilchen und ihre Poren so klein seien, dass wir sie nicht wahrnehmen können. Doch damit lässt sich der oben skizzierte Widerspruch in der Vorstellung »des selbständigen Bestehens der mehreren Materien in Einem« nicht aufheben, der sich ja gerade daraus ergeben hat, dass das Modell von Riech-, Farb- und, sagen wir, Acid-Sto=en einfach inkohärent ist. Unsere Lesart wird auch durch den zunächst schwer zu deutenden Satzteil »die Gleichgültigkeit« der Materien »gegen einander in ihrer Durchdringung« bestätigt, da dieser – etwas zu dicht formuliert – besagt: Wir haben in der obigen Überlegung gezeigt, dass es keine voneinander trennbaren Riech-, Farb- und Acid-Stoffe oder eigenen elektrischen Sto=e etc. geben kann. Die ›Ausrede‹ will das Argument nicht anerkennen, das die Gleichwertigkeit der Sto=e ›in ihrer Durchdringung‹ zur Folge hat. Es ist – zumeist – ›derselbe‹ Sto=, der so und so aussieht, so und so riecht, sich so und so (bei der und der Temperatur) haptisch anfühlt oder sauer schmeckt etc. Wo der Unterschied-an-sich, der Widerspruch und die Negation der Negation eintritt, überhaupt wo begri=en werden soll, läßt das Vorstellen sich in den äusserlichen, den quantitativen Unterschied herunterfallen; in Ansehung des Entstehens und Vergehens nimmt es seine Zuflucht zur Allmähligkeit und in Ansehung des Seyns zur Kleinheit, worin das Verschwindende zum Unbemerkbaren, der Wider¦spruch zu einer Verwirrung herabgesetzt, und das wahre Ver-
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hältniß in ein unbestimmtes Vorstellen hinübergespielt wird, dessen Trübheit das sich Aufhebende rettet. | (338 f. | 162) Hegel nimmt die Überlegung zum Anlass für eine allgemeine, weiterhin leicht ironisch gehaltene Anmerkung. Die Ironie betri=t alle Ausreden, welche mit quantitativ unermesslich Kleinem oder Großem operieren oder mit einer vagen Rede von stetigen, unmerklichen Übergängen und anderen Ausflüchten. Das Schlechte einer solchen Ausflucht besteht darin, begri=liche Unterscheidungen nicht in ihrem konkreten Status zu durchdenken. Man überspielt damit insbesondere, dass unsere ›diskreten‹ und ›kontrastiven‹, bloß relationalen mathematischen Darstellungsformen gar nicht dazu taugen, die prozessualen und inferentiellen Normalfallabläufe z. B. im Entstehen und Vergehen von Dingen voll darzustellen. Man verharmlost das Problem der Spannung zwischen den schematischen Klassifikationen (die wir gerne hätten und oft kontrafaktisch, rein ›ideal‹, konstruieren) und den kontinuierlichen Übergängen, Zwischengliedern, der Künstlichkeit und Konstruiertheit aller digitalen Welt-Darstellungen, die wir dringend brauchen und faktisch gut gebrauchen, aber in der Reflexion auf ihre inneren Widersprüche oder Spannungen dauernd unterschätzt werden. – Die Ironie der Logikgeschichte will es, dass Hegels Diagnose nicht begri=en wird, der zufolge das schematische Denken (des Verstandes), das Regelfolgen, in sich widersprüchlich wird, wenn es nicht mit vernünftiger Urteilskraft auf die sich keineswegs rein schematisch voll darstellbare Welt projiziert wird. Anders gesagt, alle schematischen Logiken gehen am Problem vorbei, dass die Anwendung der Logik, des Begri=lichen, auf die reale Welt nie voll schematisch sein kann. Näher aber diese Trübheit beleuchtet, so zeigt sie sich als der Widerspruch theils als der subjective des Vorstellens, theils als der objective des Gegenstands; das Vorstellen selbst enthält vollständig die Elemente desselben. (339 | 163) Hegels Abwertung des ›Vorstellens‹ in ›Theorien‹ der skizzierten Art ist analog zur Kritik am Mythos zu lesen: Vorstellende oder mythisch-erzählende ›Erklärungen‹ haben die falsche Form der Reflexion auf begri=liche, d. h. allgemeine ›Tatsachen‹: In der Trübe des Geredes vom unendlich Kleinen etwa der Poren oder der infinitesimalen
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Wirkkräfte zeigen sich die Widersprüche der Bilder, die man sich in einem bloß erst oberflächlichen Nachdenken von dem macht, was materielle Sto=e sind, wie sie bestimmt sind und auf welchen inferentiellen Wegen sie zu Wahrnehmbarkeiten führen. Was es nemlich erstlich selbst thut, ist der Widerspruch, sich an die Wahrnehmung halten und Dinge des Daseyns vor sich haben zu wollen, und andererseits dem Nichtwahrnehmbaren, durch die Reflexion bestimmten, sinnliches Daseyn zuzuschreiben; – die kleinen Theile und Poren sollen zugleich ein sinnliches Daseyn seyn und es wird von ihrem Gesetztseyn als von derselben Weise der Realität gesprochen, – welche der Farbe, Wärme u. s. f. zukommt. (339 | 163) Es folgt eine Bestätigung der Richtigkeit unseres Lektürevorschlags. Denn Hegel kritisiert jetzt explizit die falsche Verbindung wahrnehmungsnaher, sensualistischer Bestimmungen von Sto=arten mit theoretischen Aussagen über nicht wahrnehmbare Kleinheiten der Poren, der Atome, der infinitesimalen Wirkungen und dergleichen. Noch einmal: Es gibt keinen Wärmesto=, Riechsto=, Widerstandssto= etc. Und was immer ›Atome‹ sind, sie sind keine ›kleinsten‹ Teile, aus denen ein Körperding wie ein Tisch so ›besteht‹, wie er aus Tischbeinen besteht und einer Tischplatte, die wir jeweils wieder beliebig in Teile zerlegen oder zerlegt denken können – zunächst bis herunter zu Sägespänen und dann, scheinbar auf die gleiche Weise, bis zu Molekülen, Atomen und subatomaren Partikeln. Diese Vorstellung von ›Teilen‹ der Dinge und ihrem ›Aufbau‹ ist hochgradig irreführend – und zwar wegen der Trübheit der Rede bzw. Vorstellung von einem ›Bestehen aus Teilen‹. Wenn ferner das Vorstellen diesen gegenständlichen Nebel, die Poren und die kleinen Theilchen, näher betrachtete, so erkännte es darin nicht nur eine Materie und auch deren Negation, so daß hier die Materie, und daneben ihre Negation, der Porus, und neben diesem wieder Materie und so fort sich befände, sondern daß es in diesem Dinge, 1) die selbstständige Materie, 2) ihre Negation oder Porosität und die andere selbstständige Materie in einem und demselben Punkte hat, daß diese Porosität und das selbstständige Bestehen der Materien in einander als in Einem eine gegenseitige Negation und Durchdringen des Durchdringens ist. – (339 | 163)
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Würde man die Reden über Poren und kleine Teilchen genauer bedenken – etwa auch in der schönen Vorstellung, eine Tischplatte oder Wand bestehe aus lauter Löchern, durch welche z. B. Röntgenstrahlen so durchgehen wie Licht durch Wasser – dann würde man das Folgende erkennen: Es gibt hier nicht einfach Materie und leere Poren nach Art eines Emmentalers, sozusagen mit mehr Löchern als fester Materie, wobei sich in den Löchern wieder andere (etwa gasförmige) Materie befindet, die selbst wieder Löcher hat. – Was aber soll es heißen, dass in einem punktförmigen Ding selbständige Materie und »ihre Negation oder Porosität« existieren soll? Und wie soll »die andere selbständige Materie« in demselben Punkte sein? Das ist doch reiner Unsinn! Damit wird doch alles erst recht widersprüchlich! Und was soll jetzt, positiv, die Rede von einer »gegenseitigen Negation« und einem »Durchdringen des Durchdringens« besagen? – Bevor wir eine Auflösung der Problemlage versuchen, betrachten wir noch Hegels Bemerkungen zu den Gasen in »neueren Darstellungen der Physik« anhand der »Verbreitung des Wasserdampfes«: Die neuern Darstellungen der Physik über die Verbreitung des Wasserdampfes in der athmosphärischen Luft und der Gasarten durch einander, heben eine Seite des Begri=s, der sich hier über die Natur des Dinges ergeben hat, bestimmter heraus. (339 | 163) Hegels Hinweis auf das Verhalten des Wassers im gasförmigen Zustand und die Abhängigkeit des Aggregatzustandes von Wärme und Druck ist so zu lesen: Statt atomistischer Modelle ohne Anbindung an reale Erfahrungen sollten wir durch die modellartigen Theorien die sich wiederholenden Phänomene retten. Die »eine Seite des Begri=s, der sich hier über die Natur des Dinges ergeben hat«, betri=t die Tatsache, dass feste Körper verschiedene Aggregatzustände haben, dass sich bei Flüssigkeiten und Gasen zeigt, wie sich verschiedene Sto=e mischen oder entmischen, dass Flüssigkeiten und Gase, anders als feste Körper, nicht gegen feste Körper undurchdringlich sind usf. Feste Körper »verdrängen« Flüssigkeiten (und Gase) wie Schi=e das Wasser. Alle diese allgemeinen Tatsachen gehören zur »Natur des Dinges«, damit zu seinem Wesen und seinem Begri=. Hegel sagt hier also gar nichts anderes, als was wir auch sagen würden oder sollten – freilich in seiner eigentümlichen Diktion und in Kritik an
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abgehobenen Modellen, z. B. die der Riech- und Farbsto=e oder einer elektrischen Materie und dergleichen. Wenn wir schon Sto=arten unterscheiden wollen, sollten es chemische Sto=e sein, Invarianten in chemischen Prozessen, keine Riechsto=e. Und wenn wir schon Atomistik betreiben, dann im Anschluss an diese Chemie, nicht einfach als rein formale Spekulation über erfundene geometrische Formen einer ansonsten indefiniten Materie mit ihren angeblichen Poren und Löchern, die ähnlich willkürlich gesetzt sind wie die Haken und Ösen der Atome des Demokrit. Sie zeigen nemlich, daß z. B. ein gewisses Volumen eben so viel Wasserdampf aufnimmt, es sey leer von athinosphärischer Luft oder damit erfüllt; auch daß die Gasarten so sich in einander verbreiten, daß jede für die andere so gut als ein Vacuum ist, wenigstens daß sie in keiner | chemischen Verbindung miteinander sind, jedes ununterbrochen durch das andere mit sich continuirlich bleibt und sich in seiner Durchdringung mit den andern, gleichgültig gegen sie erhält. – (339 | 163 f.) Was die neuere Physik der Gase, Elektrizität, des Drucks, des Magnetismus etc. weit über die bloß formalen Spekulationen eines schlechten, mechanischen Materialismus hinaus zeigt, ist dies: Bei festem Druck korrespondiert einer gewissen Menge von Wasserdampf (gasförmigem Wasser) ein gewisses Volumen. Die Menge lässt sich als Masse (Gewicht) ermitteln und ist dabei unabhängig vom Volumen – sodass sich der Gasdruck wiederum proportional als Verhältnis zwischen der Menge des Gases und dem Volumen angeben lässt. Nur weil das Gemisch aus Sauersto= und Kohlendioxid und die restlichen Gase der ›atmosphärischen Luft‹ kaum ins Gewicht fallen, scheint es so zu sein, dass diese Luft ›gleich viel‹ Wasserdampf aufnimmt wie ein Vakuum – und dass jede Gasart »für die andere so gut als ein Vakuum ist«. Der Satz ist falsch. Hegel selbst schwächt ihn ab und sagt, dass Gasgemische wenigstens keine chemischen Verbindungen darstellen – was aber eine ganz andere Betrachtung ist. – Der Luftdruck der Atmosphäre ergibt sich durch die Masse der oberen Luftschichten – und ein Druckausgleich durch entsprechende Winde. Die Dinge sind so komplex, dass es kein Wunder ist, dass sie damals noch nicht voll durchschaut waren.
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Aber das weitere Moment im Begri=e des Dinges ist, daß im Diesen die eine Materie sich befindet wo die andere, und das Durchdringende in demselben Puncte auch durchdrungen ist, oder das Selbstständige unmittelbar die Selbstständigkeit eines andern ist. Diß ist widersprechend; aber das Ding ist nichts anderes als dieser Widerspruch selbst; darum ist es Erscheinung. (339 | 164) Jetzt aber scheint jede nachsichtige Interpretation an ihr Ende zu kommen und Hegels Sätze werden völlig obskur. Warum soll es ein »Moment im Begri= des Dinges« sein, dass »im Diesen«, also wohl je diesem Körper-Ding, »die eine Materie« sich an derselben Stelle befinden soll, an der auch die andere Materie ist? Trotz des Gesagten wird erneut fraglich, was es heißen soll, dass »das Durchdringende in demselben Punkte auch durchdrungen« sein soll. Und was soll es heißen, dass »das Selbständige unmittelbar die Selbständigkeit eines Andern ist«? Hegel gesteht zu, dass die entsprechenden Sätze nicht bloß obskur sind, sondern sich sogar widersprechen. Aber er versichert uns, das Ding sei »nichts Anderes als dieser Widerspruch selbst« und fügt hinzu, dass es deswegen gerade bloß Erscheinung sei. Man fragt sich, und soll sich fragen, was das bedeuten soll. Welcher Widerspruch genau soll das Ding sein? Was wäre ein Gegenstand, der nicht, wie ein Körperding, in seinem Begri= Widersprüche enthält und Erscheinung ist? Die Antwort auf die letzte Frage ist leicht: Mathematische Gegenstände sind genau von dieser Art. Auch bei Kant ist das Ding als Erscheinung bestimmt, nämlich über die dem Ding zugeschriebenen Wirkungen auf unseren perzeptiven Apparat des Leibes und damit über sinnliche Wahrnehmbarkeiten. Hier geht es nun gerade um die sto=förmige Verdinglichung solcher wirkenden Kräfte in der Form von ›Materien‹, die, wenn man sie so auffasst, tatsächlich einander durchdringen müssten, so wie das Hegel beschreibt, da es keine punktuellen räumlichen Trennungen der Ursachen z. B. des Geruchs, der Härte oder Sehgestalt eines Dinges gibt. Aber warum sollte es sich widersprechen, dass dasselbe Ding so und so riecht, so und so aussieht, sich elektrisch und magnetisch so und so verhält? Es widerspräche sich doch nur, wenn dasselbe Ding zugleich so und anders aussähe, so und anders schmeckte usf. Der Widerspruch, auf den Hegel hier hinauswill, ist o=enkundig von
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anderer Art: Er richtet sich gegen die Vorstellung, es ließe sich die Wirkursache des Geruchs, des Magnetismus, der Elektrizität oder auch nur der visuellen Erscheinungsform eines (mittelgroßen) Dinges oder dann auch seiner viel kleineren Teile fein säuberlich in verschiedenen Materien oder Teildingen lokalisieren. Dass es gerade darum geht, zeigt die nächste Passage, in der die analoge Vorstellung als naiv und unaufgeklärt abgelehnt wird, es ließe sich die (Gesamt-)Seele eines Menschen oder Lebewesens in einem materiellen Teil des Körpers lokalisieren – wobei die Seele klassisch als bloß verbal grammatisches ›Subjekt‹ bzw. semantischer ›Aussagegegenstand‹ von mentalen (psychologischen) und geistigen (wissens- und damit sprachbezogenen) Fähigkeiten zu fassen ist. Der Vorgri= hilft uns, den wesentlichen Punkt der (durchaus suboptimal formulierten) Überlegung Hegels allererst aufzufinden. Hegel zeigt, dass und warum eine ›Theorie‹ unhaltbar ist, die unterschiedliche ›Dispositionen‹ eines ›komplexen‹ (›zusammengesetzten‹) Dings vollständig auf verschiedene materielle (›sto=liche‹) Teile verteilen will. Andererseits kann es durchaus sinnvoll sein, die Geruchssto=e von den ›Teilen‹ eines Dings zu isolieren, welche (eher) für dessen optisches, magnetisches bzw. elektrisches Verhalten verantwortlich sind, wobei alle materiellen Bestandteile gleichermaßen über ihre Masse am gravitationellen Bewegungsverhalten des Dings beteiligt sind. Die ›Widersprüchlichkeit‹ unseres Dingbegri=s besteht am Ende darin, dass wir meinen, Dinge und ihre mereologischen Teile als sortale Gegenstände auffassen zu können, obwohl sie die konstitutiven Eigenschaften solcher sortalen Gegenstände mit klaren wahrheitswertsemantischen relationalen Prädikaten (wie die Gegenstände der Mathematik) gar nicht erfüllen (können). Die scheinbare Selbständigkeit von Wirksto=en ist »die Selbständigkeit eines Andern«, weil es oft so ist, dass die unterschiedlichen Wirkungen eines einzigen Dinges in verschiedene Dimensionen wie Geruch oder Optik, Geschmack oder Magnetismus von den unterschiedlichen Relationen zu anderen Dingen herrühren. Eine ähnliche Bewandniß, als es mit diesen Materien hat, hat es im Geistigen mit der Vorstellung der Seelenkräfte oder Seelenvermögen. Der Geist ist in viel tieferem Sinne dieses, die negative
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Einheit, in welcher sich seine Bestimmungen durchdringen. Aber als Seele vorgestellt, pflegt er häufig als ein Ding genommen zu werden. (339 | 164) Hegel selbst parallelisiert das Problem der ›gegenständlichen‹ Rede über ›Materien‹ im Ding mit der ›gegenständlichen‹ Rede über die Seele und ihre Kräfte oder Vermögen – wobei er hier schon auf die menschliche Seele, die Personalität, Bezug nimmt. Signalwort dafür ist das Wort »geistig«. Der Geist wird hier verstanden als die geistigen Fähigkeiten der Einzelperson, also nicht als der allgemeine Geist einer Zeitepoche, eines Volkes oder der Menschheit. Dieser sei, sagt Hegel, »negative Einheit, in welcher sich seine Bestimmungen durchdringen«. Es geht Hegel o=enbar darum, dass es keine Geistsubstanz im Körper gibt, dass wir vielmehr nur als ganze Personen im Kontext mit anderen Personen Geist haben bzw. geistige Wesen sind. Während – wenigstens im Deutschen – die Rede vom Geist (nicht: von Geistern, ghosts) seine generische Bedeutung bewahrt, pflegt man die Rede von der (Geist-)Seele gegenständlich, semi-sortal individuierend und daher verdinglichend zu verstehen. Die Seele ist aber kein Ding. Schon die logisch-grammatische Form der Rede über ›die Seele‹ (auch ›das Bewusstsein‹) verführt zu Fragen nach einer ›Definition‹ der Identität von Seele, Bewusstsein oder Person. Erst recht falsch ist die Vorstellung, im Einzelwesen gäbe es ein räumliches Teilding, das die Rolle der psychisch-geistigen Zentralsteuerung voll übernimmt, und wäre dies auch nur das gesamte Gehirn, nicht nur, wie in Descartes’ spekulativem Bild, eine Zirbeldrüse – die medizinisch noch nicht einmal allzu schlecht ausgewählt ist, da die Hypophyse erstens ›zwischen‹ den Hirnhälften platziert ist und zweitens eine Art ›drittes Auge‹ ist und für Tag-Nacht-Orientierungen und damit die Schlafsteuerung bzw. die Vigilanz des Wachbewusstseins mitverantwortlich ist. Wie dem aber auch sei, es ist grammatischer Unsinn, die (Geist-)Seele als ein körperliches Ding aufzufassen, so wie es Unsinn ist, sie als nichtkörperlichen, spirituellen Gegenstand verstehen zu wollen, der über die Vermittlung von Zirbeldrüse und Gehirn auf den Leib einwirkt. Hegels Formulierung, dass der Geist (die Geistseele) »negative Einheit« sei, besagt also am Ende, dass wir in der grammatisch ›gegenständlichen‹ Rede über den Geist bloß ein formales Satzsubjekt
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einführen, um geistige ›Eigenschaften‹ als dispositionelle Fähigkeiten prädikativ diesem Subjekt zuschreiben oder anhängen zu können. Die syntaktische Form unserer Sätze erzwingt dies. In Wahrheit sammelt aber der Gedanke der Einheit der Seele nur die Einheit der Fähigkeiten der leiblich lebenden Person zusammen, die sich als Fähigkeiten im realen Tun und Handeln zeigen, über die bloßen ›Zuschreibungen‹ von Dispositionen hinaus, also im komplexen Kontrast zwischen einer bloßen (Selbst-)Zuschreibung von ›Dispositionen‹ und dem ›wirklichen Haben‹ dieser verhaltenswirksamen Eigenschaften und Kompetenzen. Das Durchdringen der Bestimmungen des Geistes ist also das Zusammenbestehen dispositioneller bzw. kompetenzbezogener ›Eigenschaften‹. Damit wird klar, dass es im Fall des physischen Dings ebenfalls um ein solches Zusammenbestehen geht und dass der Ausdruck »Durchdringen« gerade nicht räumlich, sondern metaphorischsystematisch in eben diesem Sinn zu lesen ist – wobei man sich von der subjektivistischen Lesart Humes von einem di=usen ›Bündel‹ von Qualitäten allerdings hinreichend absetzen muss. Denn das Ding ist in seinem Fürsichsein immer auch relativ unabhängig von seinen realen und potentiellen Wirkungen bloß auf mich oder uns logisch zu begreifen, darf also nicht ›konstruktivistisch‹, ›subjektiv-idealistisch‹ oder ›empiristisch‹ in eine di=use Menge von Wirkungen aufgelöst werden. Wir brauchen stattdessen ein Verständnis des Zusammenhanges und der materiellen Selbständigkeit des Dinges in seiner generischen und dann auch gegenstandsdefinierenden Bestimmung über seine Normalfallinferenzen oder dispositionellen ›Fähigkeiten‹ oder ›Kräfte‹. Wie man den Menschen überhaupt aus Seele und Leib ¦ bestehen läßt, deren jedes als ein selbstständiges für sich gilt, so läßt man die Seele aus sogenannten Seelenkräften bestehen, deren jede eine für sich bestehende Selbstständigkeit hat, oder eine unmittelbare für sich nach ihrer Bestimmtheit wirkende Thätigkeit ist. (339 f. | 164) Schon die Ausdrucksform, dass der Mensch aus Leib und Seele ›bestehe‹, ist irreführend, wenn man das Wort »bestehen« nicht bloß als metaphorisches Reflexionswort versteht, das nur zum Ausdruck bringt, dass wir Prädikate, die leibbezogen und in präsentischer
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Anschauung kriterial definiert sind, von Prädikaten kategorial unterscheiden müssen, welche mentale (psychologische) Fähigkeiten im kognitiven Weltbezug bzw. schon geistige (personale) Kompetenzen im kooperativen Wissen und Handeln zum Ausdruck bringen. Wenn man die Seele aus verschiedenen Seelenkräften (zum Beispiel auch ›unter‹ der ›Oberfläche‹ des ›Bewusstseins‹) ›bestehen‹ lässt, spricht man in einem ähnlichen Bild, wie wenn man ein Ding aus seinen verschiedenen Wirkkräften ›bestehen‹ lässt. Es geht Hegel darum, das Bild als Bild, also als Metapher, sichtbar zu machen und die Naivität derer aufzuzeigen, welche behaupten, es sei kein Bild, sondern direkte Aussage über die Realität oder die Wirklichkeit von Ding oder Leib und Seele oder Geist. Man stellt sich so vor, daß hier der Verstand, hier die Einbildungskraft für sich wirke, daß man den Verstand, das Gedächtniß, u. s. f. jede für sich cultivire, und einstweilen die andern Kräfte in Unthätigkeit linker Hand liegen lasse, bis die Reihe vielleicht, vielleicht auch nicht an sie komme. Indem sie in das materiell-einfache Seelending verlegt werden, welches als einfach immateriell sey, so werden die Vermögen zwar nicht als besondere Materien vorgestellt; aber als Kräfte werden sie gleich indi=erent gegen einander angenommen, als jene Materien. (340 | 164) Es sind keine künstlichen Buhmänner, sondern die üblichen Verständnisse der reflexionslogischen Redeformen, welche Hegel als logisch naiv aufdeckt und angreift, wenn er daran erinnert, dass man sich den Verstand, das Bewusstsein, das Selbstbewusstsein, die Einbildungskraft usf. als je für sich wirkende selbständige Entitäten oder Module des Geistes oder Gehirns vorstellt. Man meint dann auch, dass man das Gedächtnis sinnvoll eigens für sich trainieren könne, wie man z. B. den Bizeps oder die Muskeln der Finger für sich trainieren kann. Dabei verlegen die ›Spiritualitäten‹ die Summe dieser Fähigkeiten in ein ›materiell-einfaches Seelending‹, das, weil es einfach ist, zugleich immateriell sein soll. Der (katachrestische) Widerspruch ist o=ensichtlich. Immerhin wird in dieser Metapher klar, dass die verschiedenen mentalen und geistigen Fähigkeiten des Perzipierens, Wahrnehmens, Denkens usf. »nicht als besondere Materien vorgestellt« werden. Aber wie im Fall der Wirkvermögen der Dinge
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werden sie »als indi=erent gegen einander angenommen«, was in der Regel schon falsch ist. Aber der | Geist ist nicht jener Widerspruch, welcher das Ding ist, das sich auflöst und in Erscheinung übergeht; sondern er ist schon an ihm selbst der in seine absolute Einheit, nemlich den Begri=, zurückgegangene Widerspruch, worin die Unterschiede nicht mehr als selbstständige, sondern nur als besondere Momente im Subjecte, der einfachen Individualität, zu denken sind. ¦| (340 | 164 f.) Dass der Geist, also das, wovon wir sprechen, wenn wir vom Geist reden, »nicht jener Widerspruch« ist, »welcher das Ding ist«, mag man vielleicht anerkennen: Die ›abstrakte‹ Rede über den Geist (auch die personelle Geist-Seele oder ›Person‹ bzw. das ›Selbstbewusstsein‹) ist von anderer Form als die über das Ding (oder eben über konkrete, physische Einzeldinge). Was aber heißt es, dass der Geist »schon an ihm selbst der in seine absolute Einheit, nämlich den Begri= zurückgegangene Widerspruch« sein soll? Hegel antwortet mit einer Erläuterung des terminologischen Gebrauchs des Wortes »Moment«: Die unterschiedlichen ›Aspekte‹ einer einheitlichen geistigen Fähigkeit – Verstand, Vernunft, Urteilskraft, Phantasie, Gedächtnis etc. – sind nur »als besondere Momente im Subjekt« zu denken. Dieses Subjekt ist als ›einfache Individualität‹ die leibliche Person. Diese ist der entsprechend gebildete, am gemeinsamen Wissen und Handeln teilnehmende und damit kommunikations- und kooperationsfähige Mensch. Das Wort »Subjekt« betont dabei das Vollzugsmoment der handelnden (auch urteilenden) Person. Das Wort »Person« betont die relationale, kommunitarische, allgemein-gemeinsame Verfassung bzw. Konstitution eines gebildeten Menschen, der ›geistige‹ Rollen mehr oder weniger kompetent zu lernen und zu spielen in der Lage ist, zunächst als Sprecher und Hörer und dann als Teilnehmer an allen erdenklichen Praxisformen und Institutionen. In welchem Sinn soll aber der Begri= die absolute Einheit des Geistes sein? Hier ist jedes einzelne Wort betont und terminologisch zu nehmen, nämlich: »Begri=«, »Einheit«, »absolut«, »Geist«, »Widerspruch« und sogar die Satzkopula »ist«. Dass der Geist der Begri= ist, bedeutet, wie wir als Hegel-Leser inzwischen wissen könnten, das Folgende: Alle ›geistigen‹ Fähigkeiten
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und ihre mehr oder weniger glückenden, richtigen, Aktualisierungen im Vollzug sind wesentlich begri=lich orientiert, durch die Begri=e des Wissens angeleitet. Geistige Kompetenz ist im Kern begri=liche Kompetenz – mit den Momenten des Verstandes, d. h. der Fähigkeit, Schemata und Regeln zu erkennen (Rekognition) und anzuwenden, entsprechende Formen und Normen zu befolgen (Reproduktion), dann auch urteilskräftiger Vernunft und der für diese nötige Phantasie (Einbildungskraft), Erfahrung, Erinnerung, Wissen etc. Die Einheit des Begri=s ist nichts Mysteriöses. Es ist richtige Begri=sverwendung, die als solche bei der Einzelperson in der angemessenen Teilhabe an einem der Form nach allgemein-gemeinsamen Kanon des Wissens und Könnens besteht, gerade auch in Bezug auf ein gemeinsames Handeln, eine gute Kooperation mit anderen Personen, z. B. in der Beurteilung der Güte technischer Verfahren und ihrer Anwendung. Die Einheit bzw. Einheitlichkeit der Person als geistigem Wesen geht daher weit über die tautologische Individualität des Leibes des menschlichen Vollzugssubjekts hinaus. Diese Einheit des Geistes ist ›absolut‹. Das heißt, sie ist losgelöst von der bloß physischen Einheit je meines Leibes, der mich als Einzelindividuum bestimmt, aber keineswegs schon als Person im geistigen Kompetenzsinn des Wortes. Person bin ich als (kohärent) tätiger Teilnehmer an der kulturellen Praxis ›des Geistes‹, also einem Wissen und Können, das über eine bloß animalische Kognition des enaktiven ›Erkennens‹ präsentischer Unterschiede weit hinausgeht. Nun ist die Einheit des Begri=s, die Gemeinsamkeit des Unterscheidens und die allgemeine Richtigkeit des schließenden Erwartens (›Prognostizierens‹) keineswegs eine fix-und-fertige Angelegenheit. Ein Begri= ist kein Gegenstand. Er ist noch nicht einmal ›widerspruchsfrei‹, sofern wir uns nicht bloß mit den mathematischen Begri=en im Sinne Freges beschäftigen, die als solche reine Mengenbildungen sind. Das ist so, weil weltbezogene begri=liche Di=erenzen und Inferenzen je nur generisch-allgemein bestimmt sind und mit Ausnahmen sowohl im Einzelverständnis der je bloß partial gebildeten Personen als auch in der Angemessenheit auf die Vielfalt und Kontingenz der Welt zu rechnen ist. D. h., weltbezogene Begri=e enthalten in sich Widersprüche der Art, wie wir sie inzwischen ad nauseam wiederholen:
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Eine Katze hat vier Beine. Aber nicht jede Katze hat vier Beine. Ein Körperding hat Schwere (Masse). Das gilt aber in der modernen Teilchenphysik nicht mehr für jedes seiner Teile. Alles besteht aus Materie. Aber die scheinbar invariante Materie besteht selbst nicht ewig. Man kann ›so‹ fortfahren und praktisch zu jedem Grundprinzip des Weltwissens gewisse ›Ausnahmen‹ bzw. ›Widersprüche‹ ausformulieren. Dass der Geist selbst ein Widerspruch ist, und zwar der in den Begri= »zurückgegangene Widerspruch«, besagt also gerade, dass man sich die formale Vorstellung gewissermaßen abschminken muss, es gäbe schon feste, widerspruchsfreie Begri=e, deren Zukommen und Nichtzukommen schon so fixiert wäre, wie dies für Fregesche Begri=e der Fall ist. Für rein mathematische Prädikate in rein sortalen Gegenstandsbereichen (›Modellstrukturen‹) gilt das Widerspruchprinzip, weil wir die Sprachsysteme so eingerichtet haben, dass es nachweisbar gilt. Für die Anwendung von Begri=en auf die Welt durch verschiedene Personen in unterschiedlichen Lagen lassen sich Widersprüche so nicht ausschließen. Im Übrigen ist sogar die Einheitlichkeit meines eigenen Denkens und Wissens prekär, da ich mir faktisch dauernd widerspreche, mich also keineswegs immer ›richtig‹ an meine eigenen ›Urteile‹ oder verbalen Deklarationen erinnere oder sie im weiteren Schließen und Handeln schematisch befolge. Die Vorstellung eines geistigen Subjekts, das vollständig konsistent urteilte und handelte, ist bestenfalls verbal ausgemaltes Ideal. Solche Ideale fungieren als reflexionslogische Explikationen der Richtung einer guten Entwicklung begri=lichen Denkens. Dieses wiederum existiert immer nur in unserer Teilnahme an einer allgemein-gemeinsamen Praxisform, der Institution des Wissens und Könnens, wobei Hegel immer wieder betont, dass die Sprache das ausgezeichnete Moment nicht nur in der Darstellung, sondern auch im Vollzug von geistigem Tun ist. – Hegel selbst greift im Folgenden die oben noch keineswegs voll beantwortete Frage auf, was es denn heißt, dass das Ding Erscheinung sei, ja was überhaupt Erscheinung ist.
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Zweites Kapitel. Die Erscheinung Die Existenz ist die Unmittelbarkeit des Seyns, zu der sich das Wesen wieder hergestellt hat. Diese Unmittelbarkeit ist an sich die Reflexion des Wesens in sich. Das Wesen ist als Existenz aus seinem Grunde heraufgetreten, der selbst in sie übergegangen ist. Die Existenz ist diese reflectirte Unmittelbarkeit, insofern sie an ihr selbst die absolute Negativität ist. Sie ist nunmehr auch als diß gesetzt, indem sie sich als Erscheinung bestimmt hat. (341 | 166) Das Kapitel zum kategorialen Reflexionsbegri= der Erscheinung beginnt mit einem Merksatz. »Die Erscheinung ist das Wesen in seiner Existenz«. Zuvor wurde an die Bestimmungen der Existenz als der »Unmittelbarkeit des Seins, zu der sich das Wesen wieder hergestellt hat«, erinnert. Die Formel besagt, dass wir von einem gedachten und damit begri=lich bestimmten Wesen (Gegenstand, Objekt im weiten Sinn) sagen, dass es (real, wirklich) existiere, indem wir die (gedanklich erwogene) Möglichkeit, es handele sich bloß um einen gedachten, also rein möglichen und nicht (wirklich) existenten Gegenstand (Objekt, Wesen), etwa aufgrund relativ unmittelbarer Wahrnehmung urteilend oder schließend, reflexionslogisch zurückweisen oder, im unmittelbaren oder naiven Objektbezug, als selbstverständlich irrelevant unterstellen und damit eine Art Unmittelbarkeit der Bezugnahme auf ›existierende‹ Dinge oder Sachen gegen einen ›leeren‹ Skeptizismus, Empirismus oder subjektiven Konstruktivismus bzw. Idealismus ›wieder hergestellt‹ haben. Jeder ›gesunde‹ Realismus ist also durchaus durch das Fegefeuer des empiristischen Zweifels Humes bzw. des logischen Zweifelns bei Descartes und Kant hindurchgegangen. Die so gestählte Unmittelbarkeit ist, um im Bilde zu reden, »an sich die Reflexion des Wesens in sich«. D. h., die allgemeine Form der unmittelbaren Bezugnahme auf existierende Sachen und Dinge wie Steine und Stühle, auch deren Dispositionen und ›Kräfte‹ bzw. Vermögen, auf welche die Floskel »an sich« verweist, macht die Tatsache explizit, dass jede Rede von einem Wesen in sich reflektiert ist, wir also den Kontrast von Schein und Wesen zugunsten des Wesens implizit oder explizit aufgehoben haben. Als Existenz ist das Wesen nicht bloß möglicher, sondern
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anerkannter Grund, ich würde hier lieber sagen: Ursache, der Erscheinung, die in der Paarung mit ihrem Wesen im Gegensatz zum Schein z. B. existierende Sachen oder Dinge sind, auch ein relationales oder prozessuales Bestehen oder Geschehen, also sozusagen ›wirkliche Sachverhalte‹, freilich nicht im bloß logisch empiristischen und atomistischen Sinn Russells und des frühen Wittgenstein. Die wesentliche, wesenhafte Ursache der Erscheinung ist also die Existenz der Sache. Diese ist »absolute Negativität« insofern, als wir sie loslösen von bloß besonderen relationalen Wirkungen auf mich oder dich, also von bloß subjektiven phänomenalen Auffassungen, und als Erscheinungen des Wesens für jede normalsinnige, verständige und vernünftige Person in diesem Sinn zu einer ›absoluten‹ Existenz machen, trotz des Wissens, dass jeder Zugang zu ihr relational ist. Das gilt selbst für ihre Bestimmung. Das Wort »Negativität« signalisiert also, dass die (wirkliche) Existenz der Sache oder des Objekts als eine Art ›Negativ‹ für positive Aufnahmemöglichkeiten durch personale Subjekte zu begreifen ist. Damit wird Kants Einsicht in die transzendentale personenbezogene Bestimmtheit der Sachen und Dinge so aufgehoben, dass die Falle des subjektiven Idealismus bzw. Empirismus Berkeleys, Humes oder dann auch noch Kants selbst vermieden wird. Die Erscheinung ist daher zunächst das Wesen in seiner Existenz; das Wesen ist unmittelbar an ihr vorhanden. Daß sie nicht als unmittelbare, sondern die reflectirte Existenz ist, diß macht das Moment des Wesens an ihr aus; oder die Existenz als wesentliche Existenz ist Erscheinung. (341 | 166) Die Erscheinung des Wesens ist das Wesen in seiner Existenz. Der Stuhl, wie er sich uns zeigt, als Möbel, auf dem wir (ho=entlich bequem) sitzen, ist die dingliche Sache, wie sie real – gerade auch, aber nicht nur für uns – existiert. Auch ein Tier kann sich auf die Stuhlfläche setzen oder der Stuhl kann anderen Wesen als Leiter dienen etc. In seiner Existenz zeigt sich ein Wesen, z. B. ein Lebewesen, relativ unmittelbar in seiner Artform. Diese präsentiert sich und wird nicht von uns bloß ›repräsentiert‹ oder ›vorgestellt‹. Wird aber etwas als Erscheinung eines Wesens angesprochen, so bezieht man sich schon nicht mehr rein unmittelbar (etwa bloß ›instinktiv‹ oder ›intuitiv‹)
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auf die Sache, sondern schon in einer reflektierten, reflexions- oder wesenslogischen Form. Daher steckt in jeder Rede von einer Erscheinung der begri=liche Bezug auf das Wesen – und auch umgekehrt, wie noch zu sehen sein wird. Es ist etwas nur Erscheinung, – in dem Sinne daß die Existenz als solche nur ein gesetztes, nicht an- und für-sich-seyendes ist. Diß macht ihre Wesentlichkeit aus, an ihr selbst die Negativität der Reflexion, die Natur des Wesens, zu haben. Es ist diß nicht eine fremde, äusserliche Reflexion, welcher das Wesen zugehörte, und die durch Vergleichung desselben mit der Existenz diese für Erscheinung erklärte. Sondern, wie sich ergeben hat, ist diese Wesentlichkeit der Existenz, Erscheinung zu seyn, die eigne Wahrheit der Existenz. Die Reflexion, wodurch sie diß ist, gehört ihr selbst an. | (341 | 166) Die Passage ist wieder obskur und irritierend. »Es ist etwas nur Erscheinung« bedeutet wohl, dass alles, was realiter, wirklich, existiert, als Erscheinung existiert. Das ist Hegels Formulierung des bloß im Prinzip richtigen Gedankens des Empirismus (Humes) und der Transzendentalphilosophie (Kants), dass sich im Bereich des Empirischen, der Erfahrungen a posteriori, die Existenz von Sachen und Wahrheit von Urteilen zeigt – und nirgends sonst. Falsch wäre es, Erscheinungen als unmittelbare Sinnesempfindungen verstehen zu wollen. Die Existenz des Etwas war nur als ein Gesetztes, also Verneinung der Nichtexistenz, der Annahme, etwas sei bloßer Schein, also nicht die wahre Aktualisierung eines Artwesens (ein lebendiges Tier, ein existierender Mensch etc.). Erst die Paarung von allgemeinem Wesen (an sich) und konkreter Erscheinung (im individuierenden Fürsichsein) bestimmt etwas als »An-und-für-sichSeiendes«. Die Wesentlichkeit der Erscheinung, von der Hegel hier spricht (nicht der Existenz, wie man den anaphorischen Bezug des Worts »ihre« formal auch lesen könnte), besteht in der genannten Paarung: Etwas ist nur Wesen als Wesen einer Erscheinung. Und etwas ist nur Erscheinung als ein Sich-Zeigen des Wesens, der ›wahren Natur der Sache‹, wie man auch sagt. Das bedeutet zugleich, dass jede Rede von einer Erscheinung oder einem Wesen die »Negativität der Reflexion« auf das, was etwas eigentlich, wesentlich, an-und-fürsich ist und nicht etwa bloß dir oder uns so scheint, längst schon
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implizit in sich enthält – was wir praktisch durchaus längst wissen und Hegels Reflexions- oder Wesenslogik nur durch ihre gnomischen Merksätze explizit macht. Die Reflexion ist dem Redegegenstand nicht äußerlich. Äußerlich reflektiert man z. B., wenn man darüber schwadroniert, dass der Mond die Laterne einer Frau Luna für Liebende sei oder dass ihn Hunde anbellen. Dass die Himmelserscheinung des Mondes von einem Erdtrabanten stammt und nicht von einem Wandelstern bzw. Sonnenplaneten, das sind wesentliche Reflexionen auf das Verhältnis zwischen dem Mond als Wesen für sich, als großem Körper, und seinen Erscheinungen auf der Erde. Wenn aber gesagt wird, Etwas sey nur Erscheinung in dem Sinne, als ob dagegen die unmittelbare Existenz die Wahrheit wäre; so ist vielmehr die Erscheinung die höhere Wahrheit; denn sie ist die Existenz wie sie als wesentliche, da hingegen die Existenz die noch wesenlose Erscheinung ist; weil sie nur das eine Moment der Erscheinung, nemlich die Existenz als unmittelbare, noch nicht ihre negative Reflexion, an ihr hat. (341 | 167) Hegels Volte, die der Erscheinung den Vorrang vor der Existenz zugesteht, berücksichtigt etwas, was der Empirismus übertreibt: Der Zugang zu allen wirklichen Sachen ist über deren Erscheinungen vermittelt, dann aber auch über das Denken und damit das allgemeine begri=sbestimmende Wissen. Das »es gibt« in einem Logikkalkül und dann auch das modelltheoretische »es gibt«, das die Möglichkeit einer Struktur in der reinen (naiven) mathematischen Mengenlehre aussagt, sind rein abstrakt. Sie unterstellen schon stillschweigend einen Gegenstandsbereich, ohne dessen Verfassung zu explizieren. Zu glauben, es gäbe in der Welt rein sortale Bereiche von Gegenständen, in welchen die formalen Schlussregeln der mathematischen Quantorenlogik auch gelten, ist, wie schon mehrfach betont, der logische Aberglaube des 20. Jahrhunderts. Es gibt bestenfalls lokal konstruierte, zu den Mengen der Mengenlehre partiell isomorphe, also bloß analoge, relationale Gebilde, in denen die formalen mathematischen Logiken so anwendbar werden, wie eben Analogien und Metaphern anzuwenden sind: mit dem Filter erfahrener Urteilskraft und nie rein formal oder schematisch.
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Hegel lehnt außerdem eine Deutung des Verhältnisses von Existenz (für sich) und Erscheinung (bei uns) ab, nach welcher »die unmittelbare Existenz die Wahrheit wäre«, nämlich weil »die Erscheinung die höhere Wahrheit ist«. Mit Kant sieht er also, dass der Zugang zum wirkenden Gegenstand durch das Denken und Reden vermittelt ist, reine Denkgegenstände aber reine Fiktionen sein können. Alle empirischen Geltungsansprüche über diese oder jene Dinge hier oder dort müssen sich also in ihrer inferentiellen oder prognostischen Kraft am Ende a posteriori bewähren. Es ist daher ein spekulativ-hochstufiger Kommentar zu unserer Reflexionssprache in Hegels Rekonstruktion, wenn er sagt, dass die Erscheinung mit ihrem impliziten logisch-grammatischen Bezug auf das Wesen, das sich in ihr zeigt, die wesentliche Existenz ist, während die Rede von der Existenz nur als Abwehr eines möglichen Urteils der Art, etwas sei bloß Schein ohne die Existenz des suggerierten Wesens, zu lesen ist. Eine »wesenlose Erscheinung« gibt es nur als Halluzination. Ein erscheinungsloses Wesen gibt es nur als rein verbale Fiktion. Es geht hier also um eine Analyse der logischen Verhältnisse zwischen reflexionslogischen Aussageformen »x scheint ein X zu sein«, »das x (der Art X ) existiert (wirklich)«, »y (als konkrete Wahrnehmungsgestalt des Typs Y in individueller oder gemeinsamer Anschauung) ist die Erscheinung des Wesens x vom Typ X «, »in y (vom Typ Y ) zeigt sich ein an-und-für-sich existierendes Ding x vom Typ X (als Erscheinung des Wesens x von der Wesensform X )«. Dabei stehen die großen Buchstaben für ein ›Ansichsein‹, ein Genus, eine generische Art, den wesentlich eidetischen Begri=. Die kleinen Buchstaben stehen für das, was man in der sich analytisch nennenden Philosophie des 20. Jahrhunderts »Token« nennt und ohne weitere Analyse ihrer Bestimmung sogenannten »Types« als vermeintlichen Klassen von Token gegenüberstellt. Hegel erkennt so, dass in einer echten Logik von Sprache und Weltbezug nichts so schwierig ist wie eine hinreichend angemessene Explikation der bloß relativ zueinander definierten Kategorien der Einzelgegenstände (Token) und der generischen Gegenstandsbestimmungen verschiedenster Allgemeinheit und Besonderheit (Types). Wir sehen hier also eine notwendige Vertiefung der in der Philosophie des 20. Jahrhunderts nur durch Bei-
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spiele repräsentierten Token – etwa des Ereignisses eines Ausbruchs eines besonderen Vulkans, etwa des Vesuv oder Krakatau. Es geht dann aber auch um die variablen Verhältnisse zwischen dem, was je als besondere ›Einzelerscheinung‹, ›Einzelexistenz‹ oder als besonderes ›Einzelwesen‹, etwa auch als Einzelding, angesprochen wird, das aufgrund der unterstellten wesentlichen Gleichheit bzw. Äquivalenz verschiedener Repräsentationen und Präsentationen selbst schon ein generischer Typ ist, und den allgemeineren Artformen oder generischen Gegenstandsbereichen mit relationaler und sogar prozessualer, weil dispositionslogischer ›Struktur‹. Rein schematisch, formalistisch und damit ›inhaltlich falsch‹ denkt man, wenn man meint, es gäbe eine ›absolute‹ Di=erenz zwischen Einzel-Gegenständen (Token) und Arten (Types) oder auch zwischen Erscheinung und Wesen, Phänomen und Ding, Wirkung und Ursache, deren begri=liche Verhältnisse, wie wir jetzt sehen, Hegel viel weniger idiosynkratisch auslegt, als es zunächst scheinen mag. Entwickelt wird nur die explikative Kommentarsprache, in der wir auf diese längst schon bekannten Reflexionswörter in ihrem Gebrauch reflektieren. Hegel kommentiert also die Unterscheidung von ›reiner‹ Existenz im Sinne einer Aussage der Form »Die Oase am Horizont existiert (wirklich)« und der Aussage »Was eine Fata Morgana und damit der bloße Schein einer Oase sein könnte und aussieht wie eine Oase, ist die (wirkliche) Erscheinung einer (an und für sich seienden, daher existierenden) Oase«. In der ersten Aussage wird die Existenz gegen einen Zweifel relativ unmittelbar behauptet. In der zweiten Aussage wird die Existenz in ›negativer Reflexion‹ auf die Bewertung eines gemeinsam anerkannten Phänomens als Schein explizit als wirklich anerkannt. Die Oase ist hier das ›wahre Wesen‹, das wir, wie wir behaupten, faktiv sehen, nicht bloß eine Luftspiegelung. Wenn die Erscheinung wesenlos genannt wird, so wird an das Moment ihrer Negativität so gedacht, als ob das Unmittelbare dagegen das Positive und Wahrhafte wäre; aber vielmehr enthält diß Unmittelbare die wesentliche Wahrheit noch nicht an ihm. Die Existenz hört vielmehr auf, wesenlos zu seyn, darin, daß sie in Erscheinung übergeht. (341 | 167) Indem man die Erscheinung als ›bloßes‹ Phänomen und damit als
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›wesenlos‹ auffasst, behandelt man das analysierte logische Moment der Negativität der kategorialen Form (des kategorialen Begri=s) der Rede über Erscheinungen, nämlich dass diese nur im Kontrast zur Kategorie des Wesens (der wahren Natur, der Wirklichkeit, der realen Existenz von etwas der rechten Art) zu verstehen ist, so, als ob »das Unmittelbare dagegen das Positive und Wahrhafte wäre«. Der zitierte Satzteil ist leicht obskur bzw. ambig – wie übrigens alle Reden vom Unmittelbaren bei Hegel. Denn man könnte meinen, Hegel spräche hier vom Unmittelbaren des gemeinsam wahrgenommenen Phänomens – so wie wir z. B. von den Phänomenen am abendlichen Sternenhimmel sprechen mögen und diese den wirklichen Dingen, den Sternen und Planeten als ihren Ursachen gegenüberstellen. Doch gemäß meinem Rekonstruktionsvorschlag spricht Hegel hier von einer naiv realistischen Vorstellung einer unmittelbaren Bezugnahme auf Erscheinungen oder auf wirkliche Dinge. Der naive Realismus unterstellt die reflexionslogischen Kontraste zwischen Wesen und Erscheinung, Ursache und Wirkung, Artform (Typ) und aktualisierter Individuierung (Token) erstens als schon verstanden, zweitens als keiner weiteren reflexionslogischen Konstitutionsanalyse bedürftig und drittens als völlig unabhängig von unseren sprachlichen und begri=lichen Weltbezugnahmen. Hegels Satz, dass »dies Unmittelbare die wesentliche Wahrheit noch nicht an ihm« enthalte, besagt also, dass ein naiver Realismus in einer vermeintlich analytischen und vermeintlich sinnkritischen Ontologie und Metaphysik, welche scheinbar den robusten Sach- und Dingbezug und damit die ›wissenschaftliche‹ (›empirische‹) Haltung zur Welt gegen einen scheinbar verkopften Idealismus verteidigen (so wie Otto Neurath und Quine einen naiven Physikalismus gegen Carnaps, Ayers und Russels Sinnesdaten), die logische Form der Rede von Wesen und Erscheinung, Ding und Phänomen, objektive Wahrheit und subjektivem Schein noch überhaupt nicht erfasst hat. Damit gehen die ›anti-kopernikanischen‹ Einsichten der Entwicklungslinie Descartes-Hume-Kant, also der Transzendentalphilosophie und des Empirismus, mit den problematischen Aspekten von deren Überbewertung und Hypostasierung der präsentischen Phänomene und Vollzüge über Bord. Es wird also das Kind, der wesentliche Gehalt
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moderner Reflexionsphilosophie, mit dem Badewasser seiner Fehldeutungen ausgeschüttet. Das Wesen scheint zunächst in ihm selbst, in seiner einfachen Identität; so ist es die abstracte Reflexion, die reine Bewegung von Nichts durch Nichts zu sich selbst zurück. (341 | 167) Wir müssen allerdings zwischen einer robusten Reflexion auf unsere wirklichen Urteilsformen und einem bloß scheinbar robusten Glauben an die unmittelbare Existenz der Dinge und Sachen einer Natur oder Welt als den Gegenständen unserer Wissenschaften unterscheiden. Hegels Analyse ist realistisch im Blick auf unsere real gebrauchten Begri=e. Er verwechselt nicht die Robustheit der Anerkennung allgemeiner Prinzipien eines etablierten und kontrollierten generischen Normalfallwissens als materialbegri=liche Grundlage der Inhalte besonderer und einzelner empirischer Aussagen mit einem unmittelbaren Glauben an eine vermeintlich unmittelbar für sich seiende Körperwelt des Physikalismus. Hegel verteidigt in seiner ausgefeilten reflexionslogischen Analytik Fichtes Diagnose, dass jeder Glaube an die Unmittelbarkeit der materiellen Dinge und ihrer kausalen Kräfte und Wirkungen, kurz an einen Materialismus, einfach naiver Dogmatismus ist und sich inkompetent in Bezug auf die Unternehmung einer sinnkritischen Reflexionsphilosophie von Descartes bis Kant verhält. Allerdings sind Hegels generische Merksätze zur Reflexionslogik offenbar selbst nicht einfach zu deuten, wie inzwischen schon mehrfach gezeigt und gesagt wurde. Was z. B. soll es heißen, dass das Wesen »zunächst in ihm selbst«, und zwar »in seiner einfachen Identität« scheine? Jede Lesart, die Hegel eine Hypostasierung ›des Wesens‹ zuschreibt, das allerlei mystische Dinge macht und tut, verfehlt nach meinen Lesevorschlägen grundsätzlich die Sprachform Hegels, der sich ja selbst über alle diejenigen Leute mokiert, die, wie später auch Schopenhauer oder Nietzsche, so reden, als wären Verstand und Instinkt, Vernunft und Wille wirkende Module in unserem Geist oder Leib oder als wären Gegenstände und Eigenschaften in einer von unserem Zugang zur Welt (als Totalbegri=) unabhängigen ›Natur‹ (oder wirklichen Welt) einfach ›absolut‹ und ›unmittelbar‹ gegebene Sachen. Gerade auch die Trennung zwischen objektivem und subjektivem Moment der Bestimmung von Dingen und Sachen ist nämlich
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als besondere Leistung von unserer Weltbezugnahme zu begreifen und nicht naiv, unreflektiert, vorauszusetzen. In unserer Textpassage ist das Scheinen des Wesens wieder als ein Sich-Zeigen zu lesen, also nicht im Sinne des lateinischen »videtur« oder englischen »it seems«, sondern im Sinne von »lucet« und »apparet«. Das Wesen kommt also zum Vorschein, wird sichtbar. Dass das Wesen – gerade wie die Schönheit von Mörikes Lampe54 – in ihm selbst scheint, »in seiner einfachen Identität«, bedeutet also, dass es gedanklich (zunächst) losgelöst wird von unseren bzw. je meinen Auffassungen. So aber ist das bloß ›absolut‹ (losgelöst von uns) vorgestellte Wesen (nicht anders als eine ›objektive Schönheit‹) bloß erst »abstrakte Reflexion«, Hinweis auf die allgemeine Form von nicht bloß subjektrelationaler ›Objektivität‹: Die Lampe ist wirklich schön, nicht nur im Auge des Betrachters (sofern dieser kompetent blicken kann). Was wir sehen, ist wirklich eine Oase (oder ein Hirsch, keine Kuh) etc. Erst in der konkreten Verbindung mit einem bestätigten Urteil, das nicht bloß unsere Versicherung ist oder bleibt, entsteht aus dieser Redeform das aufeinander bezogene Paar der Erscheinung des Wesens, sein An-und-für-sich-Sein. Warum aber soll die bloß erst abstrakte Reflexion wesenslogischer Versicherungen der Objektivität oder Wirklichkeit von etwas »die reine Bewegung von Nichts durch Nichts zu sich selbst zurück« sein? Der Ausdruck ist o=enbar hochgradig provokativ. Er ist also nicht bloß obskur. Die naheliegende Kritik, das sei doch Unsinn, ist daher ebenso intelligent wie Carnaps Hinweis gegen Heidegger, dass es im Deutschen kein Verb »nichten« gibt, sodass der Satz »das Nichts nichtet« als metaphysischer Blödsinn erscheint, den eine Sprachanalyse als ›unsinnig‹ ausweisen muss – als wüsste Heidegger nicht um das wörtlich Widersinnige der Formulierung. Es geht vielmehr darum, zu verstehen, was mit solchen Merksätzen – wie z. B. auch Freges »Begri=e und Funktionen sind ungesättigt« – ausgesagt wird. Mit anderen Worten, der Hinweis, dass der Ausdruck »das Nichts« auf Vgl.: »Zu einem Vers von Mörike. Ein Briefwechsel mit Martin Heidegger von Emil Staiger (1951)« in: Martin Heidegger, Denkerfahrungen, Frankfurt/M. (Klostermann) 1983 (hg. Hermann Heidegger), S. 43–59. 54
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keinen Gegenstand verweist, rennt mit unglaublicher Selbstgewissheit sperrangelweit o=ene Tore ein. Eine solche Bemerkung ist aber nur ein erster Schritt zur Abwehr naiver Lesarten der ganz bewusst als schwierig erkennbar gemachten Formulierung. Ihr Sinn ergibt sich erst, wenn wir uns wieder daran erinnern, dass Aussagen der Form »x scheint ein X zu sein« die Existenz des x als X verneinen, also nicht über etwas (der Art X ), sondern über nichts sprechen, wobei das »nichts« als verneinte Existenzaussage in Bezug auf den durch den Artbegri= benannten Gegenstandsbereich zu verstehen ist. In der Verneinung, dass x bloßer Schein, bloß scheinbar eine Realisierung, Aktualisierung oder Exemplifizierung von etwas der Gattung oder Art X sei, wird die Existenz von x als X versichert. Diese Existenz als an sich versicherte ist das Wesen an sich. Das bedeutet, es ist die noch nicht in der Erscheinung als berechtigt nachgewiesene Bewegung vom »Nichts des Scheins«, also der Verneinung in der Aussageform des ›videtur‹ oder ›es scheint so‹, über das Nicht oder Nichts der Verneinung dieser Verneinung zurück zur Versicherung, dass das x doch als ein X existiert. Das Wesen erscheint, so ist es nunmehr realer Schein, indem ¦ die Momente des Scheins Existenz haben. Die Erscheinung ist, wie sich ergeben hat, das Ding als die negative Vermittlung seiner mit sich selbst; die Unterschiede, welche es enthält, sind selbstständige Materien, die der Widerspruch sind, ein unmittelbares Bestehen zu seyn, und zugleich nur in fremder Selbstständigkeit also in der Negation der eigenen ihr Bestehen zu haben, und wieder eben darum auch nur in der Negation jener fremden oder in der Negation ihrer eigenen Negation. (341 f. | 167) Wenn das Wesen, ein Ding etwa, nicht bloß als existent behauptet wird, sondern erscheint, sich zeigt, clare et distincte für uns alle (oder die hinreichend Gebildeten) zum Vorschein kommt, nennt Hegel es einen ›realen Schein‹. Damit kehrt er in gewisser Weise eine Analyse um, die ein naives Sachbewusstsein gerade anders herum zu ordnen pflegt. So versichert z. B. Wilfrid Sellars, dass die reflexionslogischen Aussagen über einen Schein im Modus des ›videtur‹ oder ›it seems‹ logisch sekundär seien zu einer vorausgesetzten ›objektiven‹ Wahr-
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heit, da im Urteil, x scheine bloß ein X zu sein, ja in der Tat das Urteil, x sei kein X , enthalten ist. Hegel setzt durchaus anders als Sellars in seiner Analyse der Aussageformen und Geltungsansprüche, Versicherungen und Glaubenshaltungen noch nicht schon einfach und naiv einen ›objektiven‹ oder gar im traditionellen Sinn ›absoluten‹ Kontrast von wahr und falsch, existent und nichtexistent, wirklich und unwirklich voraus. Daher artikuliert bei ihm das Wort »Erscheinung« auch nicht etwa einen Oberbegri= für die Unterscheidung zwischen ›bloßem Schein‹ und einem ›Zum-Vorschein-Kommen‹ des Objekts selbst (bei Hegel terminologisch: des Wesens, der Natur, der Sache, des Dings), sondern das Wort »Schein« wird zum Oberbegri= für die Di=erenz zwischen »bloßem Schein« (des falschen Urteils) und der Erscheinung des Wesens als dessen An-und-für-sich-Sein, das als begri=lich bestimmtes Ansichsein immer schon ein Sein-für-uns ist. Nur vor diesem Hintergrund hat es Sinn, von einem »realen Schein« zu sprechen, wobei die »Momente des Scheins Existenz haben«, also das, was möglicherweise bloßer Schein sein könnte – in einem unserer Beispiele die gesehene Oase, das gesehene Phänomen, als wirklich existent behauptet und ggf. anhand der Erscheinung auch als sich zeigend begründet werden. In diesem Sinn ist das Ding die Erscheinung des Wesens des Dinges. Es ist Exemplifizierung einer Dingart. Die Rede über das Ding enthält damit längst schon »die negative Vermittlung seiner mit sich selbst«, also die Versicherung, dass das Ding (der betre=enden Gattung oder Art) existiert und sich in seiner Erscheinung zeigt, also durch diese als nachgewiesen gelten kann, ferner als Grund der Existenz fungiert usf. Dabei ›enthält‹ das Ding Unterschiede, die sich nicht unmittelbar aus unseren sinnlich gestützten Unterscheidungen ergeben, nämlich ›Wirkkräfte‹ oder ›Eigenschaften‹. Diese hängen mit möglichen visuell, akustisch oder geruchsförmig überprüfbaren Unterscheidungen zusammen, auch mit elektrischen, magnetischen oder chemischen Wirkungen bzw. den zugehörigen Dispositionen. Indem man diese aber als selbständige Materien deutet, entsteht die oben diskutierte in sich widersprüchliche Vorstellung eines ›unmittelbaren Bestehens‹
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des Dinges aus verschiedenen Wirk-Materien. Der Widerspruch rührt daher, dass man die Relationalität der betre=enden Wirkkräfte und Wesenseigenschaften, ihre Definition durch Bezugnahme auf andere Dinge – z. B. uns als wahrnehmende Subjekte – übersieht und als ›absolute‹, von den Prozessrelationen losgelöste Teile des Dinges (oder auch nur Eigenschaften der Dinge) missdeutet. Formal gesehen ist der Fehler so trivial, wie wenn man bei der ›Eigenschaft‹, groß zu sein, die Relativität zum betrachteten Gegenstandsbereich (z. B. der Menschen), der relevanten Größenordnung, einem gewählten Maß (Parameter) oder einem Mittelwert in diesem Bereich schlicht übersieht. Dass eine große Maus weit kleiner ist als der kleinste Elefant, ist ein allbekanntes Beispiel. Die ›objektiven Eigenschaften‹ der ›objektiven Dinge‹ sind also einfach nicht ohne Bezugnahme auf andere und dabei auch auf uns als lebende, damit erkennende, und wissende, also allgemeine Formen, Normen und Normalitäten wiedererkennende und artikulierende Wesen als unmittelbar gegeben zu betrachten. Objektivität ergibt sich nur über eine gewisse Form der Intersubjektivität, aber nicht etwa als ›tatsächlicher‹ und dabei möglicherweise auch kontingenter Konsens im Urteilen und Schließen, sondern vermöge einer gemeinsam gesetzten Invarianz der Bestimmungen des Seins (der Wirklichkeit), generisch passend zu ›perspektivischen Wirkungen‹. Hegels schwierige Formeln, die über Negationen von Negationen sprechen, fügen dieser Formulierung die folgende präzisierende Analyse hinzu: Es ist nicht bloß eine unmittelbare Übereinstimmung im Unterscheiden bzw. differentiellen Reagieren, sondern die allgemeine Idee als realisierte Form einer komplexen Unterscheidungspraxis, die das Wirkliche als qualifizierte Möglichkeit eines Wesens als Grund von Erscheinung und Schein setzt. Diese Setzung definiert bzw. konstituiert die Objektivität, die sich zeigende Existenz, einer (wirklichen) Sache. Das ist das Ergebnis der schwierigen Reflexionsbemühungen der Philosophie seit Heraklit, Platon, Aristoteles, Descartes und Kant. Es wird von Hegel allererst explizit gemacht. Dazu sind insbesondere die partiellen Fehldeutungen dieser Formidee im Empirismus und subjektiven Idealismus auch noch bei Fichte zu überwinden. Ein naiver ›Realismus‹ etwa im Rahmen einer pythagoräistischen Glaubensphilosophie wie
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in der Scheinaufklärung eines Szientismus, aber auch im Platonismus traditioneller Theologie bzw. bei Jacobi und dem späteren Schelling, ist klarerweise überhaupt keine Option. Denn das ist alles bloßer Verzicht auf eine reflexionslogische Konstitutionsanalyse von Wahrheit und Wissen, Wirklichkeit und Objektivität. Der Schein ist dieselbe Vermittlung, aber seine haltlosen Momente haben in der Erscheinung die Gestalt unmittelbarer Selbstständigkeit. Dagegen ist die unmittelbare Selbstständigkeit, die der Existenz zukommt, ihrerseits zum Momente herabgesetzt. Die Erscheinung ist daher Einheit des Scheins und der Existenz. | (342 | 167) Hegels Analyse der Konstitution begri=lich bestimmter objektiver Weltbezüge geht also über eine bloße Konsensustheorie des Wahren oder Richtigen weit hinaus. Seine spekulative Logik expliziert insbesondere die innere Dialektik analogischer Reflexionen auf Form und Inhalt unserer Sach- und Reflexionsaussagen etc. Kant übergeht das In-sich-Reflektiertsein von Weltbezügen und Weltbezugnahmen. Er unterstellt einfach eine schematische formale Logik, wie sie in ihrer Idealität (nur) für mathematische Gegenstandsbereiche passt. Nicht anders geht die Analytische Philosophie vor. Man versucht vergeblich, diese Logik durch irgendwelche zusätzlichen Normen der Projektion auf die Welt wirklicher Dinge anzuwenden. Die Rede vom Schein thematisiert Ausdrucksformen der Art »Hier scheint bloß ein x der Art X vorzuliegen, aber in Wirklichkeit existiert dieses nicht«. Das perzipierte Phänomen oder die bloß vorgestellte Realität hat damit eine andere als die angegebene Ursache bzw. einen anderen ›Grund‹ in Hegels Sinn. Im Schein werden die als existent versicherten Momente als ›haltlos‹ erwogen, behauptet oder begründet, je nachdem, ob die Aussage »Es scheint (möglicherweise) bloß so, dass . . . « nur erwogen, geglaubt, versichert, behauptet oder den Umständen gemäß zureichend begründet ist. In der Erscheinung haben gerade die Momente, die ›im Schein‹ als unhaltbar beurteilt werden, »die Gestalt unmittelbarer Selbständigkeit«. Urteile der Art, dass sich das Wesen X im vorliegenden x als vorhanden zeigt, beruhen auf dieser Unterscheidung zwischen Schein, Wesen und Erscheinung. Im empirischen Fall sagt man etwa, dass, was man sieht oder wahrnimmt, wirklich eine Oase sei oder ein Hirsch, keine Kuh. Der ›objektive‹
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Modus drückt dennoch nur aus, dass sich die Sache uns als Oase zeigt, das Tier als Hirsch usf. Die unmittelbare Selbständigkeit der Existenz wäre dagegen bloß erst eine Möglichkeit, ein Inhalt nur einer Versicherung. Eine solche ist als solche noch nicht ›objektiv bewertet‹. Das geschieht erst im immanenten Redemodus ›von der Seite‹. Dabei wird eine wirkliche Ursache einer Erscheinung zugeordnet und diese als Evidenz für sie anerkannt und als anzuerkennen gesetzt. In der Evidenz kommt also das wirklich existierende Wesen zum Vorschein. Das besagt der für unsere Ohren ungewohnte Merksatz »Die Erscheinung ist (. . . ) die Einheit des Scheins und der Existenz«, demzufolge »Schein« zum Oberbegri= für ›bloßen Schein‹ und ›Erscheinung‹ wird (übrigens formal so wie »Katze« für »weibliche Katze« und »Kater«). Die Erscheinung bestimmt sich nun näher. Sie ist die wesentliche Existenz; die Wesentlichkeit derselben unterscheidet sich von ihr als unwesentlicher und diese beyden Seiten treten in Beziehung mit einander. – (342 | 168) An dem Satz, dass sich die Erscheinung bestimme, lässt sich eine der Sprachformen Hegels allgemein aufschlüsseln: Sie soll ausdrücken, dass nicht ich oder du die Erscheinung bestimmen, sondern dass sie als solche, von sich selbst her, so und so zu bestimmen ist. Der Satz »Die Erscheinung ist wesentliche Existenz« besagt dann, dass es problematisch ist zu meinen, man könne unseren Weltbezug auf der Grundlage sogenannter unmittelbarer Erscheinungen (Sinnesempfindungen, Wahrnehmungen) rekonstruieren, wie Hume, Kant, Russell oder Carnap je auf ihre Art unterstellen oder behaupten. Denn jede Rede von Erscheinungen und ihren Ursachen setzt ein ganzes System der Zuordnung verschiedener Perspektiven auf dasselbe voraus. Dinge als Ursachen und ihre besonderen Fähigkeiten bzw. Kräfte und Wirkungen müssen sich zeigen (lassen) und unterstellen in der dabei aktivierten Praxis des Wechselns der Perspektive ›auf dasselbe‹ ein generisches Vorwissen über das Normalverhalten von Sachen (Dingen) der entsprechenden Art (›an sich‹). Dieses Wissen ist zum Teil praktisch, also ein Können, zum Teil theoretisch, also verbal gelernt oder lernbar. »Existenz« ist, ich wiederhole den Punkt, nicht bloß Titel für die allgemeine Satzform »Es gibt ein x « mit ihrer impliziten Unterstel-
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lung eines bestimmten Gegenstandsbereiches, sondern steht für die besondere wesenslogische und damit ›objektanalytische‹ Aussageform: »Was aufgrund meines/unseres sinnlichen Zugangs zur Welt eine vereinzelnde Besonderung x einer Gattung X zu sein scheint, existiert wirklich und ist in seiner Artbestimmung im Wesentlichen korrekt getro=en«. Pragmatisch umgeformt bedeutet das, dass eine Aussage der Form »Die Oase existiert (wirklich)« praktisch bedeutet, dass wir die Erscheinung als hinreichend verlässliches Anzeichen einer Oase deuten dürfen. Wenn wir an die Stelle kommen, wo diese lokalisiert wurde, werden wir also die wichtigsten Eigenschaften einer Oase finden: Gras für Kamele, trinkbares Wasser etc. Dabei ist eine Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen, für das normale Glücken der Orientierung relevanten und eher irrelevanten Eigenschaften bzw. Normalfallinferenzen (Dispositionen, Kräfte, Wirkungen) implizit vorausgesetzt. Sie ist daher zuerst einfache Identität mit sich, die zugleich verschiedene Inhaltsbestimmungen enthält, welche sowohl selbst als deren Beziehung das im Wechsel der Erscheinung sich gleich bleibende ist; das Gesetz der Erscheinung. (342 | 168) Der Satz »Die Erscheinung ist einfache Identität mit sich« verweist auf das, was man ›zunächst‹ unter einem Phänomen versteht. Es ist zunächst das, was gesehen wird, videtur, also ein Schein im oben erläuterten allgemeinen Sinn als Obertitel für bloßen Schein und Wesenserscheinung. Eine einfache Identität dieser Art ist aber noch gar nicht kontrastiv zu anderen Phänomenen bestimmt, die als solche nur generisch unterschieden werden können, wobei reine Zeit- und Raumangaben oder ein reines »Dies« oder »Dort« noch nicht zureichend sind, um etwas von etwas zu unterscheiden. Das aber heißt, dass schon die Rede von Phänomenen längst schon »verschiedene Inhaltsbestimmungen enthält«. Es folgt eine wichtige Erläuterung, was das heißt. Im Wesentlichen wird dabei mein Interpretationsansatz bestätigt. Hegel sagt nämlich, dass die Inhaltsbestimmungen »das Gesetz der Erscheinung« ausmachen. Sie bilden eine feste, gesetzesförmige Verbindung von Wesen und Erscheinung, welche das naive Denken als ›kausale Beziehung‹ missversteht, ohne das Materialbegri=liche, das von uns Gesetzte
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und Vorausgesetzte, in dieser Relation zu begreifen. Diese Relation ist Beziehung zwischen einem Wesen an sich, also typisierten Gegenständen und Kräften (Dispositionen), und typisierten Phänomenen auf der logischen Ebene des Besonderen. Sie ist Beziehung des Einzelnen auf das Allgemeine. Genauer erläutert wird das im nächsten Kapitel. Hier redet Hegel nur erst allgemein von etwas Allgemeinem »im Wechsel der Erscheinung«. Er spricht also von etwas, das mit sich gleich bleibt und das wir als die gesetzes- bzw. begri=sförmige Verbindung von Wesenstyp und Erscheinungstyp verstehen können oder sollen. Zweytens aber geht das in seiner Verschiedenheit einfache Gesetz in den Gegensatz über; das Wesentliche der Erscheinung wird ihr selbst entgegengesetzt und der erscheinenden Welt tritt die an sich seyende Welt gegenüber. (342 | 168) In der formalen Konstatierung von Wesen und Erscheinung wird der mögliche Widerspruch zwischen der typisierenden Charakterisierung der Erscheinung (was wir sehen, sieht aus wie eine Oase) und der wahren Existenz (dort hinten ist wirklich eine Oase) einerseits aufgehoben – in einem gesetzesartigen Wissen, welche Erscheinungen einigermaßen sichere Anzeichen für welche wesensmäßige Existenz sind. Man denke z. B. auch an die ›Deutung‹ der Ultraschallbilder von Zwillingen. Der naive Realismus unterstellt einfach die objektstufigen Dinge, Eigenschaften und Wirklichkeiten oder Wahrheiten als in der Welt vorhanden, ohne darüber nachzudenken, wie ihre Identität und Existenz im Kontrast zur Nichtexistenz und zu anderen Dingen, Geschehnissen oder Sachen überhaupt (von uns!) so bestimmt sind, dass wir im Erkennen ›richtige‹ Bestimmungen angeben oder feststellen bzw. solche Richtigkeiten im Blick auf implizit bekannte und anerkannte ›Kriterien‹ oder eben Richtigkeitsbestimmungen und Wahrheitsbedingungen beurteilen können. Jetzt erst verstehen wir, warum wir alle, nicht bloß Kant, geneigt sind zu sagen, dass »der erscheinenden Welt« der Phänomene, unserer Unterscheidungen im Dasein, eine »an sich seiende Welt« wirklicher Sachen (Objekte, Dinge, Prozesse) gegenübersteht. Zugleich begreifen wir, wie verkehrt Kants Einschätzung ist, die Welt der Dinge an sich sei ›unerkennbar‹. Damit werden die Objekte unserer
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Weltbezugnahmen erstens rein formal hypostasiert und zweitens sogar noch in eine transzendente Hinterwelt verschoben. Drittens geht dieser Gegensatz in seinen Grund zurück; das Ansichseyende ist in der Erscheinung und umgekehrt ist das Erscheinende bestimmt als in sein Ansichseyn aufgenommen; die Erscheinung wird Verhältniß. | (342 | 168) Wie soll nun aber der Gegensatz von Wesen und Erscheinung »in seinem Grund zurück« gehen? Wie »ist« das, was an sich ist, »in der Erscheinung«? Wie ist »das Erscheinende bestimmt als in sein Ansichsein aufgenommen«? Und zu welchem Verhältnis soll die Erscheinung auf welche Weise werden? – Schon indem wir Hegels Sätze in Fragen verwandeln, haben wir einen wesentlichen Teil ihres Sinns an dieser Übergangsstelle zum neuen Abschnitt mit dem Titel »Gesetz der Erscheinung« erschlossen. Denn es geben die folgenden Überlegungen die Antworten, sodass die vorläufigen Merksätze gerade durch sie erläutert werden. Die Abfolge von vorgreifenden ›Thesen‹ und nachgetragenen ›Erklärungen‹ oder gar ›Begründungen‹ ähnelt daher auf interessante Weise der Ordnung der Sätze in Wittgensteins Tractatus, wo ebenfalls die ›Erläuterungen‹ bzw. ›Begründungen‹ den thesenartigen Orakeln oder Gnomen nachfolgen – sodass diese im Grunde zweimal zu lesen sind, zunächst als Aufriss, worum es geht, und dann vor dem Übergang zum nächsten Thema noch einmal als Zusammenfassung der gegebenen Erläuterungen. Dennoch kann es helfen, schon jetzt – natürlich vorgreifend – auf die Fragen zu antworten. Der Grund des Gegensatzes von Erscheinung und Wesen liegt in der Irrtumsmöglichkeit bei der Anwendung einer Unterscheidung etwa auch von perzipierten Phänomenen und der entsprechenden Klassifikation der zugeordneten Dinge insbesondere im Blick auf die mit diesen über die Wörter bzw. Gattungs- und Artnamen gesetzesartig verknüpften Normalerwartungen oder dispositionellen Wesenseigenschaften. Die Unterscheidungen auf der Erscheinungsebene der Wahrnehmung enthalten längst schon generisches Wissen über Normallfallinferenzen der entsprechend klassifizierten bzw. in ihrer Arttypik, ihrem Wesen, bestimmten Sachen (Dinge, Ereignisse, Prozesse etc.). Die Erscheinung selbst wird so zu einem Verhältnis
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zwischen verschiedenen Ebenen der Unterscheidung. Phänomene stehen so gegen ihre gesetzesartig zugeordneten Ursachen. Diese sind allgemein relevante Besonderungen allgemeiner Typen und werden in Einzelaktualisierungen als existent ausgesagt.
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1. Die Erscheinung ist das Existirende vermittelt durch seine Negation, welche sein Bestehen ausmacht. (242 | 168) Eine Bestimmung ist Ergebnis einer Unterscheidung, einer Negation. Aber schon wenn wir von Himmelsphänomenen, den Sternen und Planeten am Firmament neben Sonne und Mond sprechen, sind diese Erscheinungen nicht einfach als das zu verstehen, was wir sozusagen hier und jetzt sehen, nämlich als so und so verteilte Lichtpunkte oder hell strahlende Flächen, sondern wir beziehen uns schon auf das Existierende, die Ursachen des Sehbaren. Und diese Ursachen, die am Ende als Dinge, Körper, und nicht etwa als ein Feuer auf einem Sonnenwagen oder hinter einer Kugel mit Löchern verstanden werden, sind selbst schon vermittelt durch ihre Negationen. Das zeigen die Verneinungen, die sagen, was die gesehenen Sterne und Planeten nicht sind, welche Annahmen über den Grund (die Ursachen) des Gesehenen nicht zum ›wirklich gesehenen Wesen‹ oder den ›wirklichen Ursachen‹ der Erscheinungen führen. Es geht ja um die relationale Beziehung in den Ausdrücken »Erscheinung eines Wesens« und »Grund einer Existenz«. In gewissem Sinn ist daher die Erscheinung selbst eine Relation, also eine Art gesetzesförmige bzw. begri=liche Verbindung von Wesen und Erscheinung. Diese ist im Normalgebrauch der Wörter längst schon unterstellt. Diese seine Negation ist zwar ein anderes Selbstständiges; aber diß ist eben so wesentlich ein aufgehobenes. Das Existirende ist daher die Rükkehr seiner in sich selbst durch seine Negation und durch die Negation dieser seiner Negation; es hat also wesentliche Selbstständigkeit; so wie es gleich unmittelbar schlechthin Gesetztseyn ist, das einen Grund und ein anderes zu seinem Bestehen hat. – (342 | 169) Warum aber ist die Negation der Erscheinung »ein anderes Selb-
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ständiges« und inwiefern ist sie »ebenso wesentlich ein aufgehobenes« Selbständiges? In unseren Beispielen der Oase und der Sterne negiert die Existenz der Oase den bloßen Schein einer Fata Morgana, die Existenz der Sterne als Himmelskörper die Vorstellung, es könne sich um Verzierungen des Gewandes einer Himmelskönigin handeln. Wesentlich aufgehoben ist die Selbständigkeit sowohl der Erscheinung als auch des Wesens eben durch ihre gesetzesförmige Beziehung aufeinander, wie wir sie etwa ›automatisch‹ anwenden, wenn wir z. B. im Ultraschall Zwillinge sehen (oder im Irrtumsfall zu sehen meinen), obwohl wir ›eigentlich‹ nur irgendwelche sich ändernden Muster in einem bildgebenden Verfahren auf einem Bildschirm sehen. Das Existierende, das wir als Ursache dessen, was wir wirklich sehen oder durch andere Versinnlichungen (etwa akustisch oder haptisch) perzipieren, »ist daher die Rückkehr« der bloßen Annahme oder des Scheins, eine Sache dieser oder jener Art läge vor, »in sich«, indem wir sozusagen bestätigen, dass es nicht bloß der Schein einer Oase bzw. zweier Embryos ist, den wir wahrgenommen haben, sondern die von diesen, wie wir dann reflexionslogisch sagen, bewirkten und daher verursachten Erscheinungen. Die Ursachen haben als ›objektive‹ Sachen (Dinge, Prozesse) »wesentliche Selbständigkeit«, gerade auch indem sie gegen relevante Alternativen allgemein bestimmt sind und ihre Existenzbewertung nicht bloß ad hoc dem Zufall des einzelnen Urteils der Einzelperson überlassen bleibt. Der Kontrast zu dem, was nicht existiert, und die Identität zu verschiedenen Erscheinungen desselben Existierenden werden allgemein in ihrer Form als bekannt vorausgesetzt – und wie sie im besonderen Fall richtig anzuwenden sind oder zu gebrauchen wären. In eben diesem Sinn ist sowohl das Wesen als auch seine Erscheinung ein Gesetztsein. Die Sache als Ursache ist Grund. Sie fungiert im Kontext der ›Begründung‹ oder ›Erläuterung‹ ihrer Wirkung, der Erscheinung, als ein Bestehen anderer Art, so wie die Oase auf andere Art besteht als der Schein einer Fata Morgana. Das gesehene Reh existiert auf andere Art als der Schein, auf dessen Grundlage ich meine, dort eine Kuh zu sehen, wo das Reh ist, dieses also fehlklassifiziere und damit seine ›Existenz‹ (und ›Identität‹) verfehle.
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Fürs erste ist also die Erscheinung die Existenz zugleich mit ihrer Wesentlichkeit, das Gesetztseyn mit seinem Grunde; aber dieser Grund ist die Negation; und das andere Selbstständige, der Grund des ersten, ist gleichfalls nur ein Gesetztseyn. (342 | 169) Die Erscheinung der Sterne am Himmel ›ist‹ ihre Existenz. Ihr SichZeigen ist schon verbunden mit der Wesentlichkeit, dass sie Himmelskörper, also Sterne sind, und nicht bloße Lichtpunkte wie etwa in künstlichen Planetarien. Dazu muss die Erscheinung mit ihrem Grund gesetzt sein, wie wir inzwischen schon oft gehört und gesagt haben. Dieser Grund »ist die Negation« – nämlich des bloßen Scheins. Er wird als selbständig unterschiedene bzw. unterscheidbare Sache gefasst bzw. vorausgesetzt. Dabei sind sowohl jede Typisierung eines Scheins bzw. einer Erscheinung als auch ihrer möglichen Ursachen »ein Gesetztsein«, also als von uns allgemein bestimmt und damit je im besonderen Einzelfall als richtig bestimmbar vorausgesetzt. Oder das Existirende ist als Erscheinendes in ein anderes reflectirt und hat es zu seinem Grunde, welches selbst nur ¦ diß ist, in ein anderes reflectirt zu seyn. Die wesentliche Selbstständigkeit, die ihm zukommt, weil es Rükkehr in sich selbst ist, ist um der Negativität der Momente willen, die Rükkehr des Nichts durch Nichts zu sich selbst zurück; die Selbstständigkeit des Existirenden ist daher nur der wesentliche Schein. (342 f. | 169) Alles, von dem wir sagen, dass es existiert, ist ein Erscheinendes. Alle in der Welt existierenden Sachen (was jede bloß abstrakte Existenz etwa von mathematischen Gegenständen und auch jedes bloß auf solche abstrakten Bereiche sich beziehende »es gibt« ausschließt!) sind mit typischen Phänomenen wesentlich verbunden. Insofern ist alles »in ein Anderes reflektiert« und hat dieses Andere »zu seinem Grunde«. – Wie jetzt wirklich schon oft gesagt wurde, bedeutet dies, dass die Erscheinung dieses Grundes, Wesens oder wie man auch zu sagen geneigt sein mag, das so und so von der Sache an sich nach generischen Normalgesetzen ›bewirkte‹ Phänomen ist. Das setzt die schon oben (wie wir jetzt sehen: vorgreifend) besprochene feste Beziehung zwischen dem Wesen als Grund seiner Erscheinung und der Bestimmung der Erscheinung über sein Wesen voraus, so wie man von den astronomischen Phänomenen spricht und dabei in
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gewissem Sinn zugleich an die wahrnehmbaren Lichtflecken und die sie (nach unseren begri=lichen Erklärungen aufgrund allgemeinen Wissens) theoretisch zureichend erklärenden Himmelskörper und ihre Bewegungen und Prozesse denkt. Es gibt in gewissem Sinn eine doppelte Rückkehr zu sich selbst: Im Ausgang vom perzipierten Phänomen wird auf die beste Erklärung bzw. als kanonisch gesetzte Normalfallerklärung als Grund, Ursache oder wirkende Sache geschlossen und über die Setzung ihrer Existenz die Erscheinung als Erscheinung dieser Sache erklärt. Im Ausgang von der Möglichkeit, dass diese oder jene Sache vorhanden sein könnte, wird über das Wissen um die Normalfolgen, welche u. a. die Existenz der Sache normalerweise garantieren, nach seinen Erscheinungen gesucht, um zur Aussage zurückzukommen, dass die Sache wenigstens ›wirklich möglich‹, wenn nicht in der Tat ›tatsächlich wirklich‹ ist. Die Formulierungsschwierigkeiten, in die wir hier geraten, sind nicht zufällig. Ohne die auch von Hegel bemerkten Doppelbelegungen der Betonungswörter »real«, »wirklich« usf. und ohne die Unterscheidung zwischen bloß formalen und wirklichen Möglichkeiten kommen wir hier ebenso wenig aus wie ohne Mehrfachbelegung der Ausdrücke »Schein«, »Phänomen« und »Erscheinung« etwa in Kontexten der Rede von einem »bloßen Schein« oder einer Erscheinung unter Abstraktion von ihrem Wesen, als könnte man Erscheinungen ohne Bezugnahme auf ihre normalen Ursachen überhaupt bestimmen. Ohne die hier nur explizit gemachte ›Reflektiertheit‹ des Wesens (der Ursache) in der Erscheinung und der Erscheinungen in ihren Ursachen und ohne die skizzierten Strukturen der ›Rückkehr‹ sind weder Wesen (Ursachen) noch Erscheinungen (phänomenal unterschiedene Wirkungen) bestimmt (oder bestimmbar). Hegel charakterisiert diese Struktur der Rückkehr noch einmal katachrestisch (und damit leicht ironisch) als »Rückkehr des Nichts durch Nichts zu sich selbst zurück«. Wer die Phrase für ausgemachten Unsinn hält, hat zwar formal recht, aber erstens keinen Humor und zweitens keine kooperative Vernunft bzw. Urteilskraft und Leseerfahrungen in seinen mangelhaften hermeneutischen Bemühungen – obgleich ich völliges Verständnis für die Verzweiflung habe, in welche solche Passagen im logischen Denken schlecht vorbereitete Leser
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(wie etwa Arthur Schopenhauer) gestürzt haben und regelmäßig stürzen. Gerade weil Hegel den Begri= der Erscheinung als Negation eines möglichen Scheins erläutert, den Schein aber als Negation der Existenz (bzw. der Wirklichkeit) einer (so und so bestimmten und damit längst schon generisch in ihrer besonderen Art zu fassenden) Sache begreift, kann er sagen: Jede Aussage über eine Erscheinung eines Wesens oder die Existenz einer (wirklichen) Sache hat eine ›Bewegung‹ im Rücken von einem (möglichen) Nichts oder Nichtsein über das Nichts der Verneinung des bloßen Scheins. So wird eben das Nichtsein des Scheins im existenten Wesen aufgehoben. Man kehrt sozusagen vom Zweifel an einem möglichen Grund zu diesem zurück, setzt eine Sache als Ursache einer als existent ausgewiesenen Erscheinung und erklärt sie für bestehend. Dies geschieht unter Anwendung der Unterscheidung zwischen bloßem Schein und Erscheinung (des Wesens X ) einerseits, zwischen verständigen Urteilen über zureichende und unzureichende Gründe für oder gegen das Bestehen der Sache bei vorliegendem ›Schein‹ andererseits. Dabei können normalerweise hinreichend gute Gründe im seltenen, oft irrelevanten, jedenfalls kontingenten und daher (noch) nicht als typisch behandelbaren Fällen auch scheitern. Daher sind alle unsere Urteile irgendwie fallibel, aber zumeist nicht so, dass wir uns darum allzu sehr kümmern sollten, da alles Verstehen und Wissen ohnehin nur grob ist. Das ist schwer zu schlucken, aber die reine Wahrheit. Die »Selbständigkeit des Existierenden«, dass es also z. B. die Sterne als (wahre) Ursachen der Lichtpunkte am Firmament oder die Drehung der Erde als (wahre) Ursache von Tag und Nacht gibt, wird auf diese Weise als »der wesentliche Schein« ausgewiesen. Damit wird die Annahme zurückgewiesen, das irgendwie ›erfahrene‹ Phänomen und seine als möglich naheliegende (Wesens-)Bestimmung (oder ›Erklärung‹) seien ›bloßer Schein‹, ›bloß subjektive Meinung‹, ›bloße doxa‹. Dies geschieht auf der Grundlage allgemeinen Wissens und besonderer Beurteilung. Mit anderen Worten, wer bloß verbal auf den Boden stampft und sagt, es sei doch klar, dass die Sonne als Zentrum der Sonnenplaneten existiere, sich die Erde um diese und ihre eigene Achse drehe usf., der betont eigentlich nur einen geschichtlich
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gesetzten ›wesentlichen Schein‹, also die inzwischen anzuerkennenden Wesenserklärungen der Himmelsphänomene. Diese Analyse stellt ›die Wirklichkeit‹ der genannten Tatsachen nicht etwa infrage, bestätigt sie vielmehr. Diese Tatsachen sind aber als Inhalte wesenslogisch verfasster Aussagen bestimmt. Ihre Reflektiertheit besteht in der impliziten Verneinung bestimmter alternativer Auffassungen. Das bringt auf logisch interessante Weise die geschichtliche Entwicklung unserer Setzungen ins Spiel. Gesetze und materialbegri=liche Festlegungen für (mögliche) Beziehungen zwischen ursächlichem Wesen und seiner (von ihr bewirkten) Erscheinung (oder Existenz) sind nur so zu verstehen. Der Zusammenhang des sich gegenseitig begründenden Existirenden besteht darum in dieser gegenseitigen Negation, daß das Bestehen des einen nicht das Bestehen des andern, sondern dessen Gesetztseyn ist, welche Beziehung des Gesetztseyns allein ihr Bestehen ausmacht. (343 | 169) Erscheinung und Wesen ›begründen‹ sich gegenseitig, indem vom Wesen auf seine Erscheinung geschlossen werden kann – und umgekehrt von den wesensbestimmenden Erscheinungen auf die Existenz einer Sache der entsprechend bestimmten Art – also z. B. von der ›Negation‹, dass der Anschein der Oase bloßer Schein, ein bloßes Luftbild, ist, auf den Grund oder die Ursache dessen, was gesehen wird (videtur). Ihr Zusammenhang ergibt sich gerade aus der Verschiedenheit der unterscheidenden Wesens-Arten und ErscheinungsTypen, die grundsätzlich so verfasst ist, dass das Bestehen der einen nicht immer mit absoluter Notwendigkeit das Bestehen des anderen absichert, es aber ein generisches Wissen über Normalbedingungen gibt, wie sie hier dauernd schon betont werden. Hegels Analyse macht daher sowohl Platz für Fallibilität, Zufall und Kontingenz als auch für ein angemessenes Verständnis von robustem Wissen um allgemeine, generische Zusammenhänge. Diese stammen aus dem einzigen überzeitlichen und daher substantiellen Wissen, das es im Weltbezug gibt. Sogenannte metaphysische Notwendigkeiten hinter dem Rücken unserer Wissenspraxis dagegen sind utopische Träume in irreführenden Vorstellungen der ganzen Welt sub specie aeternitatis.
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Der Grund ist vorhanden, wie er in seiner | Wahrheit ist, nemlich ein Erstes zu seyn, das nur ein vorausgesetztes ist. (343 | 169 f.) Generisches Wesen und materialbegri=liche Normalfallbedingungen für Defaultinferenzen als Berechtigungen vernünftiger Schlüsse und definitorischer Festlegungen (›Zuschreibungen‹) von Dispositionen (Kompetenzen, Fähigkeiten, Vermögen, Kräften) ergeben sich generell bloß in einer Praxis des Setzens von Gesetzen. Sie gehören zum Bereich des Gesetztseins. Entsprechend gibt es Ursachen als Inhalte wirkkausal erklärender Gründe immer nur in der Form, dass die wirkende Sache auf der Wesensebene vorausgesetzt wird. Man schließt von der Erscheinung auf das Vorhandensein der wesentlichen Ursache. Die ›Normen‹ der Berechtigung des Schlusses von Erscheinungen auf ihr Wesen und von wesensförmigen Sachen auf ihre Erscheinungen werden als bekannt voraussetzt. Diß macht nun die negative Seite der Erscheinung aus. Aber in dieser negativen Vermittlung ist unmittelbar die positive Identität des Existirenden mit sich enthalten. Denn es ist nicht Gesetztseyn gegen einen wesentlichen Grund, oder ist nicht der Schein an einem Selbstständigen; sondern ist Gesetztseyn, das sich auf ein Gesetztseyn bezieht, oder ist ein Schein nur in einem Scheine. (343 | 170) Die negative Seite der Erscheinung besteht darin, dass ihre Bestimmung als Erscheinung des Wesens X – etwa als Erscheinung einer Oase oder als Ultraschallbild zweier Embryos – gerade nicht bloß eine Unterscheidung im Bereich des sinnlich Perzipierbaren ist, sondern auf begri=liche Vorbeurteilungen und einen Aufriss von unterstellten wesentlichen oder relevanten Möglichkeiten auf der wesenslogischen Ebene ›wirklicher Gründe‹ bzw. Ursachen immer schon vorgreift. Die ›positive Identität des Existierenden‹ ist dabei gerade das, wie sich etwas (normalerweise) oder auch hier und jetzt im Einzelfall des Daseins zeigt. Das Existierende – auf welches Hegels Wort »es« im zweiten Satz referiert – ist nicht einfach »gegen einen wesentlichen Grund« gesetzt, also etwa bloß vorgestellt. Es ist auch nicht »Schein an einem Selbständigen«, als wäre ohne jede Vermittlung durch Erscheinungen eine Bestimmung einer wirkenden Ursache »an sich« möglich im transzendenten Sinn Kants, der hier dem naiven Realismus der Rede über eine wahre Welt wirklicher Din-
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ge hinter unseren realen Weltbezügen zum Opfer fällt. Im Genitiv des Ausdrucks »Was ich sehe, ist die Erscheinung einer Oase« wird die (behauptete) Wirklichkeit, dass dort eine Oase ist, repräsentiert. Damit kommt ein Gesetztsein zum Vorschein. Manche Autoren sprechen von Hypothesen. Das Wort verweist zwar durchaus auf implizite Unterstellungen, aber Hegels hier analysierte Rede von einem vorausgesetzten Gesetztsein tri=t die Sache besser. Wenn wir zwischen Hegels Ausdrucksformen und ihren Inhalten unterscheiden lernen, dann mag uns der Wortlaut immer mal wieder irritieren, aber der Gedanke scheint nicht bezweifelbar zu sein. Wir sollten uns nämlich in der Tat von naiven Gebräuchen der Wörter »Erscheinung«, »Existenz«, »Ding«, »Wahrheit« und aller anderen semantischen Reflexionstermini fernhalten, also jeweils nachzufragen bereit sein, was die Leute mit ihren Betonungswörtern »wirklich« und »real«, »möglich« usf. wohl sagen wollen. Dass sich in ›kausalen‹ Erklärungen in einem Wissen über das Verhältnis von Wesen und Erscheinungen ein Gesetztsein auf ein Gesetztsein bezieht, liegt eben daran, dass die Typisierungen auf der Ebene der Phänomene und der Ursachen auf verschiedene Weise sprachlich-begrifflich verfasst sind. Entsprechendes gilt für den nur scheinbar irrsinnigen Satz, ein existierendes Ding – unsere Oase – sei »ein Schein nur in einem Scheine«. Der katachrestische Merksatz versucht, die Erinnerung daran aufrechtzuerhalten, dass im Schein der Erscheinung ein Wesen aufscheint. Wenn etwas bloß etwas Bestimmtes zu sein scheint, ist es als etwas Anderes bestimmt bzw. zu bestimmen. Im Merksatz zeigt sich auch die Mehrfachbedeutung des Wortes »Schein«. Während die Aussageform »erscheint« (griechisch: dokei) sich auf eine naheliegende Meinung (doxa) bezieht, bezieht sich der ›sinnliche‹ Schein auf das Perzipierbare, pars pro toto oder prototypisch auf das Sehbare, das von dieser oder jener Art zu sein scheint. Der Weg zum Vorschein des apparet, der appearance, ist gar nicht weit. Es bezieht sich in dieser seiner Negation oder in seinem Andern, das selbst ein aufgehobenes ist, auf sich selbst; ist also mit sich identische oder positive Wesentlichkeit. – (343 | 170) Ein wirklich vorhandenes ›Ding‹ ist eine Position, ein relationales Moment, in einer prozessualen Struktur. Schon daher ist es, wie man
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sagt, theorieabhängig in seinem Sein bestimmt. Hegels Rede von »dieser seiner Negation« bezieht sich darauf, dass so alle Bestimmungen auf typischen Unterscheidungen, Relationen und Prozessen (im Werden) gründen. Eine wesenhafte, d. h. wesenslogische, Sache ist in ihrer relativen Selbständigkeit immer nur im ›negativen‹ Unterschied zu ›ihren Erscheinungen‹bestimmbar. Nur im Hin und Her zwischen Wesen und Erscheinung ist ein Ding, eine wirkliche Sache, bestimmt. Die Bestimmung verlangt jeweils eine dialogisch-dialektische Aufhebung der Verschiedenheit von Wesen und Erscheinung in der Existenz. Diese zeigt sich praktisch, wo wir so tun und reden, als bezögen wir uns in der Wahrnehmung direkt auf die selbständige, vom subjektiven Schein der Phänomene für uns unabhängige, absolute Sache ›an sich‹. – Die objektive Sache – also das wirkliche Ding, das wirkliche Ereignis, der objektive Sachverhalt, das reale Bestehen eines laufenden Prozesses usf. – ist in diesem Sinn »mit sich identische oder positive Wesentlichkeit«. Mit dem Wort »positiv« ist daher immer auch ein Gesetztsein des ponere und positivum mitzudenken. Dieses Identische ist nicht die Unmittelbarkeit, die der Existenz als solcher zukommt, und nur das Unwesentliche ist, sein Bestehen in einem Andern zu haben. Sondern es ist der wesentliche Inhalt der Erscheinung, welcher zwey Seiten hat, erstens in der Form des Gesetztseyns oder der äusserlichen Unmittelbarkeit, zweytens das Gesetztseyn als mit sich identisches zu seyn. Nach der ersten Seite ist er als ein Daseyn, aber als ein zufälliges, unwesentliches, das nach seiner Unmittelbarkeit dem Uebergehen, Entstehen und Vergehen unterworfen ist. Nach der andern Seite ist er die einfache jenem Wechsel entnommene Inhaltsbestimmung, das Bleibende desselben. (343 | 170) Die ›Identität‹ einer wesenslogisch bestimmten Sache (als Ursache ihrer Erscheinung qua Existenz) ist nicht ›unmittelbar‹ durch eine Unterscheidungspraxis und Äquivalenzbewertung verschiedener und gleicher Erscheinungen bestimmt. Das hat sich an der Widerlegung einer so genannten qualitativen Materie gezeigt. Die Äquivalenzbeziehung, welche zur Sachidentität führt, etwa zur Gleichheit des Dinges oder Objektes ›mit sich‹, und das System der mit seinem Arttyp verbundenen Normalfallinferenzen und Dispositionen ist als wesentli-
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cher »Inhalt der Erscheinung« relational und dispositionell bestimmt. Der Stuhl vor mir ist in seinen Gebrauchsmöglichkeiten der wesentliche Inhalt meiner Stuhlwahrnehmung. Von der Oase erwarte ich Wasser. Die Form des Gesetztseins betri=t die Wesensbestimmung der Sachen in ihren normalen Wirkungen sowohl auf andere Sachen als auch auf ›ihre Erscheinungen‹, ihre ›äußere Unmittelbarkeit‹. Der di=erentielle Inhalt der Erscheinung ist ein Dasein, ausgedrückt in (ggf. noch nicht weiter reflektierten) Aussageformen der Form »Schau, da ist eine Oase«, der als solcher aber auch Inhalt eines gemeinsamen Scheins sein kann. Der inferentielle Inhalt ist dispositionell und »jenem Wechsel« der bloßen Gestalt enthoben, das substantiell Bleibende des Inhalts, das als solches, wie zu sehen sein wird, Manifestation der Art oder des Begri=s ist. So ist der inferentielle Inhalt, eine Oase oder ein Stuhl zu sein, unabhängig davon bestimmt, was bloß eine Oase oder ein Stuhl zu sein scheint. Ausserdem daß dieser Inhalt überhaupt das Einfache des Vergänglichen ist, ist er auch bestimmter, in sich verschiedener Inhalt. Er ist die Reflexion der Erscheinung, des negativen Daseyns, in sich, enthält also die Bestimmtheit wesentlich. Die Erscheinung aber ist die seyende vielfache Verschiedenheit, die sich in unwesentlicher Mannichfaltigkeit herum|wirft; ihr reflectirter Inhalt dagegen ist ihre Mannichfaltigkeit auf den einfachen Unterschied reducirt. (343 | 170 f.) Formal behandeln wir den Inhalt als etwas ›Einfaches‹. Es kann ein Phänomen aber auch verschiedene Inhalte haben. Ein Lebewesen kann in verschiedenen Lebensphasen anders aussehen und anderes tun wie z. B. Raupe und Schmetterling. Jeder derartige gegenstandsbestimmende Inhalt »ist die Reflexion der Erscheinung« auf das in ihr erscheinende Wesen »des negativen Daseins« des bloßen Phänomens, das wesentlich durch Bezugnahme durch uns, wie es uns sinnlich (er)scheint, bestimmt ist. Die erfahrene Sache (selbst) aber enthält »die Bestimmtheit wesentlich«. Die Erscheinung ohne Bezugnahme auf ihr Wesen wäre eine bloße Menge oder Mannigfaltigkeit von Verschiedenheiten ohne Einheit oder Einfachheit. In der Sache selbst als ›reflektierter Inhalt‹ ihrer Erscheinung ist die Mannigfaltigkeit von Erscheinungsweisen »auf den einfachen Unterschied« der relevanten Wesensbestimmungen »reduziert«. Das
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kann einen zu erwartenden oder möglichen phänomenalen Schein einschließen. Wir unterscheiden im Blick auf die Oase, den Stuhl oder das Reh am Ende nur noch dazwischen, ob das, worauf wir uns beziehen, wirklich Oase und nicht weiter bloße Wüste, der Stuhl ein wirklich gebrauchbares Sitzmöbel oder das vermeinte gesehene Reh bloß aus Gips oder vielleicht ein anderes Tier, eine Kuh, ist. Die Sachen selbst sind daher in gewisser Weise schematisch, grob und allgemein bestimmt. Individuell-zufällige Abweichungen vom Normalen zählen nicht für das Normalfallwissen und die gute Urteilskraft, die sich auch schon einmal zufällig täuschen kann. Die Oase könnte z. B. kein trinkbares Wasser haben und doch als Oase zählen. Der Stuhl könnte aufgrund des morschen Holzes unbrauchbar geworden sein und doch noch als Stuhl zählen – oder eben nicht, etwa wenn unser Gesprächspartner betont, in einer wirklichen Oase müsse es Trinkwasser geben, ein wirkliches Reh müsse noch laufen können und ein wahrer Stuhl als bewegliches Sitzmöbel taugen. Der bestimmte wesentliche Inhalt ist nemlich näher, nicht nur bestimmt überhaupt, sondern als das Wesentliche der Erscheinung die vollständige Bestimmtheit; eines und sein anderes. In der Erscheinung hat jedes dieser beyden sein Bestehen so in dem andern, daß es zugleich nur in dessen Nichtbestehen ist. (343 | 171) Wir kommen immer wieder darauf zurück, dass »der bestimmte wesentliche Inhalt« einer Erscheinung als »das Wesentliche der Erscheinung« bestimmt ist, also nicht unabhängig von der im Genitiv formulierten Standardbeziehung des Wesens auf seine Erscheinung und der Erscheinung auf das in ihr erscheinende Wesen. Das aber heißt, dass die in den Genitiven ausgedrückten Beziehungen begri=lich wesentlich für die Gesamtbestimmung des Wesens der Erscheinung und der Erscheinung des Wesens sind. Die Ursache des Scheins einer Oase steht gegen die o=enkundige Existenz der Oase. Im begri=lichen Normalfall besteht die Oase in ihrer o=enbaren Erscheinung. Dennoch kann es aufgrund der formalen Trennbarkeit von Wesen und Erscheinung sein, dass die normalerweise unterstellte gesetzesförmige Beziehung nicht besteht. Wir sagen dann, dass keine Oase vorliegt. Die Oase existiert nicht. Sie kommt nicht zum Vor-
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schein. Sie scheint bloß zu existieren. In einem solchen Fall ist, was wirklich gesehen wird, eine Fata Morgana, bloßer Schein einer Oase. Dieser Widerspruch hebt sich auf; und die Reflexion desselben in sich, ist die ¦ Identität ihres beyderseitigen Bestehens, daß das Gesetztseyn des einen auch das Gesetztseyn des andern ist. (343 f. | 171) Der Unterschied zwischen Wesen und Erscheinung in ihrer Entgegensetzung und der Widerspruch zwischen bloßem Schein und wirklicher Existenz von X »hebt sich auf«, wenn der Inhalt des Wesens und der Inhalt der Erscheinung identisch sind und, wie in den Genitiven artikuliert, die (voraus-)gesetzte »Identität ihres beiderseitigen Bestehens« als gesichert oder gegeben gelten kann. Das Gesetztsein des einen als Bestimmung des Typs dessen, was in der Erscheinung zum Vorschein kommen soll, des Wesens, das in der Existenz herauszustehen scheint, ist dann auch »das Gesetztsein des andern«, als Bestimmung der Sache selbst, des Dings, Ereignisses etc., das sich in der Erscheinung als vorhanden ausweist bzw. in der Reflexion auf Geltung und Bestehen gegen mögliche kritische Bedenken ausgewiesen hat. Sie machen Ein Bestehen aus, zugleich als verschiedener, gegen einander gleichgültiger Inhalt. In der wesentlichen Seite der Erscheinung ist somit das Negative des unwesentlichen Inhalts, sich aufzuheben, in die Identität zurükgegangen; er ist ein gleichgültiges Bestehen, welches nicht das Aufgehobenseyn, sondern vielmehr das Bestehen des andern ist. Diese Einheit ist das Gesetz der Erscheinung. (344 | 171) Das Bestehen des Wesens der Oase und der Erscheinung, in der es voll zum Vorschein kommt, ist ein Bestehen. Nur in Bezug auf die kategorialen Inhaltsmomente der Bestimmung einer wirklichen Sache und der sie zeigenden Erscheinungen gibt es Unterschiede, wobei die Äquivalenz oder Gleichgültigkeit der Inhalte aspektgemäß verschieden sind: Was als äquivalente Erscheinung desselben Dings zählt, ist davon zu unterscheiden, was als erscheinungsgleiche Gestalt z. B. gesehen wird. Eine Oase hat verschiedene Erscheinungen. Sie kommt auf unterschiedliche, aber gleich gültige Weise zum Vorschein. Wenn wir gemeinsam eine Art Oasen-Bild beschreiben, ohne schon zu wissen, ob es eine Erscheinung einer wirklichen Oase oder einer Fata
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Morgana ist, und etwa sagen: Schau, das sind grüne Bäume, Wasser etc. (die es ggf. gar nicht gibt), benutzen wir andere Äquivalenzen und Gleichgültigkeiten. Es bedarf einer Äquivalenz, welche über die formale Trennung von Wesen und Erscheinung hinausgreift. Eine solche ist (nur) durch ›das Gesetz der Erscheinung‹ gegeben und in einer entsprechenden Reflexion ggf. explizit anzugeben. 2. Das Gesetz ist also das Positive der Vermittlung des Erscheinenden. Die Erscheinung ist zunächst die Existenz als die negative Vermittlung mit sich, so daß das Existirende durch sein eigenes Nichtbestehen, durch ein Anderes, und wieder durch das Nichtbestehen dieses Andern mit sich vermittelt ist. (344 | 171) Warum und wie unterscheidet Hegel nun einen ›Schein‹ im allgemeinen Sinn, welcher den bloßen Schein und phänomenal ausgewiesene Erscheinungen umfasst, von einer ›unwesentlichen Erscheinung‹? Zunächst bestimmt Hegel die ›theoretisch‹ gesetzten Normalfallregeln der Verbindung von Wesenstyp und Erscheinungstyp, das Gesetz der Erscheinung, als das »Positive der Vermittlung des Erscheinenden«. Ohne dieses Gesetz ist kein einziger Wesenstyp konkret definiert. Es bestimmt die Di=erenz zu anderen Arten von Gegenständen. Die Existenz »als die bloß negative Vermittlung mit sich« betri=t bloß erst einen variablen Gegenstand. Das existierende Wesen aber, das sich in seiner Erscheinung zeigt, ist, wie Hegel leicht kryptisch sagt, »durch sein eigenes Nichtbestehen« vermittelt, also durch »ein Anderes, und wieder durch das Nichtbestehen dieses Anderen«. Das liegt daran, dass die ›Gegenstände‹, die wir in der Welt erfahren, etwa als Dinge wahrnehmen, keineswegs rein für sich bestimmt sind, sondern in negativer Beziehung zu je Anderem, das sie nicht sind. So ist eine Oase keine Fata Morgana, ein Stuhl kein Tisch, ein Reh keine Kuh etc. Dieses Reh hier ist, wie es ist, von allen anderen Rehen unterschieden, aber nicht von den verschiedenen Teilen, Aspekten und Erscheinungsweisen eben dieses Rehs, so wie ich als Person eine Einheit bin und bleibe, auch wenn in Bezug auf verschiedene personale Aspekte manchmal von verschiedenen Personen (Persönlichkeiten, Seelen) ›in meiner Brust‹ die Rede sein mag, sogar von ›Schizophrenie‹ oder einem Dr.-JekyllMr.-Hyde-Syndrom.
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Darin ist enthalten erstens das blosse Scheinen und das Verschwinden beyder, die unwesentliche Erscheinung; zweytens auch das Bleiben oder das Gesetz; denn jedes der beyden existirt in jenem Aufheben des andern; und ihr Gesetztseyn als ihre Negativität ist zugleich das identische, positive Gesetztseyn beyder. | (344 | 171) In jedem gegenständlich angesprochenen Wesen g des Typs G ist materialbegri=lich sozusagen ›alles‹ enthalten, was wir als Erscheinung von g von einem bloßen Schein von g unterscheiden, »die unwesentliche Erscheinung« und die Erscheinung des Wesens selbst, also z. B. der Schein, der Stab sei geknickt, der im Wasser steht, und der Vorschein des geraden Stabes, wenn wir ihn aus dem Wasser ziehen. Insbesondere aber ›enthält‹ der Begri= des wesentlichen bzw. wesenslogisch zu verstehenden Gegenstandes g das Gesetz seiner (normalen bzw. besonderen) Erscheinung als G -Gegenstand. Diß bleibende Bestehen, welches die Erscheinung im Gesetze hat, ist somit, wie es sich bestimmt hat, erstlich entgegengesetzt der Unmittelbarkeit des Seyns, welche die Existenz hat. Diese Unmittelbarkeit ist zwar an sich die reflectirte, nemlich der in sich zurükgegangene Grund; aber in der Erscheinung ist nun diese einfache Unmittelbarkeit von der reflectirten unterschieden, welche im Dinge erst sich zu trennen anfingen. Das existirende Ding ist in seiner Auflösung dieser Gegensatz geworden; das Positive seiner Auflösung ist jene Identität des Erscheinenden als Gesetztseyns mit sich in seinem andern Gesetztseyn. – (344 | 172) Das »bleibende Bestehen« eines Gegenstandes ist vermittelt durch eine gesetzesartige Zuordnung verschiedener Erscheinungen des Gegenstandes g aus verschiedenen (raumzeitlichen) Perspektiven. Als solche ist es klarerweise »entgegengesetzt der Unmittelbarkeit des Seins«, bestimmt in unmittelbaren Unterscheidungen im oder am Dasein, in bloß präsentischen, bloß ›subjektiven‹, also von je meiner oder unserer Perspektive abhängigen sinnlich vermittelten qualitativen Bestimmungen. Die unmittelbaren Unterscheidungen bleiben dennoch der wahre Grund für alle Gegenstandsbestimmung. Das Wesen ist nach wie vor der reflektierte, »in sich zurückgegangene Grund«. Wir haben daher
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die einfache Unmittelbarkeit qualitativer Unterschiede des bloßen Phänomens (des unwesentlichen Scheins der Erscheinung oder der Existenz) von der reflektierten des wesenslogischen Gegenstandsbezugs, seiner Erscheinung, zu unterscheiden. Der Kontrast ist ohne das vorausgesetzte Gesetz der Erscheinung, z. B. in Gestalt von materialbegri=lich zugeschriebenen Kräften (Dispositionen, Wirkungen) entsprechend unterschiedener Sachen (Dinge, Prozesse . . . ) nicht zu verstehen, ja gar nicht definiert. Zweytens ist diese reflectirte Unmittelbarkeit selbst bestimmt als das Gesetztseyn, gegen die seyende Unmittelbarkeit der Existenz. Diß Gesetztseyn ist nunmehr das Wesentliche, und wahrhaft Positive. Der deutsche Ausdruck Gesetz enthält diese Bestimmung gleichfalls. In diesem Gesetztseyn liegt die wesentliche Beziehung der beyden Seiten des Unterschiedes, die das Gesetz enthält; sie sind verschiedener gegen einander unmittelbarer Inhalt und sind diß als die Reflexion des der Erscheinung angehörigen, verschwindenden Inhalts. (344 | 172) Die reflektierte Unmittelbarkeit einer Sache (für sich) ist ein Gesetztsein, indem eine gesetzesförmige Beziehung zur »seienden Unmittelbarkeit der Existenz«, ihres Vorscheins, vorausgesetzt ist. Diese Setzungen, die sagen, was die Sache ist, wenn sie denn existiert, also welche Wirkungen sie normalerweise oder immer hervorbringt, »ist nunmehr das Wesentliche, und wahrhaft Positive«. Was genau aber meint ein Ausdruck wie »die Reflexion des der Erscheinung angehörigen, verschwindenden Inhalts«? Welcher Inhalt verschwindet hier wie? Es geht wohl um die »beiden Seiten des Unterscheidens, die das Gesetz enthält«, also die wesens- oder artgemäß und damit allgemein oder an sich bestimmte Sache auf der einen Seite, ihre Erscheinung bzw. ihr möglicher Schein auf der anderen. Das Gesetz sagt, wie wir von einem Schein über ein begründetes Urteil in Bezug auf das Wesen bzw. die Sache selbst zur Erscheinung der wirklichen Sache gelangen. Die Reflexion, die wir hier explizieren, ist gerade diese Bewegung samt der unter Umständen nötigen Veränderung des Inhalts des Scheins zum Inhalt der Erscheinung, etwa von der Fata Morgana einer Oase zur wirklichen Oase am Horizont (oder umgekehrt).
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Als wesentliche Verschiedenheit, sind die Verschiedenen einfache sich auf sich beziehende Inhaltsbestimmungen. Aber eben so sehr ist keine für sich unmittelbar, sondern jede ist wesentlich Gesetztseyn, oder ist nur, insofern die andere ist. (344 | 172) Wesentliche Verschiedenheiten sind Artverschiedenheiten wie z. B. zwischen Rehen und Kühen, aber auch Verschiedenheiten von Einzelgegenständen wie zwischen der Kuh Mathilde und der Kuh Resi. ›Unwesentliche‹ Verschiedenheiten – wie sich Hegel etwas unpassend ausdrückt – sind solche auf der Ebene der Phänomene, die nicht gesetzesartig mit Sachunterschieden korrelieren. Dabei ist keine wesentliche Verschiedenheit qualitativ unmittelbar kontrollierbar oder gegeben, da sie durch materialbegri=liche Bestimmungen bzw. gesetzesartige Di=erenzierungen und Normalfallinferenzen bestimmt ist. Sonst gibt es keine Unterscheidung zwischen Wesen und Erscheinung. Drittens Erscheinung und Gesetz haben einen und denselben Inhalt. Das Gesetz ist die Reflexion der Erscheinung in die Identität mit sich; so steht die Erscheinung als das nichtige Unmittelbare dem insichreflectirten gegenüber, und sie sind nach dieser Form unterschieden. Aber die Reflexion der Er¦scheinung, wodurch dieser Unterschied ist, ist auch die | wesentliche Identität der Erscheinung selbst und ihrer Reflexion, was überhaupt die Natur der Reflexion ist; sie ist das im Gesetztseyn identische mit sich, und gleichgültig gegen jenen Unterschied, welcher die Form oder das Gesetztseyn ist; also ein Inhalt, der sich aus der Erscheinung in das Gesetz continuirt, der Inhalt des Gesetzes, und der Erscheinung. (344 f. | 172 f.) Die Gesetze der Erscheinungen sind empraktische Normen oder partiell schon explizit gemachte ›Regeln‹ dafür, was wir an Möglichkeiten erwarten und erschließen dürfen. Sie bestimmen alle inferentiell bzw. di=erentiell dichten Wesenseigenschaften der empirischen Dinge. Die Inhaltsgleichheit von Wesensgesetz und Erscheinung bedeutet, dass die Wesensaussagen in der Erscheinungswelt nach vorausgesetzten ›Richtigkeiten‹ des Unterscheidens und Schließens fungieren und als wahr beurteilt werden im Blick auf eben diese ›inhaltliche Äquivalenz‹. Das Wesensgesetz für Tiere sagt z. B., dass ein Tier nach seiner Geburt erst einmal wächst und gewisse Fähigkeiten mehr oder
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weniger schnell entwickelt. Derselbe Inhalt, wie er sich im Umgang mit derartigen Sätzen und vielleicht der Modellbilder der Entwicklungsphasen des Tieres (einer bestimmten Gattung und Art) ergibt, zeigt sich in der Erscheinung, der Erfahrung im beobachtenden und handelnden Umgang mit Tieren. Aufgrund dieser Inhaltsäquivalenz und nur auf dieser Grundlage sagen ›Wesensaussagen‹ etwas über die ›wirkliche Welt‹. Und nur solche Wesensaussagen im begri=lichen Denken liefern einen Zugang zur Wirklichkeit. Denn diese ist längst modal zu denken. Schon die Vorhandenheit von Dingen und Sachen in Vergangenheit und Gegenwart geht zeitlich und räumlich weit über die bloße Realität (Aktualität) qualitativer Unterscheidungen im präsentischen Dasein mit höchst begrenztem Horizont sinnlicher Kontrolle hinaus. Das zu bezweifeln wäre bloß töricht. Gegenüber den modal und gesetzesartig verfassten wirklichen (wesenhaften) Sachen steht deren je konkrete Erscheinung »als das richtige Unmittelbare« dem theoretisch reflektierten Gegenstand gegenüber. Die Formen der Zugänge zum Inhalt sind verschieden, nämlich als Formen des sprachlich-begri=lichen Modelldenkens und als Formen des perzipierend-tätigen Umgangs. Aber die Erscheinung selbst ist im Unterschied zu einem bloß unmittelbaren Reagieren auf perzeptive Sinnesempfindungen längst schon durch die theoretischen Gehalte der begri=lichen Reflexion bestimmt: Wir nehmen eine Oase wahr, wie wir reflexionslogisch faktiv sagen, oder einen Hasen. Insofern ist das wirkliche Wahrnehmen von Wirklichem gleichgültig gegen den Unterschied zwischen dem als begri=lich-theoretischem Gegenstand bloß möglichen Wesen (als gesetzt) und der realen Erscheinung (als reflektiert bewerteter wirklicher Gegenstand der Wahrnehmung). Dieser Inhalt macht hiemit die Grundlage der Erscheinung aus; das Gesetz ist diese Grundlage selbst, die Erscheinung ist derselbe Inhalt, aber enthält noch mehr, nemlich den unwesentlichen Inhalt ihres unmittelbaren Seyns. Auch die Formbestimmung, wodurch die Erscheinung als solche von dem Gesetze unterschieden ist, ist nemlich ein Inhalt und gleichfalls ein vom Inhalte des Gesetzes unterschiedener. Denn die Existenz ist als Unmittelbarkeit überhaupt gleichfalls ein mit sich identisches der Materie und Form, das gegen seine Formbestimmungen gleichgültig und daher Inhalt ist; sie ist
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die Dingheit mit ihren Eigenschaften und Materien. Aber sie ist der Inhalt, dessen selbstständige Unmittelbarkeit zugleich nur als ein Nichtbestehen ist. Die Identität desselben mit sich in diesem seinem Nichtbestehen aber ist der andere, wesentliche Inhalt. Diese Identität, die Grundlage der Erscheinung, welche das Gesetz ausmacht, ist ihr eigenes Moment; es ist die positive Seite der Wesentlichkeit, wodurch die Existenz Erscheinung ist. (345 | 173) Es lassen sich allerdings immer auch ›unwesentliche‹ Gleichgültigkeiten zwischen Erscheinungen hervorheben. So kann die Erscheinung eines wirklichen Rehs äquivalent sein zur Erscheinung einer Rehstatue aus Gips, einem gemalten Reh oder einem Reh-Hologramm. Die Existenz, das Sich-Zeigen eines Wesens in seiner wesentlichen Form (die als solcher Inhalt ist), ist nur scheinbar ein unmittelbarer Zugang zur Sache selbst. Sie ist vermittelt durch deren Erscheinung. Die erfahrene Existenz eines Dinges ist in gewissem Sinn »die Dingheit mit ihren Eigenschaften und Materien«, wobei die Eigenschaften wesentlich inferentielle Dispositionen sind. Die Materien sind aber auch di=erentielle Bestandteile. Was aber soll es heißen, die Existenz sei Inhalt, »dessen selbständige Unmittelbarkeit zugleich nur als ein Nichtbestehen ist«? Wir haben oben schon eine ähnliche Frage gestellt. Sie rührt daher, dass Hegel die Existenz terminologisch auf die Seite der empirisch, rezeptiv gegebenen Erscheinung ansiedelt und betont, dass die (scheinbar) »selbständige Unmittelbarkeit« der Wahrnehmung einer Sache (eines Rehs, einer Oase) immer auch als ein mögliches Nichtbestehen der Sache begri=en werden muss. Es ist zwar im Fall des Glückens perfektiv-faktiver Wahrnehmung das Wahrgenommene gerade von der Art (in Form und Inhalt), wie es das zugehörige (begri=lich gefasste) Wahrnehmungsurteil sagt. Und es ist jede entsprechende Existenzaussage (»dort gibt es eine Oase«, »das Reh dort lebt wirklich noch«) längst schon reflektiert. Das heißt, es wird ›explizit‹ ausgeschlossen, es handele sich bloß um den Schein einer Oase oder um eine Rehgestalt bzw. ein anderes Tier, das so ähnlich aussieht wie ein Reh. Aber als Erscheinung bzw. als empirische Existenz ist der unterstellte, gesetzte ›Inhalt‹ immer noch fallibel, kann auf kontingente Weise ›falsch‹ sein. Das liefert die Analyse der mög-
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lichen Falschheit der Wahrnehmung, wie sie schon Parmenides und Plato durchgeführt haben. Der wesentliche Inhalt ist durch die Äquivalenz von Wahrnehmungsform und Denkform bestimmt: Was ich faktiv wahrnehme, hat die di=erentiellen und dispositionellen Eigenschaften, die das entsprechende wesenslogisch ausformulierte Urteil ausdrückt, das sagt, welches Wesen die Erscheinung als hier oder dort existent aufweist. Das Gesetz ist daher nicht jenseits der Erscheinung, sondern in ihr unmittelbar gegenwärtig ; das Reich der Gesetze ist das ruhige Abbild der existirenden oder erscheinenden Welt. (345 | 173) Hegels Reich der Gesetze ist das Reich allgemeinen, theoretischen Wissens. Es ist Wissen über Arten von Sachen und Dingen und über ihr Normalverhalten. Bedingte Defaultschlüsse oder Normalerwartungen bestimmen erwartbare Möglichkeiten und Unmöglichkeiten. Die Erscheinung eines Wesens ist dabei schon gesetzesförmig verstanden, theoretisch in seinem Inhalt geformt. Sie ist begri=lich gefasste Existenz – sodass Gesetz und Theorie nicht bloß abstrakte Strukturen, konstituiert durch Satzsysteme, sind, sondern in der Erscheinung als »unmittelbar gegenwärtig« begri=en werden. Aber vielmehr ist beydes Eine Totalität, und die existirende Welt ist selbst das Reich der Gesetze, das als das einfache Identische, zugleich als in dem Gesetztseyn oder in der sich selbstauflösenden Selbst|ständigkeit der Existenz identisch mit sich ist. (345 | 173 f.) Ein naiver Realist müsste Hegel darin zustimmen, dass die existierende Welt als »das Reich der Gesetze« aufgefasst wird. Die Di=erenz liegt in der reflektierenden Analyse, was das heißt. Der Realist ›hypostasiert‹ die Gesetze. Er behauptet einfach, es gäbe sie. Wir müssten sie nur richtig artikulieren bzw. beschreiben. Das wiederum sei immer nur ›hypothetisch‹ möglich, da unsere Versuche, die Gesetze der Natur (also doch des Wesens der Dinge, würde Hegel einwerfen können) sprachlich dingfest machen zu können, begrenzt und fallibel bleiben, und das trotz aller großartigen Leistungen mathematischer Modellierungen. Hegel erkennt, dass die Form des Gesetztseins gerade auch dispositioneller Modalitäten, erwartbarer Möglichkeiten und mehr oder weniger ausnahmsloser Notwendigkeiten die Theorieoder Gesetzesförmigkeit der (empirisch) existierenden Welt auf der
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Grundlage unserer (begri=lichen) Konstitution der wirklichen Wesen (Dinge, Ereignisse, etc.) zeigt und dass diese auf der Grundlage theoretischen Allgemeinwissens zu begreifen ist, wie es sich selbst sozusagen geschichtlich entwickelt hat. Die Existenz geht in das Gesetz als in ihren Grund zurük; die Erscheinung enthält diß beydes, den einfachen Grund, und die auflösende Bewegung des erscheinenden Universums, deren Wesentlichkeit er ist. (345 | 174) Das Gesetz wird zum Grund der Existenz. Das heißt, wir erkennen, dass die Existenz einer Sache als ihre konkrete Erscheinung das Gesetz der wesensmäßigen Bestimmung der Sache voraussetzt. Die Erscheinung der wesensmäßigen Sache, also z. B. die sich zeigende Oase, das sich zeigende Reh, ›enthält‹ den ›Grund‹, also das Gesetz. Dieses sagt, was eine Oase oder ein Reh ist und was diese Sachen sozusagen können und tun. Sie ›enthält‹ aber auch »die auflösende Bewegung des erscheinenden Universums«, deren Wesentlichkeit der Grund ist. Das bedeutet, dass es in der empirischen Welt kontingente Abweichungen von demjenigen geben kann, was wir als wesentliches Wissen in der Bestimmung der Sachen investieren, zumal alle Dinge und Sachen in verschiedensten Weisen endlich sind. Die begrenzte Reichweite unserer Wesensbestimmungen kann man sich z. B. dadurch veranschaulichen, dass man sich ein Szenario der Entwicklung einer Tierart ausmalt, in der sich deren Eigenschaften in der Zukunft gegenüber heutigen Selbstverständlichkeiten ändern. So könnten z. B. gewisse A=enarten ihr Verhalten in Gruppen einer menschenähnlichen Kooperation angleichen, oder die Menschen könnten diese Fähigkeit verlieren und Sprache und Denken bloß noch subjektiv-instrumentell und zur präsentischen Koordination ihres Verhaltens, nicht mehr zur gemeinsamen Planung gemeinsamen Handelns einsetzen. Wenn wir über A=en und Menschen heute sprechen, sprechen wir aber über Wesen in der gegenwärtigen Epoche, nicht über das Gesamt aller Vorfahren und Nachkommen. Hegels Sätze klingen so, als würden sie uns etwas darüber erzählen, was die Existenz (was immer das sein mag) so alles tut, macht und kann und etwa »in das Gesetz als ihren Grund zurück« gehe. Doch die metaphorisch-metonymische Sprechform ist ganz o=enbar
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nicht als Bericht, Aussage oder Behauptung zu verstehen. Warum wird dennoch eine prozessuale Sprache gebraucht, obwohl es sich doch o=ensichtlich um eine logisch-semantische Analyse handelt? – Die naheliegende Antwort ist die, dass wir die analysierende Reflexion selbst als Bewegung von Nachfragen und Antworten lesen sollten, in denen Schritt für Schritt dialogisch-dialektisch explizit gemacht wird, was implizit längst schon in begri=lichen Formen ›in sich reflektiert enthalten‹ ist. Die Rede vom Rückgang der Existenz in das Gesetz als ihren Grund bedeutete demnach, dass das, was als existierende Sache je in empirischer Wahrnehmung erscheint, durch das Gesetz bestimmt ist. Dieses ist ein theoretisches System dispositioneller und kausaler Normalfolgen einer di=erentiellen Bestimmung der Art und Individualität oder besonderen Einzelheit der Sache (des Dinges). Falls dieser Grund als bestehend erkannt ist, ist das Urteil entsprechend begründet. Nachfragen, was Wesen und Erscheinung, Grund und Existenz, auch Wirklichkeit und Schein sind bzw. wie die Aussageformen »x ist in seinem Wesen X « und »X erscheint in präsentischer Existenz in der äußeren Form Y « zu verstehen sind, führen zu den von Hegel angegebenen Kommentaren. Diese sind dann wieder in eine entsprechende Ordnung von Aussageformen der Art »x ist Ursache für die Erscheinung Y « oder »dass x ein X ist, begründet über das Gesetz G die Erwartung Y , die sich normalerweise oder immer bestätigt« o. ä. zu bringen. 3. Das Gesetz ist also die wesentliche Erscheinung; es ist die Reflexion derselben in sich in ihrem Gesetztseyn, der identische Inhalt seiner und der unwesentlichen Existenz. Erstlich ist nun diese Identität des Gesetzes mit seiner Existenz nur erst die unmittelbare, einfache Identität, und das Gesetz ist gleichgültig gegen seine Existenz; die Erscheinung hat noch einen andern Inhalt gegen den Inhalt des Gesetzes. Jener ist zwar der unwesentliche, und das Zurükgehen in diesen; aber für das Gesetz ist er ein Erstes, das nicht durch dieses gesetzt ist; er ist daher als Inhalt äusserlich mit dem Gesetze verbunden. Die Erscheinung ist eine Menge näherer Bestimmungen, die dem Diesen oder dem Concreten angehören und nicht im Gesetze enthalten, sondern durch ein anderes bestimmt ¦ sind. – (345 f. | 174) Warum sagt Hegel nun, das Gesetz sei die wesentliche Erschei-
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nung? Ist es nicht das Wesen der Erscheinung? Die Antwort liegt wohl darin, dass das Gesetz nicht in seiner äußeren Form, als explizit gemachtes Regelsystem oder Theorie im Sinn von satzartig artikulierten Di=erenzierungs- und Inferenzformen bzw. -normen aufgefasst wird, sondern als inhaltsäquivalent zur Bestimmung der Erscheinung ›durch das Gesetz‹, wie wir zu sagen geneigt sind. Dabei ist das Gesetz »die Reflexion« der Erscheinung »in sich in ihrem Gesetztsein«. Formal ist das »ihr« anaphorisch zweideutig, es könnte sich auf die Reflexion ebenso wie auf die Erscheinung beziehen. Aber es ist wohl die durch das Wesensgesetz bestimmte Erscheinung der richtige Bezug. Der Inhalt des Gesetzes und der einer »unwesentlichen Existenz«, also der Erscheinung, wie sie bloß äußerlich aufscheint, hängen so zusammen: Der Schein oder die unwesentliche Existenz wird erst zur Erscheinung des Wesens X , wenn die gesetzlich bestimmten Inhalte wirklich erfüllt sind. Dabei ist die »Identität des Gesetzes« (qua Inhalt) »mit seiner Existenz« (qua gesetzesartig bestimmte und sich dem Gesetz gemäß prozessual verhaltende) Erscheinung »nur erst die unmittelbare, einfache Identität«. Ihre Inhaltsgleichheit und Wahrheit ist im Sinne der Gesetzestreue zu verstehen, so wie im Sinn der Worte »true« und »truth«. Als allgemeines Gesetz ist das Gesetz insofern »gleichgültig gegen seine Existenz«, als es erstens äquivalente Äußerungsformen desselben Gesetzesinhalts geben kann, zweitens sogar auf der phänomenalen Ebene des bloß empirischen Geschehens a posteriori, der rein narrativen historia ex post, auch schon mal kontingente Ausnahmen vorkommen wie überlebende Kälbchen mit zwei Köpfen, Kätzchen mit bloß drei Beinen oder Menschen ohne Arme. Daher hat die Erscheinung in ihrer äußeren phänomenalen Gegebenheit »noch einen andern Inhalt« über »den Inhalt des Gesetzes« hinaus und partiell gegen diesen. Das heißt, es gibt andere, partiell feinere Inhaltsäquivalenzen für Phänomene. Diese Verfeinerungen sind im Prinzip beliebig fortzusetzen, so dass Goethe schon davon spricht, dass individuelle Einzelereignisse begri=lich völlig ine=abel, unausschöpfbar, seien. Das sind sie aber wie die sogenannten Qualia aus apriorischen, also begri=lichen Gründen. Es ist nämlich ganz trivial, dass wir alle begri=lichen Schematisierungen und gesetzesartigen
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Regeln willkürlich verfeinern können. Es ist daher gedankenlos, wenn Nietzsche mit anderen Empiristen behauptet, dass alle begri=lichen Inhalte, die faktisch unser Wahrnehmen und damit die wesens- und gesetzesbestimmten Erscheinungen ihrer Art nach und in ihrer Gegenstandsidentität bestimmen, als unsere Zurechtstellungen ›falsch‹ seien. Ein derartiger Kommentar liegt zwar nahe, wenn man meint, es gäbe die Phänomene völlig unabhängig von unseren Unterscheidungen und ideativen Schematisierungen. Das Bild suggeriert ein System raumzeitlich lokalisierter Weltpixel. Doch solche Pixel gibt es so wenig wie Kraftpunkte oder Massenpunkte, mögliche Welten als Konstellationen solcher Pixel und Punkte und eine wirkliche Welt als ›die‹ Zeitentwicklung solcher Dinge sub specie aeternitatis. Entsprechende ›reduktive‹ Analysen von kausalen Gesetzen, Modalitäten, Zuständen und Prozessen operieren alle mit utopischen, nirgends in einer Existenz im Sinne Hegels aufweisbaren, rein formalistischen Entitäten, mit modellhaften Weltformbildchen, eidola. In der Analyse des Status von Gesetzen, die als solche allererst die Vermögen, Kräfte der Dinge und damit die (normalen) Möglichkeiten von Dingkonstellationen und Prozessen konkret bestimmen, ist es allerding wichtig, die ›unwesentliche Erscheinung‹ als den Aspekt des bloßen Scheins thematisch hervorzuheben, der durch die Bewertung einer Inhaltsgleichheit mit dem Gesetz zur Erscheinung des Wesens wird, zu dem Teil der (realen) Existenz, den wir später als »Wirklichkeit« noch genauer thematisieren bzw. explizieren werden. Zweytens das was die Erscheinung von dem Gesetze verschiedenes enthält, bestimmte sich als ein Positives oder als ein anderer Inhalt; aber es ist wesentlich ein Negatives; es ist die Form und ihre Bewegung als solche, die der Erscheinung zukommt. (346 | 174) Das, was über das Allgemeine einer Sache an einer Erscheinung hinausgeht, wurde als »ein Positives« bestimmt – sodass der sogenannte »Positivismus« sich aus einer hegelianischen Sicht nur für das kontingente Nichtwesentliche, nicht Gesetzesartige, den zufälligen Schein nicht bestimmter Erscheinungen interessiert. Es ist wie gesagt, nicht Auguste Comte, es ist der Empirismus, der als Positivismus rein oberflächlich ist: Würde man wirklich nur das Positive kennen, also die bloß zufällige präsentische Gegenwart, so käme man über
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die enaktive Perzeption eines Tieres nicht hinaus. Das scheinbare Positive der bloßen Empfindung, der reinen Perzeption erweist sich so als ein rein Negatives, als unmittelbare und damit horizontblinde Reaktion auf irgendwelche sinnlichen Reize, ohne festen Inhalt. Das Positive erweist sich so als bloß erst äußere Form der Erscheinung. Die ›Bewegung‹, von welcher Hegel hier spricht, ist wieder die unserer Unterscheidungen zwischen ›bloßem Schein‹, ›unwesentlicher Erscheinung‹, ›wesensbestimmter Erscheinung‹, ›gesetzlichem Inhalt‹, ›Manifestation der Sache‹ usf. Das Reich der Gesetze ist der ruhige Inhalt der Erscheinung; diese ist derselbe aber sich im unruhigen Wechsel und als die Reflexion in anderes darstellend. Sie ist das Gesetz als die negative sich schlechthin verändernde Existenz, die Bewegung des Uebergehens in Entgegengesetzte, des sich Aufhebens und des Zurükgehens in die Einheit. (346 | 174) Das, was sich Metaphysiker aller Zeiten als ewige Substanzen in einer unbegri=enen Welt an sich hinter den Erscheinungen vorgestellt haben und vorstellen, ist in Wahrheit »das Reich der Gesetze« und dieses ist der »ruhige«, d. h. sich nicht dauernd ändernde »Inhalt der Erscheinung«, die wir jetzt als sich reproduzierende Strukturform bei allem Wechsel unwesentlicher Phänomene begreifen können. Dabei stellt sich dieses Bleibende »als die Reflexion in anderes« dar, weil wir in unseren theoretischen Modellen und Gesetzesformulierungen die wesentliche Inhaltsform sozusagen künstlich reproduzierbar machen und daher von der zufälligen Gegebenheit einer Erscheinung eben dieses Inhalts weitgehend unabhängig werden. So können wir z. B. Repräsentationen gleichseitig-rechtwinkliger Dreiecke in unterschiedlichen Größen an verschiedensten Orten herstellen oder diese Dreiecke durch die Gleichung 2a 2 = c 2 zwischen den (gleichen) Katheten a und der Hypotenuse c als Größenverhältnis notieren. Die (durch das Wesen bestimmte) Erscheinung ist inhaltsgleich zum Gesetz, aber in einer Form realisiert, die sich »im unruhigen Wechsel« der äußeren Existenz (des realen Scheins) zeigt und sich »als die Reflexion in anderes« darstellt. Wir nehmen inhaltsbestimmende Formen nur wahr über eine Zuordnung zwischen unterschiedlichen Realisierungen formgleicher
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(bzw. inhaltsgleicher) Erscheinungen, von denen einige durch uns herstellbar sind. So können wir z. B. eine quadratische Beschleunigung im Experiment durch gut gebastelte Fallrinnen reproduzieren und die Größenverhältnisse abstrakt mathematisch durch eine Gleichung der Form s = at 2 notieren. Wir können dann entsprechende Richtungsbeschleunigungen auch in von uns ganz unbeeinflussten Planetenbewegungen sozusagen implizit ›wiedererkennen‹ oder in sie hineinlesen, wie man vielleicht sagen möchte. Dabei stellen wir Bewegungen und Prozesse generisch als reproduzierbare oder sich reproduzierende dar. Die ideale Grundform dafür ist prototypisch und ideal die des Kreises, genauer, der zyklischen Bewegung und damit der kreisartigen Verläufe, wie wir sie dann auch ›sinnbildlich‹ bzw. metaphorisch artikulieren in der Rede über Lebenszyklen und deren Reproduktion. Das Bild vom Zurückgehen in die Einheit scheint nun gerade zu dieser Metapher der zyklischen Prozesse zu gehören, ebenso die Rede von einem ›Übergehen in Entgegengesetztes‹, wobei im letzten Fall durchaus an den Tod von Lebewesen oder an deren Entstehung und Geburt zu denken ist, aber auch an solche Prozesse wie die Aggregatänderung von Wasser, an chemische Prozesse der Sto=umwandlung oder sogar die Verwandlung von Energie in Masse oder Masse in Energie. Diese Seite der unruhigen Form oder der Negativität enthält das Gesetz nicht; die Erscheinung ist daher gegen das Gesetz die Totalität, denn sie enthält das Gesetz, aber auch noch mehr, nem|lich das Moment der sich selbst bewegenden Form. – (346 | 174 f.) Kein Gesetz kann die kontingenten Teile der äußeren Form der Phänomene voll einfangen. Diese Wahrheit der ›Ine=abilität‹ der Realität, ihre fallible Restkontingenz als das Negative des Allgemeinen, Geformten, Gesetzesartigen, auch ›Notwendigen‹ bleibt anzuerkennen, samt der Tatsache der sich ändernden Formen z. B. des Lebens auf der Erde, aber schon der Seinsweise der Materie vor und nach dem Urknall. Die Erscheinung – die ich auch als Reich aller phänomenalen Realitäten anspreche – ist sozusagen die wahre Totalität »gegen das Gesetz«.55 55
Nietzsche, der nur scheinbar etwas Ähnliches sagt, übersieht, dass
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Die »Seite der unruhigen Form« ist die des Wandels, der dauernden Veränderungen gemäß einer Prozessform. Sie vermittelt die »Negativität« des Kontrastes zwischen kontingenter Realität und ruhig bleibender Wirklichkeit. Es ist der gesetzesförmig bestimmte Inhalt der Veränderungsformen von äußeren Formen, welcher eine innere Form einer Sache oder eines Geschehens bestimmen. In welchem Sinn enthält nun der Bereich aller Realitäten »das Moment der sich selbst bewegenden Form«?56 Es geht o=enbar um Formenentwicklungsformen. Wir sind ja nicht nur an epochal ›ruhigen‹, sich gleich bleibenden, relationalen, prozessualen und daher – wegen der di=erentiellen Bedingungen – dispositionalen Formen im Sinne von Artbegri=en interessiert, sondern auch an epochenübergreifenden Entwicklungsformen der Begri=e und anderer Praxisformen selbst. So ist z. B. die res publica der institutionelle Rahmen für die Entwicklung der Gesellschaft und ihrer selbst, die Wissenschaft für die Entwicklung der Begri=e und ihrer selbst, die Kunst für die Entwicklung von Formen des Schönen und ihrer selbst. Eben daher brauchen wir neben der historia empirischer Einzelberichte und einer positivistischen Philologie als Hilfswissenschaft eine Geschichte der sich entwickelnden Formen – sowohl in der Natur, als auch in der Welt des gemeinsam menschlichen Handelns. Dieser Mangel ist drittens am Gesetze so vorhanden, daß dessen Inhalt nur erst ein verschiedener, damit ein gegen sich gleichgültiger ist; daher die Identität seiner Seiten miteinander nur erst eine unmittelbare und damit innere, oder noch nicht nothwendige ist. (346 | 175) Dass die Realität der unwesentlichen äußeren Formen, des zum Teil kontingenten empirischen Geschehens, gegenüber normalen und guten Entwicklungen immer mit Mängeln behaftet ist, ist erstens klar
diese Totalität nicht bestimmt ist, kein System des Wahren sein kann. Sie ist bloß erst von der Form einer ›alles‹ umfassenden vagen Handbewegung. 56 Ein von Kollegen in Chicago und Leipzig bei der DFG beantragtes Internationales Graduiertenkolleg mit dem Titel »Self-determining forms« wollte der Frage systematisch nachgehen, was eine sich selbst bestimmende Form ist. Seine Ablehnung ist o=enbares Zeichen dafür, wie wenig man von deutschsprachiger Philosophie, besonders von Kant und Hegel, versteht.
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und zeigt zweitens, dass sich das Gesetzesförmige nicht überall erhält. Der Mangel des Gesetzes dagegen ist, nur gewisse Normaltypen klar und deutlich allgemein darstellen zu können. Denn der Inhalt der Gesetze ist nicht rein durch die Erscheinungen bestimmt, sondern durch ein ganz anderes Medium, die sprachlichen Formen der theoretischen Darstellung von Relations- und Prozessformen. Der Inhalt der Gesetze ist insofern verschieden von dem der Erscheinungen. Er ist »gegen sich gleichgültig« insofern, als die Inhaltsgleichheit von Darstellungsform und Erscheinungsform »nur erst eine unmittelbare« der Projektion oder Zuschreibung ist und erst in reflektierter Beurteilung der betre=enden theoretischen Modellierungen z. B. im Blick auf ihre beschränkte, urteilskompetente Anwendbarkeit als ›wahr‹ oder ›gültig‹ bzw. als ›wirklicher Forminhalt‹ bzw. ›wirkliche Struktur‹ der Welt geben kann. Zuvor sind die Inhalte bloß »innere« Formen, »noch nicht notwendige« im Sinne einer reflektierten Notwendigkeit ihrer Anerkennung durch jede rationale, also verstandesmäßig kompetente Person mit reflektierter Urteilskraft und freier Vernunft im konkreten Handeln und Urteilen. Im Gesetze sind zwey Inhaltsbestimmungen als wesentlich verbunden (z. B. im Gesetze der Bewegung des Falls die Raumgrösse und die Zeitgrösse; die durchlo=enen Räume verhalten sich wie die Quadrate der verflossenen Zeiten); sie sind verbunden; diese Beziehung ist nur erst eine unmittelbare. Sie ist daher gleichfalls nur erst eine gesetzte, wie in der Erscheinung das Unmittelbare überhaupt die Bedeutung des Gesetztseyns erhalten hat. (346 | 175) In Gesetzen sind, wie in Prototypen einer Regel der Form A ⇒ B, verschiedene (mindestens zwei) »Inhaltsbestimmungen als wesentlich verbunden«. Hegel selbst nennt als prototypisches Beispiel die Beschleunigung im Fallgesetz Galileis, also die Form s = at 2 für die entstehenden Streckenlängen in Abhängigkeit von der Fallzeit. Diese quantitative Beziehung ist aber zunächst nur modellartig, insofern rein theoretisch-ideal, gesetzt, eine Art Konstruktion, die zunächst nur prima facie auf die Erscheinungen zu passen scheint. Die wesentliche Einheit der beyden Seiten des Gesetzes wäre ihre Negativität, daß nemlich die eine an ihr selbst ihre andere enthielte; aber diese wesentliche Einheit ist noch nicht am Gesetze hervor-
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getreten. (– So ist es nicht im Begri=e des im Falle durchlo=enen Raumes enthalten, daß ihm die Zeit als Quadrat entspricht. Weil der Fall eine sinnliche Bewegung ist, ist er die Beziehung von Zeit und Raum; aber erstens liegt es in der Bestimmung der Zeit selbst nicht, – d. h. wie die Zeit nach ihrer Vorstellung genommen wird, daß sie sich auf den Raum bezieht, und umgekehrt; man sagt, man könne sich die Zeit sehr wohl ohne den Raum und den Raum ohne die Zeit vorstellen; das eine tritt also äusserlich zu dem andern hinzu, welche äusserliche Beziehung die Bewegung ist. (346 | 175) Hegels Gebrauch der Wörter »positiv« und »das Positive«, »negativ« und »Negativität« und schließlich dann auch »Widerspruch« (und dessen »Aufhebung«) sind schwierig. Was z. B. soll die »wesentliche Einheit der beiden Seiten des Gesetzes« sein? In unserem Beispielfall liefert eine mathematische Funktion diese Einheit. Sie macht die Längenzahlen s aus Zeitzahlen t theoretisch-apriorisch berechenbar. Aber die wahre Einheit lässt sich gar nicht am Gesetz selbst zeigen, da seine empirische Wahrheit vorausgesetzt ist. Die Negativität, von der Hegel hier spricht, wäre demnach ein anderer Ausdruck für das, was naivere Denker »Abbildung« oder »Korrespondenz« nennen, in der Meinung, theoretische Modelle bildeten eine gegebene Wirklichkeit von Kräften und Wirkungen ab, statt schematische Orientierungen für bestmögliche apriorische, d. h. hier: situationsallgemeine Orientierungen für vernünftige Erwartungen zu setzen – die ›wahr‹ heißen, solange es keine besseren gibt, so wie schon Landkarten nie ›absolut‹ richtig sind, sondern immer nur richtig und gut genug (für einen je geeigneten Zweck). Dass das Fallgesetz eine gute Darstellung des Falls ist, lässt sich nicht unmittelbar über die empirische Passung direkt und nachhaltig nachweisen. Das meint der zunächst für wohl alle Leser kryptische Gedanke, dass die funktionale Abhängigkeit als »im Begri= des im Fall durchlaufenen Raumes enthalten« sein müsse. Es wäre in der Tat irrsinnig, wenn Begri=e rein konventionelle definitorische Festlegungen für prädikative Klassifikationen in sortalen Bereichen (wie in der Mathematik) wären. Denn kein rein stipulativer Begri= kann zur Folge haben, dass der freie Fall von der Galileischen Beschleunigungsform
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ist. Es ist doch eine empirische Frage, ob das so ist oder nicht, keine begri=lich-analytische! Kants Unterscheidung zwischen empirischen Aussagen a posteriori, die nur gegenwärtige Unterschiede im Dasein konstatieren oder historische Einzeltatsachen (ggf. auch viele) berichten, und Sätzen a priori, welche im Wesentlichen zeitallgemeine Inferenzformen explizit artikulieren, bleibt bei Hegel in neuer Form erhalten. Dabei unterscheidet er unter den apriorischen Sätzen und Regeln rein tautologische oder formalanalytische und (material-)begri=liche. Es stellen für Hegel wie z. B. auch für Quine die formalanalytischen überhaupt kein Problem dar. Sie sind mitgesetzte Folgen rein terminologischer Regelungen für Wörter, etwa für die logischen Wörter »nicht«, »und« und »für alle« (in einem schematischen Logiksystem) oder für »Junggeselle« als Abkürzung für »unverheirateter (junger) Mann«. Für Frege – wie später für Quine – sind die interessanten Fälle die, welche Kant »synthetisch a priori« nennt und die Carnap aufgrund seiner »Bedeutungspostulate« in einem gegenüber Kant stark ausgeweiteten Sinn »analytisch« nennt, z. B. alle Axiome einer Geometrie oder Kinematik. Quine meint, diese (pseudo-)analytischen Sätze seien empirisch. Hegel erkennt sie als materialbegri=liche Setzungen für zeitallgemeine Inferenzen. Der Fall einer Kugel in einer Fallrinne ist eine experimentell reproduzierbare Bewegung. Als solche liefert er eine empirische Korrelation »von Zeit und Raum« als Ergebnis von Messungen. Ein Gesetz entsteht hier, wenn man sieht, dass man sich den Raum ohne Bezugnahme auf die Zeit (samt den zahlförmigen Angaben von Zeiten und Dauern) überhaupt nicht denken kann. Raum und Zeit sind längst schon bloß abstrakte Momente von sich reproduzierenden oder von uns reproduzierbaren Bewegungsformen. Es tritt also nicht einfach die Zeit zum Raum oder der Raum zur Zeit »äußerlich« hinzu. Hegel »zitiert« hier nur die übliche Vorstellung (die auch noch Kant explizit vertritt) und dementiert sie, indem er die Bewegung als bloß »äußerliche Beziehung« in empirischen Einzelfällen vom Gesetz z. B. der Planetenbewegung unterscheidet und der Identität von dessen Inhalt mit den sich ruhig, stabil, reproduzierenden Himmelsphänomenen.
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Zweytens ist die nähere Bestimmung gleichgültig, nach welchen Größen sich in der Bewegung Raum und Zeit zu einander verhalten. Das Gesetz hierüber wird aus der Erfahrung erkannt; insofern ist es nur unmittelbar ; es erfodert noch einen Beweis, d. h. eine Vermittlung, für das Erkennen, daß das Gesetz nicht nur Statt hat, sondern nothwendig ist; | diesen Beweis und seine objective Nothwendigkeit enthält das Gesetz als solches nicht. –) (346 | 175 f.) In der Form s = at 2 sind die Abhängigkeiten von s und t symmetrisch: Man kann Längen durch Zeiten bestimmen und Zeiten durch Längen. Dem korrespondiert eine Längenmessung durch Zeitangaben prototypischer Bewegungen, etwa in Wegstunden oder Lichtjahren, neben einer Längenmessung durch Messlatten und optische Geräte zusammen mit geometrischen Überlegungen zu Größenverhältnissen in Dreiecksformen. Eine andere Zeitmessung arbeitet mit künstlichen Geräten, Uhren, an einem Ort. Diese sind materielle Zeittaktgeber und damit Zeitzahlmesser. Für uns hier ist nur wichtig, dass die Zeit durch die durchlaufenen Ellipsensegmente definiert war. Diese ›beweisende Vermittlung‹ findet Hegel bei Kepler (und Newton), da, wie die Seinslogik zeigt, die Keplerschen Gesetze nahelegen, dass ein objektives Maß der Zeit aus Flächengrößen zu definieren ist, also als Seite eines zum jeweiligen Ellipsensegment flächengleichen Rechtecks mit einer »Einheitsseite«. Dies ist die materialbegri=liche Grundbeziehung unserer planetarischen Zeit- und Raummessungen, die aufruht auf ein generisches Wissen ›mit gesetzter Notwendigkeit‹ und nicht einfach auf empirischen Allsätzen. Wir erhalten so eine Gleichheit der Zeit. Die Relativitätstheorie antwortet u. a. auf die Frage, wie sich relativ schnell bewegte ›technische Uhren‹ in ihren (elektrodynamischen) Taktzahlen zu diesen Zeiten verhalten, wobei eine weitere Komplikation dadurch entsteht, dass die Konstanz der Lichtausbreitung zwar zur Grundlage von Längenmessungen wird, diese aber relativ bleiben zu den je unterstellten Zeitbestimmungen. Das Gesetz des Falls Galileis enthält »seine objektive Notwendigkeit« noch nicht, solange es noch nicht in das System der Keplerschen Gesetze und damit in die Theorie Newtons integriert ist. Das Gesetz ist daher nur die positive Wesentlichkeit der Erscheinung, nicht ihre negative, nach welcher die Inhaltsbestimmungen
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Momente der Form sind, als solche in ihr ¦ Anderes übergehen, und an ihnen selbst eben so sehr nicht sie, sondern ihr anderes sind. Im Gesetze ist also zwar das Gesetztseyn der einen Seite desselben das Gesetztseyn der andern; aber ihr Inhalt ist gleichgültig gegen diese Beziehung, er enthält nicht an ihm selbst diß Gesetztseyn. Das Gesetz ist daher wohl die wesentliche Form, aber noch nicht die in ihre Seiten als Inhalt reflectirte, reale Form. (346 f. | 176) Hegels Analyse zielt nach meiner Lesart darauf ab, die Vorstellung, die wahre Welt sei ein durch (kausale) Naturgesetze bestimmtes Reich von bloß intelligiblen Sachen und Dingen an sich, und zwar ›jenseits aller Erscheinungen‹ (wie schon der Gott des Gregor von Nazianz), als zwar naheliegende, aber irreführende Folge der Tatsache verständlich zu machen, dass die dynamischen (modalen, dispositionalen, ›vermögenstheoretischen‹) Eigenschaften von Dingen alle durch das Denken (also den Intellekt) noumenal bestimmt sind. Dennoch sind sie als ›Ursachen‹ der Erscheinungen der Dinge, ja als ›wahre Wirklichkeit‹ aufzufassen. Man muss sich dann aber darüber im Klaren bleiben, dass die gesetzesartige Form dieser (kausalen) Wirklichkeit an sich wesentlich vom Geist, nämlich unserem materialen Begri=ssystem, abhängig ist: Die Wirklichkeit ist damit geistig, sagt dazu Hegels provokativer Merksatz. Vor diesem Hintergrund kann man verstehen, dass das Gesetz durch ein System von zeitallgemeinen Sätzen (die bedingte Inferenzregeln artikulieren wie z. B. alle mathematischen Sätze) bestimmt, damit aber nur erst »die positive«, also von uns gesetzte oder erlernte »Wesentlichkeit der Erscheinung« ist. Das negative Wesen ist die objektive Welt an (und für) sich, welche, wie wir sagen, inhaltlich den Gesetzen gehorcht und die Erscheinungen hervorbringt. Wir hatten schon mehrfach erwogen, das Negative bei Hegel in Analogie zum Negativ eines Foto-Abzugs oder Scherenschnitts aufzufassen, als das Urbild unserer positiven Bilder und Erscheinungen, zu dem wir aber nur über diese Zugang haben, wobei die Gesetze und Strukturmodelle von uns produzierte Erscheinungen sind, während andere Phänomene uns bloß rezeptiv gegeben sind, selbst wenn wir sie in ihrer Bestimmtheit längst schon begri=lich und damit unter Bezugnahme auf unsere ›Bilder‹ bzw. sprachlichen Formen bestimmt
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haben und auffassen. Wenn wir über den materiellen, wirklichen Inhalt einer Erscheinung (Wahrnehmung, Erfahrung) sprechen, abstrahieren wir vom Gesetztsein der Formen. Im ›objektiven‹ Sachbezug enthält der Inhalt der Gesetze, z. B. auch das Vermögen, die Dispositionen oder die potentielle Kraft eines (so und so bestimmten) Dinges, seine »reale Form«, »nicht an ihm selbst dies Gesetztsein«, sondern der Inhalt wird als wirklich vorhanden gedacht und aufgefasst.
B. Die erscheinende und die an-sich-seyende Welt 1. Die existirende Welt erhebt sich ruhig zu einem Reiche von Gesetzen; der nichtige Inhalt ihres mannichfaltigen Daseyns hat in einem Andern sein Bestehen; sein Bestehen ist daher seine Auflösung. Aber in diesem Andern geht das Erscheinende auch mit sich selbst zusammen; so ist die Erscheinung in ihrem Wandel auch ein Bleiben, und ihr Gesetztseyn ist Gesetz. (347 | 176) Die existierende Welt als Gesamt von allem, was es wirkend wirklich gibt, wird in sachbezogener Haltung sozusagen unmittelbar als gesetzesförmig aufgefasst. Sie erscheint nur in reflexionslogischen Kommentierungen als ein von uns gesetztes »Reich von Gesetzen«. Das Gesetz ist diese einfache Identität der Erscheinung mit sich; daher die Grundlage, nicht der Grund derselben; denn es ist nicht die negative Einheit der Erscheinung; sondern als ihre einfache Identität, die unmittelbare als abstracte Einheit, neben welcher daher auch der andre Inhalt derselben Statt hat. (347 | 176) Solange das Gesetz sich bloß erst unmittelbar in der Erscheinung bestätigt, ist es nur erst Grundlage der (Bestimmung der) Erscheinung. Neben ihr als Bedingung steht die sachliche Ursache, z. B. das konkrete Ding, das so und so wirkt. Die Ursache wird dabei als das Negativ der Erscheinung aufgefasst, deren »negative Einheit« mit der Erscheinung in der (gedachten) Beziehung der Verursachung zu denken ist. Neben der gesetzesartigen Bestimmung der Erscheinung (als von dieser oder jeder Art bzw. als dieses oder jenes Objekt) gibt es dabei immer auch noch weitere, kontingente, Inhalte (des Phänomens in seiner Vereinzelung).
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Der Inhalt ist dieser, | hängt in sich zusammen, oder hat seine negative Reflexion innerhalb seiner selbst. Er ist in ein anderes reflectirt; diß Andere ist selbst eine Existenz der Erscheinung; die erscheinenden Dinge haben ihre Gründe und Bedingungen an andern erscheinenden Dingen. (347 | 176 f.) Der Inhalt lässt sich zeigen. Er ist dieser – im Dasein von Erscheinungen, und zwar im Kontrast und in relationalen Beziehungen zu anderen Erscheinungen. Gesetzesartige Regeln sagen auf dieser Ebene bloß: Wenn eine Situation des Typs A besteht (schwarze Wolken am Himmel, aufkommender Wind mit Abkühlung), ist mit B (baldigem Regen) zu rechnen. Erscheinende Dinge haben so »ihre Gründe« (andere sagen ›Ursachen‹) »und Bedingungen« in anderen erscheinenden Dingen. Das ist aber (noch) nicht die Beziehung der (kausalen) Wirkung objektiv vorhandener und ggf. unabhängig von bloß qualitativen Unterscheidungen im erscheinenden Dasein als wirklich ausgesprochener Dinge, wie z. B. des Verhaltens von Atomen und Elektronen in den theoretisch modellierten Erklärungen chemischer Reaktionen. Der ›Humesche‹ Begri= des Grundes (der Ursache) auf der bloßen Erscheinungsebene tri=t den Gedanken einer gesetzesförmig bestimmten Wirklichkeit an sich ›hinter‹ den Erscheinungen, wie er das wissenschaftliche Erklären beherrscht, gerade nicht. Stattdessen wird dieser Gedanke von Anhängern Humes als ›metaphysisch‹ abgelehnt. Anhänger einer materialistischen oder physikalistischen Metaphysik behaupten dagegen einen objektivistischen Realismus unmittelbar als wahr und antworten damit auf den empiristischen Skeptizismus mit einem dogmatischen Glauben. In der That aber ist das Gesetz auch das Andre der Erscheinung als solcher, und ihre negative Reflexion als in ihr Anderes. Der Inhalt der Erscheinung, der vom Inhalt des Gesetzes verschieden ist, ist das Existirende, das seine Negativität zu seinem Grunde hat oder in sein Nichtseyn reflectirt ist. (347 | 177) Das Gesetz bzw. sein Inhalt und seine Momente, auch alle involvierten Gegenstände, sind als »das Andere der Erscheinung als solcher« aufzufassen. Hegels Rede von der »negativen Reflexion als in ihr Anderes« wird, wie ich vorschlage, in der Tat ganz gut in Analo-
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gie zum Verhältnis von Negativ und Abzug, oder, noch besser, von nicht unmittelbar wahrnehmbarer Wirklichkeit und der Realität der von ihr verursachten von uns erfahrenen bzw. erfahrbaren Erscheinungen verstanden. Das Wirkliche ist daher die Negativität (›das Negativ‹), welches die entsprechende Erscheinung (z. B. des Gewitters mit Donner und Blitz) »zu seinem Grund hat«, also, wie wir heute sagen, verursacht. Was es heißen soll, dass dabei das Existierende (die Erscheinung des Gewitters) »in sein Nichtsein reflektiert ist«, ist freilich extrem schwer zu verstehen. Es ist zwar klar, dass ein Gewitter nur im Kontrast zu anderem Wetter, etwa einem bloßen Landregen, bestimmt ist. Das gilt aber schon rein auf der phänomenalen Ebene des Daseins und bedarf keiner Aussagen über Luftdruck und Luftfeuchtigkeit, Temperatur und elektrische Ladung, welche jeweils in eigenen Messungen aufgrund ihrer gesetzesartigen Wirkungen auf Messgeräte bestimmbar, aber nicht unmittelbar als Erscheinungen wahrnehmbar sind. Ich reagiere zwar auf Luftdruckänderungen, etwa indem ich Kopfschmerzen bekomme, nehme damit aber noch keineswegs den Luftdruck als unmittelbare Erscheinung (›der Lebenswelt‹ bei Husserl oder ›der Erfahrung‹ bei Kant und Hume) wahr. O=enbar spricht Hegel hier davon, dass alle wirklichen Dinge, wie Kräfte und Energien, Potentialitäten und Dispositionen, sozusagen nur als Punkte in einem relationalen (in Wahrheit: prozessualen) Gesamtgefüge bestimmt sind, von denen sich manche Wirkungen in der Sphäre der Erscheinungen so zeigen, dass wir auf das Bestehen der entsprechenden wirkenden Ursachen als eine Art von ›Entitäten im tatsächlichen Geschehenskontext‹ (als beste Erklärungen) zurückschließen (können). Dabei werden diese Entitäten und das ›objektive‹ Geschehen selbst über Stellen im theoretischen Netz (Modell) identifiziert. Gleichzeitig wird aufgrund einer (sich wiederholenden) Wirksamkeit das Gesetz als objektiv wirklich anerkannt, selbst wenn es keinen unmittelbaren Zugang zu ihm in den sinnlichen Unterscheidungen des Daseins, also im Reich der unmittelbaren Erscheinungen, gibt. Aber diß Andere, das auch ein Existirendes ist, ist gleichfalls ein solches in sein Nichtseyn reflectirtes; es ist also dasselbe, und das Erscheinende ist darin in der That nicht in ein anderes, sondern in
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sich reflectirt; eben diese Reflexion des Gesetztseyns in sich ist das Gesetz. (347 | 177) Indem wir zwischen einer wirklichen Sache und ihrem bloßen Schein unterscheiden, sind beide in ihren art- und gesetzesbestimmten Wesenseigenschaften durch die Vermittlung des Ausschlusses naheliegender Alternativmöglichkeiten bestimmt, also durch ihr Nichtsein reflektiert.57 Der wichtige Satz ist, dass der Ausschluss von etwas, das wesenhaft zu etwas anderem gehört, »das Gesetz« ist, von dem Hegel spricht. Eine Katze bellt nicht. Ein Roboter lebt nicht. Ein Leichnam handelt nicht mehr. Das Gesamt aller potentiellen Kräfte, Dispositionen, Vermögen, bedingten Inferenzen ist ebenfalls auf der Grundlage zugehöriger (›kategorischer‹, d. h. eher präsentisch-perfektiver) Ausschlüsse definiert. So bestimmt das Gesetz der chemischen Wahlverwandtschaften, also der möglichen Reaktionen mit anderen Sto=en, was ein chemischer Sto= ist. Das wird später weiter ›erklärt‹ durch Molekülbindungen, die genauere Ausformulierungen des Gesetzes sind. Sie gehören zur theoretischen Grundlegung der ›chemischen Phänomene‹. Das Gesetz, die Normalfallfolgen, bestimmt den Unterschied, ob etwas (ein x hier oder dort) bloß so aussieht wie ein X oder ein X ist, und damit die Sachen und Ursachen. Aber als Erscheinendes ist es wesentlich in sein Nichtseyn reflectirt, oder seine Identität ist selbst wesentlich eben so sehr seine Negativität und sein Anderes. Die Reflexion-in-sich der Erscheinung, das Gesetz, ist also auch nicht nur ihre identische Grundlage, sondern sie hat an ihm ihren Gegensatz, und es ist ihre negative Einheit. (347 | 177) Als erscheinendes Wesen ist etwas (ein x qua X ) von seinem Anderen (d. h. allen anderen Typen Y ) abgehoben und so »in sein Nichtsein reflektiert«. Das Wesen selbst aber ist das, was es in der ›an sich seienden Welt‹ im Kontrast zu seiner Erscheinung ist. Diesen Kontrast nennt Hegel »Negativität«, das damit zu einer modifizierten Das bedeutet unter anderem z. B., dass etwas ein (lebender) Mensch erst ist, wenn es keine bloße Zygote mehr ist. Es ist, heißt das, ein semantischer Putsch, schon die befruchtete Eizelle »Mensch« zu nennen oder gar »Person«. 57
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Ausdrucksform dessen wird, was eine dogmatische Metaphysik als ›Transzendenz‹ eines wahren Seins hinter den Erscheinungen postuliert, indem sie insofern naiv an eine solche Hinterwelt ›glaubt‹, als sie die Konstitution der Beziehung von Transzendenz und Immanenz, der an sich seienden Welt und der erscheinenden Welt, entweder gar nicht oder nicht begreifend bedenkt. Gerade auch nach Kants Versuch, den naiven Glauben an eine transzendente Wahrheit oder Wirklichkeit – z. B. in der christlichen Philosophie, aber auch im Rationalismus eines Leibniz oder Wol= – dadurch zu überwinden, dass er die Formbestimmungen der Dinge in ihrer transzendentalen Konstitution analysiert und die Dinge zu Erscheinungen macht, kollabiert am Problem des ›Dinges an sich‹, an der ›an sich seienden Welt‹. Denn indem Kant die Formen der Erscheinungen, auch der erscheinenden Dinge, in das Subjekt legt, also als bloße Zuschreibungen und mentale Konstruktionen behandelt, die ›nur‹ der Sphäre des Erkennens, unserer besonderen Weltbezugnahme, also einer Epistemologie oder Erkenntnistheorie, zugeordnet werden, bleibt die ontologisch-metaphysische Frage o=en, was denn die Dinge an sich selbst sind, jenseits aller Erscheinungen. Hier wird Kant zum Agnostizisten, nicht anders als die gesamte Lehre des subjektiven Idealismus, zu der sich, wenn sie nur konsequent zu denken in der Lage wären, auch alle Empiristen nach Locke und Hume bekennen müssten (was immerhin sogar Berkeley schon sieht). Humes Skeptizismus und Ermäßigungspragmatismus ist also im Wesentlichen derselbe metaphysische Agnostizismus wie der Kants, Russells und Carnaps. Als Reaktion auf diesen Neu-Humeanismus oder Neopositivismus bzw. Empirismus entsteht wellenartig ein jeweils neuer Realismus als Rückfall in Positionen des Glaubens oder in einen dogmatischen Rationalismus, in eine Metaphysik nach Art von Leibniz oder Spinoza. Die Philosophie beginnt seither zu kreiseln. Eben dieses Kreiseln versucht Hegel zu stoppen. Dazu thematisiert er die ›hinter‹ den Erscheinungen liegende ›an sich seiende Welt‹ als eine Wirklichkeit jenseits aller bloß auf besondere Menschen bezogenen Erscheinungen in ihrer logischen Konstitution. Dadurch hat sich nun die Bestimmung des Gesetzes an ihm selbst verändert. (347 | 177)
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Die an sich seiende Welt, konstituiert durch alle gesetzesförmigen ›Erklärungen‹, zusammengefasst in einer einheitlichen ›Theorie‹, bildet eine ›negative Einheit‹ jenseits aller wahrgenommenen oder vorgestellten ›positiven‹ Erscheinungen. Dabei ändert sich der Status »des Gesetzes«, also der gesetzesförmig dargestellten Natur. Denn indem z. B. für die jeweilige Einzelperson, welche die Gesetze kennenlernt, diese in Form und Inhalt als Gesetze der Natur vorausgesetzt werden, sind sie nicht mehr nur Momente unserer Bestimmung von Erscheinungen. Vielmehr wird eine ›vernünftige‹ bzw. ›wirkliche‹ Ordnung der Dinge als Ursache der daseienden Welt kanonisiert. Man kann dann durchaus fragen, wie in einer solchen Welt der gesetzesbestimmten Natur erstens Leben, zweitens personales oder geistiges Leben und damit Wissen und Bewusstsein hat entstehen können. Dass Leben und Geist entstanden sind, das allerdings sollte als ausgemacht gelten. Damit fragt die Frage nur noch danach, wie wir eine Geschichte im engeren Sinne, eine Geistesgeschichte der Personwerdung der Menschen, zu erzählen bzw. zu rekonstruieren haben, deren Ende uns von heute her schon bekannt ist. Zunächst ist es nur ein verschiedener Inhalt, und die formale Reflexion des Gesetztseyns in sich, so daß das Gesetztseyn der einen seiner Seiten das Gesetztseyn der andern ist. Weil es aber auch die negative Reflexion in sich ist, so verhalten sich ¦ seine Seiten nicht nur als verschiedene, sondern als negativ sich auf einander beziehende. – (347 f. | 177) Diese Passagen drohen wie andere auch am Leser als reiner Sinnklang vorbeizurauschen. Ein unmittelbarer Nachvollzug dessen, wovon Hegel jeweils spricht, ist angesichts seiner eigenen Sorglosigkeit in Bezug auf die Verstehbarkeit kaum möglich. Es hat daher aber auch keinen Sinn zu behaupten, das, was Hegel hier behaupte, sei falsch. Es ist noch nicht einmal klar, ob die Aussagen oder Überlegungen als ›Behauptungen‹ lesbar sind oder bloß als naheliegende Kommentare, die im Laufe der Überlegung selbst wieder abgeändert werden. Der Prototyp eines Gesetzes ist der einer nomologischen Regel der Form A ⇒ B oder einer Doppelregel A ⇔ B bzw. quantitativen Gleichung A = B. Ein solches Gesetz erlaubt den Übergang von A nach B auf der Seite der semantischen Inferenz und drückt als Inhalt eine Art
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notwendigen Zusammenhang zwischen den beiden Seiten A und B aus: Wenn A besteht, besteht notwendig auch B, wenn B aus A folgt – wobei der Begri= der Notwendigkeit, das ist nicht trivial, grundsätzlich gesetzesintern ist. Das Gesetz bzw. die Regel sagt also, was notwendig ist. Dabei sind rein ›tautologische‹, d. h. verbal konventionelle Notwendigkeiten im Grunde langweilig, etwa die Regel A ⇒ A ∨ B für das »oder« (vel) oder die Regel A ∧ B ⇒ A bzw. A & B ⇒ A für das »und«. Entsprechendes gilt für die Regeln 1 + 1 = 2, 1 + 9 = 10 im Dezimal- und 1 + 1 = 10 im Binärsystem. Interessant wird es erst, wenn verschiedene Inhalte in allgemeinen Gesetzen einander zugeordnet werden, nämlich durch generische Inferenzregeln etwa der Art, dass Wassersto= H unter guten Bedingungen zu Wasser ›verbrennt‹, also mit Sauersto= manchmal sogar explosionsartig reagiert. Während die Reaktionsgleichung 2H + O = H2 O eine Art ›Naturnotwendigkeit‹ in der Form eines Gesetzes artikuliert, zeigt sich in der Erscheinungswelt nur unter gewissen Bedingungen bzw. ›im Allgemeinen‹ die damit beschriebene chemische Reaktion ›als Phänomen‹. Hegel betont hier die intrinsischen Doppeldeutigkeiten in unseren Reden von einem Gesetz (der Natur), einer Reaktion (in der Chemie) usf. – mal auf der Ebene der gesetzten Gesetze, mal auf der Ebene der durch sie ›kausal erklärten‹ Erscheinungen, wobei das Wort »kausal« klarerweise ein unspezifisches Allerweltswort ist wie »Grund« und »Ursache« und hier unter Umständen sogar bloß die Beziehung der ›Angemessenheit‹ der Gesetze bei geeignetem Gebrauch ausdrückt. Das (wahre) Gesetz ist »negative Reflexion in sich« insofern, als wir zwischen den Gesetzen, die wir uns als völlig auf die an-sich-seiende Welt passend wünschen, und den je konkret von uns formulierten Gesetzen unterscheiden – sodass wir Letztere in skeptischen Momenten als bloße Hypothesen ansehen und agnostizistisch darüber schwadronieren, dass wir das wahre Gesetz der Natur nie werden ergründen können. Das sind aber bloß maßlos überschwängliche Kommentare zur Verbesserung des nomologischen Gesamtsystems unserer theoretischen Darstellungen und Erklärungen der allgemeinen Di=erenz-, Inferenz- und Entwicklungsformen der (erscheinenden) Welt. Die Negativität eines ›absolut wahren‹ Gesetzes oder einer ›objektiv wirklichen‹ Welt jenseits der bloßen Erscheinungen und der real von uns als
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gut oder wahr bewerteten Systeme realer Naturwissenschaft kommentiert also nur die reale, sich sozusagen als institutionelle Praxis selbst bestimmende Form der Verbesserung unserer Setzungen in idealer Weise, unter vorstellendem Vorgri= auf erho=te Zielerfüllungen. Oder das Gesetz bloß für sich betrachtet, so sind die Seiten seines Inhalts gleichgültige gegen einander; aber eben so sehr sind | sie durch ihre Identität aufgehobene; das Gesetztseyn der einen ist das Gesetztseyn der andern; also ist das Bestehen einer jeden auch das Nichtbestehen ihrer selbst. Diß Gesetztseyn der einen in der andern ist ihre negative Einheit und jedes ist nicht nur das Gesetztseyn ihrer, sondern auch der andern, oder jede ist selbst diese negative Einheit. (348 | 177 f.) Wenn ein Gesetz der allereinfachsten Form A ⇒ B bloß für sich betrachtet wird, z. B. ohne Einbettung in ein Gesamtsystem von Gesetzen, dann drücken A und B Äquivalenzklassen oder Typen aus, die bloß prima facie oder auf der Ausdrucksebene als voneinander unabhängig zu verstehen sind. Denn durch das Gesetz werden sie ja gerade so verknüpft, dass ihre Unabhängigkeit aufgehoben wird: Das Bestehen von A hat dann (relativ zur Regel) ›notwendig‹ das Bestehen von B zur Folge. Andererseits kann man die gesetzte Abhängigkeit des Bestehens von A von der notwendigen Bedingung B – da etwas kein ›wahres‹ A wäre, das B nicht zur Folge hätte – auch katachrestisch so zum Ausdruck bringen, dass man sagt, dass das Bestehen einer der Seiten »auch das Nichtbestehen ihrer selbst« sei. A kann ja (relativ zur Regel) nicht ohne B bestehen. Also ist gerade A nicht selbständig außer dem relational-inferentiellen Gefüge notwendiger Bedingungen (wie B als seiner Folge) als gegeben zu verstehen. Hegels Formulierungskünste sind hier suboptimal. Im Fall von A ⇒ B kann man aber, wenn man unbedingt will, von einer ›negativen Einheit‹ von A und B sprechen, erst recht im Fall von A = B oder s = at 2 usf. Die positive Identität, welche sie im Gesetze als solchem haben, ist nur erst ihre innere Einheit, welche des Beweises und der Vermittlung bedarf, weil diese negative Einheit noch nicht an ihnen gesetzt ist. Aber indem die verschiedenen Seiten des Gesetzes nunmehr bestimmt sind, als in ihrer negativen Einheit verschiedene zu seyn, oder als solche, deren jedes sein anderes an ihm selbst enthält und
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zugleich als selbstständiges diß sein Andersseyn von sich abstößt, so ist die Identität des Gesetzes nunmehr auch eine gesetzte und reale. (348 | 178) »Die positive Identität«, von der Hegel spricht, ist etwa die durch ein Gesetz gesetzte Gleichheit der Form A = B wie z. B. s = at 2 für das Fallgesetz. Der bloß ›inneren‹ Einheit dessen, was das Gesetz inhaltlich sagen sollte, steht die Realität dessen, was seine Formulierung sagt, gegenüber. Man kann solche Gesetze nicht ohne ›Vermittlung‹ oder ›Begründung‹ positiv setzen (ponere) oder gar voraussetzen. Wir brauchen also ›externe‹ Gründe dafür, dass eine solche Setzung wie etwa die von Galileis Gesetz eine gute ist – was im Newtonschen Rahmen vor dem Hintergrund der Keplergesetze inzwischen jedem einleuchtet. Mit der Begründung der Setzung und der kanonischen Anerkennung des Gesetzes sprechen wir aber längst nicht mehr bloß von einem unerkannten oder bloß erho=ten Gesetz, sondern »die Identität des Gesetzes« ist jetzt »eine gesetzte und reale«: Wir müssen jetzt z. B. nur die anerkannten Physikbücher lesen. Damit hat also das Gesetz das mangelnde Moment der negativen Form seiner Seiten gleichfalls erhalten; das Moment, das vorhin noch der Erscheinung angehörte; die Existenz ist somit vollständig in sich zurükgegangen, und hat sich in ihr absolutes an- und fürsichseyendes Andersseyn reflectirt. (348 | 178) Mit der realen Setzung aber erhält das Gesetz »das mangelnde« (also wohl: mangelhafte) »Moment der negativen Form seiner Seiten« – nämlich dass es von uns real gesetzt und formuliert ist und als solches zur Erscheinungswelt gehört, während sein Negativ, das ›wahre Gesetz‹ der Welt, das wir gern formulieren würden, ihm als bloßes Ideal entgegengesetzt wird. Dessen Existenz ist aber »vollständig in sich zurückgegangen« und damit für uns unbrauchbar. Was aber besagt, es habe »sich in ihr absolutes an-und-für-sich seiendes Anderssein reflektiert«? Es scheint hier darum zu gehen, dass jede Existenz einer Sache im Reich der realen Gesetze gesetzt und damit als ein an-und-für-sich-seiendes Anderes der Erscheinung theorienholistisch aufzufassen ist. Eine objektive Existenz muss sich dann nicht mehr (unmittelbar) zeigen, sondern ist ggf. nur noch Moment im System der Gesetze. Dazu passt auch der Schachzug, das Gesetz bzw. die
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gesetzesbestimmte Wirklichkeit aus der engen Verbindung zu realen Erscheinungen und guten Orientierungen in der Erfahrungswelt zu lösen und als das Ganze, als die wahre Welt, zu setzen. Diese wird so »wesentliche Totalität« und alle Erscheinungen ergeben sich aus ihr: Das, was vorher Gesetz war, ist daher nicht mehr nur Eine Seite des Ganzen, dessen andere die Erscheinung als solche war, sondern ist selbst das Ganze. Sie ist die wesentliche Totalität der Erscheinung, so daß sie nun auch das Moment der Unwesentlichkeit, das noch dieser zukam, enthält; aber als die reflectirte, an sich seyende Unwesentlichkeit, d. h. als die wesentliche Negativität. – (348 | 178) Während Erscheinungen nach obiger Analyse auch noch ›unwesentliche‹ Aspekte enthalten hatten – ging es doch darum, wie etwas uns erscheint, sich uns darstellt – wird in einer rein gesetzlich vorgestellten Welt (›dem Gesetz‹) scheinbar alles wesentlich. Alles, was es gibt, wird zum Wesen oder gehört zur Natur der Dinge. Die Erscheinungen aber werden zu bloß subjektiven Epiphänomenen, zu unseren lokalen Auffassungsweisen, ohne jede allgemeine Wahrheit. Damit wird alles, was vorher als ›unwesentlich‹ beurteilt wurde, zu einer ›an sich seienden Unwesentlichkeit‹, die man (scheinbar, so will es die ideale Reflexion) selbst wieder ›gesetzesartig‹ erklären möchte. Die Gesetze des Scheins erklären entsprechend, wie ein typischer Schein oder Irrtum entsteht. Das geht darüber hinaus, wie sich Wesentliches in der Erscheinung zeigt. Hegel spricht hier von der ›wesentlichen Negativität‹. Das Gesetz ist als unmittelbarer Inhalt, bestimmt überhaupt, unterschieden von andern Gesetzen, und es gibt deren eine unbestimmbare Menge. Aber indem es die wesentliche Negativität nun an ihm selbst hat, enthält es nicht | mehr eine solche nur gleichgültige, zufällige Inhaltsbestimmung; sondern sein Inhalt ist alle Bestimmtheit überhaupt, in wesentlicher sich zur Totalität machenden Beziehung. So ist die in sich reflectirte Erscheinung nun eine Welt, die sich als an und für sich seyende über der erscheinenden Welt aufthut. (348 | 178 f.) Dass unsere Lesart zumindest in die richtige Richtung weist, zeigt sich in Hegels eigenem Übergang zu einer »Welt, die sich als an und für sich seiende über der erscheinenden Welt auftut«. Wie aber verhält
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sich diese zu dem, was Hegel mit dem Titel »Gesetz« überschreibt, und in welchem Sinn soll sie »die in sich reflektierte Erscheinung« sein? Ein Gesetz ist bestimmt als von anderen möglichen Gesetzen unterschieden. Es ist als Inhalt invariant gegen seinen Ausdruck. Das setzt eine Inhaltsgleichheit zwischen verschiedenen Äußerungen des Gesetzes voraus. Im System der Gesetze gibt es viele einzelne Gesetze. Das Idealbild des totalen Gesetzes der ganzen Welt ist wesentliche Negativität. Es drückt sich in ihm die ›negative‹ Tatsache aus, dass jedes reale System konkreter Gesetze entwicklungs- und verbesserungsfähig ist. Die Idealvorstellung eines Totalgesetzes für alle Erscheinungen enthält nicht mehr »zufällige Inhaltsbestimmungen«; sondern sein Inhalt ist alle Bestimmtheit überhaupt, in wesentlicher »sich zur Totalität machenden Beziehung«. Man stellt sich eben die wahre Welt gesetzesförmig vor und erforscht in der Wissenschaft der Natur eben das gesetzesartige Wesen der Welt – selbst wenn man in skeptischen Phasen in einen rein instrumentellen Pragmatismus oder eine ermäßigte Wahrheit zurückflüchtet und in Sonntagsblättern ›als Wissenschaftler‹ schreibt, ein Wesen der Dinge gäbe es nicht, wenn es aber ein solches gäbe, so könnten wir es nicht erkennen. Man denkt damit einfach wieder so, wie schon der höchst kluge und subtil argumentierende Sophist Gorgias. Dieser war also keineswegs unverständig und wird doch von Platons Sokrates mit Recht als unvernünftig kritisiert. Das Problem, das Hegel hier nur in einem ersten Ansatz exponiert, liegt gerade in der Gefahr eines neuen naiv-dogmatischen Glaubens an die Transzendenz einer wahren gesetzesartigen Welt. Er sieht aber, dass die üblichen Selbstkommentare der Naturwissenschaften selbst viel eher in dieser Gefahr stehen als kritische Philosophie, sofern sie nur das Erbe eines erscheinungstheoretischen Skeptizismus und der Transzendentalphilosophie richtig verwaltet. Das Reich der Gesetze enthält nur den einfachen, wandellosen aber verschiedenen Inhalt der existirenden Welt. Indem es nun aber die totale Reflexion von dieser ist, enthält es auch das Moment ihrer wesenlosen Mannichfaltigkeit. Dieses Moment der Veränderlichkeit und Veränderung als in sich reflectirtes, wesentliches, ist
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die absolute Negativität oder die Form überhaupt als solche, deren Momente aber in der an- und für-sichseyenden Welt die Realität selbstständiger, aber reflectirter Existenz haben; so wie umgekehrt diese reflectirte Selbstständigkeit ¦ nunmehr die Form an ihr selbst hat, und dadurch ihr Inhalt nicht ein bloß mannichfaltiger, sondern ein wesentlich mit sich zusammenhängender ist. (348 f. | 179) Es sind nicht nur die realen, explizit gemachten Gesetze oder Wesenserklärungen in der Bestimmung der realen und für möglich erklärten Erscheinungen geistige Leistungen, auch die Vorstellung der wirklichen Welt als gesetzesförmiges Negativ und Ideal unserer geformten Praxis der Entwicklung und Verbesserung von realen Gesetzen oder gesetzesförmigen Wesenserklärungen ist rein geistig. Die Ironie dieser Einsicht besagt, dass der Materialismus nicht anders als irgendeine theologische Metaphysik eine Sekte von Geistlichen ist. Sie ist eine Art naiv-intellektualistischer Glaube an die objektive Wirklichkeit unserer eigenen Ideale. Kritische Philosophie ist objektiver bzw. absoluter Idealismus, indem sie das Idealistische im dogmatischen Physikalismus, das Wesensgläubige im Naturalismus und die Ho=nung auf einen Legosteinkonstruktivismus im Atomismus erkennt. Dabei liegt ein Hauptmangel der Reflexion darin, dass man den Status von spekulativen Aussagen über Totalitäten wie ›die ganze Welt‹, ›die wahre Welt‹, ›die Natur‹ oder ›die Wirklichkeit‹ gar nicht in ihrem logischen Status bedenkt, schon gar nicht das, was die Wörter »ideal« und »Idee« eigentlich thematisieren. Die Gesetze, von denen wir hier sprechen, sind zeitallgemeine, selbst wenn sie zeitbezogene bzw. empirische Bedingungen, Ursachen, Folgen nennen und einen wesentlichen Bezug zur Welt der Erscheinungen wahren. Deswegen ist das Reich der Gesetze in seinem Inhalt der Form nach statisch. Dieser Inhalt ist aber verschieden von den realen, empirischen Inhalten der erscheinenden Welt. Gesetze heben ja das Substantielle, Bleibende, Wandellose der Welt hervor. In der totalen Reflexion oder der Vorstellung, alles im Reich der Gesetze darstellen zu können, möchte man alle »Veränderlichkeiten und Veränderung« in der Form ewiger Funktionen und Relationen darstellen – was aber ein bloßes Ideal ›absoluter Negativität‹ ist, eine transzen-
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dente Vorstellung, oder besser, eine Vorstellung einer transzendenten Welt, die mit unserer nichts mehr gemein hätte. Wir müssen daher die verschiedenen Deutungen einer ›übersinnlichen Welt‹ unterscheiden und dabei falsche von richtigen aussondern. So ist nichts gegen eine Reflexion auf »die Form überhaupt als solche« zu sagen – sofern die Formen und Strukturen dabei nicht naiv metaphysisch hypostasiert werden. Die Vorstellung der Wirklichkeit einer Welt an sich hinter den erscheinenden Phänomenen ist sogar leitend für die Naturwissenschaft. Sie kultiviert das Reich der Gesetze. Dieses Reich charakterisiert Hegel gnomisch als »die totale Reflexion«. In sich reflektiert ist dieses Reich eben deswegen, weil nicht an unsere Praxis der Formulierung realer Gesetze gedacht ist, sondern an deren Inhalt, der als Grund bzw. Ursache der Erscheinungen gedeutet wird. Man unterstellt damit, dass der Inhalt unserer Gesetze und der Inhalt der Gesetze der Natur (oder Wirklichkeit) in gewissem Sinn identisch sein sollen, sozusagen als Ho=nung einer idealen ›Korrespondenz‹. Hegels Analyse zeigt, dass von einer Korrespondenz im Sinne einer Abbildung keine Rede sein kann. Das Reich der Gesetze ist nur die redetechnisch idealisierte und damit formal objektivierte Form unserer gesetzesartigen Darstellungen und Erklärungen der Erscheinungen. Diese dienen mit ihrer prognostischen Kraft teils praktischen Orientierungen; teils weiten sie ein bloß pragmatisches Wissen aus zu einem Weltbild, in dem auch Sachen und Ereignisse weit jenseits von real Erfahrbarem gedacht und in das Erfahrbare gesetzesförmig eingebettet werden. – Diese an und für sich seyende Welt heißt auch die übersinnliche Welt; insofern die existirende Welt als sinnliche, nemlich als solche bestimmt wird, die für die Anschauung, das unmittelbare Verhalten des Bewußtseyns, ist. – Die übersinnliche Welt hat gleichfalls Unmittelbarkeit, Existenz, aber reflectirte, wesentliche Existenz. Das Wesen hat noch kein Daseyn; aber es ist, und in tieferem Sinne, als das Seyn; das Ding ist der Beginn der reflectirten Existenz; es ist eine Unmittelbarkeit, die noch nicht gesetzt ist, als wesentliche oder reflectirte; es ist aber in Wahrheit nicht ein seyendes Unmittelbares. (349 | 179) Übersinnlich ist die über das Reich der Gesetze vermittelte Welt der Sachen an und für sich. Die konkreten Erscheinungen sind als das
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durch sie erklärte Typische in diese Welt eingebettet. Im intelligiblen Reich der Gegenstände des Denkens, der Inhalte idealer Gesetze, die als in sich reflektierte ideale Wahrmacher unserer Gesetze aufgefasst werden, gibt es dennoch keine Zeit, keine Veränderung, keine Bewegung. Ihr gegenüber steht das empirische Reich der ›existierenden Welt‹, wie sie sich den Sinnen zeigt, aber über die unterstellten Gesetze »als solche bestimmt wird«. Das ist die Welt, wie sie »für die Anschauung, das unmittelbare Verhalten des Bewusstseins, ist« – sodass die wirkliche Welt an und für sich aus einer Art Zusammenführung der von uns gedachten Welt an sich, des Reiches der Gesetze, und der Existenzen für sich, des empirisch Erfahrbaren, aufzufassen ist. Wieder ist alles, was es »an sich« gibt, das Allgemeine, das uns in seiner konkreten Bestimmung gerade über das Denken (der Gesetze) zugänglich ist, während das, was es »für sich« gibt, auch das Unwesentliche kontingenter Möglichkeiten in den Erscheinungen und damit die möglichen Überraschungen des Empirischen enthält, samt der damit immer nötigen Ausweitung der konkreten Teildarstellungen ›des‹ Reiches der Gesetze. Die übersinnliche Welt hat als ›Gegenstand‹ des Denkens eine reflektierte Existenz, die des gesetzten Wesens, die Hegel, leicht irreführend, »wesentliche Existenz« nennt. Gemeint ist der Inhalt der Gesetze, wie er nicht bloß über die expliziten Sätze und Regeln unserer Theorien gedacht wird, sondern sich als nomologisch bestimmte Form auch in gemeinsam erfolgreicher Kommunikation über die Erfahrungswelt zeigt, sodass der Inhalt der Gesetze auf doppelte Weise aufscheint oder eben ›existiert‹. Rein abstrakt als Inhalt typisierender Gesetze gedacht, hat das Wesen »noch kein Dasein«. Daher erscheint die Rede über es so luftig, wenn man von der Projektion auf die reale Erfahrung abstrahiert. Dennoch ist es richtig zu sagen, dass das Wesen, der Inhalt der Gesetze, in einem höheren Sinn ›ist‹ als ›das Sein‹ im Sinne des Reichs der qualitativen Unterscheidungen in der bloßen Erfahrungswelt samt deren logischer Abhängigkeit von unserem Leben. Es erweist sich jetzt, dass schon die Rede über nicht bloß präsentisch zuhandene Sachen den Kontext unserer konkreten Weltorientie-
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rungen transzendiert. Die als vorhanden ausweisbaren Dinge wie z. B. der Ei=elturm in Paris oder die Milchstraße gehören schon in die Welt an und für sich. Die Dingsprache als »der Beginn der reflektierten Existenz« geht so über die wahrgenommene Existenz der Anschauung weit hinaus. Das betonen alle ›Realisten‹ und ›Materialisten‹ mit Recht. Sie vergessen nur die Analyse dessen, was sie damit sagen wollen und können. Denn kein Ding ist »ein seiendes Unmittelbares«. Die realistische und naturalistische Metaphysik des Physikalismus übersieht in ihrem Legobaustein-Bild des ›Aufbaus der Materie‹ bzw. der Dinge, dass alle Dingbegri=e und Dingbezüge, Dingidentitäten und Gegebenheiten im Zuhandensein und Vorhandensein inferenz- und dispositionslogisch längst schon in sich reflektiert sind. Der Physikalismus übersieht schlicht, dass die den Dingen wesensmäßig zugeordneten Kräfte und Vermögen als lokale Anteile an holistischen Prozessen zu begreifen sind. Ohne denkende Konstitution, auch theoretische Re-Konstruktion, lässt sich das gar nicht in der wirklichen Verfassung begreifen. Der provokative Merksatz für diese Einsicht lautet: Die dinghafte Materie selbst ist etwas Geistiges. Sie ist zuerst ein Gegenstand des Denkens, weit über ihre sinnliche Erfahrenheit und unmittelbare Erfahrbarkeit hinaus. Das ist weniger eine unerhörte Behauptung als eine o=enkundige Selbstverständlichkeit, wenn man nur genau genug nachdenkt. Die Dinge erst, als Dinge einer andern, übersinnlichen Welt sind gesetzt, erstens als wahrhafte Existenzen, und zweytens als das Wahre ge|gen das Seyende; – in ihnen ist es anerkannt, daß es ein von dem unmittelbaren Seyn unterschiedenes Seyn gibt, das wahrhafte Existenz ist. Einestheils ist in dieser Bestimmung die sinnliche Vorstellung überwunden, welche nur dem unmittelbaren Seyn des Gefühls und der Anschauung Existenz zuschreibt; anderntheils aber auch die bewußtlose Reflexion, welche zwar die Vorstellung von Dingen, Kräften, Innerlichem und so fort hat, ohne zu wissen, daß solche Bestimmungen nicht sinnliche oder seyende Unmittelbarkeiten, sondern reflectirte Existenzen sind. (349 | 179 f.) Ein Ding ist als Ding gegen das bloß Seiende des perzeptiv Erfahrenen gesetzt, als Gegenstand einer »übersinnlichen Welt« – zu der
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ja auch alle Energien und Kräfte, Möglichkeiten und Potentialitäten gehören. Keine dieser ›Mächte‹ lassen sich als unmittelbar seiend ›wahrnehmen‹. Zugleich gelten die Dinge in ihrer Natur, ihrem Wesen, als »wahrhafte Existenzen«. Daher ist ein Ding auch kein Bündel von Perzeptionen, keine Menge von Sinnesdaten. 2. Die an und für sich seyende Welt ist die Totalität der Existenz; es ist nichts anderes ausser ihr. Indem sie aber an ihr selbst die absolute Negativität oder Form ist, so ist ihre Reflexion-in-sich, negative Beziehung auf sich. Sie enthält den Gegensatz, und stößt sich ab in sich als die wesentliche Welt, und in sich als die Welt des Andersseyns oder die Welt der Erscheinung. So ist sie darum, weil sie die Totalität ist, auch nur als eine Seite derselben, und macht in dieser Bestimmung eine gegen die Welt der Erscheinung verschiedene Selbständigkeit aus. (349 | 180) Dass die Rede von der (oder einer) Welt auf eine Totalität, ein ›Alles‹, verweist und eben damit ein Handbewegungstitel und keine Gegenstandsbenennung ist (wie in den Reden über mögliche Welten von Leibniz bis David Lewis), wird jetzt klar: Die an und für sich seiende Welt wird als »Totalität der Existenz« so aufgefasst, dass es »nichts Anderes außer ihr« gibt. Allerdings ist es eine ganz bestimmte Auffassung von der Totalität des ›Alles‹. Es handelt sich nämlich um die Welt als »absolute Negativität oder Form«, aus welcher in idealisierender Abstraktion alle Mängel der von uns real gesetzten Gesetze und der von uns wahrnehmbaren Phänomene weggedacht sind. Hegel nennt diese idealisierende Objektivierung, wie wir gesehen haben und jetzt wieder sehen, »Reflexion-in-sich«. Er sagt, diese sei »negative Beziehung auf sich«. Wer meint, das Wort »sich« und die zugehörige Identität sei etwas Einfaches, schlicht gegeben und nicht durch Verwandlung von (idealen) Äquivalenzen gleichgültiger (Re-)Präsentationen in eine Relation des Fürsichseins konstituiert, der wird diese komplexe Kommentarform kaum verstehen können. Es handelt sich um die Kurzfassung der Dingkonstitution selbst, in welcher gedankliche Form und Erscheinungsform über gesetzte Gesetze bzw. di=erentiell bedingte Inferenznormen eine komplexe Einheit bilden. Die Gegensätze von idealem Formgesetz, auch ideal gesetzten
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Kräften (Potentialitäten, Dispositionen) und äußeren Erscheinungen samt dem Schein falscher Erwartungen sind als (mögliche) Widersprüche im Dingbegri= selbst sozusagen enthalten, mitgesetzt – und als ideal aufgehoben in die »wesentliche Welt« ›gestoßen‹. Dass dabei die Denkwelt des Wesens, die intelligible Welt der Gesetze, keinen Widerspruch enthalten soll, ist ein Moment des Gesetzes oder der Regel selbst: Ihr Inhalt wäre nicht bestimmt, wenn er völlig o=en ließe, ob er uns erlaubte, allgemein von A zu B überzugehen oder nicht, also unter der Voraussetzung von A auch B zu sagen oder mit der Möglichkeit von nicht-B noch zu rechnen. Die von uns idealiter geformte Welt an sich als Reich der Gesetze ist also (ho=entlich) einigermaßen konsistent. Aber ihre ›Kohärenz‹ mit der realen, empirischen, immer auch kontingenten Welt der Erscheinungen ist keineswegs ›widerspruchsfrei‹, schon gar nicht voll geregelt. Daher ist ein bloß schematischer Verstand nicht ausreichend für die Vernunft des guten Umgangs mit den Gesetzen der Welt und ihren Erscheinungen. Die erscheinende Welt hat an der wesentlichen Welt ihre negative Einheit, in der sie zu Grunde und in die sie als in ihren Grund zurükgeht. Ferner ist die wesentliche Welt auch der setzende Grund der erscheinenden Welt; denn, die absolute Form in ihrer Wesentlichkeit enthaltend, hebt sich ihre Identität mit sich auf, macht sich zum Gesetztseyn und ist als diese gesetzte Unmittelbarkeit die erscheinende Welt. (349 | 180) Die erscheinende Welt scheint in eine Mannigfaltigkeit von subjektiven Phänomenen zu zerfallen, sozusagen die Farbpixel des Empirismus, so wie die dingliche Welt für David Lewis in atomare Pixeldinge mit Kräften, sodass das Welt-Bild schon recht nahe an das rationalistische Modell von rezeptiven und wirkenden punktförmigen Monaden wie bei Leibniz heranrückt. Sie ist ferner nicht nur überhaupt Grund der erscheinenden Welt, sondern ihr bestimmter Grund. Schon als das Reich der Gesetze ist sie mannichfaltiger Inhalt, und zwar der wesentliche der erscheinenden | Welt, und als inhaltsvoller Grund, der bestimmte Grund der andern, aber nur diesem Inhalt nach; denn die erscheinende Welt hatte noch mannichfaltigen andern Inhalt als jenes Reich, ¦ weil ihr noch das negative Moment eigenthümlich zukam. Aber indem das
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Reich der Gesetze diß Moment nun gleichfalls an ihm hat, so ist es die Totalität des Inhalts der erscheinenden Welt und der Grund aller ihrer Mannichfaltigkeit. Aber sie ist zugleich das negative derselben, so ist [sie] die derselben entgegengesetzte Welt. – Nähmlich in der Identität beyder Welten, und indem die eine der Form nach bestimmt ist, als die wesentliche und die andere als dieselbe aber als gesetzte und unwesentliche, hat sich zwar die Grundbeziehung wieder hergestellt; aber zugleich als die Grundbeziehung der Erscheinung, nemlich als Beziehung nicht eines identischen Inhalts, noch auch eines bloß verschiedenen, wie das Gesetz ist, sondern als totale Beziehung, oder als negative Identität und wesentliche Beziehung des Inhalts als entgegengesetzten. – (349 f. | 180 f.) Das Reich der Gesetze als Struktur des unterstellten Wesens, der Natur, ist statisch, apriorisch, der Zeit und Empirie entzogen, zugleich »Grund der erscheinenden Welt« und »mannigfaltiger Inhalt«. Die erscheinende Welt geht in ihren empirischen Einzelheiten, der Zeit, der Kontingenz, über die zeit- und zufallsfreie Welt der ewigen Gesetze hinaus. Ihr negatives Moment ist gerade die Kontingenz der zeitlich-empirischen Veränderungen, des Entstehens und Vergehens von allem, sogar der scheinbar beständigen Formen und Inhalte der Naturgesetze, wie wir das schon schön am Entstehen und Vergehen der Lebensformen von Pflanzen- und Tierarten sehen können, aber auch von Sonnen und Planeten, meinethalben des ganzen Weltalls in seiner heutigen Form mit seinen heutigen ›physikalischen Gesetzen‹ des dinglich-materiellen Normalgeschehens in der Welt, wie wir es in Physik und Chemie gesetzesartig zu ›beschreiben‹ versuchen. Wie wir jetzt sehen, hat »das Reich der Gesetze« das Moment der Veränderlichkeit selbst an ihm, und zwar nicht bloß im Blick auf unsere je besten Gesetzessysteme, die wir in der Geschichte des Geistes, also der Wissenschaften, auf ein Ideal hin verbessernd entwickeln, sondern als an die Weltepochen selbst anzupassenden Wesensgesetze. Vor der Existenz biologischen Lebens gab es keine biologischen Lebensformen und keine entsprechenden Sachen, die sich durch biologische Gesetze nomologisch hätten beschreiben lassen. Vor der Existenz der Menschen gab es keine Formen und Regeln, wie wir sie für das Verstehen des Geistes, das Handeln der Person brauchen,
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und zwar weil es sich um eine neue Seinsweise handelt. Die Geisteswissenschaften entwickeln dementsprechend eine andere Form des Wissens als die bloßen Naturwissenschaften. Diese bleiben auf das Verhalten nicht-personaler Sachen und Wesen beschränkt. Dazu gehören auch alle rein leiblichen Prozesse im Körper einer Person, also alles Wissen einer rein physikalischen und medikamentösen (Chemo-)Medizin, jenseits von Lebensdiätetik und sozialem Handeln. Wieder ist die »Identität beider Welten« über eine nichttriviale Äquivalenzbeziehung zwischen intelligiblen Gesetzen (der Kraft und Wirkung der gesetzten ›Notwendigkeiten‹ von Normalprozessen) und sich zeigender Existenz zu verstehen. In objektstufig-sachbezogener Rede freilich unterstellen wir all das, was die logische Analyse und philosophische Reflexion als In-sichReflektiertheit der Gegenstände ans Tageslicht holt und explizit macht. Damit ist dann aber auch aller Unterschied zwischen Wesen und Erscheinung wieder partiell verschwunden. Die Relationen der (gesetzesartig bestimmten) Dinge zueinander und zu uns, vermittelt über den Leib, erscheinen »als totale Beziehung« in einer als Totalität aufgefassten Dingwelt oder »als negative Identität« allem Schein und aller (auf uns bezogenen) Erscheinung ›rein objektiv‹ entgegengesetzt. Das Wort »ob-jectum« drückt diese Entgegensetzung des GegenStändlichen ebenso aus wie das Wort »sub-jectum« das unterstellte Ich jedes konkreten Objektbezugs. Dabei müssen wir dann aber auch noch den viel weiteren Sinn der anderen Satzsubjekte qua Satzgegenstände beachten, die keine personalen Subjekte sind. Das prototypische Urbild für Sätze der Form »Der Ei=elturm steht in Paris« mit dem Ei=elturm als objektivem Satzgegenstand sind interessanterweise die subjektiven Sätze »Ich tue X «, »Ich habe die Eigenschaft Y « oder »Ich bin Eigentümer von Z«, welche klarerweise Vollzüge und Seinsweisen artikulieren. Die Anthropozentrik in der Semantik ist unaufhebbar. Hätte Nietzsche nur das betont, so könnten wir ihm zustimmen. Das Reich der Gesetze ist nicht nur diß, daß das Gesetztseyn eines Inhalts das Gesetztseyn eines andern ist, sondern diese Identität ist wesentlich, wie sich ergeben hat, auch negative Einheit; jede der beyden Seiten des Gesetzes ist in der negativen Einheit an ihr
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selbst ihr anderer Inhalt; das andere ist daher nicht unbestimmt ein anderes überhaupt, sondern es ist ihr anderes, oder es enthält gleichfalls die Inhaltsbestimmung von jener; so sind die beyden Seiten entgegengesetzte. Indem das Reich der Gesetze nun diß negative Moment und den Gegensatz an ihm hat, und sich somit als die Totalität, von sich selbst in eine an und für sich seyende und eine erscheinende Welt abstößt, so ist die Identität beyder die wesentliche Beziehung der Entgegensetzung. – (350 | 181) Im projektiven Verhältnis zwischen wesenhaftem Ding in objektiver, gegenständlicher Sprachform und seinen Erscheinungen, erklärt durch die in das Ding nomologisch gesetzten Potentialitäten (Vermögen, Kräfte, Dispositionen), sind beide »ihr Anderes«. Das Ding erhält seine Inhaltsbestimmung partiell aus seinen Erscheinungen und seine Erscheinung in der Wahrnehmung erhält ihre Inhaltsbestimmung partiell aus der Einbettung der besonderen Art des Dinges in ein Gesamtgeschehen dinglicher Prozesse, von denen die räumlichen Relativbewegungen der Dinge nur die einfachsten sind. Für eine ›wesensanalytische‹ Unterscheindung oder gar Entgegensetzung von Natur (Wesen) und Erscheinung ist dabei ihre in objektstufiger Rede vorausgesetzte Sachidentität wesentliche Voraussetzung. Die Grundbeziehung als solche ist der in seinem Widerspruch | zu Grunde gegangene Gegensatz; und die Existenz der mit sich selbst zusammengehende Grund. (350 | 181 f.) Hegels »Grundbeziehung« wird jetzt zur projektiven Beziehung eines nomologischen Systems, das eine gesetzesförmige Natur als Wesen der Dinge definiert, auf das Reich der Erscheinungen. Indem die Projektion vorausgesetzt wird, ist der Widerspruch oder Gegensatz zwischen Modellwelt und Erfahrungswelt verschwunden. Der Scheincharakter der Erscheinung hat sich in die sich zeigende Existenz ihres ›Grundes‹, der ›natürlichen‹ (Wesens-)Ursache verwandelt. Hegels Rede von einem ›mit sich zusammengehenden Grund‹ drückt diesen Gedanken aus. Aber die Existenz wird zur Erscheinung; der Grund ist in der Existenz aufgehoben; er stellt sich als Rükkehr der Erscheinung in sich, wieder her; aber zugleich als aufgehobener, nemlich als Grundbeziehung entgegengesetzter Bestimmungen; die Identität
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solcher aber ist wesentlich Werden und Uebergehen, nicht mehr die Grundbeziehung als solche. (350 | 182) Die Existenz wird in der Wahrnehmung zur Erscheinung eben dadurch, dass sich der Grund, die Ursache, das Wesen, das Ding sinnlich zeigt, freilich nur in Verbindung mit seiner begri=lichen und daher denkbestimmten Fassung. Der Grund – der auf der Rede-Ebene z. B. die Angabe des Grundes dafür ist, dass man einen Gegenstand der Wahrnehmung unter ein Wahrnehmungsurteil, eine begri=liche Wesensbestimmung subsumiert und dann den Schein der Wahrnehmung als vom Gegenstand, dem Ding, unter den entsprechenden weiteren Bedingungen verursacht deutet – »ist in der Existenz aufgehoben«. D. h. die Rede von der Existenz des Dinges enthält die Erscheinung, die grundsätzliche Wahrnehmbarkeit des Dinges oder einer seiner Folgen im Gesamtsystem der ›Gründe‹ bzw. ›Ursachen‹, indem wir die Welt an und für sich als einheitlich darstellen und die Erscheinungen ›erklären‹. Gründe bzw. Ursachen nicht bloß als Inhalt subjektiver Begründungen bzw. Erklärungen, sondern als ›wahre‹ Gründe oder ›wirkliche Ursachen‹ bestätigen sich in ihren Erscheinungen. Sie werden in der glückenden Erklärung der Erscheinung selbst als bestehend begründet. Zunächst sind sie gedankliche Möglichkeiten im intelligiblen Reich von generischen Gegenständen an sich. Hegel spricht daher davon, dass sich ein Grund »als Rückkehr der Erscheinung in sich« wiederherstellt. Wir sprechen von einer ›besten Erklärung‹. Eine Welt an sich ist also eine mögliche Welt. Eine mögliche Welt aber ist nur als Konstellation typischer Verhältnisse zu begreifen, als mögliche Instanz abstrakt-generischer Bedingungen in einem gesetzten Rahmen von wenigstens epochal zeit- und modalitätsinvarianten, nomologischen Gesetzen. Eine mögliche Welt oder eine Welt an sich enthält daher gar keine Einzelphänomene, Einzeldinge, Einzelmenschen, sondern nur besondere Typen, Arten, Charaktere, wie jedes Märchen und jeder fiktionale Roman. Dabei hängt das ›Realistische‹ der Vorstellung einer Möglichkeit an sich von der Welt an sich ab, nämlich vom Reich der Gesetze: Sofern diese als gültig erhalten bleiben, nennen wir z. B. auch einen Roman »plausibel«. Es wird eine ›wirklich mögliche‹ Welt skizziert,
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gerade wenn die Notwendigkeiten und Allgemeinheiten der materialbegri=lichen Gesetze erhalten bleiben. Das Wort »kohärent« soll das ausdrücken, steht dabei aber dem Wort »konsistent« fast allzu nahe, das als rein formallogische Konsistenz viel zu viele Möglichkeiten zulässt und einen viel zu engen Notwendigkeitsbegri= in Anschlag bringt, nämlich den der rein formallogischen Notwendigkeit der tautologischen Folgen unterstellter rein terminologischer Regelungen – im Umgang mit Wörtern wie »nicht«, »und« und »für alle« in sortalen Bereichen G . Die an und für sich seyende Welt ist also selbst eine in sich in die Totalität des mannichfaltigen Inhalts unterschiedene Welt; sie ist identisch mit der erscheinenden oder gesetzten, insofern Grund derselben, aber ihr identischer Zusammenhang ist zugleich als Entgegensetzung bestimmt, weil die Form der erscheinenden Welt die Reflexion in ihr Andersseyn ist, sie also in der an und für sich seyenden Welt wahrhaft so in sich selbst zurükgegangen ist, als diese ihre entgegengesetzte ist. Die Beziehung ist also bestimmt diese, daß die an und für sich seyende Welt die verkehrte der erscheinenden ist. ¦| (350 | 182) Die an und für sich seiende Welt ist die Welt der durch das Reich der Gesetze und dinglichen Wesen mit den in sie gesetzten Kräften bzw. Potentialitäten erklärten Erscheinungen. Als Welt ist sie eine Totalität. Sie ist identisch mit der erscheinenden Welt, in der das Wesen, sozusagen die Welt an sich, sich uns zeigt. Sie ist sogar deren Grund, liefert also alle Ursachen von Erscheinungen. Dabei wird als »identischer Zusammenhang« eine konkrete Art der Erklärung der Erscheinungen durch die Natur oder das Wesen der Dinge, vermittelt über Gesetze, vorausgesetzt, samt der zugehörigen ›Entgegensetzung‹ von Natur und Erscheinung, auch der bloß erst allgemeinen Welt an sich der generischen Gesetze und der Welt an und für sich der in ihrem Rahmen durch gesetzte Dinge gut bzw. wahr erklärten Erscheinungen. Warum aber soll »die an und für sich seiende Welt die verkehrte der erscheinenden« sein? Hegels Rede von der verkehrten Welt versteht sich keinesfalls von selbst. Sie ist bisher sogar ein ungelöstes Rätsel geblieben. Dasselbe gilt für die folgende Rede von einer »Auflösung der Erscheinung«.
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C. Auflösung der Erscheinung Die an und für sich seyende Welt ist der bestimmte Grund der erscheinenden Welt, und ist diß nur, insofern sie an ihr selbst das negative Moment und damit die Totalität der Inhaltsbestimmungen und ihrer Veränderungen ist, welche der erscheinenden Welt entspricht, aber zugleich ihre durchaus entgegengesetzte Seite ausmacht. Beyde Welten verhalten sich also so zu einander, daß was in der erscheinenden Welt positiv, in der an und für sich seyenden Welt negativ, umgekehrt was in jener negativ, in dieser positiv ist. Der Nordpol in der erscheinenden Welt, ist an und für sich der Südpol, und umgekehrt; die positive Electricität ist an sich negative u. s. f. Was im erscheinenden Daseyn böse, Unglük u. s. f. ist, ist an und für sich gut und ein Glück*. (*Vergl. Phänomenologie des Geistes S. 96 =.) (351 | 183) Wir hatten schon versucht, Hegels Rede von der Negativität und dem ›negativen Moment‹ der an und für sich seienden Welt als »der bestimmte Grund der erscheinenden Welt« erstens durch die partielle Negation oder Aufhebung des Scheincharakters der Erscheinung und damit zugleich bloßer Subjektivitäten und Perspektivitäten im Weltzugang zu erklären, zweitens durch eine Analogie zum Verhältnis zwischen Negativ und Positiv in der Fotographie oder zwischen Hohlform und Kopie, da hier o=enkundig Hell und Dunkel bzw. Innen und Außen vertauscht sind, sodass z. B. das Foto-Negativ im Vergleich mit dem Positiv oder Bild-Abzug auf ähnliche Weise eine ›verkehrte‹ Welt darstellt, wie sich im Spiegelbild Links und Rechts vertauscht – sodass manche meinen, dass gar nicht von einem »Bild« gesprochen werden sollte, da im Bild eine solche Vertauschung nicht stattfinden dürfe. Damit kommen wir dem obskuren Satz Hegels schon näher, nach dem »der Nordpol in der erscheinenden Welt« gemäß seinen Erläuterungen der verkehrten Welt »an und für sich der Südpol« sein soll, »und umgekehrt«. Hegel denkt o=enbar an die einfache Tatsache, dass die Pfeilspitze eines Kreiselkompasses, die nach Norden zeigt, ihrer magnetischen Polung nach in die Klasse der ›Südpole‹ gehört – und sich vom Südpol abstößt. In unserer Draufsicht auf den Kompass neigen wir aber dazu, die nach Norden zeigende Spitze als a;n zum Nordpol anzusehen und vielleicht sogar als ›Nordpol‹ des Kompas-
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ses anzusprechen, was aber o=enkundig falsch ist. Die scheinbar verkehrte Welt des An-und-für-sich-Seins des Magnetismus bestimmt daher besser als unsere ›Intuition‹ oder ›Anschauung‹, was Hegel hier zu sagen versucht. Dass es in der Tat um eine Art Unterscheidung zwischen ›Binnensicht‹ und ›Draufsicht‹ geht, zeigt auch das zweite, den Leser zunächst ratlos zurücklassende Beispiel: »Was im erscheinenden Dasein böse, Unglück u. s. f. ist, ist an und für sich gut und ein Glück«. Hegel sagt hier keineswegs – wie man erwarten könnte – dass das immer so sei. Er sagt nur, dass es so sein kann, dass, was mir aus der begrenzten Binnenperspektive von hier und jetzt her als Unglück erscheint – z. B. eine schwere Erkrankung, der Verlust einer Arbeitsstelle, das Scheitern einer Ehe – sich unter Umständen insgesamt als ein Glück herausstellen kann: Meine Erkrankung kann mich z. B. vom Kriegsdienst befreien und dadurch mein Leben retten, während alle Kameraden fallen. Der Verlust eines Jobs kann mich zwingen, einen anderen beruflichen Weg einzuschlagen, der sich als viel besser erweist. Die Katastrophe einer Ehescheidung kann ein neues, tieferes Glück ermöglichen usw. Leibniz ist bekannt für das Ausbuchstabieren solcher Beispiele. Er braucht sie auch für seine Theodizee. Hegel denkt mit einiger Sicherheit an allgemeinere Fälle wie die von Bernard Mandeville und Adam Smith, nämlich an die Wirkungen einer (vermeintlich) unsichtbaren Hand. Die Verfolgung des ›Egoismus‹ derer, die ›Vermögen‹ besitzen, kann bei entsprechenden staatlichen Rahmenbedingungen tatsächlich für alle einen Nutzen bringen. Das private Laster des ›Geizes‹ (der Sparsamkeit) und der ›Habsucht‹ (des Strebens nach ›Mehrwert‹), das die Kapitalbesitzer zu Investitionen animiert, kann dabei helfen, die schwierige Organisation einer Arbeits- und Güterverteilung voranzubringen. Am Ende können alle profitieren, oder sie könnten dies, sofern die Gefahren der Verfolgung des reinen Eigennutzes genügend eingedämmt sind. Warum aber soll das, was in der Elektrizität an sich als positive Ladung definiert ist, also als Kraftlinienquelle im Kontrast zur Kraftliniensenke negativer Ladung, in Umkehrung zur Sprache der Erscheinungen stehen? Ich denke, das ist nicht ohne die Geschich-
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te der Definition der elektrischen Ladung zu verstehen, wobei z. B. G. C. Lichtenberg zu Rate zu ziehen ist. Hegel verweist zunächst auf die Tradition, dass traditionell die »positive Elektrizität« durch Reiben von Glas, die negative durch Reiben von Harz definiert worden sei (Enz. II, S. 280): »Biot und die Franzosen überhaupt sprechen noch von électricité résineuse et vitreuse«. Hegel sagt mit Recht, es sei »dieser Unterschied doch ein sehr beschränkter, da eben alle Körper elektrisch sind, auch die Metalle; nur müssen sie isoliert werden. Ferner tritt am Glase auch negative Elektrizität hervor, denn ob die Glasscheibe poliert ist oder matt, kehrt gleich die Sache um, und dieser Unterschied zeigt verschiedene Elektrizität« (als Ladung). Wie man Metalle magnetisieren, die magnetischen Dipole ausrichten kann, so kann man durch Reibung elektrische Ladungen ›trennen‹: »Fast alle Steine und Salze werden durch Reiben positiv elektrisch« (a. a. O.). Wir wollen uns aber hier auf Hegels Kommentare zur physikalischen Elektrizitätslehre nicht weiter einlassen, obgleich auch seine Polemik gegen die Rede von einem fließenden Strom im Prozess der Entladung durchaus selbst zu kritisieren ist, samt dem Eklektizismus seiner positiv oder negativ bewerteten Zitate (Vgl. z. B. Enz. II, S. 282). Hegels Kenntnisse und Verständnisse der Physik sind für die damalige Zeit zwar nicht völlig schlecht, aber auch nicht wirklich hochstehend – was für die Einschätzung seiner logischen Überlegungen aber durchaus nicht wesentlich ist, obgleich man viele seiner Kommentare zur Naturphilosophie mit hinreichender Distanz lesen darf oder sollte. In der That ist gerade in diesem Gegensatz beyder Welten ihr Unterschied verschwunden, und was an und für sich seyende Welt seyn sollte, ist selbst erscheinende Welt, und diese umgekehrt an ihr selbst wesentliche Welt. – Die erscheinende Welt ist zunächst bestimmt als die Reflexion in das Andersseyn, so daß ihre Bestimmungen und Existenzen in einem Andern ihren Grund und Bestehen haben; aber indem diß Andre gleichfalls ein solches in ein anderes reflectirtes ist, so beziehen sie sich darin nur auf ein sich aufhebendes Anderes, somit auf sich selbst; die erscheinende Welt ist hiemit an ihr selbst sich selbst gleiches Gesetz. – | (351 | 183)
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In gesetzesförmigen Erklärungen erscheinungsförmigen Geschehens verschwindet scheinbar jede unmittelbare Äquivalenz von Wesen und Erscheinung. Wir beziehen uns scheinbar unmittelbar auf die Sache an und für sich. Umgekehrt die an und für sich seyende Welt ist zunächst der mit sich identische, dem Andersseyn und Wechsel entnommene Inhalt; aber dieser, als vollständige Reflexion der erscheinenden Welt in sich selbst, oder weil seine Verschiedenheit in sich reflectirter und absoluter Unterschied ist, so enthält er das negative Moment und die Beziehung auf sich als auf das Andersseyn; er wird dadurch sich selbst entgegengesetzter, sich verkehrender, wesenloser Inhalt. Ferner hat dieser Inhalt der an und für sich seyenden Welt damit auch die Form unmittelbarer Existenz erhalten. Denn sie ist zunächst Grund der erscheinenden; aber indem sie die Entgegensetzung an ihr selbst hat, ist sie eben so sehr aufgehobener Grund und unmittelbare Existenz. (351 | 184) Gerade in der Reflexion auf die Entgegensetzung von »objektiv« und »scheinbar«, »bloß möglich« und »wirklich« oder »bloß formal bzw. verbal möglich« und »wirklich möglich« geraten wir in die Kontrastierung einer rein modellartig-allgemeinen Welt als Reich der Gesetze an sich, als einer Welt konkreter Dinge an und für sich, und der bloß phänomenalen Erscheinungen für uns oder unsereins. Sowohl die Erscheinung als auch eine rein abstrakte Rede über etwas, das es bloß an sich (aber nicht wirklich, an und für sich) gibt, kann dabei »wesenloser Inhalt« sein. Erst in der Aufhebung dieser Gegenüberstellung, des Gegensatzes von allgemeinem Gesetz und besonderer Erscheinung, ›existieren‹ sozusagen die Dinge der Welt wirklich an und für sich, d. h. für uns in unserem begri=lichen Zugang zur Welt über typisierende Unterscheidungen und Schematisierungen und in dem komplexen Selbstbezug der Dinge, der sich aus ihrer inneren Reflexion ergibt, die aber keineswegs unmittelbar gegeben oder bestimmt ist. Wieder ist das Fürsichsein des Bezugsgegenstandes in seiner Konstitution das Hauptproblem. Um dieses zu begreifen, müssen wir nicht bloß formal mit Gleichungen hantieren können. Wir müssen die volle Abstraktionslogik der allgemeinen Verfassung gegenstandsförmi-
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ger Rede durchschauen und dabei die schwierige Tatsache, dass alle Gegenstände jedes möglichen (semi-)sortalen Gegenstandsbereichs eine komplexe Reflexion-in-sich im Rücken haben, die wir im objektstufigen Redemodus blindlings unterstellen – was zur hier bewusst hervorgehobenen systematischen Naivität jeder bloß ›realistischen‹ oder ›objektiven‹ Einstellung zu ihnen führt. Die erscheinende und die wesentliche Welt sind hiemit jede an ihr selbst die Totalität der mit sich identischen Reflexion und der Reflexion-in-anderes, oder des An-und-für-sich-seyns und des Erscheinens. Sie sind beyde die selbstständigen ¦ Ganzen der Existenz; die eine sollte nur die reflectirte Existenz, die andere die unmittelbare Existenz seyn; aber jede continuirt sich in ihrer andern und ist daher an ihr selbst die Identität dieser beyden Momente. Was also vorhanden ist, ist diese Totalität, welche sich von sich selbst in zwey Totalitäten abstößt, die eine die reflectirte Totalität, und die andere die unmittelbare. Beyde sind erstlich Selbstständige, aber sie sind diß nur als Totalitäten, und diß sind sie insofern, daß jede wesentlich das Moment der andern an ihr hat. Die unterschiedene Selbstständigkeit einer jeden, der als unmittelbar und der als reflectirt bestimmten, ist daher nunmehr so gesetzt, nur als wesentliche Beziehung auf die andre zu seyn, und ihre Selbstständigkeit in dieser Einheit beyder zu haben. (351 f. | 184) Der Szientismus ist die Lehre, dass alles in der Welt einfach so ist, wie es die objektbezogenen Sachwissenschaften uns sagen, dass es sei. Dazu gehört die Lehre, dass objektive Wahrheit im Gegensatz stehe zu subjektivem Schein und perspektivischen Erscheinungen, wie sie nur entstünden, indem wir Menschen und in unserer Bezugnahme auf die Welt irgendwie zu wichtig nähmen oder in das Bild hineinschmuggelten, was vorzugsweise in der philosophischen Erkenntnistheorie der Fall sei, die es daher abzuscha=en und durch eine naturalisierte Epistemologie, eine kausale Erklärung unserer ReizReaktions-Schemata zu ersetzen gälte. Es sollte jetzt o=enkundig sein, dass Hegels objektiver Idealismus die Naivität dieser Abscha=ung der Reflexion auf die Konstitution der Gegenstände und Wahrheiten der Sachwissenschaften, also auch auf deren Scheuklappen und die dadurch verengte Perspektive, zum Thema hat. Ironischerweise ist
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der Objektivismus ein naiver kollektiver subjektiver Idealismus und der objektive Idealismus der wahre Realismus der allgemeinen Verfassung von Wissen und Erkennen. In unserer Passage wiederholt Hegel nur noch einmal das Ergebnis, nach welchem sich der ›objektive‹ Sachbezug im Modus des anund-für-sich, der begri=lich bestimmten und mit den Erscheinungen zusammenpassenden Wesenserklärungen gerade auch in den Naturwissenschaften, aus einer vorgängigen Aufhebung des Kontrastes von Wesen und Erscheinung ergibt, sozusagen einer kanonisierten Erklärung von Schein und Erscheinung durch das Reich gesetzter Gesetze. Hier wird nur noch auf den Unterschied reflektiert zwischen der unmittelbaren Existenz im Sich-Zeigen eines unterstellten Wesens und der reflektierten Existenz, der gemeinsamen Bewertung, dass ein Ding mit diesen Eigenschaften dort und dann existiert, ferner auf die Totalitäten der großen Vorstellungen von einer rein phänomenalen Welt, einer statischen Welt ruhiger Gesetze, einer Welt von hinterweltlichen Wesen und übersinnlichen Entitäten und Kräften und der Einsicht, dass es sich nur um Aspektmomente der Welt der ›Dinge‹ und ›Sachen‹ an und für sich, ihren Bewegungen, Prozessen und Ereignissen handelt, freilich um reflexionslogisch notwendige, wie sie für eine Überwindung der Naivität jedes dogmatischen, d. h. rein glaubenden, bloß intuitiven ›Realismus‹ eben nötig ist. Es wurde vom Gesetz der Erscheinung ausgegangen; dieses ist die Identität eines verschiedenen Inhalts | mit einem andern Inhalte, so daß das Gesetztseyn des einen das Gesetztseyn des andern ist. Im Gesetze ist noch dieser Unterschied vorhanden, daß die Identität seiner Seiten nur erst eine innere ist, und diese Seiten sie noch nicht an ihnen selbst haben; damit ist einestheils jene Identität nicht realisirt; der Inhalt des Gesetzes ist nicht als identischer, sondern ein gleichgültiger, verschiedener Inhalt; – anderntheils ist er damit nur an sich so bestimmt, daß das Gesetztseyn des einen, das Gesetztseyn des andern ist; diß ist noch nicht an ihm vorhanden. Nunmehr aber ist das Gesetz realisirt; seine innere Identität ist zugleich daseyende, und umgekehrt ist der Inhalt des Gesetzes in die Idealität erhoben; denn er ist an ihm selbst aufgehobener, in sich reflectirter, indem
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jede Seite an ihr ihre andere hat, und damit wahrhaft mit ihr und mit sich identisch ist. (352 | 184 f.) Das Gesetz der Erscheinung ist »die Identität«, besser: die regelhafte Verknüpfung zweier ›verschiedener‹ Inhalte. Unsere Standardbeispiele sind: »Ein Kreis sieht bei schräger Draufsicht wie eine Ellipse aus« und »Ein scheinbar geknickter Stab im Wasser kann gerade sein«. In der gesetzten und unter Umständen in einem Wortlaut gelernten Regel, dem Gesetz, wird explizit, dass der Zusammenhang nur über die Abstraktion einer Inhaltsgleichheit zu einer ›inneren Identität‹ führt, die referentielle ›Identität‹ der ›verschiedenen Inhalte‹ qua unterschiedlichen Sinnintensionen verschiedener Zugänge zu (oder Perspektiven auf) Gegenstände also selbst eine ›innere‹ ist. Erst in der referentiellen Redeform de re über die Dinge, Objekte, an und für sich, welche die Konstitution der inneren Identität präsuppositional im Rücken hat, d. h. von uns normalerweise als praktisch bekannt vorausgesetzt wird, werden die verschiedenen Erscheinungen zu ›Eigenschaften‹ der Dinge, die ihrerseits schon die Potentialitäten der ›Hervorbringens‹ der Erscheinungen als (möglichen) Folgen oder Wirkungen der Dinge enthalten: Alle Eigenschaften von Dingen sind modal, dispositional, mit Normalfallfolgen versehen. Reine Gegenstandsklassifikationen (Mengenbildungen) ohne Eigenschaftswörter und mit diesen mitgesetzten inferentiellen Normalfolgen sind also noch gar keine ›Eigenschaften‹. Die Identifikationen in der Frege-Tradition von ›Begri=en‹, ›Eigenschaften‹ und ›Klassifikationen‹ im Sinne der Art-und-Weise einer Mengenbildung bzw. des ›Sinns‹ eines Mengenterms sind viel zu grob, um außerhalb der Setzungen der Mathematik, durch die wir ideal-abstrakte sortale Gegenstandsbereiche und Teilklassen wie die Zahlen oder rein geometrische Formen (mit Punkten, Linien und Flächen) erhalten, überhaupt sinnvoll von dinglichen Gegenständen, deren Erscheinungs-Qualitäten als qualitativen Unterschieden (in Bezug auf uns) und Eigenschaften an und für sich sprechen zu können. Ein Begri= besteht weit eher aus den Momenten einer Unterscheidung, den zugehörigen Ausdrücken für die Unterschiede, und einem System von Normalfolgen oder (bedingten) dispositionellen Normalfallerwartungen, wie sie zumeist den Ausdrücken zugeordnet sind.
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Ein Begri= definiert also nicht unmittelbar eine extensionale Klasse von Dingen, die ›unter‹ ihn qua Klassifikation und Wort fallen. Ein Begri= ist demnach auch nicht einfach durch die Äquivalenz von ineinander ›übersetzbaren‹ Wörtern (etwa im Blick auf eine Relation der Extensionsgleichheit ihrer Umfänge) definiert. Er besteht immer aus mindestens drei Momenten, aus dem Wort (und den äquivalenten Ausdrücken in anderen Sprachen), einem zugehörigen Di=erenz- oder Relationalsystem und einem zugehörigen Inferenz- oder Dispositionalsystem. Dabei können wir die Di=erenzen als Bedingungen der Anwendbarkeit der Inferenzen zählen. In der Mathematik scha=en wir auf apriorische Weise eine prästabilierte Harmonie zwischen Di=erenzregeln bzw. den Kriterien einer Unterscheidung oder Mengenbildung, die einem Term oder Mengennamen zugeordnet sind, und mitgesetzten formallogischen und bereichsspezifischen (materialbegri=lichen) Inferenzregeln. Das geht deswegen, weil wir hier die Definition von Mengenformen der Form {x : ψ(x )} gerade so eingerichtet haben, dass N ∈ {x : ψ(x )} genau dann gilt, wenn ψ(N ) gilt und ψ(N ) als Regel gelesen werden kann. Als solche sagt sie, was unter gewissen weiteren Bedingungen ψ1 , . . . , ψn aus ψ(N ) alles ›logisch‹ (formalbegri=lich) oder modellbezogen (etwa in der reinen Arithmetik der natürlichen Zahlen oder der reinen Euklidischen Geometrie) folgt (bzw. gefolgert werden kann). Die Vorstellung, die o=enen Gehalte weltbezogener Eigenschaften auf die gleiche Weise ›exakt‹ definieren zu können, geht am Wesen der Sprache vorbei. Diese muss flexibel, frei formbar bleiben, sodass der konkreten Gesprächssituation und Interaktion zwischen Sprecher und Hörer, auch Autor und Leser, ein Großteil der Konkretisierung der, wie wir eher schlecht als recht sagen, ›intendierten‹ Bedeutungen der Wörter und Sätze im Gebrauch überlassen bleibt. Das ist der tiefe Grund, warum eine Logik der Sprache mit Weltbezug immer dialogisch-dialektisch sein muss, also über die ›formalen‹ Grobschemata von Defaultfolgerungen auf der Ausdrucksebene alle Formen des angemessenen Verstehens figurativ-metaphorischer Redeformen, der situativen Ausweitung oder Eingrenzung von Defaulterwartungen, und damit auch den Umgang mit Präsuppositionen, Implikaturen, der
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freien Herstellung einer ›gemeinsamen‹ Intention in der Gesprächssituation enthält – und noch manches mehr. Die Identität des Gegenstandes bzw. seiner Eigenschaften ist also von anderer Form als die durch eine Regel auf der Erscheinungsebene gesetzte ›inhaltliche Äquivalenz‹. Erst indem wir generell die Rede-Einstellung ändern und ›objektbezogen‹ statt ›erscheinungsbezogen‹, also de re und faktiv über die Dinge, die Sachen, und ihre Eigenschaften sprechen, werden die Dinge und Eigenschaften als vorhandene behandelt. Ihre bloße Zuhandenheit oder Erscheinung wird damit sozusagen abgeschattet. Sie rückt in den unwesentlichen Hintergrund eines allgemeinen Wissens. Das geschieht, um die verschiedenen Erscheinungs- und Wirkformen der Sache selbst (an und für sich) und ihrer wirklich wirkenden Eigenschaften hervorzuheben. In diesem neuen, objektstufigen Redemodus, werden alle reflexionslogischen Quisquilia der Konstitution von Dingidentitäten und Dingeigenschaften einfach als gegeben oder geklärt unterstellt. Indem man sie so präsupponiert, nimmt man eine ›naiv realistische Haltung‹ zu ihnen ein. Damit wird der Inhalt der je von uns gesetzten und gelernten Regeln, des Gesetzes, zum Inhalt eines Natur- oder Wesensgesetzes der Dinge (oder der Natur, der Welt) an und für sich. Eben das drückt der Satz aus »Nunmehr . . . ist das Gesetz realisiert«. Man denkt es sich als ebenso vorhanden oder ›daseiend‹ wie die Dinge und ihre Eigenschaften, Kräfte und Vermögen, die sich in den Erscheinungen der Sachen zeigen, aber als an-und-für-sich dem Ding zukommend gedacht sind. Zugleich wird damit der »Inhalt des Gesetzes in die Idealität erhoben«. Denn es wird unterschieden zwischen den Naturgesetzen, wie sie in einem idealperfekten Wissen von den wirklichen Eigenschaften der Dinge, manche sagen heute gern: in einer idealen Physik auftreten würden, und den von uns in unserer je besten Physik heute, der best practice gegenwärtiger Naturwissenschaften explizit formulierten und kanonisierten gesetzesartigen Regeln. Mit anderen Worten, wir selbst benutzen eine gedankliche Idealisierung, um zwischen den wirklichen Dingen, ihren wirklichen Eigenschaften und den wirklichen Gesetzen für die Dinge (der Welt) an und für sich, und diese von unseren Setzungen von ›kausalen‹ Regeln
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bzw. inferentiellen Normalfallerwartungen zu unterscheiden. Das tun wir im Wissen um die Form der Entwicklung der Wissenschaften, ihre Idee. Indem wir die Idealität unserer Rede von der Wirklichkeit der Sachen und Dinge, ihren Eigenschaften und Wirkungen erkennen, erkennen wir, wie sie selbst, nicht bloß unsere Bezugnahmen auf sie, in sich reflektiert sind. Denn ihre Identität und jede Rede über eine Objektivität oder Wirklichkeit basiert auf einer vorgreifenden Aufhebung möglicher Widersprüche in unseren realen Gesetzen, den von uns gesetzten Regeln (›for the time being‹). Erst in einer solchen ideal vorgestellten Aufhebung beziehen sich die verschiedenen Aspekte einer und derselben Sache auf eben diese in ›wahrhafter‹ Weise. Es werden die über die Phänomene vermittelten Aussagen zu wahren Aussagen über die Sachen an (und für) sich. So ist das Gesetz wesentliches Verhältniß. Die Wahrheit der unwesentlichen Welt ist zunächst eine ihr andere an und für sich seyende Welt; aber diese ist die Totalität, indem sie, sie selbst und jene erste ist; so sind beyde unmittelbare Existenzen und damit Reflexionen in ihr Andersseyn, als auch eben damit wahrhaft in sich reflectirte. (352 | 185) Das Gesetz bleibt auch in der Idealisierung Verhältnis, nämlich zwischen Wesen und Erscheinungen, zwischen den Sachen an sich und ihren Bestimm- und Messbarkeiten. Der generische Singular spricht hier über alle (Natur-)Gesetze. Entsprechend gilt, dass die rein empirischen Wahrheiten phänomenaler Konstatierungen (»ich sehe eine elliptische Form«, »ich nehme den Stab als geknickt wahr«) als »Wahrheit der unwesentlichen Welt« des Scheins noch vor der Di=erenzierung zwischen bloßem Schein und wahrer Erscheinung des Wesens sich von der ›objektiven‹ oder ›wirklichen‹ Wahrheit von Aussagen über eine »an und für sich seiende Welt« systematisch unterscheiden. Der Fehler des Empirismus besteht in der schlichten Missachtung dieses Unterschieds. Erst in der idealen Aufhebung der Widersprüche oder Spannungen zwischen beiden Wahrheitsbegri=en – dem des empirischen Phänomenbezugs ohne Di=erenzierung zwischen Schein und Erscheinung, Kontingenz und Wesensallgemeinheit einerseits und der objektbezo-
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genen Wahrheit andererseits – entsteht aus je meiner und je deiner Welt der subjektiven Weltbezugnahmen die eine Welt, in der wir alle leben. Man sagt, Schein und Erscheinung seien wesentliche Teile eben der einen Welt der wahren Dinge. Man ›erklärt‹ sie (vermeintlich) durch deren Wirkungen auf uns als leibliche Subjekte, die wir als solche selbst ›Dinge‹ sind. Dabei sollten wir mit Hegel noch einmal darüber nachdenken, dass »Welt« ein Totalitätsbegri= ist, der wie eine allumfassende Handbewegung großzügig alle Unterschiede und Probleme wegwischt. Welt drückt überhaupt die formlose Totalität der Mannichfaltigkeit aus; diese Welt, sowohl als wesentliche wie als erscheinende ist zu Grunde gegangen, indem die Mannichfaltigkeit aufgehört hat, eine bloß verschiedene zu seyn; so ist sie noch Totalität oder Universum aber als wesentliches Verhältniß. Es sind zwey Totalitäten des Inhalts in der Erscheinung entstanden; zunächst sind sie als gleichgültige Selbstständige gegen einander bestimmt und haben zwar die Form jede an ihr selbst, aber nicht gegen einander; diese aber hat sich auch als ihre Beziehung gezeigt, und das wesentliche Verhältniß ist die Vollendung ihrer Formeinheit. ¦| (352 | 185) Hegel selbst sagt hier explizit, dass das Wort »Welt« (zunächst) nur eine formlose Totalität ausdrücken kann, eine Mannigfaltigkeit, in welcher die Di=erenz zwischen einem Bezug auf Dinge (Objekte) an und für sich und auf Erscheinungen ebenso verschwindet wie die gesamten Voraussetzungen logisch-begri=licher Konstitution von Gegenstandsbereichen, Dingidentitäten und Dingeigenschaften auf der Grundlage unserer Unterscheidungen zwischen Erscheinungen und einem unwesentlich irreführenden Schein, auch zwischen Allgemeinem und rein kontingenten Zufälligkeiten bloß einzelner perzeptiver experience, die sich als solche noch nicht einmal als Erfahrung ausweisen lässt, da schon der Unterschied zwischen Halluzination und Wahrnehmung ein allgemeiner ist, so wie zwischen Märchen und Bericht und ihren ›Wahrheitsbegri=en‹. Indem wir nun aber dazu übergehen, die Welt als ein System von Dingen und ihren Eigenschaften zu verstehen – sozusagen als das physische Welt-All – ist sowohl die Welt der Erscheinungen und damit des Daseins im Sinne der unmittelbaren Bezugnahmen auf empiri-
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sche, d. h. präsentisch gegebene Phänomene ›zugrunde‹ gegangen als auch der abstrakte Kontrast zwischen Schein und Wesen. Es entsteht das Universum – »aber als wesentliches Verhältnis«. D. h., es werden die sich aus der Aufhebung der Spannung zwischen Wesen und Schein ergebenden gesetzesbestimmten ›Dinge‹, ›Eigenschaften‹ und ›Wirkungen‹ als das aufgefasst, was es wirklich in der Welt, also dem physischen Universum, gibt. Die »zwei Totalitäten des Inhalts in der Erscheinung« sind die der phänomenalen Präsenz je für mich, dich und uns einerseits und die der wesenhaften bzw. ›natürlichen‹ Dinge als deren (stabilere, substantiellere, objektive) ›Ursachen‹ andererseits. Das »wesentliche Verhältnis« definiert ihre gesetzesförmigen Beziehungen, welche die »Formeinheit« von Erscheinung und Wesen, Phänomen und Ding nach Hegel ›vollendet‹. Im Vorgri= auf die folgende Gliederung werden dabei folgende wesentlichen Verhältnisse nach Art von prinzipiellen Relationsbereichen unterschieden: das mereologische Verhältnis von Teilen in einem Ganzen (A), das Verhältnis von Kraft und ihrer Manifestation, auch von Vermögen oder Disposition und ihrer Äußerung (B) und das Verhältnis von Äußerem und Innerem, auch von extrinsischen Eigenschaften und intrinsischen Potenzen (C ).
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Die Wahrheit der Erscheinung ist das wesentliche Verhältniß. Sein Inhalt hat unmittelbare Selbstständigkeit, und zwar die seyende Unmittelbarkeit, und die reflectirte Unmittelbarkeit oder die mit sich identische Reflexion. Zugleich ist er in dieser Selbstständigkeit ein relativer, schlechthin nur als Reflexion in sein anderes, oder als Einheit der Beziehung mit seinem andern. In dieser Einheit ist der selbstständige Inhalt ein gesetztes, aufgehobenes; aber eben diese Einheit macht seine Wesentlichkeit und Selbstständigkeit aus; diese Reflexion in anderes ist Reflexion in sich selbst. (353 | 186) Nur über das wesentliche Verhältnis, das ›objektiv‹ als gegeben unterstellt ist, konkret aber ideal ist, weil es durch kanonisch gesetzte
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Relationen zwischen den Aspekten oder Momenten der Phänomene bzw. Erscheinungen und des unterstellten Wesens oder Dings bestimmt ist, gibt es eine ›sachhaltige‹ Wahrheit in der ›objektiven‹ Haltung zur ›wirklichen Welt‹ – die wir selbst als Maß unseren Wahrheitsbewertungen und Wissensansprüchen gegenüberstellen. Der Inhalt des wesentlichen Verhältnisses wird als ›unmittelbare Selbständigkeit‹ objektiver bzw. rein auf die Dinge selbst bezogener Relationen aufgefasst. Die »seiende Unmittelbarkeit«, von der Hegel hier spricht, ist wohl die Vorstellungsweise des naiven Realismus, dem die physischen Dinge, die Tische und Stühle, Planeten und Sterne, auch Sonne und Mond als unmittelbar vorhanden erscheinen. In der Tat tritt die Unterscheidung zwischen Ding und seiner Erscheinung erst im Kontext einer Reflexion über unser ›natürliches‹, ›naives‹ Verhältnis zu den Sachen und Dingen der Welt auf. Dennoch ist dieses längst schon in sich reflektiert, auch wenn wir das in der ›natürlichen‹ Haltung zur ›physischen‹ Umwelt gar nicht bemerken – eben weil die Voraussetzungen dieser Verhaltensformen abgeschattet, empraktisch, implizit bleiben. Erst in den reflektierenden Explikationen bemerken wir die ›inneren‹ Di=erenzen, z. B. dass die Selbständigkeit der Dinge gegen die Phänomene, die der physikalische Materialismus (wie bei Hobbes oder La Mettrie) hypostasiert und damit absolut setzt, bloß relativ ist. Üblich ist ein haltloses Schwanken zwischen der naiven Haltung des Materialismus zu den Dingen und einem Sensualismus wie bei Locke oder Quine mit ihrem Impressionismus, dem Glauben an eine stimulus meaning und einer mystischen Abstraktion von Gegenstandsbezügen aus semantisch völlig unterdeterminierten Sinneseindrücken (angeblich kausal verursachten impressions). Die ›gesetzesförmigen‹ kausalen Erklärungen der Phänomene aus den Wirkeigenschaften der Dinge werden hypostasiert, indem man von der Konstitution der Dingart und Dingidentität abstrahiert. Dasselbe gilt, wenn man – schon versierter – mit einer Ereignis- oder Prozess-Ontologie operiert, sofern man, wie noch Whitehead, die transzendentalphilosophischen Einsichten der Kant-Nachfolge und deren Konstitution ausblendet, vergisst oder, wie im Empirismus generell, gar nicht in ihrer Beson-
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derheit kennt.58 Dennoch ist es ganz richtig, den Zusammenhang von Ding und Erscheinung und die Einheit von Ding und (wirkender) Eigenschaft über gesetzesartige Beziehungen hervorzuheben. Es gilt, den Status dieser Beziehungen angemessen zu verstehen, und zwar zunächst im Blick auf die bloß scheinbar einfache Relation zwischen Teil und Ganzem, dann auch zwischen Ursache und Wirkung und schließlich zwischen extrinsischen (relationalen, holistischen) und intrinsischen Eigenschaften. Das Verhältniß hat Seiten, weil es Reflexion in anderes ist; so hat es den Unterschied seiner selbst an ihm; und die Seiten desselben sind selbstständiges Bestehen, indem sie in ihrer gleichgültigen Verschiedenheit gegen einander, in sich selbst gebrochen sind, so daß das Bestehen einer jeden, eben so sehr nur seine Bedeutung in der Beziehung auf die andere oder in ihrer negativen Einheit hat. (353 | 186) Unter dem Titel »wesentliches Verhältnis« subsumiert Hegel ›innere‹ Relationen eines Dinges, sozusagen im allgemeinlogischen Modus des Für-sich-Seins, der Beziehungen zu sich selbst. Zu diesen inneren Verhältnissen zählen klarerweise die Relationen der Teile des Dinges zueinander, wie z. B. die der Teile eines Organismus oder, schon anspruchsvoller, eines animalischen Lebewesens, also auch je meines Leibes. Wie ist dabei die Rede von Wirksamkeit, Kraft, Potenz, Disposition, also von wirkenden Eigenschaften eines Dinges oder Wesens, zu verstehen? Am Ende steht die schwierige Frage, welche Eigenschaften eines Dinges ›extrinsisch‹ durch Relationen zu anderen Dingen und welche ›intrinsisch‹ als ›innere‹ Eigenschaften des Dinges zu bestimmen sind. Denn es sind z. B. manche meiner ›personalen‹ Eigenschaften extrinsisch, z. B. wenn ich den Status eines Institutssprechers habe. Diese Eigenschaft ist durch Relationen zu anderen Personen definiert. Meine Sprachfähigkeit und damit mein Denken scheinen dagegen innere Eigenschaften zu sein, obgleich auch sie sich (zunächst nur) im verständigen Reden mit anderen Personen zeigen. Alfred North Whitehead, Process and Reality, An Essay on Cosmology, New York: Macmillan 1929. 58
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In jedem Verhältnis, jeder Relation der Form a R b, unterscheiden wir die Seiten oder relationalen ›Momente‹ a und b, selbst wenn es ein ›inneres Verhältnis‹ einer Sache, nach Art des Fürsichseins, ist. Hegel spricht auch bei inneren Verhältnissen eines Dinges (oder Wesens) von einer ›Reflexion in Anderes‹ – nämlich wenn das Ding »den Unterschied seiner selbst an ihm« hat. Wir haben diese Struktur der Relationen a R b ›unterhalb‹ der Gleichheit a = b schon in der Seinslogik diskutiert. In gewissem Sinn müssen wir uns auf a und b als Sachen mit einem bestimmten ›selbständigen Bestehen‹ beziehen können. Das ist bei materiellen Teilen eines Dinges nicht schwer, auch nicht beim Verhältnis zwischen dem Ding und seinen Erscheinungen. Schwieriger wird es bei Kräften und Fähigkeiten bzw. beim Kontrast zwischen einem nicht bloß räumlichen Innen und Außen. Hier meint die Rede von einer »negativen Einheit« wohl, dass das Ding nicht ohne die Beziehungen seiner Verschiedenheiten als Einheit verstehbar ist, so wie es mich nur über alles Meinige ›gibt‹ – wenn man so reden darf. Das wesentliche Verhältniß ist daher zwar noch nicht das wahrhafte dritte zum Wesen und zur Existenz; aber enthält bereits die bestimmte Vereinigung beyder. Das Wesen ist in ihm so realisirt, daß es selbstständig-existirende zu seinem Bestehen hat; und diese sind aus ihrer Gleichgültigkeit in ihre wesentliche Einheit zurükgegangen, so daß sie nur diese zu ihrem Bestehen haben. (353 | 186) Wenn wir mit den bloß erst formalen Reden über ein Wesen (an sich) und seine Existenz (in der Erscheinung) beginnen, samt den entsprechenden Aussageformen, so ist das wesentliche Verhältnis, das noch die Ausdrucksform der Beziehung zwischen Verschiedenem aufeinander hat und daher noch nicht voll bei der Bestimmung der wesentlichen Einheit des Dinges angekommen ist, »noch nicht das wahrhafte Dritte«. Das ist erst – »die Wirklichkeit«. In meinen Erläuterungen habe ich schon auf diese Redeform vorgegri=en. Damit habe ich die ›Reinheit‹ von Hegels Analyseweg zugunsten der Sichtbarmachung seines impliziten Ziels aufgegeben. Hegel selbst möchte von der Wirklichkeit nur reden und die Formbestimmungswörter »wirklich«, auch »objektiv« erst dann verwenden, nachdem sie reflexionslogisch schon thematisch geworden sind. Das ist formal in
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Ordnung, für das Verständnis des Gedankengangs aber schwierig.59 Es geht jetzt also um (›kategoriale‹, also ›logische‹) Aussageformen der folgenden Art: »x ist wirklich X «, »das wirkliche Objekt x verursacht Y «, »es gibt das x als ein X wirklich« etc., wie sie zu lesen sind und welche impliziten Relationen bzw. Folgen sie schon unterstellen. Wie das wirkliche Ding oder die objektive Sache »enthält« auch das Verhältnis zwischen Ursache und Erscheinung bereits »die bestimmte Vereinigung« von Wesen und Existenz. Aus der formalen »Gleichgültigkeit«, hier: Unabhängigkeit, von Wesensbestimmung und Erscheinungsbestimmung bildet das wesentliche Verhältnis eine Einheit eben durch deren Wesensrelationen. Im üblichen Verständnis wird unterstellt, das Wesen – das objektive Ding – sei etwas, das irgendwie völlig selbständig, also ohne Bezugnahme auf typische Relationen zu anderen Sachen oder zu uns, existiert. D. h., wir werden erst bei der Reflexion auf unsere Reden über Objektivität und Wirklichkeit genauer sehen, warum und wie die Bestimmung eines wirklichen Dings an und für sich und ›seiner‹ Erscheinungs- oder auch Existenzformen eine begri=liche Einheit bilden, sodass es gar keine zwei selbständig existierenden Seiten – Ding an sich oder Wesen und Ding für uns oder Erscheinung – gibt oder geben kann. Damit ist Kants ›ontologische‹ Trennung dieser beiden Reflexionsbegri=e aufgehoben. Die Seiten sind als bloße Momente des Gesamtbegri=s eines Dings-an-und-für-sich erkennbar. Die Reflexionsbestimmungen des Positiven und Negativen sind gleichfalls in sich reflectirte nur als | reflectirt in ihr Entgegengesetztes; aber sie haben keine andere Bestimmung als diese ihre negative Einheit; das wesentliche Verhältniß hingegen hat solche zu seinen Seiten, welche als selbstständige Totalitäten gesetzt sind. (353 | 186 f.) Auch die Pole der Existenz für uns und des Wesens für sich waDie Rede von Erscheinung, Wesen und Existenz ohne Vorgri= auf die Rede über Wirklichkeit und Objektivität erläutern zu wollen, scheint mir auch gar nicht nötig zu sein. Es bedarf nämlich keiner festen Ordnung der Analyse der Reflexionsformen, wenn man weiß, dass im Alltag auf solche Formen lange vor ihrer kommentierenden Erläuterung ohnehin immer vorgegri=en wird. 59
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ren »in sich reflektierte«. Gemeint sind die ›positiv‹ je von mir perspektivisch aufgefassten Phänomene (des Bildabzugs) und die ›Perspektivenwechsel‹, die sagen, wie die Sache selbst in Relation je zu dir oder ihn dort oder dann aussieht. Das Positive wie das Negative sind hier nur in Bezugnahme auf ihre polare Entgegensetzung überhaupt bestimmt. Im Fall des wesentlichen Verhältnisses werden konkrete Bestimmungen beider ›Seiten‹ sozusagen in die Beziehung eingebaut. Es ist dieselbe Entgegensetzung als die des Positiven und Negativen; aber zugleich als eine verkehrte Welt. Die Seite des wesentlichen Verhältnisses ist eine Totalität, die aber als wesentlich ein entgegengesetztes, ein Jenseits seiner hat; es ist nur Erscheinung; seine Existenz ist vielmehr nicht die seinige, sondern die seines andern. Es ist daher ein in sich selbst gebrochenes; aber dieß sein Aufgehobenseyn besteht darin, daß es die Einheit seiner selbst und seines andern also Ganzes ist, und eben darum hat es selbstständige Existenz und ist wesentliche Reflexion in sich. (353 | 187) Es geht weiter um die Beziehung zwischen dem Positiven und dem Negativen, jetzt aber in der Form der ›verkehrten Welt‹. Diese heißt so, weil wir in der Rede von wirklichen (Ur-)Sachen von Phänomenen eine Instanz einer Art oder ein Exemplar einer Gattung als das Negativ(e) setzen und zum Wirklichen im Sinne des Urbildes oder der Ur-Sache machen, das Positiv(e) aber, das qualitative Dasein in der Präsenz, die reale empirische Erfahrung, zum Erklärten, Sekundären, zur Erscheinung. Damit wird die Realität z. B. eines Wahrnehmungsinhalts gegenüber dem Inhalt des Gedankens seiner ›wirklichen Erklärung‹ abgewertet. Wir sprechen jetzt also über die Dinge (an und für sich) als Sachen und Ursachen in Abstraktion von ihrer Konstitution aus der Erscheinung und aus der Kontrastierung von Schein und Sein, bloßem Schein und der Existenz bzw. des erscheinenden Aufweisens einer später »wirklich« genannten Sache, der »wesentlichen« Ursache des Phänomens. Wenn man das Wort von seiner Herkunft her versteht, bedeutet »Positivismus« daher, dass man nur Erscheinungen betrachtet und auch Ursachen für phänomenale Ereignisse hält, wie das Hume tut. Auguste Comte wird das Wort dann aber in einem weiteren Sinn verwenden.
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Das Jenseits des wesentlichen Verhältnisses ist immer noch das wirkliche Objekt, das man seinen Erscheinungen und Wirkungen gegenüberstellt. Das wesentliche Verhältnis ist daher immer noch Erscheinung, genauer, eine Relation zwischen Erscheinungen – sodass ›seine Existenz‹ eben dem Jenseits, dem Anderen der Erscheinung, der Sache oder dem Ding selbst zugeschrieben wird. Damit aber ist das wesentliche Verhältnis »ein in sich selbst Gebrochenes«. Aufgehoben wird die Trennung der beiden Relationsglieder und sie werden als bloße Momente einer Einheit – der Einheit des Dings oder der Sache – begreifbar, eben als ein Ganzes, so wie wir z. B. keinen Begri= des Tisches haben ohne dessen Erscheinungsformen, Teile, Fähigkeiten und unsere Unterscheidungen zwischen intrinsischen Eigenschaften des Tisches in Bezug auf andere Dinge und den äußeren Eigenschaften ›für uns‹, die ein Tisch auch immer hat und haben muss, um Tisch zu sein, Möbel zu sein und nicht bloß ein unbestimmtes Ding, ein D a = D a – ich weiß nicht was. Tische und Stühle sind z. B. schon defizitär, wenn sie sich nicht bewegen lassen, wenn sie zu groß oder zu klein für einen intendierten Gebrauch sind usf. Diß ist der Begri= des Verhältnisses. Zunächst aber ist die Identität, die es enthält, noch nicht vollkommen; die Totalität, welche jedes relative an ihm selbst ¦ ist, ist erst ein inneres; die Seite des Verhältnisses ist zunächst gesetzt in einer der Bestimmungen der negativen Einheit; die eigene Selbstständigkeit jeder der beyden Seiten ist dasjenige, was die Form des Verhältnisses ausmacht. (353 f. | 187) Obgleich wir hier mit wesentlichen Relationen ›beginnen‹, müssen wir doch auch schon auf die Identität der Dinge oder Sachen vorgreifen. Deren Einheit ist eben dadurch konstituiert, dass die wesentlichen Verhältnisse zu konstituierenden Relationen des Fürsichseins des Objekts werden – gerade so wie eine Relation a R b zwischen Brüchen mn und kl die Identität rationaler Zahlen definiert. Entsprechend gehört die Teil-Ganzes-Relation als wesentliches Verhältnis zur definitorischen Bestimmung der Einheit des ganzen Objekts, aber auch die Kraft-Äußerungs-Beziehung oder das Verhältnis von dinglicher Ursache und seinen (möglichen) Wirkungen, wobei zu unterscheiden ist zwischen intrinsischen Eigenschaften, welche der Sache ›allein‹ zukommen, insofern sie dem Ding ohne Rücksicht auf Variationen
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der Dingkonstellationen zugesprochen werden oder zukommen, und extrinsischen Eigenschaften besonderer Konstellationen – etwa auch im Falle von Fähigkeiten, die nur eine Gruppe von Menschen hat. Seine Identität ist daher nur eine Beziehung, ausserhalb welcher ihre Selbstständigkeit fällt; nemlich in die Seiten; es ist noch nicht die reflectirte Einheit jener Identität und der selbstständigen Existenzen vorhanden, noch nicht die Substanz. – Der Begri= des Verhältnisses hat sich daher zwar ergeben, Einheit der reflectirten und der unmittelbaren Selbstständigkeit zu seyn. Aber zuerst ist dieser Begri= selbst noch unmittelbar, seine Momente daher unmittelbare gegen einander, und die Einheit deren wesentliche Beziehung, die erst dann die wahrhafte, dem Begri=e entsprechende Einheit ist, insofern sie sich realisirt, nemlich durch ihre Bewegung als jene Einheit gesetzt hat. | (354 | 187) Die ›Identität‹ der ganzen Sache bestimmt noch nicht deren ›Substanz‹, solange sie bloß erst Beziehung des Fürsichseins zwischen (scheinbar) selbständigen Teilen oder Momenten, Existenzen und Erscheinung ist. Sie ist dann noch nicht »die reflektierte Einheit jener Identität«. Das Problem, das ein bloß formal denkender Logiker mit der Gleichheit und Identität hat, ist, dass er meint, es sei schon klar, was ein Gegenstand und was alle Gegenstände sind, sodass je nur ein Gegenstand mit sich identisch sein kann und jede Relation zwischen verschiedenen Gegenständen von der Kategorie des Für-AnderesSeins ist. Wenn wir per Abstraktion von einer Äquivalenzrelation zu einem neuen Gegenstandsbereich, zunächst der Äquivalenzklassen, übergehen, dann, so meint der formale Logiker, wechseln wir auf eine abstrakte Rede-Ebene. Reale oder wirkliche Dinge (Gegenstände) seien aber etwas ganz anderes als Abstrakta. Sie seien schon gar nicht durch Gleichgültigkeitsrelationen nach Art von Hegels wesentlichen Verhältnissen in ihrer Identität definiert. Es ist o=enbar schwer einzusehen, dass das formale Denken hier defizitär ist. Denn es scheint nur die Alternative zu geben, wie Hume das Ding als Menge von qualitativen Erscheinungen aufzufassen, bestenfalls noch angereichert durch Kants ›konstruktivistische‹ Auffassung eines Objekts-derErscheinung mit zugesprochenen kausal wirkenden Kräften – oder dem gesamten transzendentallogischen Empirismus den Rücken zu
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kehren und wieder naiv und realistisch an die wirkliche Ontologie der Dinge mit ihren wirklichen Kräften und Potentialitäten (Dispositionen) zu glauben, also zwischen ontischer Ebene und epistemologischer Ebene so zu unterscheiden, dass Kant und Hume eben bloß über Erscheinungen, nicht über die ›wahrhaften Dinge‹ der ›wirklichen physischen Natur‹ sprechen. Es sollte o=enkundig sein, dass es hier ein ungelöstes Problem gibt. Die folgende Frage stellt das Problem aus anderer Seite dramatisch dar: Warum sollte eine lokale Teilredepraxis wie die der Physik das wahre Wesen der Dinge besser als irgendeine andere zugänglich machen oder dies wenigstens in Zukunft können? In der Einsicht, dass die Erscheinungen und Wirkungen Momente des Dinges selbst sind, und zwar dessen Begri= zufolge, qua Ding eines gewissen Typs, erkennen wir allererst die »Einheit der reflektierten und der unmittelbaren Selbständigkeit« der Seiten des wesentlichen Verhältnisses, das erst »dann die wahrhafte, dem Begri= entsprechende Einheit ist« – wie sie also die allgemeine und besondere Artform des Dinges als Exemplar der Art verlangt –, »insofern sie sich realisiert«, also manifest ist. Hegel spricht hier nicht von der räumlichen Bewegung körperlicher Dinge relativ zueinander, sondern von der Bewegung der Prüfung reflexionslogischer Bedingungen der Ding-Konstitution, durch welche die Einheit des Dinges allererst explizit gesetzt ist und die Erfüllung der Identitätsbedingungen empirisch überprüfbar werden. Das wesentliche Verhältniß ist daher unmittelbar das Verhältniß des Ganzen und der Theile; – die Beziehung der reflectirten und der unmittelbaren Selbstständigkeit, so daß beyde zugleich nur sind als sich gegenseitig bedingend und voraussetzend. (354 | 188) Wenn wir weiterhin auch die figurative Bedeutung von Teil und Ganzem mitbedenken, nach welcher Aspekte und Momente ebenfalls ›Teile‹ von etwas sein können, wird verständlich, warum »das wesentliche Verhältnis« aufgrund der eben vorgetragenen Überlegungen zunächst »unmittelbar das Verhältnis des Ganzen und der Teile« ist. Hegel selbst bezieht dies auf das Verhältnis »der reflektierten und der unmittelbaren Selbständigkeit« der Momente einer Sache, »so dass beide zugleich nur sind als sich gegenseitig bedingend und voraussetzend«. Wenn es z. B. keine Erscheinungen des Stuhles gibt
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oder wenn man sich nicht auf ihn setzen kann, gibt es keinen Stuhl. Der Schein eines Stuhles unterscheidet sich so schon im Bereich der Erscheinungen von seiner Existenz. In diesem Verhältnisse ist noch keine der Seiten als Moment der andern gesetzt, ihre Identität ist daher selbst eine Seite; oder sie ist nicht ihre negative Einheit. Es geht darum zweytens darein über, daß die eine Moment der andern und in ihr als in ihrem Grunde, dem wahrhaft Selbstständigen von beyden, ist; – Verhältniß der Kraft und ihrer Aeusserung. (354 | 188) Wieder hatte ich oben durch den Gebrauch des Wortes »Moment« in Hegels Überlegungsgang eingegri=en und dem vorgegri=en, was er erst hier sagt: In der Rede vom Teil und Ganzen ist ›an sich‹ das Figurative noch nicht explizit gemacht, nach welchem Wesen und Erscheinung, Grund und Existenz nur Momente eines Ganzen sind und sich über die Einheit des Ganzen aufeinander beziehen. Im »Verhältnis der Kraft und ihrer Äußerung« werden alle Erscheinungen zu Manifestationen der Wirkungen der wesentlichen dispositionellen Eigenschaften der Dinge – und umgekehrt: Es zeigt sich das Ding durch seine Manifestationen oder Wirkungen. Drittens hebt sich die noch vorhandene Ungleichheit dieser Beziehung auf, und das letzte Verhältniß ist das des Innern und Aeussern. – In diesem ganz formell gewordenen Unterschiede geht das Verhältniß selbst zu Grunde, und die Substanz oder das Wirkliche tritt hervor, als die absolute Einheit der unmittelbaren und der reflectirten Existenz. | (354 | 188) In der Beziehung von Kraft und Äußerung spielt die Ungleichheit des ›Ortes‹ der Sache selbst und ihrer Wirkung ›außerhalb‹ des lokalisierten substantiellen Dings o=enbar immer noch eine zentrale Rolle. Selbst wenn wir sagen, dass die Masse dem Ding wesentlich ist, ist sie wenigstens in der quantitativen Bestimmung ihrer Größe auf ihre Äußerung oder Wirkung bezogen. Das ist sie als Gravitationskraft und vermöge des Impulssatzes als Trägheitskraft. Analoges gilt z. B. für die elektrische Ladung, für eine Lichtquelle wie die Sonne und die Lichtwellen, für einen Magneten und das magnetische Feld. Daher tritt die Frage auf, welche der ›Eigenschaften‹ eines Dinges (Wesens) intrinsisch dem Inneren des Dinges zuzurechnen ist.
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Welche Eigenschaften stammen aus Relationen zu anderen Dingen? Wie ist zwischen Innen und Außen im Blick auf das Ding zu unterscheiden, zwischen dem System und seiner Umwelt bzw. zwischen dem ›Inneren‹ einer Person nicht bloß als leiblichem Individuum, sondern als Rollenkompetenz mit sozialem Status und ihren ›äußeren‹ personalen Beziehungen? Dabei ist dieser Unterschied ganz formell geworden. Er ist also figurativ zu verstehen, nicht bloß rein räumlich. Aber mit der Einsicht in die gegenstandskonstitutiven Formen der Unterscheidung zwischen Innen und Außen wird klar, wie hochgradig aspektbezogen alle Bezüge auf sachliche Objekte und wirkliche Dinge zu verstehen sind. Das gilt für die physischen Dinge in ihren physischen Beziehungen zu anderen Dingen ebenso wie für die Tiere in ihren Relationen zu belebten und nicht belebten Wesen, aber auch für Personen im Reich der Personen, d. h. in Staat und Gesellschaft, sogar für Systeme wie das Recht oder die Wirtschaft etwa gegen die Umwelt familialer Gemeinschaften, auch Kultur und Religion, wie Niklas Luhmann richtig sieht. Das Innen der Dinge ist also nicht rein räumlich zu lesen. Deren Identität ist nicht als bloße res extensa, durch ihre räumliche Ausdehnung, deren Lokalisierbarkeit und die ihrer Teile allein definiert, auch wenn das zunächst so scheint. Das Problem zeigt sich heute klarer als damals, da jetzt anerkannt ist, dass es weder momentane Raumausdehnungen noch eindeutige Gleichzeitigkeiten gibt, weder im Großen noch im Kleinen. Man kann also von den inneren und äußeren Bewegungen bzw. Prozessen gar nicht völlig abstrahieren. Das Sein von allen Dingen muss, wie bei Lebewesen, zeitlich, als Werden, also raumzeitlich begri=en werden.
A. Das Verhältniß des Ganzen und der Theile 317 a
[1.] Das wesentliche Verhältniß enthält erstens die in sich reflectirte Selbstständigkeit der Existenz; so ist es die einfache Form, deren Bestimmungen zwar auch Existenzen, aber zugleich gesetzte, Momente in der Einheit gehalten, sind. Diese in sich reflectirte Selbstständigkeit ist zugleich Reflexion in ihr Entgegengesetztes, nemlich die
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unmittelbare Selbstständigkeit; und ihr Bestehen ¦ ist wesentlich eben so sehr als es eigene Selbstständigkeit ist, diese Identität mit seinem Entgegengesetzten. – Eben damit ist auch unmittelbar zweytens die andre Seite gesetzt; die unmittelbare Selbstständigkeit, welche als das Andre bestimmt, eine vielfache Mannichfaltigkeit in sich ist, aber so daß diese Mannichfaltigkeit wesentlich auch die Beziehung der andern Seite, die Einheit der reflectirten Selbstständigkeit an ihr hat. Jene Seite, das Ganze, ist die Selbstständigkeit, welche die an und für sich seyende Welt ausmachte; die andere Seite, die Theile, ist die unmittelbare Existenz, welche die erscheinende Welt war. (354 f. | 189) Das wesentliche Verhältnis nennt die Kategorie oder Aussageform, in der wir reflexionslogisch so etwas sagen wie dieses: Es gehört zur Wesens- oder Artbestimmung von Zucker, dass er süß ist, von Stühlen, dass man sich auf sie setzen kann usf. Daher kann etwas Zucker zu sein scheinen, ohne Zucker zu sein. Ohne die rechte Existenz, das wesensgemäße Aufscheinen in der Erscheinung, liegt kein Zucker vor. Allerdings wird in der relationalen Darstellungsform, nach welcher der Zucker die schmeckbare Süße hervorbringt, der Zucker als Sto= an und für sich und damit als »in sich reflektierte Selbständigkeit der Existenz« aufgefasst. Die qualitative Erscheinung ›für uns‹ ist ihm gegenübergestellt. An sich ist Zucker »einfache Form«, was man am besten versteht, wenn man es zurückübersetzt ins griechische eidos, das sowohl Wesen als auch Form und Begri= bedeuten kann. Zwar gehören zu den Bestimmungen eines eidos immer »auch Existenzen«, also sich zeigende Gestalten, ein Aussehen (wie man »eidos« auch übersetzen kann). Es handelt sich aber um solche, die »zugleich gesetzte Momente« sind, welche die Einheit der Form (der Art, des Begri=s) allererst definieren und dann auch die der Individuierung von realen Instanzen der Form oder Art, welche im semi-sortalen Fall ›Gegenstände‹ sind, wie z. B. einzelne Stühle oder individuelle Tiere. Da Zucker als Massenterm einen Sto= nennt, sprechen wir übrigens von einem Stück Zucker, wenn es für eine gewisse Zeit in einer bestimmten Situation semi-sortale Identifizierungen wie im Fall von Zuckerwürfeln oder kristallierten Klumpen gibt, die man, wie alle semi-sortalen Dinge, ggf. auch einigermaßen stabil zählen kann.
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Indem wir nun von einer wesentlichen Relation einer selbständigen Sache zu ihrer erscheinenden Wirkung sprechen, zeigt sich, dass die »reflektierte Selbständigkeit« der Sache gerade wegen der Bestimmung als Exemplar einer besonderen Art »zugleich Reflexion in ihr Entgegengesetztes« ist. Die Art der Sache ist durch die normalen Wirkungen bzw. die wesentlichen Inferenzen paradigmatischer Exemplifizierungen definiert und bestimmt. Hegel spricht hier auf schwierige Weise von der »unmittelbaren Selbständigkeit« der aufscheinenden Existenz im phänomenalen Bereich qualitativer Erscheinungen. Es ist also festzuhalten, dass die reflektierte Selbständigkeit einer Sache an und für sich, wie sie unreflektiert im naiven Realismus als gegeben vorausgesetzt wird, gar nicht ohne wesensbestimmende Relationen der Normalwirkungen der Sache im Bereich der unmittelbareren Erscheinungen zu verstehen ist. Um die Sache zu bestimmen, bedarf es immer der von uns gesetzten und in der Erfahrungswelt kontrollierten Erfüllungsbedingungen. Daher ist es so naiv, die Sachen und Dinge der Welt von unseren Bezugnahmen auf sie ganz abtrennen zu wollen und zu sagen, was sie ›an sich‹ oder ›für sich‹ seien, sei uns nicht bekannt, wir könnten nur über uns erscheinende Sachen sprechen. Richtig ist, dass es keine Bestimmung einer Sache an und für sich ›gibt‹, also in ihrer Art und Seinsform, welche nicht eo ipso schon die Erscheinungsmomente, die dynamischen Momente von Kräften oder Wirkfähigkeiten und schließlich eine gewisse Unterscheidung zwischen intrinsischen und extrinsischen (Wirk-)Eigenschaften voraussetzen würde. Zunächst aber betrachten wir die Metapher von den Momenten als Teilen eines einheitlichen Ganzen. Momente sind, wenn wir auf sie fokussieren, voneinander unterschieden. Als Teile eines Ganzen aber können sie zugleich bestehen. Zwar gibt es eine »vielfache Mannigfaltigkeit« sowohl von konkreten, besonderen Eigenschaften eines Dings für sich als auch – damit zusammenhängend – seiner Erscheinungen. Es müssen aber alle besonderen Stühle besondere Sitzmöbel sein, wie alle besonderen Hunde Hunde bleiben, also bloße Varianten im Innern der relevanten Gattung und Art von Sachen sind und die allgemein gesetzten wesensbestimmenden Relationen soweit erfüllen müssen, wie dies in einem allgemeinen Wissen gesetzt und für empi-
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rische Unterscheidungen vorausgesetzt ist. Ein Wesen, das fliegen kann, ist selbst dann kein Hund, wenn es »Flughund« heißt. Im Verhältnisse des Ganzen und der Theile sind die beyden Seiten diese Selbstständigkeiten, aber so daß jede die andere in ihr scheinen hat, und nur ist zugleich als diese Identität beyder. Weil nun das wesentliche Verhältniß nur erst das erste, unmittelbare ist, so ist die negative Einheit und die positive Selbstständigkeit durch das Auch verbunden; beyde Seiten sind zwar als Momente gesetzt, aber eben so sehr als existirende Selbstständigkeiten. – Daß beyde als Momente gesetzt sind, | diß ist daher so vertheilt, daß erstens das Ganze, die reflectirte Selbstständigkeit, als existirendes und in ihr die andere, die unmittelbare als Moment ist; – hier macht das Ganze die Einheit beyder Seiten, die Grundlage aus, und die unmittelbare Existenz ist als Gesetztseyn. – Umgekehrt ist auf der andern Seite, nemlich der Seite der Theile, die unmittelbare, in sich mannichfaltige Existenz, die selbstständige Grundlage; die reflectirte Einheit dagegen, das Ganze ist nur äusserliche Beziehung. (355 | 189 f.) Es sollte klar sein, dass das Verhältnis des Ganzen und seiner Teile nicht bloß die räumlichen Teile – etwa Rüssel, Schwanz und Beine eines Elefanten – meint, sondern eine Vielzahl von Momenten, Aspekten, auch Normalfallwirkungen von besonderen Arten von Sachen. Dabei ist jede Einzelheit in ihrem Wesen nur bestimmbar durch eine relevante Besonderheit, den Art-Typus: Als reine Einzelheit ist alles ine=abel, unbestimmt, so wie ein reines »Dies da« oder ein kindliches »Da-Da«, das möglicherweise noch gar keinen hinreichend eindeutigen Bezug hat. In einer wesensbestimmenden Beziehung zwischen dem Ganzen eines wirklichen, objektiven Dings an-und-für-sich als eines Exemplars eines Typus und seinen Teilmomenten – sowohl räumlicher als auch aspektbezogener Art – haben sowohl das Ganze als auch die Teile je ihre Erscheinungen, die sich – gedanklich – wiederum zu einem Erscheinungsganzen in der Welt der Erscheinungen zusammenfügen lassen. Die Folge ist, dass in verschiedenen Dimensionen der sinnlichen Qualitäten die Wirk-Eigenschaften eines Dinges auf unsere perzipierende Sinnlichkeit »durch das Auch verbunden« sind: Ein Stuhl aus frisch geöltem Holz sieht so aus, riecht auch so und
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so, zeigt auch eine gewisse Härte im Widerstand gegen haptischen Druck. Ein Vogel zeigt seine Farbe und lässt sich auch hören usf. Wie schon diskutiert wurde, gibt es negierende Kontraste zunächst nur innerhalb der passenden Dimensionen. Erst dann, wenn man eine wesensbestimmende Relation als gesetzt kennt, kann es sein, dass es ein Widerspruch wäre, wenn ein Vogel wie ein Star aussieht, aber nicht wie ein Star singt. Die unmittelbare Existenz des Stars als Vogel »ist als Gesetztsein«, d. h. wir wissen, wie er aussieht, singt, fliegt, dann auch, wo er lebt etc. Die wesensbestimmenden Relationen zeigen sich eben damit als gesetzte Inferenzbedingungen, vermittelt über den Sinn der Artbestimmung »Das ist ein Star«, also über Wort und Begri= »Star«. »Die reflektierte Einheit, . . . das Ganze ist nur äußerliche Beziehung«, wenn wir bloß von den Erscheinungen ausgehen und den Star als eine Einheit seiner Teilmomente auffassen, was z. B. dann geschieht, wenn wir noch nicht wissen, wie ein Star singt, sondern bloß, wie er aussieht. Umgekehrt gelten die Formen der erscheinenden Existenz als ein Gesetztsein, wenn man mit dem Wissen darum beginnt, dass ein Star ein Tier, ein Vogel, ist, und in der Schule lernt, wie er singt, aussieht usf. 2. Diß Verhältniß enthält somit die Selbstständigkeit der Seiten, und eben so sehr ihr Aufgehobenseyn, und beydes schlechthin in Einer Beziehung. Das Ganze ist das Selbstständige, die Theile sind nur Momente dieser Einheit; aber eben so sehr sind sie auch das Selbstständige, und ihre reflectirte Einheit nur ein Moment; und jedes ist in seiner Selbstständigkeit schlechthin das Relative eines andern. Diß Verhältniß ist daher der unmittelbare Widerspruch an ihm selbst, und hebt sich auf. (355 | 190) In der Rede von einem wesensbestimmenden und damit notwendigen Verhältnis etwa in Bezug auf Aussehen und Gesang von Staren oder Amseln gibt es eine Selbständigkeit der Teilmomente und es wird diese Selbständigkeit in der Einheit des Artwesens aufgehoben. Je nach Betrachtungsart ist das Ganze das Selbständige oder »die reflektierte Einheit nur ein Moment« in unserer Rede über diese Tiere als Arten und Exemplare. Das wesentliche Verhältnis »ist daher der unmittelbare Widerspruch an ihm selbst, und hebt sich auf«. Der Widerspruch besteht darin, dass es sich nicht um ein Verhält-
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nis selbständiger Sachen handelt – es sind ja nur Momente eines Ganzen –, sondern um eine Relation des Fürsichseins der Dinge (der Stare, Amseln usf.), dass aber das Ding bzw. Lebewesen und seine Art nicht unabhängig von der Einheitsbildung durch diese Relationen bestimmt sind. Aufgehoben wird der Widerspruch dadurch, dass man die Dinge und Lebewesen weder bloß als ›Erscheinungsdinge‹ oder Bündel von Qualitäten versteht noch einfach als unbestimmte Dinge unter Abstraktion von ihren erfahrbaren Eigenschaften. Diß näher betrachtet, so ist das Ganze die reflectirte Einheit, welche selbstständiges Bestehen für sich hat; aber diß ihr Bestehen ist eben so sehr von ihr abgestossen; das Ganze ist als die negative Einheit, negative Beziehung auf sich selbst; so ist sie sich entäussert; sie hat ihr Bestehen an ihrem Entgegengesetzten, der mannichfaltigen Unmittelbarkeit, den Theilen. Das Ganze besteht daher aus den Theilen; so daß es nicht etwas ist ohne sie. Es ist also das ganze Verhältniß und die selbstständige Totalität; aber gerade aus demselben Grunde ist es nur ein relatives, denn was es zur Totalität macht, ist vielmehr sein Anderes, die Theile; und es hat nicht an sich selbst, sondern an seinem Andern sein Bestehen. | (355 | 190) Das Fürsichsein eines Dinges – eines Stars oder einer Amsel – besteht natürlich darin, dass es den Vögeln gleichgültig ist, ob wir sie wahrnehmen, wie wir sie klassifizieren, usf. Sie haben ein »selbständiges Bestehen für sich«. Es gibt daher ›Teile‹ bzw. ›Momente‹ der Dinge, die (relativ) unabhängig davon sind, was wir über sie wissen oder uns an ihnen interessiert bzw. was wir von ihnen relativ unmittelbar, ohne allzu große Vermittlung des Denkens und Schließens, wahrnehmen können. Abgestoßen ist das Bestehen des Dinges von seiner Einheit sozusagen insofern, als das ganze Ding immer »negative Einheit, negative Beziehung auf sich selbst« ist, nämlich insofern, als wir gedanklich die ›positiven‹ Beziehungen zu uns, unserer Wahrnehmung, die Phänomene für uns, von ihnen abtrennen und das abgetrennte, absolute Ding als Negativ oder Urbild unserer Abbilder auffassen. Die – später als »intrinsische« oder »innere« charakterisierten – Wesenseigenschaften des Dings (»für sich«) kann oder muss man so als »entäußert« begreifen, d. h. erstens als nicht äußerlich, obwohl sie, zweitens, ihr Bestehen nur in der Äußerung der
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Wirk-Potentialitäten des Dings haben, als den ›Teilen‹, ›Momenten‹, ›Phänomenen‹ etc. Wir werden gerade auch bei der Analyse der Kräfte und Potentialitäten einer Sache sehen, dass auch diese nur ›holistisch‹ und ›relational‹, nie rein lokal auf das einzelne Ding bezogen, begreifbar sind. Sie haben an Anderem »ihr Bestehen«. So sind die Theile gleichfalls das ganze Verhältniß. Sie sind die unmittelbare ¦ Selbstständigkeit gegen die reflectirte, und bestehen nicht im Ganzen, sondern sind für sich. Sie haben ferner diß Ganze als ihr Moment an ihnen; es macht ihre Beziehung aus; ohne Ganzes gibt es keine Theile. Aber weil sie das Selbstständige sind, so ist diese Beziehung nur ein äusserliches Moment, gegen welches sie an und für sich gleichgültig sind. Zugleich aber fallen die Theile als mannichfaltige Existenz in sich selbst zusammen, denn diese ist das reflexionslose Seyn; sie haben ihre Selbstständigkeit nur in der reflectirten Einheit, welche sowohl diese Einheit als auch die existirende Mannichfaltigkeit ist; das heißt, sie haben Selbstständigkeit nur im Ganzen, das aber zugleich die den Theilen andere Selbstständigkeit ist. (355 f. | 191) Ein Teil von etwas verweist immer schon auf das Ganze, dessen Teil es ist. Das ist ein logischer Truismus. Es ist Folge des Begri=s des Teils oder des Teilmoments. Da jeder Zugang zu einem ganzen Ding über Teilmomente vermittelt ist – zur Sonne etwa über ihren Schein –, sind diese unmittelbar als die reflektierte Einheit des Ganzen. Aber als Teilmoment des Ganzen wird das Ganze zum Moment der Teilbestimmung. Die Vielfalt der Teilmomente würde aber auseinanderfallen (oder diese in sich zusammenfallen, je nachdem, wie man es betrachtet), gäbe es nicht den (gesetzten, gelernten, gewussten) Bezug auf das Ganze. In ihrer epistemischen Bestimmtheit hat die Sonne z. B. an Anderem, den Phänomenen, ihr Bestehen – und das nicht nur für uns. An und für sich gibt es sie gerade so, dass die Teilmomente als von ihr ›verursacht‹ begri=en werden – so dass die Sonne selbst nicht bloß Ding ist, sondern wirkendes Ding. Im Wissen über die Sonne legen wir Wirkkräfte in sie. Wenn wir etwa sagen, die Sonne habe Masse und sende Licht aus, dann schreiben wir ihr diese Kräfte nicht bloß subjektiv zu – im Modus des Glaubens –, sondern wir wissen, dass es
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so ist. Daher sagen wir z. B., dass die Sonne wirklich diese und jene Masse hat, welche ihre gravitationellen Wirkungen erklärt usf. Das Ganze und die Theile bedingen sich daher gegenseitig; aber das hier betrachtete Verhältniß, steht zugleich höher, als die Beziehung des Bedingten und der Bedingung auf einander, wie sie sich oben bestimmt hatte. Diese Beziehung ist hier realisirt; nemlich es ist gesetzt, daß die Bedingung so die wesentliche Selbstständigkeit des Bedingten ist, daß sie durch dieses vorausgesetzt wird. Die Bedingung als solche ist nur das Unmittelbare, und nur an sich vorausgesetzt. Das Ganze aber ist die Bedingung zwar der Theile, aber es enthält zugleich unmittelbar selbst, daß auch es nur ist, insofern es die Theile zur Voraussetzung hat. Indem so beyde Seiten des Verhältnisses gesetzt sind als sich gegenseitig bedingend, ist jede eine unmittelbare Selbstständigkeit an ihr selbst, aber ihre Selbstständigkeit ist eben so sehr vermittelt oder gesetzt durch die andere. Das ganze Verhältniß ist durch diese Gegenseitigkeit die Rükkehr des Bedingens in sich selbst, das nicht relative, das Unbedingte. | (356 | 191) Wenn wir sagen, das Ganze und die Teile, das Ding und seine Momente bedingen sich gegenseitig, wie der Rüssel des Elefanten auf den Elefanten verweist und der Elefant auf den Rüssel, so unterscheidet sich diese Form von Bedingungen von den früher diskutierten dadurch, dass damals an irgendwelche Regeln der Form »wenn A, dann B« zu denken war. Die Teil-Ganzes-Beziehung enthält schon weit mehr strukturelle Elemente. Im Fall des Elefanten und seines Rüssels ist z. B. folgende Beziehung als ›notwendig‹ vorausgesetzt: Elefanten haben Rüssel und man kann von der Form des Rüssels auf den Elefanten schließen. Dem gegenüber ist in einem Bedingungsgefüge wie »Wenn gehobelt wird, fallen Späne« oder »Wenn es regnet, wird die Straße nass« jeder Satzteil vom anderen getrennt. In der Wesensbeziehung zwischen dem Teil(-Moment) des Rüssels und der Ganzheit des Elefanten ist das Ganze Bedingung der Teile und die Teile Voraussetzung des Ganzen. Beide bedingen sich gegenseitig. Das Ganze ist das, was es ist, insofern alle wesentlichen Teilmomente als seine Teilmomente zu verstehen und deren Beziehungen zueinander als Relationen des Für-sich-Seins des Ganzen zu begreifen sind. Die ›inneren‹ Relationen fallen sozusagen ›unter‹ oder ›in‹ die Identität. Sie sind feiner als die
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Teilmomente in Gleichheitsaussagen der Art »Das Wesen X , das wir über sein Teilmoment A identifizieren, ist dasselbe (oder auch identisch) wie das, welches wir über sein Teilmoment B identifizieren«. In eben diesem Sinn ist die Venus der Morgenstern und dieser ist der Abendstern. Am Morgen so zu scheinen, ist Teilmoment der Venus, aber auch, am Abend so und dort am Firmament zu erscheinen. Indem nun die Seiten des Verhältnisses jede nicht in ihr selbst ihre Selbstständigkeit, sondern in ihrer andern hat, so ist nur Eine Identität beyder vorhanden, in welcher beyde nur Momente sind; aber indem jede an ihr selbst selbstständig ist, so sind sie zwey selbstständige Existenzen, die gegen einander gleichgültig sind. (356 | 192) Die Wesensbeziehung von Teilen zum Ganzen wird artikuliert im Genitiv, der sagt, dass es sich um ein Teilmoment A des X (bzw. B, C , . . . des Y ) handelt. In dieser Form ausgedrückt, wird klar, dass A als Teil von X nicht unabhängig von X bestimmt ist. Das X , das sich in seinen Teilmomenten zeigt und das einheitliche Ganze seiner Teile ist, ist nicht unabhängig von seinen Teilen bestimmt. Nur soweit A, B und X oder Y auch ohne Bezugnahme auf ihre Teil-Ganzes-Beziehung auszumachen wären, hätten sie oder wären sie »selbständige Existenzen«. Es hängt aber u. U. vom Redemodus ab, ob die Seiten des Dings und seiner Erscheinung als selbständig oder als abhängig von der je anderen Seite aufgefasst werden bzw. inwiefern »nur eine Identität beider vorhanden« ist. Nach der ersten Rüksicht, der wesentlichen Identität dieser Seiten, ist das Ganze den Theilen und die Theile dem Ganzen gleich. Es ist nichts im Ganzen, was nicht in den Theilen, und nichts in den Theilen, was nicht im Ganzen ist. Das Ganze ist nicht abstracte Einheit, sondern die Einheit als einer verschiedenen Mannichfaltigkeit; diese Einheit aber als das, worin das Mannichfaltige sich auf einander bezieht, ist die Bestimmtheit desselben, wodurch es Theil ist. Das Verhältniß hat also eine untrennbare Identität, und nur Eine Selbstständigkeit. (356 | 192) Wenn wir auf die Einheit des Gegenstandes achten, sind alle seine Teile – räumliche ebenso wie andere Momente seines Für-sich-Seins – von der Art, dass sie den Gesamtgegenstand voll vertreten können. So vertritt mein Auge oder mein Herzschlag mich im Ganzen, der
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Rüssel und der Schrei den Elefanten oder der flatternde Schmetterling das Gesamtinsekt, auch im Rückblick auf frühere Phasen seiner Metamorphose. Es ist daher im Normalfall unsinnig zu sagen, nicht ich, sondern meine Hand habe etwas weggenommen, nur mein Auge und Gehirn hätten etwas gesehen, aber nicht ich als ganze Person usf. Wir können zwar auf zeitlich eingegrenzte Phasen oder Epochen des Lebens eines Schmetterlings oder auch unseres eigenen Seins als Säugling, Kleinkind, Kind, Jugendlicher, junger Erwachsener und voll entwickelte Person fokussieren. Als Teile von mir aber vertreten sie mich immer ganz. Manchmal sagen wir daher durchaus richtig: Das bin ich als Kind, statt: das war ich als Kind. Daher bin ich für meine früheren Taten auch heute noch verantwortlich, schuldig. Es ist grammatisch falsch zu sagen, ich sei schuldig gewesen. Strafe antwortet nicht auf vergangene Schuld. Man bestraft nicht eine ›frühere‹ Person, die es, wie der naive Empirismus meint, heute ›nicht mehr gibt‹. – Die Beispiele sollen die allgemeine Form des wesensbestimmenden Verhältnisses in ihrer allgemeinen Bedeutung zeigen. Dabei ist die Unterscheidung zwischen der Sache selbst (etwa einem Körperding) und ihren Erscheinungen aus verschiedenen Perspektiven als Teilmomenten des Für-sich-Seins der Sache nur ein besonderer Fall. Die Formulierung, dass die Teile dem Ganzen gleich seien, übertreibt zwar in gewissem Sinn. Sie drückt aber die zentrale Struktur drastisch und plakativ aus. Dies gilt natürlich nur für entsprechende Fälle. Im Fall eines lebenden Organismus existiert kein Teil selbständig und unabhängig von der Einheit des ganzen Lebens des Lebewesens. Es ist sogar noch im Fall von physischen Körperdingen die Vorstellung von einer beliebigen Teilbarkeit naiv. Nimmt man einem Sessel oder Stuhl die Seiten- bzw. Rückenlehne weg, gibt es keinen Sessel oder Stuhl mehr: Es bleibt bestenfalls ein Hocker übrig. Löst man einen kristallinen Sto= in Salz auf oder schmilzt man Eis, bleibt zwar der materielle Sto= erhalten, nicht aber der feste Körper, das Ding. Die gedankenfreie Übernahme bloß mathematisch-idealer Vorstellungen beliebiger Teilbarkeiten, wie sie nur abstrakte Formen definieren, geht an dieser Realität sowohl der Welt an und für sich als auch unserer realen Möglichkeiten der Bezugnahme auf sie und auf ihre dinglichen
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Gegenstände nonchalant vorbei. Es ist das ein utopischer Idealismus des rein subjektiven formalen Denkens, keine Reflexionsanalyse realen Weltbezugs. Mathematische Formen sind ideal und abstrakt. Alle Gegenstände der Welt, ob dinglich (fest, kristallin), flüssig oder gasförmig (als bloße Sto=e) oder gar als bloße Energiefelder (ggf. mit ihren Wellen) sind real und konkret. Das Ganze eines Gegenstandes ist also nie bloß »abstrakte Einheit«, sondern die Einheit einer Mannigfaltigkeit von unterscheidbaren Teilen. Dazu sagt uns ein allgemeines Wissen, wie »das Mannigfaltige sich aufeinander bezieht«, nämlich über das wesentlich-notwendige Verhältnis von Teil und Ganzem. Dieses »ist die Bestimmtheit desselben, wodurch« ein Teil eines Ganzen dessen Teil ist. Während Hegel sagt, das Verhältnis habe eine untrennbare Identität, würde ich eher sagen, es sei wesentlicher Teil des Begri=s der Gleichheit. Alle Teilmomente gibt es nur als Teile dieses Ganzen, dieser Einheit. Für organische Lebewesen ist das klar. Es gilt aber auch für alle physischen Körperdinge. Die Physik unterscheidet sich in diesen Punkten von der Biologie viel weniger, als man meint: Nicht nur die Biologie, auch die Physik muss notwendigerweise prozessholistisch vorgehen und das Bild von einer rein statischen, atomistischen, d. h. rein räumlichen Momentan-Struktur der res extensa zusammen mit dem einer globalen Zeit verabschieden. Hier hängt alles am rechten Verständnis des Idealbegri=s eines ›Zeitpunktes‹ und der Form der Rede von ›Zeitpunktfolgen‹ als raum-analogen Teilungen eines ›Zeitkontinuums‹. Analoges gilt für den Raum: In der realen Welt gibt es z. B. weder Punkte noch Ebenen, nur Stellen und mehr oder weniger ebene Flächen. Aber ferner ist das Ganze den Theilen gleich; allein nicht denselben als Theilen; das Ganze ist die reflectirte Einheit, die Theile aber machen das bestimmte Moment oder das Andersseyn der Einheit aus, und sind das verschiedene ¦ Mannichfaltige. Das Ganze ist ihnen nicht gleich als diesem selbstständigen Verschiedenen, sondern als ihnen zusammen. Diß ihr Zusammen aber ist nichts anderes, als ihre Einheit, das Ganze als solches. Das Ganze ist also in den Theilen nur sich selbst gleich, und die Gleichheit desselben und
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der Theile drükt nur die Tavtologie aus, daß das Ganze als Ganzes nicht den Theilen, sondern dem Ganzen gleich ist. (356 f. | 192) Hegel selbst macht klar, dass die Gleichgültigkeit von Teil und Ganzem nicht bedeutet, dass zwischen beiden nicht unterschieden würde. Es bedeutet, dass, wenn X ein Teil von Y ist, Y durch X ganz repräsentiert ist, vorausgesetzt natürlich, die Aussage ist wahr. Der Rüssel verweist nur dann auf den Elefanten, wenn es kein abgeschnittener Rüssel und keine Rüsselattrappe ist. Der schwierige Satz »Das Ganze ist die reflektierte Einheit« bezieht sich auf die ›begri=liche Tatsache‹, dass das Ganze alle seine Teilmomente ›enthält‹, durchaus so, wie die rationale Zahl 25 alle Gleichungen der Form 25 = t ›enthält‹. Das Ganze ist konkret immer nur definiert über die Teilmomente und ihre gesetzte Äquivalenz, welche die Gegenstandsidentität definiert. Hegels schwieriger Ausdruck »Andersseyn der Einheit« versucht eben diese absolut grundlegende Tatsache der Bestimmung der Identität von Gegenständen durch Bestimmung der Äquivalenz von Teilmomenten und der gleichzeitigen Bestimmung ihrer Teile in einer Merkformel auszudrücken. Jeder ernstzunehmende Logiker hat diese Konstitution semi-sortaler Gegenstandsbereiche in ihrer Gesamtform zu begreifen. Ein zentrales Moment neben der Gleichheit, die nach dem Leibnizprinzip zu einem System von Relationen passen muss, ist dabei die hier skizzierte Teilbeziehung und ihre Rolle für mögliche Repräsentationen und Präsentationen des Ganzen durch seine Teile. Die Teile sind unter sich und vom Ganzen verschieden. Aber als Momente des Ganzen führen sie zu einer Äquivalenzrelation, welche dessen Identität definiert. Das Ganze ist dabei immer schon von anderem Typ als seine ›Teilmomente‹, so wie eine rationale Zahl von anderem Typ ist als die Brüche, die sie repräsentieren, oder die ganze Person im Kontrast zu ihren Händen, ihrem Leib, Kopf und Gehirn und sogar von allem einzelnen Tun. Entsprechend sagt Hegel, dass das Ganze, der einheitliche Gegenstand, in seinen Teilen »nur sich selbst gleich« ist. Es ist, wie jetzt in kritischer Sicht auf Wittgensteins Tractatus klar zu sehen ist, falsch zu meinen, jede Identität resp. Gleichheit habe die logische Form A = A und nicht wesentlich die Form A = B. Hegels Rede von der Gleichheit des Teils und des Ganzen korrespondiert hier der begri=lichen Tatsache, dass jeder ›Teil‹ des Ei=elturms dem gan-
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zen Turm oder jeder Teil von mir mich als ganze Person präsentieren bzw. repräsentieren kann, so wie jeder Zahlterm t die entsprechende Zahlen. Richtig ist dann freilich, dass zwischen der Ebene der Repräsentationen und der repräsentierten ›Gegenstände‹ kategorial zu unterscheiden und dieser Unterschied durch die Di=erenz zwischen ›objektstufiger‹ bzw. ›seinslogischer‹ und ›metastufiger‹ bzw. reflektierender Rede explizit zu machen ist. Nicht trivial ist dabei, dass das, was wir in der Reflexionslogik explizieren, konkreter und realer ist als der in seiner Verfassung unterstellte Gegenstand objektstufiger Rede, sei dieser eine Zahl oder ein Ding, das irgendwelche Teile hat und von dem wir sagen, dass er gewisse Erscheinungen hervorruft. Das Ganze und die Teile bleiben also insbesondere im Blick darauf kategorial ungleich, als die Teile das Ganze repräsentieren und damit wie mein Gehirn oder Herz zu anderen Gegenstandsbereichen gehören als ich. Ich bin Person, mein Herz oder Hirn ist das nicht. Das Possessivpronomen oder der Genitiv drückt eine solche feste Zugehörigkeit aus. Unser Wissen, dass Vögel nicht selbst ihre Beringungen tauschen (können), erlaubt es uns, sie anhand ihrer Ringe zu identifizieren. In ähnlicher Weise schließen wir aus der Erscheinung auf das ihr zugrundeliegende Ding als ein Gesamt seiner Erscheinungen und seiner Existenzformen, wenn wir Entsprechendes über diese Einheit und das Verhältnis von Ganzem und Teilmomenten wissen, z. B. dass, wenn etwas so und so aussieht und sich so und so verhält, es eine (echte) Oase und keine bloße Halluzination ist. Umgekehrt sind die Theile dem Ganzen gleich; aber weil sie das Moment des Andersseyns an ihnen selbst | sind, so sind sie ihm nicht gleich als der Einheit, sondern so daß eine seiner mannichfaltigen Bestimmungen auf den Theil kommt, oder daß sie ihm als mannichfaltigem gleich sind; das heißt, sie sind ihm als getheiltem Ganzen d. i. als den Theilen gleich. Es ist hiemit dieselbe Tavtologie vorhanden, daß die Theile als Theile, nicht dem Ganzen als solchem, sondern in ihm sich selbst, den Theilen, gleich sind. (357 | 192 f.) Jetzt sollte klar sein, wie Hegels Satz »Die Teile sind dem Ganzen gleich« zu lesen ist. Man sollte also nicht unwillig darauf beharren, dass man so nicht sprechen sollte, oder dass der Satz einfach falsch sei. Stattdessen ist wie bei jedem Verstehen zwischen passenden und
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damit sinngleichen Alternativformulierungen (oder Folgerungen) und nicht angemessenen ›Übersetzungen‹ zu unterscheiden. Es gibt z. B. keine Definition der Identität, welche nicht aus einer Relation der äquivalenten Vertretung des Ganzen durch Teile und Teilmomente herrührt. Aber wir müssen auch das als Metapher verstehen – im Blick auf die Technik unseres Gebrauchs von Aussagen der Form A = B – und wir sollten es als äquivalent zu dem begreifen, was Hegel in seinem figurativen Gebrauch zusammen mit seinen Selbstkommentierungen zum Ausdruck bringt. Wir müssen den Text so lesen, wenn wir ihn verstehen wollen bzw. in die Lage kommen wollen, seine Sprechform zu begreifen, und nicht vorschnell nur unsere eigene Diktion lieben. Klar bleibt, dass weder Repräsentanten und Repräsentiertes, Vertreter und Vertretenes noch Teil und Ganzes, Moment und Einheit »als Einheit« oder Einheiten gleich oder identisch sind. Vielmehr ist die Beziehung der Teile auf die Einheit und der Sinn der Gleichungen der Form A = B von anderem Typ als die Beziehung der Einheit zu sich selbst. Das »Selbst der Einheit« ist nie ohne die wesens- und identitätsbestimmende Beziehung der Teile oder Momente auf das Ganze als Einheit zu verstehen. Wir hatten in der Seinslogik alle diese Verhältnisse schon abstrakt diskutiert. Hier geht es um ihre Konkretisierung im Blick auf physische, dingliche Gegenstände, dann auch auf ›natürliche‹ Ereignisse und Prozesse. Das Ganze und die Theile fallen auf diese Weise gleichgültig aus einander; jede dieser Seiten bezieht sich nur auf sich. Aber so aus einander gehalten zerstören sie sich selbst. Das Ganze, das gleichgültig ist gegen die Theile, ist die abstracte, in sich nicht unterschiedene Identität; diese ist Ganzes nur als in sich selbst unterschieden, und zwar so in sich unterschieden, daß diese mannichfaltigen Bestimmungen in sich reflectirt sind und unmittelbare Selbstständigkeit haben. Und die Reflexions-Identität hat sich durch ihre Bewegung gezeigt, diese Reflexion in ihr Anderes zu ihrer Wahrheit zu haben. – (357 | 193) Auch anhand dieser Passage lässt sich Hegels Art der Überlegung m. E. zweifelsfrei darlegen: Wenn man die Teile bloß für sich ohne Bezugnahme auf ihr Ganzes betrachtet, dann fallen das Ganze und die Teile, die Einheit und ihre Momente auseinander. Dann operiert man
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nämlich mit ganz anderen Gleichheiten, als dies für die relevanten Gegenstände im Ganzen (z. B. die Dinge) angebracht wäre. Das gilt auch, wenn man über Erscheinungstypen und ihre Aktualisierungen spricht oder über ganz besondere und einzelne (subjektive) Perspektiven auf das Ding statt über das Ding als Sache oder Ursache und das wesentliche Verhältnis als Grundbeziehung. Man redet bloß abstrakt daher, wenn man über das Ganze, die Einheit, das Ding ohne Vermittlung über seine Teilmomente sprechen möchte. Eine »in sich nicht unterschiedene Identität« ist nur die rein formale des A = A. Aber alle Gegenstände, ob so abstrakt wie Zahlen bzw. geometrische Formen in voller Reinheit oder so konkret wie Türme oder Atome, sind als Einheiten bestimmt und »nur als in sich selbst unterschieden«, also so, dass sie verschiedene Präsentationen und Repräsentationen, A, B, . . . etc. haben. Wir können dann, wie gezeigt, A, B, . . . etc. als ›Teile‹ von X auffassen und cum grano salis ggf. sogar A = B schreiben. Verbalsprachlich sagen wir jedenfalls, dass das A des X und das B des X Teile des gleichen X sind, dessen Teilmomente die A, B, . . . , die auch Erscheinungen von X sein können. Eben so sind die Theile als gleichgültig gegen die Einheit des Ganzen, nur das unbezogene Mannichfaltige, das in sich Andre, welches als solches das Andre seiner selbst und sich nur aufhebende ist. – Diese Beziehung-auf-sich jeder der beyden Seiten, ist ihre Selbstständigkeit; aber diese ihre Selbstständigkeit, die jede für sich hat, ist vielmehr die Negation ihrer selbst. Jede hat daher ihre Selbstständigkeit nicht an ihr selbst, sondern an der andern; diese andere, die das Bestehen ausmacht, ist ihr vorausgesetztes Unmittelbare, das Erstes und ihr Anfang seyn soll; aber dieses Erste einer jeder ist selbst nur ein solches, das nicht Erstes ist, sondern an dem andern seinen Anfang hat. | (357 | 193) Sprechen wir von Teilen und behandeln diese nicht als Vertreter des Ganzen, dann geschieht dies in einer Art der abstrahierenden Aufhebung ihres begri=lichen Bezugs zum Ganzen. Nur in künstlicher Trennung kann man sie als »gleichgültig gegen die Einheit des Ganzen« im doppelten Sinn auffassen, erstens so, als ginge sie die Einheit nichts an, zweitens so, als würde die Einheit durch ihre Gleichgültigkeits- bzw. Äquivalenzbeziehung allererst konstruiert.
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Zerfällen wir die komplexen Einheiten, die Gebäude, Tische, aber auch Atome in ihre (räumlichen) Teile und die Dinge in ihre verschiedenen perspektivischen Teilmomente ihrer Wirkungen auf andere Dinge, etwa unsere Sinne, so bleibt ein reines Kaleidoskop, bleiben »unbezogene Mannigfaltigkeiten« stehen, als wäre die Welt ein sich di=us ändernder Pixel-Film, mal mit, mal ohne wiedererkennbare Figuren und Formen mit Teilen und Momenten. Die Teilbarkeit der Sachen dagegen bedeutet, dass wir den Fokus vom Ganzen auf Teile oder von Teilen auf ihr Ganzes verschieben können. Wie die Teil-GanzesRelation aussieht, das ist je nach Gegenstandsbereich verschieden von uns gesetzt. Es wird im Besonderen und Einzelnen im guten Fall richtig erkannt oder gewusst. Im schlechten Fall täuscht man sich und urteilt bloß über einen ›falschen Schein‹. Damit wird klar, warum die scheinbare Selbständigkeit der Teile und des Ganzen jeweils »die Negation ihrer selbst« ist: Die Teile sind, für sich genommen, keine Teile (mehr). Daher sind die Teile nur als Teile des Ganzen und damit von etwas kategorial ganz anderem als Teile bestimmt. Das gilt z. B. auch für die Organe und das Lebewesen. Im Fall der Erscheinungen als Momente eines Dinges scheint es so, als würden diese den Anfang machen. Doch in Wahrheit beziehen wir uns immer schon auf die robusteren Gesamtdinge und wissen um die Variationen ihrer Erscheinungen. Denn es gibt gar keine (unabhängig von unseren möglichen Bezugnahmen) identifizierbaren unmittelbaren Erscheinungen. Es gibt aber konkrete Problemtypen bei der Identifikation der Dinge qua Arttypen oder Gegenstände in ihrer Identität. Das ist so, weil die definierende Teil-Ganzes-Beziehung nicht immer leicht und eindeutig so überprüfbar ist, wie sie allgemein gesetzt oder vorausgesetzt wird, z. B. vor dem Hintergrund eines allgemeinen Wissens um eine relativ stabile Dingkonstanz zunächst von präsentisch zuhandenen und dann von in der Welt ›irgendwo vorhandenen‹ mittelgroßen trockenen Dingen in ihren Relativbewegungen. Als lebende Wesen beginnen wir bei diesen Dingen und manchen wichtigen flüssigen oder gasförmigen Sto=en wie Wasser und ›Luft‹ alle unsere weltbezogenen Unterscheidungen. Die Wahrheit des Verhältnisses besteht also in der Vermittlung ; sein Wesen ist die negative Einheit, in welcher eben so wohl die
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reflectirte als die seyende Unmittelbarkeit aufgehoben sind. Das Verhältniß ist der Widerspruch, der in seinen Grund zurükgeht, in die Einheit, welche als rükkehrend die reflectirte Einheit ist, aber indem diese eben so sehr sich als aufgehobene gesetzt hat, bezieht sie sich negativ auf sich selbst, hebt sich auf, und macht sich zur seyenden Unmittelbarkeit. Aber diese ihre negative Beziehung, insofern sie ein erstes und unmittelbares ist, ist nur vermittelt durch ihr anderes, und eben so sehr ein gesetztes. Diß andere, die seyende Unmittelbarkeit ist eben so sehr nur als aufgehobene; ihre Selbstständigkeit ist ein erstes, aber nur um zu verschwinden, und hat ein Daseyn, das gesetzt und vermittelt ist. (357 f. | 194) Das eigentliche Verhältnis zwischen Teilmomenten und dem Ganzen einer dinglichen Einheit (eines physischen Körpers, dann auch eines physikalischen Systems) »besteht also in der Vermittlung«. Vorausgesetzt ist eine Regel der Zugehörigkeit, sozusagen des Genitivs, nach welchem etwas ein Teil oder Moment von etwas Ganzem, einer Einheit ist. Im zeitlichen Erhalt des Dinges als lokalisierbarem physischen Körper spielt nun eine gewisse Kraft – die physische Ausprägung der logischen Attraktion – eine zentrale Rolle. Sie nennt nichts Anderes als den in einer Epoche, einer zeitlichen Klammer, gegebenen Zusammenhalt des Dinges. Die Erfahrung dieser inneren Attraktion artikulieren wir durch entsprechende Natur- oder eben Wesensgesetze, setzen diese aber bei Dingen zumeist schon stillschweigend voraus. In dieser Bestimmung ist das Verhältniß nicht mehr das des Ganzen und der Theile; die Unmittelbarkeit, welche seine Seiten hatten, ist in Gesetztseyn und Vermittlung übergegangen; es ist jede gesetzt, insofern sie unmittelbar ist, als sich aufhebend, und in die andere übergehend; und insofern sie selbst negative Beziehung ist, zugleich durch die andere als durch ihr positives bedingt zu seyn; wie auch ihr unmittelbares Uebergehen eben so sehr ein Vermitteltes ist, ein Aufheben nemlich, das durch die andere gesetzt wird. – So ist das Verhältniß des Ganzen und der Theile in das Verhältniß der Kraft und ihrer Aeusserung übergegangen. (358 | 194) Es geht jetzt um die Zuschreibung dessen, was ein Gegenstand eines bestimmten Typs normalerweise tut oder tun kann, wie sich
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das Ding unter bestimmten Umständen normalerweise verhält oder wie ein Lebewesen lebt. Das Verhältnis zwischen einer solchen Sache (an sich, als generischem Falltyp) zu dem, was es tut oder kann, ist o=enbar kein klassifikatorisches oder mereologisches Verhältnis wie z. B. das zwischen einer Art – etwa der Hunde – zu einer Gattung – etwa der Säugetiere. Jetzt werden den Arten allgemeine Dispositionen oder Kräfte zugeschrieben, in ihr generisches Wesen gesetzt. Die entsprechenden Schlüsse – dass Milch zum Trinken gut ist, Wölfe für Schafe gefährlich sein können etc. – sind als Möglichkeiten und Fähigkeiten nicht unmittelbar beobachtbar, sondern durch ein materialbegri=liches Allgemeinwissen über Fähigkeiten oder Kompetenzen, Kräfte oder Energien, also über prämissenbedingte Folgen, vermittelt. Eine gesetzte Normalfallinferenz, die z. B. sagt, dass eine schwere Masse andere Massen anzieht, ist di=erentiell bedingte ›negative Beziehung‹ insofern, als die Bestimmung der Masse zur Bestimmung der Kraft bzw. der Normalfallbewegung führt. Wir sehen hier den Übergang von einer rein klassifikatorischen Logik des Teils und Ganzen, der Teilmenge einer Oberklasse zu einer Logik des materialbegri=lichen Schließens auf ein Normalverhalten einer typischen Sache, wobei der Schlussmodus unter dem Titel Ceteris Paribus steht, was im Grunde nur heißt: »wenn alles irgendwie normal läuft«. Der Titel ist also nur ein weiterer akademischer Ausdruck dafür, dass weltbezogene Geltung und Wahrheit generisch sind und dass mit kontingenten Ausnahmen und Fallibilitäten im Einzelfall der Anwendung immer auch zu rechnen ist. Anmerkung Es ist oben (I. Abth. S. 113. =.) die Antinomie der unendlichen Theilbarkeit der Mate|rie, beym Begri=e der Quantität betrachtet worden. Die Quantität ist die Einheit der Continuität und der Discretion; sie enthält im selbstständigen Eins sein Zusammengeflossenseyn mit andern, und in dieser sich ohne Unterbrechung fortsetzenden Identität mit sich eben so die Negation derselben. Indem die unmittelbare Beziehung dieser Momente der Quantität, als das wesentliche Verhältniß des Ganzen und der Theile, das Eins der Quantität als Theil, die Continuität desselben aber als Ganzes, das zusammengesetzt
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ist aus Theilen, ausgedrükt wird, so besteht die Antinomie in dem Widerspruche, der am Verhältnisse des Ganzen und der Theile, vorgekommen und aufgelöst worden ist. – Ganzes und Theile sind nemlich eben so wesentlich auf einander bezogen und machen nur Eine Identität aus, als sie gleichgültig gegen einander sind und selbstständiges Bestehen haben. Das Verhältniß ist daher diese Antinomie, daß das Eine Moment, darin daß es sich vom andern befreyt, unmittelbar das andere herbeyführt. (358 | 194 f.) In der Seinslogik war die Antinomie der unendlichen Teilbarkeit der Materie angesprochen worden. Nur idealgeometrische Größen sind unendlich teilbar, bestehen aber nicht aus unendlich vielen Teilen. Das »Und-so-fort« ihrer Teilbarkeit benennt im guten Fall nur die Form eines Verfahrens, im schlechten eine abstrakte Variable, die für irgendeine Teilung steht. Unendliche Folgen existieren nur in idealer Mathematik, und zwar zunächst als konkret angegebene Regeln. Man denke etwa an y = x 2 . Es ist dann ein weiterer Schritt, in der abstrakten Mengenlehre sich auf völlig indefinite Weise irgendwelche Folgen vorzustellen. Das Indefinite des so genannten Kontinuums führt so zur Rede von ›überabzählbar‹ vielen Folgen. In der realen Welt gibt es dagegen überhaupt keine unendlichen Folgen, weder von Zeit- noch von Raumstellen, um von Dingen und Atomen gar nicht zu reden. Es ist daher auch falsch anzunehmen, dass sich ein Körperding ›wirklich beliebig oft‹ teilen ließe. Andererseits gibt es auch keine ›kleinsten Teilchen‹, aus denen alles aufgebaut wäre wie Figuren aus Legosteinen. Die entsprechenden Vorstellungsmodelle, die sich formal widersprechen, haben außerhalb der idealen Mathematik jeweils endliche Anwendungsmöglichkeiten. In dieser Einsicht liegt die einzig wahre Aufhebung des ›Paradoxons‹ beliebiger Teilbarkeit. Das »Und-so-weiter« einer gedanklichen Teilbarkeit von Strecken, Flächen oder Volumina, wie es die Grundlage formentheoretischer Geometrie bildet, ist also nicht blind auf die Dinge der wirklichen Welt anzuwenden. Die mathematische Unendlichkeit des Und-so-weiter passt nie ›wörtlich‹ auf die realen Dinge, weder im Blick auf beliebig Kleines (wobei es das Infinitesimale in gewissem Sinn noch nicht einmal in der Mathematik ›gibt‹) noch auf beliebig Großes. Jede Quantität – ob als rein abstrakter Gegenstand in der Mathema-
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tik oder als konkrete, durch empirisch anwendbare Maße benannte, Größe – ist, wie sich Hegel ausdrückt, »Einheit der Kontinuität und Diskretion«. Das Kontinuierliche der Quantitäten ergibt sich aus der ›empirischen Stetigkeit‹ aller weltbezogenen und sinnvermittelten Unterscheidungen und Teilungen. Es gibt immer ein weiter unterteilbares ›Niemandsland‹ zwischen kontrastierenden Unterschieden – und es werden dafür Bereiche wie die reinen Farben auf kanonische Weise standardisiert bzw. schematisiert. In der Mathematik werden kontinuierliche Größen zunächst geometrisch durch reine Proportionen zwischen Längen, Flächen oder Volumina in Formen und diese dann auch noch arithmetisch durch reelle Zahlen repräsentiert. Der Inbegri= der Einheit von Kontinuität und Diskretion ist in der Tat bis heute die reelle Zahl. Das Existirende also als Ganzes bestimmt, so hat es Theile, und die Theile machen sein Bestehen aus; die Einheit des Ganzen ist nur eine gesetzte Beziehung, eine äussere Zusammensetzung, welche das selbstständig Existirende nichts angeht. Insofern dieses nun Theil ist, so ist es nicht Ganzes, nicht zusammengesetztes, somit einfaches. Aber indem ihm die Beziehung auf ein Ganzes äusserlich ist, so geht sie dasselbe nichts an; das Selbstständige ist somit auch nicht an sich Theil; denn Theil ist es nur durch jene Beziehung. Aber indem es nun nicht Theil ¦ ist, so ist es Ganzes, denn es ist nur diß Verhältniß von Ganzem und von Theilen vorhanden; und das Selbstständige ist eins von beyden. Indem es aber Ganzes ist, so ist es wieder zusammen|gesetzt; es besteht wieder aus Theilen und so fort ins Unendliche. – (358 f. | 195 f.) Die Einheit eines Ganzen ist, wie im Fall eines Stuhls, der eine Lehne braucht, eine durch den Begri= gesetzte Relation der Teile. Was bloß Teil ist, ist noch nicht das Ganze. Leibniz stellt sich minimale Teile formal so einfach vor wie viele noch meinen, es gäbe in der Quantenphysik kleinste Elementarteilchen. Wären diesen aber die Beziehungen auf das Ganze eines Atoms, Moleküls oder eines Festkörpers rein äußerlich, so wäre diese Relation für die Seinsweise der einfachsten Teile irrelevant. Das ist aber keineswegs der Fall. Die einfachen Teile gibt es nur als Momente von Ganzheiten. Die Dialektik von Teil und Ganzem läuft daher darauf hinaus, dass es von der
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Betrachtungsart abhängt, was als Ganzes und als Teilmoment aufzufassen ist, und dass alle Einheiten oder Ganzheiten in der Welt selbst schon wesentlich zeitlich, prozesshaft, zu bestimmen sind über eine gewisse Form des Erhalts der identifizierbaren Einheit oder Ganzheit. Diese Unendlichkeit besteht in nichts anderem als in der perennirenden Abwechslung der beyden Bestimmungen des Verhältnisses, in deren jeder die andere unmittelbar entsteht, so daß das Gesetztseyn jeder das Verschwinden ihrer selbst ist. Die Materie als Ganzes bestimmt, so besteht sie aus Theilen und an diesen wird das Ganze zur unwesentlichen Beziehung und verschwindet. Der Theil aber so für sich, ist er auch nicht Theil, sondern das Ganze. – Die Antinomie dieses Schlußes ganz nahe zusammengerükt, ist eigentlich diese: Weil das Ganze nicht das Selbstständige ist, ist der Theil das Selbstständige; aber weil er nur ohne das Ganze selbstständig ist, so ist er selbstständig, nicht als Theil, sondern vielmehr als Ganzes. Die Unendlichkeit des Progresses, der entsteht, ist die Unfähigkeit, die beyden Gedanken zusammen zu bringen, welche diese Vermittlung enthält, daß nemlich jede der beyden Bestimmungen durch ihre Selbstständigkeit und Trennung von der andern, in Unselbstständigkeit und in die andre übergeht. | (359 | 196) Die Unendlichkeit der Teilbarkeit einer Einheit – einer Länge, Fläche oder eines Volumens bzw. der zugehörigen ›Dinge‹ im Raum bzw. der Räume und Zeiten – besteht darin, dass je neue, kleinere Einheiten und Teile gebildet werden. Sie ist aber nur die Form der Teilung und der entsprechenden Einheitsbildung: Jeder bestimmte Teil ist, wie ein Element einer Menge, ein Ganzes. Die Antinomie der ›unendlichen‹ Teilbarkeit besteht darin, dass jedes Ganze je nur aus endlichen Teilen besteht, wenn diese als Einheiten bestimmt sein sollen. Diese können freilich weiter teilbar sein. Weder ist das Ganze noch sind die Teile dabei selbständig. Beide sind dies je nur relational. Ein Teil ist nicht als Teil, sondern als Einheit, als Ganzes, selbständig, aber nicht gegen seine Teile. Kants antinomische Überlegung war nicht in der Lage, diese beiden ›Teile‹ der Betrachtung zusammenzubringen bzw. festzuhalten: Bestimmte Teile sind selbst Einheiten. Als solche sind sie weiter teilbar. Jedes ›Bestehen aus‹ ist daher je nur endlich. Die Rede von einer
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›möglichen‹ Teilbarkeit ist dagegen mehrdeutig. Das Unendliche rein geometrischer Teilbarkeit gibt es nur im Bereich idealer Formen. Diese sind, als solche, sprachlich fingierte Redegegenstände und sind daher wie Romanfiguren nicht an Raum, Zeit und Materie gebunden.
B. Das Verhältniß der Kraft und ihrer Aeußerung Die Kraft ist die negative Einheit, in welche sich der Widerspruch des Ganzen und der Theile aufgelöst hat, die Wahrheit jenes ersten Verhältnisses. Das Ganze und die Theile ist das gedankenlose Verhältniß, auf welches die Vorstellung zunächst verfällt; oder objectiv ist es das todte, mechanische Aggregat, das zwar Formbestimmungen hat, wodurch die Mannichfaltigkeit seiner selbstständigen Materie in einer Einheit bezogen wird, welche aber derselben äusserlich ist. – Das Verhältniß der Kraft aber ist die höhere Rükkehr in sich, worin die Einheit des Ganzen, welche die Beziehung des selbstständigen Andersseyns ausmachte, aufhört, dieser Mannichfaltigkeit ein äusserliches und gleichgültiges zu seyn. (359 | 197) Wenn wir hier eine physikalische Erläuterung des Kraftbegri=s erwarten, gehen wir schon an der Form des logischen Kommentars vorbei. Hegels Formeln zur Kraft als negativer Einheit sagen nichts über die besonderen quantitativen Größen von Kräften, wie wir sie aus der Physik kennen, etwa als Gravitationskraft oder als elektromagnetische Kraft und Energie. Es geht um die Logik unserer Reden von Dispositionen und Kräften und wie sie unter gewissen Umständen wirken. Hegel erkennt, dass die gesamte Rede von Dispositionen und Kräften begri=lich mit der Zergliederung eines holistischen Gesamtprozesses in Teilmomente verbunden ist – und zwar in dem ›großen‹ Programm, Kräfte nach Möglichkeit auf lokalisierbare Dinge so zu verteilen, dass diese dann als ›Ursachen‹ ihrer ›Wirkungen‹ gelten können. Der ominöse »Widerspruch des Ganzen und der Teile« besteht dann z. B. in Prozessformen schon darin, dass ein Planet kein Planet ist, wenn er sich nicht in einem Sonnen-Planeten-System auf eine bestimmte Weise bewegt, wie sie die Gravitationsmechanik Keplers und
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Newtons beschreibt. Entsprechend ist ein Herz kein Herz, wenn es nicht ein Herz eines Lebewesens ist. Aber auch alle Kohäsionskräfte der Materie, der chemischen Sto=e und festen Körper, samt aller starken atomaren Kräfte fallen unter die hier betrachtete allgemein Form. Die Stabilität und Nachhaltigkeit, mit der ein Teil ein Teil eines Ganzen ist und für eine Zeit lang bleibt, wird in unseren Darstellungen sich wiederholender Bewegungsformen durch eine zugehörige Kraft ›erklärt‹, obwohl diese in Wahrheit nur ein Teil der Gesamtdarstellung der ganzen Prozessform ist. Die Bedeutung dieses logischen Kommentars zum Kraftbegri= und damit zur sogenannten Kausalität ist bis heute noch nicht voll begri=en. Das Problem liegt dabei keineswegs bloß an Hegels schwieriger Ausdrucksweise, sondern an der schwierigen Sache selbst. Denn erst wenn sich der Aberglaube erschüttern lässt, es sei doch klar, was Kraft, Ursache und Kausalität sind, wird man zum Anfang des Gedankengangs überhaupt finden. Dazu muss man sich sozusagen eine Art kritischen Geschmack beibringen, der sich nicht damit zufriedengibt, formal richtige Formeln zu Gravitationskräften und anderen kausalen Erklärungen zu reproduzieren. Der Begri= der Kraft ist also, so lässt sich Hegel in moderner Diktion reformulieren, ein theoretischer Begri=. Er ist nötig, um die zunächst wesentlich darstellungstechnische Zergliederung einheitlicher Prozesstypen in räumlich lokale materielle Bestandteile und deren relative Bewegungsimpulse, gegebenenfalls in zeitlich lokale Epochen, zu gliedern und wieder zu einem einheitlichen Geschehen zusammenzubringen. Das theoretische begri=liche System ›enthält‹ dann wie ein Negativ Verhältnisse und Elemente, die in der phänomenalen Welt so nicht wahrnehmbar sind. Freilich kommt die Metapher schnell an ihre Grenzen, da die Rolle der Kraft in der Darstellung von wiederholbaren oder sich wiederholenden Geschehnissen, also Bewegungen und Veränderungen von Dingen, gerade darin besteht, lokale und statische Bilder sozusagen in Bewegung zu setzen, und zwar so, dass ein wiederholbarer Gesamtprozess modelliert werden kann. Wer behauptet, dass es die Kräfte (und Ursachen) wirklich gibt, sagt also, dass eine entsprechende Darstellung der realen Bewegungen und Veränderungen möglich und gut ist. Da es hier einen gewissen realen Erfolg, also wirklich erreichte Erklärungsmöglichkeiten, gibt,
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schließen viele überschwänglich, dass sich alle Bewegungen und Veränderungen so schön darstellen und erklären lassen, wie wir dies im Fall der Erd- und Himmelsballistik aufgrund der Gravitationskräfte, bestimmt durch die Massen der Körper, so erfolgreich tun können. Wie sich das wesentliche Verhältniß nunmehr bestimmt hat, sind die unmittelbare und die reflectirte Selbstständigkeit in derselben als aufgehobene oder als Momente gesetzt, die im vorhergehenden Verhältnisse für sich bestehende Seiten oder Extreme waren. (359 | 197) Im Fall der Abstraktion wird in einem Feld F von Präsentationen (im Zeigen von Sachen) oder Repräsentationen (der Herstellung von symbolischen Figuren als Vertretern) zwischen den ›Items‹ oder praktisch wiedererkennbaren äußerlichen Formen a, b eine besondere Äquivalenzrelation a ∼ b und damit eine disjunkte Taxonomie (Klassifikation) eingeführt. Und es werden spezielle Eigenschaften φ(x ) auf dem Feld F ausgewählt, die verträglich sind mit der Relation ∼. Das bedeutet, dass φ(b) immer gilt, wenn φ(a) gilt und a ∼ b. Man kann dann relativ zu einem neuen, abstrakten Gegenstandsbereich die Relation ∼ in eine Gleichheit verwandeln und die ›alten‹ Eigenschaften φ(x ) in ›neue‹ Prädikate Pφ , so dass die a, b, . . . zu Namen von Gegenständen werden, und zwar zu gleichgültigen oder gleichwertigen Benennungen, wenn a = b, also a ∼ b gilt. Hier stammen die Geltungsbedingungen für Pφ aus den alten Wahrheitsbedingungen für φ. Hegel erkennt, dass derartige abstraktive Übergänge aus einer ›unmittelbaren‹ Rede-Ebene in einen ›abstrakteren‹ bzw. allgemeineren Gegenstandsbereich die Grundform reflektierender Rede ist. Die »reflektierte Selbständigkeit« der durch a, b, . . . benannten Gegenstände ist eine »aufgehobene« insofern, als die Eigenschaften oder Relationen aus dem Feld F in den Gleichungen a = b und Aussagen der Form ›a ist ein Pφ ‹ sozusagen ›aufgehoben‹ werden. In ihnen sind die alten Unterscheidungen des Feldes F »als Momente gesetzt, die im vorhergehenden Verhältnisse für sich bestehende Seiten oder Extreme waren«. Um diesen schwierigen Satz als Vorschlag einer logischen Kommentarsprache zur radikalen Entmystifizierung gegenständlicher und inhaltlicher Redeformen zu verstehen, können wir heute auf die eben gebrauchten formalen Notationen zurückgreifen, deren kanonischer Gebrauch u. a. auf Leibniz und Frege zurückgeht.
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Es ist darin enthalten erstens, daß die reflectirte Einheit, und ihr unmittelbares Daseyn, insofern beyde erste und unmittelbare sind, sich an sich selbst aufheben und in ihr anderes übergehen; jene, die Kraft, geht in ihre Aeusserung, über, und das Aeusserliche ist ein verschwindendes, das in die Kraft, als in ihren Grund zurükgeht, und nur ist, als von derselben getragen ¦ und gesetzt. (359 f. | 197) In der Einsicht, dass die Gegenstände der Rede, welche die Erscheinungen ›hervorbringen‹, selbst auf der Grundlage von stabilen Kontrasten auf der Erscheinungsebene konstitutiert sind, ergibt sich die weitere Einsicht in die reflektierte Vermitteltheit der Rede von physischen Dingen und ihren Kräften als Ursachen. Hegel erkennt also, dass jede Rede über Gegenstände eine reflexionslogische und daher immer auch schon eine partiell ideative Gegenstandskonstitution im Rücken hat.60 Das gilt nicht bloß für Dinge (physische Körper), sondern auch für alle Kräfte, Energien oder abstrakte und theoretische ›Entitäten‹. Die Kraft geht in ihre Äußerung über. Umgekehrt ist die Kraft selbst ein ideatives Abstraktum in unseren Erklärungen von Normalfallbewegungen. Die je abstrakte empirische Wirkung oder Äußerung der Kraft erscheint demjenigen, der die sprach- und reflexionstechnische Methode generischer und idealisierender Abstraktion (noch) nicht begreift, rein objektstufig als ›e;zienzkausale‹ Wirkung, als gäbe es sie ›in‹ den Dingen auf unmittelbare Weise.61 Zweytens ist diß Uebergehen nicht nur ein Werden | und Verschwinden, sondern es ist negative Beziehung auf sich, oder das 60 Die ›für sich bestehenden Seiten‹ der verschiedenen Repräsentationen –
der Einzellöwen für den Löwen an sich, der einzelnen Kreisfiguren für den reinen Kreis bzw. der vielen Erscheinungen des Löwen Jonathan – werden jeweils als selbständig aufgehoben, indem sie zu Repräsentationen des Genus, der idealen Form bzw. des Einzelwesens werden. 61 Die Metaphysik der Naturwissenschaften glaubt bis heute an diese mystischen Sachen. Sie geht daher an der Sinnkritik der kantischen Tradition, partiell sogar an der Hume-Russell-Wittgenstein-Tradition (bis Carnap, Ryle oder Rorty) vorbei, indem sie naiv mit Kräften und Dispositionen als unmittelbaren Entitäten rechnet, also deren Konstitution weder kennt noch deren Analyse logisch versteht.
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seine Bestimmung ändernde ist darin zugleich in sich reflectirt und erhält sich; die Bewegung der Kraft ist nicht so sehr ein Uebergehen, als daß sie sich selbst über setzt, und in dieser durch sie selbst gesetzten Veränderung bleibt, was sie ist. – (360 | 197 f.) Richtig freilich ist, dass wir die generisch den Arttypen von Dingen zugeordneten Kräfte und Dispositionen nicht bloß zur situationstranszendenten Erklärung typischer Bewegungen und Veränderungen benutzen, sondern auch als unterstelltes allgemeines Vorherwissen zur präsentischen Unterscheidung von Schein und Sein, Erscheinung und Wirklichkeit. Eben daher handelt es sich bei der Erklärung von Erscheinungen durch das wirkliche Wesen der Dinge als ihren ›Grund‹ (wir sagen: ihre Ursache) um eine »negative Beziehung auf sich«. Indem wir die Bestimmung einer Sache ändern, etwa wenn wir sagen, es handele sich nur zum Schein um ein X , in Wahrheit um ein Y , ist der Gegenstandsbezug ganz o=enkundig längst schon in sich reflektiert – und es »erhält sich« dennoch sowohl die Erscheinung als auch die Kraft, die sich je in ›ihre‹ Äußerung übersetzt. Daher ist die Veränderung, welche eine Kraft hervorbringt, logisch von anderem Typ als die ›historischen‹, berichtbaren Ereignisse des Entstehens von etwas oder des Vergehens. Denn Dispositionen und Kräfte bleiben konstant oder können konstant bleiben, gerade weil die Wirkungen einer Kraft ›negative Beziehung auf sich‹ sind. Die Kraft existiert sozusagen je nur in ihrer kontextbedingten Wirkung. Als bedingte Inferenzform bleibt das, was wir einer Sache als Kraft oder Disposition zuschreiben, das, was sie ist – es sei denn, es gibt gesetzesartig bestimmte Weisen, wie sich die Kräfte selbst verändern. Das sind schon wichtige Beispiele sich selbst bewegender Formen. Drittens ist diese reflectirte, sich auf sich beziehende Einheit selbst auch aufgehoben und Moment; sie ist vermittelt durch ihr anderes, und hat dasselbe zur Bedingung ; ihre negative Beziehung auf sich, die erstes ist und die Bewegung ihres Uebergehens aus sich anfängt, hat eben so sehr eine Voraussetzung, von der sie sollicitirt wird, und ein Anderes, von dem sie anfängt. (360 | 198) Jede Kraft ist in ihrer bestimmbaren Einheitlichkeit in sich reflektierte und daher gegenständlich verfasste Rede über typische Wir-
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kungsformen. Sie ist insofern Moment der generischen Darstellung von Prozessformen. Das ›Andere‹ der Kraft sind die Wirkungen. Sie stehen in verbalem Kontrast zur Kraft als (energetischer) Ursache. Negativ ist die Beziehung der Kraft auf sich gerade durch die Definition ihrer gegenständlichen Einheit als dasjenige, was in typischen Situationsumgebungen auf einheitliche Weise wirkt, also im Bereich der sich zeigenden Ereignisse entsprechende Wirkungen ›hervorbringt‹, wie man mehr oder weniger metaphorisch zu reden pflegt. Mit anderen Worten, die Kraft selbst ist ununterschiedene Einheitlichkeit verschiedenartiger Wirkungen, wobei das Verschiedene der Wirkungen nicht der Kraft, sondern den Umständen zugeschrieben wird. Dabei ist eine Kraft als »reflektierte, sich auf sich beziehende Einheit« in einer stabil bleibenden Sache aufgehoben. Sie bleibt als Moment von dessen Gesamtverhalten relativ zu anderen Sachen erhalten.
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a. Das Bedingtseyn der Kraft In ihren nähern Bestimmungen betrachtet, hat erstens die Kraft das Moment der seyenden Unmittelbarkeit an ihr; sie selbst ist dagegen bestimmt als die negative Einheit. Aber diese in der Bestimmung des unmittelbaren Seyns ist ein existirendes Etwas. Diß Etwas erscheint, weil es die negative Einheit als unmittelbares ist, als das Erste, die Kraft dagegen, weil sie das reflectirte ist, als das Gesetztseyn, und insofern als angehörig dem existirenden Dinge oder einer Materie. Nicht daß sie die Form dieses Dings und das Ding durch sie bestimmt wäre; sondern das Ding ist als unmittelbares gleichgültig gegen sie. – (360 | 198) Kraft ist »reflektierte, sich auf sich beziehende Einheit«. Als solche ist sie in einer bleibenden Sache aufgehoben, als Moment von dessen Gesamtverhalten. Reflektiert ist jede Kraft, weil sie von uns in die Sache gesetzt ist. Auf sich selbst bezieht sich die Sache wie die Kraft gerade in ihrem Selbsterhalt, in der relativ stabilen Seinsweise z. B. des Dinges und seinen situationellen und kontextuellen Normalwirkungen. Dabei scheint das wiedererkennbare Ding unmittelbar gegeben und bestimmt zu sein. In Wahrheit aber sind Ding und Kraft gleichursprünglich, da schon die Tatsache des Selbsterhalts der Sache auf ihre Kraft zurückgeführt wird, auch wenn diese von uns in das
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Ding gesetzt ist. Die Kraft erscheint dennoch als von der Form des Dinges verschieden: Das Ding selbst ist nicht allein durch die in ihr liegende Kraft bestimmt. Das ist so, weil wir Kräfte durch typische Wirkungen im Kontext bestimmen, Dinge aber auch relativ unmittelbar, je präsentisch, in Unterscheidungen und Identifizierungen von Arttyp und Aktualisierung. Insofern sind Dinge relativ gleichgültig gegen Kräfte. Eine Kraft ist als Bewegungstyp dagegen gleichgültig gegen die Einzelursache. D. h. man kann u. U. gleich wirkende Dinge austauschen. Verschiedene Dinge können so ›dieselben‹ Kräfte haben, wenn sie sich auf typische Weise ›gleich‹ verhalten oder durch die anderen in einer Sache ohne Änderungen von dessen Verhalten ersetzen lassen. Was die Kraft selbst ist, ist also durch die ›negative Einheit‹ ihrer typischen Wirkungen in verschiedenen Umständen bestimmt. Es liegt in ihm nach dieser Bestimmung kein Grund, eine Kraft zu haben; die Kraft hingegen als die Seite des Gesetztseyns hat wesentlich das Ding zu seiner Voraussetzung. Wenn daher gefragt wird, wie das Ding oder die Materie dazu komme, eine Kraft zu haben, so erscheint | diese als äusserlich damit verbunden und dem Dinge durch eine fremde Gewalt eingedrükt. (360 | 198 f.) Zunächst ›sieht‹ man an einem Ding keinen ersichtlichen Grund, überhaupt eine Kraft oder diese Kraft zu haben. Das führt leicht dazu, dass man meint, es sei eine ›rein empirische‹ Tatsache a posteriori, dass etwas diese oder jene Disposition hat, als müsste die Kraft ›von außen‹ in das Ding gebracht werden, wie der Dampfdruck in die Lokomotive. Andererseits liegt es a priori an unserem Begri= der Kraft selbst, dass Zuschreibungen einer Kraft einhergehen mit einer Lokalisierung der Körperdinge, denen sie arttypisch zugesprochen werden. In oberflächlicher oder bloß erst intuitiver Reflexion meint man, Kräfte kämen irgendwie mystisch von außen in die Dinge. Das gilt für die meisten physikalischen (im weiten Sinn mechanischen) und chemischen Kräfte (des Sto=erhalts bzw. der Sto=umwandlung) keineswegs, auch nicht für lebende Kräfte und Fähigkeiten (Kompetenzen) von Organismen. Kein Gott hat die Seele als entsprechende Lebens-Kraft in Menschen oder Tiere gesetzt. Es gäbe die Tiere oder Menschen nicht, gäbe es nicht die entsprechenden Kräfte. Dennoch sind Kräf-
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te als Reflexionsgegenstände von uns in die Dinge gesetzt, nämlich durch uns in der Rede über sie und ihre Normalfallwirkungen.62 Als diß unmittelbare Bestehen ist die Kraft eine ruhige Bestimmtheit des Dings überhaupt; nicht ein sich äusserndes, sondern unmittelbar ein äusserliches. So wird die Kraft auch als Materie bezeichnet, und statt magnetischer, elektrischer u. s. f. Kraft, eine magnetische, elektrische u. s. f. Materie angenommen; oder statt der berühmten anziehenden Kraft ein feiner Aether, der alles zusammenhalte. – Es sind die Materien, in welche sich die unthätige, kraftlose negative Einheit des Dings auflöst, und die oben betrachtet wurden. (360 | 199) Kräfte und Fähigkeiten werden also in einem Sinn mit gutem Recht als mit dem Ding gegeben angesehen und sind doch zugleich als in unserer Reflexion gesetzt aufzufassen. Dabei ist die Rede von der Wirkung der Kraft eine Anwendung der Reflexionsform. In der begri=lichen Verbindung von Artwesen, Konkretisierung und Kraftzuschreibung ist die Kraft als regelmäßige Wirkung »unmittelbar ein äußerliches«. Sie muss sich unter entsprechenden Bedingungen äußern, sonst gibt es sie nicht. Aber die Kraft enthält die unmittelbare Existenz, als Moment, als ein solches das zwar Bedingung ist, aber übergeht und sich aufhebt; also nicht als ein existirendes Ding. Sie ist ferner nicht die Negation als Bestimmtheit, sondern negative, ¦ sich in sich reflectirende Einheit. Das Ding, an dem die Kraft seyn sollte, hat somit hier keine Bedeutung mehr; sie selbst ist vielmehr Setzen der Aeusserlichkeit, welche als Existenz erscheint. Sie ist also auch nicht bloß eine bestimmte Materie; solche Selbstständigkeit ist längst in das Gesetztseyn und in die Erscheinung übergegangen. (360 f. | 199) Andererseits wollen die Leute die Kräfte und Energien am liebsten als eigene Materien behandeln. Sie suchen daher nach GravitatiFormgestalt und Dingidentität werden i. a. ohne Bezugnahme auf Kraftzuschreibungen bestimmt. Daher scheint es zunächst keine weitere Ursache zu geben, dass ein Ding diese oder jene Kraft oder Fähigkeit hat. Umgekehrt gibt es, wie gesagt, Kräfte nur als lokalisierte Dispositionen, so dass die Kraft das Ding logisch als Voraussetzung hat. Das ist der Grund, warum es so scheint, als gäbe es eine äußere Ursache dafür, dass ein Ding eine Kraft hat. 62
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onswellen, die es geben mag, aber wohl in einem sehr speziellen Sinn. Die Vorstellung, die Kraft selbst sei Materie, nämlich die Materie, die als Kraft erscheint, führt u. a. zu der schon oben kritisierten Vorstellung, es gäbe eine besondere »magnetische, elektrische usf. Materie«. Gemäß der Theorie von LeSage soll es einen feinen Äther mit schnell bewegten Partikeln geben, der »alles zusammenhalte« und die Wirkungen der Gravitationskraft quasimechanisch erklären soll. Die Abschattung der Sonne soll die Ursache definieren, dass die Planeten auf ihren Bahnen gehalten werden. Das Problem, dass Kräfte (wie Funktionen) holistisch durch ihre Wirkungen (Werte) definiert sind, soll also so gelöst werden: Eigentlich wirken spezielle materielle Teilchen, so dass man die verschiedenen Wirkkräfte verschiedenen Teilen zuordnen können soll. Die Furcht vor der nötigen Einsicht in die holistische Konstitution von Kraftwirkungen führt zur mythischen Hypostasierung von Wirkmaterien. Dabei hatte schon Newton den Weg gewiesen, indem er zunächst keine derartigen Hypothesen zur Reduktion der Kräfte auf Druck und Stoß fingieren wollte. Zweytens, die Kraft ist die Einheit des reflectirten und des unmittelbaren Bestehens, oder der Formeinheit und der äusserlichen Selbstständigkeit. Sie ist beydes in Einem; sie ist die Berührung solcher, deren das eine ist, insofern das andere nicht ist; die mit sich identische positive, und die negirte Reflexion. Die Kraft ist so der sich von sich selbst abstossende Widerspruch; sie ist thätig ; oder sie ist die sich auf sich beziehende ne|gative Einheit, in welcher die reflectirte Unmittelbarkeit oder das wesentliche Insichseyn gesetzt ist, nur als aufgehobenes oder Moment zu seyn, somit insofern sie sich von der unmittelbaren Existenz unterscheidet, in diese überzugehen. Die Kraft also als die Bestimmung der reflectirten Einheit des Ganzen ist gesetzt, als zur existirenden äusserlichen Mannichfaltigkeit aus sich selbst zu werden. (361 | 199 f.) Es ist nicht nötig, dass wir alle Vorschläge Hegels zur Kommentierung der Bestimmung von Kraft und Wirkung übernehmen, auch wenn die Rede von einer »Formeinheit« in Bezug auf typische Wirkungen durchaus naheliegt und sinnvoll erscheint. Der Begri= der Kraft wird mit Reflexion verbunden, gerade weil wir der Sache typische Wirkungen zusprechen, wobei der Witz darin liegt, dass wir Kräfte und
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Dispositionen nach Möglichkeit praeter hoc, also vor der Wirkung, auf generische Weise an den Sachtyp knüpfen, also an die allgemeine und besondere Art des Dinges in Abhängigkeit von entsprechenden weiteren Bedingungen. Dispositionen und Kräfte sind typische inferentielle Artbestimmungen. Im Kontrast zwischen einer Kraft als wirkender Ursache und ihrer Wirkung ist die Kraft »der sich von sich selbst abstoßende Widerspruch«. Die Kraft gibt es ja nur in ihrer typischen Wirkung. Dennoch sagen wir, dass die Kraft ›tätig‹ wirkt. Die Aufhebung des ›Widerspruchs‹ ist holistisch: Kräfte gibt es nur in der Vermittlung durch Formen der Darstellung typischer Prozessformen, und zwar so, dass diese von generischen Umgebungen abhängig gemacht werden. Aber drittens ist die Kraft nur erst ansichseyende und unmittelbare Thätigkeit; sie ist die reflectirte Einheit, und eben so wesentlich die Negation derselben; indem sie von dieser verschieden, aber nur als die Identität ihrer selbst und ihrer Negation ist, so ist sie auf diese, als eine ihr äusserliche Unmittelbarkeit wesentlich bezogen und hat dieselbe zur Voraussetzung und Bedingung. (361 | 200) Kräfte sind begri=lich an Arten von Dingen gebunden und durch Wirktypen unter Bedingungen bestimmt. Kraftgleich heißen Dinge, wenn sie in den entsprechenden Umgebungstypen die gleichen Wirktypen (Wirkformen) hervorrufen. Die Kraft ist sozusagen der abstrakte, in sich reflektierte Gegenstand dieser Äquivalenz der Kraftgleichheit (von Dingen), was normalerweise je relativiert ist auf bestimmte Umgebungstypiken und Wirkformen. Diese Voraussetzung nun ist nicht ein ihr gegenüber sich befindliches Ding; diese gleichgültige Selbstständigkeit ist in der Kraft aufgehoben; als ihre Bedingung ist es ein ihr anderes Selbstständiges. Weil es aber nicht Ding ist, sondern die selbstständige Unmittelbarkeit hier sich zugleich als sich auf sich selbst beziehende negative Einheit bestimmt hat, so ist es selbst Kraft. – Die Thätigkeit der Kraft ist durch sich selbst als durch das sich Andere, durch eine Kraft bedingt. (361 | 200) Gerade wegen der geschilderten Abstraktion sind Kräfte keine Dinge, so wie eben auch Formen und Gestalten, Funktionen und Prozesstypen keine Dinge sind. Die Rede von der Aufhebung einer
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gleichgültigen Selbständigkeit der konkreten Dinge kommentiert eben diese Abstraktion relativ zu der skizzierten Äquivalenz. Die Tätigkeit oder Wirkung einer Kraft ist auch etwas anderes als bloß der tätige Prozess im Vollzug, nämlich weil ihre Wirkung dispositionell bedingt ist. Die Kraft ist auf diese Weise Verhältniß, in welchem jede Seite dasselbe ist als die andere. Es sind Kräfte, die im Verhältnisse stehen, und zwar wesentlich sich auf einander beziehen. – Sie sind ferner zunächst nur verschiedene überhaupt; die Einheit ihres Verhältnisses ist nur erst die innre an sich seyende Einheit. Das Bedingtseyn durch eine andre Kraft ist so an | sich das Thun der Kraft selbst; oder sie ist insofern erst voraus setzendes, sich nur negativ auf sich beziehendes Thun; diese andere Kraft liegt noch jenseits ihrer setzenden Thätigkeit, nemlich der in ihrem Bestimmen unmittelbar in sich zurükkehrenden Reflexion. ¦ (361 | 200 f.) Die verschiedenen Kräfte der verschiedenen Dinge stehen in einem systematischen Verhältnis. Sie beziehen sich wesentlich aufeinander insofern, als eine Wirkung erst durch das Zusammenspiel der Kräfte verursacht, sozusagen ›herausgelockt‹, wird. b. Die Sollicitation der Kraft Die Kraft ist bedingt, weil das Moment der unmittelbaren Existenz, das sie enthält, nur als ein gesetztes, – aber weil es zugleich unmittelbares ist, ein vorausgesetztes ist, in welchem die Kraft sich selbst negirt. Die für die Kraft vorhandene Aeusserlichkeit ist daher ihre eigene voraussetzende Thätigkeit selbst, welche zunächst als eine andre Kraft gesetzt ist. (362 | 201) Die Sollizitation der Kraft besteht in der Aktualisierung einer Disposition. Die Kraft selbst ist als solche bloß erst latent. Der logischen Form nach ist das so, wie wenn eine Regel B i ⇒ B i∗ bloß erst einen erlaubten Übergang artikuliert, der erst dann zu einer ›Folgerung‹ (in der Regelanwendung) führt, wenn B i zur Verfügung steht. Es ist das die Grundform der Abhängigkeit einer Folge resp. Wirkung von ihren (notwendigen resp. hinreichenden) Bedingungen. Dieses Voraussetzen ist ferner gegenseitig. Jede der beyden Kräfte enthält die in sich reflectirte Einheit als aufgehoben, und ist daher voraussetzend; sie setzt sich selbst als äusserlich; diß Moment der
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Aeusserlichkeit ist ihr eigenes; aber weil sie eben so sehr in sich reflectirte Einheit ist, setzt sie zugleich diese ihre Aeusserlichkeit nicht in ihr selbst, sondern als eine andre Kraft. (362 | 201) Es ist schwierig, gebrauchssprachlich (normalsprachlich) die Wirkung von Kräften genau genug zu kommentieren, nicht anders als die Funktionalapplikation oder Regelanwendung. Denn es scheint zunächst so, als bräuchte man noch eine weitere Regel, um von A und A ⇒ B zu B überzugehen, oder eine weitere Kraft, um die Kraft K 1 eines Dinges D 1 wirken zu lassen. Aber das Aeusserliche als solches ist das sich selbst aufhebende; ferner die sich in sich reflectirende Thätigkeit ist wesentlich bezogen auf jenes Aeusserliche als auf das ihr andre, aber eben so sehr als auf ein an sich nichtiges und mit ihr identisches. Da die voraussetzende Thätigkeit eben so sehr Reflexion in sich ist, ist sie das Aufheben jener ihrer Negation, und setzt dieselbe als sich selbst oder als ihr Aeusserliches. So ist die | Kraft als bedingend, gegenseitig ein Anstoß für die andre Kraft, gegen den sie thätig ist. Ihr Verhalten ist nicht die Passivität des Bestimmtwerdens, so daß dadurch etwas anderes in sie käme; sondern der Anstoß sollicitirt sie nur. Sie ist an ihr selbst die Negativität ihrer, das Abstossen ihrer von sich ist ihr eigenes Setzen. Ihr Thun besteht also darin, diß aufzuheben, daß jener Anstoß ein äusserliches sey; sie macht es zu einem bloßen Anstoß und setzt es als das eigne Abstossen ihrer selbst von sich, als ihre eigne Aeusserung. (362 | 201 f.) Dass das Äußerliche sich selbst aufhebt, liegt an der metaphorischen Form der Rede: Es zeigt sich, dass das Innere, z. B. die Kraft, am Ende nur über seine Äußerungen existiert, da es auf seine Äußerung wesentlich bezogen ist, die bloß in unserer Redeform »das Andere« der Kraft ist. Indem die Kraft neben den Umständen zu einer Bedingung ihrer Wirkung wird, wirkt sie auch als »Anstoß für die andere Kraft«. Man denke als Beispiel etwa daran, wie die Beschleunigung der Gravitationskraft der Trägheit als einer geradlinig-inertialen Fliehkraft ›entgegen‹ wirkt. Der »Anstoß sollizitiert«. Er aktualisiert eine latente Kraft. Ihre Wirkbedingung ist erfüllt. Manchmal geschieht das so plötzlich, wie ein Funke eine Explosion verursacht.
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Die Unterscheidung, was Anstoß von außen ist und was nicht, gehört zur Form der Darstellung. Eine Billardkugel braucht den äußeren Anstoß. Eine Lokomotive braucht Dampf. Ein Lebewesen braucht Nahrung etc. Aber dann bewegt sich die Kugel, der Zug, das Lebewesen sozusagen selbst. Die sich äussernde Kraft ist also dasselbe, was zuerst nur die voraussetzende Thätigkeit war; nemlich sich äusserlich machend; aber die Kraft als sich äussernd ist zugleich die Aeusserlichkeit negirende und sie als das ihrige setzende Thätigkeit. Insofern nun in dieser Betrachtung von der Kraft angefangen wird, als sie die negative Einheit ihrer selbst und damit voraussetzende Reflexion ist, so ist es dasselbe, als wenn in der Aeusserung der Kraft vom sollicitirenden Anstosse angefangen wird. Die Kraft ist so in ihrem Begri=e zuerst bestimmt als sich aufhebende Identität, und in ihrer Realität, die eine der beyden Kräfte als sollicitirend und die andere als sollicitirt-werdend. Aber der Begri= der Kraft ist überhaupt die Identität der setzenden und voraussetzenden Reflexion oder der reflectirten und der unmittelbaren Einheit, und jede dieser Bestimmungen schlechthin nur Moment, in Einheit, und somit als vermittelt durch die andre. Aber eben so ist keine Bestimmung an den beyden in Wechselbeziehung stehenden Kräften ¦ vorhanden, welche die sollicitirende oder die sollicitirt werdende sey, oder vielmehr jeder kommen auf gleiche Weise beyde Formbestimmungen zu. Aber diese Identität ist nicht nur eine äusserliche der Vergleichung, sondern eine wesentliche Einheit derselben. | (362 f. | 202) Die Schwierigkeit der Verteilung der Kräfte auf die Dinge (und Teile der Lebewesen) besteht ersichtlich darin, dass am Ende eine Gesamtbewegung der Dinge und Sachen relativ zueinander in ihrer sich wiederholenden Typik möglichst genau dargestellt und damit die je besondere Aktualisierung in Einzelfällen ›erklärt‹ werden soll. Dafür sind, wie schon gesagt, die Kraftmomente auf die Dinge und Dingteile so zu verteilen, dass sich die Gesamtwirkung sozusagen aus den Einzelbeiträgen berechnen oder wenigstens approximativ, grob, bestimmen lässt – so wie z. B. die Bewegungen der Planeten oder auch schon die Wechselwirkungen am Seilzug bzw. in einer Druckund Stoß-Mechanik. Wir lernen, dass eine Kraft quantitativ als Masse
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mal Beschleunigung darzustellen ist, wobei die Richtungsbeschleunigungen mit zu berücksichtigen sind. Die eine Kraft nemlich ist zunächst bestimmt als sollicitirende, und die andere als sollicitirt-werdende; diese Formbestimmungen erscheinen auf diese Weise als unmittelbare, an sich vorhandene Unterschiede der beyden Kräfte. Aber sie sind wesentlich vermittelt. Die eine Kraft wird sollicitirt; dieser Anstoß ist eine in sie von aussen gesetzte Bestimmung. Aber die Kraft ist selbst das voraussetzende; sie ist wesentlich sich in sich reflectirend und es aufhebend, daß der Anstoß ein äusserliches sey. Daß sie sollicitirt wird, ist daher ihr eigenes Thun, oder es ist durch sie selbst bestimmt, daß die andere Kraft eine andere überhaupt und die sollicitirende ist. Die sollicitirende bezieht sich auf ihre andere negativ, so daß sie die Aeusserlichkeit derselben aufhebt, sie ist insofern setzend; aber sie ist diß nur durch die Voraussetzung, sich eine andere gegenüber zu haben; das ist, sie ist sollicitirend selbst nur, insofern sie eine Aeusserlichkeit an ihr hat, somit insofern sie sollicitirt wird. Oder sie ist sollicitirend nur insofern als sie dazu sollicitirt wird, sollicitirend zu seyn. Somit wird umgekehrt die erste sollicitirt, nur insofern als sie selbst die andere dazu sollicitirt, sie, nemlich die erstere zu sollicitiren. Jede von beyden erhält also den Anstoß von der andern; aber der Anstoß, den sie als thätige gibt, besteht darin, daß sie von der andern einen Anstoß erhalte; der Anstoß, den sie erhält, ist von ihr selbst sollicitirt. Beydes, der gegebene und der empfangene Anstoß, oder die thätige Aeusserung und die passive Aeusserlichkeit ist daher nicht ein unmittelbares, sondern vermittelt, und zwar ist jede der beyden Kräfte hiemit selbst die Bestimmtheit, welche die andere gegen sie hat, ist vermittelt durch die andere, und diß vermittelnde Andre ist wieder ihr eigenes bestimmendes Setzen. (363 | 203) Es gibt Kräfte, welche andere Kräfte freisetzen, wie z. B. ein Funken eine Explosion, und es gibt Kräfte, welche andere Kräfte in Dingen erzeugen, wie z. B. bei der Magnetisierung eines Eisenstücks. In der Unterscheidung zwischen aktiver Einwirkung (des ›Sollizitierens‹) und passiver Reaktion (des ›Sollizitiertwerdens‹) greift Hegel eine Unterscheidung von Leibniz auf. Alle ›Monaden‹ haben Eigenkräfte und agieren aktiv je nach ihrer Art auf ihre Umgebung. Eine Monade
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ist ein punktförmig vorgestelltes Kraftzentrum eines Dings. Jede Reaktion einer Sache ist durch ihre Fähigkeit oder Disposition, zu reagieren, mitbestimmt. Nichts geschieht dabei ›rein passiv‹, aber auch nichts ohne Berücksichtigung der Umgebung. Jede Monade enthält Anstöße (der Perzeption) und agiert (enaktiv, im Fall von Menschen: empraktisch). Alles Geschehen und Tun ist daher mehrfach vermittelt – durch Umgebungen, dispositionelle Bedingungen, inferentielle Normalerwartungen und ein aktives Streben, eine causa finalis. Die Besonderheit des menschlichen Handelns im Unterschied zur Bewegungsform von Dingen besteht dabei im möglichen sprachlichbegri=lichen Vorgri= auf eine bloß erst modale Zukunft, während bei Lebewesen das Tun von präsentisch perzipierbaren Umgebungen (etwa vermittelt über die Fernsinne des Hörens und Sehens, auch des Riechens) und den inneren Verhaltensdispositionen (vermittelt durch Empfindungen wie Durst, Hunger und die entsprechenden Triebe) abhängig bleibt. So ist also diß, daß auf die Kraft ein Anstoß durch eine andere Kraft geschieht, daß sie sich insofern passiv | verhält, aber hinwieder von dieser Passivität in die Activität übergeht, – der Rükgang der Kraft in sie selbst. Sie äussert sich. Die Aeusserung ist Reaction in dem Sinne, daß sie die Aeusserlichkeit als ihr eigenes Moment setzt, und somit es aufhebt, daß sie durch eine andere Kraft sollicitirt worden sey. Beydes ist daher eines, die Aeusserung der Kraft, wodurch sie sich durch ihre negative Thätigkeit auf sich selbst ein Daseynfür-anderes gibt, und die unendliche Rükkehr in dieser Aeusserlichkeit auf sich selbst, so daß sie darin sich nur auf sich bezieht. Die voraussetzende Reflexion, welcher das Bedingtseyn und der Anstoß angehört, ist daher unmittelbar auch die in sich zurükkehrende ¦ Reflexion, und die Thätigkeit ist wesentlich reagirende, gegen sich. Das Setzen des Anstosses oder Aeusserlichen ist selbst das Aufheben desselben, und umgekehrt ist das Aufheben des Anstosses das Setzen der Aeusserlichkeit. (363 f. | 203 f.) »Rückgang der Kraft in sie selbst« nennt Hegel die durch gewisse Bedingungen aktualisierte Äußerung einer dispositionellen Kraft – die zumeist arttypisch in die Dinge und Wesen gesetzt oder je auf besondere Weise den Einzelwesen zugeschrieben werden. Wir
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sagen, eine Sache oder ein Wesen (auch ein Mensch) habe diese Disposition, Fähigkeit oder Kraft, wenn wir uns mit der allgemeinen Erklärungsform durch die Zuschreibungen zufrieden geben (dürfen). Die ›ontische‹ Redeform bleibt wie bei allen Unterschieden, abhängig von unseren Unterscheidungen. Sie steht also weiterhin im Skopus eines ›uns‹, ›wir‹ und ›man‹. Indem wir diese Abhängigkeit im Ausdruck tilgen, gehen wir zu einer Redeform de re über – sprechen also so, wie man nach unseren Normen des Richtigen zu urteilen hätte. Zur Erläuterung dieser Form gebrauchen viele die Fiktion eines Gottes, der das Wahre unmittelbar kennt; andere bemühen die Vorstellung eines vollkommenen Wissenschaftlers. An dieser Stelle spricht Hegel freilich von dieser radikalen ›subjektiven‹ Deutung unserer ›objektbezogenen‹ Redeformen noch nicht explizit. Meine Bemerkung ist nur erst als steuernder Vorgri= zu lesen. Hegels Kommentare bringen aber schon die in unseren Reden von Kräften, Aktualisierungen und Wirkungen implizit enthaltenen Teilredeformen ans Tageslicht.
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c. Die Unendlichkeit der Kraft Die Kraft ist endlich, insofern ihre Momente noch die Form der Unmittelbarkeit haben; ihre voraussetzende und ihre sich auf sich beziehende Reflexion sind in dieser Bestimmung unterschieden; jene erscheint als eine für sich bestehende äusserliche Kraft, und die andere in der Beziehung auf sie als passiv. Die Kraft ist so der Form nach bedingt, und dem Inhalte nach gleichfalls beschränkt; denn eine Bestimmtheit der Form nach enthält auch eine Beschränkung des Inhalts. Aber die Thätigkeit der Kraft besteht darin sich zu äussern; das heißt, wie sich ergeben hat, die Aeusserlichkeit aufzuheben und sie als das zu bestimmen, worin sie identisch mit sich ist. Was also die Kraft in Wahrheit äussert, ist diß, daß | ihre Beziehung auf anderes ihre Beziehung auf sich selbst ist, daß ihre Passivität in ihrer Activität selbst besteht. Der Anstoß, wodurch sie zur Thätigkeit sollicitirt wird, ist ihr eigenes Sollicitiren; die Aeusserlichkeit, welche an sie kommt, ist kein unmittelbares, sondern ein durch sie vermitteltes; so wie ihre eigene wesentliche Identität mit sich, nicht unmittelbar, sondern durch ihre Negation vermittelt ist; oder
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die Kraft äussert diß, daß ihre Aeusserlichkeit identisch ist mit ihrer Innerlichkeit. (364 | 204 f.) Unendlich heißt die Kraft hier nicht etwa, weil sie unendlich mächtig wäre, sondern weil sie situationsallgemein wirkt und als Beitrag zur Darstellung des Gesamtprozesses der gesamten Welt zu begreifen ist. Endlich ist sie in der Vorstellung unmittelbarer Lokalität, als in dem Ding sich nur in endlicher Weise nachhaltig befindende Disposition oder Energie. So wie alle Dinge langsam an Masse abnehmen, nehmen auch alle anderen Kräfte mit der Zeit ab, z. B. die Lebenskräfte eines Lebewesens. Das gilt so allgemein, dass die Ho=nung auf irdische Unsterblichkeit geradezu lächerlich ist, auch wenn manche Krankheiten vermeidbar und einige Verfallserscheinungen eine Zeit lang aufhaltbar sein sollten. Man kann die Kommentare Hegels abkürzen, indem man auf die in ihnen hervorgehobene Spannung zwischen Lokalität der Kraftzuschreibung und Globalität der möglichen Kraftwirkungen hinweist, damit auch auf die Spannung zwischen Innen und Außen, also zwischen Disposition und Äußerung, Setzung und Gesetztsein, dem Zusprechen und dem Haben von Kräften oder Dispositionen. Die Kräfte sind selbst bedingt; und es sind ihre Wirkungen bedingt. Sie sind selbst bedingt durch ggf. wechselnde Eigenschaften der Dinge und deren Lage in einer Gesamtkonstellation. Sie sind in ihren Wirkungen (lokal) beschränkt, auch wenn sie als Typeneigenschaften situationsinvariant sind (also so zu denken sind). Die Wirkung einer Kraft ist eine begri=liche Beziehung der Kraft auf sich selbst insofern, als sie in der Wirkung, und nur in ihr, sie selbst ist und sich zeigt. Sie ist ein Inneres der Dinge und besteht in der Fähigkeit, sich typisch zu äußern.
C. Verhältniß des Aeußern und Innern 1. Das Verhältniß des Ganzen und der Theile ist das unmittelbare; die reflectirte und die seyende Unmittelbarkeit haben daher in ihm jede eine eigene Selbstständigkeit; aber indem sie im wesentlichen Verhältnisse stehen, so ist ihre Selbstständigkeit nur ihre negative
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Einheit. Diß ist nun in der Aeusserung der Kraft gesetzt; die reflectirte Einheit ist wesentlich das Anderswerden, als Uebersetzen ihrer selbst in die Aeusserlichkeit; aber diese ist eben so unmittelbar in jene zurükgenommen; der Unterschied der selbstständigen Kräfte hebt sich auf; die Aeusserung der Kraft ist nur eine Vermittlung der reflectirten Einheit mit sich selbst. Es ist nur ein leerer durchsichtiger Unterschied, der Schein, vorhanden, aber dieser Schein ist die Vermittlung, welche das selbstständige Bestehen selbst ist. Es sind nicht nur entgegenge|setzte Bestimmungen, die sich an ihnen selbst aufheben, und ihre Bewegung nicht nur ein Uebergehen, sondern theils ist die Unmittel¦barkeit, von der angefangen und ins Andersseyn übergegangen wurde, selbst nur als gesetzte, theils ist dadurch jede der Bestimmungen in ihrer Unmittelbarkeit schon die Einheit mit ihrer andern und das Uebergehen dadurch schlechthin eben so sehr die sich setzende Rükkehr in sich. (364 f. | 205 f.) Das Projekt, Wirkkräfte auf Dinge so zu verteilen, dass alle Bewegungen und Veränderungen sich aus dem Zusammenwirken der lokalisierten Energien ergeben, wird o=enbar dadurch komplizierter, dass die Dinge selbst aus Teilen bestehen, die sich im Fall von nichtlebendigen Wesen häufig trennen lassen, ohne dass sich die Dingart oder die Seinsweise ändert. Daher ist immer auch das »Verhältnis des Ganzen und der Teile« für die Darstellung und Erklärung der Prozesse (Bewegungen, Veränderungen) relevant, an denen die Dinge wesentlich, ihrem Wesen, also ihrer typischen Seinsweise nach, kausal, beim Menschen auch: verantwortlich, beteiligt sind. Andererseits sind Dinge und Dingteile je nur relativ selbständig, gerade weil sie wesentlich in prozessualen Verhältnissen eine Rolle spielen. Sie bilden nur eine »negative Einheit« in möglichen Unterscheidungen, welche zu begrenzten Verschiedenheiten führen. Der »Unterschied der selbständigen Kräfte hebt sich auf«, nämlich in der Gesamterscheinung des Werdens und Vergehens, der wirklichen Bewegungen und Veränderungen. Die Wahrheit einer Kraft liegt, wie hier zu wiederholen ist, in ihrer wirklichen, erscheinenden Wirkung. Kräfte sind gesetzt, um die Wirkungen als erscheinende Veränderungen der Welt lokal und generisch, also allgemein und doch für den Einzelfall auf hinreichend besondere
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Weise erwartbar zu machen, vorherzusagen, relativ überzeitlich im Blick auf das Vergangene, das Gegenwärtige an verschiedenen Orten und das Zukünftige und Mögliche darstellbar zu machen. Die Welt und unser Wissen sind so, dass dies ganz gut geht. Das ist der Grundsatz jedes sinnvollen Realismus, der als solcher kein transzendenter Realismus ist. Mit anderen Worten, die Realität bzw. Wirklichkeit der Welt zeigt sich im Erfolg unserer praktischen Orientierungen an einem gelehrten, gelernten und in der Erfahrung im Umgang mit ihm gemeinsam weiter entwickelten sprachlich-begri=lich gefassten Wissen. Dieses Wissen stellt typische Prozesse dar, indem sie in lokalisierbare Dinge lokal wirksame Kräfte setzt. Jedes andere Verständnis von Dispositionen ist unzureichend. Es wäre entweder mystisch – als gäbe es Seelenkräfte und göttliche Energien unmittelbar in den Sachen – oder wie im Empirismus oder ›Positivismus‹ oberflächlich – als gäbe es nur kontingente Ereignisse je jetzt und gar kein stabiles Wissen über Kräfte und Dispositionen. Das Innere ist als die Form der reflectirten Unmittelbarkeit oder des Wesens, gegen das Aeussere als die Form des Seyns bestimmt, aber beyde sind nur Eine Identität. – Diese Identität ist erstens die gediegene Einheit beyder als inhaltsvolle Grundlage, oder die absolute Sache, an der die beyden Bestimmungen gleichgültige, äusserliche Momente sind. Insofern ist sie Inhalt und die Totalität, welche das Innere ist, das eben so sehr äusserlich wird, aber darin nicht ein Gewordenes oder Uebergegangenes, sondern sich selbst gleich ist. Das Aeussere ist nach dieser Bestimmung dem Innern, dem Inhalte nach nicht nur gleich, sondern beyde sind nur Eine Sache. – (365 | 206) Das Innere einer Sache oder eines Dinges ist, wie gerade auch im Kontext der obigen Kritik an inneren Wirkmaterien betont wurde, kein räumlicher Innenraum. Wenn von inneren Energien, Fähigkeiten und Dispositionen die Rede ist, geht es aber auch nicht um geistige Seelenkräfte. Es handelt sich, wie Hegel in Verbesserung einer Einsicht des Aristoteles zur psych¯e als eidos hier ausarbeitet, um eine metaphorisch ausgedrückte logische Form. Das Äußere ist die Form des Seins im Sinn der ex post konstatierbaren Ereignisse und Erscheinungen. Das Innere sind die Kräfte,
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die sich modal in Wirkungen zeigen können. Dinge und Prozesse, präsentische Wirklichkeit und zukünftige Möglichkeiten bilden aber insgesamt »nur eine Realität«, eine Welt. Billiger als in dieser holistischen Betrachtung der lokalen Dinge und Kräfte ist ein volles Verständnis von Ursache und Wirkung, Realität, Wirklichkeit und Erscheinung nicht zu erhalten. Wer mit Bertrand Russell dogmatisch einen solchen modalen Holismus ablehnt und an die lokalen Dinge und Kräfte einfach glaubt, weil deren ganzheitliche Konstitution zu schwer zu verstehen ist, denkt noch ungediegen. Gediegen bzw. reflexionslogisch erwachsen denkt erst derjenige, welcher die Einheit von Ding und Kraft, Form und Inhalt in der ›absoluten Sache‹ begreift, nämlich als Momente ihrer erfolgreichen Darstellung und Erklärung. Jeder wahre Inhalt ist eine Äquivalenz in Bezug auf typische, generische Äußerungen. Jede wirkliche Form ist generisch wirkend. Jede allgemeine Ursache ist Moment einer prototypischen oder idealtypischen Darstellung von Normalfallprozessen, auf besondere Weise aktualisiert in je konkreter Anwendung. Aber diese Sache als einfache Identität mit sich ist verschieden von ihren Formbestimmungen, oder diese sind ihr äusserlich; sie ist insofern selbst ein Inneres, das von ihrer Aeusserlichkeit verschieden ist. Diese Aeusserlichkeit aber besteht darin, daß die beyden Bestimmungen selbst, nemlich das Innere und Aeussere, sie ausmachen. Aber die Sache ist selbst nichts anderes, als die Einheit beyder. Somit sind beyde Seiten dem Inhalte nach wieder dasselbe. (365 | 206) Die je einzelne Sache, das einzelne Ding, ist freilich verschieden von den je bloß allgemein bestimmten Artformen, da eine Form als solche durch eine Äquivalenz der Formgleichheit in einem Bereich verschiedener Sachen definiert ist. Welche Form-Äquivalenzen je relevant sind, ist in der Sprache allgemein und im jeweiligen Sprechakt auf besondere Weise mehr oder weniger klar und deutlich artikuliert. So kann man z. B. schon an Stühlen ›unendlich‹ verschiedene Formen unterscheiden, je nachdem, wie eng oder weit wir die Formgleichheit definieren und z. B. jeden zusätzlichen Schnörkel an der Lehne oder am Stuhlbein beachten – oder eben nicht. Insofern sind Formen ›äußerlich‹. Sie hängen von unserer Bezugnahme auf die Sachen ab, zunächst im Bereich der (sinnlichen) Erscheinungen.
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Andererseits sind alle Formen auch ein Inneres. Sie sind Inhalte, insbesondere wenn typischen Formdi=erenzen – z. B. den Gestalten der Tiere – unterschiedliche Fähigkeiten (Kräfte, Dispositionen) systematisch korrespondieren. Die Sache selbst – die als allgemeiner Typ auf besondere Weise aktualisiert ist – ist »nichts anderes als die Einheit beider«, nämlich aller relevanten Formen und Inhalte der Sache. Aber in der Sache sind sie als sich durchdringende Identität, als inhaltsvolle Grundlage. Aber in der Aeusserlichkeit, als Formen der Sache, sind sie gegen jene Identität und somit beyde gegen einander gleichgültig. | (365 | 206) In der konkreten Sache sind Form und Inhalt, äußere Gestalt und innere Disposition eine »sich durchdringende Identität« – sofern natürlich die der Sache zugeschriebenen Inhalte ›bestehen‹, wie wir sagen. Ein Inhalt ist dabei im Wesentlichen ein inferentielles Moment des Begri=s der Sache – so wie es zum Inhalt bzw. Begri= eines Feuerlöschers gehört, dass er unter geeigneten Bedingungen Feuer löscht. Seine äußere, materielle Form ist dabei relativ gleichgültig, auch wenn jede konkrete Sache zugleich Kern und Schale, inferentieller Inhalt und di=erentielle äußere Form ist und nur so an und für sich existiert. Überhaupt ist die Frage, was es gibt, nicht einfach zu beantworten. Es gibt, so denkt man zunächst, die einzelnen konkreten, empirischen Sachen und Dinge, Sto=e und Materien – und sonst nichts. Doch schon deren Kräfte und Dispositionen verweisen auf ein größeres Ganzes, auf eine holistische Gesamtwelt aller Normalfallprozesse und aller kontingenten Ausnahmen. Russell hat zwar in einem gewissen Sinn recht zu sagen, dass es falsch wäre zu behaupten, wir könnten über lokale Dinge nichts Wahres sagen, da alles Wahre schon auf das Ganze der Welt Bezug nehme. Tatsächlich wissen wir vieles über die endlichen Dinge und Sachen, und zwar zu unserer vollen Zufriedenheit. Richtig bleibt dennoch, dass eben dieses endliche Wissen je nur grob, allgemein, generisch wahr ist. Über absolut Einzelnes alles zu wissen, hieße, alles über alles zu wissen. Das wissen schon Spinoza und Leibniz. Ein solches Wissen wäre rein göttliches Wissen. Unser Wissen ist dagegen wesentlich endlich, generisch-allgemein, gerade in der begri=lichen
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Fassung unserer konkreten und lokalen, je perspektivischen und nur so empirischen Weltbezugnahmen. Die Bedeutsamkeit der Analyse liegt darin, dass wir die Frage, was es wirklich gibt, auf naive Art zu beantworten gewohnt sind: Es gibt die endlichen Dinge und die in ihnen vorhandenen Kräfte. Alles Geschehen in der Welt lässt sich so, wie wir meinen, darstellen und erklären. Dabei übersehen wir erstens, dass das Erklärungsformat begri=lich von uns entworfen ist. Wir verkennen zweitens, dass es je nur aspekt- oder momentbezogen, relativ, in einem Sachbereich mit zugehörigen Relevanzbedingungen einigermaßen, aber nie vollständig, nie ideal, nie absolut erfüllbar ist. Wir missachten drittens, dass das Wahre je das Ganze ist. Ganzheitliche Betrachtungen haben also je ihren guten Platz und wichtigen Sinn im Darstellen und Erklären, Verstehen und Begreifen. Sie werden häufig zu Unrecht verachtet, freilich ebenso häufig mythisch und überschwänglich gefeiert. Hier geht es darum, die Konstitution endlicher Dinge und Kräfte in ihren impliziten Bezugnahmen auf größere Ganzheitlichkeiten, Totalitäten, explizit zu machen. Dazu ist daran zu erinnern, was ein ungediegener (logischer) Atomismus und Positivismus weder zu denken noch zu erkennen in der Lage ist. So verweist z. B. schon eine Einzelaussage wie »Das Ding da ist aus Eisen« auf eine di=use Zukunft und Modalität – insofern sich nämlich häufig später herausstellt, dass manche der Normalfalleigenschaften und Defaultinferenzen nicht (wirklich) erfüllt sind, welche mit dem Begri= des Eisens proto-, ideal- oder stereotypisch verbunden sind. 2. Sie sind auf diese Weise die verschiedenen Formbestimmungen, welche nicht an ihnen selbst, sondern an einem andern eine identische Grundlage haben; Reflexionsbestimmungen, die für sich sind; das Innere als die Form der Reflexion-in-sich, der Wesentlichkeit; das Aeussere aber als die Form der in anderes reflectirten Unmittelbarkeit, oder der Unwesentlichkeit. Allein die Natur des Verhältnisses hat gezeigt, daß diese Bestimmungen schlechthin nur eine Identität ausmachen. Die Kraft ist in ihrer Aeusserung diß, daß das voraussetzende und das in sich zurükkehrende Bestimmen eines und dasselbe ist. Insofern daher Inneres und Aeusseres als Formbestimmungen betrachtet worden, so sind sie erstlich nur die
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einfache Form selbst, und zweytens weil sie darin zugleich als entgegengesetzte bestimmt sind, so ist ihre Einheit die reine abstracte Vermittlung, in welcher die eine unmittelbar die andere, und darum die andere ist, weil sie die eine ist. So ist das Innere unmittelbar nur das Aeussere, und es ist darum die Bestimmtheit der Aeusserlichkeit, weil es das Innre ist; umgekehrt das Aeussere ist nur ein Inneres, weil es nur ein Aeusseres ist. – (365 | 207) Hegels Vorliebe für dialektische Darstellungen und provokative Sätze, nach welchen ein Inhalt eine Form ist oder das Innere ein Äußeres oder etwas Äußerliches ein Inneres ist oder sein kann, ist gelegentlich etwa lästig. Manchmal kommt sie dem oberflächlichen Leser als leerer Schematismus vor. Wir sollten uns von diesem etwas barocken Manierismus aber nicht weiter aufhalten lassen und die Gedanken hinter den Ausdrucksformen zu finden suchen. Man kann nie an einer einzelnen Sache eine Form oder einen Inhalt bestimmen, sondern immer nur »an einem Anderen«. Das ist so, weil Formen die Beurteilung der Formgleichheit und damit einen Formenvergleich verschiedener Repräsentanten derselben Form voraussetzen. Dasselbe gilt für Inhalte, die inneren Formen des Inferenzmoments eines Begri=s. Formen und Inhalte sind also »Reflexionsbestimmungen, die für sich sind«, die wir also als in Beziehung auf sich auffassen können, indem Formgleichheit als Relation zwischen verschiedenen Repräsentanten der gleichen Form als Selbstbeziehung der Form aufgefasst wird, nicht anders als etwa die Relation zwischen Brüchen als Vertretern gleicher rationalen Zahlen. Das Innere ist das Wesentliche der generisch bedingten Defaultinferenzen, das begri=lich bestimmte Wesen der Sache. Das Äußere der Sache ist der kontingente Zusatz zur wesentlichen Besonderheit in der unmittelbaren Gegebenheit etwa dieses Stücks Eisen, das meinetwegen ein wenig Kohlensto= enthalten mag, oder dieser Milch, die schon auf dem Weg ist, schlecht zu werden. Für Eisen (nicht für Stahl) ist der Kohlensto=zusatz unwesentlich; gute Milch ist nicht vergoren. In jedem besonderen Einzelfall eines Dinges oder einer Sache unterscheiden wir je nach Artbestimmung das ihm Wesentliche bzw. Unwesentliche. Es ist nicht trivial zu sehen, dass diese Unterscheidung begri=sabhängig ist und daher nicht einfach eine ›absolute‹, nicht
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auf unser Wissen zu relativierende ›Eigenschaft‹ eines reinen ›Dies da‹ oder aristotelischen tode ti im Sinne eines unbestimmten Etwas ist bzw. sein kann. Dabei haben wir gesehen, dass jedes empirisch konkrete Ding eine Einheit von typischer Artbestimmung und kontingenter Besonderheit ist. Die Katze vor mir mag z. B. blind und dreibeinig sein, aber ein besonders gutes Gehör haben und daher fast artuntypisch etwas können, was normale Katzen nicht so gut können. Eine Kraft oder Disposition äußert sich im Normalfall gerade so, dass sich das arttypische Wesen zeigt. Die dispositionelle Arttypik war in der Bestimmung der Sache vorausgesetzt, präsupponiert worden. In sich zurück kehrt diese Bestimmung, indem die Wirkung der Kraft auf eben diese Disposition zurückgeführt wird. Das Problem liegt in der formalen Entgegensetzung von vorausgesetzter Kraft als Ursache und ihrer Wirkung in der Erscheinungswelt a posteriori. In gewissem Sinn sind Ursache und Wirkung, Kraft und ihre Äußerung nur je zwei Aspektmomente ein und derselben Sache. In diesem Sinn ist das Innere, die Disposition, »unmittelbar nur das Äußere«. Sie zeigt sich in den bedingten Folgen. Diese werden als Wirkung der inneren Kraft oder Energie, latenten Fähigkeit oder Kompetenz dargestellt. Andererseits ist das, was sich äußert, je das Innere, die Kraft, etwa auch dann, wenn einer in der Vorführung eines Spiels zeigt, was und wie gut er spielen kann. Indem nemlich diese Formeinheit ihre beyden Bestimmungen als entgegengesetzte enthält, ist ihre Identität nur diß Uebergehen; und darin nur die andere von beyden, nicht ihre inhaltsvolle Identität. Oder diß Festhalten der Form ist überhaupt die Seite ¦ der Bestimmtheit. Was nach derselben gesetzt ist, ist nicht die reale Totalität des Ganzen, sondern die Totalität oder die Sache selbst nur in der Bestimmtheit der Form; weil diese die schlechthin zusammengebundene Einheit beyder entgegengesetzter Bestimmungen ist, so ist, indem die eine zuerst genommen wird, – und es ist gleichgültig, welche es sey, von der Grundlage oder Sache zu sagen, daß sie darum eben so wesentlich in der andern Bestimmt|heit, aber gleichfalls nur in der andern ist; so wie zuerst gesagt wurde, daß sie nur in der erstern ist. – (365 f. | 207 f.) Die Identität oder Einheit der Form, konstituiert durch die Relation
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der Formgleichheit zwischen verschiedenen Repräsentanten der Form, ist »nur dies Übergehen« zu anderen Repräsentationen der gleichen Form. Die ›inhaltliche Identität‹ ergibt sich durch die Gleichheit der dispositionellen Kräfte, die wiederum nicht als Totalität der Fähigkeiten und Energien der Einzelsache zu verstehen ist, sondern bloß als Gleichheit arttypischen Verhaltens – relativ zur relevanten oder in Anschlag gebrachten Artbestimmung der Sache. Eine Totalität ›aller‹ Kräfte oder Möglichkeiten ergibt sich erst in einer Totalbetrachtung des Einzelfalls in allen seinen Relationen zu allen anderen Einzelsachen. Damit wird klar, dass Kräfte generische Sachen sind, die von der Artbestimmung begri=lich abhängen, auch wenn die Rede von ›den Kräften‹ und ›der Energie‹ eines Dings, einer Sache oder eines Lebewesens das anders erscheinen lässt, so nämlich, als gäbe es diese Totalkraft oder Gesamtenergie ›unmittelbar‹, nicht etwa bloß durch die Vermittlung der verschiedenen Art- bzw. Formbestimmungen der Sache und durch die zugehörigen inferentiellen Normalfallwirksamkeiten. So ist Etwas, das nur erst ein Inneres ist, eben darum nur ein Aeusseres. Oder umgekehrt, etwas das nur ein Aeusseres ist, ist eben darum nur ein Inneres. Oder indem das Innere als Wesen, das Aeussere aber als Seyn bestimmt ist, so ist eine Sache, insofern sie nur in ihrem Wesen ist, eben darum nur ein unmittelbares Seyn; oder eine Sache, welche nur ist, ist eben darum nur erst noch in ihrem Wesen. – (366 | 208) Warum soll aber etwas, »das . . . nur erst ein Inneres ist, eben darum nur ein Äußeres« sein? Und warum soll umgekehrt, was »nur ein Äußeres ist«, »eben darum nur ein Inneres« sein? Das klingt zunächst nach sinnlosem Wortgeklingel. Das Vorkommen des Wortes »oder« in der Überlegung signalisiert immerhin, dass Hegel einen Gedanken von verschiedenen Seiten anzupacken versucht. Welcher Gedanke ist es? Wenn etwas bloß erst Inneres ist, ist es bloß erst zugeschriebener Inhalt. Das heißt, es ist bloß erst Erscheinung, vielleicht sogar Schein, also eine Art oberflächliche Normalerwartung. Was bloß oberflächlicher, äußerer Schein ist, ist andererseits vorschnell zugeschriebener Inhalt. Daher kritisieren wir eine Meinung als oberflächlich, die allzu
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unmittelbar Kräfte in Dinge setzt, welche Phänomene nur zum Schein erklären, etwa die Schlafkraft oder die Tendenz des Apfels, nach unten zu fallen. Oberflächliche Urteile dieser Art sind immer vorschnelle Aussagen über das Artwesen, das Innere, Generische, einer Sache. Der Kontrast zwischen Wesen und Sein ist dabei logisch konstitutiv für die Möglichkeit des Irrtums. Denn der Irrtum besteht gerade in einem fehlerhaften Allgemeinurteil, nach dem das, was geschehen ist, nicht bloß ›zufällig‹ oder aus einem komplexen Zusammenspiel generischer Ursachen geschehen ist, sondern angeblich paradigmatisch für ein allgemeines Wesen sein soll. Das ist dann nicht der Fall, wenn das Geschehen anders erklärt werden muss oder tatsächlich als ein seltener Fall von (noch) nicht allgemein erklärbaren kontingenten Umständen anzusehen wäre. Es geht darum, das begri=lich bestimmte Wesen und die reproduzierbaren oder sich reproduzierenden Seinsweisen harmonisch einander anzupassen. Seiendes und Sein sind empirisch-einzeln, das Wesen aber ist theoretisch-allgemein. Im konkreten Fall an und für sich wachsen Sein und Wesen zusammen (concrescere), bilden also eine Einheit. Wir verstehen aber auch am Konkreten immer nur Allgemeines. Kontingenz und Zufall bilden eine Art Grenze des Vorhersagens und Vorherwissens, auch der Erklärung. Wenn wir aber im Nachhinein eine Erklärung nachschieben, dann stellen wir das Geschehen häufig a posteriori bloß so zurecht, als wäre es als besonderer Fall allgemein erklärbar oder prognostizierbar gewesen. Das aber ist sehr häufig eine Illusion – oft mit politisch verheerenden Folgen. Die Illusion ergibt sich daraus, dass wir nicht anerkennen wollen, dass wir a priori oder im Vorhinein immer nur Allgemeines wissen können. Die angemessene Anerkennung dieser Tatsache der grundsätzlichen Grenzen des Erklärens und Vorhersehens ist freilich sehr schwer. Dazu ist nämlich ebenso die Über- wie die Unterschätzung des Wissbaren zu vermeiden. Reflexionslogische irreale Konditionale sind dabei aber nicht immer hilfreich, möglicherweise sogar falsch. Wir sagen z. B.: Wenn wir ›alles‹ Wissbare gewusst hätten, hätten wir das und das vorhersagen können. Das ist manchmal so, aber keineswegs immer. Im Nachhinein neigen wir allzu häufig dazu, Dinge für vorhersehbar zu halten, die mitnichten vorhersehbar waren, und Personen
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für Handlungsfolgen verantwortlich zu machen, für die sie mangels Vorherwissen nicht verantwortlich zu machen sind. Insofern hat Nietzsche recht: Der Geist der Rache, der sich weigert, die Sicht und das Verstehen der früheren Zeit ernst zu nehmen, ist einer der tiefsten Denkfehler. Er nennt diesen Geist der Rache auf geniale Weise »des Willens Widerwillen gegen die Zeit und ihr ›es war‹«.63 Damit zeigt Nietzsche, wie später auch Heidegger sieht, dass der Fehler in einem grundsätzlich falschen Verständnis von Zeit und Zeitlichkeit liegt. Hier wird anhand von Hegels Logik nur noch hinzugefügt, dass dieser Fehler in praktisch allen bisherigen Auffassungen der Wörter »empirisch« und »kontingent«, »notwendig« und »möglich«, »Grund« bzw. »Ursache« und »Folge« bzw. »Wirkung«, erst recht aber in den üblichen Vorstellungen von einer Überzeitlichkeit des Erklärens und einem göttlichen, spekulativen Blick auf die ganze Welt von der Seite enthalten ist. Das Aeussere und Innere sind die Bestimmtheit so gesetzt, daß jede dieser beyden Bestimmungen, nicht nur die andere voraussetzt und in sie als in ihre Wahrheit übergeht, sondern daß sie insofern sie diese Wahrheit der andern ist, als Bestimmtheit gesetzt bleibt, und auf die Totalität beyder hinweißt. – (366 | 208) Wesen und Erscheinung, Inneres und Äußeres sind aufeinander bezogen, und zwar indem diese Beziehung begri=lich gesetzt ist – wie eben materialbegri=liche Normalfallinferenzen in einem gelehrten und gelernten generischen Wissen gesetzt sind. Das gilt schon für Sätze wie »Der Tiger brüllt« oder »Feuer ist heiß«, wie sie Kinder lernen. Es gilt dann auch für ganze Systeme dispositioneller Eigenschaften, z. B. der chemischen Sto=e und physischen Dinge, dann auch der Fähigkeiten von Pflanzen, Tieren und Menschen – je nach Art oder Typ, Umgebung und Formation. Das Innere ist somit die Vollendung des Wesens der Form nach. Das Wesen, indem es nemlich als Innres bestimmt ist, enthält es, daß es mangelhaft und nur ist, als Beziehung auf sein anderes, das Nietzsche vermochte nicht zu sehen, dass die Kritik des Sokrates an einer maßlosen Ausweitung von Verantwortungszuschreibungen post hoc wohl das eigentliche ›Verbrechen‹ war. 63
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Aeussere; aber dieses ist eben so nicht nur Seyn oder auch Existenz sondern als auf das Wesen oder das Innere sich beziehend. Aber es ist nicht nur die Beziehung beyder auf einander, sondern die bestimmte der absoluten Form, daß jedes unmittelbar sein Gegentheil ist, und ihre gemeinschaftliche Beziehung auf ihr drittes oder vielmehr auf ihre Einheit vorhanden. Ihre Vermittlung entbehrt aber noch dieser sie beyde enthaltenden identischen Grundlage; ihre Beziehung ist deßwegen die unmittelbare Umkehrung des einen in das andre; und diese negative Einheit, die sie zusammenknüpft, ist der einfache, inhaltslose Punkt. | (366 | 208) Das Innere, von dem hier die Rede ist, ist, ich wiederhole dies, nicht das räumliche Innere, etwa das Gehirn, sondern das dispositionelle Innen, die Fähigkeit, Energie, Kraft. Es ist »die Vollendung des Wesens der Form nach«. Denn das Wesen ist das Innere. Die Form des dispositionellen Inhalts ist dasselbe wie die begri=liche Form der gelernten Normalfallinferenzen und Normalerwartungen, die mit dem Artwesen (auch als Proto- oder Idealtyp) so verbunden sind, dass sie jeweils implizit oder explizit als wesensbestimmend in Anschlag gebracht werden. In jeder Aktualisierung eines Artwesens aber gibt es privative Momente. Denn die innere Form ist in ihrem logischen Status ideal verfasst, so wie die idealen Formen der Geometrie es sind.64 Keine Einzelsache repräsentiert einen idealen Typus vollständig. Das ist trivial wahr, wird aber in seiner Bedeutung immer unterschätzt. Alles Einzelne enthält ›Mängel‹. Die kontingenten Abweichungen des Einzelnen vom allgemeinen Genus oder Typus sind daher gerade in ihrer ›Größe‹ oder ›Ausmaß‹ immer in Rechnung zu stellen. Wir müssen je konkret mit ihnen und damit sozusagen mit dem Abstand zwischen Realität und Ideal, Empirie und formentheoretisch-allgemeinem Wissen rechnen. Ich habe mich wieder nicht an Hegels Maxime gehalten, auf Vorgriffe zu verzichten, sondern sage schon hier, dass das Wesen bzw. das Innere begri=lich, also durch unsere Worte und Reden, bestimmt sind. Diese Missachtung von Hegels Reihenfolge der Darlegung hat allerdings den Nachteil, dass man sie als bloße Versicherungen von 64
Das ist schon die tiefste aller begri=slogischen Einsichten Platons.
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meiner Seite ausgeben wird, da sie in der Tat die Dramaturgie in seiner ›Argumentation‹ unterlaufen. Diese soll uns sozusagen dazu ›zwingen‹ anzuerkennen, dass unsere reflexionslogischen Reden von Wesen und Inhalten in deren Beziehung zu äußeren Erscheinungen nur begreifbar sind, wenn wir die zentrale Rolle der Rede von Kräften in ihrer Brisanz einsehen.65 Die ›absolute‹ Form der relativen Beziehung von Wesen und Erscheinung, Innerem und Äußerem, von Kraft und der durch sie verursachte Wirkung ist nichtsdestotrotz der Begri= der Sache. Anmerkung Die Bewegung des Wesens ist überhaupt das Werden zum Begri=e. In dem Verhältnisse des Innern und Aeussern tritt das wesentliche Moment desselben hervor, daß nemlich seine Bestimmungen gesetzt sind, so in der negativen Einheit zu seyn, daß jede unmittelbar nicht nur als ihre andere, sondern auch als die Totalität des Ganzen ist. Aber diese Totalität ist im Begri=e als solchem das Allgemeine; – eine Grundlage, die im Verhältniß des Innern und Aeussern noch nicht vorhanden ist. – (366 | 209) In der Anmerkung sagt Hegel selbst, dass die »Bewegung des Wesens«, also jedes reflektierende Nachdenken über unseren Gebrauch der Reflexionstermini »Wesen«, »Inneres«, »Kräfte« etc., eine Bewegung hin zum Begri=, zur Einsicht in die Rolle begri=licher Setzungen ist. Die Ganzheit oder Totalität von Innerem und Äußerem, Wesen und Erscheinung, Kraft und Wirkung »ist im Begri=e als solchem das Allgemeine«, das ich mit dem jeweiligen generischen Wissen identifiziere. Hegel selbst erklärt, dass diese Kommentierung eine Art Vorgri= ist. In der negativen Identität des Innern und Aeussern, welche die unmittelbare Umkehrung der einen dieser Bestimmungen in die An der theoretisch-begri=lichen Konstitution dispositioneller Eigenschaften scheitert jeder Empirismus, gerade auch der logische Empirismus nach Russell und Carnap. Man kehrt daher zu einem naiven Glauben an eine materialistische bzw. physikalistische Metaphysik der Dispositionen und Kräfte zurück, wendet sich also mit Neurath und Quine von Hume und damit von jeder sinnkritischen Philosophie ab und Locke und Hobbes wieder zu. 65
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andere ¦ ist, fehlt auch diejenige Grundlage, welche vorhin die Sache genannt wurde. – Die unvermittelte Identität der Form, wie sie hier noch ohne die inhaltsvolle Bewegung der Sache selbst gesetzt ist, ist sehr wichtig bemerkt zu werden. Sie kommt an der Sache vor, wie diese in ihrem Anfange ist. (366 f. | 209) Noch einmal reflektiert Hegel auf den Ausdruck »die Sache« im Unterschied zu »Ding«: Die Sache ist mehr als das Ding, insofern sie die Vollzugsformen des Dinges enthält, also das, was das Ding normalerweise tut. Indem wir in die Dinge Kräfte legen und Dispositionen und damit einen Kontrast zwischen einer inneren Wirklichkeit (einem Wesen, einer Seele) und ihrer Äußerung (sprachlich) erzeugen, und das durchaus immer schon in reflexionslogischer Absicht, fehlt normalerweise der Gegensatz zwischen Ding und Sache. Das heißt, das Ding wird rein statisch als ruhender Gegenstand betrachtet. Es wird davon abstrahiert, dass wir immer von sich bewegenden und entwickelnden, teils passiv bewirkten, teils aktiv wirkenden Sachen reden. Die Di=erenz zwischen Ding und Sache und die abstrakte Einseitigkeit sowohl der Rede von einer unvermittelten Form (in ihrer Identität) als Grund oder Ursache der Bewegung und Veränderung (der Sache selbst) als auch der unterstellten Statik des Dinges (der vermeinten ›Ewigkeit‹ des Atoms oder der Materie) sind also unbedingt zu beachten. Die Ursache als Form der Sache »kommt in der Sache vor, wie diese in ihrem Anfange ist«. Jede Ursache einer Sache ist die Sache an ihrem Beginn. So ist das reine Seyn unmittelbar das Nichts. (367 | 209) Der Satz ist eine erneute Erinnerung an das Orakel der Seinslogik. Es ist jetzt etwas besser verstehbar. Die Ursache soll ja vor das Entstehen der Sache gelegt sein. Als solche aber ist sie, relativ zum Sein der Sache, deren Nichtsein. Daher hatte Hegel in der Seinslogik auch gesagt, man könnte die Logik mit dem Nachdenken über den Begri= des Anfangs beginnen. Alles Bestimmte und Begrenzte, jeder endliche Gegenstand und jedes arttypische Ding entsteht und vergeht aus ›nichts‹. Wichtig ist allerdings, dass man das Wort »nichts« logisch angemessen versteht. Es verneint nämlich immer nur die Existenz einer Sache einer je ganz
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bestimmten Art, nimmt also implizit Bezug auf einen begrenzten Gegenstandsbereich G . Eine Bezugnahme auf ›alles‹ ist nicht möglich. Dass alles Sein aus dem Nichts hervorgehe, heißt also zunächst nur, ich wiederhole diesen wichtigen Punkt, dass alles aus Anderem entsteht und in Anderes vergeht: Das reine Sein ohne alle Bestimmungen, ohne Arttypik und begrenzte Existenz, ist also deswegen das reine Nichts, weil »das Nichts« Titel immer nur für das je Andere ist, was etwas z. B. noch nicht oder nicht mehr ist. Hier sehen wir auch, was falsch am Übergang von der logischen Form des Kontrastes zwischen etwas (ein g in G ) und nichts (kein g in G ) zur spekulativen Reflexion auf ›alles‹ ist: Man kann Totalitätsbegri=e wie Welt, Sein, Wirklichkeit nicht als sortale Bereiche von Dingen und Sachen verstehen. Alle Unterschiede bleiben genusimmanent. Das gilt insbesondere – und das ist gegen Kants Überschwang gesagt – für den Unterschied zwischen Wirklichkeit und Erscheinung. Mundus intelligibilis und mundus sensibilis sind bestenfalls Aspektmomente der einen und einzigen Welt, so wie Sein und Schein, auch Wesen und Erscheinung. Es ist zwar wahr: Alles ist Erscheinung. Aber dann ist auch alle Wirklichkeit Erscheinung. Entsprechend entsteht alles aus nichts, so dass der bestimmte Kontrast zwischen Sein und Nichts nur ein endlicher Kontrast sein kann zwischen etwas (einem g aus G ) und etwas anderem (das nicht aus G ist). Daher kollabiert die Vorstellung von einem rein unbestimmten Sein mit dem reinen Nichts, dem unbestimmten Anderen – und das Rätsel, das der Beginn der Wissenschaft der Logik auch noch den subtilsten Interpreten stellt, ist endgültig gelöst. Wir sehen jetzt auch, warum das Rätsel des Anfangs der Seinslogik bei bloß ausgewählter Lektüre lokaler Textpassagen gar nicht lösbar ist. Eine Vertiefung in Orakel ohne Verbreiterung des Text-Horizonts hilft eben nicht immer weiter. Dass das reine Sein auch mit Gott identifiziert wird, führt übrigens dazu, dass Gott das ganz Andere der Welt und daher zu einem ebenso leeren Nichts wird, wie es Kants Ding an sich schon ist. Ueberhaupt ist alles Reale in seinem Anfange eine solche nur unmittelbare Identität; denn in seinem Anfange hat es die Momente noch nicht entgegengesetzt und entwickelt, einerseits aus der
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Aeusserlichkeit sich noch nicht erinnert, andererseits sich aus der Innerlichkeit durch seine Thätigkeit noch nicht entäussert und hervorgebracht; es ist daher nur das Innere als Bestimmtheit gegen das Aeussere, und nur das Aeussere als Bestimmtheit gegen das Innere. Somit ist es theils nur ein unmittelbares Seyn; theils insofern es eben so sehr die Negativität ist, welche die Thätigkeit der Entwiklung werden soll, ist es als solches wesentlich erst nur ein inneres. (367 | 209) Alle endlichen Dinge und Sachen sind vor ihrer Entstehung oder in ihrem Anfang ganz o=enbar bloß erst dispositionelle Möglichkeiten des Entstehens der Sachen. Es gibt sie bloß erst als »unmittelbare Identität« der Entstehungsform vor ihrer Aktualisierung, so wie ein Spermium bzw. ein Ei ein Mensch werden kann, aber noch kein Mensch ist. Erst wenn die Sache entsteht, wird aus der di=usen Möglichkeit eine artbestimmte Kraft der Selbstbewegung und der Wirksamkeit einer sich selbst bestimmenden Form. Hegel spielt hier mit dem Wort »erinnern«. Dabei geht es interessanterweise nicht um das Gedächtnis von Menschen. Es geht um das Innerlichwerden von sich selbst bestimmenden Formkräften, wie beim Entstehen eines Lebewesens oder in der Bildung eines Menschen. Es geht aber auch darum, dass ein solches Innerlichwerden nicht anders als das normale Erinnern von Inhalten äußere, etwa sprachliche oder anders verfasste, etwa diagrammatische, symbolische Träger im Verhalten und Handeln verlangt. Ein Artwesen entwickelt Kräfte in seinem Entstehen. Hegel drückt dies blumig aus, indem er davon spricht, dass es »aus der Äußerlichkeit« seines Seins (am Beginn) sich »erinnert«, also innere Kräfte als Dispositionen oder Fähigkeiten zu wirken entwickelt. Danach kann es auf bestimmte Weise rezeptiv und enaktiv auf die Umgebung reagieren, wie das auch schon Leibniz über die Monade als Form perzeptivisch-dynamischen Seins sagt. Als Person kann ich dagegen schon im Blick auf mögliche Zwecke handeln. In der Eigenwirkung äußert sich die Kraft bzw. entäußert sich das Innere – wobei viele Tätigkeiten auf das Wesen und seine Fähigkeiten selbst zurückwirken. In dieser Rückwirkung liegt die Selbstbestimmung der Form. Am Anfang steht aber nur erst der Kontrast des sich möglicherweise
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entwickelnden Inneren gegen das Äußere. Auch ein befruchtetes Ei braucht die rechte Umgebung, um sich zu entwickeln. Alles beginnt also mit allgemeinen Möglichkeiten, abstrakten Innerlichkeiten – der Materie, wie manche dazu zu sagen belieben, ohne genau zu wissen, was sie damit sagen. Unmittelbares Sein ist dabei bloß präsentisch, nicht schon ein Wesen mit bestimmten Entwicklungen. Eine bloße Möglichkeit ist »wesentlich erst nur ein Inneres«, solange die Entwicklung des Artwesens noch gar nicht wirklich begonnen hat, wie im Fall eines Samens, der als solcher noch keine Pflanze und noch kein Tier ist, auch wenn er sich entsprechend entwickeln könnte. Dasselbe gilt für die Welt oder die Erde vor ihrem Entstehen, nicht anders als für die reine Möglichkeit, dass sich irgendwann einmal ein Weltstaat bilden wird, so wie es die rein formale Möglichkeit im 8. Jahrhundert v. Chr. gab, dass Rom einmal Hauptstadt eines Weltreiches werden könnte. – In aller natürlichen, wissenschaftlichen und geistigen Entwiklung überhaupt, bietet sich | diß dar, und es ist wesentlich diß zu erkennen, daß das Erste, indem Etwas nur erst innerlich oder auch in seinem Begri=e ist, eben darum nur sein unmittelbares, passives Daseyn ist. So – um gleich das nächste Beyspiel zu nehmen, – ist das hier betrachtete wesentliche Verhältniß, eh es sich durch die Vermittlung, das Verhältniß der Kraft, hindurch bewegt und realisirt hat, nur das Verhältniß an sich, sein Begri=, oder erst innerlich. Deßwegen aber ist es nur das äusserliche, unmittelbare Verhältniß; das Verhältniß des Ganzen und der Theile, in welchem die Seiten ein gleichgültiges Bestehen gegen einander haben. Ihre Identität ist an ihnen selbst noch nicht; sie ist erst innerlich, und deßwegen fallen sie auseinander, haben ein unmittelbares, äusserliches Bestehen. – (367 | 209 f.) Es gilt begri=lich allgemein für alle Entwicklung, ob in der lebendigen Natur oder im Bereich des Wissens, dass das, was bloß erst innerlich, nur erst als reine Möglichkeit existiert, ein reines äußeres Dasein ist. So beginnt die Entwicklung des Geistes mit passiv gelernten äußeren Formen. Entsprechend ist auch das wesentliche Verhältnis am Anfang bloß erst das abstrakte Verhältnis von Wesen und Erscheinung und daher bloß erst innerlich, allgemein begri=lich
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zugeschrieben. Erst über eine Bestimmung der Kraft bzw. der sich regelmäßig äußernden Fähigkeit wird diese abstrakte Form konkret. Am Anfang steht je bloß das allgemeine Verhältnis eines Ganzen und seiner Teile. Diese können raumzeitliche Phasen sein, sind also nicht nur körperliche Bestandteile. Die Identität der Sache als Aktualisierung eines begri=lich bestimmten Genus (Eidos, Artwesens) ist bloß erst innerlich, solange die inneren Fähigkeiten und Kräfte des Selbsterhalts und der Selbstentwicklung noch nicht ausreichend ausgeprägt sind. Im üblichen Vorstellungs- oder Denkbild muss daher einem Ding oder einer Sache eine Seele allererst eingehaucht werden. Natürlich kann dieses Bild einer organischen Einheit auch irreführen. Doch wir wissen alle, dass eine bloß äußere Ansammlung von Dingen, Lebewesen, Menschen noch keine ›lebendige‹ Einheit, z. B. keine Gruppe, keine Institution bildet. So ist die Sphäre des Seyns überhaupt nur erst das schlechthin noch Innre, und deßwegen ist sie die Sphäre der seyenden Unmittelbarkeit oder der Aeusserlichkeit. – Das Wesen ist nur erst das Innre; darum wird es auch für eine ganz äusserliche, systemlose Gemeinschaftlichkeit genommen; man sagt, das Schulwesen, Zeitungswesen, und versteht darunter ein Gemeinschaftliches, das durch äusseres Zusammennehmen von existirenden Gegenständen, insofern sie ohne alle wesentliche Verbindung, ohne Organisation, gemacht ist. – (367 | 210) Hegel selbst geht hier zu Institutionen über. Er erklärt, das Sein des unmittelbaren Daseins sei »nur erst das schlechthin Innere«, aber auch das Wesen sei nur erst Inneres. Die Sätze sind deswegen so schwer zu verstehen, weil sie aus reflexionslogischer Perspektive gesprochen sind. Außerdem treibt Hegel sein dialektisches Spiel mit der Vertauschung von Innen und Außen. Denn er sagt, dass in unserem inhaltlichen Reden über das Dasein das Sein und Wesen eben deswegen innerlich bleibt, weil die äußere Verfassung der Inhalte noch nicht voll und explizit in ihrer Bedeutsamkeit begri=en ist. Dabei ist das Dasein die unmittelbare Welt um uns herum. Jede Intuition als bloß erst gefühlartiges Verstehen ist also gerade nicht innerlich, sondern äußerlich, nur erst oberflächlich. Die gesamte Überlegung ist und bleibt auf dem Weg zur Einsicht in die äußere,
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konkrete Konstitution begri=licher Inhalte als Voraussetzung der Di=erenzierung der Sachen in der Ebene des Seins und der Zuschreibung inferentieller Dispositionen in der Rede-Ebene, welche schon von Reflexionstermini und Bewertungswörtern wie »Wesen«, »wirklich« und »wahr« Gebrauch machen. Dass die Rede von einem Wesen bloß erst auf eine allgemeine Äußerlichkeit verweist, versucht Hegel nun sogar noch zu belegen durch seinen Hinweis auf die vagen Handbewegungen und fast abschätzigen Konnotationen in der Rede über das Schulwesen, Zeitungswesen, im Kontrast zu Redeweisen, in denen heute vielleicht von Institutionen, Einrichtungen oder Systemen die Rede ist. Hegel hört aus der Rede über das Schulwesen wie wir aus der Rede über den Universitätsbetrieb heraus, dass in ihnen nur auf das äußerliche des kollektiven Geschehens nach Art des empiristischen ›methodischen Individualismus‹ Bezug genommen wird. Dabei wird dann von der begri=lichen und institutionellen Organisation ebenso abgesehen wie im heutigen Gerede vom Staat als bloßem Staatswesen. Man fokussiert auf das äußere Tun der Akteure, statt auf die innere Form der Selbstorganisation der Gesellschaft. Diese würde es ohne Staat gar nicht geben. Eine bloße Menschenansammlung, eine zufällige Menge von Individuen bilden weder eine Gesellschaft noch ein Staatsvolk. Die Individuen einer solchen Menge von Leuten sind als solche noch nicht einmal Personen, geschweige denn Bürger. Die Organisation ist die reflektierte Form der Seinsweise von Vereinen, Korporationen, von Wissenschaft oder Schule, auch des Systems der medialen Ö=entlichkeit oder der Justiz, begri=lich bestimmt und selbstbewusst jenseits einer bloß oberflächlichen und zugleich distanzierten Betrachtung als Publikationswesen oder Vereinswesen. Oder an concreten Gegenständen, so ist der Keim der Pflanze, das Kind, nur erst innre Pflanze, innerlicher Mensch. Aber darum ist die Pflanze oder der Mensch als Keim ein unmittelbares, ein Aeusseres, das sich noch nicht die negative Beziehung auf sich selbst gegeben hat, ein passives, dem Andersseyn preisgegebenes. – (367 | 210) Das Oberflächliche in einem nicht schon begri=lich vertieften Reden über ein Wesen zeigt sich auch »an konkreten Gegenständen«. Unser Weg der Lektüre und die sich ergebende Deutung werden bestä-
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tigt durch Hegels eigene Beispiele des Samens oder Keims bzw. des Säuglings oder Kleinkinds: Sie sind nur erst innerlich das Wesen, das sie werden können. Es ist also die Pflanze, Tier oder das personale Subjekt am Anfang seiner Entwicklungsmöglichkeit noch nicht das gediegene Wesen. Am Anfang der Entwicklung einer Pflanze, eines Tieres oder eines Menschen steht das äußere Sein des Beginns einer Wesensentwicklung, das »sich noch nicht die negative Beziehung auf sich selbst gegeben hat«, wie dies in aktiven Selbstbezugnahmen, etwa in Selbstbildungsprozessen notwendig ist. Am Anfang steht also noch das Passive, die Abhängigkeit von der Umgebung, beim Menschen zumeist von den Eltern und dann von den Lehrern. Schon ein Tier entwickelt individuelle Selbstverhältnisse, macht besondere Erfahrungen, wird sogar sehr schnell unabhängig von den Eltern. Auch wenn insgesamt der personale Bildungsprozess von Kindern lange dauert, eine relative Unabhängigkeit von der Umgebung und eine Selbstbehauptung und Selbstbezugnahme findet sich schon in allem spontanen Tun fast ab der Geburt. Die »negative Beziehung auf sich selbst«, von der Hegel spricht, besteht also darin, dass die Aspekte des eigenen Tuns, die selbstbezüglich sind, von anderen verschieden sind. Das Eigene, Meine, beim Tier: je sein Lebensraum, nicht bloß je sein Körper, ist dazu von Anderem, was also zu anderen Wesen derselben Art oder anderer Arten gehört, tätig zu unterscheiden, und das geschieht zunächst im animalischen Gewahrsein und der Aufmerksamkeit, dann aber auch im personalen Bewusstsein und Selbstbewusstsein. So ist auch Gott in seinem unmittelbaren Begri=e nicht Geist; der Geist ist nicht das Unmittelbare, der Vermittlung entgegengesetzte, sondern vielmehr das seine Unmittelbarkeit ewig setzende und ewig | aus ihr in sich zurükkehrende Wesen. Unmittelbar ist daher Gott nur die Natur. Oder die Natur ist nur ¦ der innere, nicht als Geist wirkliche und damit nicht der wahrhafte Gott. – (367 f. | 210 f.) Es überrascht oder sollte überraschen, dass Hegel als weiteres Beispiel Gott nennt. Hier allerdings wird unmittelbar klar, dass die Entwicklung des Wesens zum Begri= eine Entwicklung reflexionslogischen Selbstbewusstseins ist. Es geht nicht um Gott als bekannt
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unterstellter Gegenstand, sondern um den Begri= Gottes, den Gegenstand eines Denkens, in dem das Wort »Gott« vorkommt. Dazu erläutert Hegel, dass im unmittelbaren Verständnis der Rede von Gott noch nicht vom menschlichen Geist, d. h. dem menschlichen Wissen (besonders der Institution Wissenschaft als Instanz der Prüfung von Wahrheitsansprüchen) in idealer Reflexion die Rede ist, sondern bloß erst von der Natur, dem Wesen der Dinge. Das ist der positive Sinn der Formel »deus sive natura« bei Spinoza. Man stelle sich das so vor, dass Natur sich ewig setzt und ewig in sich zurückkehrt, d. h. dass das ewige Wesen alle Erscheinungen der Welt irgendwie ›hervorbringt‹ und zugleich das Gesamt dieser Erscheinungen als Natur ›ist‹. Eben damit aber wird die Natur rein innerlich und nicht in ihrem Begri= begri=en, also nur äußerlich verstanden. Das ist so gerade im Blick auf den Kontrast zwischen subjektiver Erscheinung und objektiver Natur als dem zugrundeliegenden Wesen. Man abstrahiert vom Wissen, Denken, begri=lichen Unterscheiden und Schließen, also vom Geist des Menschen bzw. dem wahren Verständnis des spekulativen Reflexionsterminus »Gott«. Oder Gott ist im Denken, als erstem Denken, nur das reine Seyn, oder auch das Wesen, das abstracte Absolute; nicht aber Gott als absoluter Geist, als welcher allein die wahrhafte Natur Gottes ist. (368 | 211) Mit der Reflexion auf Gott reflektieren wir, wenn wir Gott als Geist fassen, auf das Denken insgesamt, also auf uns (alle) als denkende und handelnde Personen. Gott ist in diesen Kontexten die ideale generische Person schlechthin. Er ›ist‹ damit die Wahrheit und er ›ist‹ als solche »im Denken« – jetzt auch in dem Sinn, als wir mit Hilfe des Wortes »Gott« auf den Begri= der Wahrheit reflektieren. Denken zielt dabei immer ab auf richtiges, wahres Denken. Aber im Denken ist Gott zunächst »nur das reine Sein, oder auch das Wesen, das abstrakte Absolute«, also eine idealtranszendente und damit in ihrer Konkretheit noch nicht verstandene Wahrheit. Gott als absoluter Geist ist dagegen schon der Gesamtvollzug denkenden Lebens, nicht bloß ein jenseitiges Ideal, das wir uns zu unserer Orientierung selbst entwerfen. Die »wahrhafte Natur Gottes«, sein recht
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verstandenes Wesen, ist die Realisierung des Begri=s des denkenden Seins als Person, also ›Idee‹. Heinrich Heine versteht diesen Gedanken im Grunde durchaus, aber leider bloß erst oberflächlich. In seinen Geständnissen sagt er, es sei ihm zu anstrengend geworden, Hegel zu folgen und selbst Gott zu sein. Daher ist er lieber in einen erbaulichen Glauben an einen lieben und guten Gott der Väter zurückgekehrt. Er folgt darin anderen Hegelkritikern, von Schelling bis Kierkegaard. 3. Die erste der betrachteten Identitäten des Innern und Aeussern ist die gegen den Unterschied dieser Bestimmungen als gegen eine ihr äussere Form gleichgültige Grundlage, oder sie als Inhalt. Die zweyte ist die unvermittelte Identität ihres Unterschiedes, die unmittelbare Umkehrung jeder in ihre entgegengesetzte; – oder sie als reine Form. Aber diese beyden Identitäten sind nur die Seiten Einer Totalität; oder sie selbst ist nur die Umkehrung der einen in die andre. (368 | 211) Dass Hegel der Logiker der Abstraktion ist, bestätigt sich in der vorliegenden Anmerkung, in der er von der »gegen eine ihr äußere Form gleichgültige Grundlage« und von einer »ersten Identität« spricht. Gemeint ist der Inhalt als das, was zwei inhaltsgleiche und damit sinnäquivalente äußere Formen wie z. B. »es regnet« und »it rains« auf verschiedene, aber gleich gültige Weise ausdrücken. Die zweite Identität soll nun aber »die unvermittelte Identität ihres Unterschiedes« sein. Zunächst ist unklar, was das sein soll, erst recht, wenn Hegel hinzufügt, es handele sich um »die unmittelbare Umkehrung« von Innerem und Äußerem »in ihre entgegengesetzte« Bestimmung, so dass also das Innere zum Äußeren und das Äußere zum Inneren wird. Die Verwirrung wird perfekt durch den Zusatz, sie, d. h. die zweite Identität, sei »reine Form«. Ich lese das so, dass das innere Wesen einer Sache als Kraft oder zugeschriebene Disposition eigentlich dasselbe ist wie die Kraftäußerung oder bedingte Wirkung, so dass der Unterschied oder Kontrast zwischen Innen und Außen aufgehoben ist – zumal oberflächliche Urteile ein falsches Inneres hypostasieren und gute Inhaltsbestimmungen zu guten Orientierungen in der realen äußeren Welt führen müssen, also das wahre Innere äußerlich und die gut verstandene Er-
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scheinung durch allgemeine Inhalte erklärt ist. Damit werden Wesen und Erscheinung, Kraft und Wirkung zu Momenten einer Gesamtform der Darstellung und Erklärung, als der einen »Totalität«, wobei jedes Moment je nur verbale Umkehrung des anderen Moments ist. Das wiederum heißt, dass unsere Kontrastierungen von (äußerer) Gestalt und (innerer) Form relative und relationale Kontrastierungen sind. Wer rein inhaltlich denkt, denkt oberflächlich. Das ist so, weil er nicht auf die immer schwierige Projektion von Wörtern und Sätzen, Regeln und Inferenzformen auf andere, inhaltsgleiche, und auf die Erscheinungen der empirischen Welt reflektiert. Nur wer auch auf das äußere Tun im Reden, Urteilen, Subsumieren, Schließen usf. achtet, denkt wirklich inhaltlich. Der reine Sachbezug kennt die Scheuklappen seiner Unterstellungen und logisch-semantischen Präsuppositionen nicht, nimmt sie nicht wahr, gerade weil er unmittelbar mit ihnen operiert. Die Totalität als Grundlage und Inhalt ist diese in sich reflectirte Unmittelbarkeit nur durch die voraussetzende Reflexion der Form, die ihren Unterschied aufhebt, und sich als gleichgültige Identität, als reflectirte Einheit gegen ihn setzt. Oder der Inhalt ist die Form selbst, insofern sie sich als Verschiedenheit bestimmt, und sich selbst zu einer ihrer Seiten, als Aeusserlichkeit, zu der andern aber als in sich reflectirte Unmittelbarkeit oder zum Innern macht. (368 | 211) Man wird sich nicht gern mit dem Hinweis abspeisen lassen, dass in der Totalität der Gesamtheit Wesen und Erscheinung, Kraft und Wirkung in eins fällt, identisch ist, zumal man mit Recht eine Aversion gegen holistische Handbewegungen pflegt. Dennoch versteht man Beziehungen und relationale Begri=smomente nur durch Einbettung in das relative Gesamt. Das gilt insbesondere für die Relation zwischen Form und Inhalt, Wesen und Erscheinung, Kraft und Wirkung. Hegel hat daher völlig recht, diese Verschiedenheiten nur als Formmomente auszuweisen, mit der Folge, dass alle Urteile logisch ungediegen bleiben, welche hier von unabhängigen Gegenständen und Ereignissen, Ursachen und Folgen zu reden belieben, ohne zu bemerken, wie unstreng und oberflächlich sie dabei denken und nachdenken. Dadurch sind also umgekehrt die Unterschiede der Form, das Innre und das Aeussere, jedes an ihm selbst gesetzt als die Tota-
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lität seiner und seines andern; das Innre ist als einfache in sich reflectirte Identität, das Unmittelbare und daher so sehr Seyn und Aeusserlichkeit, als Wesen; und das Aeussere ist als das mannichfaltige, bestimmte Seyn, nur äusseres d. h. gesetzt als un|wesentlich und in seinen Grund zurükgegangen, somit als Inneres. Dieses Uebergehen beyder in einander ist ihre unmittelbare Identität, als Grundlage; aber es ist auch ihre vermittelte Identität; nemlich jedes ist eben durch sein anderes, was es an sich ist, die Totalität des Verhältnisses. Oder umgekehrt die Bestimmtheit einer jeden Seite ist dadurch, daß sie an ihr die Totalität ist, mit der andern Bestimmtheit vermittelt; die Totalität vermittelt sich so durch die Form oder die Bestimmtheit mit sich selbst, und die Bestimmtheit vermittelt sich durch ihre einfache Identität mit sich. (368 | 211 f.) Im Fall des Kontrastes von Kraft und Wirkung sind sozusagen alle Relationen zwischen Äußerem und Innerem, Sein und Wesen, Kraft und Wirkung zu betrachten. Das Äußere ist dabei als mannigfaltige Äußerung des Inneren gerade vom Inneren mit unwesentlichen Variationen als seiner Ursache her begri=en, welche auf der Sprachebene als Grund der Erscheinung angegeben wird. Im Hin und Her von Ursache und Wirkung, von generischem Grund und besonderer Folge, besteht die gemeinsame Grundlage des Inneren und Äußeren, der Kraft und ihrer Wirkung. Vermittelt ist der Übergang erstens durch das Gesamtverhältnis und zweitens durch eine begri=liche Übergangsregel der Art: »Wo (nasses) Holz verbrannt wird, entsteht Rauch«. »Wenn Hydrogen auf Oxygen tri=t, entsteht Wasser«. Was Etwas ist, das ist es daher ganz in seiner Aeusserlichkeit; seine Aeusserlichkeit ist seine Totalität, sie ist eben so sehr seine in sich reflectirte Einheit. Seine Erscheinung ist nicht nur die Reflexion in Anderes, sondern in sich, und seine Aeusserlichkeit daher die Aeusserung dessen, was es an sich ist; und indem so sein Inhalt und seine Form schlechthin identisch sind, so ist es nichts an und für sich als diß, sich zu äussern. Es ist das O=enbaren seines Wesens, so daß diß Wesen eben nur darin besteht, das sich o=enbarende zu seyn. (368 | 212) Was immer wir als ein Etwas, ein Ding, Ereignis oder Prozess von anderen in der Welt unterscheiden, es ist ganz durch seine Äußer-
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lichkeit bestimmt. Das ist Hegels Umformulierung von Kants Rede, dass es Erscheinung ist. Diese Äußerlichkeit aber ist das Ganze, die Totalität der Präsentationen und Repräsentationen des Etwas, des Gegenstandes der Rede oder der perzeptivisch-praktischen Bezugnahme. Die in sich reflektierte Einheit ergibt sich aus den Zuordnungen dessen, wie sich etwas präsentiert und wie wir es repräsentieren. Damit bestimmen wir sein besonderes Fürsichsein, wobei wir das generische Ansichsein seiner Art oder des Typus schon als bestimmt und passend voraussetzen. Die Erscheinung der Sachen ist nicht nur »Reflexion in Anderes«, also nicht einfach das, was bei mir oder dir so und so aufscheint. Es ist vielmehr eine Art Gesamt von Wirkungen auf Anderes – und ein Gesamt von Relationen auf sich selbst, bedingt durch sein Ansichsein, also dadurch, was es dem Genus oder Typ nach ist. Das Ding selbst ist nichts als das Gesamt seiner Äußerungen auf irgendwelche anderen Dinge und Wesen, nicht etwa bloß auf uns, wie Humes und Kants epistemisch verkürzte Analysen suggerieren. Das wesentliche Verhältniß hat sich in dieser Identität der Erscheinung mit dem Innern oder dem Wesen zur Wirklichkeit bestimmt. ¦| (368 | 212) Das wesentliche Verhältnis eines Dinges zu anderen Dingen ist Wirklichkeit gerade im Sinne der wesens- und identitätsbestimmenden Beziehung von Innerem und Äußeren, Wesen und Erscheinung.
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Die Wirklichkeit ist die Einheit des Wesens und der Existenz; in ihr hat das gestaltlose Wesen und die haltlose Erscheinung; – oder das bestimmungslose Bestehen und die bestandlose Mannichfaltigkeit ihre Wahrheit. Die Existenz ist zwar die aus dem Grunde hervorgegangene Unmittelbarkeit, aber sie hat die Form noch nicht an ihr gesetzt; indem sie sich bestimmt und formirt, ist sie die Erscheinung ; und indem sich diß nur als Reflexion-in-anderes bestimmte Bestehen zur Reflexion-in-sich fortbildet, wird es zu zwey Welten, zwey Totalitäten des Inhalts, deren die eine als in sich, die andere als in anderes reflectirte bestimmt ist. (369 | 213) Dass die Wirklichkeit Einheit von Wesen und Existenz ist, ist nominalisierter Kurzausdruck dafür, dass eine Aussage der Form »etwas ist wirklich so« oder »etwas gibt es wirklich« gerade besagt, dass der Arttypus, der das Wesen bestimmt, konkret aktualisiert ist. Hunde können z. B. ganz verschiedene Gestalten haben. Die Erscheinung als solche ist bloß erst »haltlos«. In der wirklichen, konkreten Sache kommen Wesen und Erscheinungen zusammen. Die Existenz eines wirklichen Dinges bedeutet – es wiederholt sich hier alles –, dass das Ding als unmittelbare Ursache seiner Erscheinung aufgefasst werden kann und muss: Es ist der Grund, als inhaltliche Angabe einer Begründung dafür, warum etwas hier so erscheint. Dass das allerdings die Form ist, in welcher wir die wirkliche Existenz eines Dinges zu verstehen haben, ist im normalen Reden noch unbewusst. Erst in der Betonung durch den Gebrauch der reflektierenden Bewertungswörter »Existenz« und »Wirklichkeit« wird diese Form explizit ›gesetzt‹. Die Rede davon, dass die Existenz sich »bestimmt und formiert«, ist natürlich so zu lesen: Etwas gibt es wirklich nur als in ihrer Form bestimmte Erscheinung. Indem wir von der Erscheinung des Dinges – als Reflexion in Anderes – zu den Selbstbeziehungen und damit der Identität des Dinges übergehen, entstehen der Form nach zwei Welten, die der Dinge selbst oder an sich (die bei Kant in verwirrter Weise als unerkennbar ausgegeben werden) und die ihrer Erscheinungen (die Kant ebenfalls falsch als Gegenstände für uns ansieht). Es zerfällt
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die Welt damit in »zwei Totalitäten des Inhalts«, eben die der Erscheinung und der vermeintlich bloß an sich (bei Hegel: für sich) seienden Sachen selbst. Hegel unterscheidet stattdessen die Wirklichkeit der generisch richtig bestimmten Dinge und Sachen und die Realität ihrer bloß präsentischen Wirkungen in empirischen Erscheinungen diverser Art. Das wesentliche Verhältniß aber stellt ihre Formbeziehung dar, deren Vollendung das Verhältniß des Innern und Aeussern ist, daß der Inhalt beyder nur Eine identische Grundlage und eben so sehr nur Eine Identität der Form ist. – Dadurch daß sich auch diese Identität in Ansehung der Form ergeben hat, ist die Formbestimmung ihrer Verschiedenheit aufgehoben und es ist gesetzt, daß sie Eine absolute Totalität sind. (369 | 213) Das wesentliche Verhältnis ist die Beziehung zwischen Ding oder Sache und Wirkung. Diese ist eine Formbeziehung, eben weil wir zwischen der Sache selbst als einem Formmoment und ihrer Äußerung unterscheiden – so dass diese Relation gerade zum Verhältnis von Innen und Außen wird. Das klingt nur für den mystisch, der noch nicht über die Konstitution der Sache für sich im Unterschied zu ihren relationalen Äußerungen und Wirkungen auf uns oder andere Dinge nachgedacht hat. Aus der Totalen betrachtet bildet das Innen und Außen eine Einheit: Das Ding selbst ist Moment in der Darstellung und Rede über das Gesamt seines Seins, inklusive seiner Wirkungen und Äußerungen. Aber nur dann, wenn wir den Kontrast zwischen einer Sache und ihrer Erscheinung aufheben, wird das Gesamt der Wirkungen oder Äußerungen der Sache zur Gesamtsache. In der normalen Rede über Sachen und Dinge dagegen tritt hier immer ein Formunterschied auf, den wir als eine Unterscheidung in ›einer absoluten Totalität‹ auffassen können und müssen, in der das wirklich existierende Ding seinen Erscheinungen ebenso entgegengestellt wird, wie einem von ihm gegebenenfalls produzierten Schein, also den Verursachungen von Fehlzuschreibungen oder Fehlbeurteilungen. Diese Einheit des Innern und Aeussern ist die absolute Wirklichkeit. Diese Wirklichkeit aber ist | zunächst das Absolute als solches; – insofern sie als Einheit gesetzt ist, in der sich die Form aufgehoben,
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und zu dem leeren oder äussern Unterschiede eines Aeussern und Innern gemacht hat. Die Reflexion verhält sich gegen diß Absolute als äusserliche, welche es vielmehr nur betrachtet, als daß sie seine eigene Bewegung wäre. Indem sie aber wesentlich diß ist, ist sie als seine negative Rükkehr in sich. Zweytens die eigentliche Wirklichkeit. Wirklichkeit, Möglichkeit, und Nothwendigkeit machen die formellen Momente des Absoluten, oder die Reflexion desselben aus. (369 | 213 f.) Die Einheit des Inneren und Äußeren, der Sache für sich und ihrer Erscheinungen, ist die absolute Wirklichkeit. Sie ist das Absolute als solches. Man kann das auch so sagen, wenn man von der je besonderen Perspektive je hier und jetzt (von mir her) absieht: Das Absolute ist alles, was war, ist und sein wird. Das ist, insbesondere was die Zukunft angeht, natürlich bloß eine holistische Arm- oder Handbewegung, die irgendwie ›alles‹ umfasst. Diese Einheit ist freilich nie unmittelbar verfügbar. Es gibt sie nur so, dass wir die normale Form des Kontrastes und der Beziehung zwischen dem Ding und seinen Erscheinungen in Gedanken aufheben, etwa indem wir den je konkreten Unterschied zwischen dem Inneren und Äußeren zu einem leeren oder bloß äußeren Unterschied gemacht haben – als lägen uns die Dinge und ihre Äußerungen getrennt vor und als ließen sie sich vereinigen zu einem Gesamtphänomen. Indem das Absolute nicht einfach Erscheinung für uns ist, sondern Einheit der Sache mit allen ihren Äußerungen, ist sie, die Sache, »negative Rückkehr in sich«. Jedes existierende Ding ist von dieser Form und setzt daher eine konstruktive und zugleich nomologisch gesetzte ›kausale‹ Beziehung zwischen diesem Ding und seiner Äußerung voraus. Es sollte jetzt klar sein, dass Hegel hier einfachste Formen der Rede über die Welt und über unsere Weltbezugnahmen kommentiert. Damit wird analysiert, was Erfahrungen überhaupt sind. Im Kontrast zu bloß animalischen experiences machen wir als personale Subjekte gute und manchmal auch schlechte Erfahrungen mit den Formen, in denen wir Dinge und Sachen voneinander unterscheiden, den Dingen und Sachen ihre Phänomene oder Erscheinungen auch als Folgen und Wirkungen bis in eine indefinite Zukunft
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hinein zuschreiben und uns an entsprechenden Erwartungen orientieren. Entsprechend ist der Begri= der (eigentlichen) Wirklichkeit zu erläutern. Die Modalitäten des Wirklichen, Möglichen und Notwendigen gehören jedenfalls zu den ›formellen Momenten des Absoluten‹ – die es jetzt in einer Reflexion auf das, was es gibt, auszulegen gilt. Drittens die Einheit des Absoluten und seiner Reflexion ist das absolute Verhältniß, oder vielmehr das Absolute als Verhältniß zu sich selbst; Substanz. ¦| (369 | 214) Die Einheit des Absoluten und seiner Reflexion als Einheit des Anund-für-sich-Seins einer Sache mit unseren reflektierenden Zugängen zu dieser Sache ist das absolute Verhältnis von Sache und Erscheinung. Als solches ist das Absolute ein Verhältnis der Gesamtsache zu sich selbst. Jede Rede von einer Substanz – ob der aristotelischen ousia als endlicher Substanz oder der spinozistischen Substanz als der gesamten Welt – verweist auf dieses ›absolute Verhältnis‹. Die drei Punkte sind in dem schwierigen Einleitungstext bloß erst vorgreifend skizziert und werden im Folgenden genauer erörtert und erläutert.
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Erstes Kapitel. Das Absolute Die einfache gediegene Identität des Absoluten ist unbestimmt, oder in ihr hat sich vielmehr alle Bestimmtheit des Wesens und der Existenz, oder des Seyns überhaupt sowohl als der Reflexion aufgelöst. Insofern fällt das Bestimmen dessen, was das Absolute sey, negativ aus, und das Absolute selbst erscheint nur als die Negation aller Prädicate und als das Leere. (370 | 215) Die einfache, vollständige Einheit dessen, was man als das Absolute anspricht, ist das unbestimmte Sein im Vollzug, ohne jede Bezugnahme. Es ist das, was dem trivialen und bestimmungsleeren Satz »Es ist, wie es ist« korrespondiert oder, je für mich, dem Satz »Ich bin, der ich bin«. Hier ist alle begri=liche Determiniertheit des Wesens und der Existenz, also der Aktualisierung unterschiedener begri=licher Arttypen aufgelöst. Daher ist das Absolute gerade so bestimmt, dass es nicht näher bestimmt ist. Es erscheint in dieser
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reflexionslogischen Darstellung als »Negation aller Prädikate« und daher »als das Leere«. Es wiederholt sich hier die Form der Bewegung der Seinslogik vom unbestimmten Sein zur Leere des Nichts im Sinne eines Nicht-Etwas, also im Sinne dessen, dass es nicht als so und so bestimmt verstanden werden kann. Die Wiederholung findet jetzt aber auf der Ebene der Reflexion auf Sachen und ihre Erscheinungen bzw. Repräsentationen statt. Aber indem es eben so sehr als die Position aller Prädicate ausgesprochen werden muß, erscheint es als der formellste Widerspruch. (370 | 215) Die »Position aller Prädikate« ist ein anderer Ausdruck dafür, dass ein Gegenstand, absolut genommen, als reiner Träger von Eigenschaften erscheint. Das aber ist ein innerer Widerspruch. Denn seine Identität setzt wesensbestimmende Art-Eigenschaften, Gleichungen und Ungleichungen voraus. Dass z. B. die Zahl 2 kleiner als die Zahl 3 ist, ist für sie keine äußere Eigenschaft. Nur als Stellen in dieser Ordnung sind Zahlen das, was sie sind. Aber es können Gegenstände auch nicht als eine Art Bündel von freischwebenden Qualitäten verstanden werden. Nur in einem System basaler Benennungen n, m, . . . und basalen Relationen n R m des Für-sich-Seins und des Für-anderes-Seins gibt es die benannten Gegenstände und Eigenschaften in ihrer Bestimmheit. Jede Vorstellung sowohl von Gegenständen ohne wesensbestimmende Relationen und Eigenschaften als auch von Prädikaten ohne Gegenstände »erscheint als der formellste Widerspruch« der Logik. In der Tat ist in einer Sinnanalyse nichts so falsch wie die blinde ontologische Unterstellung eines Bereiches gegebener Gegenstände, die rein als Träger von Eigenschaften aufgefasst werden. Das gilt schon für den mathematisch-physikalischen Pythagoräismus, der so daherredet, als seien die reinen Zahlen und Mengen, Raumpunkte und Zeitpunkte irgendwie gegeben und als sei es nur wichtig, welche relationalen Eigenschaften diese Entitäten haben. Diese ontologische Naivität übersieht, dass wir vorgängig ein System von Entitäten-Benennungen zu betrachten haben, die ebenso qualitativ bestimmt sind wie Zi=ernfolgen oder geometrische Diagramme.
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Der tiefste Widerspruch einer naiven reflexionslogischen Philosophie ist also die Annahme eines in seiner sprachlogischen Konstitution nicht weiter zu analysierenden Gegenstandsbereichs. Das ist der wahre Mythus des Gegebenen, wie er sogar noch bei Frege vorkommt, woraus sich der innere Widerspruch seiner Definitionsversuche von Mengen und Zahlen notwendig ergibt. Insofern jenes Negiren und dieses Setzen, der äussern Reflexion angehört, so ist es eine formelle unsystematische Dialektik, die mit leichter Mühe die mancherley Bestimmungen hieher und dorther aufgreift, und mit eben so leichter Mühe einerseits ihre Endlichkeit und blosse Relativität aufzeigt, als andererseits, indem es ihr als die Totalität vorschwebt, auch das Innwohnen aller Bestimmungen von ihm ausspricht, – ohne diese Positionen und jene Negationen zu einer wahrhaften Einheit erheben zu können. – (370 | 215) Die Vorstellung reiner Gegenstände ist wie Kants Vorstellung von einem qualitätsfreien Ding an sich, das in keinerlei vorgängigen Relation zu uns und anderen ›Rezipienten‹ der ›wesentlichen‹ Qualitäten des Gegenstandes gedacht sein soll, ein reines Gerede äußerer, oberflächlicher Reflexion. Die Negation aller prädikativen Qualitäten und Relationen lässt gar nichts mehr übrig; sie zerstört nicht nur unseren epistemischen Zugang. Ein solches Vorgehen geißelt Hegel mit Recht als »unsystematische Dialektik«, in der man »mit leichter Mühe«, also willkürlich, manche Bestimmungen weglässt und andere stehen lässt, ohne die methodische Ordnung in der Konstitution von Gegenstands-Prädikat-Bereichen überhaupt zu begreifen oder gar technisch zu beherrschen. Im Blick auf innerweltliche Gegenstände zeigt man so »mit leichter Mühe« einerseits ihre Endlichkeit – jedes Ding ist raumzeitlich begrenzt und bloß relativ zu gesetzten Gleichungen und bestimmten prozessualen Relationen definiert –, andererseits enthält es bei anderer Betrachtung die ganze Welt in sich, wie eine Monade M , welche die Totalität des Ganzen insofern in sich spiegelt, als alle Relationen R (M , S ) von M zu allen anderen Sachen S in der Welt als Eigenschaften R S (M ) nach der – freilich metaphorischen – Redeweise der klassischen Logik »in M enthalten sind«. In solchen Betrachtungen werden weder die ›Positionen‹ oder Voraussetzungen der Gegenstände noch die Negationen oder prädikativen (auch rela-
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tionalen) Unterscheidungen »zu einer wahrhaften Einheit« erhoben. D. h., es wird die Form der Rede über Gegenstände und Eigenschaften, Namen und Prädikate als solche noch gar nicht voll begri=en und schon gar nicht in ihrer konkreten, je lokalen Konstitution. Es soll aber dargestellt werden, was das Absolute ist; aber diß Darstellen kann nicht ein Bestimmen noch äussere Reflexion seyn, wodurch Bestimmungen desselben würden, sondern es ist die Auslegung und zwar die eigene Auslegung des Absoluten, und nur ein Zeigen dessen was es ist. | (370 | 215) So wie das Reden über ›alles‹ eine große Handbewegung ist, ist jede spekulative, logische, Reflexion auf das Wirkliche oder Absolute eigentlich nur ein Zeigen und Kommentieren von reflexionslogischen Aussagen der Art »es ist wirklich so . . . « oder »absolut objektiv gesehen gilt . . . « – oder dann auch von Aussagen ›über‹ das Absolute oder die Wirklichkeit wie in Spinozas Philosophie oder in der Monadologie von Leibniz. Hegels Zugang ist die eines sinnkritischen Logikers, nicht die eines gläubigen Theologen oder einer metaphysischen ›Theorie‹ im Sinn eines Weltbildentwurfs. Es geht hier insbesondere nicht nur um eine allgemeine Gegenstandformanalyse, sondern es soll »dargestellt werden, was das Absolute ist«. Eine Antwort ist weder narrativ, ›erzählweise‹, noch in der Form üblicher definitorischer Erläuterungen möglich. Man kann also nicht etwa definieren: »x ist absolut genau dann, wenn φ(x ) gilt«. Auch andere äußere Reflexionen wie Kants Rede von einem »Abziehen« und »Absehen« helfen hier nicht weiter. Es ist ein großer Satz und eine tiefe Einsicht, dass man das Absolute nur zeigend erläutern kann. Denn das Absolute ist und bleibt das Sein im Vollzug: Es ist, was und wie es ist, und zwar je präsentisch, und das je so, dass seine sprachlichen Bestimmungen oder generischen Unterscheidungen von anderen Typen oder Arten oder Formen je sekundär sind. Dass wir auf das Zeigen zurückgeworfen sind, ist am Ende eine Variante der Einsicht Goethes, dass individuelle Token als unausschöpfbar anzuerkennen sind. Jede Gleichung oder jede Identität in der Welt ist als Setzung eine generische Äquivalenz, ein Verzicht auf feinere Unterscheidungen und in diesem Sinn Negation der Negation. Wer immer feiner unterscheiden will und nur Di=eren-
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zen lehren möchte, wird daher leichtes, aber eben deswegen auch langweiliges Spiel haben. Er wird nie eine Struktur oder Form erkennen. ›Alles‹ unterscheiden zu wollen führt dazu, dass man ins Leere der Mannigfaltigkeit di=user Unterschiedlichkeiten und damit in eine flimmernde Pixel-Welt des Absoluten fällt.
A. Die Auslegung des Absoluten Das Absolute ist nicht nur das Seyn, noch auch das Wesen. Jene ist die erste unreflectirte Unmittelbarkeit, diese die reflectirte; jedes ist ferner Totalität an ihm selbst; aber eine bestimmte. Am Wesen tritt das Seyn als Existenz hervor; und die Beziehung von Seyn und Wesen hat sich bis zum Verhältnisse des Innern und Aeussern fortgebildet. Das Innre ist das Wesen aber als die Totalität, welche wesentlich die Bestimmung hat, auf das Seyn bezogen und unmittelbar Seyn zu seyn. Das Aeussere ist das Seyn, aber mit der wesentlichen Bestimmung, auf die Reflexion bezogen unmittelbar eben so verhältnißlose Identität mit dem Wesen zu seyn. Das Absolute selbst ist die absolute ¦ Einheit beyder; es ist dasjenige, was überhaupt den Grund des wesentlichen Verhältnisses ausmacht, das als Verhältniß nur noch nicht in diese seine Identität zurükgegangen, und dessen Grund noch nicht gesetzt ist. (370 f. | 216) Ein üblicher Kritikpunkt an Hegels Vorgehen betri=t den Gebrauch von ist-Sätzen zur Artikulation von analytisch-rekonstruktiven Vorschlägen einer kanonischen Unterscheidung und ihrer Artikulation. Beim einfachen Leser erzeugen sie den Schein, Hegel würde etwas über das Absolute, das Sein, Wesen oder Ding behaupten oder versichern. Stattdessen weiß Hegel, dass viele »ist«-Sätze einfach als erläuternde Reflexionsaussagen zu lesen sind, etwa »Gott ist gut« als Kürzel für »Die Rede von Gott meint häufig das Allgute« oder »Gott ist die Wahrheit« als Stenographie für »Wir reden über eine Art kontrafaktisches Großsubjekt, Gott, um ex negativo einen für uns per definitionem nie in seinem ganzen Umfang durch endliches Wissen ausschöpfbaren ganzumfänglichen Wahrheitsbegri= andeutend benennen zu können«.
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Eben hat Hegel entsprechend schon das Vorstellungsbild demontiert, es könne ein qualitätsfreies Ding an sich als Ursache aller seiner Erscheinungen geben, und im Grunde vorgeschlagen, den Kontrast zwischen dem Gegenstand als Träger und Verursacher dispositioneller und dann auch wahrnehmbarer Eigenschaften nie absolut, sondern je nur relativiert auf die Gegenstandsarten, den Gegenstand an sich in Hegels generischem Sinn, und damit auf eine lokale Kontrastierung von Gegenstand und Gegenstandseigenschaften hin zu lesen.66 Mit anderen Worten, es hängt, erstens, an der unterstellten Gegenstandsart, ob wir uns z. B. in einer Anschauungssituation auf eine Katze oder bloß eine Katzengestalt oder einen lokalisierten Farbfleck beziehen. Katzengestalten und Farbflecke haben ganz andere Eigenschaften (bestimmt durch semantisch zulässige Relationswörter) als Katzen, so wie reelle Zahlen andere Eigenschaften haben als die sie repräsentierenden rationalen Zahlenfolgen, Proportionen oder Brüche. Es ist, zweitens, durch den Gegenstand an sich, die Gegenstandsart, bestimmt, was ein einzelner Gegenstand überhaupt ›bewirken‹ kann. Eine Katze kann z. B. eine Maus fangen oder auf mich den Eindruck der Behaglichkeit erzeugen. Weder die Summe der Zellen noch der Atome in einer Katze kann das, schon gar nicht das Katzengehirn (allein). Dass die Katze nicht ihr Gehirn ist, ist übrigens sogar allen Naturalisten klar; nur bei sich selber werden sie unsicher und verstehen die Form ihrer eigenen Metaphern nicht, etwa in den Orakeln »Ich bin mein Gehirn« oder »wie das Gehirn den Willen und meine Handlungen steuert«. Das Problem der entsprechenden Wissenschaft liegt also in einem mangelnden logischen Sprachverständnis – das Grundproblem aller noch nicht philosophischen, d. h. begri=lich selbstbewussten Die Unterscheidungen zwischen Namen n, m . . . und Prädikaten als basalen Prädikatoren n R m oder als komplexe Aussageformen φ(x ) und die dazugehörigen Unterscheidungen zwischen Gegenständen und (dispositionellen, bedingt wirkenden) Eigenschaften sind demnach als variable Formunterscheidungen zu verstehen. Jeder, der diese Variabilität nicht begreift, geht an der Logik der Sprache, an der Struktur des Redens und Denkens vorbei. 66
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Wissenschaft, von der Neurophysiologie bis zur Theologie und Psychologie. Das Hauptproblem freilich ist, drittens, dass jede sinnvolle Rede von Ursachen nicht an den Einzelgegenständen, sondern an den Arten bzw. generischen Typen in ihren kontextuellen Besonderungen hängt. Nur als Aktualisierung einer generischen Verursachungs- oder, auf der Ausdrucksebene, der entsprechenden kausalen Erklärungsform kann eine Sache (ein Ding) etwas verursachen. Jetzt kommen wir endlich zurück zu unserem Textabschnitt: Dass das Absolute weder bloß Sein noch Wesen ist, bedeutet, dass wir in der Rede über das Absolute nicht bloß in einer großen Handbewegung auf alles, was ist, verweisen. Es wird in gewissem Sinn implizit auf ein perfektes Wissen über das Sein und das Wesen rekurriert. Daher war das Absolute traditionell immer theologisch konnotiert gewesen. Alle Totalitätswörter wie »Sein«, »All«, »Kosmos«, »Welt«, »Natur«, »Wirklichkeit«, »Wesen« bzw. die auf das Wissen mitreflektierenden Wörter »Gott«, »Wahrheit«, »Allwissen« erweisen sich jetzt aber sozusagen als koextensional. Das sind sie im Blick auf den Umfang der großen Handbewegung, die alles umfassen möchte, so wie Cantors reine Mengenlehre das All der reinen Mathematik.67 Wenn wir Sein, Seiendes, Existenz, Einheit, Identität unterscheiden, dann als Momente der logischen Form von Gegenstand und Gegenstandsbereich. Dasselbe gilt nun nach Hegel auch für Sein, Wesen, Wirklichkeit und das Absolute. Das Sein ist Alles im Modus unreflektierter Unmittelbarkeit. Das Wesen ist Alles im Modus der Reflexion auf Ursachen und Sachen an sich, verstanden als generische Sachtypen. Das Sein wird zur Existenz
67 Hegel ist deswegen von Platons Dialog
Parmenides begeistert, weil dort die Koextensionalität des Seienden (to on), der Identität mit sich (tauton), der Existenz (einai) und der Einheit (to hen) explizit wird. Es sieht also schon Platon in gewisser Weise, dass in gegenständlicher Rede (in sortalen und quasi-sortalen Gegenstandsbereichen G ) jeder Gegenstand mit sich identisch ist, existiert, Element im richtigen Bereich ist, als Einheit nicht feiner zu unterteilen ist relativ zu den relevanten Eigenschaftsunterscheidungen und zum Bereich des passenden Existenz- und Allquantors über G gehört.
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des Wesens, der Äußerung dessen, was wir begri=lich in die Dinge legen und als (kräfteförmiges) Inneres, in älteren Redeformen: als ihre Seele, ansprechen. Innen und Außen, Wesen und Erscheinung sind relationale Modusbestimmungen des Seins. Das Absolute ist dann einfach die Einheit von Innerem und Äußerem, Wesen und Erscheinung, der Gesamtprozess des Wahren und Wirklichen, sozusagen. Hegel gibt dabei an dieser Stelle eher zu viele als zu wenige Bestimmungen an, wenn er das Absolute nicht bloß als Einheit, sondern auch als den Grund des wesentlichen Verhältnisses anspricht – was den Leser vielleicht verwirrt. Dabei weist er hier nur auf etwas vor, was erst später erläutert werden soll. Hieraus ergibt sich, daß die Bestimmung des Absoluten ist, die absolute Form zu seyn, aber zugleich nicht als die Identität, deren Momente nur einfache Bestimmtheiten sind; – sondern die Identität, deren Momente jedes an ihm selbst die Totalität, und somit als gleichgültig gegen die Form, der vollständige Inhalt des Ganzen ist. Aber umgekehrt ist das Absolute so der absolute Inhalt, daß der Inhalt, der als solcher gleichgültige Mannichfaltigkeit ist, die negative | Formbeziehung an ihm hat, wodurch seine Mannichfaltigkeit nur Eine gediegene Identität ist. (371 | 216 f.) Hegels Form der Reflexion sollte als Versuch gewertet werden, eine kanonische Kommentarsprache zu den logischen Modi des Weltzugangs zu entwickeln: auf das Sein, das Wesen, die äußeren Erscheinungen usf. Dieser Versuch ist insofern historisch missglückt, als das 19. und 20. Jahrhundert nicht in der Lage waren, den Vorschlag aufzugreifen, ja auch nur zu verstehen. Was heißt es nun, das Absolute als absolute Form (»idea«) zu verstehen, »aber . . . nicht als . . . Identität«? Die Rede von der Identität scheint auf die Einheit von Innen und Außen zurückzuverweisen, den vollständigen Inhalt des Ganzen. Zugleich soll das Absolute der absolute Inhalt sein. Die Rede vom Absoluten verweist in der Tat auf so etwas wie die Wahrheit in unseren Wesensaussagen mit ihren Reden von Ursache und Wirkung, Innerem und Äußerem, Wesen und Erscheinung, deren Gesamtgrund die Totalität der Welt selbst ist. Die Identität des Absoluten ist somit dadurch die absolute, daß jeder seiner Theile selbst das Ganze oder jede Bestimmtheit die
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Totalität ist, d. h. daß die Bestimmtheit überhaupt ein schlechthin durchsichtiger Schein, ein in seinem Gesetztseyn verschwundener Unterschied geworden ist. Wesen, Existenz, an sich seyende Welt, Ganzes, Theile, Kraft, – diese reflectirten Bestimmungen erscheinen dem Vorstellen als an und für sich geltendes, wahres Seyn; das Absolute aber ist gegen sie der Grund, in dem sie untergegangen sind. – Weil nun im Absoluten die Form nur die einfache Identität mit sich ist, so bestimmt sich das Absolute nicht; denn die Bestimmung ist ein Formunterschied, der zunächst als solcher gilt. Weil es aber zugleich allen Unterschied und Formbestimmung überhaupt enthält, oder weil es selbst die absolute Form und Reflexion ist, so muß auch die Verschiedenheit des Inhalts an ihm hervortreten. Aber das Absolute selbst ist die absolute Identität; diß ist seine Bestimmung, indem alle Mannichfaltigkeit der an sich seyenden und der erscheinenden Welt, oder der innerlichen und äusserlichen Totalität in ihm aufgehoben ist. – (371 | 217) In der üblichen Rede vom Absoluten denken die Leute nicht an das Allgesamt des Seins im Vollzug, sondern an dessen vorgestellten Grund. Aber auch dann gilt, dass jeder Teil des Absoluten auf das Ganze verweist – so dass es am Ende, wie Hegel zeigen wird, nur ein einziges Absolutes, eine einzigen Wirklichkeit gibt, so wie es nur ein einziges Ding an sich im Sinne Kants gibt: die ganze Welt. Diese darf aber so wenig wie Gott als großer Gegenstand missverstanden werden, aber auch nicht, wie bei Spinoza und in jedem formallogischen, damit mathematischen Modell, als bloß relationale Struktur. Wie die Leute in der Rede von Gott vergisst auch Spinoza, wie Hegel zeigen wird, das zentrale Moment der Zeit. Jeder Teil des Lebens verweist auf das Leben zunächst des Individuums im Ganzen und dann auch auf alles Leben. Dieses aber verweist auf Natur und Welt im Ganzen. Ich als Subjekt und Person, die ich bin, verweise auf das Ganze sowohl dadurch, dass ich nur im Ganzen bin, der ich bin, als auch dadurch, dass ich nur im holistischen Kontext meiner Bildung etwas weiß oder kann. Auch wenn Heinrich Heine es in seinen Geständnissen allzu anstrengend findet, als endliches Ich zugleich Gott zu sein – was er als spinnwebartige ›Theorie‹ Hegel zuschreibt – so ist es doch wahr: Es gibt keine sinnvolle Rede von
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Gott und dem Absoluten, die nicht als Reflexion auf uns in der Welt zu verstehen ist. Das Absolute ist der Grund, in dem alles Sein, Wesen, Ursache etc., seiende Welt, Kräfte etc. ›untergegangen‹ ist. Es schrumpft oder schnurrt alles in dieses eine Wort zusammen, gerade so wie in das Alternativwort »Gott«. Das, was damit gesagt ist, bleibt aber ganz unbestimmt, da aller Formunterschied aufgehoben (gedacht) wird. Zugleich soll das Absolute oder Gott alle Form und allen Inhalt enthalten. Mit anderen Worten, es liegt an der Unspezifik der Rede vom Absoluten als dem Eins-und-Alles, als Gesamt des Wirklichen, als Einheit von Wesen und Erscheinung etc., dass alle Unterschiede sich in ihm aufheben, weil es ›alles‹ (Reale, Wirkliche, Wahre) umfassen soll. Das erklärt dann auch die vermeintliche Unerkennbarkeit des Dings an sich in Kants generischem Sinn: es wird vorgestellt als absoluter Grund der ganzen Welt. Dieses Ding an sich kann aber nur dasselbe sein wie die Totalität der ganzen Welt, das Absolute, betrachtet in der Perspektive Gottes (sub specie aeternitatis). Es ist Spinozas Substanz, welche ebenfalls das Ganze der Welt ist, als Umfang einer großen Armbewegung, ohne alle Bestimmung und Unterschied. In ihm selbst ist kein Werden, denn es ist nicht das Seyn, noch ist es das sich reflectirende Bestimmen; denn es ist nicht das sich nur in sich bestimmende Wesen; es ist auch nicht ein sich äussern; denn es ist als die Identität des Innern und Aeussern. – Aber so steht die Bewegung der Reflexion seiner absoluten Identität gegenüber. Sie ist in dieser aufgehoben, so ist sie nur deren Inneres, hiemit aber ist sie ihr äusserlich. – Sie besteht daher zunächst nur darin, ihr Thun im Absoluten aufzuheben. Sie ist das Jenseits der | mannichfaltigen Unterschiede und Bestimmungen und deren Bewegung, welches dem Absoluten im Rücken liegt; sie ist daher zwar das Aufnehmen derselben, aber zugleich ihr Untergehen; so ist sie die negative Auslegung des Absoluten, die vorhin erwähnt wurde. – In ihrer wahrhaften Darstellung ist diese Auslegung das bisherige Ganze der logischen Bewegung der Sphäre des Seyns und des Wesens, deren Inhalt nicht von aussen als ein gegebener und zufälliger aufgera=t, noch durch eine ihm ¦ äussere Reflexion in den Abgrund des Absoluten versenkt worden, sondern sich an ihm durch seine
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innere Nothwendigkeit bestimmt und als eignes Werden des Seyns, und als Reflexion des Wesens in das Absolute als in seinen Grund zurükgegangen ist. (371 f. | 217 f.) Im Absoluten, d. h. im bloß gedachten Gesamtgegenstand Welt, betrachtet aus dem Blick eines ewigen Gottes, also in Kants ›intellektueller Anschauung‹, gibt es »kein Werden«. Denn diese absolute Welt des Kantischen Dinges an sich oder dann auch der utopischen Hintergrundfiktion(en) des Empirismus »ist nicht das Seyn« der Vollzüge endlichen Lebens, der Lebewesen und der Bewegungen und Probleme der nichtlebendigen Dinge und Sachen. Diese finden alle in der Zeit statt und sind je endlich, begrenzt. Das Absolute ist in einer theologisierenden Philosophie auch nicht das »sich reflektierende Bestimmen« des endlichen Selbstbewusstseins. Denn es wird vorgestellt als Einheit »des Innern und Äußern«, also unserer theoretischen, generischen wissenschaftlichen Wesensaussagen über die Natur der Dinge, samt ihrer Kräfte und deren Wirkungen oder Äußerungen. Das Bild steht (leider) auch noch im Hintergrund von Kants Unterscheidung zwischen endlicher Erscheinung (für uns) und Ding an sich (für Gott). Die ›absolute Identität‹, von der hier nun die Rede ist, ist gerade die eine und einzige Welt, betrachtet aus einem Blick ewiger Wahrheit – dem Blick Gottes von der Seite, utopisch von Nirgendwo und Überall, nie und immer, eben sub specie aeterni, wie man auch sagen kann. Insofern die »Bewegung der Reflexion« im Absoluten aufgehoben ist, ist dieses Absolute qua Einheit des Ein- und Alles nur das Innere der Reflexion. Das reflexionslogische Denken hebt sich sozusagen selbst im Absoluten auf. Das ist so, weil von jedem Zugang abstrahiert wird. Es bleibt damit ein unaussprechbares Jenseits stehen, das als solches nur deswegen absolut unerkennbar ist, weil es in sich widersprüchlich ist. Was es nicht gibt, lässt sich ja in der Tat nicht erkennen. Man beachte die Doppeldeutigkeit in der Rede von der Einheit von Wesen und Erscheinung, Wirklichkeit und Phänomen, Sein und Wahrheit: Reflexionslogisch handelt es sich um die Artikulation der Einsicht, dass eine wesentliche, wesenslogische Natur der Dinge im Reich der Erscheinungen definiert und ›oberflächlichen‹ Phänomenen gegenübergestellt wird. Das geschieht durch diverse
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Vergegenständlichungen und damit aspektbezogene Verengungen und Vergröberungen generischer Rede. Indem diese Endlichkeiten auf einen holistischen Gesamtzusammenhang verweisen, führt uns die Reflexionslogik sozusagen unmittelbar zu einer spekulativen Betrachtung des Ganzen des Seins, des Wesens, der Natur und Welt. Die naive Metaphysik, von der Theologie bis zum Materialismus und Empirismus, versteht die logische Form – und den Grund – dieses Übergangs nicht, noch nicht einmal Kant, der in seiner Rede von einem Ding an sich sozusagen die Not-Wendigkeit dieser spekulativen Reflexionsform aufgezeigt hat. Diese Auslegung hat aber selbst zugleich eine positive Seite; insofern nemlich das Endliche darin, daß es zu Grunde geht, diese Natur beweist, auf das Absolute bezogen zu seyn, oder das Absolute an ihm selbst zu enthalten. Aber diese Seite ist nicht so sehr die positive Auslegung des Absoluten selbst, als vielmehr die Auslegung der Bestimmungen, daß sie nemlich das Absolute zu ihrem Abgrunde, aber auch zu ihrem Grunde haben, oder daß das, was ihnen, dem Schein, ein Bestehen gibt, das Absolute selbst ist. – (372 | 218) Das Endliche geht im Absoluten zu Grunde. Das Absolute ist als Urgrund Abgrund. So wird auch Gott zum Abgrund aller endlichen Dinge, gerade im Holismus des wahren Ganzen. Wer Hegels Holismus als ›unverständlich‹ zu kritisieren versucht, übersieht, dass er diese Kritik selbst vorträgt. Man ist sozusagen zu spät aufgestanden. Der Schein ist nicht das Nichts, sondern er ist Reflexion, Beziehung auf das Absolute; oder er ist Schein, insofern das Absolute in ihm scheint. Diese positive Auslegung hält so noch das Endliche vor seinem Verschwinden auf, und betrachtet es als einen Ausdruk und Abbild des Absoluten. (372 | 218) Sowohl der reflexionslogische Kontrast von Schein und Wirklichkeit im Endlichen als auch der spekulative in totalisierender Rede – als Vorstellung des Lebens als Traum besonders prominent – ist Ergebnis der Reflexion bzw. »Beziehung auf das Absolute«. Daher sind alle Aussagen, die von einem Schein sprechen, nicht als Aussagen über gar nichts zu lesen. Vielmehr enthält jeder Schein eine Wahrheit – und die Wirklichkeit zeigt sich in Schein und Erscheinung. Die restlichen
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Gnomen der Überlegung sollten jetzt leicht selbständig übersetzbar bzw. verstehbar sein. Aber die Durchsichtigkeit des Endlichen, das nur das Absolute durch sich hindurchblicken läßt, endigt in gänzliches Verschwinden; denn es ist nichts am Endlichen, was ihm einen Unterschied gegen das Absolute erhalten könnte; es ist ein Medium, das von dem, was durch es scheint, absorbirt wird. | (372 | 218) Das Endliche unserer Weltbezugnahme verschwindet im Absoluten. Das gilt auch aus der Perspektive des Skeptikers, der hervorhebt, dass es das Endliche gar nicht selbständig gibt, sondern bloß so, dass man durch es hindurch auf ein holistisches Ganzes verweist, das sich zwar partiell in endlicher Kenntnis endlicher Sachen zeigt, aber uns von einer absoluten Wahrheit ewig fernhält. Das liegt daran, dass der Skeptiker den Unterschied von Schein oder Erscheinung auf der einen Seite, Wahrheit oder Wirklichkeit auf der anderen Seite nicht als immanente Form unseres Unterscheidens liest. Das Endliche der Phänomene ist sozusagen auch für ihn wie für den dogmatischen Theologen bloßes Medium, durch welches eine ›wahre Welt‹ hinter den Spiegeln oder dem Schleier der Maya sich verbirgt. Diese positive Auslegung des Absoluten ist daher selbst nur ein Scheinen; denn das wahrhaft Positive, was sie und der ausgelegte Inhalt enthält, ist das Absolute selbst. Was für weitere Bestimmungen vorkommen, die Form, worin das Absolute scheint, ist ein Nichtiges, das die Auslegung von aussen her aufnimmt, und woran sie einen Anfang zu ihrem Thun gewinnt. Eine solche Bestimmung hat nicht im Absoluten ihren Anfang, sondern nur ihr Ende. Dieses Auslegen ist daher zwar absolutes Thun durch seine Beziehung auf das Absolute, in das es zurükgeht, aber nicht nach seinem Ausgangspunkte, der eine dem Absoluten äusserliche Bestimmung ist. (372 | 219) Positiv ausgelegt ist hier das Absolute, also die Rede von einer absoluten Wahrheit oder Wirklichkeit dadurch, dass es auf der epistemischen Ebene als Grund, auf der ontologischen Ebene als Ursache von Schein und Erscheinung aufgefasst wird. Dabei ist »das wahrhaft Positive« »das Absolute selbst«, als Einheit von Grund und Folge, Ursache und Erscheinung.
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Alle ontische, ontologische, empirische, generische, reflexionslogische auch spekulative Bestimmung qua Unterscheidung »hat nicht im Absoluten ihren Anfang, sondern nur ihr Ende«. Der Holismus ist ›nur‹ das Ergebnis der Reflexion auf endliche Bestimmungen. Wohl aber ist »das Auslegen« wie jedes Erkennen und Wissen, Denken und Handeln »absolutes Tun«, und zwar durch die Beziehung jedes Vollzugs auf das Ganze des Seins qua (zeitlichem) Gesamtvollzug. Aber das gilt nicht für den Anfang der Denkbewegung, der ja mit der Reflexion auf den Status endlicher Gegenstände beginnt, was »eine dem Absoluten äußerliche Bestimmung« ist. In der That aber ist das Auslegen des Absoluten sein eigenes Thun, und das bey sich anfängt, wie es bey sich ankommt. Das Absolute, nur als absolute Identität, ist es bestimmt; nemlich als identisches; es ist durch die Reflexion so gesetzt, gegen die Entgegensetzung und Mannichfaltigkeit; oder es ist nur das Negative der Reflexion und des Bestimmens überhaupt. – Nicht nur jenes Auslegen des Absoluten ist daher ein unvollkommenes, sondern auch diß Absolute selbst, bey welchem nur angekommen wird. Oder jenes Absolute, das nur als absolute Identität ist, ist nur das Absolute einer äussern Reflexion. Es ist daher nicht das Absolut-Absolute, sondern das Absolute in einer Bestimmtheit, oder es ist Attribut. ¦ (372 | 219) Dennoch kann auch die Interpretation des Absoluten als »sein eigenes Tun« begri=en werden. Es ist ja Vollzug des reflektierenden und dann auch auf das Ganze reflektierenden (daher spekulativen) Nachdenkens. Als Vollzug gehört das Tun zum Ganzen des Seins, das als solches freilich nicht bestimmt, von anderem unterschieden ist, sondern gegen jede Entgegensetzung und Mannigfaltigkeit als bloßes Sein ›gesetzt‹ ist – eben durch die Titel »Sein« oder auch »das Absolute«. Daher ist nicht nur die Auslegung des Absoluten als Ding an sich oder als idealer Grenzbegri= des Wahren und Wirklichen immer auch unvollkommen, sondern das so angesprochene Absolute selbst, das nur ein Gegenstand »einer äußeren Reflexion« ist. Dieses Absolute ist »nicht das Absolut-Absolute« (des absoluten Seins), sondern »das Absolute in einer Bestimmtheit, oder es ist Attribut«. Das ist eine Art Kommentar zu Spinoza. Gemeint ist, dass der Titel »das Absolute« in dieser Reflexionsform nur den Gebrauch des Attributs
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»absolut« kommentiert in Kontexten der Rede von etwas, das als ›absolut wahr‹ oder ›absolut wirklich‹ angesprochen wird. Aber das Absolute ist nicht nur Attribut, weil es Gegenstand einer äussern Reflexion und somit ein durch sie bestimmtes ist. – Oder die Reflexion ist nicht nur ihm äusserlich; sondern unmittelbar, darum weil sie ihm äusserlich ist, ist sie ihm innerlich. | Das Absolute ist nur das Absolute, weil es nicht die abstracte Identität, sondern die Identität des Seyns und Wesens, oder die Identität des Innern und Aeussern ist. Es ist also selbst die absolute Form, welche es in sich scheinen macht, und es zum Attribut bestimmt. (373 | 219 f.) Die anaphorische Beziehung des »weil« in Hegels Satz ist mehrdeutig. Ich habe schon mehrere Mehrdeutigkeiten dieser Art stillschweigend durch eine Entscheidung für eine Lesart aufgelöst. Hier können und müssen wir einmal die Zweideutigkeit selbst thematisieren, und wenn auch bloß auf paradigmatische Weise. Die Zweideutigkeit ergibt sich dadurch, dass in der einen Lesart der erste Satz als freistehende Aussage gelesen werden kann mit Betonung auf dem Satzsubjekt »das Absolute«. Das »weil« würde dann bloß wie ein erläuternder Relativsatz darlegen, warum das Absolute »nicht nur Attribut« ist, sondern noch etwas anderes, nämlich das Absolut-Absolute des Seinsvollzugs. Denn, so besagte diese Lesart, es, das Absolute, ist (bloß) Gegenstand einer »äußeren Reflexion«, damit durch diese Reflexion bestimmt und nicht das holistische Ganze des Seins jenseits aller Reflexionsgegenstände. In der zweiten Lesart bezieht sich das »es« auf das Wort »Attribut« und im ersten Satz liegt die Betonung auf »Attribut«. Der Weil-Satz würde dann besagen, dass Attribute natürlich immer Bestimmungen, hier: der äußeren Reflexion, sind. Mir scheint, die zweite Lesart ist die angemessenere, zumal sie eine vernünftige Begründung der Aussage liefert. Worauf aber bezieht sich dann das »ihm« des Folgesatzes? Auf das Absolute oder auf das Attribut? Hier scheint der Rückbezug auf das Absolute auf den ersten Blick naheliegend zu sein: Die Reflexion ist, so sagt der Satz dann, nicht nur dem Absoluten äußerlich, sondern gerade »weil sie ihm äußerlich ist, ist sie ihm innerlich«. Aber warum sollte das so sein? Für Attribute gilt das in der Tat: Attribute sind das semantische Korrelat von attributiven Bestimmungen,
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die als solche gerade die äußerliche Form der Attribute sind. Da es sich hier um das reflexionslogische Attribut ›absolut‹ handelt, ist die Reflexion selbst begri=licher Teil des Attributs ›absolut‹, also in ihm (semantisch, logisch) längst schon ›enthalten‹. Das Absolute »ist also selbst die absolute Form«, welche das Absolute des Seinsvollzugs »in sich scheinen macht«, also in der (spekulativen) Reflexion auf den Kontrast zwischen Wesen und Erscheinung aufscheinen lässt. Das Absolute ist eben dadurch zunächst als Attribut im Kontext der Rede von einer absoluten Wirklichkeit oder Wahrheit bestimmt.
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Der Ausdruk, der gebraucht worden ist: das Absolut-Absolute, bezeichnet das in seiner Form in sich zurükgekehrte Absolute, oder dessen Form seinem Inhalte gleich ist. Das Attribut ist das nur relative Absolute, eine Verknüpfung, welche nichts anderes bedeutet, als das Absolute in einer Formbestimmung. (373 | 220) Der bewusst eingeführte Ausdruck »das Absolut-Absolute« soll gerade nicht das bloße Attribut »absolut« in seinen verschiedenen Gebräuchen kommentieren, sondern einen Kontrast zum relativ Absoluten artikulieren, das je nur die verschiedenen Formbestimmungen des Attributs »absolut« als Gegenstand in der generischen Form der Reflexion kommentierbar oder erläuterbar macht. Das AbsolutAbsolute soll, wie schon gesagt, den Gesamtvollzug des Seins, das Walten der ganzen Welt nennen, und das ohne jeden bestimmten Kontrast, ohne etwas, das außer ihm wäre. Die Form ist nemlich zuerst vor ihrer vollendeten Auslegung nur erst innerlich, oder was dasselbe ist, nur äusserlich, überhaupt zuerst bestimmte Form oder Negation überhaupt. (373 | 220) Jede Form ist, bevor wir voll begreifen, was Formen sind, »nur erst innerlich«, d. h. implizit im Gebrauch von generischen (sprachlich gestützten) Unterscheidungen. Sie ist im Handeln und in einer gemeinsamen Praxis implizit vorausgesetzt, zusammen mit der Norm der Formerfüllung. Das aber bedeutet zugleich, dass jede Form bloß
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erst äußerlich ist. Sie ist sozusagen in den Schemata des Verhaltens (oder Handelns) realisiert oder niedergelegt. Eine Form zeigt sich aber in ihrer Identität (als Thema oder Gegenstand) nur in der Reflexion. Sie ist Form, indem wir das je relevante Formgleiche erkennen und über die Form als abstrakten Reflexionsgegenstand zu reden oder nachzudenken beginnen. Form ist Negation überhaupt, weil jede Kontrastierung zu einem Formkontrast führt und jede Formunterscheidungen eine Negation voraussetzt, nämlich die der Formverschiedenheit. Die Rede von einer Form wiederum setzt die Negation der Negation, der Äquivalenzbewertung oder Gleichwertigkeit von Form(re)präsentationen voraus. Aber weil sie zugleich als Form des Absoluten ist, so ist das Attribut der ganze Inhalt des Absoluten; es ist die Totalität, welche früher als eine Welt erschien, oder als eine der Seiten des wesentlichen Verhältnisses, deren jede selbst das Ganze ist. (373 | 220) Jede Form stammt aus einer Formunterscheidung am Absoluten, am Seinsvollzug. Daher ist das Attribut, gelesen als das generische Gesamt aller attributiven Unterscheidungen, »der ganze Inhalt des Absoluten«. Die Formel »Das (relative) Absolute ist das Attribut« würde daher – um selbst einmal versuchsweise einen Satz im Hegeljargon zu formulieren – besagen, dass alle Unterschiede, Identitäten, Inhalte und Formen durch attributive Unterscheidungen am (Absolut-)Absoluten, am Sein oder der Welt, bestimmt sind. Hegel selbst sagt, es sei »die Totalität, welche früher als eine Welt erschien«. Dabei sind die beiden Seiten »des wesentlichen Verhältnisses« als Wesen und Erscheinung oder die Natur und ihre Wirkungen auch je »selbst das Ganze« – jeweils in einem bestimmten Modus betrachtet. Aber die beyden Welten, die erscheinende und die an und für sich seyende, sollten jede in ihrem Wesen einander entgegengesetzt seyn. Die eine Seite des wesentlichen Verhältnisses war zwar der andern gleich; das Ganze so viel als die Theile; die Aeusserung der Kraft derselbe Inhalt, als diese selbst, | und das Aeussere überhaupt dasselbe was das Innere. Aber zugleich sollten diese Seiten, jede noch ein eigenes unmittelbares Bestehen haben, die eine als die seyende, die andere als die reflectirte Unmittelbarkeit. Im Absoluten dagegen sind diese unterschiedenen Unmittelbarkeiten zum Schei-
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ne herabgesetzt, und die Totalität, welche das Attribut ist, ist gesetzt als sein wahres und einziges Bestehen; die Bestimmung aber, in der es ist, als das unwesentliche. (373 | 220 f.) Die Vorstellung, es ließe sich die erscheinende Welt einer Welt an sich entgegensetzen, hat sich als Schein erwiesen. Der Kontrast von Wesen und Erscheinung ist als Relation zweier ›Arten‹ oder ›Momente‹ von Erscheinung zu begreifen, wobei die eine Art oder das eine Moment als wesensbestimmend, die andere Art oder das andere Moment als epistemisch oder subjektiv markiert wird. Das Ganze wird daher je nur von uns in Wesen und Erscheinung, Ding an sich und Ding für uns aufgespalten. Dasselbe gilt für die von uns in die Dinge gelegten Kräfte und Dispositionen und die durch diese ›erklärten‹ Wirkungen und Erscheinungen. Ironischerweise stammt gerade das, was wir als Wirkursachen den Erscheinungen ›objektiv‹ zum Grunde legen, wesentlich von uns, während sich die Phänomene als rezeptiv erfahrene ›subjektive‹ Oberflächlichkeiten und Kontingenzen als das wahre Widerständige gerade auch in ihrer Kontingenz und in ihren partiellen Unvorhersehbarkeiten und Unvorhersagbarkeiten erweisen. Die Rede vom Absoluten als der holistischen Gesamtheit von Wesen und Erscheinung setzt die vermeinten Unmittelbarkeiten des begri=lich vermittelten Wesens und der anschauungsvermittelten Erscheinung »zum Scheine herab«. Das Ganze, die Totalität, das Attribut wird so auch von Spinoza und sogar noch Kant gesetzt als das wahre und einzige Bestehen des Absoluten. Alle generischbegri=lichen Bestimmungen durch uns aber seien, so reden diese Reflexionsphilosophen, unwesentlich, obwohl von einem Bestehen ohne Bestimmung gar nicht die Rede sein kann, so dass in jeder sinnvollen Existenzaussage längst schon eine begri=liche Bestimmung durch uns enthalten ist. Das Absolute ist darum Attribut, weil es als einfache absolute Identität in der Bestimmung der Identität ist; an die Bestimmung überhaupt können nun andere Bestimmungen angeknüpft werden, z. B. auch daß mehrere Attribute seyen. (373 | 221) Nicht alle Formulierungen Hegels sind heute noch zu übernehmen. So wird z. B. die Rede von einer absoluten Identität sicher missverstanden, erst recht als Teil »der Bestimmung der Identität«. Wir können
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den Gedanken aber reformulieren, indem wir auf die Tatsache hinweisen, dass jede Gegenstandsbestimmung eine Bereichsbestimmung voraussetzt und jedes vermeintliche Einzeltoken nur unter Bezugnahme auf die Totalität der ganzen Welt auch nur denkbar ist, so dass das holistische Ganze (Gott) und das vermeintlich atomistische Einzelne (Ding an sich) nur zwei Momente derselben spekulativen Totalitätsbetrachtung sind. Mehrere ›absolute‹ Attribute ergeben sich aus je unterschiedlichen Totalisierungen von Momenten der Reflexion auf Gegenstände und Bereiche. Aber weil die absolute Identität nur diese Bedeutung hat, nicht nur daß alle Bestimmungen aufgehoben sind, sondern daß sie auch die Reflexion ist, die sich selbst aufgehoben hat, so sind an ihr alle Bestimmungen gesetzt, als aufgehobene. (373 | 221) Wovon die Rede ist, wenn Hegel von absoluter Identität spricht, ist nicht (immer) ganz klar. Der anaphorische Bezug des Ausdrucks ist notorisch mehrdeutig. Gemeint ist wohl, dass es keine absolute Identität eines Gegenstandes an sich gibt, weder als Token (Atom, Monade) noch als Totalität des Ganzen der Welt (des Seins etc.), es sei denn, wir heben alle konkreten Bestimmungen auf, so dass ein absolutes Ding an sich als Token per definitionem ebenso unbestimmt bleibt wie das Ganze des Seins oder Gott. Oder die Totalität ist gesetzt als die absolute, oder das Attribut hat das Absolute ¦ zu seinem Inhalt und Bestehen; seine Formbestimmung, wodurch es Attribut ist, ist daher auch gesetzt, unmittelbar als blosser Schein; das Negative als Negatives. (373 f. | 221) Die Totalität ist als die von allen Bestimmungen und Zugängen losgelöste absolut gesetzt – durch ein bloßes Wort, das einer riesigen Handbewegung korrespondiert, das Wort »Welt« oder »Gott«. Das Attribut als das System aller Attribute hat ebenfalls »das Absolute zu seinem Inhalt und Bestehen«. Seine Bestimmung ist die des Unterschiedes, Negativen, aber bloß als generische Gesamtform, noch ohne jeden Inhalt, der als solcher je konkret zu bestimmen und dabei je endlich ist. Der positive Schein, den die Auslegung sich durch das Attribut gibt, indem sie das Endliche in seiner Schranke nicht als ein an und für sich seyendes nimmt, sondern sein Bestehen in das Absolute
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auflöst, und es zum Attribut erweitert, hebt diß selbst auf, daß es Attribut sey; sie versenkt dasselbe und ihr unterscheidendes Thun in das einfache Absolute. (374 | 221) Wieder ist die Ausdrucksweise nicht die unsrige und verständlicher zu machen. Hegel will wohl sagen, dass es bloß so scheint, als könnten wir das Wort »absolut« attributiv bzw. adverbial in Kontexten der Rede von einer absoluten Wahrheit, Wirklichkeit, Objektivität oder einfach in der Satzform ›Es ist absolut so und so‹ auf absolute Weise gebrauchen. Denn in Wahrheit geht es immer nur darum, eine relative Grenze eines bloß relativen Erkennens in Gedanken zu überschreiten oder vage auf das Gesamt der Welt Bezug zu nehmen. Damit aber ist der attributive Sinn von »absolut« rein relativ. Wenn ich sage, das und das sei absolut wahr, dann betone ich o=enbar die Aussage nur in einem emphatischen Sinn. Das ist das bloß relativ Absolute. Es ist als solches ganz harmlos, wenn die Leute ihre expressiven Haltungen beachten und sie nicht mit einer absoluten Wahrheit verwechseln würden. Letztere aber ist bestenfalls ein Grenzbegri= – und um eben diese (kantische) Einsicht und ihre Präzisierung geht es gerade. Aber indem die Reflexion von ihrem Unterscheiden so nur zur Identität des Absoluten zurükkehrt, ist sie zugleich nicht aus ihrer Aeusserlichkeit heraus und zum wahrhaften Absoluten gekommen. Sie hat nur die un|bestimmte, abstracte Identität erreicht; das heißt, diejenige, welche in der Bestimmtheit der Identität ist. – Oder die Reflexion, indem sie als innre Form das Absolute zum Attribut bestimmt, so ist dieses Bestimmen ein noch von der Aeusserlichkeit verschiedenes; die innre Bestimmung durchdringt das Absolute nicht; seine Aeusserung ist, als ein bloß gesetztes am Absoluten zu verschwinden. (373 | 221 f.) Indem man die absolute Wahrheit bloß als Negation aller begrenzten Relativität versteht und zum reinen Sein des ›Es ist wie es ist‹ in seiner Identität oder Tautologie aus unseren Unterscheidungen zurückkehrt, ist man noch nicht zum richtigen Verständnis des Absoluten – des Seins im Vollzug – gelangt. Als solches ist es kein Gegenstand, auch kein Gesamtbereich von Gegenständen, keine reine oder dingerfüllte Raumzeit o. ä. Es ist aber auch nicht das Absolute, wie es in der generischen Reflexion auf das Attribut »absolut«
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angesprochen ist, nämlich in seiner bloßen Negation relativer Wahrheit. Die Form also, sie werde als äussere oder innere genommen, wodurch das Absolute Attribut wäre, ist zugleich gesetzt, ein an sich selbst nichtiges, ein äusserlicher Schein, oder blosse Art und Weise zu seyn. (374 | 222) Die Form des attributiven Gebrauchs des Wortes »absolut« führt also nur dazu, das Absolute als »ein an sich selbst Nichtiges«, als bloße Negation jeder konkreten und als solche endlich-falliblen Bestimmung anzusehen. Bestenfalls thematisiert man damit bloß eine »Art und Weise« zu sein, nicht das Sein selbst, und verbleibt eben damit im Bereich äußerlichen Scheins.
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C. Der Modus des Absoluten Das Attribut ist erstlich das Absolute als in der einfachen Identität mit sich. Zweytens ist es Negation, und diese als Negation ist die formelle Reflexion-in-sich. Diese beyden Seiten machen zunächst die zwey Extreme des Attributs aus, deren Mitte es selbst ist, indem es sowohl das Absolute als die Bestimmtheit ist. – Das zweyte dieser Extreme ist das Negative als Negatives, die dem Absoluten äusserliche Reflexion. – Oder insofern es als das Innre des Absoluten genommen wird, und seine eigene Bestimmung es ist, sich als Modus zu setzen, so ist er das Aussersichseyn des Absoluten, der Verlust seiner in die Veränderlichkeit und Zufälligkeit des Seyns, | sein Uebergegangenseyn ins Entgegengesetzte ohne Rükkehr in sich; die totalitätslose Mannichfaltigkeit der Form und Inhaltsbestimmungen. – (373 | 222 f.) Das Attribut im generischen Singular benennt alle Attribute, alle prädikativen Eigenschaften sozusagen. Als Allheit von Eigenschaften der Dinge ist es das Absolute (selbst). Zugleich ist eine Eigenschaft eine Negation, Unterscheidung, genauer: die positive Seite in einer Unterscheidung mit negativer Seite. Insoweit wir Attribute oder Eigenschaften den Dingen selbst zuschreiben, werden sie ›absolut‹ verstanden. Insofern wir es sind, die sie zuschreiben und welche die Unterscheidungen definieren und kontrollieren, handelt es sich wie
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bei allen wirklichen Geltungs- und Wahrheitsbedingungen um unsere Bestimmungen. Als »das Negative als Negatives« durchaus im Sinn eines Negativbildes mit positivem Abzug ist das Absolute das, was wir hinter unsere Bestimmungen als Ursachen setzen – was aber eine »dem Absoluten äußerliche Reflexion« insofern ist, als es nicht das AbsolutAbsolute, sondern nur das relativ Absolute betri=t. Anders gesagt, gerade indem wir das Attribut, die Eigenschaften, zum Inneren des Absoluten (der Wirklichkeit) deklarieren, erklären wir es zum Modus im Sinne des Spinoza, zur Art und Weise, wie die absolute Wirklichkeit sich uns äußerlich zeigt, in ihrer Veränderlichkeit und Zufälligkeit und damit gerade im Kontrast zu einem bleibenden Wesen, auch zum Arttypus des bestimmten Gegenstandes. »Totalitätslos« ist dabei ein Wort, das auf die abstrakte Art verweist, wie man über die Vielfalt von Form- und Inhaltsbestimmungen ohne Einbettung in ein Gesamtbild gern und oft redet. Der Modus, die Aeusserlichkeit des Absoluten, ist aber nicht nur diß, sondern die als Aeusserlichkeit gesetzte Aeusserlichkeit, eine blosse Art und Weise; somit der Schein als Schein, oder die Reflexion der Form in sich; somit die Identität mit sich, welche das Absolute ist. In der That ist also erst im Modus das Absolute als absolute Identität gesetzt; es ist nur, was es ¦ ist, nemlich Identität mit sich, als sich auf sich beziehende Negativität, als Scheinen, das als Scheinen gesetzt ist. (374 f. | 223) Der Modus ist die äußerliche Art und Weise, wie die absolute Substanz (uns) erscheint. Erst hier, im Modus, erscheint uns das Absolute als das, was es ist, als das Durchscheinen dessen, was als wirklich gesetzt ist. Der Modus modifiziert die Erscheinung. Er vermittelt – das sagt die Reflexionsform – zwischen der absoluten Sache und seiner erscheinenden Art und Weise. Insofern daher die Auslegung des Absoluten von seiner absoluten Identität anfängt, und zu dem Attribute und von da zum Modus übergeht, so hat sie darin vollständig ihre Momente durchlo=en. Aber erstlich ist sie darin nicht ein bloß negatives Verhalten gegen diese Bestimmungen, sondern diß ihr Thun ist die reflectirende Bewegung selbst, als welche das Absolute nur wahrhaft die absolute
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Identität ist. – Zweytens hat sie es dabey nicht bloß mit Aeusserlichem zu thun, und der Modus ist nicht nur die äusserste Aeusserlichkeit, sondern weil er der Schein als Schein ist, so ist er die Rükkehr in sich, die sich selbst auflösende Reflexion, als welche das Absolute absolutes Seyn ist.– (375 | 223) Die Erläuterung der Rede vom Absoluten beginnt mit einer absoluten Tautologie: Alles ist mit sich identisch (Platon). Der zweite Schritt führt zu den wesentlichen Eigenschaften: Jedes Ding ist, was es ist, und kein anderes Ding (Bischof Butler). Der dritte Schritt führt zum Modus: Alles ist, wie es ist (Spinoza). Der Weg beginnt also mit der absoluten Identität (A = A), geht dann über zum absoluten Attribut (x ist A) und von dort zum absoluten Modus (x ist so, es erscheint so). Dabei haben wir es »nicht bloß mit Äußerlichem zu tun«. Der Modus der Art und Weise, wie etwas erscheint, »ist nicht nur die äußerste Äußerlichkeit«. Vielmehr werden wir uns hier des Scheins nicht nur als oberflächliche Falschheit, sondern der Wahrheit des Scheinens des Wirklichen bewusst. Die Wahrheit jeder Rede von etwas Wirklichen liegt in der Erscheinung, darin, wie es durch unsere begri=lichen Bestimmungen hindurchscheint, in der Gesamterfahrung, die wir sowohl mit unseren Anschauungen als auch unserem Begri=sgebrauch machen. Drittens scheint die auslegende Reflexion von ihren eigenen Bestimmungen und von Aeusserlichem anzufangen, die Modos oder auch die Bestimmungen des Attributs, als sonst ausser dem Absoluten vorgefundene aufzunehmen, und ihr Thun darin zu bestehen, daß sie dieselben in die indi=erente Identität nur zurükführt. In der That aber hat sie an dem Abso|luten selbst die Bestimmtheit, von der sie anfängt. Denn das Absolute als erste indi=erente Identität ist selbst nur das bestimmte Absolute, oder Attribut, weil es das unbewegte, noch unreflectirte Absolute ist. Diese Bestimmtheit, weil sie Bestimmtheit ist, gehört der reflectirenden Bewegung an; nur durch sie ist es bestimmt als das erste identische, eben so nur durch sie hat es die absolute Form, und ist nicht das sich gleichseyende, sondern das sich selbst gleichsetzende. (375 | 223 f.) Jede Auslegung der absoluten Wahrheit beginnt mit unseren eigenen Bestimmungen: Sein, Eigenschaft, Art und Weise. Damit fangen
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wir aber mit dem Äußerlichen an. Das Äußerliche ist Schein und Erscheinung. Es ist Meinung in der Reflexion. Nicht ›das Absolute‹ tut dabei etwas, wir bewegen uns in der Interpretation der Redeformen, in denen das Wort »absolut« vorkommt. Dabei beginnt man eigentlich immer mit einem ›absoluten Attribut‹. Man fängt mit der Frage an, ob etwas wirklich diese Eigenschaft hat oder ob es bloß so scheint. Man meint, das sei eine Frage des reinen Bestehens, ohne dass man schon auf ›Bewegung‹ und ›Modalität‹ zu achten hätte. Doch das ist eine Täuschung. Jede Eigenschaft ist dispositionell, modal, prognostisch; keine ist rein statisch, rein konstativ. Daher ist das Absolute »nicht das sich Gleichseiende«, sondern als das bestimmt, was sich irgendwie in seiner Identität zeigt. Die wahrhafte Bedeutung des Modus ist daher, daß er die reflectirende eigene Bewegung des Absoluten ist; ein Bestimmen, aber nicht wodurch es ein anderes würde, sondern nur dessen, was es schon ist; die durchsichtige Aeusserlichkeit, welche das Zeigen seiner selbst ist; eine Bewegung aus sich heraus; aber so daß diß Seynnach-Aussen, eben so sehr die Innerlichkeit selbst ist; und damit eben so sehr ein Setzen, das nicht bloß Gesetztseyn, sondern absolutes Seyn ist. (375 | 224) Die wahre Bedeutung der Hervorhebung des Modus bei Spinoza liegt darin, dass die Art und Weise des erscheinenden Seins und die Modalität des Notwendigen, Möglichen und faktisch Kontingenten die durchsichtige Äußerlichkeit dessen ist, was wirklich und für sich, also absolut, existiert, wie wir sagen. Das ist aber das, was sich im Ganzen, oft freilich erst im Nachhinein, zeigt. Das Absolute ist also nicht Gesetztsein (durch uns), sondern Sein (im Vollzug). Wenn daher nach einem Inhalt der Auslegung gefragt wird, was denn das Absolute zeige? so ist der Unterschied von Form und Inhalt im Absoluten ohnehin aufgelöst. Oder eben diß ist der Inhalt des Absoluten, sich zu manifestiren. Das Absolute ist die absolute Form, welche als die Entzweyung ihrer schlechthin identisch mit sich ist, das Negative als Negatives; oder das mit sich zusammengeht, und nur so die absolute Identität mit sich ist, die eben so sehr gleichgültig gegen ihre Unterschiede, oder absoluter Inhalt ist; der Inhalt ist daher nur diese Auslegung selbst. (375 | 224)
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Wenn man nach Bestimmungen, Unterscheidungen, fragt, wie sich »denn das Absolute zeige« oder was wir von ihm wissen, dann wird durch die Unterstellung, es sei eine sinnvolle Antwort möglich, schon von etwas Anderem gesprochen als vom Absoluten. Dessen Inhalt besteht nicht darin, sich so und nicht anders zu zeigen, sondern bloß, sich irgendwie »zu manifestieren«. Wir sprechen also nur reflexionslogisch von der absoluten Form des Kontrasts zwischen Wesen und Erscheinung, Wirklichkeit (an sich) und bewirkter Erfahrung, dem negativen Urbild der von uns wahrnehmbaren Abbilder. Dazu operieren wir metaphorisch mit dem Bild von einem Urbild oder Negativ, das uns nie als solches, sondern bloß in seinen Abzügen zur Verfügung steht. Das Absolute als diese sich selbst tragende Bewegung der Auslegung, als Art und Weise, welche seine absolute Identität mit sich selbst ist, ist Aeusserung, | nicht eines Innern, nicht gegen ein anderes, sondern ist nur als absolutes sich für sich selbst Manifestiren; es ist so Wirklichkeit. ¦ (375 | 224 f.) Das Absolute ist am Ende, das ist zu wiederholen, das Gesamt der möglichen Auslegung der Welt, genauer, der Vollzug des Manifestierens, Sichzeigens, von Welt oder eben – Wirklichkeit. Anmerkung Dem Begri=e des Absoluten und dem Verhältnisse der Reflexion zu demselben, wie es sich hier dargestellt hat, entspricht der Begri= der Spinozistischen Substanz. Der Spinozismus ist darin eine mangelhafte Philosophie, daß die Reflexion und deren mannichfaltiges Bestimmen ein äusserliches Denken ist. – (376 | 225) Hegel spricht hier weiterhin unter dem Titel des Absoluten von der spinozistischen Substanz. Seine Kritik an Spinoza besteht darin, dass dieser seine Reflexionsbestimmungen als Behauptungen über vermeintlich metaphysische, erfahrungstranszendente Tatsachen präsentiert und sein »äußerliches Denken« schulmäßig mit Pseudodefinitionen hantiert – ohne zu bemerken, dass das Thema logische Formen sind. D. h. Spinoza denkt metaphysisch, Hegel logisch. Die Substanz dieses Systems ist Eine Substanz, Eine untrennbare Totalität; es gibt keine Bestimmtheit, die nicht in diesem Absoluten
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enthalten und aufgelöst wäre; und es ist wichtig genug, daß alles, was dem natürlichen Vorstellen oder dem bestimmenden Verstände als selbstständiges erscheint und vorschwebt, in jenem nothwendigen Begri=e gänzlich zu einem blossen Gesetztseyn herabgesetzt ist. – (376 | 225) Spinozas Substanz ist die eine und einzige allgemeine Totalität, das neuplatonische Eins-und-Alles Plotins, in dem alle Bestimmungen aufgehoben sind, verschwimmen und verschwinden und keine selbständige Einzelheit und Besonderheit übrigbleibt. Alles besondere Einzelne ist bestenfalls Modus der einen Substanz, eine Art Phasenaspekt. Der Fehler liegt schon darin, dass man nicht gegenstandsförmig über spekulative Totalitäten wie Sein, Welt, Wirklichkeit oder Gott und Wahrheit sprechen kann. Das Gesetztsein meint hier gerade die Unterordnung unter einen namenartigen Ausdruck, der suggeriert, es wäre von einem übergroßen Gegenstand die Rede. Hegel kritisiert also, dass Spinoza, wie später auch Kant und alle ihm folgenden logischen Empiristen, die eigene logische Form spekulativer Reflexion auf Totalitäten nicht erkennt. Die Bestimmtheit ist Negation, ist das absolute Princip der Spinozistischen Philosophie; diese wahrhafte und einfache Einsicht begründet die absolute Einheit der Substanz. Aber Spinoza bleibt bey der Negation als Bestimmtheit oder Qualität stehen; er geht nicht zur Erkenntniß derselben als absoluter, das heißt, sich negirender Negation fort; somit enthält seine Substanz nicht selbst die absolute Form, und das Erkennen derselben ist kein immanentes Erkennen. (376 | 225) Die große Bedeutung einer Auseinandersetzung mit Spinoza für jede aufgeklärte Logik besteht darin, dass sie zeigt, warum wir weder mit Namen und Gegenständen noch mit Sätzen und Aussagen unsere Analysen und Reflexionen beginnen sollten, sondern mit Unterscheidungen. Determinatio est negatio. Alle Bestimmung ist Negation. Alle Bestimmtheit ist Negativität. Das Problem ist, dass dabei immer nur auf vorab schon begrenzte Bereiche Bezug genommen wird. Auf diese Überlegung gründet Spinoza die Vorstellung von der ›absoluten Einheit der Substanz‹ als dem (von ihm mit relationaler Struktur versehenem) Gesamtbereich, in dem und an dem wir At-
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tribute und Modi irgendwie kontrastiv unterscheiden. Das Problem bei Spinoza ist, dass er weder die vorab zu bestimmenden Begrenzungen solcher Bereiche beachtet, noch die Negation der Negation in der Bestimmung von Gleichheiten, Identitäten bzw. halbsortalen Gegenständen (und deren Prädikate als kontextuelle Negationen) analysiert, noch das Werden berücksichtigt oder die performativen Unterscheidungen von Wesen und Erscheinung, Wirklichkeit, Glauben und Erkenntnis. Die Folge ist, dass die Analyse von Sein und Wesen, Wirklichkeit und Wissen, dann aber auch der Sachen und Eigenschaften, Dinge und Kräfte in der Welt bei Spinoza keine radikal immanente Reflexion ist. Sie ist vielmehr, wie später auch in Kants Rede von einem Ding an sich, eine Rede ›von der Seite‹. Es wird also stillschweigend ein transzendenter Standpunkt sub specie aeternitatis, ein Blick Gottes (als vollkommener Logiker, Wissenschaftler und dann sogar als utopischer Physiker und Beobachter) unterstellt. Das geschieht, ohne explizit zu begreifen, was diese Unterstellung eigentlich sinnvoll bedeuten kann und welche gravierenden Vor- und Fehlentscheidungen sie schon enthält, wenn man sie ›wörtlich‹ liest. Es sind das gerade die Vor- und Fehlentscheidungen sowohl theologischer als auch atheistischer Weltbilder, sowohl des Theismus als auch eines naturalistischen Deismus und physikalistischen oder empiristischen Materialismus. Zwar ist die Substanz absolute Einheit des Denkens und Seyns oder der Ausdehnung; sie enthält also das Denken selbst, aber nur in seiner Einheit mit der Ausdehnung; das heißt nicht als sich von der Ausdehnung trennend, somit überhaupt nicht als Bestimmen und Formiren, noch auch als die zurükkehrende und aus | sich selbst anfangende Bewegung. Theils fehlt dadurch der Substanz, das Princip der Persönlichkeit, – ein Mangel, welcher vornehmlich gegen das Spinozistische System empört hat; – theils ist das Erkennen die äusserliche Reflexion, welche das, was als endliches erscheint, die Bestimmtheit des Attributs und den Modus, wie auch überhaupt sich selbst, nicht aus der Substanz begreift und ableitet, sondern als ein äusserlicher Verstand thätig ist, die Bestimmungen als gegebene aufnimmt, und sie auf das Absolute zurükführt, nicht aber von diesem ihre Anfänge hernimmt. (376 | 225 f.)
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Spinoza versichert zwar, dass er die (göttliche) Substanz als »absolute Einheit des Denkens und Seins« verstehen möchte, also als eine Art göttliche res cogitans, in einer Einheit mit der übergroßen res extensa der ganzen Welt. Wie aber diese Einheit von nous und kosmos zu verstehen sein soll, die ganz o=enbar eine Totalisierung der cartesischen Reflexion auf das Ich ist (nicht anders als später auch bei Berkeley und Leibniz), das bleibt völlig unklar. Mit anderen Worten, das transzendente Denken der Substanz ist vom realen Denken als »Bestimmen und Formieren« himmelweit entfernt. Damit ist es im schlechten Sinn als rein metaphysisch zu erkennen: Der Zusammenhang mit der logischen Formanalyse ist gekappt. Es »fehlt dadurch der Substanz das Prinzip der Persönlichkeit«. Dieser zunächst überraschende Satz besagt, dass eine radikal immanente Analyse und Reflexion immer berücksichtigen muss, dass nur Personen denken und urteilen, etwas begri=lich erfassen und frei handeln können. Person aber bin je ich nur in einer Gemeinschaft von Personen, von denen ich gelernt habe, was es heißt und was ich tun muss, um Person zu sein und mein Personsein, meine Persönlichkeit zu entwickeln. Manche haben sich auch darüber empört, dass in Spinozas Deismus Gott keine Person ist. Wir werden sehen, dass an dieser Empörung nicht alles falsch ist. Außerdem stellt Spinoza das Erkennen wie schon Hobbes und Locke aus dem Blick einer äußeren Reflexion dar, so also, als ob wir objektive Behauptungen über die Endlichkeit je unserer Kenntnisse fällen könnten. Noch Kant spekuliert von der Seite und unterstellt die fiktional-utopische Möglichkeit eines allwissenden Gottes (bzw. des nur von einem Gott erkennbaren Dinges-an-sich), um unsere Endlichkeit durch den Kontrast zu dieser Fabel zu erläutern. Hegel fordert dagegen erstens die Anerkennung radikaler Immanenz jeder Reflexion ein, zweitens die Entwicklung der formalen Begri=e des Attributs und Modus als den Formbegri=en der Substanz. Wie noch Kant und Leibniz meint auch Spinoza, man könne die Bestimmungen der Attribute oder Eigenschaften oder der Modi und Modalitäten der Erscheinungen, auch der Kraft und Disposition bzw. Ursache einfach aus der Tradition der Metaphysik aufgreifen und durch den äußerlichen Verstand schematischer Definitionen und Re-
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gelungen exakter und präziser machen. Hegel kritisiert, dass Spinoza die Bestimmungen (Attribut und Modus) »auf das Absolute zurückführt, nicht aber von diesem ihre Anfänge hernimmt«. Hegel selbst will dabei keineswegs mit irgendwelchen Axiomen beginnen, welche angeblich etwas über die Substanz (das Sein, das Wesen) aussagen. Er betont hier nur, dass ohne immanente Analyse dessen, was wir mit spekulativen Titeln wie »Sein«, »Wesen«, »Substanz«, »das Absolute« usf. ausdrücken wollen und warum wir das wollen, die Rede von Gottes Attributen und den Modi der Substanz keinen Sinn hat. Die Begri=e, die Spinoza von der Substanz gibt, sind die Begri=e der Ursache seiner selbst, – daß sie das ist, dessen Wesen die Existenz in sich schliesse; – daß der Begri= des Absoluten nicht des Begri=s eines andern bedürfe, von dem er gebildet werden müsse; – diese Begri=e, so tief und richtig sie sind, sind Definitionen, welche vornen in der Wissenschaft unmittelbar angenommen werden. Mathematik und andere untergeordnete Wissenschaften müssen mit einem Vorausgesetzten anfangen, das ihr Element und positive Grundlage ausmacht. Aber das Absolute kann nicht ein Erstes, Unmittelbares seyn, sondern das Absolute ist wesentlich sein Resultat. ¦ (376 | 226) Spinoza definiert die Substanz formelhaft über die Begri=e der Ursache seiner selbst und dass das Wesen der absoluten Substanz (also Gottes) »die Existenz in sich schließe« (ganz wie im ontologischen Gottesbeweis). Es sei das Absolute unbedingt, nicht relativ abhängig davon, dass etwas anderes der Fall ist, also eine andere begri=lich bestimmte Geltungs- oder Wahrheitsbedingung erfüllt ist. An diesem Gedanken ist tief und richtig, dass weder je meine Existenz noch die der Welt, des Seins, total umfasst durch eine Art allumfängliche Handbewegung, irgendeines weiteren Beweises bedarf. Der Vollzug des Lebens und des Seins, nicht die wahrnehmende und denkende Bezugnahme auf besondere Aktualisierung endlicher Arttypen, ist das Absolute des Ganzen der Existenz, des Seins und des Wesens. In jeder Wissenschaft wird diese Grundtatsache längst unterstellt zusammen mit einer Spezialisierung eines begrenzten Themen- und Wissensbereiches: der sich bewegenden Dinge in der Physik, der sich verändernden Sto=e in der Chemie oder der verschiedenen Lebensformen in der Biologie. Auf ähnliche Weise unterstellen die
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verschiedenen Geistes- oder Institutionswissenschaften die Gegebenheit von uns als Personen im Staat und im Recht, in Gesellschaft und Wirtschaft, in Religion und Kunst, erst recht aber im Gesamtsystem unserer Schulen und Wissenschaften. Auch die (reine) Mathematik ist eine untergeordnete Wissenschaft und nicht etwa die allgemeine Wissenschaft von Formen und Strukturen. Sie betrachtet und entwickelt nur reine, vollsortale, in diesem Sinn quantitativ-mengentheoretische Redeformen, unter völliger Abstraktion von jeder weltbezogenen Anwendung dieser höchst speziellen Symbolsysteme und Kalküle. Daher irrt sich Spinoza und mit ihm der gesamte logische Empirismus gewaltig, die ›axiomatische‹ Methode der Mathematik als die allgemeine und noch dazu wirklich strenge Methode wissenschaftlichen Denkens anzusehen. Bloße Exaktheit ist eine Art Gegenbegri= zu Strenge, so wie Abstraktheit zu Inhaltsadäquatheit. Das Orakel, dass das Absolute wesentlich Resultat sei, ist zunächst schwer zu verstehen. Gemeint ist, dass wir durch die Analyse der Kontextbedingungen jedes Sinnverstehens schrittweise zur Einsicht gelangen, dass jede Bezugnahme in Anschauung oder Praxis, Denken oder Reden auf endliche Dinge und Sachen, auf Ursachen oder Wirkungen, längst schon in relationalen Systemen verfasst ist und daher über die bedingenden Beziehungen auf ein holistisches Ganzes verweist – das sogar weit mehr ist als ein bloß relationales System. Jeder endliche Gegenstand steht als einzelner und besonderer längst schon in einem solchen Gesamtzusammenhang, in dem er bloß Element oder ›Modus‹ (Spinoza) oder, im Blick auf die relevanten Prozesse, ›Moment‹ (Hegel) ist. Dennoch zeigt sich das Wirkliche und Wahre gerade in diesen Modi oder Momenten. Der Holismus und die Totalität des Ganzen der einen Welt sind also als Ergebnis einer logischen Analyse immanenten Weltbezugs begreifbar zu machen und nicht als dogmatischer Anfang zu setzen. Das gilt erst recht für die Rede von Gott. Dabei hatte die Logik mit dem Sein als totalem Titelwort begonnen. Damit war freilich nur das mehrdeutige Thema genannt und noch nichts gesagt worden. Dasselbe gilt, wenn man zunächst nur auf die verschiedenen Bedeutungen der Kopula »ist« in der Normalsprache
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hinweist und über sie Titel setzt wie Identität, Prädikation, Existenz, Subsumtion und von verschiedenen Bereichen von Gegenständen (des Seienden) und Vollzugsweisen (des Seins) bzw. deren Negationen (des Nichts in Bezug auf einen begrenzten Bereich bzw. des Nichtseins und Nichtbestehens) spricht. Es entstehen die Aussagen über diese Unterschiede erst in dialogischen Bewegungen des Nachfragens und Antwortens, Zeigens und Kommentierens, Reflektierens und indem man über die Form des Reflektierens nachdenkt. Nach der Definition des Absoluten tritt bey Spinoza ferner die Definition des Attributs auf ; und wird als dasjenige bestimmt, wie der Verstand dessen Wesen begreift. Ausserdem daß der Verstand seiner Natur nach als später angenommen wird, als das Attribut, – denn Spinoza bestimmt ihn als Modus, – so wird das Attribut, die Bestimmung als Bestimmung des Absoluten, von einem andern, dem Verstände, abhängig gemacht, welches der Substanz gegenüber äusserlich und unmittelbar auftritt. | (377 | 226) Die Attribute des Absoluten – also Gottes oder der natürlichen Welt – werden von Spinoza »als dasjenige bestimmt, wie der Verstand dessen Wesen begreift«. Es sind die artikulierten ›Eigenschaften‹ der Welt (natura sive deus), wobei unser Verstehen als bloß denkerischer Zugang zu schon gegebenen Eigenschaften aufgefasst wird. Denn unser Verstand ist bloßer Modus. Er ist die besondere und spät entstandene Art und Weise unseres menschlichen Seins. Hegel arbeitet hier den Widerspruch in Spinozas Skizze heraus, der dadurch entsteht, dass das Attribut, das generisch für die Bestimmungen der Welt steht, vom Verstand, also unseren Verstandestechniken sprachlichen Denkens, abhängig gemacht wird. Das allerdings heißt, dass es sich dann gar nicht mehr um Eigenschaften der Substanz (des Absoluten) selbst handeln kann, diesem vielmehr äußerlich ist. Kurz, Spinoza löst die Frage nicht, wie sich Schein, Erscheinung, Erkennen, Wissen, Wahrheit, Objektivität, Natur und Welt zueinander verhalten. Allerdings kommen auch Leibniz und Kant nicht wirklich weiter, schon gar nicht der nachkantische logische Empirismus. Die Attribute bestimmt Spinoza ferner als unendlich; und zwar unendlich auch im Sinne einer unendlichen Vielheit. Es kommen zwar weiterhin nur die zwey vor, – Denken und Ausdehnung, und es
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ist nicht gezeigt, wie die unendliche Vielheit sich nothwendig nur auf den Gegensatz und zwar diesen bestimmten, des Denkens und der Ausdehnung, reducirt. – (377 | 227) Es soll unendlich viele Attribute und Eigenschaften des Absoluten in der Welt geben, obwohl sie selbst unendlich, sub specie aeternitatis gedacht werden. Dabei werden sogar nur zwei Attribute der Substanz thematisiert, Denken und Ausdehnung, also Verstand und Materie. Wie sich Spinoza denkt, dass sich sogar das verständige Denken auf die Prozesse der Materie reduzieren lassen soll, ist und bleibt völlig obskur. Wir finden die gleichen unverstandenen Mythen in den materialistischen Theorien der Reduktion ›des Geistes‹ bzw. des Gemüts (mind) auf die Operationen des Gehirns in der Gegenwart. Diese beyden Attribute sind deßwegen empirisch aufgenommen. Denken und Seyn stellen das Absolute in einer Determination vor, das Absolute selbst ist ihre absolute Einheit, so daß sie nur unwesentliche Formen sind, die Ordnung der Dinge dieselbe ist, als die der Vorstellungen oder Gedanken, und das Eine Absolute nur von der äusserlichen Reflexion, einem Modus, unter jenen beyden Bestimmungen, das einemal als eine Totalität von Vorstellungen, das andremal als eine Totalität von Dingen und deren Veränderungen betrachtet wird. Wie es diese äussere Reflexion ist, welche jenen Unterschied macht, so ist sie es auch, die ihn in die absolute Identität zurükführt und versenkt. Diese ganze Bewegung aber geht ausser dem Absoluten vor. Zwar ist dieses selbst auch das Denken, und sofern diese Bewegung nur im Absoluten; aber, wie bemerkt, ist sie im Absoluten nur als Einheit mit der Ausdehnung, somit nicht als diese Bewegung, welche wesentlich auch das Moment der Entgegensetzung ist. – (377 | 227) Es folgt hier eine Art Bericht, wie Spinoza die Welt sieht, wobei deutlicher als an den meisten analogen Stellen Hegel zwar den Indikativ in der Darstellung verwendet, aber keineswegs die (volle) Verantwortung für den Inhalt des Textes übernimmt. Spinoza spricht über Denken und Sein, als wären sie empirisch gegebene Bestimmungen des Absoluten, des Seins der Welt, und als sei das Absolute irgendwie »ihre absolute Einheit«, das Wirkliche also
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das Wahre im Denken, zugleich aber irgendwie auch der absolute Grund des Denkens. Wie man es sich vorstellen soll, dass die Ordnung des Denkens die gleiche sei wie die Ordnung des Seins, bleibt unklar – so dass die zwar naheliegende Formel, dass das Wirkliche das sei, was unser Wissen wahr macht, am Ende doch noch ganz mystisch, weil bloß formal, äußerlich, bleibt. Das Problem der ›äußeren Reflexion‹ ist es gerade, von außen auf das Verhältnis von denkenden Wissen und gewusster Wirklichkeit zu blicken und damit den inneren, immanenten, empraktischen Blick auf unsere wirklichen Unterscheidungen, Bewertungen, Entgegensetzungen und Setzungen völlig zu ignorieren. Wie die These, dass eigentlich alles, was es wirklich gibt, Ausdehnung, genauer: sich relativ zueinander bewegende Dinge sein sollen, überhaupt zu verstehen ist und wie man sich das Denken und Wissen als Modus der sich bewegenden Materie denken soll, das bleibt hier völlig unklar. Spinoza macht die erhabene Foderung an das Denken, alles unter der Gestalt der Ewigkeit, sub specie aeterni, zu betrachten, das heißt, wie es im Absoluten ist. Aber in jenem Absoluten, das nur die unbewegte Identität ist, ist das Attribut, wie der Modus, nur als verschwindend, nicht als werdend, so daß hiemit auch jenes Verschwinden seinen positiven Anfang nur von Aussen nimmt. | (377 | 227) Wer groß denkt, kann groß irren. Spinoza denkt groß, indem er alles sub specie aeternitatis betrachten möchte, »das heißt, wie es im Absoluten ist«, also wie es wirklich und wahr ist. Aber dieses Absolute, Spinozas holistische Substanz, ist nur leere Identität, ohne Zeit und Bewegung. Er denkt nur die Tautologie »Es ist, was und wie es ist«. Das Attribut im Sinne der unterscheidenden Eigenschaften und der Modus im Sinne der Art und Weise ihrer Wirkungen und Erscheinungen verschwinden in der Substanz wie in einem schwarzen Loch: Es gibt kein Entstehen, so wie im Christentum Entstehen und Vergehen bloßer Schein ist und bei Kant Raum und Zeit bloße Formen unserer Erscheinungen sein sollen. Die Folge ist, dass aller Anfang und alles Verschwinden bloß von außen betrachtet wird, so dass die Modernität und Unaufhebbarkeit der cartesischen Einsicht, dass wir alles aus dem Vollzug des Denkens zu begreifen haben, sozusagen sofort wieder vergessen sind.
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Das dritte, der Modus, ist bey Spinoza, A=ection der Substanz, die bestimmte Bestimmtheit, was in einem andern ist, und durch diß andere gefaßt wird. Die Attribute haben eigentlich nur die unbestimmte Verschiedenheit zu ihrer Bestimmung; jedes soll die Totalität der Substanz ausdrücken und aus sich selbst begri=en werden; insofern es aber das Absolute als bestimmt ist, so enthält es das Andersseyn, und ist nicht nur aus sich selbst zu begreifen. In dem Modus ist daher erst eigentlich die Bestimmung des Attributs gesetzt. (377 | 228) Der Modus als das Dritte in der Reihe Substanz – Attribut – Art und Weise soll »A=ektion der Substanz« sein. Das ist schwer verständlich. Es ist unklar, auf welche Teile das Absolute dabei wie einwirken soll. Woher soll das Andere der Substanz überhaupt kommen, da ja die Substanz als das Absolute wirklich alles umfassen soll? Schon die Attribute sind nur auf unbestimmte Weise als verschieden vorgestellt. Es ist unklar, wie man sich denken soll, dass jedes »die Totalität der Substanz ausdrücken« soll – und wie jedes »aus sich selbst begri=en werden« soll. Hegel betont, dass Spinoza nur auf der Grundlage der Unterstellung von Unterscheidungen in oder an der Substanz, im oder am Absoluten, so reden kann, wie er redet. Nur dann nämlich gibt es Etwas und Anderes, etwa mich und meine Umwelt. Das aber bedeutet, dass schon die Rede von Attributen die Rede vom Modus voraussetzt, da wir selbst nach Spinoza ein Modus der Substanz, des Absoluten, sein sollen. In der Tat setzen Eigenschaften logisch die Unterscheidung von Gegenstandsbereichen voraus, wie wir schon mehrfach betont haben. Und diese sind längst schon in ihren Aspekten eingegrenzt, sozusagen lokale Modi des Alls als einer Art Gesamt allen Seins. Nur hier gibt es Eigenschaften (Attribute). Die Welt aber ist gar kein Gegenstand, der als Träger (Subjekt, hypokeimenon) von Eigenschaften (Attributen) infrage käme. Diß dritte bleibt ferner blosser Modus, einerseits ist er unmittelbar gegebenes, andererseits wird seine Nichtigkeit nicht als Reflexion in sich erkannt. – (377 | 228) Indem alle endlichen Gegenstände bei Spinoza bloße Modi der unendlichen Substanz bleiben, wird das Bild ohnehin inkohärent. Einesteils sollen sie unmittelbar sein. Die Nichtigkeit des Modus wird
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»nicht als Reflexion in sich erkannt«. Das bedeutet – in leicht ironischer Diktion vorgeführt – dass es gerade die Reflexion ist, welche uns von jedem endlichen Gegenstand zu seinem Gegenstandsbereich neben anderen Gegenstandsbereichen führt. Sie macht uns damit klar, dass alles Gegenstandswissen, alles Wissen über Attribute (auch Kräfte, Dispositionen) von Gegenständen nur ein aspektbegrenztes Wissen in einem Gesamtsystem des Wissens (bzw. des Seins: des Absoluten) ist. Das Nichtige des einzelnen Seienden bedeutet also nicht, dass es gar nichts ist, sondern dass es nicht unabhängig vom je bloß ›lokalen‹, auf Aspekte und Modi begrenzten Gegenstandsbereich voll zu begreifen ist. Spinoza kommt mit dieser seiner eigenen Einsicht am Ende nicht zurecht. Die spinozistische ¦ Auslegung des Absoluten ist daher insofern wohl vollständig, als sie von dem Absoluten anfängt, hierauf das Attribut folgen läßt und mit dem Modus endigt; aber diese drey werden nur nach einander ohne innere Folge der Entwiklung aufgezählt, und das dritte ist nicht die Negation als Negation, nicht sich negativ auf sich beziehende Negation, wodurch sie an ihr selbst, die Rükkehr in die erste Identität und diese, wahrhafte Identität wäre. Es fehlt daher die Nothwendigkeit des Fortgangs des Absoluten zur Unwesentlichkeit, so wie ihre Auflösung an und für sich selbst in die Identität; oder es mangelt sowohl das Werden der Identität als ihrer Bestimmungen. (377 f. | 228) Das Hauptproblem ist, dass Spinozas rein mathematisches Bild von der Welt wie das jeder bloß relationalen Theorie keine Zeit kennt bzw. das Zeitliche der Welt nicht mitmodelliert. Das Modell enthält also gar keine Prozessformen des Werdens, keine Logik der Verben und der generischen Defaultinferenzen, damit auch keine Analyse dispositioneller Kräfte. Spinozas Vorstellung, dass sich die Totalität der Welt aufgliedert in Modi oder Gegenstände als Träger von (endlichen) Attributen (Eigenschaften) und dass es in dieser Gliederung eine Art Parallelität von Denken und Sein gibt, ist in ihrer Grundform zwar durchaus richtig. Aber sie beginnt auf unklare Weise mit der Gesamtwelt als einem absoluten Gegenstand, spricht auf obskure Weise über dessen Eigenschaften. Doch Eigenschaften haben nur Gegenstände in schon
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begrenzten Gegenstandsbereichen. Spinoza versteht daher die Modi und Identitäten auch nicht als durch Negation der Negation definiert. Die wahre Identität eines Gegenstandes g eine Bereiches G liegt erstens im Dasein aller vorab schon begrenzten zulässigen G -Repräsentationen und G -Präsentationen und zweitens in der Äquivalenzoder Gleichgültigkeitsbewertung aller konkreten ›Vertreter‹ von g . In Bezug auf die relevanten unterscheidenden Eigenschaften, Attribute, der Gegenstände des relevanten Bereichs bleiben manche Vertretungen, drittens, gleich gültig, was die Identität der Dinge definiert. Dabei erkennen wir ›prinzipiell‹ alle Erscheinungen und Vertretungen der Gegenstände als wesentlich an, unterscheiden dann aber dennoch zwischen Schein und Sein, und zwar im Blick auf die für den guten Fall gesetzten Inferenzen und Dispositionen. Das ist gerade der ominöse ›Fortgang zur Unwesentlichkeit‹. Er gilt praktisch für jeden Gebrauch der Wörter »wirklich« und »wahr«, ebenso für Reden über Eigenschaften, Kräfte, Relationen etc. Auf gleiche Weise ist in der orientalischen Vorstellung der Emanation das Absolute das sich selbst erleuchtende Licht. Allein es erleuchtet sich nicht nur, sondern strömt auch aus. Seine Ausströmungen sind Entfernungen von seiner ungetrübten Klarheit; die folgenden Ausgeburten sind unvollkommener als die vorhergehenden, aus denen sie entstehen. Das Ausströmen ist nur als ein Geschehen genommen, das | Werden nur als ein fortgehender Verlust. So verdunkelt sich das Seyn immer mehr, und die Nacht, das Negative, ist das Letzte der Linie, das nicht in das erste Licht zurück kehrt. (378 | 228 f.) Die orientalische Lichtreligion kam ungefähr so weit wie Spinoza. Das zu sagen ist natürlich eine Sottise. Man stellt sich dabei eine ›Emanation‹ des Absoluten vor und spricht von einem ›sich selbst erleuchtenden Licht‹ – durchaus in Anspielung darauf, dass Wissen immer schon als Sehen aufgefasst wird. Das Ausströmen der Emanation soll dabei zur Verschlechterung der ungetrübten Klarheit führen – so wie entferntes Licht nur noch im Dunkeln leuchtet. Man erzählt so die Entstehung der dunklen Materie aus dem reinen Licht. Das Körperliche, Dingliche, wird z. B. auch von Krishna (im Bhagavad-Gita) als der Nacht zugehörig erklärt, das Denken und Wissen aber wird dem
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Licht und dem Tag zugeordnet. Wir können mit solchen Geschichten wohl nicht mehr viel anfangen – außer daran erinnern, dass in der Reflexion auf unser Wissen die Lichtmetapher seit jeher schon eingearbeitet ist. Im gesamten Orient bleibt jedenfalls die Konstitution der endlichen, angeblich ›unwesentlichen‹, Dinge unterbelichtet – wobei diese doch gerade insgesamt das Wesen des Wirklichen ausmachen. Der Mangel der Reflexion in sich, den die Spinozistische Auslegung des Absoluten wie die Emanationslehre an ihr hat, ist in dem Begri=e der Leibnizischen Monade ergänzt. – Der Einseitigkeit eines philosophischen Princips pflegt sich die entgegengesetzte gegenüber zu stellen, und, wie in Allem, die Totalität wenigstens als eine zerstreute Vollständigkeit vorhanden zu seyn. – (378 | 229) Die Denkweise Spinozas leidet also an einem »Mangel der Reflexion in sich«. Das ist erstens ein Mangel der Charakterisierung des logischen Sinns von »sich«, »selbst«, »identisch« und »reflexiv«, zweitens ein Mangel endlicher Gegenstandskonstitution. Dasselbe gilt auch für das orientalische Ganzheitsdenken, die Emanationslehre, nach der von einem göttlichen Lichtursprung her gesehen alles immer dunkler wird, sozusagen als Weg vom Geist zur Natur, vom Spiritualismus zum Materialismus. Leibniz behebt nur einen Teil dieses Mangels, indem seine Monaden eine lokale Perspektive gibt. Hegel kritisiert dieses Modell, in dem er es als ebenso einseitig wie das Modell der Substanz bezeichnet – nur je in anderem Betracht. Zugleich gibt er zu, dass eine gewisse ›Vollständigkeit‹ des Blicks auf das Ganze gewahrt bleibt bzw. erreicht wird. Die Monade ist ein Eins, ein in sich reflectirtes Negatives; sie ist die Totalität des Inhalts der Welt; das verschiedene Mannichfaltige ist in ihr nicht nur verschwunden, sondern auf negative Weise aufbewahrt; die Spinozistische Substanz ist die Einheit alles Inhalts; aber dieser mannichfaltige Inhalt der Welt ist nicht als solcher in ihr, sondern in der ihr äusserlichen Reflexion. Die Monade ist daher wesentlich vorstellend; sie hat aber, ob sie wohl eine endliche ist, keine Passivität; sondern die Veränderungen und Bestimmungen in ihr sind Manifestationen ihrer in ihr selbst. Sie ist Entelechie; das O=enbahren ist ihr eigenes Thun. – (378 | 229)
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Die Monade wird als Gegenstand konzipiert, mit einer Art Selbstbezugnahme, sogar Selbstreflexion, unter Ausschluss von allem anderen. Insofern ist sie ein »in sich reflektiertes Negatives«. Zugleich ist sie »die Totalität des Inhalts der Welt«, soweit sich die Welt der (raumzeitlich lokalen, punktförmigen) Monade zeigt. Das Innere der Monade ist aber nicht bloß ganz Perzeption und Apperzeption, sondern enthält spontane Kräfte zu Reaktion und eigener Aktion. Daher hebt die Monade die Mannigfaltigkeit der Welt in einem doppelten Sinn in ihrer Einheit auf, während bei Spinoza das Einzelne im Modus der Substanz bloß verschwindet. Die spinozistische Substanz ist zwar Einheit allen Inhalts, aber nicht in einem einheitlichen Wesen, sondern sie ist sozusagen selbst mannigfaltig zerstreut. Ihre Einheit ist bloß äußerlich. Die Monade ist dagegen wesentlich vorstellend. Sie selbst wird vorgestellt als ein seelenförmiges Zentrum von Repräsentation und Perzeption, Reaktion und Aktion, freilich auch je gebunden an das Urbild der Einheit eines Lebewesens. Tote Dinge werden analog betrachtet – so dass die Monadologie ein großer Anthropomorphismus der Dinge ist. Lobend erwähnt Hegel, dass sogar noch die Perzeptionen einer Monade bei Leibniz aktiv, als Manifestationen des Lebens beim Lebewesen, des generischen Seinsvollzugs bei jedem Ding eines gewissen Arttyps begri=en werden sollen. So liest er die Rede von der Entelechie, der teleologischen Zielgerichtetheit des Seins oder Lebens einer Monade, jenseits bloßer mechanischer Passivität einer Druckund Stoßphysik. Unklar ist, was es heißt, das O=enbaren sei das eigene Tun der Monade. Gemeint ist wohl, dass von der Monade her gesehen alle Rezeption und Perzeption gerade nicht rein als passiv zu begreifen sind, sondern wie das Denken und Begreifen bei personalen Subjekten als aktiv. Auch alle göttliche O=enbarung bzw. alle Erfahrung der Welt ist bei uns als durch unsere eigene Aktivität vermittelt zu begreifen. Wir machen Erfahrungen immer nur enaktiv, empraktisch, im zielgerichteten Tun und den entsprechenden Befriedigungen, Erfüllungen, oder ihren Negationen, im Scheitern. Dabey ist die Monade auch bestimmt, von andern unterschieden; die Bestimmtheit fällt in den besondern Inhalt und die Art und Wei-
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se der Manifestation. Die Monade ist daher an sich, ihrer Substanz nach, die Totalität, nicht in ihrer Manifestation. (378 | 229) In ihrer (perspektivischen) Endlichkeit ist die Monade bzw. der ihr zugehörige Körper (bei Lebewesen: ihr Leib) bei Leibniz nur als generisches Modell bestimmt. Sie soll dennoch jeweils von anderen Dingen, Sachen und monadologischen Wesen unterschieden sein. Das gilt gerade auch von ihr selbst her gesehen. Alle Unterschiede werden von ihr gemacht. Dazu gehören der Modus, die Art und Weise, ihres Welt- und Selbstverhältnisses, die Manifestation ihres Seins im Vollzug. Dabei ist die Monade selbst bloß die punktförmig gedachte Form der Seinsweise ›ihres‹ Körpers bzw. ›ihres‹ Leibes, so dass zwar die Einheit von Monade (Seele) und Körper (Leib), beim Menschen: der res cogitans und res extensa, an sich gewahrt bleibt (bzw. gewahrt bleiben soll). Da aber die Seinsweise als Art und Weise oder Modus zu verstehen ist, ist die Monade das Ganze bloß an sich, bloß generisch betrachtet, »nicht in ihrer Manifestation«, also nicht im je einzelnen Seinsvollzug je hier und jetzt. Nach Hegel versteht Leibniz nicht, was seine Modellierung des Einzelnen als absolutes Token überhaupt leisten kann. Es soll eine Art Spiegelung der absoluten Totalität der Welt, des Seins im Ganzen, in einem Punkt sein. Diese Beschränkung der Monade fällt nothwendig nicht in die sich selbst setzende oder vorstellende Monade, sondern in ihr Ansichseyn, oder ist absolute Grenze, eine Prädestination, welche durch ein anderes Wesen, als sie ist, gesetzt wird. Ferner da Begrenzte ¦ nur sind, als sich auf andere Be|grenzte beziehend, die Monade aber zugleich ein in sich geschlossenes Absolutes ist, so fällt die Harmonie dieser Begrenzungen, nemlich die Beziehung der Monaden auf einander, ausser ihnen und ist gleichfalls von einem andern Wesen oder an sich prästabilirt. (378 f. | 229 f.) Indem eine Monade also bloß generisch, als typische Seinsform einer Wesensart zu denken ist, nicht als Individuum, verschwindet jedes eigenständige Tun hier und jetzt. Ihre Perzeptionen und Reaktionen erscheinen als prädestiniert und prädeterminiert, als gesetzt »durch ein anders Wesen, als sie ist« – nämlich die Supermonade Gott. Außerdem ist die begrenzte Individualität der Monade nur zu verstehen in Relation zu anderem. Die Monade kann gar kein »in
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sich geschlossenes Absolutes« sein. Die prästabilierte Harmonie der Monaden führt daher bei Leibniz zurück auf die Supermonade – so dass das Bild von Leibniz am Ende gar nicht über das des Spinoza hinausreicht, außer dass die Monaden als Modi der göttlichen Substanz etwas besser verständlich werden.68 Es erhellt, daß durch das Princip der Reflexion-in-sich, welches die Grundbestimmung der Monade ausmacht, zwar das Andersseyn und die Einwirkung von aussen überhaupt entfernt ist, und die Veränderungen der Monade ihr eigenes Setzen sind, – daß aber auf der andern Seite die Passivität durch anderes, nur in eine absolute Schranke, in eine Schranke des Ansichseyns verwandelt ist. Leibnitz schreibt den Monaden eine gewisse Vollendung in sich zu, eine Art von Selbstständigkeit; sie sind gescha=ene Wesen. – (379 | 230) Die Einseitigkeit der Monadologie besteht darin, dass zwar jede Weltbezugnahme als Selbstbeziehung dargestellt wird, aber das passive Element und die Relationen untereinander eben damit ausgeblendet werden. Damit wird die Perspektivität der Monade, ihre Subjektivität, idealistisch verabsolutiert. Alle sie transzendierende Objektivität fällt in die Totalität der Supermonade, in Gott. Die Verwandlung aller Passivität »in eine Schranke des Ansichseins« bedeutet, dass ihre Reaktionen artgemäß bedingt sind, nach dem Muster des Verhaltens von Tieren. Näher ihre Schranke betrachtet, so ergibt sich aus dieser Darstellung, daß die Manifestation ihrer selbst, die ihnen zukommt, die Totalität der Form ist. Es ist ein höchst wichtiger Begri=, daß die Veränderungen der Monade als Passivitätslose Actionen, als Manifestationen ihrer selbst vorgestellt, und das Princip der Reflexion in sich, oder der Individuation als wesentlich hervorsteht. Ferner ist es nothwendig, die Endlichkeit darin bestehen zu lassen, daß der Inhalt oder die Substanz von der Form unterschieden, und dann Diese Passagen zeigen klar, dass und wie Hegel den generischen Singular in seiner Rede über die Monaden gebraucht, während die Rede von der Substanz zweideutig wird im Sinne dessen, dass es nur eine einzige bei Spinoza gibt, während eine bestimmte Substanz oder ousia als Gegenstand mit endlicher Bestimmung an und für sich zu verstehen ist. 68
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weiter jene beschränkt, diese aber unendlich ist. Aber nun wäre im Begri=e der absoluten Monade nicht nur jene absolute Einheit der Form und des Inhalts, sondern auch die Natur der Reflexion, als die sich auf sich selbst beziehende Negativität sich von sich abzustossen, wodurch sie setzend und scha=end ist, zu finden. (379 | 230) Alle Manifestationen einer Monade sind bei Leibniz rein generisch zu verstehen, als durch ihren Formtyp bedingt. Das jedenfalls meint Hegel. Dabei lobt er die Betonung der perspektivischen Aktivität und der Reflexion in sich, auch der Individuation aus sich heraus, nicht im Sinne der Gegenstandsbildung oder Objektivierung von etwas anderem, sondern im Vollzug. Außerdem erkennt Leibniz, Hegel zufolge, dass alle Endlichkeit des Daseins darin besteht, dass Aktualisierungen von der jeweiligen allgemeinen Form unterschieden sind, dass je nur die Aussagen über Formen (Arten, Gattungen, Typen) also über Allgemeines, der Form nach zeitallgemein, ewig, unendlich sind, während alle Aussagen über Einzelnes empirisch, zeit- und raumrelativ, endlich sind. Dabei wäre jetzt aber unbedingt der Kontrast zwischen empirischen und generisch-begri=lichen Aussagen bzw. Namen und Prädikaten zu analysieren gewesen. Und es wäre der Status der reflexionslogischen Aussagen und Termini, der spekulativen Sätze und Titel zu klären. Es ist zwar im Leibnitzischen Systeme das Weitere gleichfalls vorhanden, daß Gott die Quelle der Existenz und des Wesens der | Monaden ist, d. h. daß jene absoluten Schranken im Ansichseyn der Monaden nicht an und für sich seyende sind, sondern im Absoluten verschwinden. Aber es zeigen sich in diesen Bestimmungen nur die gewöhnlichen Vorstellungen, die ohne philosophische Entwicklung gelassen und nicht zu speculativen Begri=en erhoben sind. So erhält das Princip der Individuation seine tiefere Ausführung nicht; die Begri=e über die Unterscheidungen der verschiedenen endlichen Monaden, und über ihr Verhältniß zu ihrem Absoluten, entspringen nicht aus diesem Wesen selbst oder nicht auf absolute Weise, sondern gehören der räsonnirenden, dogmatischen Reflexion an, und sind daher zu keiner innern Cohärenz gediehen. ¦| (379 | 230 f.) Wie bei Spinoza sind die Monaden (Modi) in Gott. Gott ist Grund und Quelle ihrer Existenz und Essenz, ihres Wesens – so dass alles
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im Absoluten, dem Ganzen des Seins, der Totalität verschwindet. Hier reproduzieren sich nur übliche Vorstellungen von Gott, dem Absoluten, von Brahma, dem All oder von Tao, dem Sein aller Wege und Bewegungen. Die Denkweisen des Orients zeigen sich so nicht nur im Christentum, sondern auch im Rationalismus des 18. Jahrhunderts. Ihre philosophische Entwicklung und Erhebung zu spekulativen Reflexionsbegri=en geschieht erst dort, wo der Zusammenhang mit den logischen Formen der Weltdarstellung, des Weltzugangs, des begri=lichen, generischen Wissens und begri=lich vermittelten Erkennens samt der Betrachtung von Endlichkeiten aus ihrer gedachten Negation in holistischen Sichtweisen bzw. in der Rede über alles, über Totalitäten aufgedeckt wird. Bei Leibniz fehlt zum Beispiel eine Konstitutionsanalyse jeder Form von Identität – wie im logischen Empirismus auch noch, der ebenfalls einfach mit sich identische Entitäten postuliert, ohne zu wissen, was eine entity, ein Gegenstand, oder ein token überhaupt ist und sein kann. Kurz, es fehlt jedes logische Wissen um die Sprachtechnik der Abstraktion und Ideation bzw. der Gegenstandsbereichskonstitution. Das hat gravierende Folgen für das Verständnis der Rede von Monaden, auch ihres Verhältnisses zum Ganzen, Absoluten bzw. zu Gott. Dogmatisch wird zwar einiges gesagt und scheinbar begründet. Insgesamt aber entsteht keine innere Kohärenz in der monadologischen Metaphysik bei Leibniz, weder im Blick auf das Zentralproblem von Freiheit und Determinismus noch auf die Frage nach dem Verhältnis von Denken und Ausdehnung, aktiver Spontanität und passiver Rezeptivität, Einzelnem und Allgemeinem, Zeit und Ewigkeit.
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Das Absolute ist die Einheit des Innern und Aeussern als erste, ansichseyende Einheit. (380 | 232) Es geht darum, die Wirklichkeit verstehbar zu machen. Dazu ist die einfache Vorstellung von ihr als einem Jenseits, als das Absolute oder als Ding an sich, aufzuheben. Aufzuheben ist jede Betrachtung von der Seite, aus einem überzeitlich und überräumlich vorgestellten Blick
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eines vorgestellten Gottes. Das Wirkliche ist zwar absolut, losgelöst und unabhängig von je meinem epistemischen Zugang zu ihm. Aber es ist Einheit des begri=lichen Inneren und des anschaulich Äußeren. Die Auslegung erschien als äussere Reflexion, die auf ihrer Seite das Unmittelbare als ein Vorgefundenes hat, aber zugleich die Bewegung und Beziehung desselben auf das Absolute ist, und als solche es in dieses zurükführt, und als eine blosse Art und Weise bestimmt. Aber diese Art und Weise ist die Bestimmung des Absoluten selbst, nemlich seine erste Identität oder seine bloß an sich seyende Einheit. Und zwar wird durch diese Reflexion nicht nur jenes erste Ansichseyn gesetzt als wesenlose Bestimmung, sondern weil sie negative Beziehung auf sich ist, wird erst durch sie jener Modus. (380 | 232) Die Interpretation der Rede von einer absoluten Wirklichkeit, kurz: vom Absoluten, tritt zunächst sowohl in theologischen Traditionen als auch im nachcartesischen Rationalismus als ›äußere Reflexion‹ auf. Das heißt, die Leute sagen etwas im Modus der Behauptung dazu, dass und wie die Wirklichkeit hinter oder unter den Erscheinungen liegen soll. Auf der einen Seite gebe es Unmittelbarkeiten, von uns aufgefundene Gegebenheiten. Diese aber seien irgendwie im Absoluten, der Wirklichkeit als Bereich aller Ursachen, begründet oder von dieser Hinterwelt auf eine uns unbekannte und sogar als unerkennbar behauptete Weise bewirkt. Uns zeige sich, meinen Spinoza oder Kant, die Wirklichkeit der Substanz oder des Dinges an sich je nur auf besondere Art und Weise. Wir sind sogar bei Spinoza selbst bloß ein Modus, eine Weise des Seins des Absoluten. Aber wie wir dies drehen und wenden, die Art und Weise, wie sich uns Erscheinungen präsentieren und wie wir auf sie reagieren, muss immer auch schon als eine Bestimmung des Absoluten, der Wirklichkeit selbst begri=en werden. Es ist sogar in der Form des Vollzugs unseres eigenen, durch Erkennen der Welt mitbedingten Seins im Kontakt mit dem präsentischen Dasein der Dinge (in praktischer Anschauung) die »erste Identität« der Wirklichkeit, seine zunächst freilich bloß erst an sich seiende, generisch bestimmte ›Einheit‹ im Ganzen der Erfahrung. Genauer gilt, dass nur durch die Art und Weise, wie wir die Wirklichkeit erfahren, eine Erscheinung als Erscheinung der Wirklichkeit verstehbar wird. Man spricht also bloß im Modus des
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Ansichseins über die ›wesenlose Bestimmung‹ reiner Erscheinung (für uns). Die Art und Weise unseres Weltbezugs ist schon ›negative Beziehung auf sich‹, welche den Kontrast zu der sie begründenden Wirklichkeit reflexionslogisch längst voraussetzt. Diese Reflexion als sich selbst in ihren Bestimmungen aufhebend, und überhaupt als die in sich zurükkehrende Bewegung ist erst wahrhaft absolute Identität, und zugleich ist sie das Bestimmen des Absoluten oder die Modalität desselben. Der Modus ist daher die Aeusserlichkeit des Absoluten, aber eben so sehr nur als dessen Reflexion in sich; – oder er ist die eigne Manifestation desselben, so daß diese Aeusserung seine Reflexion-in-sich und damit sein Anund-für-sich-seyn ist. (380 | 232) Wir sehen, dass die Rede von etwas Wirklichem zu unserem generischen und immanenten Formkontrast zwischen Wirklichkeit und Erscheinung, Sein und Schein in die Welt gehört. (Sie findet sozusagen statt im Absoluten und dieses ist das Gesamt des realen Werdens der Welt in der ›empirischen‹ Zeit, je aus unserer Gegenwart her betrachtet.) Das aber bedeutet, dass sich eine Identifizierung des Wirklichen mit einem Absoluten hinter der Erfahrungswelt verbietet. Kants Rede davon, unser epistemischer Zugang zur Welt träfe leider nur auf eine phänomenale Außenseite der Welt, das Innere bleibe uns aufgrund der besonderen Art und Weise unseres Anschauens und Denkens mit Notwendigkeit auf ewig verborgen, ist also begri=lich und reflexionslogisch verwirrt. So als die Manifestation, daß es sonst nichts ist und keinen Inhalt hat, als die Manifestation seiner zu seyn, ist das Absolute die absolute Form. Die Wirklichkeit ist als diese reflectirte Absolutheit zu nehmen. Das Seyn ist noch nicht wirklich; es ist die er|ste Unmittelbarkeit; seine Reflexion ist daher Werden und Uebergehen in Anderes; oder seine Unmittelbarkeit ist nicht An-und-für-sich-seyn. Die Wirklichkeit steht auch höher als die Existenz. Diese ist zwar die aus dem Grunde und den Bedingungen, oder aus dem Wesen und dessen Reflexion hervorgegangene Unmittelbarkeit. Sie ist daher an sich das, was die Wirklichkeit ist, reale Reflexion, aber ist noch nicht die gesetzte Einheit der Reflexion und der Unmittelbarkeit. (380 | 232 f.) Es folgen Metakommentare zur vorgeschlagenen Kanonisierung
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spekulativer Kommentierungen, in denen die Titelwörter »Sein«, »Wesen«, »Wirklichkeit« etc. vorkommen – samt der Erinnerung daran, dass das wahrhaft Absolute das Vollzugssein ist, wie es sich je für mich wie je für andere endliche Wesen auch manifestiert, also relational bzw. prozessual zeigt. Die Rede von der Wirklichkeit ist z. B. als »reflektierte Absolutheit zu nehmen«, im Wissen darum, wie wir Erscheinungen und sogar einen Schein als Art und Weise der Manifestation eines Wesens zu verstehen haben. Das bloße Sein ist in dem Sinn noch nicht wirklich, als es nicht in der Kontrastierung von Wirklichem in seiner Bestimmung zu dessen konkreter Erscheinung thematisiert ist. Die Seinslogik thematisiert dementsprechend bloß erst abstrakt den formalen Sinn des »ist« (etwa auch in qualitativen und dann auch quantitativen Aussagen mit vermeintlich unmittelbaren Geltungs- und Wahrheitsbedingungen). Dabei beginnt die erste Unmittelbarkeit des denkenden und urteilenden Zugangs zur Welt mit empirischen, d. h. präsentischen Unterscheidungen und Konstatierungen im Dasein. Die Reflexion auf das Unterscheiden selbst führt in einem zweiten, unmittelbaren Schritt dazu, dass man die eben schon genannte Zeitlichkeit des Daseins bemerkt. Darin besteht auch schon der (metastufige) Übergang zum Werden. Werden selbst ist dabei ein (objektstufiges) Übergehen eines bestimmten Seins in ein anderes Sein. Artikuliert wird das durch die Änderung der Wahrheitswerte der Sätze in der Zeit oder bei unterschiedlichen Bezügen. Das alles ist nur Rekapitulation des Anfangs der Seinslogik. Die Unmittelbarkeit des Umgangs mit bloßen empirischen Konstatierungen kennt noch nicht die Struktur des An-und-für-sich-Seins von Rede-Gegenständen. Das relevante Ansichsein des Begri=s bzw. der Art einer Sache ist in jedem bestimmten Weltbezug vorausgesetzt. Aber auch im Vergleich zur Existenz, dem sich Zeigen einer Sache, die generisch an sich durch einen Arttyp bestimmt ist und für sich als hier oder dort artikuliert erkannt ist, steht die Wirklichkeit höher, wie Hegel sagt, als das bloß präsentische Unterscheiden. Das bedeutet, dass wir im Kontrast von (absoluter) Wirklichkeit und modusbedingter Erscheinung, vermittelt durch die Art und Weise unseres Weltbezugs, die reflexionslogische Kommentarsprache schon vertieft und dadurch, um weiter in gegenläufiger Metaphorik zu reden,
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einen höheren Standpunkt entwickelt haben. Denn ab jetzt ist uns der Unterschied zwischen Möglichem und Wirklichem immer bewusst. Die Rede von der Existenz einer Sache setzt zwar schon die Rede von einem (zureichenden) Grund (für ihr Bestehen) voraus und damit die Rede von (notwendigen und hinreichenden) Bedingungen, ferner über das Wesen, also die generischen Arttypen, die als hier oder dort existierend bzw. in besonderer Weise manifest ausgesagt werden. Das alles muss aber reflektiert, explizit gemacht werden, um sich dann nicht mehr nur naiv, unmittelbar, auf existierende Dinge über deren Erscheinungen zu beziehen. Die Betonung von deren Wirklichkeit geht, wie wir gleich sehen werden, noch einen Schritt weiter, indem sie nämlich die falsche Meinung zurückweist, die Existenz einer Sache sei je bloß eine Existenz für uns und keine ›absolute‹ oder ›wirkliche‹ Existenz. Die Existenz geht daher in Erscheinung über, indem sie die Reflexion, welche sie enthält, entwickelt. Sie ist der zu Grunde gegangene Grund; ihre Bestimmung ist die Wiederherstellung desselben, so wird sie wesentliches Verhältniß, und ihre letzte Reflexion ist, daß ihre Unmittelbarkeit gesetzt ist als die Reflexion-in-sich, und umgekehrt; diese Einheit, in welcher Existenz oder Unmittelbarkeit, und das Ansichseyn, der Grund oder das Reflectirte schlechthin Momente sind, ist nun die Wirklichkeit. Das ¦ Wirkliche ist darum Manifestation, es wird durch seine Aeusserlichkeit nicht in die Sphäre der Veränderung gezogen, noch ist es Scheinen seiner in einem andern, sondern es manifestirt sich; das heißt, es ist in seiner Aeusserlichkeit es selbst, und ist nur in ihr, nemlich nur als sich von sich unterscheidende und bestimmende Bewegung, es selbst. (380 f. | 233) Was die manieristisch-dialektische Rede vom zum ›Grunde gegangenen‹ Grund bedeutet, ist nicht leicht zu verstehen, zumal das zweideutige Spiel zu beachten ist, das Hegel mit der Formulierung »zu Grunde« treibt. Die Dialektik, nach welcher die Kraft bzw. Disposition, welche als kausaler Grund einer Erscheinung gesetzt ist, in der Gesamterscheinung zu Grunde geht, besagt wohl wieder nur, dass jede e;zienzkausale Deutung von Kräften logisch naiv ist: Der Kraft entspricht eine holistische, d. h. durch vielerlei bedingte, Wirkung im Bereich der äußeren Erscheinung. Es wird also die Gesamterschei-
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nung wiederhergestellt – nämlich in den gemeinsamen Wirkungen der verschiedensten, in die lokalen Dinge gelegten Kräfte oder Dispositionen. Die scheinbar unmittelbaren Dinge und Kräfte sind also konstituiert nur vermöge reflexionslogischer Redeformen. Es gibt sie nur als Reflexion-in-sich. Nur so gibt es auch (gattungs- und artbestimmte) ›Einheiten‹, ›Elemente‹, ›Individuen‹ etc., die wir immer auch als Kraft- und Wirkzentren auffassen. Schon Lebewesen existieren z. B. klarerweise nur vermöge eines Prozesses des Sto=wechsels als Einheiten für sich. Wie alle körperlichen Dinge entstehen und vergehen sie. Das Wirkliche ist Manifestation, Aktualisierung theoretisch angesprochener Gegenstände und Kräfte. Aber das Wirkliche ist kein freischwebendes Phänomen. Es ist Äußerung eines inneren Wesens. In dieser Äußerlichkeit existiert es selbst wirklich – in seiner Äußerung oder Äußerlichkeit, Erscheinung. Anders gesagt, es wäre falsch, das Verhältnis zwischen Wesen (Grund) und Erscheinung (Manifestation) als Relation zwischen Gegenständen aufzufassen: Relationen müssen auf derselben Ebene definiert sein. In der Wirklichkeit nun als dieser absoluten Form, sind die Momente nur als aufgehobene oder formelle noch nicht realisirt; ihre Verschiedenheit gehört so zunächst der äussern Reflexion an und ist nicht als Inhalt bestimmt. (381 | 233) In der unmittelbaren Rede von wirklichen Sachen und Dingen – der Wirklichkeit – reflektiert man noch nicht auf ihre begri=liche Konstitution. Man denkt unmittelbar so, als gäbe es eine Relation zwischen dem Wirklichen (im Sinne von Kants Ding an sich) und unseren Erscheinungen (Perzeptionen, Phänomenen). Hegel zeigt, dass dem schon deswegen nicht so ist, weil es die ›Gegenstände‹ gar nicht (als bestimmte oder bestimmbare) gibt, die ›in Relation stehen‹ sollen. Es kann daher auch nicht eigentlich eine Relation zwischen ›Ursachen‹ (Gründen) und ›Wirkungen‹ (Manifestationen) geben. Hume setzt zwar beide in die Ebene der phänomenalen Ereignisse nacheinander. Das aber ist schon eine logische Verwirkung ersten Ranges. Die Verschiedenheit zwischen Wirklichkeit und Erscheinung gehört »zunächst der äußeren Reflexion an«. Das heißt, sie ist bloß erst
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formal, noch nicht inhaltlich bestimmt. Das wäre sie erst, wenn wir uns über die Rolle des Begri=s bei dieser Bestimmung klar wären. Die Wirklichkeit als selbst unmittelbare Formeinheit des Innern und Aeussern ist damit in der Bestim|mung der Unmittelbarkeit gegen die Bestimmung der Reflexion in sich; oder sie ist eine Wirklichkeit gegen eine Möglichkeit. Die Beziehung beyder auf einander ist das Dritte, das Wirkliche bestimmt eben so sehr als in sich reflectirtes Seyn, und dieses zugleich als unmittelbar existirendes. Dieses Dritte ist die Nothwendigkeit. (381 | 233 f.) Es geht hier um die Vorbereitung der folgenden reflexionslogischen Kommentare zu logischen Redeformen der Form »x scheint ein X zu sein«, »x ist wirklich ein Y «, »x ist möglicherweise Z «, »x ist Ursache für E «, »x ist seinem Wesen, seiner Natur nach ein W « usw. Sie werden artikuliert durch Sätze über den Schein, die Erscheinung, die Wirklichkeit, die Möglichkeit, den Grund, das Wesen, die Natur usf. In Urteilen der Form »x ist wirklich ein Y « ist die »unmittelbare Formeinheit des Innern und Äußern«, also von Y und x , zu beachten. Wir sprechen von der gleichen Sache, das eine Mal, wie sie zu sein scheint oder uns erscheint, das andere Mal, wie sie (angeblich, gemäß dem Urteil oder der Versicherung des Sprechers) wirklich ist (oder sein soll). Dabei wird so gesprochen, als gäbe es das Wirkliche, die Wirklichkeit, unmittelbar, während seine Erscheinung als vermittelt erscheint: Man meint, die wirklichen Sachen bewirkten unsere Wahrnehmung oder Anschauung von ihnen. Die Folge ist, dass das Wirkliche nicht als Reflexion-in-sich unserer gegenständlich formulierten Urteile erscheint, sondern als unmittelbar gegeben. – In der Frage, was das Unmittelbare ist, stehen sich daher der dogmatische Materialismus als Glaube an sto=liche Körperdinge mit ihren (übrigens von uns gesetzten) dispositionellen Eigenschaften und Kräfte und der skeptizistische Empirismus radikal gegenüber. Das Wirkliche ist immer ein bewertetes Mögliches. Tiere haben keinen Zugang zu Möglichkeiten, daher auch nicht zur Wirklichkeit, sondern nur zur ihnen präsentischen Realität gegenwärtiger Umgebung. Die Folge dieser zentralen Einsicht ist, dass eine Erkenntnistheorie, welche wie bei Hume mit unmittelbaren Empfindungen beginnt, für eine logische Rekonstruktion der logischen Form des
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Wirklichen von vorneherein untauglich ist. Das erklärt auch, warum alle Anhänger Humes (wie z. B. Russell oder Carnap) relativ schnell ihren vermeintlich kritischen Sinnesdaten-Empirismus aufgeben und ins Lager der physikalistischen Atomisten überwechseln. Das notorische Schwanken des Empirismus zwischen Berkeley und Hobbes, dann wieder zwischen dem frühen Carnap und Quine (oder Neurath bzw. David Lewis und David Armstrong), liegt, wie Hegels Analyse zeigt, am schwankenden Grund der unterstellten Unmittelbarkeit. Die Beziehung zwischen bloß Möglichem und Wirklichem ist nun aber selbst logisch keineswegs einfach zu verstehen. Die Beziehung selbst ist »das Dritte«, »die Notwendigkeit«. Das klingt zunächst orakelhaft, auch wenn man Hegels Erläuterung hinzunimmt, dass das Wirkliche erstens als »in sich reflektiertes Sein« zu verstehen sei, also als Ergebnis eines Urteils, das über ein Urteil nachdenkt, dieses prüft und entweder bestätigt oder als partiell scheinhaft aufhebt, zweitens aber auch »als unmittelbar existierendes« Wirkliches. – Immerhin hilft Hegels Erläuterung weiter. Sie verlangt von jedem Wirklichkeitsurteil eine nachdenkende, reflektierende Aufhebung eines zunächst bloß oberflächlichen Urteils. Es geht um die Setzung einer Ur-Sache als wirklich bestehend, welche die Erscheinung oder den Schein des Oberflächenurteils ›erklärt‹, und zwar auf generisch-allgemeine Weise. In leichtem Überschwang sprechen wir in der Tat regelmäßig davon, dass das Wirkliche ›mit Notwendigkeit‹ die Erscheinung hervorbringt, obwohl zunächst nur ein Perspektivenwechsel von dem, was je mir so und so erscheint, zu dem stattfindet, was wir für wirklich halten oder als ›notwendige‹ Erklärung anerkennen. Es wird der Begri= bzw. die logische Form des Notwendigen in diesem Kontext freilich noch näher zu erläutern sein. Aber zunächst, indem Wirkliches und Mögliches formelle Unterschiede sind, ist ihre Beziehung gleichfalls nur formell, und besteht nur darinn, daß das eine wie das andere ein Gesetztseyn ist, oder in der Zufälligkeit. (381 | 234) Wie ist die zunächst rein formale Unterscheidung zwischen Wirklichem und Möglichem konkret zu verstehen? – Der Sprecher setzt etwas als wirklich, oder er setzt etwas als möglich bzw. erklärt es als bloß möglich und nicht wirklich. Ob etwas real oder wirklich ist, das
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geht über die möglicherweise bloß erst zufällige oder irrtümliche Setzung des Sprechers hinaus. Wie also unterscheiden wir zwischen rein verbalen Möglichkeiten, wirklichen Möglichkeiten und einer wahren Wirklichkeit? Damit nun, daß in der Zufälligkeit das Wirkliche wie das Mögliche, das Gesetztseyn ist, haben sie die Bestimmung an ihnen erhalten; es wird dadurch zweytens die reale Wirklichkeit; womit eben so reale Möglichkeit, und die relative Nothwendigkeit hervorgeht. (381 | 234) Erst wenn wir ›metastufig‹ auf die Sprechhandlungsform oder performative Modalität der Ausdrucksweisen »es ist möglich, dass φ« bzw. »es ist wirklich so« bzw. »x existiert wirklich« achten, begreifen wir das Gesetztsein von Schein und Wirklichkeit, samt der Rolle der Notwendigkeit in der Erklärung des Wirklichen gegen einen bloßen Schein. Es handelt sich wieder um eine Technik gemeinsamer Unterscheidung – wie bei allen Dingen. Wir werden dabei das Relative jeder Notwendigkeit ebenso zu beachten haben wie die schwierige Form der wirklichen oder realen Möglichkeit. Die Reflexion der relativen Nothwendigkeit in sich gibt drittens die absolute Nothwendigkeit, welche absolute Möglichkeit und Wirklichkeit ist. | (381 | 234) Wer die Zweideutigkeiten in den Reden von einer unmittelbaren Gegebenheit nicht bemerkt, wird Hegels dialektische Ironie nicht mögen, nach dem das Wirkliche zur Erscheinung und die Notwendigkeit zu etwas bloß Möglichem wird. Warum soll z. B. die absolute Notwendigkeit »absolute Möglichkeit und Wirklichkeit« sein? Und was ist die »Reflexion der relativen Notwendigkeit in sich«? Warum soll sie irgendetwas ergeben? – Wir könnten uns hier glücklicherweise herausreden und darauf verweisen, dass Hegel die orakelartigen Thesen oder Fragen nur an den Anfang der folgenden Überlegung stellt, also im Weiteren beantwortet. Dem, der vorgreifend eine Groborientierung wünscht, sei dennoch jetzt schon das Folgende gesagt: Relative Notwendigkeiten sind relativ zu unserem Begri=ssystem, zu unserem generischen Wissen. Absolute Möglichkeit und Wirklichkeit sind das, was je ich und je wir im Vollzug als möglich und wirklich anerkennen, nicht etwas, das rein von der Seite eines Gottes betrachtet »absolut wirklich ist«. Von der Seite zu sprechen, bedeutet ironischerweise
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gerade, meine Möglichkeitserwägungen zu wirklichen Möglichkeiten zu machen und meine relativen Notwendigkeitsversicherungen zu absoluten Notwendigkeiten.
A. Zufälligkeit oder formelle Wirklichkeit, Möglichkeit und Nothwendigkeit 1. Die Wirklichkeit ist formell, insofern sie als erste Wirklichkeit nur unmittelbare, unreflectirte Wirklichkeit, somit nur in dieser Formbestimmung, aber nicht als Totalität der Form ist. Sie ist so weiter nichts als ein Seyn oder Existenz überhaupt. Aber weil sie wesentlich nicht blosse unmittelbare Existenz, sondern, als Formeinheit des Ansichseyns oder der Innerlichkeit, und der Aeusserlichkeit ist, so enthält sie unmittelbar das Ansichseyn oder die Möglichkeit. Was wirklich ist, ist möglich. ¦ (381 | 235) Hegel erläutert jetzt erst die oben vorgreifend formulierten Merksätze und ›begründet‹ sie. Das geschieht freilich nicht immer so, wie sich manche Begründungen wünschen, nämlich als Rechtfertigungen alternativloser Wahrheiten. Solche Wahrheiten gibt es nicht – da sogar noch rein mathematische Wahrheiten erstens viele alternative Formulierungen erlauben und zweitens von einem Denkrahmenmodell abhängen, etwa der sortalen Wahrheitswertsemantik und der durch sie mitgegebenen formalen (Quantoren-)Logik, die als solche keineswegs ›alternativlos‹ ist – trotz ihrer wirklich sehr nützlichen Form und einfachen Regelungen. Wer nun bloß unmittelbar sagt, etwas existiere wirklich oder sei wirklich so, behauptet bloß etwas in formellem Kontrast zu einer bloßen Möglichkeit oder einem bloßen Schein. In diesem Kontrast ist das Wirkliche zunächst bloß erst »Formbestimmung«, noch »nicht als Totalität der Form« voll erfasst, begri=en oder ergri=en. Als bloßer Inhalt einer Aussage unterscheidet sich das »es ist wirklich« nicht von dem »es ist« oder »es gibt«, die Wirklichkeit also nicht vom Sein oder der Existenz. Nur weil in der reflexions- oder wesenslogischen Betonung ein Kontrast zu Schein oder Erscheinung mitformuliert wird, gibt es hier einen (formellen) Unterschied. Dieser
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setzt den Kontrast zwischen dem Inneren eines Inhalts und der Äußerlichkeit von dessen Manifestation voraus – die »Formeinheit des Ansichseins oder der Innerlichkeit und der Äußerlichkeit«, also des Arttyps und seiner Aktualisierung. Alles Mögliche ist als solches bloß erst eine generische Art. Was wirklich ist, ist möglich. Das besagt nicht nur, dass wir das Mögliche als das bloß Mögliche zusammen mit dem Wirklichen verstehen wollen, sondern dass die Wirklichkeit selbst eine Modalität ist: Sie ist eine bewertete Möglichkeit, nicht anders als das Notwendige.69 Die bekannten modallogischen Regeln, nach denen man von der Notwendigkeit (φ) zur Möglichkeit (♦φ) und dann auch von der Wirklichkeit (` φ) zur Möglichkeit (♦φ) übergehen darf, sind im Grunde alle sekundär zu unserer bzw. zur hegelschen Analyse. Das analogische Modell für die Interpretation von geschachtelten Modaloperatoren ist relativ einfach: Man beginnt mit Sätzen (Formeln) φ und bildet Ausdrücke der Form ♦φ (lies: »es ist möglich, dass φ«) bzw. φ (lies: »es ist notwendig, dass φ«) Man deutet die Operatoren dann in gewisser Weise als Quantoren mit sogenannten ›möglichen Welten‹ i aus W als Variablenbereich (wobei man W auch als Menge von strukturierten Mengen auffasst), nämlich so: φ ist in der Totalität aller möglichen Welten wahr genau dann, wenn φ in allen möglichen Welten i wahr ist. D. h. φ wird im Grunde als eine Eigenschaft möglicher Welten gelesen, so wie »es regnet« eine Eigenschaft möglicher Situationen ist. ♦φ ›bedeutet‹ dann dasselbe wie \i .φ(i ). Es ist rein formale Logiktechnik, die Menge W der möglichen Indexwelten i noch irgendwie über sogenannte ›Zugänglichkeitsrelationen‹ zu ordnen, um irgendwelche ›Axiome‹ eines Modalkalküls wie z. B. »S 4« formal zu ›begründen‹. Mit einer ›wahren‹ Analyse unseres Gebrauchs der Wörter »möglich« und »notwendig« hat das weit weniger zu tun, als die Leute glauben. Es handelt sich nur um verschiedene Möglichkeiten, die von Hegel (und schon von Aristoteles) erkannten inneren Widersprüche in bloß intuitiven Gebräuchen der Wörter »es ist möglich« und »es ist notwendig« auf lokale und konstruktive Weise aufzuheben. Die erwähnte Zugänglichkeitsrelation als Relation < zwischen Indexwelten i und j wird nötig, wenn man geschachtelte Modaloperatoren deuten will. Eine Formel der Art ♦φ bedeutet dann z. B., dass es ein i gibt, sodass für alle i < j φ(j ) gilt, während ♦φ bedeutet, dass es für alle i ein i < j gibt mit φ(j ). Die formale Regel ` φ ⇒ ♦φ (lies: wenn φ wahr ist, ist φ möglich) ergibt sich unmittelbar daraus, dass die wirkliche Welt als eine mögliche aufgefasst ist. 69
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2. Diese Möglichkeit ist die in sich reflectirte Wirklichkeit. Aber diß selbst erste Reflectirtseyn ist ebenfalls das Formelle, und hiemit überhaupt nur die Bestimmung der Identität mit sich oder des Ansichseyns überhaupt. (382 | 235) Was als wirklich gelten kann, wird im Nachdenken kontrolliert und bestätigt. Es ist daher zunächst als eine Möglichkeit bestimmt. Diese besagt, dass etwas, auf das wir gerade Bezug nehmen, an sich von der Art oder dem Typ φ ist. In diesem Sinn ist die Wirklichkeit in sich reflektierte Möglichkeit. Das aber ist sie zunächst bloß als Form: Die Versicherung, dass etwas wirklich so ist, macht es noch nicht so. Dabei verweist das »so« auf eine Art und Weise, ein Ansichsein. Weil aber die Bestimmung hier Totalität der Form ist, ist dieses Ansichseyn, bestimmt als aufgehobenes, oder als wesentlich nur in Beziehung auf die Wirklichkeit; als das Negative von dieser, gesetzt als Negatives. (382 | 235) Indem man sich auf etwas in der Realität, auf etwas Wirkliches bezieht, wird eine »Totalität der Form« unterstellt, also eine Art Richtigkeit der Artbestimmung, des Ansichseins dessen, worauf man sich beziehen möchte. Insofern hebt die Bezugnahme auf etwas Wirkliches hier oder dort eine generische Bestimmung im positiven Sinn auf. Das Wirkliche ist aber etwas Negatives sowohl in der Unterscheidung zu dem, was nicht da ist oder nicht vorhanden ist, als auch zu dem, was in seiner Artform oder seinem Ansichsein nicht richtig bestimmt ist. Als Ansichsein ist es bloße Möglichkeit, als reine Bezugnahme ist der ›Gegenstand‹ des Bezugs noch nicht bestimmt. Die Möglichkeit enthält daher die zwey Momente; erstlich das positive, daß es ein Reflectirtseyn in sich selbst ist; aber indem es in der absoluten | Form herabgesetzt ist zu einem Momente, so gilt das Reflectirtseyn-in-sich nicht mehr als Wesen, sondern hat zweytens die negative Bedeutung, daß die Möglichkeit ein mangelhaftes ist, auf ein anderes, die Wirklichkeit, hinweist, und an dieser sich ergänzt. (382 | 235 f.) Jede Möglichkeit ist in sich reflektierter Gegenstand der Rede, des Denkens, der Bezugnahme in einer an sich bestimmten Artbestimmung. Das ist sein positives Moment. Aber als bloße Möglichkeit ist diese Bestimmung etwas Mangelhaftes, bloß erst negativ bestimmt
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gegenüber dem Wirklichen, dem also, was der ›Gegenstand‹, auf den wir uns beziehen (wollen), für sich, genauer: an und für sich, also in seinem Artwesen und seiner Existenz ›wirklich‹ ist.70 Nach der ersten, der blos positiven Seite ist die Möglichkeit also die blosse Formbestimmung der Identität mit sich, oder die Form der Wesentlichkeit. So ist sie der verhältnißlose, unbestimmte Behälter für Alles überhaupt. – Im Sinne dieser formellen Möglichkeit ist alles möglich, was sich nicht widerspricht; das Reich der Möglichkeit ist daher die grenzenlose Mannichfaltigkeit. Aber jedes Mannichfaltige ist in sich und gegen anderes bestimmt und hat die Negation an ihm; überhaupt geht die gleichgültige Verschiedenheit in die Entgegensetzung über; die Entgegensetzung aber ist der Widerspruch. Daher ist Alles eben so sehr ein widersprechendes und daher unmögliches. (382 | 236) Nach der einen (›positiven‹) Seite ist φ möglich genau dann, wenn φ formal konsistent und damit als Artikulation eines Ansichseins mit sich identisch, sich nicht selbst widersprechend ist. Das ist die bloße »Form der Wesentlichkeit« insofern, als jede Wesensbestimmung eine mögliche Artbestimmung ist. Alles ist in diesem Sinn möglich. Alles fällt unter irgendeine Art oder Weise, möglicherweise so . . . zu sein. Hegel spricht blumig von einem ›unbestimmten Behälter‹ und erläutert die Rede von der formellen Identität bzw. Möglichkeit als das, »was sich nicht widerspricht«. Das Mögliche ist als bloßer Kontrast zum Unmöglichen freilich in seiner Ausdehnung viel zu weit, wie wir jetzt gleich genauer sehen werden. – Diß bloß formelle von Etwas aussagen, – es ist möglich, – ist daher eben so flach und leer, als der Satz des Widerspruchs und jeder in ihn aufgenommene Inhalt, A ist möglich, heißt so viel als A ist A. Insofern man sich nicht auf die Entwiklung des Inhalts einläßt, so hat dieser die Form der Einfachheit; erst durch die Auflösung desselben in seine Bestimmungen kommt der Unterschied an ihm hervor. Indem man sich an jene einfache Form hält, so bleibt der Inhalt ein
Die Totalität der wirklichen Bezugnahme besteht sozusagen in ›allen richtigen‹ Artbestimmungen. 70
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mit sich identisches und daher ein Mögliches. Es ist aber damit eben so Nichts gesagt, als mit dem formellen identischen Satze. (382 | 236) Wir würden heute die Leerheit einer reinen Möglichkeit, dass A existiert, wie sie nur durch die reine Konsistenz eines formal wahren, analytischen, Satzes bestimmt ist, nicht durch die – natürlich paradigmatisch zu lesende – Formel »A ist A« ausdrücken. Aber das ist bloße Konvention. Wäre (der Ausdruck) A inkonsistent, z. B. weil eine Präsupposition, etwa der Existenz, nicht erfüllt ist, dann wäre nach Hegels Einsicht übrigens »A ist A« ebenfalls unrichtig, nämlich unendlich falsch. In diesem Sinn sind Sätze wie »Einhörner sind Einhörner« oder auch »Gott existiert« sowohl formal wahr als auch kategorial falsch, während »Gott gibt es nicht« formal falsch, aber unendlich wahr ist (da Gott kein Gegenstand in einem Quantorenbereich ist). Das Mögliche enthält jedoch mehr, als der bloß identische Satz. Das Mögliche ist das reflectirte | In-sich-Reflectirtseyn; oder das Identische schlechthin als Moment der Totalität, somit auch bestimmt, nicht an sich zu seyn; es hat daher die zweyte Bestimmung, nur ein Mögliches zu seyn, und das Sollen der Totalität der Form. Die Möglichkeit ohne dieses Sollen ist die Wesentlichkeit als solche; aber die absolute Form enthält diß, daß das Wesen selbst nur Moment, und ohne Seyn seine Wahrheit nicht hat. Die Möglichkeit ist diese blosse Wesentlichkeit, so gesetzt, daß sie nur Moment und der absoluten Form nicht gemäß ist. Sie ist das Ansichseyn, bestimmt, als nur ein gesetztes; oder eben ¦ so sehr als nicht an sich zu seyn. – Die Möglichkeit ist daher an ihr selbst auch der Widerspruch, oder sie ist die Unmöglichkeit. (382 f. | 236 f.) Wenn wir im Normalfall sagen, A sei möglich, meinen wir immer mehr und anderes, als dass A bloß formal konsistent ist. Dabei kann A Gegenstand einer Benennung sein, Inhalt einer beschreibenden Aussage oder prädikative Aussonderung in einem Bereich. Was aber meint hier die Rede von der Totalität und von dem Identischen als seinem Moment? Und warum soll, wie der nächste Absatz sagen wird, ein bloß mögliches A auch nicht A sein? Gemeint ist wohl: Es kann oder könnte ein solches A auch nicht A sein. Mit der Rede vom Identischen schlechthin als Moment der Totalität scheint Hegel auf die Vorstellung von einem voll bestimmten
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Einzelgegenstand in allen seinen Eigenschaften Bezug zu nehmen, ein x also, das der Totalität des ›Alles‹ insofern entspricht, als für alle möglichen Eigenschaften E , die für x infrage kommen, ›x ist E ‹ als wahr oder falsch unterstellt ist. Jedes solche x ist nur ein Mögliches, »das Sollen der Totalität der Form«. Die schwierige Rede von der Totalität bedeutet damit am Ende dasselbe wie die Rede von der ganzen Welt, bloß dass sie jetzt das Moment in sich enthält, die ganze Welt auch in Relation zu einem Einzelding, sozusagen in der Totalen aller seiner ›wirklichen‹ Eigenschaften zu betrachten. Diese Eigenschaften ergeben sich aus allen Relationen zu allen anderen Sachen. Die Möglichkeit ist das Ansichsein. Das hatte ich schon oben gesagt. Hegel sagt es hier. Es ist eine Bestimmtheit »als nur ein Gesetztes«, also ein generischer Gegenstand, ein Arttyp. Als Moment eines Gegenstandes aber kann eine Möglichkeit auch nicht sein. Für jeden Gegenstand ist es möglich, heißt das, ein A zu sein oder auch nicht. Warum aber soll die Möglichkeit »an ihr selbst auch der Widerspruch« sein oder gar »die Unmöglichkeit«? In eingleisigen Denkweisen scheint das reiner Unsinn zu sein. Es wird erst klar, wenn wir »x ist möglich« als scheinbare prädikative Aussage über einen generischen Gegenstand lesen, etwa der Art »ein Impeachment gegen Donald Trump ist in der wirklichen Welt (zukünftig) möglich«. Ein Satz der Form »x ist möglicherweise Y « artikuliert einen Kontrast zu »x ist unmöglich Y «. Er steht dazu in Widerspruch. Wir hätten daher gerne, dass entweder »x ist möglicherweise Y « oder »x ist unmöglich Y « wahr ist, nicht beide zugleich. Unglücklicherweise ist das nicht der Fall, jedenfalls nicht so ohne Weiteres. Denn für alles, was bloß möglich und nicht schon wirklich ist, scheint zu gelten, dass es sowohl möglicherweise Y ist als auch, aus der Totalen betrachtet, nie als Y verwirklicht werden wird, also in einem gewissen Sinn auch nicht möglich wäre, weil es keine Situation gibt, in der es als Y realisiert ist. Der Widerspruch der Rede von Möglichkeiten bestünde also darin, dass »x ist möglich« erstens kein einfaches zweiwertiges Prädikat ist, dass es zweitens ganz verschiedene Lesarten von »ist möglich« gibt, die es allererst zu disambiguieren gilt. »Es ist möglich, dass φ« kann z. B. in einem Sprechakt heißen »Ich halte es für möglich, dass φ in der wirklichen Welt manifestiert ist«. Dem widerspricht eine
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zweite Person in einem gewissen Sinn, wenn sie sagt: »Ich halte φ für unmöglich«, also kurz »φ ist unmöglich«. Die Frage, ob es klug und richtig ist, sich an »φ ist möglich« oder an »φ ist unmöglich« zu orientieren, also daran, dass mit der Manifestation von φ zu rechnen ist oder nicht, das ist keineswegs einfach zu entscheiden. Am Ende ist es noch nicht einmal aus der Gottesperspektive möglich zu sagen, das eine oder das andere sei wahr, tertium non datur. Die formale Modallogik mit ihren Satzoperationen »es ist möglich« und »es ist notwendig« tut dennoch so, als sei die Alternative wahr. Zunächst drükt sich diß so aus, daß die Möglichkeit als aufgehoben gesetzte Formbestimmung, einen Inhalt überhaupt an ihr hat. Dieser ist als möglich ein Ansichseyn, das zugleich ein aufgehobenes oder ein Andersseyn ist. Weil er also nur ein möglicher ist, ist eben so sehr ein anderer und sein Gegentheil möglich. A ist A; eben so −A ist −A. Diese beyden Sätze drücken, jeder die Möglichkeit seiner Inhaltsbestimmung aus. Aber als diese identischen Sätze sind sie gleichgültig gegen einander; es ist mit dem einen nicht gesetzt, daß auch der andere hinzukomme. Die Möglichkeit ist die vergleichende Beziehung beyder; sie enthält es in ihrer Bestimmung, als eine Reflexion der Totalität, daß auch das Gegentheil möglich sey. Sie ist daher der beziehende Grund, daß darum, weil A = A, auch −A = −A ist; in dem möglichen A ist auch das Mögliche NichtA enthalten, und diese Beziehung selbst ist es, welche beyde als mögliche bestimmt. | (383 | 237) Zunächst ist klar, dass »−A« variabler Ausdruck für eine negierte Proposition ¬φ ist, wenn »A« Ausdruck für φ ist – oder für die Komplementmengen der ›Situationen‹ oder ›Welten‹ ihrer ›Erfüllung‹. Die bloße Möglichkeit wird intuitiv als Kontingenz verstanden, d. h. es gilt dann sowohl ♦φ als auch ♦¬φ. Jedes ›Ansichsein‹ φ ist formal als Komplement zu einem ›Anderssein‹ ¬φ definiert. Dieses ›Anderssein‹ muss rein formal möglich sein. Denn es soll ja einen kontrastiven, komplementären, Unterschied in der Welt artikulieren. (Es geht hier nicht um spekulative Sätze in der Totalen!) »Zunächst drückt sich dies so aus«, erläutert Hegel, dass die Möglichkeit (formal gesehen) einen generischen Inhalt φ voraussetzt, der
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als solcher sowohl bestehen (realisiert sein) kann als auch nicht. Wir bewerten also, wie erläutert, ein ›Ansichsein‹ einer Situation, das ein generischer Falltyp φ ist, als möglich oder als unmöglich und sagen damit so etwas wie: »mit ihm ist (nicht) zu rechnen – jedenfalls nach meinem Urteil«. Wenn wir ¬♦φ für wahr, also die Möglichkeit von φ für falsch halten, dann halten wir ¬φ irgendwie ›immer‹ oder ›notwendig‹ für wahr. Allerdings ist die reine Negation zweideutig. Als unendliche Negation sagt sie nämlich, dass φ unsinnig ist, was etwas ganz Anderes ist, als den Glauben für unsinnig zu halten, dass φ möglich ist. Zwar scheinen Sätze der Form »a = a« oder »(ein) A ist (ein) A« immer zu gelten. Doch das gilt, wie gesehen, nur für semantisch wohlgeformte Benennungen a und Prädikate A. Auch für Sätze oder Aussagen gilt φ → φ ›im normalen Sinn‹ nur für semantisch wohlgeformte Aussagen φ. Es sind also keineswegs ›immer‹ die Sätze oder Aussagen der Formen a = a, A ist A und ›wenn φ, dann φ‹ kategorial richtig. Es gelten die Notwendigkeiten a = a, A = A und (φ → φ) vielmehr nur für sinnvolle, also ›mögliche‹, a, A und φ. Als diese Beziehung aber, daß in dem einen Möglichen, auch sein anderes enthalten ist, ist sie der Widerspruch, der sich aufhebt. Da sie nun ihrer Bestimmung nach das Reflectirte, und wie sich gezeigt hat, das sich aufhebende Reflectirte ist, so ist sie somit auch das Unmittelbare, und damit wird sie Wirklichkeit. (383 | 239) Der bloß formale Widerspruch zwischen ›φ ist möglich‹ und ›φ ist nicht möglich‹ bzw. der bloß formale Gegensatz der Möglichkeit von φ und der Notwendigkeit von ¬φ verdeckt eine Ambiguität in unserer Rede von einer Möglichkeit. Eine ›absolute‹ Unmöglichkeit von φ besteht in der Sinnlosigkeit (Inkonsistenz, Inkohärenz) von φ. Die ›relative‹ Möglichkeit von φ besteht im Kontrast zur ›relativen‹ Unmöglichkeit von ¬φ. Wenn nicht damit zu rechnen ist, dass ¬φ, sollten wir mit φ so rechnen, als wäre es notwendigerweise wahr. Die Möglichkeit als generische Unterscheidung zwischen möglichen Weltzuständen ist »das Reflektierte«, sogar »das sich aufhebende Reflektierte«. Im Blick darauf, was es in der wirklichen Welt an Gegenständen, Eigenschaften, Sachverhalten oder Ereignissen ›gibt‹, ist die Möglichkeit, dass sich die Gegenstände uns ihrem Wesen oder
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ihrer Art gemäß zeigen, sogar die Wirklichkeit selbst. Wenn wir z. B. sagen, dass der Ei=elturm in Paris oder der Pharos in Alexandria, nicht aber die Arche Noah wirklich existieren oder existiert haben, sprechen wir von vorhandenen Dingen, die sich selbst oder in ihren Folgen (als Reste) möglicherweise auf die eine oder andere Weise zeigen, als mögliche Phänomene oder mögliche Ur-Sachen von Phänomenen, wie z. B. die Sterne des Weltalls und alles, was wir als kosmologisch existent oder vormals wirklich bewerten. Die Wirklichkeit ist damit zunächst all das, was sich gemäß einer entsprechenden totalen, spekulativen Vorstellung einer unmittelbaren Betrachtung zeigen würde oder gezeigt hat. In Bezug auf die Zukunft ist sie erst recht bewertete Möglichkeit. Sie ist in allen Fällen Manifestation einer Sache an sich. Etwas als wirklich zu bewerten, ist aber von ganz anderer Art, als etwas bloß als möglich zu bewerten. Sich auf etwas Mögliches einzustellen, ist etwas Anderes, als sich auf die Wirklichkeit einzulassen, auch wenn wirklich vorhandene Dinge je für mich nur möglicherweise zuhanden sind. 3. Diese Wirklichkeit ist nicht die erste, sondern die reflectirte, gesetzt als Einheit ihrer selbst und der Möglichkeit. Das Wirkliche als solches ist möglich; es ist in unmittelbarer positiver Identität mit der Möglichkeit; aber diese hat sich bestimmt als nur Möglichkeit; somit ist auch das Wirkliche bestimmt als nur ein Mögliches. Und unmittelbar, darum weil die Möglichkeit in der Wirklichkeit unmittelbar enthalten ist, ist sie darin als aufgehobene, als nur Möglichkeit. (383 | 238) Dass die Wirklichkeit »nicht die erste« ist, heißt, dass sie nicht die unmittelbare Realität des bloß Zuhandenen, der Gegenstände präsentischer Anschauung ist. Sie ist längst schon reflektiert. Sie ist ein Bereich von Gegenständen des Denkens gerade wegen der Überschreitung des Bereichs des bloß unmittelbar Zuhandenen in das Reich des Vorhandenen. Hegel denkt hier tiefer als die Analytische Philosophie, gerade indem er die Wirklichkeit des in der Welt Vorhandenen als bewertete Möglichkeit und damit als durch das begri=liche Denken und Wissen wesentlich bestimmt begreift. Zum Unterschied zwischen bloßer Möglichkeit und Wirklichkeit werden wir freilich noch einiges sagen müssen.
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Umgekehrt die Wirklichkeit, die in Einheit ist mit der Möglichkeit, ist nur die aufgehobene Unmittelbarkeit; – oder darum weil die formelle Wirklichkeit nur unmittelbare erste ist, ist sie nur Moment, nur aufgehobene Wirklichkeit, oder nur Möglichkeit. (383 | 238) Die Wirklichkeit ist die im Denken und Reden aufgehobene, also auch aufbewahrte Unmittelbarkeit. Man denke etwa an die Aufhebung eines unmittelbar erfahrenen vergangenen Ereignisses in einem Bericht, der auf wahre Weise sagt, wie etwas war. Das formelle Wirkliche ist die unmittelbar kontrollierte Einheit von Manifestation und Arttyp, der Gegenstand (das Ereignis) an-und-für-sich. Eben daher ist jede Aussage über etwas Wirkliches nur Moment im Reden über die ganze wirkliche Welt in ihrer Totalität. Da dieses Reden durch Vorwissen und Begri=e vermittelt ist, stellt es je nur eine (generische) Möglichkeit dar. Hiemit ist zugleich näher die Bestimmung ausgedrükt, inwiefern die Möglichkeit Wirklichkeit ist. Die Möglichkeit ist nemlich noch nicht alle Wirklichkeit, von der realen und absoluten Wirklichkeit ist noch nicht die Rede gewesen; – sie ist nur erst diejenige, welche zuerst vorkam, nemlich die formelle, die sich bestimmt hat, nur Möglichkeit zu seyn, also die formelle Wirklichkeit, welche nur Seyn oder Existenz überhaupt ist. Alles Mögliche hat daher überhaupt ein Seyn oder eine Existenz. (383 | 238) Bisher haben wir nur erst formal über Mögliches und Wirkliches gesprochen. Wenn wir nun über glückende Vollzugsformen sprechen wollen, müssen wir von »der realen und absoluten Wirklichkeit« reden. Wir reflektieren dabei nicht etwa von einem Gottesstandpunkt her. Es geht dann vielmehr um eine Art Realbetrachtung dessen, wie wir Aussageinhalte als bestehend, die ausgesagten Sachverhalte als Tatsachen bzw. die benannten Gegenstände und Eigenschaften als wirklich bewerten. Dazu müssen sie zuerst als möglich bewertet sein. Sie müssen als formal konsistent und als kohärent mit unserem allgemeinen begri=lichen Vorwissen begri=en sein. Die Titel »Sein« und »Existenz« standen dabei schon in der Seinslogik für die Bewertung von Aussagen bzw. Existenzsätzen als wahr. Der schon erwähnte Satz »Alles Mögliche hat . . . ein Sein oder eine Existenz« besagt nur, dass wir schon von möglichen Sachen sagen, dass es sie in einem Reich von Möglichkeiten, meinetwegen in einer
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möglichen Welt, irgendwie ›gibt‹, so wie Rübezahl im Riesengebirge der Sage gemäß haust. Bloß mögliche Sachen sind aber nie voll individuiert. Sie sind als solche nur erst Gegenstände an sich, bloße Denkgegenstände, sogar bloße Sachtypen. »Madame Bovary« bei Flaubert ist sozusagen der Name einer bloß möglichen jungen Frau, die Schilderung ihres nur formal individuellen Lebens charakterisiert eine bloße Art des Lebens an sich. Das heißt zugleich, dass es Madame Bovary in der realen Welt nicht wirklich gegeben hat. Diese Einheit der Möglichkeit und Wirklichkeit ist die Zufälligkeit. – Das Zufällige ist ein Wirkli|ches, das zugleich nur als möglich bestimmt, dessen Anderes ¦ oder Gegentheil eben so sehr ist. Diese Wirklichkeit ist daher blosses Seyn oder Existenz, aber in seiner Wahrheit gesetzt, den Werth eines Gesetztseyns oder der Möglichkeit zu haben. Umgekehrt ist die Möglichkeit als die Reflexion-in-sich oder das Ansichseyn gesetzt als Gesetztseyn; was möglich ist, ist ein Wirkliches in diesem Sinne der Wirklichkeit, es hat nur so viel Werth als die zufällige Wirklichkeit; es ist selbst ein Zufälliges. (383 f. | 238 f.) Wir hatten schon von der Kontingenz gesprochen. Da alles Wirkliche eine bewertete Möglichkeit ist, erscheint alles Wirkliche in der entsprechenden Sichtweise als kontingent, ja als zufällig. Mit dieser allzu globalen, spekulativen Aussage über das Ganze der Welt zerstören wir aber die immanente Unterscheidung zwischen irgendwie ›notwendiger‹ und bloß kontingenter, zufälliger Geltung. Immanent soll φ kontingent, zufällig sein, wenn sowohl φ als auch ¬φ möglich ist. Im Blick auf das Aussagen sagt also jemand, der eine ›zufällige‹ Wirklichkeit φ behauptet: φ ist möglich. ¬φ ist dann zwar auch möglich, aber φ ist wahr. Es wird aus der (epistemischen) Alternative ♦φ und ♦¬φ eine Auswahl getro=en. Es wird also ` φ gesetzt und nicht etwa ` ¬φ. Hegel spricht von Sein und Existenz gerade in diesem Sinn der (expliziten) Setzung einer Wahrheit zunächst durch den Sprecher und dann ggf. auch durch ›uns‹, die wir ihm zustimmen, meinetwegen dann auch durch ›das Man‹ des gemeinsamen, vielleicht sogar schon vernünftig überprüften Urteils. Wir dürfen aber die Form dieser Bewertung, »den Wert eines Gesetztseins«, nicht vergessen. Eben daher habe ich von einer bewerteten Möglichkeit gesprochen. Diese Bewertetheit ist das Gesetztsein dessen, was als wirklich gilt.
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Gesetzt ist ein Ansichsein, eine generische Möglichkeit, als wirklich. Das Wort »wirklich« verweist dabei aber zunächst – weil es Ergebnis berichtender Versicherung ist – bloß erst auf eine »zufällige Wirklichkeit«. Das Zufällige bietet daher die zwey Seiten dar; erstens insofern es die Möglichkeit unmittelbar an ihm hat, oder, was dasselbe ist, insofern sie in ihm aufgehoben ist, ist es nicht Gesetztseyn noch vermittelt, sondern unmittelbare Wirklichkeit; es hat keinen Grund. – Weil auch dem Möglichen diese unmittelbare Wirklichkeit zukommt, so ist es so sehr als das Wirkliche, bestimmt als zufällig, und ebenfalls ein Grundloses. (384 | 239) Solange etwas bloß als zufällig vorhanden versichert wird und dabei sogar nur willkürlich und damit selbst rein zufällig von jemandem als wahr gesetzt ist, ist es noch kein Gesetztsein. Es wurde nur gesagt oder behauptet, ist noch nicht durch einen Grund für die Aussage vermittelt. Es ist als behaupteter Inhalt so bloß erst »unmittelbare Wirklichkeit«, ohne zureichenden Grund. Daher wünschen wir uns sogar für empirische Aussagen gute Gründe für die Urteile, welche sagen, dass etwas eine Manifestation einer allgemeinen Sache ist, für welche die Allgemeinheiten des generischen Vorherwissens über den Arttypus hinreichend verlässlich und sicher angenommen werden können. – Was bloß als schlechtweg wirklich versichert wird, ohne Grund, ist daher nur erst willkürlich als möglich gesetzt. Die Setzung selbst ist nur erst rein zufälliges Gerede, damit aber praktisch so unbrauchbar wie ein Willkürglaube. Alle Aussagen, die beanspruchen, über Wirkliches etwas inhaltlich Bestimmtes zu sagen, brauchen also eine für das Urteil angemessene Begründung als Angabe eines (für das Urteil zureichenden) Grundes. Das Zufällige ist aber zweytens das Wirkliche als ein nur Mögliches oder als ein Gesetztseyn; so auch das Mögliche ist als formelles An-sich-seyn nur Gesetztseyn. Somit ist beydes nicht an und für sich selbst, sondern hat seine wahrhafte Reflexion-in-sich in einem Andern, oder es hat einen Grund. (384 | 239) Auch Aussagen über empirisch Zufälliges brauchen einen zureichenden Grund und sogar Aussagen über empirisch-kontingente Möglichkeiten. Im zweiten Fall ist der Inhalt ein vielleicht Wirkliches,
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also nur etwas Mögliches. Es handelt sich um die bloße Annahme, dass etwas so sein könnte, wie die Aussage φ sagt. Man denke zum Beispiel an einen Augenschein, dessen Inhalt noch nicht zureichend reflektiert und in seiner begri=lichen Fassung kontrolliert ist. Das Ansichsein des Inhalts ist hier nur erst subjektives Gesetztsein. Es hat zwar als solches schon einen Grund, aber vielleicht noch nicht den richtigen. Die wahrhafte Reflexion-in-sich der Wirklichkeit als anund-für-sich bestimmte Sache, als Manifestation oder Realisation eines Sachtyps, liegt im anzugebenden (normalerweise) zureichenden Grund, der sich als solcher unterscheidet vom Augenschein der Erscheinung und ersten Einfall einer intuitiven Wesensbestimmung. Das Zufällige hat also darum keinen Grund, weil es zufällig ist; und eben so wohl hat es einen Grund, darum weil es zufällig ist. (384 | 239) Hegel liebt dialektische Antinomien oder Paradoxien der vorliegenden Form. Wenn etwas zufällig als so und so beurteilt wird, hat das Urteil noch keinen (guten, zureichenden) Grund. Aber auch wenn etwas kontingenterweise oder eben zufälligerweise als so und so beurteilt bzw. gesetzt ist, hat das Urteil selbst einen Grund. Einen voll ›zureichenden‹ Grund für das zugehörige empirische Urteil, dass dieses oder jenes von dieser oder jener Art und Weise ist, gibt es immer nur ›in reflektierter Weise‹ für ›uns‹ im Sinne eines generischen Wir, das (zumeist) die subjektive Perspektive und das Wissen der Einzelpersonen ideal transzendiert. Es ist das gesetzte, unvermittelte Umschlagen des Innern und Aeussern, oder des In-sich-reflectirt-seyns und des Seyns in einander; gesetzt dadurch daß Möglichkeit und Wirklichkeit, jede an ihr selbst diese Bestim|mung hat, dadurch daß sie Momente der absoluten Form sind. – (384 | 239 f.) In der Setzung und dann auch der geglaubten oder auch selbst kontrollierten Anerkennung einer Aussage über einen empirischen Bezugsgegenstand g schlägt das Innere, der generische Inhalt der Aussageform oder des Prädikats φ(x ), in das (angenommene) äußere Sein von g als Instanziierung eines Arttyps um, von dem wir sagen, dass er die Eigenschaft φ(x ) habe. Während der Formtyp das In-sichreflektiert-Sein der Eigenschaft oder des Begri=s φ(x ) ist, ist g als
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exemplarische Manifestation von φ (als dieses φ hier oder jenes φ dort) das (konkrete) Sein von φ. So ist die Wirklichkeit in ihrer unmittelbaren Einheit mit der Möglichkeit nur die Existenz und bestimmt als grundloses, das nur ein gesetztes oder nur mögliches ist; – oder als refiectirt und bestimmt gegen die Möglichkeit, so ist sie von der Möglichkeit, von dem Insich-reflectirt-seyn getrennt, und somit eben so unmittelbar auch nur ein Mögliches. – (384 | 240) Die Wirklichkeit als die unmittelbare Vorstellung ihrer »Einheit mit der Möglichkeit«, also der Bestimmung eines empirischen Gegenstandes g als vom Typ φ, ist nur erst die Existenz, der Augenschein der Erscheinung, dass g ein φ ist. Das Urteil ist noch nicht zureichend in seinem Grund bestimmt, also begründet. Grundlose Urteile dieser Art sind für das reflektierte Denken bloß erst Möglichkeitsurteile, gerade weil die Möglichkeit allzu unmittelbar als Wirklichkeit versichert oder gesetzt wird. Erst eine (häufig vom Hörer sozusagen im Modus des Glaubens und Vertrauens unterstellte) begründende Kontrolle der (den Umständen gemäß normalerweise hinreichenden) Erfüllung, dass die Eigenschaft φ(x ) sich in g manifestiert oder g vom Typ φ ist, erlaubt es, ein Urteil als Wirklichkeitsurteil aufzufassen. Im Grunde kommentiert Hegel hier die Di=erenz von Aussagen im Modus »Ich meine, dass φ(g ) gilt« zu Aussagen im Modus »Ich weiß, dass φ(g ) gilt«, im Sinne von: »Ich habe die Wahrheit wirklich geprüft« – wobei dann die entsprechenden Gründe ggf. anzugeben sind und klar sein sollte, dass wir die reflektierte Form der Betonung der Wahrheit nur als Antwort auf einen Zweifel gebrauchen. Normalerweise sagen wir sozusagen einfach »φ(g ) Punkt«, wobei der Punkt in der Schrift für die fallende Intonation des verbalen Aussagens steht. Eben so die Möglichkeit, als einfaches Ansichseyn, ist es ein Unmittelbares, nur ein Seyendes überhaupt; oder entgegengesetzt gegen die Wirklichkeit, eben so ein Wirklichkeits-loses Ansichseyn, nur ein Mögliches, aber eben darum wieder nur eine nicht in sich reflectirte Existenz überhaupt. (384 | 240) Hegels nominale Ausdrucksform kommt hier an ihre Grenzen. Das immerhin haben seine Kritiker mit einigem Recht moniert. Doch dabei haben sie noch gar nicht versucht oder gar angefangen, diese
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Grenzen auszuloten. Dass eine Möglichkeit ein Ansichsein ist, haben wir schon gesehen: Das Mögliche ist durch eine mögliche Seinsart, einen Formtyp A = λx .φ(x ). bestimmt. Es kann sein, dass etwas von diesem Typ ist. Insofern gibt es Beispiele für A. A ist möglich. Aber in Bezug auf die empirische Welt oder einen Gegenstand g hier und jetzt ist es nur erst möglich, dass g ein A ist. Ob es so ist, ist noch nicht reflektiert. Das An-und-für-sich-Sein von g ist noch nicht erkannt. Diese absolute Unruhe des Werdens dieser beyden Bestimmungen ist die Zufälligkeit. Aber darum weil jede unmittelbar in die entgegengesetzte umschlägt, so geht sie in dieser eben so schlechthin mit sich selbst zusammen, und diese Identität derselben einer in der andern ist die Nothwendigkeit. (384 | 240) Die Rede vom Werden der beiden Bestimmungen, der Möglichkeit und Wirklichkeit, in ihrer Unruhe verweist auf die Übergänge von Wirklichkeits- zu Möglichkeitsaussagen und umgekehrt. Wir müssen zum Beispiel manche Wirklichkeitsaussage zurücknehmen. Manche Möglichkeitsaussage aber lässt sich verstärken und zu einer Aussage über wirklich Vorhandenes machen. Deutet jemand meine Aussage: ›g ist wirklich ein A‹ als bloß starkes Möglichkeitsurteil, verwandelt er es in eine bloße Versicherung. Es geht hier also insgesamt um die Einsicht, dass die Wirklichkeit als eine vernünftig begründete Auswahl aus dem Möglichen zu begreifen ist. In diesem Sinn ist das Wirkliche das Vernünftige. Andere Lesarten Hegels sind zwar formal bzw. lokal möglich, aber sachlich falsch. Die Einheit von Möglichem und Wirklichem liegt im zureichenden Grund, der ›Notwendigkeit‹, dass g wirklich und nicht bloß scheinbar vom Typ A ist. Das Nothwendige ist ein Wirkliches; so ist es als unmittelbares, grundloses; es hat aber eben so sehr seine Wirklichkeit durch ein anderes oder in seinem Grunde, aber ist zugleich das Gesetztseyn dieses Grundes und die Re¦flexion desselben in sich; die Möglichkeit des Nothwendigen ist eine aufgehobene. Das Zufällige ist also nothwendig, darum weil das Wirkliche als Mögliches bestimmt, damit seine Unmittelbarkeit aufgehoben und in Grund oder Ansichseyn, und in Begründetes abgestossen ist, als auch weil diese seine
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Möglichkeit, die Grundbeziehung, schlechthin aufgehoben und als Seyn gesetzt ist. Das Nothwendige ist, und diß Seyende ist selbst das Noth|wendige. Zugleich ist es an sich; diese Reflexion-in-sich ist ein anderes als jene Unmittelbarkeit des Seyns; und die Nothwendigkeit des Seyenden ist ein anderes. Das Seyende selbst ist so nicht das Nothwendige; aber dieses Ansichseyn ist selbst nur Gesetztseyn, es ist aufgehoben und selbst unmittelbar. So ist die Wirklichkeit in ihrem unterschiedenen, der Möglichkeit, identisch mit sich selbst. Als diese Identität ist sie Nothwendigkeit. (384 f. | 240 f.) Was notwendig ist, ist wirklich. Würde man bei der Deutung des Satzes von unserem Urteilen einfach absehen, dann würde man etwas bloß unmittelbar, ohne Grund, als notwendig annehmen. Etwas gilt aber immer nur mit Notwendigkeit aufgrund eines zugehörigen Grundes. Dabei besteht die Notwendigkeit selbst im Gesetztsein des Grundes. Indem ich z. B. sage, dass die Ereignisse in Tschernobyl mit Notwendigkeit das Unglück zur Folge hatten, sage ich, dass in typischen Situationen der gleichen Art das Gleiche geschehen würde. Etwas ist möglicherweise notwendig, wenn sich der Einzelfall zu einem Typ verdichten und sich entsprechend das Kontingente, rein Zufällige, aufheben lässt. Aber auch das Zufällige kontingenter Empirie hat Teil an der Notwendigkeit, weil sich das Geschehen im Allgemeinen typisieren, als notwendiger Geschehenstyp aufheben lässt. In solchen Fällen sagen wir, dass es nur so scheint, als sei etwas rein zufällig geschehen; in Wahrheit sei es mit Notwendigkeit passiert oder es habe sich eine Notwendigkeit manifestiert. Diese enge Verbindung des Übergangs vom zufällig Möglichen zum Notwendigen liegt schon daran, dass etwas nur dann wirklich als Wirkliches zählt, wenn es notwendige Ursachen und, epistemisch, entsprechende Begründungen gibt, welche das g als ein A des relevanten Typs ›erklären‹. Im Grunde hat schon Kant diese Analyse vorgetragen. Er ist dann nur über das Ziel hinausgeschossen und hat behauptet, dass alle wirklichen Ereignisse kausal verursacht seien. Kant meint, dass, wenn es keine Kausalerklärung gäbe, wir gar nicht wüssten, was denn das wirkliche Ereignis eigentlich sei. Genauer verbindet Kant das Prinzip der zureichenden Ursache begri=lich allzu eng mit der Wie-
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dererkennbarkeit von Objekten. – Über das Ziel hinaus schießen Kant und seine Anhänger auch insofern, als wir zwar in der Tat mit allgemeinen ›Erklärungen‹ hantieren, wenn wir etwas (ein g ) als etwas (ein A) setzen und begründen, dass es wirklich ein A ist. Aber diese Erklärungen und Gesetze sind samt und sonders generisch, allgemein, nicht apodiktisch in Kants Sinn. Sie sind selten oder nie ›ausnahmslos‹. Dass g nicht bloß möglicherweise, sondern wirklich ein A ist, diese ›Identität‹ des Möglichen mit dem Wirklichen ›ist‹ also die Notwendigkeit nur in dem Sinn, als wir den Satz ›g ist A‹ als notwendige Bedingung für einen Augenschein oder eine von uns festgestellte Erscheinung aufgrund entsprechender hinreichenden Gründe ausweisen müssen.
B. Relative Nothwendigkeit oder reale Wirklichkeit, Möglichkeit und Nothwendigkeit 1. Die Nothwendigkeit, die sich ergeben hat, ist formell, weil ihre Momente formell sind, nemlich einfache Bestimmungen, die nur als unmittelbare Einheit, oder als unmittelbares Umschlagen des einen in das andere Totalität sind, und somit nicht die Gestalt der Selbstständigkeit haben. – (385 | 241) Bisher haben wir nur über die Form der Notwendigkeit im Kontext der Begründung gesprochen, dass ein zunächst bloß mögliches Urteil, dass g ein A ist, eine Wahrheit, also etwas Wirkliches sagt, aussagt, darstellt oder repräsentiert. Dafür muss begründet werden, dass g ein A ist. Das geschieht am besten dadurch, dass die Möglichkeit, dass g ein A ist, notwendige Bedingung dafür ist, dass g so und so erscheint. Wir schließen also so: Nur wenn g ein A ist, haben wir für die entsprechende Erscheinung von g einen zureichenden Grund. Daher behandeln wir die Aussage, dass g ein A ist, als Wirklichkeitsaussage und nicht bloß als Möglichkeit. Die Totalität, von der hier die Rede ist, liegt in der ›wirklichen Welt‹, in welcher wir uns auf das g als etwas Einzelnes beziehen, das in einem Gesamtzusammenhang mit allem anderen steht. Sein mögliches Ansichsein wird zunächst durch ein begri=lich bestimmtes
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Möglichkeitsurteil artikuliert, das in reflektierter Kontrolle (im Idealfall in Bezug auf ›das generische Wir‹) zu einem Wirklichkeitsurteil wird. Nichts hat hier die Gestalt unmittelbarer Selbständigkeit, und zwar weil alles Moment unserer relativen Bezugnahmen auf die eine Totalität der realen Welt ist: die Erscheinung, die Möglichkeitserwägung, die Wesensbestimmung, die zufällige Setzung einer Wirklichkeitsbehauptung, ihre (vorläufige) Begründung und der Appell an das generische Wir. Wir sind es also, welche die Momente der Wirklichkeit als ›notwendige Bedingungen‹ dafür beurteilen, dass die wahrgenommenen Erscheinungen so und so zu deuten sind. In dieser formellen Nothwendigkeit ist daher die Einheit zunächst einfach und gegen ihre Unterschiede gleichgültig. Als unmittelbare Einheit der Formbestimmungen, ist diese Nothwendigkeit Wirklichkeit; aber eine solche, die, weil ihre Einheit nunmehr bestimmt ist als gleichgültig gegen den Unterschied der Formbestimmungen, nemlich ih|rer selbst und der Möglichkeit, einen Inhalt hat. Dieser als gleichgültige Identität enthält auch die Form als gleichgültige, d. h. als bloß verschiedene Bestimmungen, und ist mannichfaltiger Inhalt überhaupt. Diese Wirklichkeit ist reale Wirklichkeit. (385 | 241 f.) Die Schwierigkeit, Hegel zu verstehen, liegt neben dem Problem, sachlich logisch mitzudenken, auch darin, dass er die allgemeine Form in der Rede von der Wirklichkeit als der ›real wirklichen‹ Bestimmung einer (empirischen) Sache von konkreten Einzelinhalten abtrennt und hervorhebt. Insofern ist die ›formelle Notwendigkeit‹ gleichgültig gegenüber den konkreten inhaltlichen Unterscheidungen der Arttypen A, die wir einer in der Anschauung gegebenen Sache g zuordnen und als ihr Wesen oder ihre Seinsweise setzen. Die bloß allgemeine oder formale Rede von Notwendigkeit, Wirklichkeit und Möglichkeit darf nun nicht mit einem überschwänglichen Glauben an eine unmittelbar in der Welt für sich gegebene Notwendigkeit von Gesetzen jenseits unserer Setzungen, einer Wirklichkeit jenseits unseres Wissens und von Möglichkeiten jenseits unserer generischen Aussagen über Typen verwechselt werden. Diese ›Lesart‹ missversteht Hegels Redemodus ganz und gar. Die Inhalte sind in ihrer Art oder ihrem Typ, ihrem Ansichsein konkret bestimmte Seinsweisen, also Möglichkeiten. Der Form der
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Wirklichkeit als richtig bewertete oder gesetzte Möglichkeit ist die je konkrete Bestimmung des Arttyps A gleichgültig. Dennoch lässt sich in den Kontrastierungen der di=erentiell bedingten Inferenzen, also unserer begri=lichen Unterscheidungen, ein mannigfaltiger Inhalt der realen Welt, wenn auch je grob und generisch, darstellen bzw. expressiv zum Ausdruck bringen. Die so dargestellte Wirklichkeit ist die reale Wirklichkeit. Ich habe dabei zur Erläuterung das Reale schon die ganze Zeit auf eine deiktisch gegebene Sache g und das Ansichsein der wirklichen Möglichkeit, dem Arttyp, sozusagen der wesentlichen ›Eigenschaft‹ von g zugeordnet. Die reale Wirklichkeit ist daher gerade die empirische Wirklichkeit, nach welcher dieses g wirklich ein A ist. Die reale Wirklichkeit als solche ist zunächst das Ding von vielen Eigenschaften, die existirende Welt; aber sie ist nicht die Existenz, welche sich in Erscheinung auflöst, sondern als Wirklichkeit ist sie zugleich Ansichseyn und Reflexion-in-sich; sie erhält sich in der Mannichfaltigkeit der blossen Existenz; ihre Aeusserlichkeit ist innerliches Verhalten nur zu sich selbst. (385 | 242) Nun sagt Hegel aber, die reale Wirklichkeit sei »das Ding von vielen Eigenschaften«. Wie passt das zu meinem Leseversuch? Zunächst ist die Erläuterung zu beachten, nach welchem die generische Rede vom Ding mit vielen Eigenschaften die gesamte existierende Welt, also alles, was sich in möglichen Erscheinungen zeigt, gleich mitmeint. Außerdem erklärt Hegel selbst klar und deutlich, dass nicht allein die sich bloß präsentisch zeigende Existenz gemeint ist, »welche sich in Erscheinung auflöst«, sondern die Wirklichkeit von Dingen und Sachen, die in ihrem Ansichsein, also ihrer Art, schon (begri=lich) bestimmt sind. Diese ›sind‹ Reflexion-in-sich insofern, als es die ›Gegenstände‹ sind, die wir den Erscheinungen als Gründe (Ursachen) unterlegen, sie sozusagen unter sie setzen. Dabei ›erhält‹ oder bestätigt sich die Wirklichkeit einer solchen Setzung in den von den wirklichen und damit in ihren di=erentiell bedingten Kraftwirkungen bestimmten Dingen bewirkten Erscheinungen. Zugleich werden die Äußerungen der Dinge »als innerliches Verhalten nur zu sich selbst« gedeutet. Das geschieht dadurch, dass das Äußerliche eines Dinges als seine Äußerung verstanden wird.
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So wie zu mir alles Meinige gehört, so ist es auch mit jedem Subjekt, Objekt, Ding oder Gegenstand und dem je Seinigen. Beziehungen von mir zum Meinigen sind sogar als Selbstbeziehungen zu lesen – und umgekehrt. Formal liegt das daran, dass kein Ding ohne das Seinige überhaupt bestimmt wäre – eine Einsicht, die im Grunde schon in der Monadologie von Leibniz ahnungsvoll entwickelt wird und auf die wir unten zurückkommen werden. Was wirklich ist, kann wirken; seine Wirklichkeit gibt Etwas kund durch das, was es hervor¦bringt. Sein Verhalten zu anderem ist die Manifestation seiner, weder ein Uebergehen, so bezieht das seyende Etwas sich auf anderes; – noch ein Erscheinen, so ist das Ding nur im Verhältniß zu andern, ist ein Selbstständiges, das aber seine Reflexion-in-sich, seine bestimmte Wesentlichkeit, in einem andern Selbstständigen hat. (385 f. | 242) Es ist inzwischen fast ein Truismus zu sagen, dass das Wirkliche wirkt und kraft seiner Disposition wirken kann. Das Wirkliche zeigt sich in bedingten Wirkungen, so wie sich die präsentische Existenz in der präsentischen Erscheinung zeigt oder ›kundgibt‹, wie Hegel metaphorisch sagt. Hier spricht Hegel selbst, wie wir schon früher, von Manifestationen, die als solche keine Relationen sind, da sie sich nicht auf etwas (gegenständlich) Anderes, sondern auf sich selbst beziehen. Das erscheint wieder nur merkwürdig, wenn man die Relation des Fürsichseins nicht in ihrer Anwendung auf das wirklich wirkende Ding versteht: Dessen Wirkung gehört als seine Wirkung zur Wirklichkeit des Dings selbst. Seine Wirkungen und seine Erscheinungen sind freilich immer auch als Repräsentationen des wirklichen Dings zu verstehen und in gewissem Sinn als bloße Momente von ihm als Ganzem zu unterscheiden, so wie alle meine Körperteile zu mir gehören und mich ganz vertreten (können). Die reale Wirklichkeit hat nun gleichfalls die Möglichkeit unmittelbar an ihr selbst. Sie enthält das Moment des Ansichseyns; aber als nur erst die unmittelbare Einheit ist sie in einer der Bestimmungen der Form, hiemit als das seyende von dem Ansichseyn oder der Möglichkeit unterschieden. (386 | 242) Ein real wirkliches Ding ist in seinem Artwesen oder Ansichsein natürlich ebenfalls nur erst als eine Möglichkeit unter anderen Mög-
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lichkeiten bestimmt. Als Einheit von Ansichsein und Fürsichsein bzw. als konkrete Manifestation g eines A aber ist sie mehr als das bloße Ansichsein, weil g ein ›seiendes‹ A ist. A als Typ wäre bloß eine Möglichkeit – wie jedes Ansichsein. 2. Diese Möglichkeit als das Ansichseyn der realen Wirklichkeit ist selbst reale Möglichkeit, zunächst das inhaltsvolle Ansichseyn. – (386 | 242) Wegen seiner Manifestation in einem konkreten g hier und jetzt ist »das Ansichsein der realen Wirklichkeit« erstens reale Möglichkeit (also nicht bloß ein konsistentes Fabelwesen) und zweitens inhaltsvoll bzw. inhaltsbestimmt. Das heißt, dass seine Bestimmung inferentiell dicht ist. Es sind für es Dispositionen bzw. di=erentiell bedingte Inferenzen gesetzt. Die formelle Möglichkeit ist die Reflexion-in-sich nur als die abstracte Identität, daß Etwas sich in sich nicht widerspreche. Insofern man sich aber auf die Bestimmungen, | Umstände, Bedingungen einer Sache einläßt, um daraus ihre Möglichkeit zu erkennen, bleibt man nicht mehr bey der formellen stehen, sondern betrachtet ihre reale Möglichkeit. (386 | 242 f.) Ein A gilt formell als möglich, wenn es sich nicht widerspricht. Noch die utopische Rede von möglichen Welten stellt diese sich als maximal konsistente Satzmengen vor. Dass die formelle Möglichkeit als »Reflexion-in-sich« angesprochen wird, und zwar »als die abstrakte Identität«, verweist nur auf den Übergang von der formalen Richtigkeit des ›Satzes‹ »A ist A«, der (im Normalfall) die Konsistenz von A ausdrückt, zu A als einem ›möglichen Gegenstand‹. Rein formal kann man vermeiden, sich auf konkrete Bestimmungen von A einzulassen. Das aber heißt, dass A als ›reine‹ Variable ohne klaren Bereich zu behandeln ist. Reale Möglichkeiten sind durch konkrete Beschreibungen von Bereichen als konkrete Systeme konsistenter (oder gar schon kohärenter) Sätze zu charakterisieren bzw. zu benennen. Diese reale Möglichkeit ist selbst unmittelbare Existenz, nicht mehr aber darum, weil die Möglichkeit als solche, als formelles Moment, unmittelbar ihr Gegentheil, eine nicht reflectirte Wirklichkeit ist; sondern weil sie reale Möglichkeit ist, hat sie sogleich diese Bestimmung an ihr selbst. Die reale Möglichkeit einer Sache ist daher
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die daseyende Mannichfaltigkeit von Umständen, die sich auf sie beziehen. (386 | 243) Eine reale Möglichkeit ist gegeben, wenn praktisch alle notwendigen Bedingungen dafür gegeben sind, dass die Sache wirklich (z. B. zufälligerweise) eintritt oder, im epistemischen Fall, schon vorhanden (gewesen) ist. Was es heißt, dass eine reale Möglichkeit »unmittelbare Existenz« sein soll, ist zunächst unklar. Ich lese das so, dass es um die reale Möglichkeit geht, eine gegebene Erscheinung als Existenz einer bestimmten Sache zu verstehen ist, so also, dass diese Sache als Ursache der Erscheinung zu verstehen ist, in welcher sie sich uns zeigt. Es ist eine präsentisch ausgewiesene Menge von Umständen, welche eine reale Möglichkeit ihrer Erklärung durch die Wirklichkeit der Sache nahelegen, wenn auch noch nicht voll ausreichend ›beweisen‹, da ›Beweise‹ an ein ideal-transzendentes Wir appellieren, also alle Endlichkeiten konkreter Sprecher abstraktiv tilgen; und das sogar noch in Mathematik, da auch diese mit Figuren und Formenerkennungen operiert, was zu Fehlern führen kann. Diese Mannichfaltigkeit des Daseyns ist also zwar sowohl Möglichkeit als Wirklichkeit, aber ihre Identität ist nur erst der Inhalt, der gegen diese Formbestimmungen gleichgültig ist; sie machen daher die Form aus bestimmt gegen ihre Identität. – (386 | 243) In der Mannigfaltigkeit des Daseins, also der präsentischen Existenz oder Erscheinung einer möglichen Sache einer gewissen Art, zeigt sich sowohl eine reale Möglichkeit als auch eine reale Wirklichkeit, je nachdem, wie zuverlässig wir auf die Sache als Manifestation eines Arttyps sozusagen aus ihren Wirkungen zurückschließen können. Die Identität der Sache aber ist zunächst nur als Ansichsein, der Inhalt ist als möglicher Arttyp der Sache bestimmt. Die reale Form des Wirklichen ist die Manifestation der Art im Einzelfall, bestimmt durch entsprechende Formbestimmungen. Dem Kontrast zwischen generischem Inhalt und äußerer Form entspricht so, dialektisch, die Tatsache, dass der Inhalt ein eidos, ein Formtyp, eine allgemeine Art ist, während die äußere Form eine konkrete Bestimmung des Einzelfalls ist. Oder die unmittelbare reale Wirklichkeit, darum weil sie unmittelbare ist, ist gegen ihre Möglichkeit bestimmt; als diese bestimmte,
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somit reflectirte ist sie die reale Möglichkeit. Diese ist nun zwar das gesetzte Ganze der Form, aber der Form in ihrer Bestimmtheit, nemlich der Wirklichkeit als formeller oder unmittelbarer, und eben so der Möglichkeit, als des abstracten Ansichseyns. Diese Wirklichkeit, welche die Möglichkeit einer Sache ausmacht, ist daher nicht ihre eigene Möglichkeit, sondern das Ansichseyn eines andern Wirklichen; sie selbst ist die Wirklichkeit, die aufgehoben werden soll, die Möglichkeit als nur Möglichkeit. – (386 | 243) Wenn wir mit Hegel alle Bestimmungen über Unterscheidungen erläutern wollen, steht die reale Wirklichkeit im Kontrast zu alternativen realen oder auch nur prinzipiellen Möglichkeiten qua generische Bestimmungen. Als Arttypen sind sie in sich reflektiert, und das heißt, sie stehen auf der ›semantischen‹ Bezugs- und Referenzseite unserer begri=lichen Bestimmungen. Die Wirklichkeit ist rein formell das, was je inhaltlich, im relevanten besonderen Arttyp zu bestimmen ist. Unmittelbar ist sie uns nicht gegeben, da uns nur die Erscheinung als Existenz eines passend aufzufindenden Gegenstandes einer bestimmten Art unmittelbar gegeben ist. Wohl aber lässt sich über das Fürsichsein des Gegenstandes so sprechen, als sei er unmittelbar zugänglich, obwohl er das gerade nicht ist. Die ganze Analyse expliziert Vermittlungen. Wieder überfordert Hegel den Leser, indem er statt von der Möglichkeit spricht, welche die Wirklichkeit einer Sache ausmacht, von der Wirklichkeit, welche ihre Möglichkeit ausmacht – und eine ›eigene Möglichkeit‹ dem ›Ansichsein eines anderen Wirklichen‹ entgegengestellt. Wir haben im Grunde schon erläutert, dass das Wirkliche als Auswahl aus dem realen Möglichen zu verstehen ist – mit entsprechenden Richtigkeitskriterien im Kontrast zum bloß Möglichen. So jedenfalls versuche ich die schwierigen Textpassagen zu lesen. Aufgehoben wird im Begri= des Wirklichen, so meine ich, das ›bloß‹ Mögliche seiner Bestimmung oder seines Ansichseins, indem die Möglichkeit, dass der generische Typ A vorliegt, zur Wirklichkeit wird, als wirklich bestätigt anerkannt wird oder – von der Seite gesprochen – anzuerkennen ist. So macht die reale Möglichkeit das Ganze von Bedingungen aus, eine nicht in sich reflectirte, zerstreute Wirklichkeit, welche aber
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bestimmt ist, das Ansichseyn aber eines andern zu seyn und in sich zurükgehen zu sollen. ¦| (386 | 243) Der Bereich des real Möglichen, wie er durch die Mannigfaltigkeit des Daseins, der Erscheinungen qua Existenz einer Sache, bestimmt ist, bestimmt ein Ganzes an Bedingungen dafür, dass die Sache oder Ursache eben dieser Erscheinungen ein A ist. Auf der Suche nach dem richtigen, wirklichen vorhandenen A beginnen wir mit einer noch nicht gegenständlich in sich reflektierten, sozusagen bloß erst zerstreuten ›Wirklichkeit‹. Das A steht als Variable für die Form dieser immanenten Suche, nicht für ein transzendentes Ding-an-sich wie bei Kant. Was real möglich ist, ist also nach seinem Ansichseyn, ein formelles identisches, das nach seiner einfachen Inhaltsbestimmung sich nicht widerspricht; aber auch nach seinen entwickelten und unterschiedenen Umständen und allem, womit es im Zusammenhange steht, muß es als das mit sich identische sich nicht widersprechen. Aber zweytens weil es in sich mannichfaltig und mit anderem inmannichfaltigem Zusammenhange ist, die Verschiedenheit aber an sich selbst in Entgegensetzung übergeht, ist es ein widersprechendes. Wenn von einer Möglichkeit die Rede ist und deren Widerspruch aufgezeigt werden soll, so hat man sich nur an die Mannichfaltigkeit, die sie als Inhalt oder als ihre bedingende Existenz enthält, zu halten; woraus sich leicht ihr Widerspruch auffinden läßt. – (387 | 244) Real möglich ist eine in sich konsistente bzw. kohärente Inhaltsbestimmung. Die Kohärenz des Arttyps artikuliert die Rede davon, dass der Zusammenhang mit allen real möglichen Umständen gewahrt bleibt. Die Rede vom Identischen meint nur, dass Arttypen oder das Ansichsein nie anders als generisch wohlbestimmt sind. Es gibt neben der rein formallogischen oder analytischen Inkonsistenz auch eine materiale Inkohärenz, welche einen Kontrast des Unmöglichen zum (real) Möglichen definiert. Diß ist aber nicht ein Widerspruch der Vergleichung, sondern die mannichfaltige Existenz ist an sich selbst diß, sich aufzuheben und zu Grunde zu gehen; und hat darin wesentlich die Bestimmung, nur ein Mögliches zu seyn, an ihr selbst. – (387 | 244) Selbst wenn man nicht immer aus der Existenz des Daseins mit Sicherheit auf das, was etwas wirklich ist, schließen kann, ist zu-
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meist schon das Wissen darüber, was real möglich ist, also die entsprechende Einschränkung, für eine hinreichend gute Orientierung ausreichend. Daher gibt es auch keine direkte ›Abbildung‹ von Sachen in der Sprache. Ein Teil der Explikation des Verhältnisses von Rede und Welt liegt in der Bestimmung, wie reale Möglichkeiten oder mögliche Ursachen (Gründe) bewertet und schließlich als Momente der realen Wirklichkeit behauptet und anerkannt werden. An ihr selbst, also außerhalb der Funktion der ›Erklärung‹ einer Existenz im Dasein, ist eine Wirklichkeitsbestimmung, wie schon mehrfach gesagt, ›nur ein Mögliches‹. Wenn alle Bedingungen einer Sache vollständig vorhanden sind, so tritt sie in Wirklichkeit; – die Vollständigkeit der Bedingungen ist die Totalität als am Inhalte, und die Sache selbst ist dieser Inhalt bestimmt eben so ein Wirkliches als Mögliches zu seyn. In der Sphäre des bedingten Grundes haben die Bedingungen die Form, nemlich den Grund oder die für sich seyende Reflexion, ausser ihnen, welche sie zu Momenten der Sache bezieht und die Existenz an ihnen hervorbringt. Hier hingegen ist die unmittelbare Wirklichkeit nicht durch eine voraussetzende Reflexion bestimmt, Bedingung zu seyn, sondern es ist gesetzt, daß sie selbst die Möglichkeit ist. (387 | 244) Dass eine Sache wirklich ist bzw. wird, wenn »alle Bedingungen einer Sache vollständig vorhanden sind«, passt nun wieder unmittelbar zu unserer alltäglichen Bestimmung des Wirklichen: X existiert wirklich genau dann, wenn alle notwendigen Bedingungen dafür, dass X wirklich vorhanden ist, erfüllt sind – und diese Gesamtheit auch zureichend ist, um auf das Vorhandensein von X zu schließen. Das ist jetzt als Artikulationsvariante der Aussage zu verstehen, dass X nicht bloß eine reale Möglichkeit ist, sondern in einer Art Verdichtung ›aller‹ realen Möglichkeiten das ist, was wir als real wirklich anerkennen können, dürfen, sollen oder müssen. Ein bedingter Grund ist von der Form, dass B als wirklich anzuerkennen ist, wenn A vorliegt oder vorhanden ist. Im Fall unmittelbarer Wirklichkeit wird eine Möglichkeit unmittelbar als Erklärung einer Erscheinung gesetzt und anerkannt. In der sich aufhebenden realen Möglichkeit ist es nun ein gedoppeltes, das aufgehoben wird; denn sie ist | selbst das gedoppelte, Wirklichkeit und Möglichkeit zu seyn. 1) Die Wirklichkeit ist die
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formelle, oder eine Existenz, die als selbstständige unmittelbare erschien, und durch ihr Aufheben zum reflectirten Seyn, zum Moment eines andern wird, und somit das Ansichseyn an ihr erhält. 2) Jene Existenz war auch bestimmt als Möglichkeit oder als das Ansichseyn aber eines Andern. Indem es sich also aufhebt, so wird auch diß Ansichseyn aufgehoben, und geht in Wirklichkeit über. – (387 | 244 f.) Zunächst ist absolut unklar, wovon die Rede ist. Was ist eine »sich aufhebende reale Möglichkeit«? Wie ist hier das Wirkliche mit dem Möglichen verknüpft – also der Kontrast zwischen möglich und unmöglich mit dem Kontrast zwischen wirklich und unwirklich? Zunächst ist das Wirkliche etwas Formelles. Als Existenz oder sich in der Erscheinung äußernde Wirklichkeit scheint es unmittelbar gegeben und vorhanden zu sein und ist es doch nicht, da es grundsätzlich verschiedene Erklärungen (Gründe, Ursachen) für die jeweilige Erscheinung geben kann, wie wir in reflektierender Kritik erkennen. Das liegt daran, dass das Ansichsein, der generische Typ des Grundes der Existenz, sich am Ende doch nicht unmittelbar in dem zeigt, was je sich als Phänomen erfassen lässt. Das Ansichsein ist eine Form, ein generischer Typus einer Sache, eine Möglichkeit. Vielleicht geht es hier wieder um folgende Situation: Zunächst schien es real als möglich, dass etwas, eine Erscheinung, vom Typ X ist, jetzt aber stellt sich reflexionslogisch heraus, dass sein Ansichsein der generische Typ Y ist. Dann sagen wir, dass, was ein X zu sein schien, in Wirklichkeit ein Y ist – und heben damit den dialektischen Widerspruch auf. Diese Bewegung der sich selbst aufhebenden realen Möglichkeit bringt also dieselben schon vorhandenen Momente hervor, nur jedes aus dem andern werdend; sie ist daher in dieser Negation auch nicht ein Uebergehen, sondern ein Zusammengehen mit sich selbst. – (387 | 245) Die Bewegung, von der Hegel hier metaphorisch spricht und dabei auf eine Art Selbstaufhebung einer realen Möglichkeit verweist, scheint also eine Bewegung des reflektierenden Urteilens zu sein. Momente in dieser Bewegung sind dieselben, wie sie schon diskutiert wurden. Alles beginnt mit einer Erscheinung E , die der Schein eines X oder die Wirklichkeit eines Y sein kann. Die Ursache von E kann
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also vom Typ X oder Typ Y sein. Wir brauchen einen Grund, um das so und nicht anders zu entscheiden. Nach der formellen Möglichkeit war darum, weil etwas möglich war, auch nicht es selbst, sondern sein anderes möglich. Die reale Möglichkeit hat nicht mehr ein solches anderes sich gegenüber, denn sie ist real, insofern sie selbst auch die Wirklichkeit ist. Indem sich also die unmittelbare Existenz derselben, der Kreis der Bedingungen, aufhebt, so macht sie sich zum Ansichseyn, welches sie selbst schon ist, nemlich als das Ansichseyn eines andern. ¦ Und indem umgekehrt dadurch zugleich ihr Moment des Ansichseyns sich aufhebt, wird sie zur Wirklichkeit, also zu dem Momente, das sie gleichfalls selbst schon ist. – (387 f. | 245) Die Situation wird vielleicht etwas klarer, wenn wir uns den konkreten Fall vergegenwärtigen, in dem ich einer Erscheinung E als mögliche Ursache eine Aktualisierung eines X zuordne und mich dabei als Grund auf ein Kriterium stütze. Indem ich es (bloß) für möglich halte, dass E die Existenz eines X anzeigt, halte ich es auch für möglich, dass es in Wirklichkeit etwas anderes, ein Y sein könnte. Der Ausdruck »formelle Möglichkeit« wäre dann Titel für alle Sprechakte der Form »Es ist möglich, dass die Erscheinung E die Existenz von X ist oder anzeigt«. Da Hegel o=enbar die Sprechhandlung zunächst ›holistisch‹ analysiert, gilt für ihn die ›Regel‹, dass etwas als möglich ausgesagt wird, nur wenn man auch mitaussagt, dass es möglicherweise noch nicht als wirklich behauptbar ist, so dass auch etwas anderes als möglich mitimpliziert ist. Wir trennen heute dagegen mit gutem Grund den ›wörtlichen‹ (ausdrucksbezogenen) Sinn von »ist möglich« vom Sprechakt ab. Daraus ergibt sich, dass sich aus dem ›Inhalt‹ von »x ist möglicherweise X « noch nicht schon formell ergibt »x kann auch etwas anderes als X sein«. D. h., die Erarbeitung des Unterschieds zwischen Ausdrucks- und Äußerungsbedeutung, zwischen Satzbedeutung und dem inferentiellen Sinn der Aussage (qua Handlungstyp) steht bei Hegel noch aus. Es bedarf 150 Jahre der Debatte, bis diese logische Selbstverständlichkeit entwickelt werden wird. Das sollte uns bei der Lektüre der schwierigen Texte Hegels davon abhalten, ihm auf ana-
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chronistische Weise ›triviale Denkfehler‹ zuzuschreiben. Erst mit der Unterscheidung von H. P. Grice zwischen Sprecherimplikatur und ausdruckssemantischen Inferenzen kann man sagen, dass der ›Schluss‹ aus der Aussage, X sei möglich, auf X könnte auch nicht der Fall sein, auf der Satz- oder Ausdrucksebene (semantisch) nicht zulässig (richtig) ist.71 Auf der Ebene der Satzinhalte gilt: Etwas darf und muss als möglich gelten, wenn es faktisch oder notwendigerweise gilt. Die Tatsache, dass aus dem Sprechakt »X ist möglich« ›formell‹ auch »Y ist möglich« mit einem zu X inkompatiblen Y ›geschlossen‹ werden kann (also: es ist auch möglich, dass X nicht vorhanden ist/existiert/ besteht), liegt an der Konversationsmaxime oder Sprechaktregel, dass der Sprecher seine Information so ›präzise‹ und ›vollständig‹ wie möglich artikulieren sollte.72 Hier ›widersprechen‹ sich o=enbar zwei Systeme von ›Regeln‹. Das eine System, die formale Logik, operiert auf der Ebene der Ausdrücke und Sätze, das andere, die dialogische Dialektik der Sprechhandlungen, auf der Ebene des Aussagens. Die Ebenen werden disambiguiert durch die Trennung zwischen Satzsemantik und Sprechakt-Pragmatik bzw. zwischen satzsemantischen Schlüssen (Inferenzen) und äußerungslogischen bzw. dialektischen
Modallogisch gilt ja die Regel ♦p ⇒ ♦¬p keineswegs. Wir halten sogar Regeln wie p ⇒ ♦p und ` p ⇒ ♦p für formal richtig. Wenn wir aus Peters Äußerung »Es ist möglich, dass Milch im Kühlschrank ist«, schließen, dass es möglich ist, dass keine Milch im Kühlschrank ist, so liegt der Grund dieses ›Schlusses‹ nur darin, dass wir annehmen, Peter hätte sagen müssen: »Es ist Milch im Kühlschrank«, wenn er gewusst hätte, dass Milch im Kühlschrank ist. Es sind also Konversationsmaximen, die uns ›verbieten‹, die abgeschwächte Wahrheit zu sagen, es sei möglicherweise Milch im Kühlschrank, wenn wir ›wissen‹, dass es so ist. 72 Wenn der Sprecher wissen sollte, dass p oder auch nur ` p gilt, darf er nicht bloß ♦p sagen. Sagt er nur ♦p, signalisiert er, dass aus seiner Sicht auch ♦¬p noch richtig sein könnte. Im Unterschied zur bloß ›expressiven‹ Äußerung »ich halte p für möglich / notwendig / wahr« ist übrigens die Äußerung von »p ist möglich / notwendig / wahr« gerade in Hegels Sinn schon »in sich reflektiert«, da der Sprecher damit zugleich sagt, man solle und dürfe p für möglich / notwendig / wahr halten. 71
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Implikaturen. Der Ausdruck »Implikatur« geht bekanntlich auf Grice zurück. Hegel benutzt nun den Titel »reale Möglichkeit« als Überschrift für Geltungsbedingungen von Sprechhandlungen der Form »X ist wirklich möglich« und kommentiert diese so: Wer so etwas sagt, will nicht auch noch sagen, es könnte sein, das auch nicht-X (etwas anderes, ein partiell inkompatibles Y ) möglich ist, sondern nur, dass X zumindest wirklich möglich, möglicherweise aber wirklich oder sogar notwendig ist. Hegel drückt sich verständlicherweise auf noch etwas unbeholfene Weise aus, wenn er sagt, die reale Möglichkeit sei »real, insofern sie selbst auch die Wirklichkeit ist«. Die Aussage, etwas (x ) sei wirklich möglicherweise X , bleibt auch dann formal wahr, wenn wir wissen, dass X wirklich der Fall ist. Indem sich dann der »Kreis der Bedingungen aufhebt« und die (unmittelbare) Existenz von X herausstellt, wird die reale Möglichkeit zum Ansichsein, zum generischen Wesenstyp X als Grund der Erscheinung E . Wieder ist Hegels Ausdrucksform gewöhnungsbedürftig: Es macht sich bei ihm die unmittelbare Existenz der Wirklichkeit bzw. der realen Möglichkeit sozusagen selbst zum Ansichsein, zum generischen Arttyp der Sache, von der die Rede ist oder auf die man sich bezieht. Warum aber soll dieses Ansichsein, das schon als Bestimmung des X vorausgesetzt ist, ›das Ansichsein eines Anderen‹ sein? Gemeint ist, dass das X als wirkliche Sache, die sich in der Erscheinung E als existent erweist, generischer Falltyp und damit Ansichsein einer ganzen Klasse von Sachen und Gründen ist und in der Besonderung und Vereinzelung dieses X hier nicht bloß Arttyp, sondern dessen besondere Aktualisierung ist. Die Wirklichkeit hebt ›das Moment des Ansichseins‹ also in besonderen Einzelinstanzen auf. In eben dieser Aufhebung wird eine reale Möglichkeit zu einer Wirklichkeit bzw. im Urteil als solche anerkannt. Was verschwindet, ist damit diß, daß die Wirklichkeit bestimmt war, als die Möglichkeit oder das Ansichseyn eines Andern, und umgekehrt die Möglichkeit als eine Wirklichkeit, die nicht diejenige ist, deren Möglichkeit sie ist. (388 | 245) In der Aufhebung der Möglichkeit, dass das wirkliche X doch nicht die Ursache der Erscheinung E ist, sondern ein anderes Y (das
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partiell zu Y inkompatibel ist), verschwindet die zunächst richtige Bestimmung, dass das Wirkliche eine entsprechend bewertete Möglichkeit ist, also ein Ansichsein, das auch die Möglichkeit zulässt, dass doch auch eine andere Möglichkeit der ›Erklärung‹ der Erscheinung E besteht als durch X . Mit anderen Worten, wir lassen in Aussagen, dass die Erscheinung E die Existenz des wirklichen X ›ist‹ (oder sicher anzeigt), die Tatsache verschwinden, dass wir dabei aus einer Alternative von möglichen Erklärungen oder Ursachen eine herausgegri=en und als wirklich bewertet haben. Es sieht daher (für uns) so aus, als gri=en wir über die Vermittlung von E unmittelbar auf das wirkliche X zu bzw. bezögen uns unmittelbar auf die durch X in ihrem Ansichsein bestimmte Wirklichkeit. 3. Die Negation der realen Möglichkeit ist somit ihre Identität mit sich; indem sie so in ihrem Aufheben der Gegenstoß dieses Aufhebens in sich selbst ist, ist sie die reale Nothwendigkeit. | (388 | 245) Wie schon erwähnt, kämpft Hegel hier mit modallogischen Formen (wie übrigens schon Aristoteles in den Analytica Priora), ohne schon unsere reflexionstechnischen Hilfsmittel der Unterscheidung zwischen Satzsemantik und Sprechhandlungsimplikaturen zur Verfügung zu haben. Auch Aristoteles scheitert eben daran, so dass die Regeln seiner Modallogik schlicht nicht konsistent sind. Das bedeutet in beiden Fällen eine große Herausforderung an jede angemessene Interpretation der Gedankengänge und Artikulationsversuche. Warum zum Beispiel soll die »Negation der realen Möglichkeit« (›somit‹) »ihre Identität mit sich« sein, und zwar deswegen, weil ›sie‹ »in ihrem Aufheben der Gegenstoß dieses Aufhebens in sich selbst ist« und daher »die reale Notwendigkeit« sein soll? Es ist kein Wunder, dass bisher alle Leser an solchen Passagen verzweifelt sind. Real notwendig ist für Hegel o=enbar das, was als ›notwendige‹ Erklärung X einer Erscheinung E zu gelten hat. Er denkt also weiter an den Fall, dass wir E kennen, darüber nachdenken, ob X oder Y als Grund oder Ursache auf der ›Wirklichkeitsebene‹ für E infrage kommen, und wir jetzt aus allerlei Gründen schließen, dass ein X vorliegen muss, damit E wirklich erklärt ist – womit z. B. auch die Möglichkeit, dass E durch Y zu erklären sei, negiert wird. Die Paraphrase zeigt, wie undeutlich oder unpräzise für uns Hegels Ar-
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tikulationsformen erscheinen müssen oder sind. Das liegt wieder erstens daran, dass in seiner Reflexionsform die Titel »Wirklichkeit«, »Möglichkeit« und »Notwendigkeit« nur ganz allgemein auf Sprechhandlungen verweisen, in denen die Wörter »wirklich«, »möglich« und »notwendig« vorkommen. Es liegt zweitens daran, dass noch nicht zwischen Ausdrucks-Default-Inferenzen und Sprech-AktFolgerungen unterschieden ist. Drittens liegt es an einem sehr allgemeinen Umgang mit dem Ausdrücken »Negation« und »Identität mit sich«. Wie also ist die Metapher von einem Gegenstoß zu lesen? Wir erinnern uns: Den Inhalt einer Aussage φ in einem Sprechakt bloß für möglich zu erklären, ›bedeutet‹ für Hegel zugleich, auch ¬φ für möglich zu erklären. Für die Wirklichkeit von φ muss die Verneinung aber ausgeschlossen werden. φ bleibt dann als alleinige Möglichkeit übrig. Das Bild vom Gegenstoß scheint also von allerlei alternativen Erklärungen einer Erscheinung durch Y zurück zu X als der ›besten‹ oder ›relativ notwendigen‹ Erklärung zu führen. Was nothwendig ist, kann nicht anders seyn; aber wohl was überhaupt möglich ist; denn die Möglichkeit ist das Ansichseyn, das nur Gesetztseyn, und daher wesentlich Andersseyn ist. Die formelle Möglichkeit ist diese Identität als Uebergehen in schlechthin Anderes; die reale aber, weil sie das andere Moment, die Wirklichkeit, an ihr hat, ist schon selbst die Nothwendigkeit. (388 | 246) Wenn etwas als notwendig ausgesagt wird, wird formell gesagt, dass es nicht anders sein kann. Vorausgesetzt ist, dass es möglich ist. In eben diesem Sinn gilt die Regel φ ⇒ ♦φ : Was notwendig ist, ist möglich. Alle Möglichkeit aber ist ein Ansichsein, ein typisches, artgemäßes Seinkönnen. Das Reich der Möglichkeiten ist das Reich der generischen Typen. Es ist das Reich der Formen, die realisiert oder aktualisiert sein können oder auch nicht. Außerhalb bloß mathematischer Modelle gibt es keine individuierten bzw. indviduierbaren ›möglichen Welten‹. Die Rede von ›Wirklichkeiten‹ im Plural ist kategorialer Unsinn. Alles Ansichsein ist Gesetztsein im Sinn begri=licher Formtypen, die als solche als Kontraste in einem Reich alternativer Formen und deren Relationen zueinander bestimmt sind.
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Im Vorgri= auf die Begri=slogik kann man jetzt sagen, dass das Ansichsein der Inhalt aller Begri=e ist. Keiner dieser Begri=e ist als solcher leer. Nur logisch zusammengesetzte Begri=e können für eine reine Unmöglichkeit stehen. Die Frage, ob in einem endlichen, begrenzten Bereich kein Gegenstand unter einem Begri= fällt, ist daher auch von ganz anderem Typ als die Feststellung, dass jeder Begri= einer Möglichkeit bzw. einem Ansichsein korrespondiert – und umgekehrt. Nun wird man freilich sagen, dass der Begri= des runden Vierecks notwendig leer ist, für keine Möglichkeit oder kein Ansichsein steht, da er als gänzlich unanwendbar erscheint. Das freilich ist nur eine Folge einer terminologischen Entscheidung. Wir könnten genauso gut festlegen, dass derartig ›inkohärent‹ definierte Pseudo-Begri=e gar keine Begri=e sind, statt sie als Begri=e anzuerkennen und zu sagen, sie seien notwendigerweise leer. Das Beispiel zeigt die konventionellen Entscheidungen in der Entwicklung logischer Reflexionssprache der letzten 200 Jahre. Sie sind nicht als alternativlose Wahrheiten anzusetzen. Hegel wiederholt noch einmal, dass, wenn ein x als ein mögliches X ausgesagt wird, auch die Negation nicht-X noch als möglich mitgesagt erscheint; in Wirklichkeitsaussagen aber wird die Negation gestrichen. Was daher real möglich ist, das kann nicht mehr anders seyn; unter diesen Bedingungen und Umständen kann nicht etwas anderes erfolgen. Reale Möglichkeit und die Nothwendigkeit sind daher nur scheinbar unterschieden; diese ist eine Identität, die nicht erst wird, sondern schon vorausgesetzt ist, und zu Grunde liegt. Die reale Nothwendigkeit ist daher inhaltsvolle Beziehung; denn der Inhalt ist jene ansichseyende Identität, die gegen die Formunterschiede gleichgültig ist. (388 | 246) Es klingt für uns heute merkwürdig zu sagen, dass das, was real möglich ist, nicht anders sein kann, da es notwendigerweise wirklich ist. Das liegt aber nur daran, dass wir die Rede von einer ›realen Möglichkeit‹ schwächer lesen als Hegel. Wir meinen, etwas, ein x , sei schon real ein mögliches X , wenn X eine gute Erklärung für x als Phänomen E ist, obwohl auch Y noch eine gute Erklärung sein könnte. Hegel dagegen weist uns darauf hin, dass jede Aussage,
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die sagt, dass x ein X sei und x daher als Instanziierung von X Grund der Existenz E (x ) ist, im Bereich von generischen Möglichkeiten X , Y etc. eine (ho=entlich) begründete Auswahl tri=t. Wirklich ist also, was real als mögliche Erklärung (›alternativlos‹) behauptet wird – und von uns anerkennbar ist. Zugleich wird das x vom Typ X als notwendige Bedingung für E ausgesagt und anerkannt – bzw. als anerkennbar behauptet, wenn wir nur die Versicherung des Sprechers betrachten und unsere Bewertungen erst mal weglassen oder einklammern. Daher, und nur daher, sind reale Möglichkeit, Wirklichkeit und reale Notwendigkeit »nur scheinbar unterschieden«. Diese Nothwendigkeit aber ist zugleich relativ. – Sie hat nemlich eine Voraussetzung, von der sie anfängt, sie hat an dem Zufälligen ihren Ausgangspunkt. Das reale Wirkliche als solches, ist nemlich das bestimmte Wirkliche, und hat zunächst seine Bestimmtheit als unmittelbares Seyn darin, daß es eine Mannichfaltigkeit existirender Umstände ist; aber diß unmittelbare Seyn als Bestimmtheit, ist es auch das Negative seiner, ist Ansichseyn oder Möglichkeit; so ist es reale Möglichkeit. (388 | 246) Alle bewerteten ›Notwendigkeiten‹ sind relativ, nämlich erstens in ihrer Beziehung auf die vorausgesetzte, zunächst empirisch-kontingente Erscheinung E . Das, was in tatsächlichen Sprechhandlungen und Urteilen als wirklich versichert oder anerkannt wird, ist nämlich je bestimmt durch die Form der Erklärung einer konkreten Erscheinung E und durch den Inhalt X des je besonderen Ansichseins, der als bestehend bewerteten Möglichkeit, die als wirklichen Ursache der Erscheinung E gesetzt, behauptet, oder schon mit (gutem) Grund anerkannt wird. Dabei ist X selbst schon »eine Mannigfaltigkeit existierender Umstände«, das aber »als Bestimmtheit«, also als »Ansichsein oder Möglichkeit«. Dabei ist das Ansichsein insofern »das Negative« der existierenden Umstände, als diese qua Artformen, in ihrer Typik, nicht als bloß aktuale Situation aufzufassen sind. Die reale Möglichkeit, die wir Wirklichkeit nennen, ist also immer die Aktualität oder Aktualisierung eines generischen Ansichseins in der je relevanten Besonderung auf den konkreten Fall der (gemeinsamen) Weltbezugnahme.
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Als diese Einheit der beyden Momente ist sie die Totalität der Form, aber die sich noch äusserliche Totalität; sie ist so Einheit der Möglichkeit und Wirklichkeit, daß 1) die mannichfaltige Existenz unmittelbar oder positiv die Möglichkeit ist; – ein mögliches, mit sich identisches überhaupt, darum weil sie ein wirkliches ist; 2) insofern diese Möglichkeit der Existenz gesetzt ist, ist sie bestimmt | als nur Möglichkeit, als unmittelbares Umschlagen der Wirklichkeit in ihr Gegentheil, – oder als Zufälligkeit. (388 | 246 f.) Die Notwendigkeit, sagt Hegel, sei Einheit der Möglichkeit und Wirklichkeit und dabei »äußerliche Totalität« und wegen dieser Äußerlichkeit bloß erst – Zufälligkeit. Was soll das nun wieder heißen? Wird jetzt nicht alles verwirrt? Das Mögliche, Zufällige, Wirkliche und Notwendige werden identisch. Es wird o=enbar kein Unterschied mehr gemacht. Sätze über das generisch Mögliche (oder ›die Möglichkeit‹) sind wie alle Aussagen über das, was Titelwörter mit der Endung -heit und -keit überschreiben, zunächst extrem vage und obskur, jedenfalls ohne Rückübertragung auf das durch sie im Kontext benannte ›konkrete Thema‹. Hegel geht es nun gerade darum, diese Sprachform in ihrer Brüchigkeit vorzuführen. Dasselbe Problem ergibt sich dann auch für alle Reden über Wahrheit, Gerechtigkeit, Freiheit, Zufälligkeit usf., sogar schon für Einheit, Andersheit usf. Es soll also zunächst die reale Möglichkeit (auf sie verweist das Wort »sie«) resp. reale Notwendigkeit nach Hegel »äußerliche Totalität der Form« sein. Was heißt das? Ich weiß nicht, ob die Rekonstruktion befriedigen wird, aber ich versuche, Hegel hier so zu lesen: Die mannigfaltige Existenz der Erscheinung verweist »unmittelbar und positiv« auf eine Möglichkeit, die in einer Aktualisierung ein mögliches »mit sich Identisches überhaupt« sein muss, weil es ja »ein Wirkliches« sein soll. Das alles nennt nur erst die Form, wie wir im Ausgang von perzipierten Erscheinungen im Dasein ihre ›Ursachen‹ und die Gründe für ihre Annahme bestimmen. Dasselbe gilt für die Dinge, die nach unserem Urteil gewisse Erscheinungen hervorbringen, und die wir ›daher‹ für ›wirklich‹ erklären. Ohne Konkretisierung des Ansichseins, der generischen Bestimmung des Arttyps der Sache, sprechen wir bloß erst über die allgemeine Form und noch gar keinen bestimmten Inhalt,
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gar kein bestimmtes Ding, keinen Gegenstand, keine Ur-Sache der Phänomene. Die Rede von der »Totalität der Form« meint also nur den (formalen) Gesamtkontext in seinen Teilmomenten. Äußerlich ist dies so lange, als wir nur erst ›unmittelbar‹ von der Erscheinung auf das sie hervorbringende Wirkliche schließen und dieses als existent setzen. Denn in dieser Unmittelbarkeit rechnen wir bloß erst mit naheliegenden Möglichkeiten – die sich aber ebenso unmittelbar als nicht wirklich herausstellen können, so dass die angenommene Wirklichkeit sozusagen in ihr Gegenteil umschlägt. In dieser Unmittelbarkeit bleiben sowohl Wirklichkeitsbehauptungen als auch Versicherungen, etwas sei ›mit Notwendigkeit‹ existent, weil es sich in der Erscheinung ›unmittelbar zeige‹, bloß erst möglicherweise wahr. Das gilt jedenfalls aus der Sicht einer kritischen Reflexion und genaueren Frage nach den Begründungen. Wir können häufig nicht bei den scheinbar unmittelbaren ›Wahrnehmungen‹ von generisch bestimmten Dingen und Sachen stehen bleiben. Daher ist diese Möglichkeit, welche die unmittelbare Wirklichkeit, indem sie Bedingung ist, an ihr hat, nur das Ansichseyn als die Möglichkeit eines Andern. Dadurch daß, wie gezeigt, diß Andersseyn sich aufhebt, und diß Gesetztseyn selbst gesetzt wird, wird die reale Möglichkeit zwar Nothwendigkeit; aber diese fängt somit von jener noch nicht in sich reflectirten Einheit des Möglichen und Wirklichen an; – dieses Voraussetzen und die in sich zurükkehrende Bewegung ist ¦ noch getrennt; – oder die Nothwendigkeit hat sich noch nicht aus sich selbst zur Zufälligkeit bestimmt. (388 f. | 249) Im unmittelbaren Dingbezug und in Reaktionen auf Wahrnehmungen (im Dasein, im Reich der Anschauung und Erscheinung) steckt also zumeist immer noch eine unmittelbare Entscheidung des Subjekts, die Erscheinung E als durch die Sache X verursacht aufzufassen, also das X als das Wirkliche hinter der Erscheinung E anzuerkennen und von der (formellen) Möglichkeit, dass es ein Y sein könnte, abzusehen. So lese ich die doppelte Rede von einer Setzung, nach welcher das Gesetztsein von X als ›Erklärung‹ von E selbst gesetzt ist – in der Versicherung, es sei notwendigerweise ein X , das E verursacht, und es seien alle Bedingungen dafür er-
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füllt, dass wir von der Existenz des X als Grund der Erscheinung E ausgehen können. Dennoch ist der gesamte Prozess noch nicht in sich reflektiert, bewusst kontrolliert, weder vom Sprecher selbst noch von uns, den möglichen Kritikern, welche sozusagen im Urteil um Anerkennung der Entscheidung oder des Urteils ›gebeten‹ werden. Im vorkritischen, unmittelbaren Urteilen über Vorhandenes hat man noch nicht vor Augen, dass manche Notwendigkeitsurteile selbst bloß erst zufällig, akzidentell, auf kontingenter Grundlage gefällt sind. Die Relativität der realen Nothwendigkeit stellt sich an dem Inhalte so dar, daß er nur erst die gegen die Form gleichgültige Identität, daher von ihr unterschieden und ein bestimmter Inhalt überhaupt ist. Das real Nothwendige ist deßwegen irgend eine beschränkte Wirklichkeit, die um dieser Beschränktheit willen in anderer Rüksicht auch nur ein Zufälliges ist. (389 | 247) Es geht hier ganz o=enbar um eine nicht bloß formalistische Reflexion auf unsere realen Aussagen über Wirkliches, Mögliches und Notwendiges. Die scheinbare Gleichsetzung bei Hegel ist nur dialektisch-ironische Warnung vor einem Kollaps dieser Unterscheidungen, wenn man nicht die gesamten Umstände der Sprechhandlung und ihrer möglichen Bewertung berücksichtigt und nur formal mit Regeln der Art φ ⇒ ♦φ rechnet oder mit der Implikatur, dass der Hörer aus der Versicherung eines Sprechers S , φ sei möglich, immer auch ›schließen‹ dürfe, dass S auch ¬φ noch für möglich hält. Real notwendig ist etwas relativ zu einer Tatsache. Es ist damit von der Form, dass, weil E der Fall ist, X notwendigerweise besteht. Wenn man die Relation zur Bedingung E weglässt, ist die Existenz oder Wirklichkeit von X ebenso ›zufällig‹ oder ›kontingent‹, wie E es sein kann. In der That ist somit die reale Nothwendigkeit an sich auch Zufälligkeit. – Diß erscheint zunächst so, daß das real Nothwendige, der Form nach, zwar ein Nothwendiges, aber dem Inhalte nach ein Beschränktes sey, und durch ihn seine Zufälligkeit habe. Allein auch in der Form der realen Nothwendigkeit ist die Zufälligkeit enthalten; denn wie sich gezeigt, ist die reale Möglichkeit nur an sich das Nothwendige, gesetzt aber ist sie als das Andersseyn der Wirklichkeit und Möglichkeit gegen einander. (389 | 247) Im Blick auf diese Relativitäten ist jede reale Notwendigkeit ›an
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sich auch Zufälligkeit‹. Warum aber soll die reale Möglichkeit nur an sich, im Prinzip, notwendig sein? Was notwendig, wirklich und möglich ist, ist doch voneinander zu unterscheiden! Dennoch ist im besonderen Fall des ›notwendigen‹ Schlusses von E auf X die Wirklichkeit von X notwendige Folge der insgesamt möglicherweise kontingenten Erscheinung E . Die reale Nothwendigkeit enthält daher die Zufälligkeit; sie ist die Rükkehr in-sich aus jenem unruhigen Andersseyn der | Wirklichkeit und Möglichkeit gegen einander, aber nicht aus sich selbst zu sich. (389 | 247 f.) Relativ notwendige Schlüsse von E auf X können insgesamt noch Zufälligkeiten ›enthalten‹, zumal E und X je für sich zufällig sein können. Das »unruhige Anderssein der Wirklichkeit und Möglichkeit gegen einander« meint hier nur den geschilderten Weg, wie wir das Wirkliche als eine Art alternativlose Möglichkeit relativ zu einer gegebenen Tatsache oder Erscheinung E bestimmen, so dass sich ansonsten die Unterscheidung zwischen den vier Modalitäten der beanspruchten Geltung: φ, ♦φ, ` φ, K φ, also: Notwendigkeit, Möglichkeit, Wirklichkeit und Kontingenz sozusagen auf der Metastufe auflöst, wenn jede nur möglicherweise gelten sollte. An sich ist also hier die Einheit der Nothwendigkeit und Zufälligkeit vorhanden; diese Einheit ist die absolute Wirklichkeit zu nennen. (389 | 248) In welchem Sinn erklärt Hegel jetzt dennoch, dass ›an sich‹ Notwendigkeit und Zufälligkeit bzw. Kontingenz ineins fallen können? Und warum in aller Welt soll diese Einheit das sein, was wir »die absolute Wirklichkeit« nennen können oder sollten? – Vielleicht will er sagen, dass wir für ein empirisches Urteil über eine kontingente Tatsache, dass das x dort und dann ein X ist, einen Grund brauchen, der uns von einer Erscheinung E mit einer gewissen ›Notwendigkeit‹ auf das Urteil schließen lässt. Es könnte aber auch sein, dass Hegels sagen möchte, dass man jede Notwendigkeit aus einer höheren Warte als kontingent ansehen kann. Denn die Tatsächlichkeit der Welt gibt den Rahmen ab für alle Notwendigkeiten; und dieser Rahmen, diese Wirklichkeit, ist im spekulativen Blick auf das Ganze als kontingent, zufällig, anzusehen.
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Dass die Welt ist, wie sie ist, kann also wie ein großes Wunder betrachtet werden, so wie jede relative Notwendigkeit in der Welt selbst auch. Der gerade kommentierte Satz ist ohnehin als Übergangs- und Einleitungssatz zum nächsten Abschnitt auf eine für Hegel ganz typische Weise extrem dicht, schwierig und im Grunde nur im Vorgri= auf die folgenden weiteren Erläuterungen zu verstehen.
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Die reale Nothwendigkeit ist bestimmte Nothwendigkeit; die formelle hat noch keinen Inhalt und Bestimmtheit an ihr. Die Bestimmtheit der Nothwendigkeit besteht darin, daß sie ihre Negation, die Zufälligkeit, an ihr hat. So hat sie sich ergeben. (389 | 248) Überraschenderweise trägt das durch die Endpassage des letzten Abschnitts eingeleitete neue ›Kapitel‹ den Titel »absolute Notwendigkeit« statt »absolute Wirklichkeit«. Im ersten Satz greift Hegel auf die Ergebnisse des vorlaufenden Kapitels zurück und sagt inhaltlich: Jede »reale Notwendigkeit ist bestimmte Notwendigkeit«, relativ zu einer Bedingung, also etwa von der Form (E → X ). In der bloß formellen Entgegensetzung von ›X ist notwendig‹, ›X ist möglich‹, ›X ist wirklich‹, ›X ist zufällig‹ wäre X noch gar nicht bestimmt. Es geht darum, ob ein x hier oder dort ein X ist. Metastufig oder spekulativ betrachtet, erscheint alles als zufällig, was in anderem Betracht als relativ notwendig zu gelten hat. Diese Bestimmtheit aber in ihrer ersten Einfachheit ist Wirklichkeit; die bestimmte Nothwendigkeit ist daher unmittelbar wirkliche Nothwendigkeit. Diese Wirklichkeit, die selbst als solche nothwendig ist, indem sie nemlich die Nothwendigkeit als ihr Ansichseyn enthält, ist absolute Wirklichkeit; – Wirklichkeit, die nicht mehr anders seyn kann, denn ihr Ansichseyn ist nicht die Möglichkeit, sondern die Nothwendigkeit selbst. (389 | 248) Die folgenden Passagen sind bis zum Schluss der Wesenslogik zunächst fast völlig unverdaulich. Sie bilden eine Abfolge von geradezu verrückten Aussagen darüber, dass das Wirkliche notwendig, das Notwendige zufällig und der Zufall wirklich und notwendig ist. Am
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liebsten würde man diesen gesamten Text vergessen. Es geht aber darum, in den im Detail vielleicht allzu ›subtilen‹ (oder auch allzu ›hemdsärmligen‹) Schlüssen eine Art sinnvolle Gedankenführung zu rekonstruieren. An deren Ende steht das provokative Resultat, dass die Wahrheit aller Notwendigkeit die Freiheit ihrer Setzung ist. Alle Bestimmtheiten sind als Unterscheidungen in der Welt wirklich. Jede bestimmte Notwendigkeit ist »daher unmittelbar wirkliche Notwendigkeit«, und zwar der trivialen Art: Es ist so, weil es so ist. Die absolute Wirklichkeit als der Totalbereich aller Unterscheidungen und Unterschiede ist notwendige Voraussetzung für alles Ansichsein, alle Möglichkeiten, die insgesamt, als das All aller Möglichkeit, »die Notwendigkeit selbst« ist. Aber damit ist diese Wirklichkeit, weil sie gesetzt ist, absolut, das heißt, selbst die Einheit ihrer und der Möglichkeit zu seyn, nur eine | leere Bestimmung; oder sie ist Zufälligkeit. – Diß Leere ihrer Bestimmung macht sie zu einer blossen Möglichkeit, zu einem, das eben so sehr auch anders seyn und als Mögliches bestimmt werden kann. Diese Möglichkeit aber ist selbst die absolute; denn sie ist eben die Möglichkeit, eben so sehr als Möglichkeit ¦ wie als Wirklichkeit bestimmt zu werden. Damit, daß sie diese Gleichgültigkeit gegen sich selbst ist, ist sie gesetzt als leere, zufällige Bestimmung. (389 f. | 248 f.) Gerade weil die Wirklichkeit absolut als Einheit des Möglichen und Wirklichen gesetzt ist, ist sie zunächst »nur eine leere Bestimmung«, nur »Zufälligkeit« – im Ganzen betrachtet. Es scheint daher so, dass auch alles anders sein könnte. Doch diese Betrachtung, nach welcher ›alles‹ möglich sein soll – so wie die Leute denken, welche an ein Gesamtsystem ›aller möglichen Welten‹ glauben – ist selbst bloß absolut und damit absolut leer. – Mit anderen Worten, alle wirklichen Möglichkeiten sind generische, typische Artunterscheidungen in der einzigen Welt, die es gibt, der wirklichen Welt. Dies kann und muss ›von außen‹ her als kontingent erscheinen. Von ›innen‹ oder uns her ist sie notwendige Voraussetzung aller unserer Unterscheidungen zwischen dem, was tatsächlich möglich, tatsächlich notwendig und tatsächlich kontingent ist – oder als solches zu behandeln ist. So enthält die reale Nothwendigkeit nicht nur an sich die Zufälligkeit, sondern diese wird auch an ihr; aber diß Werden als die
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Aeusserlichkeit ist selbst nur das Ansichseyn derselben, weil es nur ein unmittelbares Bestimmtseyn ist. Aber es ist nicht nur diß, sondern ihr eigenes Werden, – oder die Voraussetzung, welche sie hatte, ist ihr eigenes Setzen. Denn als reale Nothwendigkeit ist sie das Aufgehobenseyn der Wirklichkeit in der Möglichkeit und umgekehrt; – indem sie diß einfache Umschlagen des einen dieser Momente in das andere ist, ist sie auch ihre einfache positive Einheit, indem jedes, wie sich zeigte, in dem andern nur mit sich selbst zusammengeht. So ist sie aber die Wirklichkeit; jedoch eine solche, die nur ist, als dieses einfache Zusammengehen der Form mit sich selbst. Ihr negatives Setzen jener Momente ist dadurch selbst das Voraussetzen, oder Setzen ihrer selbst als aufgehobener oder der Unmittelbarkeit. (390 | 249) Wieder irritiert uns Hegels schneller Wechsel aus der objektstufigen in die metastufige Rede-Ebene. Denn die Notwendigkeit ›enthält die Zufälligkeit‹ gerade dadurch, dass wir auf endliche und damit ›zufällige‹ Weise festlegen, was notwendig oder zufällig ist. D. h. die Betrachtung der Anwendung des Kontrasts zerstört den Aberglauben, etwas sei ohne unsere Unterscheidungspraxis und Anerkennung einfach so ›notwendig‹, ›wirklich‹ oder ›kontingent‹ bzw. ›wahr‹ oder eine ›Tatsache‹. Etwas wird erst zu einer Tatsache oder Notwendigkeit, indem es zu einer solchen gemacht, als solche gesetzt wird. Freilich ist dieses Werden bloß eine »Äußerlichkeit«, ein »unmittelbares Bestimmtsein«, und gehört zur Arttypik oder zum »Ansichsein« der Modalunterscheidungen. Diese beginnen nämlich alle mit den Versicherungen »Ich halte X für möglich / wirklich / notwendig«. Sie werden erst durch allgemeine Anerkennungen oder kanonische Setzungen zu objektivstufigen Aussagen der Form X ist möglich / wirklich / notwendig. Dabei bleibt der folgende formelle Kontrast erhalten: Wenn nicht-X notwendig ist, ist X nicht möglich. Wenn nicht-X möglich ist, ist X nicht notwendig. Hegels verbales Spiel mit dem eigenen Setzen und Voraussetzen erscheint uns heute als ärgerlich und lästig. Denn selbstverständlich tut weder eine Möglichkeit oder eine Notwendigkeit selbst irgendetwas. Wir setzen und tun etwas, indem wir eine Möglichkeit (einer Erklärung) als mit relativer Notwendigkeit wirkliche Ursache einer Erscheinung oder einer Tatsache setzen. In diesem Sinn ist jede (rela-
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tive) Notwendigkeit aufgehoben in der Verwandlung einer Möglichkeit in eine Wirklichkeit – und umgekehrt, indem die Wirklichkeit eine entsprechend bewertete Möglichkeit ist, steckt in der Bewertung die Alternativlosigkeit der Notwendigkeit, wie wir oben schon gesehen haben. Hegel selbst weist auf die entsprechende Passage zurück, wie sein Wiederaufgreifen des Wortes »Zusammengehen« zumindest signalisiert. Das gilt auch für die Wörter »Umschlagen« und »Aufhebung«. Aufgehoben wird dabei die Möglichkeit, eine Erscheinung E durch etwas anderes als durch X zu ›erklären‹. Gesetzt wird X als Ursache der Erscheinung E (mit Grund), welche die wirkliche Existenz von X damit anzeigt oder sogar unmittelbar gelten soll. Eben darin aber ist diese Wirklichkeit bestimmt als Negatives; sie ist ein Zusammengehen aus der Wirklichkeit, welche reale Möglichkeit war, mit sich; also wird diese neue Wirklichkeit nur aus ihrem Ansichseyn, aus der Negation ihrer selbst. – (390 | 249) Die Wirklichkeit von X ist wieder eine Art Negativ des Positivabzugs E . X ist als Aktualisierung eines Arttyps an sich begri=en, E als seine Erscheinung. Die Rede von einer ›Negation ihrer selbst‹ artikuliert die Situation, dass E als besonderer Fall eines allgemeinen Falles des Typs verstanden wird, dessen Ansichsein die Wirklichkeit von X bestimmt. Damit ist sie zu|gleich unmittelbar als Möglichkeit bestimmt, als Vermitteltes durch ihre Negation. Diese Möglichkeit aber ist somit unmittelbar nichts als diß Vermitteln, in welchem das Ansichseyn, nemlich sie selbst, und die Unmittelbarkeit, beyde auf gleiche Weise Gesetztseyn sind. – (390 | 249 f.) Wieder ist die Wirklichkeit als Bestehen einer Möglichkeit bestimmt, vermittelt »durch ihre Negation«, genauer, den Ausschluss anderer Arttypen. Das Gesetztsein des Ansichseins, der Arttypen, besteht in der Kanonisierung von begri=lichen Unterscheidungen, die je schon inferentiell dicht sind. So ist es die Nothwendigkeit, welche eben so sehr Aufheben dieses Gesetztseyns oder Setzen der Unmittelbarkeit, und des Ansichseyns, so wie eben darin Bestimmen dieses Aufhebens als Gesetztseyns ist. Sie ist daher es selbst, welche sich als Zufälligkeit bestimmt; – in ihrem Seyn sich von sich abstößt, in diesem Abstossen selbst nur in
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sich zurükgekehrt ist, und in dieser Rükkehr als ihrem Seyn sich von sich selbst abgestossen hat. (390 | 250) Etwas als notwendig zu erklären, ist in der Tat ein Setzen und die Aufhebung des bloßen Gesetztseins: Man bewertet eine Regel als notwendig oder eine Sache als alternativlos, aber so, dass die ›Zufälligkeit‹ oder ›Willkür‹ dieser Bewertung als solche selbst wieder aufgehoben wird oder als nicht relevant erklärt wird. Ganz entsprechend gelten die begri=lichen Setzungen des Ansichseins, der generischen di=erentiell bedingten Inferenzen, nicht als von uns gesetzt, sondern als ›wirklich‹ und ›notwendig‹. In der kritischen Reflexion erkennen wir erst das Gesetzte und Gemachte, Konstituierte in unseren begri=lichen Ordnungen. Die Kontingenz geschichtlicher Entwicklungen ist dabei ebenso längst als Voraussetzung mitgegeben wie die ›großen‹ Tatsachen der Gegebenheit von Welt und der Etablierbarkeit von Unterscheidungen. Die Metaphern des Abstoßes (von sich selbst) und der Rückkehr des Seins zu sich selbst sollen wohl eben die ›Bewegung‹ ausdrücken, welche von einer unmittelbaren Reaktion auf das präsentisch erscheinende Sein zuhandener Sachen in der nahen Umwelt im Dasein über die Einbettung in einen begri=lich verfassten Möglichkeitsraum wirklicher Sachen und Dinge zu einem neuen Verständnis der Realität als Erscheinung einer vorhandenen Wirklichkeit führt. So hat die Form in ihrer Realisirung alle ihre Unterschiede durchdrungen und sich durchsichtig gemacht, und ist als absolute Nothwendigkeit nur diese einfache Identität des Seyns in seiner Negation oder in dem Wesen mit sich selbst. – (390 | 250) Die Form unserer Unterscheidungen in der Welt (samt der kanonisierten Inferenzen und Normalerwartungen in Bezug auf arttypische Wesen) durchdringt »in ihrer Realisierung« alle durch sie konstituierten Unterschiede und macht sich selbst sozusagen durchsichtig: Die Form selbst wird als Vollzugsform nicht erfahren, sondern praktiziert. Durch diese Praktik hindurch gliedern wir die unmittelbar wahrgenommene und beurteilte Welt in ›objektiver‹ Weise. Der Unterschied von dem Inhalte und der Form selbst ist eben so verschwunden; denn jene Einheit der Möglichkeit in der Wirklichkeit und umgekehrt ist die in ihrer Bestimmtheit oder im Gesetztseyn gegen sich selbst gleichgültige Form, die inhaltsvolle Sache, an der
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sich die Form der Nothwendigkeit äusserlich verlief. Aber so ist sie diese reflectirte Identität beyder Bestimmungen, als gegen sie gleichgültig, somit die Formbestimmung ¦ des Ansichseyns gegen das Gesetztseyn, und diese Möglichkeit macht die Beschränktheit des Inhalts aus, den die reale Nothwendigkeit hatte. Die Auflösung dieses Unterschieds aber ist die absolute Nothwendigkeit, deren Inhalt dieser in ihr sich durchdringende Unterschied ist. | (390 f. | 250) Im unmittelbaren Urteilen ist sogar der Unterschied zwischen Inhalt und Form unsichtbar und verschwunden. Es sind das reflexionslogische Unterscheidungen, die nur auf der Metastufe explizit werden, durch eine Di=erenzierung von Inhaltsgleichheiten bei Formverschiedenheiten und Formgleichheiten als feineren Äquivalenzen zwischen Repräsentationen oder Präsentationen ›einer Form‹, wie wir in gegenständlicher Reflexion sagen. Indem wir aber die Realität (der Erscheinung) durch die Wirklichkeit (eines Ansichseins) ›erklären‹, genauer, durch die Erscheinung hindurch unmittelbar (wahrnehmend oder urteilend) auf eine nicht bloß zuhandene (präsentische), sondern vorhandene Wirklichkeit (als reale Möglichkeit) Bezug nehmen, verschwindet sozusagen alle Form und aller Inhalt im als vorhanden erklärten Gegenstand, im Wirklichen und seiner ›Struktur‹. Erst recht versteckt sich jedes Gesetztsein, die Verfassung oder Konstitution der Formgebung und Inhaltsbestimmtheit von Möglichkeit und Wirklichkeit bzw. die Bewertung einer Notwendigkeit oder (vermeinten) Alternativlosigkeit. Die absolute Notwendigkeit soll nun in der »Auflösung dieses Unterschieds« zwischen Inhalt und Form bestehen. Was bedeutet diese These oder dieser gnomische Merkspruch? Und wie ist ihr Inhalt »dieser in ihr sich durchdringende Unterschied«? Im Grunde handelt es sich um bloße Formeln zur Kommentierung des Gedankens einer unmittelbaren Wirklichkeit. Diese ist zugleich absolute Notwendigkeit, wenn man diese einfach als das versteht, was notwendigerweise anzuerkennen ist, wenn man die Wahrheit des Seins der Welt erkennen, also absolutes Wissen haben wollte oder sollte. Die absolute Nothwendigkeit ist also die Wahrheit, in welche Wirklichkeit und Möglichkeit überhaupt, so wie die formelle und reale
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Nothwendigkeit zurükgeht. – Sie ist, wie sich ergeben hat, das Seyn, das in seiner Negation, im Wesen, sich auf sich bezieht und Seyn ist. Sie ist eben so sehr einfache Unmittelbarkeit oder reines Seyn, als einfache Reflexion-in-sich, oder reines Wesen; sie ist diß, daß diß beydes ein und dasselbe ist. – Das schlechthin Nothwendige ist nur, weil es ist; es hat sonst keine Bedingung, noch Grund. – (391 | 251) Interessanterweise fällt die absolute Notwendigkeit einfach mit der (absoluten), von allen Relativitäten zu unseren Formgebungen und Inhaltsbestimmungen abstraktiv losgelösten Wahrheit zusammen. In sie oder auf sie geht alle Wirklichkeit und Möglichkeit, die formelle und reale Notwendigkeit zurück. So reden die Leute und so spricht Hegel. Das Notwendige ist daher einfach das Sein der Welt, wie sie ist und sich vollzieht, und steht hier nicht im Kontrast zur Kontingenz, zum Zufall in der Welt. Allerdings ist man damit aus der Immanenz eines begrenzten Bereiches zur Totalität der ganzen Welt übergegangen, also auch von sachhaltig-objektiven Aussagen zu spekulativen Redeformen über ›das Ganze‹. Das Wesen ist Negation des Seins nur insofern, als es formal einen Kontrast zur unmittelbaren Erscheinung und Erfahrung bildet. Die ›ganze‹ Wirklichkeit ist das Sein des ›ganzen‹ Wesens als gedachte unmittelbare Ursache von ›allem‹ erscheinenden Sein – samt allen ›notwendigen‹ Gründen. Diese absolute Notwendigkeit ist aber nur so, wie sie ist, weil die Welt faktisch so ist, wie sie ist. Es gibt für sie keine weitere Bedingung und keinen weiteren Grund, etwa den, dass ein Bastelgott bestimmte Regeln erfunden hätte. Diese gesamte Gedankenführung will am Ende nur zeigen, dass und warum im Ganzen gesehen absolute Wahrheit, Wirklichkeit und Notwendigkeit ineins fallen: Die Welt sub specie aeternitatis betrachtet, vom Ende der Zeiten oder aus dem nicht-relativen Blick eines Gottes, ist, wie sie ist – und kennt keinen Unterschied von Modalitäten. Nur in unseren ›endlichen‹ Betrachtungsweisen kontrastieren wir ein nicht unmittelbar perzeptiv erfahrbares Wesen (von Vorhandenem) mit dem (unmittelbar zugänglichen) Dasein von präsentisch Zuhandenem. Es ist aber eben so reines Wesen, sein Seyn ist die einfache Reflexion-in-sich; es ist, weil es ist. Als Reflexion hat es Grund und
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Bedingung, aber es hat nur sich zum Grunde und Bedingung. Es ist Ansichseyn, aber sein Ansichseyn ist seine Unmittelbarkeit, seine Möglichkeit ist seine Wirklichkeit. – (391 | 251) So wie Jahwe sagt, ich bin, der ich bin, gilt das auch für die Welt im Ganzen, ihr Wesen, ihre Natur: Sie ist, wie sie ist. Die Notwendigkeit ist das reine Wesen der Welt, dessen Sein »einfache Reflexion-insich« ist – eben von der Form des Verhältnisses von Wesen und Sein, Grund und Erscheinung. Daher stammen die klassischen Formeln Gottes, der nur sich zum Grund und Bedingung hat, die man mit Spinoza jetzt auf die Natur als das Gesamtwesen der Gesamtwelt ebenfalls anwenden kann. M. a. W, im Blick auf das Ganze hat es keinen Sinn mehr, zwischen Sein, Wirklichkeit, Wesen und Notwendigkeit zu unterscheiden. Das Ganze ist ebenso sehr im Ganzen kontingent, eine große Tatsache, der große Zufall, wie das Ganze notwendig und wirklich ist. – Hegel legt hier also nur den Gedanken von einer causa sui des Spinoza und der mittelalterlichen Tradition aus – samt der Idee des Avicenna und vieler anderer, nach welcher in Gott die Möglichkeit des wollenden Denkens und die Verwirklichung des Gedankens ein und dasselbe ist: Das ist der Gedanke der intellektuellen Anschauung, wie sie bei Kant rekonstruiert wird. Bei Hegel verwandeln sich diese Lehrstücke aber total, indem die Wirklichkeit als das Wesen, das Wesen als der mögliche Grund und zugleich als die notwendige Ursache der Erscheinung (in je meiner Welt) begri=en werden. Dass in einer spekulativen, holistischen Betrachtung alles wieder in das Eins-und-Alles ohne Unterschied und Negation fällt, zeigt nur, wie hier endliche und unendliche Rede-Ebene je zu unterscheiden sind. Es ist also, weil es ist; als das Zusammengehen des Seyns mit sich, ist es Wesen; aber weil diß Einfache eben so die unmittelbare Einfachheit ist, ist es Seyn. (391 | 251) Das schlechthin Notwendige ist also nur, weil es ist, als totale Identität von Sein, Wesen, Wirklichkeit, Welt. Diese Identität ergibt sich sozusagen dann, wenn alle Wesenserklärungen zu allen Erscheinungen, also zur unmittelbaren Einfachheit des Seins im Vollzug passen und umgekehrt.
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Die absolute Nothwendigkeit ist so die Reflexion oder Form des Absoluten; Einheit des Seyns und Wesens, einfache Unmittelbarkeit, welche absolute Negativität ist. Einerseits sind ihre Unterschiede daher nicht als Reflexionsbestimmungen, sondern als seyende Mannichfaltigkeit, als unterschiedene Wirklichkeit, welche die Gestalt von selbstständigen Anderen gegen einander hat. Andererseits da ihre Beziehung die absolute Identität ist, ist sie das absolute Umkehren ihrer Wirklichkeit in ihre Möglichkeit und ihrer Möglichkeit in Wirklichkeit. – (391 | 251) Das Absolute ist der Vollzug der Welt. Die absolute Notwendigkeit gerade auch im Sinn des Spinoza ist ihre ›Reflexion‹ in der Form der Einheit des Seins (im Vollzug, je präsentisch, je zuhanden, wenn ich dabei bin) und des Wesens (als dem Gegenstand des Wissens über Vorhandenes). Dabei ist die gedachte einfache Unmittelbarkeit »absolute Negativität«, gerade weil alle Bestimmung auf realen, endlichen, Unterscheidungen aufruht. Als Reflexionsbestimmungen sind Verschiedenheiten und Identitäten, damit auch die bestimmten Gegenstände, konkret immer auch schon abhängig von unseren Setzungen. Der Gedanke, diese rein für sich aufzufassen, macht sie zwar zu einer seienden Mannigfaltigkeit »als unterschiedene Wirklichkeit«, aber die »Gestalt von selbständigen Anderen gegen einander« passt nicht zu einer holistischen Gesamtbetrachtung. In dieser heben sich nämlich alle endlichen Dinge und Sachen als bloße Momente eines Gesamtvollzugs auf – wie das gerade Spinoza darstellt und Hegel hier nur auf seine Weise rekapituliert. Die absolute Nothwendigkeit ist daher blind. Einerseits haben die unterschiedenen, welche als Wirklichkeit und als die Möglichkeit bestimmt sind, die Gestalt der Reflexion-in-sich als des Seyns; sie sind daher beyde als freye | Wirklichkeiten, deren keins im andern scheint, keins eine Spur seiner Beziehung auf das Andere an ihm zeigen will; in sich gegründet ist jedes das Nothwendige an ihm selbst. Die Nothwendigkeit als Wesen ist in diesem Seyn verschlossen; die Berührung dieser Wirklichkeiten durch einander erscheint daher als eine leere Aeusserlichkeit; die Wirklichkeit des einen in dem andern ist die nur Möglichkeit, die Zufälligkeit. Denn das Seyn ist gesetzt als absolut nothwendig, als die Vermittlung-mit-sich, welche absolu-
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te Negation der Vermittlung-durch-anderes ist, oder als Seyn das nur mit dem Seyn identisch ist; ein Anderes, das im Seyn Wirklichkeit hat, ist daher als schlechthin nur Mögliches, leeres Gesetztseyn bestimmt. (391 | 251 f.) Gerade weil von allem Wissen abstrahiert wird, erscheint die absolute Notwendigkeit der Welt, wie sie ist, als blind. Das liegt an der Ontisierung des Wesens und am Verzicht auf die genaue Betrachtung der Realverhältnisse in reflexionslogischen Wesenserklärungen unmittelbar erscheinenden Seins. Mit der Rede von Gott kann man hier immerhin das Folgende unterscheiden: Gott als unendlicher Denker kennt (der mythischen Vorstellung zufolge) das Wesen, alle Möglichkeiten. Gott als unendlicher Erkenner sieht das äußere Sein. Gott als unendlicher Urteiler erkennt die ›notwendige‹ Beziehung zwischen (möglichen) Wesen und (wirklichem) Sein. Aber gerade dann, wenn wir Welt und Wirklichkeit mit der absoluten Notwendigkeit identifizieren, fällt alles ineins. »Die Notwendigkeit als Wesen« ist dann im »Sein verschlossen«, das als »leere Äußerlichkeit« einer zufällig realisierten Möglichkeit erscheint. Das »Es ist so, wie es ist« erhält jetzt den falschen Klang des fatalistischen Determinismus. In der Totalen betrachtet wird die Welt zur leeren Gegebenheit und ihr Wesen zur leeren Gesetztheit. Aber diese Zufälligkeit ist vielmehr die absolute Nothwendigkeit; sie ist das Wesen jener freyen, an sich nothwendigen Wirklichkeiten. Dieses Wesen ¦ ist das Lichtscheue, weil an diesen Wirklichkeiten kein Scheinen, kein Reflex ist, weil sie nur rein in sich gegründet, für sich gestaltet sind, sich nur sich selbst manifestiren, – weil sie nur Seyn sind. – (391 f. | 252) Das Zufällige (der Erscheinungen) des Gesamtvollzugs, des Gesamtprozesses, des Waltens der Welt, ist selbst »die absolute Notwendigkeit«. Es gilt daher, die Kontingenz des Gesamten der Welt anzuerkennen und mit allen grundlegenden Tatsachen zusammen zu denken. Diese begründen unsere relativen Notwendigkeiten, welche die Unterscheidung zwischen Wirklichkeit und Möglichkeit in der Welt ›definieren‹. Das bloß Mögliche ist dann nicht (notwendigerweise) wirklich, das Wirkliche aber Instanz des Möglichen, wobei der Grund
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für den Schluss darauf, dass etwas wirklich so und so ist, eine gewisse Notwendigkeit in Anspruch nimmt. Die Rechenkalküle im Umgang mit modallogischen Wörtern helfen wenig, um ihren Sinn zu begreifen, zumal ihre Schachtelungen ohne konventionelle Setzungen noch gar keinen festen, kanonischen, Sinn haben. In gewissem Sinn ist der Begri= des Möglichen sowohl für den des Wirklichen als auch des Notwendigen grundlegend. Als notwendig gilt etwas – z. B. gemäß rein logischer oder materialbegri=licher Inferenzregeln – genau dann, wenn die Verneinung nicht als logisch möglich oder als materialbegri=lich möglich gesetzt ist. Als wirklich gilt φ genau dann, wenn im relevanten Sinn φ notwendigerweise als real wahr anzunehmen ist. Gerade in diesem Sinn existiert der Pariser Ei=elturm wirklich, er ist real vorhanden, auch wenn er nicht in präsentischer Anschauung ›zuhanden‹ ist. Die Wörter »möglich«, »notwendig« und »wirklich« artikulieren also modale Urteilsformen, die je relativ auf die Modi oder Relevanzaspekte des formal Logischen, formal Analytischen, der materialbegri=lichen Gesetze als universal generischen Grundtatsachen der Welt (welche gewisse ›Wunder‹ ausschließen), aber durchaus auch auf generisch-allgemeine Normen von vernünftigen Normalfallerwartungen bezogen sein können. So kann und muss man zwar in besonderen Fällen damit rechnen, dass die Katze bloß drei Beine hat oder blind ist, ein Kind krank auf die Welt kommt oder ein Maar in der Eifel explodieren könnte. Aber im Normalfall damit zu rechnen, ist falsch. Manche Möglichkeiten sind von der Form, dass man nicht mit ihnen zu rechnen hat, obwohl sie in einem stärkeren Sinn des Notwendigen prinzipiell, aber nicht eigentlich wirklich möglich sind, während andere Sachen von der Art sind, dass wir grundsätzlich nicht mit ihrer Möglichkeit rechnen sollten, z. B. mit einer Jungfrauenzeugung bei Menschen oder Säugetieren oder mit einem ewigen Leben oder mit einer ›Reise‹ in die Vergangenheit (auch im Fall atomarer Partikel, trotz allem Gerede über eine backward causation). Die Kontingenz der Welt ist das geheime, lichtscheue Wesen der Welt. Dass sie eine Art Geheimnis ist, liegt daran, dass wir in der Welt bloß immer mit relativen Notwendigkeiten, Wirklichkeiten und
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Möglichkeiten rechnen. Es ist also ein spekulativer, auf das Ganze im Modus einer Totalitätsaussage gehender Satz, wenn man sagen würde: »Alles ist kontingent«. In diesem Redemodus ist er wahr, obwohl er natürlich falsch wäre, wenn wir in einen anderen, relativen Redemodus wechseln. Dann ist die Endlichkeit des Lebens z. B. keine kontingente Aussage mehr, sondern materialbegri=lich universal wahr und notwendig. Hegel spricht davon, dass etwas an sich notwendig ist. Das besagt, dass es notwendig ist relativ zu einem gesetzten Ansichsein, also zu einem generischen Wissen über normale Arttypiken. Während die Realitäten der Einzelereignisse immer auch an der Kontingenz des Ganzen teilnehmen – vermöge der logischen Symmetrie zwischen absoluter Einzelheit und der Totalität des Ganzen – , ist die Wirklichkeit das, was wir in einem generischen Wissen darstellen und wodurch wir relativ zu den relevanten Aspekten die erscheinenden Realitäten wesenslogisch oder auch reflexionslogisch erklären. In der Rede von einem totalen Wesen, der holistischen Wirklichkeit der ganzen Welt aber gibt es keinen ›Reflex‹ des Scheinens in der Erscheinung, der phänomenalen Realität mehr, keine Existenz, weil das Ganze der Welt nur noch Grund seiner selbst, »rein in sich gegründet« ist, »für sich gestaltet« ist und sich manifestiert, so wie es eben geschieht. Die Welt, ich wiederhole das, ist, wie sie ist. Das korrespondiert der Tautologie der Charakterisierung Gottes »Ich bin, der ich bin«, welche zugleich den Truismus des Descartes artikuliert, nach welchem aus dem Vollzug eines Aktes je meine Existenz trivial folgt. Man muss Hegels vielleicht überraschende Wende von der Absolutheit der Kontingenz der Welt zur Absolutheit der Existenz des Ich des denkenden personalen Subjekts nicht mitmachen. Ich denke aber, dass sie den Gedankengang Hegels am Schönsten zusammenfasst: Von außen gesehen ist es rein kontingent, dass es mich und damit meine Welt und daher die Welt ›gibt‹. Aus meinem Dasein und Inder-Welt-Sein heraus relativ zu meiner Existenz aber ›gibt‹ es mich mit Notwendigkeit und es ›gibt‹ für mich (und uns) die gegebene Welt und ihre vorgegebenen Tatsachen ›notwendig‹. Dass der letzte Halbsatz tautologisch klingt und ist, zeigt gerade, was hier zu zeigen ist.
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Aber ihr Wesen wird an ihnen hervorbrechen und o=enbaren, was es ist und was sie sind. Die Einfachheit ihres Seyns, ihres Beruhens auf sich, ist die absolute Negativität; sie ist die Freyheit ihrer scheinlosen Unmittelbarkeit. Dieses Negative bricht an ihnen hervor, weil das Seyn durch diß sein Wesen der Widerspruch mit sich selbst ist; – und zwar gegen diß Seyn in der Form des Seyns, also als die Negation jener Wirklichkeiten, welche absolut verschieden ist von ihrem Seyn, als ihr Nichts, als ein eben so freyes Andersseyn gegen sie, als ihr Seyn es ist. – (392 | 252) Im Wesen der an sich notwendigen Wirklichkeiten o=enbart sich, was Wirklichkeit ist und was wirkliche Sachen sind. Das heißt, in unseren wesenslogischen Erklärungen von Realitäten in der Welt zeigt sich die wirkliche Welt im Unterschied zu subjektrelativen Erscheinungen in unserer Unterscheidung zwischen Schein und ›wirklichem‹ Sein. Die »Einfachheit« des »Seins« des Wirklichen »ist die absolute Negativität«, die sich wie das Negativ eines Fotos zu den realen Abzügen, Aktualisierungen, verhält. In Aussagen über die Wirklichkeit heben wir auch subjektive Erscheinungen auf, verneinen bloße Meinungen und heben zugleich ›objektive‹ Inhalte auf. Dass die Wirklichkeit ruht, drückt nur ihre Festigkeit und Invarianz gegenüber den sich ändernden Perspektiven lokaler Weltbezugnahmen aus. Diese Invarianz, das Stehende und Beständige von Wesen und Wirklichkeit, ist gerade »die absolute Negativität«, von der Hegel spricht. Hegels überraschende Wende zum Aspekt der »Freiheit« und einer »scheinlosen Unmittelbarkeit« irritiert – und soll irritieren. Tatsächlich erinnert Hegel hier aber nur daran, dass das Wesen, die Wirklichkeit, gesetzt ist und dass unsere Vorstellung einer unmittelbaren Wirklichkeit ihren notwendigen Bezug auf eine Unterscheidung zwischen (subjektivem) Schein und (transsubjektiver, objektiver) Wirklichkeit immer allzu schnell vergisst. »Dieses Negative« der verkehrten Welt, dass die Wirklichkeit von uns frei gesetzt ist, die Realität der Phänomene aber das notwendigerweise Gegebene bleibt (wenn auch nicht schon als gegenständlich beredbare Sachen), »bricht« an den Wirklichkeiten der Welt, an den wirklichen Sachen, über die wir sprechen, »hervor«, weil sich das Sein selbst jetzt im wider-
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sprüchlichen Kontrast zwischen Wesen und Erscheinung, gesetzter Wirklichkeit und sich zeigender Realität darstellt. Hegels Mehrfachbelegungen der Worte seiner Kommentarsprache mag lästig erscheinen. Aber sie zeigen, wie eng die verschiedenen Aspekte der Kontrastierung (Unterscheidung) und Aufhebung von Unterschieden in unseren Weltdarstellungen und Weltvorstellungen zusammengehen. Der Kontrast zwischen Wesen und Erscheinung, Wirklichkeit und Realität hebt sich z. B. auf, wenn wir die Erscheinung als unmittelbare Existenz ihrer Ursache auffassen. Und der Kontrast zwischen Sein und Nichts hebt sich auf, wenn wir das Nichtsein einer Sache im Rahmen von Artdi=erenzierungen verstehen lernen: Etwas ist als etwas Bestimmtes nur so weit definiert, als es nicht von einer anderen Art ist. Mit anderen Worten, das Sein einer Sache ist das Nichtsein des Andersseins. Warum aber ist dieses ein ›freies Anderssein‹? Jedoch war es an ihnen nicht zu verkennen. Sie | sind in ihrer auf sich beruhenden Gestaltung gleichgültig gegen die Form, ein Inhalt, damit unterschiedene Wirklichkeiten und ein bestimmter Inhalt; dieser ist das Maal, das die Nothwendigkeit, indem sie, welche absolute Rükkehr in sich selbst in ihrer Bestimmung ist, dieselben frey als absolut wirkliche entließ, – ihnen aufdrükte, worauf sie als den Zeugen ihres Rechts sich beruft, und an dem sie ergri=en nun untergehen. (392 | 252 f.) Dass die wirklichen Dinge unserer wesenslogischen Darstellung und Erklärung von Welt (also am Ende ›aller‹ Realitäten) »gleichgültig gegen die Form« sind, bedeutet gerade, dass sie Inhalte sind, die als solche durch Formäquivalenzen so definiert sind, wie der Inhalt des Wortes »Bauer« gleichgültig ist gegen die Formdi=erenzen »agricola«, oder »farmer«. Die unterschiedenen »Wirklichkeiten« sind hier einfach wirkliche Sachen mit einem (je durch ihre Formen explizit gemachten) Inhalt. Hegels weitere Kommentierungen werden immer metaphorischer, sozusagen poetischer. Er spricht von einem (Brand-)Mal, das den wirklichen Dingen aufgedrückt wurde (was zum Negativ eines Abzugs passt). Und er lässt »die Notwendigkeit« als Akteur erscheinen. Dabei sind wir es, welche Notwendigkeiten und Möglichkeiten und damit
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Wirklichkeiten auf freie Weise setzen – freilich in strenger Anpassung an die Realität der je lokalen, perspektivischen Erscheinungen. Das heißt, die Notwendigkeiten selbst sind gesetzte. Sie sind es, welche die Wirklichkeiten im Kontrast zu den Erscheinungen und dem Schein subjektiver Realität allererst ›definieren‹. Das Anthropomorphe in der Metapher der logischen Reflexion Hegels nimmt jetzt weiter zu. Hegel sagt, dass »die Notwendigkeit« sich »als den Zeugen ihres Rechts« gerade darauf beruft, dass sich die erfahrbaren Realitäten ergeben, wie ich die Bezugnahme und den Sinn von Hegels Überlegung zu lesen vorschlage. Was aber heißt es, dass das Wirkliche, also die als durch Notwendigkeitsschlüsse oder entsprechende kausale Erklärungen erschlossenen Ursachen, ›untergehen‹, indem wir uns bei ihrer Begründung oder Rechtfertigung auf die durch sie erklärten Realitäten berufen? Die Frage so zu stellen, bedeutet, sie schon halb zu beantworten. Denn gerade indem wir die ›Wahrheit‹ einer wesenslogischen oder, was dasselbe ist, kausaltheoretischen Erklärung dadurch ›begründen‹, dass sie sich ›wirklich‹ in den je subjektiven und lokalen Welterfahrungen bewähren, bemerken wir den theoretischen Status der Setzungen der ›Notwendigkeit‹ der di=erentiellen Inferenzregeln. Diese Manifestation dessen, was die Bestimmtheit in Wahrheit ist, negative Beziehung auf sich selbst, ist blinder Untergang im Andersseyn; das hervorbrechende Scheinen oder die Reflexion ist an den Seyenden als Werden oder Uebergehen des Seyns in Nichts. Aber das Seyn ist umgekehrt eben so sehr Wesen, und das Werden ist Reflexion oder Scheinen. So ist die Aeusserlichkeit ihre Innerlichkeit, ihre Beziehung ist absolute Identität; und das Uebergehen des Wirklichen in Mögliches, des Seyns in Nichts ein Zusammengehen mit sich selbst; die Zufälligkeit ist absolute Nothwendigkeit; sie selbst ist das Voraussetzen jener ersten absoluten Wirklichkeiten. (392 | 253) Die erfahrene Realität ist die »Manifestation dessen, was die Bestimmtheit in Wahrheit ist«. Jede Bestimmtheit der Welt entstammt aus einer Bestimmung, so wie jede Verschiedenheit aus einer Unterscheidung. Als solche ist sie jeweils »negative Beziehung auf sich selbst«, einfach nach dem Grundgedanken, dass alle Gleichheit oder Identität logisch aus der Negation einer Negation, dem Verzicht auf
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feinere Unterscheidung stammt. Warum aber soll das ein »blinder Untergang in Anderssein« sein? Die Blindheit, von welcher hier die Rede ist, könnte auf die ›automatische‹ oder ›unmittelbare‹ Deutung einer Perzeption als Wahrnehmung von wirklichen Sachen in ihrer Arttypik, ihrem Ansichsein, verweisen. Im wahrnehmenden und urteilenden Weltbezug reflektieren wir ja keineswegs auf die Di=erenz zwischen Wirklichkeit und Realität, Wesen und Erscheinung, das Ding als Ur-Sache und was wir von ihm über unsere Sinne aufnehmen. Wir nehmen, so meinen wir, das Ding und die Sachen unmittelbar wahr. Doch das ist nicht so. Wir nehmen aber auch keine reinen Phänomene, Qualia, Sinnesempfindungen wahr. Zu sagen, wie die Dinge zu sein scheinen, setzt schon die Reflexion auf den Unterschied zwischen Ding (Ursache) und Erscheinung (Wirkung bei uns) voraus. Auch der Prozess der Wirkungen des Gegenstandes in den verschiedenartigen Erscheinungen »ist Reflexion oder Scheinen«. In der ›natürlichen‹ Auffassung der Welt sagen wir, dass die Dinge mit sich gleich bleiben und sich nur ihre Ansichten ändern. Doch durch die ›kausale‹ Deutung der Erscheinung als bewirkt durch verursachende Dinge wird »die Äußerlichkeit ihre Innerlichkeit«. Das Ding produziert auf absolut tautologische Weise seine Erscheinungen. Der Übergang »des Wirklichen in Mögliches«, wie er in kritischer Reflexion geschieht, oder »des Seins in Nichts«, wenn wir etwas als bloßen Schein beurteilen, ist je nur »ein Zusammengehen mit sich selbst«. Die Totalität der Sache enthält nämlich auch all das, was sie als Schein verursacht. Somit wird nicht nur die Zufälligkeit der ganzen Welt zur absoluten Notwendigkeit, sondern jeder Zufall, der einem Ding widerfährt, gehört mit Notwendigkeit schon zu den Möglichkeiten dessen, was mit dem Ding geschehen kann. Die Notwendigkeit selbst besteht darin, dass die absoluten Wirklichkeiten, also das generische Ansichsein der entsprechenden wesenslogisch bestimmten Dinge und Sachen, vorausgesetzt werden. Diese Identität des Seyns in seiner Negation mit sich selbst, ist sie nun Substanz. Sie ist diese Einheit als in ihrer Negation oder als in der Zufälligkeit; so ist sie die Substanz als Verhältniß zu sich selbst. Das blinde Uebergehen der Nothwendigkeit ist vielmehr die eigene
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Auslegung des Absoluten, die Bewegung desselben in sich, welches in seiner Entäusserung vielmehr sich selbst zeigt. ¦| (392 | 253) Warum soll nun die »Identität des Seins« eines wirklichen Gegenstandes »in seiner Negation mit sich selbst« Substanz sein? Warum soll diese als Einheit »in ihrer Negation« oder »in der Zufälligkeit« sein? – Dass die Substanz ein Verhältnis zu sich selbst ist, zeigt sich so: Alle bleibenden Dinge sind, wie die Lebewesen, was sie sind, durch ein substantielles Selbstverhältnis, Autopoiesis. Endliche Dinge existieren – wie Spinoza erkennt – sozusagen als Akzidentien der ganzen Welt. Sie sind so zufällig und kontingent wie diese. Das blinde Übergehen von der Erscheinung zum substantiellen Ding, zur Ursache, ist die »Auslegung des Absoluten« sowohl im Sinne eines genetivus subjectivus: wir als Ausleger sind absolut im Vollzug, als auch im Sinne eines genitivus objectivus: das Absolute wird durch uns und damit sich selbst ausgelegt. Wissen über das Wirkliche ist also eine Bewegung des Wissens in sich; in seiner Entäußerung, in der gegenständlichen Bezugnahme, zeigt sich der Weltvollzug und damit unser eigenes Sein.
Drittes Kapitel. Das absolute Verhältniß 435 a
Die absolute Nothwendigkeit ist nicht sowohl das Nothwendige, noch weniger ein Nothwendiges, sondern Nothwendigkeit; – Seyn schlechthin als Reflexion. Sie ist Verhältniß, weil sie Unterscheiden ist, dessen Momente selbst ihre ganze Totalität sind, die also absolut bestehen, so daß diß aber nur Ein Bestehen und der Unterschied nur der Schein des Auslegens, und dieser das Absolute selbst ist. – (393 | 254) Das absolute Verhältnis ist eine Art Selbstverhältnis. Die absolute Notwendigkeit ist selbst nicht notwendig, sondern »Sein schlechthin«. Das Ganze der Welt ist spekulativer Reflexionsgegenstand. Als solcher ist er Vollzug, Haltung und Selbstverhältnis, ein »Unterscheiden«, »dessen Momente selbst ihre ganze Totalität sind«. Ich habe schon mehrfach gesagt, dass wir uns dieses Absolute nur als Inhalt einer allumfassenden Armbewegung vorstellen können oder sollen.
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Das Wesen als solches ist die Reflexion oder das Scheinen; das Wesen als absolutes Verhältniß aber ist der als Schein gesetzte Schein, der als diß Beziehen auf sich die absolute Wirklichkeit ist. – Das Absolute, zuerst von der äussern Reflexion ausgelegt, legt nun als absolute Form oder als Nothwendigkeit, sich selbst aus; diß Auslegen seiner selbst ist sein sich-selbst-setzen, und es ist nur diß sichsetzen. – (393 | 254) Das Wesen (einer Sache) wird als Ursache der Erscheinung (der Sache) aufgefasst; das Wesen selbst aber besteht im Vollzug dieses Erscheinens – nicht als Schein, da die Rede über ihn mit einer Implikatur des Nichtseins verbunden ist. Als absolutes Verhältnis soll das Wesen »der als Schein gesetzte Schein« sein. Was bedeutet das? Nun ja, das Wesen in seiner wirklichen Funktion in unserer Rede besteht in seinem Tun, seinem Wirken. Es bewirkt Erscheinung und Schein. Als tatsächliches prozessuales Verhältnis ist dieses Tun und Wirken selbst die absolute Wirklichkeit. Was meinen wir ›wirklich‹, wenn wir von absoluter Wirklichkeit sprechen? Um die Frage zu verstehen muss man sie in zwei Teile teilen; der erste betri=t den immanenten Weltbezug, der zweite die spekulative und reflexionslogische Bezugnahme nicht auf Endliches in der Welt, sondern auf die ganze Welt, das gesamte Sein. Im ersten Fall betonen wir eine Aussage über Wirkliches. Im zweiten Fall wechseln wird Redemodus und Thema. Warum legt sich aber das Absolute »als absolute Form« selbst aus? Gemeint ist, dass es in einer »äußeren Reflexion« so scheint, als gehörten wir selbst nicht zur absoluten Welt, als stünde diese uns gegenüber als das Reich gegebener Notwendigkeit. In Wahrheit ist der absolute Vollzug des Seins immer so, dass je ich und je wir in seinem Zentrum stehen. Alles Weltverstehen ist ein Selbstverstehen. Alle Weltauslegung ist tätige Selbstauslegung. Im Vollzug ist sie ein »Sich-selbst-Setzen«. Wir gelangen so zurück zur basalen Einsicht der Phänomenologie des Geistes, dass das Absolute der Vollzug des Seins aus der Perspektive je von mir ist. Er ist mein Vollzug. Das Absolute ist immer aus der Perspektive je von uns zu begreifen. Es ist unser Dasein und Leben in der Welt.
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Wie das Licht der Natur nicht Etwas, noch Ding, sondern sein Seyn nur sein Scheinen ist, so ist die Manifestation die sich selbst gleiche absolute Wirklichkeit. (393 | 254) Das Absolute ist kein Ding, kein Gegenstand, egal ob wir es als »Welt« oder »Gott« oder, aus je meinem Zentrum heraus, als meine Welt und damit als erweitertes Ich anzusprechen belieben. Mit der Interpolation dieses Satzes lässt sich Hegels Vergleich mit dem Licht leichter verstehen: Das Licht ist auch kein Ding, kein Gegenstand, kein Etwas, keine Entität. Es ist aktualisierte Energie. Sein Sein ist schon vor jeder Physik ein Scheinen. Es ist reine Manifestation. Ebenso ist die Welt – in ihrem Walten oder Sein – die Manifestation der ›sich selbst gleichen absoluten Wirklichkeit‹ im Vollzug. Die Seiten des absoluten Verhältnisses sind daher keine Attribute. Im Attribute scheint das Absolute nur in einem seiner Momente, als einem vorausgesetzten und von der äussern Reflexion aufgenommenen. Die Auslegerin des Absoluten aber ist die absolute Nothwendigkeit, die identisch mit sich ist, als sich selbst bestimmend. Da sie das Scheinen ist, das als Schein gesetzt ist, so sind die Seiten dieses Ver|hältnisses Totalitäten, weil sie als Schein sind; denn als Schein sind die Unterschiede sie selbst und ihr entgegengesetztes, oder das Ganze; – umgekehrt sind sie so Schein, weil sie Totalitäten sind. Diß Unterscheiden oder Scheinen des Absoluten ist so nur das identische Setzen seiner selbst. (393 | 254 f.) Das absolute Verhältnis als Prozess hat keine gegenständlichen Seiten wie eine statische Relation der Form a R b. In eben diesem Sinn ist ein wirkliches Ding so wenig wie seine Wirkung als Attribut anzusprechen. Das richtet sich gegen Spinozas Entwurf der Welt als absoluter Substanz mit vielen Attributen, in dem jedes Ding sozusagen eine Eigenschaft des einzigen einheitlichen ›Subjekts‹, das es ›gibt‹, eben der Substanz oder der Welt im Ganzen ist. Es ist schon ein richtiger Schritt, das Wort »Attribut« durch das Wort »Moment« zu ersetzen. Aber auch dann bleibt die Rede von Attributen als Momenten an eine ›äußere Reflexion‹ gebunden, an eine Betrachtung der Welt als großen Gegenstand von außen, statt als Prozess, in dessen Zentrum das Dasein dessen steht, der auf es
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als Vollzug oder Sein von sich und allem Seinigen, also meiner Welt und damit der Welt reflektiert. Wer das Absolute auslegt, das bin je ich selbst. Hegel spricht hier von der Seite und sagt, es sei »die absolute Notwendigkeit«, welche sich selbst bestimme. Wir werden zu sehen haben, inwiefern das nur zwei Momente oder Äußerungsformen desselben Gedankens sind. Zunächst ist die absolute Notwendigkeit das mit sich identische Sein, wie es ist, die Welt, wie sie waltet und alle Erscheinungen sozusagen hervorbringt. Dabei sind beide Seiten, das Gesamt des Wesens (für sich) und das Gesamt der Erscheinungen (für uns) Totalitäten – das Ganze der Welt, je nach den verschiedenen Momenten der Ursache oder der Wirkung, des wesentlichen Seins oder seines Scheinens (bei uns) betrachtet. Das Unterscheiden ist selbst »nur das identische Setzen seiner selbst«, jedenfalls wenn wir die Reaktion auf je meine Welt als Vollzug betrachten und dabei mein Erkennen, Wissen, Wahrnehmen und Urteilen in meinen Bezugnahmen auf die Welt als solche allererst ernst nehmen. Diß Verhältniß in seinem unmittelbaren Begri= ist das Verhältniß der Substanz und der Accidenzen, das unmittelbare Verschwinden und Werden des absoluten Scheines in sich selbst. Indem die Substanz sich zum Fürsichseyn gegen ein Anderes bestimmt, oder das absolute Verhältniß als reales, ist das Verhältniß der Causalität. Endlich indem dieses als sich auf sich Beziehendes in Wechselwirkung übergeht, so ist damit das absolute Verhältniß nach den Bestimmungen, welche es enthält, auch gesetzt; diese gesetzte Einheit seiner in seinen Bestimmungen, die als das Ganze selbst und damit eben so sehr als Bestimmungen gesetzt sind, ist alsdann der Begri=. ¦| (393 | 255) In gewissem Sinn sind Spinozas Substanz und deren Akzidenzen eigentlich ein Entstehen und Vergehen »des absoluten Scheines in sich selbst«, oder besser: aller endlichen Erscheinungen. Diese werden als absolut gedacht, indem man sich beliebige Subjekte wie perzipierende Monaden an beliebige lokale Zeitraumorte platziert denkt. Indem die Substanz, die ganze Welt, wie sie ist, in ihrem Fürsichsein von einem Anderen, einem akzidentellen ›Teil‹ des Ganzen unterschieden wird, entsteht ein ›absolutes‹ (Selbst-)Verhältnis. Die-
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ses »ist das Verhältnis der Kausalität«. Das heißt, alle Kausalität ist von der (trivialen) Form, dass ein Teil der Welt durch das Ganze der Welt bestimmt ist. Das Wahre ist das Ganze. Aber auch die Ursache von etwas ist immer das Ganze – je bis jetzt, selbst wenn wir dann doch auch wieder vieles als ›irrelevant‹ aussondern können. Im Fall der Wechselwirkungen endlicher Weltbestandteile aufeinander sind die Teile und Teilmomente durch den Begri=, das System unserer Unterscheidungen der Attribute der Substanz, der Teile des Ganzen, bestimmt. Daher lautet dann auch der Titel der Begri=slogik »subjektive Logik«.
A. Das Verhältniß der Substantialität 438 a
Die absolute Nothwendigkeit ist absolutes Verhältniß, weil sie nicht das Seyn als solches ist, sondern das Seyn, das ist, weil es ist, das Seyn als die absolute Vermittlung seiner mit sich selbst. Dieses Seyn ist die Substanz; als die letzte Einheit des Wesens und Seyns, ist sie das Seyn in allem Seyn; weder das unreflectirte Unmittelbare, noch auch ein abstractes, hinter der Existenz und Erscheinung stehendes, sondern die unmittelbare Wirklichkeit selbst, und diese als absolutes Reflectirtseyn in sich, als an und fürsichseyendes Bestehen. – (394 | 256) Das Verhältnis der Substantialität des Ganzen zu seinen Teilen ist absolutes Verhältnis, absolute Notwendigkeit, indem es absolute Wirklichkeit ist. Hegel selbst wiederholt die Tautologie: Hier ist alles, wie es ist. Wir kommen bei der Frage nach dem Grund nicht weiter als bis zur Stelle der causa sui, der Ursache seiner selbst, der reinen Tatsache der Welt, in welcher Zufall und Notwendigkeit zusammenfallen. Dieses Sein der Welt »ist die Substanz« (des Spinoza). Sie ist die »letzte Einheit des Wesens und des Seins«, das »Sein von allem Sein«, eben das Ganze. Die Leistung dieses Gedankens (des Spinoza) besteht darin, dass nicht endliche Dinge wie jener Schreibtisch dort oder diese Katze hier als unmittelbare Dinge in unmittelbarer Wirklichkeit als Substanzen verstehbar sind, noch eine unerkennbare transzendente Hinterwelt,
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welche irgendwie »Existenz und Erscheinung« (kausal) verursachen soll. Die Substanz ist (bei Spinoza wie bei Hegel) »die unmittelbare Wirklichkeit selbst« (aber nicht bloß für uns, sondern für sich). Im Unterschied zu einer naiven Vorhandenheitssemantik begreift Hegel das fürsichseiende Bestehen der Welt »als absolutes Reflektiertsein in sich«, gerade weil er weiß, dass alles Für-sich-Sein durch Abstraktion von Beziehungen zu uns bzw. unseren besonderen Bezugnahmen zu verstehen sind. Mit anderen Worten, es ist sinnlos, von einer fürsichseienden Welt ohne Reflexion auf unsere Bezugnahme auf diese zu sprechen, so wie es naiv ist, über irgendetwas zu sprechen, ohne die entsprechende logische Konstitution der Gegenstände und Eigenschaften zu den zugeordneten Erscheinungen zu berücksichtigen. Die Substanz als diese Einheit des Seyns und der Reflexion ist wesentlich das Scheinen und Gesetztseyn ihrer. Das Scheinen ist das sich auf sich beziehende Scheinen, so ist es; diß Seyn ist die Substanz als solche. Umgekehrt ist dieses Seyn nur das mit sich identische Gesetztseyn, so ist es scheinende Totalität, die Accidentalität. (394 | 256) Die Substanz (des Spinoza) ist, recht verstanden, »Einheit des Seins und der Reflexion«, also Einheit des Waltens der Welt und unserer spekulativen Rede über die Welt und ihre Teile oder Formmomente. Diese Welt ist sowohl ihr Scheinen in allen Erscheinungen – worauf Kant so viel Wert legt – als auch Gesetztsein in unseren wesenslogischen Erklärungen der Phänomene durch eine Wirklichkeit, wie sie sich in theoretischen Erklärungen und begri=lichen Unterscheidungen von Erscheinung und Schein ergibt. Ein sich auf sich beziehendes Scheinen ist eigentlich immer das, worauf wir uns beziehen, wenn wir sagen: »So ist es«. Die Substanz des Spinoza ist eben dieses Sein, das sich aber nur in den Akzidenzen, den erfahrbaren ›Eigenschaften der Welt‹, zeigt. Diß Scheinen ist die Identität als der Form; – die Einheit der Möglichkeit und Wirklichkeit. Sie ist erstlich Werden, die Zufälligkeit als die Sphäre des Entstehens und Vergehens; denn nach der Bestimmung der Unmittelbarkeit ist die Beziehung der Möglichkeit und Wirklichkeit unmittelbares Umschlagen derselben als Seyender in einander, eines jeden als in sein ihm nur Anderes. – (394 | 256)
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Der Satz »[Das] Scheinen ist die Identität als der Form« erscheint zunächst als grammatisch verderbt. Man meint, es sollte entweder dastehen: »[Das] Scheinen ist die Identität der Form« oder »[Das] Scheinen ist die Identität als (die) Form«. In beiden Fällen wäre die Form als das Äußerliche der Erscheinungen aufzufassen und von einem ›wesentlichen Inhalt‹ (bzw. einer generischen ›Ursache‹ der Erscheinung) zu unterscheiden. Es könnte aber heißen: »[Das] Scheinen ist die Identität als das Scheinen der Form«. Da der generische Arttyp je nur eine Möglichkeit ist, ist die aktualisierte Möglichkeit oder die reale Instanziierung eines Art-Typs oder eines Ansichseins »die Einheit der Möglichkeit und Wirklichkeit«. Diese Instanziierung findet statt im Werden, in der »Zufälligkeit« als der »Sphäre des Entstehens und Vergehens«. Alles empirisch Einzelne in der Welt ist in der Tat immer auch akzidentell, zufällig. Der Satz, dass alles (absolut) Einzelne an der Zufälligkeit oder Akzidentalität des (absolut) Ganzen teilhat, ist, wie schon mehrfach gesagt wurde, erstens eine logische Wahrheit und zweitens eine nichttriviale Einsicht. Sie korrespondiert dem Goetheschen Satz »individuum est ine=abile«, der seinerseits sagt, dass die ganze Welt nicht voll erklärund beschreibbar ist und daher als eine Art Jenseits des Wissens zu sein scheint, obwohl es sich in Wahrheit darum handelt, dass alles Wissen generisch ist und alle Wissensgegenstände entsprechend verfasst sind. Warum aber soll »nach der Bestimmung der Unmittelbarkeit« die Möglichkeit unmittelbar in Wirklichkeit umschlagen – und umgekehrt, wie Hegel sagt? Im Grunde wissen wir schon, wie das zu verstehen ist: Eine Möglichkeitserwägung wird zu einem Wirklichkeitsurteil, indem man alternative Möglichkeiten der Erklärung einer Erscheinung (›mit Notwendigkeit‹) ausschließt. Ein Wirklichkeitsurteil aber schlägt in eine bloße, nicht realisierte Möglichkeit um, wenn wir seinen Inhalt in einer kritischen Reflexion oder Revision des Urteils als Schein entlarven und damit für die Erscheinung eine bessere (generische) Erklärung angeben können. Aber weil das Seyn Schein ist, so ist die Beziehung derselben auch als identischer oder scheinender an einander, Reflexion. Die | Bewegung der Accidentalität stellt daher an jedem ihrer Momente das
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Scheinen der Kategorien des Seyns und der Reflexionsbestimmungen des Wesens in einander dar. – (394 | 256 f.) Das Sein ist Schein. Der Satz operiert mit der Zweideutigkeit des »es scheint«, das eine Übersetzung von »videtur« sein kann, aber auch von »lucet«, wie Heidegger in seiner oben schon erwähnten Debatte um die Deutung von Eduard Mörikes Gedicht »Auf eine Lampe« mit dem Züricher Germanisten Emil Staiger ganz richtig ausführt.73 Hegel möchte, dass wir im Begri= des Scheins und der Erscheinung immer beides denken und danach die Aspektmomente di=erenzieren. Alle Beziehungen im Sein sind Beziehungen im Schein, also in den sich zeigenden Erscheinungen oder den von uns produzierbaren, formbaren Erscheinungen. Reflexion erhält jetzt zur Bedeutung der noch-denkenden, kontrollierenden Neu-Beurteilung, des reflektere animum, auch den Sinn einer Art Widerspiegelung. Hegel operiert also o=enbar mit einer Vielfalt der Lesarten seiner Kommentarwörter, so wie im Fall des Wortes »Aufhebung« oder eben »Scheinen«. Die »Bewegung der Akzidentalität« besteht in der oben diskutierten Verwandlung von relativen Notwendigkeiten in eine große Kontingenz und zugleich von scheinbarer Kontingenz in relative Notwendigkeit. Auch hier oder gerade hier sehen wir, dass die Kategorien des Seins Unterscheidungen der Arten des Scheinens sind und dass die Rede über das Wesen oder die Wirklichkeit einer Sache als Reflexionsbestimmung zu begreifen ist – was wir immer wieder gesagt haben und sich immer wieder aus verschiedenen Perspektiven als richtig erweist oder zeigt. Das unmittelbare Etwas hat einen Inhalt; seine Unmittelbarkeit ist zugleich reflectirte Gleichgültigkeit gegen die Form. Dieser Inhalt ist bestimmt, und indem diß Bestimmtheit des Seyns ist, geht das Etwas über in ein Anderes. Aber die Qualität ist auch Bestimmtheit der Reflexion; so ist sie gleichgültige Verschiedenheit. Aber diese begeistet sich zur Entgegensetzung, und geht in den Grund zurük, der das Nichts, aber auch Reflexion-in-sich ist. Diese hebt sich auf; aber sie ist selbst reflectirtes Ansichseyn, so ist sie Möglichkeit und diß Martin Heidegger, Denkerfahrungen, Frankfurt/M. (Klostermann) 1983 (hg. Hermann Heidegger), S. 43–59. 73
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Ansichseyn ist in seinem Uebergehen, das eben so sehr Reflexion-insich ist, das nothwendige Wirkliche. (394 | 257) Ein unmittelbares Etwas ist ein Gegenstand, z. B. ein Ding, das unmittelbar als existent angesprochen oder unterstellt wird. Jeder solche Gegenstand »hat einen Inhalt«, muss in seinem Ansichsein, seinem generischen Art-Typ bestimmt sein. Nur als gattungsartige Gegenstandsbereiche gibt es quasi-sortale ›Entitäten‹, ›Gegenstände‹, ›Dinge‹. Die im naiven Reden unterstellte (Möglichkeit der) Unmittelbarkeit eines Gegenstandsbezuges ist, wenn wir metalogisch nachdenken, als »reflektierte Gleichgültigkeit« zu verstehen, als Äquivalenz verschiedener äußerer Repräsentationen oder Präsentationen desselben. Das Äußere lässt sich dabei mit einer (äußerlichen) Form (der Gegenstandsbezugnahme) identifizieren und dem Gegenstand selbst als Inhalt gegenüberstellen, so wie die verschiedenen Bezugnahmen auf den Ei=elturm. Die Gegenstandsidentität ist selbst durch das Ansichsein der Art oder Gattung bestimmt. Da alle diese Bestimmungen zu Bestimmtheiten des Seins werden, das Sein im Vollzug aber ein Werden ist, indem alle Bestimmtheiten bloß eine Zeit, eine Epoche, lang fest bleiben, verwandelt sich jedes Etwas in der Zeit in ein Anderes (oder andere Gegenstände) oder wird zu einem (relativen) Nichts. Ein absolutes Nichts gibt es nicht, weil es aus logischen Gründen kein universales Sein im Sinne einer Allklasse aller gegenständlich aussprechbaren Entitäten gibt. Qualitäten sind bestimmt als qualitative Unterschiedenheiten auf der Grundlage von Unterscheidungen im Dasein (Anschauung, Erscheinung). Als Qualitäten angesprochen sind sie schon Reflexionsgegenstände. Sie sind »gleichgültige Verschiedenheit(en)« im Sinn von Qualitäts-Äquivalenzen, die sich in einem System qualitativer Unterscheidungen dadurch ergeben, dass viele Sachen gerade nicht qualitativ unterschieden, sondern als von gleicher, äquivalenter Qualität bewertet werden oder zu bewerten sind. Wieder wird Hegels Kommentarsprache fast allzu poetisch und dramatisierend, wo er sagt, dass die Unterschiede zwischen je äquivalenten Qualitäten »sich zur Entgegensetzung« begeisten. Natürlich tun Qualitäten nichts dergleichen. Auch die Ausdrucksform, dass eine qualitative Verschiedenheit »in den Grund zurück« gehe, ist
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eine logische Metapher, wobei zunächst noch unklar ist, warum dieser Grund »das Nichts, aber auch Reflexion-in-sich« sein soll. Hegels Kommentare zu Qualität, Wesen, Grund, Substanz, Akzidenz artikulieren einerseits allgemeine logische Formen qualitativer Unterscheidungen, einer wesenslogischen Aufhebung eines Scheins usf., geben dann aber andererseits Anlass zu spekulativen Sätzen über die Totalität der Welt als Gesamt aller Qualität, allen Wesens, von allem Grund usf. Die Rede von der Begeistung könnte nun einfach bedeuten, dass begri=liche Kontrastierungen mit Sinn, d. h. inferentiellen Orientierungen, verbunden sind oder verbunden werden. Diese aber setzen theoretische Strukturen voraus, die unter die Phänomene einen Grund, eine Ursache, schieben. Dieser Grund wiederum ist, abstrakt genommen, gar nichts. Er ist zunächst bloß verbal, durch Wörter, artikuliert. Erst im Hin und Her zwischen dem Operieren in der Sprache und der Zuordnung von theoretischen Termen (Namen, Prädikatoren, komplexe Satzformen) zu erfahrbaren Erscheinungen ist der Grund »Reflexion-in-sich«. Die begri=sanalytische Aufhebung besteht also darin, die verbal konstituierten theoretischen Entitäten und Prädikatsinhalte als »reflektiertes Ansichsein« zu begreifen. Jede wesenslogische Möglichkeit ist ein solches Ansichsein. Es gibt Möglichkeiten nur vermöge der Repräsentationen eines solches Ansichseins. Im Übergang von einer Erscheinung zu einer als alternativlos und daher ›notwendig‹ (d. h. angemessen) anerkannten erklärenden Artform geht dieses als Möglichkeit in Wirklichkeit über, wie oben beschrieben: Was wir als wirklich anerkennen, ist eine mögliche Erklärung eines realen Phänomens P durch eine gesetzte Ursache, die wir aus guten Gründen als notwendig bestehend relativ zu P anerkennen. Diese Bewegung der Accidentalität ist die Actuosität der Substanz, als ruhiges Hervorgehen ihrer selbst. Sie ist nicht thätig gegen Etwas, sondern nur gegen sich als einfaches widerstandloses Element. Das Aufheben eines Vorausgesetzten ist der verschwindende Schein; erst in dem das Unmittelbare aufhebenden Thun wird diß Unmittelbare selbst, oder ist jenes Scheinen; das ¦ Anfangen von sich selbst ist erst das Setzen dieses Selbsts, von dem das Anfangen ist. (394 f. | 257)
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Der absolute Grund von allem ist das Nichts, aus dem die Substanz, das Ganze von allem Etwas, entsteht. Jeder endliche Gegenstand in der Welt ist nach Spinoza als eine Akzidenz der Substanz, also des Ganzen, aufzufassen, und zwar so, dass jede Akzidenz entsteht und vergeht. Die Welt selbst allerdings ist nichts als das Gesamt ihrer Akzidenzen. Die Bewegung der Akzidentalität, des Entstehens und Vergehens von endlichen Sachen und Dingen, »ist die Aktuosität der Substanz«, die Wirklichkeit oder Tatsächlichkeit der Welt selbst. Dabei wird die Welt bzw. Substanz wie bei Spinoza nicht eigentlich als handelnd gedacht, also nicht anthropomorph wie in der üblichen Rede von Gott. Das steht einer Identifizierung von Welt und Gott im Wege. – Die zusätzlichen Überlegungen sollen hier nur zeigen, was es bedeutet oder bedeuten könnte, dass die Substanz, die Welt, ein »Anfangen von sich selbst« ist, das »das Setzen dieses Selbsts« ist, »von dem das Anfangen ist«. Die Substanz als diese Identität des Scheinens ist die Totalität des Ganzen, und begreift die Accidentalität in sich, und die Accidentalität ist die ganze Substanz selbst. Der Unterschied ihrer in die einfache Identität des Seyns, und in den Wechsel der Accidenzen an derselben ist eine Form ihres Scheins. Jenes ist die formlose Substanz des Vorstellens, dem der Schein sich nicht als Schein bestimmt | hat, sondern das als an einem Absoluten an solcher unbestimmten Identität festhält, die keine Wahrheit hat, nur die Bestimmtheit der unmittelbaren Wirklichkeit oder eben so des Ansichseyns oder der Möglichkeit ist; – Formbestimmungen, welche in die Accidentalität fallen. – (395 | 257 f.) Hegel selbst sagt jetzt, was wir oben schon gesagt haben, nämlich dass die Substanz (des Spinoza) »die Totalität des Ganzen« ist und die Gesamtheit aller Akzidenzen. Alle Unterschiede ergeben sich aus der »Form ihres Scheins«, also aus äußerlichen Unterscheidungen an der (erfahrbaren) Welt, die sich uns entsprechend zeigt, sozusagen unser Erkennen und Wissen erleuchtet (lucet). Die andere Bestimmung, der Wechsel der Accidenzen, ist die absolute Formeinheit der Accidentalität, die Substanz als die absolute Macht. – (395 | 258) Nur in reflexionslogischer Thematisierung beziehen wir uns expli-
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zit und gegenstandsförmig auf Arttypen; objektstufig sprechen wir über Dinge, Sachen und Wesen einer Art. Aber erst in Verbindung mit einem typischen Aufscheinen wird ein Ansichsein zu einer konkreten Wirklichkeit, welche eine Erscheinung in einer Betrachtung ›kausal hervorbringt‹, in einer anderen ›in ihrem Wesen erklärt‹. Wir befinden uns in der Überlegung also auf dem Weg zu einer kritischen Analyse des Begri=s der Kausalität, wie der folgende Abschnitt noch klarer zeigt. Die Substanz wird dabei zur absoluten Macht, dynamis und energeia, nämlich als Totalität allen Seins unter Einschluss aller Wirklichkeiten und aller Möglichkeiten als Spielraum der Kontingenz. Das Vergehen der Accidenz ist Zurükgehen ihrer als Wirklichkeit in sich als in ihr Ansichseyn oder in ihre Möglichkeit, aber diß ihr Ansichseyn ist selbst nur ein Gesetztseyn; daher ist es auch Wirklichkeit, und weil diese Formbestimmungen eben so sehr Inhaltsbestimmungen sind, ist diß Mögliche auch dem Inhalte nach ein anders bestimmtes Wirkliches. Die Substanz manifestirt sich durch die Wirklichkeit mit ihrem Inhalte, in die sie das Mögliche übersetzt, als scha=ende, durch die Möglichkeit, in die sie das Wirkliche zurükführt, als zerstörende Macht. Aber beydes ist identisch; das Scha=en zerstörend, die Zerstörung scha=end; denn das Negative und Positive, die Möglichkeit und Wirklichkeit sind in der substantiellen Nothwendigkeit absolut vereint. (395 | 258) Es ist eine ungewohnte, vielleicht nicht glückliche Metapher, nach welcher das Vergehen und Entstehen akzidenteller, d. h. endlicher Sachen darin besteht, dass die Substanz als All-Macht sie aus der Wirklichkeit in die bloße Möglichkeit »zurückführt« und dadurch zerstört bzw. aus der bloßen Möglichkeit in die Wirklichkeit »übersetzt« und damit (er)scha=t. Was gemeint ist, sollte aber klar sein: Erschaffen und Zerstören, Entstehen und Vergehen sind je dasselbe und unterscheiden sich nur durch die Arttypen, auf die hin das Positive bzw. Negative definiert sind. Indem Leben stirbt, entsteht ein Kadaver. Indem eine vulkanische Insel entsteht, verschwindet ein Stück Meer oder See. Die Accidenzen als solche, – und es sind mehrere, indem die Mehrheit eine der Bestimmungen des Seyns ist, – haben keine Macht
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über einander. Sie sind das seyende oder für sich seyende Etwas, existirende Dinge von mannichfaltigen Eigenschaften, oder Ganze, die aus Theilen bestehen, selbstständige Theile, Kräfte, die der Sollicitation durch einander bedürfen und einander zur Bedingung haben. Insofern ein solches Accidentelles über ein Anderes eine Macht auszuüben scheint, ist es die Macht der Substanz, welche beyde in sich be|greift, als Negativität einen ungleichen Werth setzt, das eine als vergehendes, das andere mit anderem Inhalte und als entstehendes, oder jenes in seine Möglichkeit, dieses daran in Wirklichkeit übergehend bestimmt; – ewig sich in diese Unterschiede der Form und des Inhalts entzweyt und ewig sich von dieser Einseitigkeit reinigt, aber in dieser Reinigung selbst in die Bestimmung und Entzweyung zurükgefallen ist. – Eine Accidenz vertreibt also eine andere nur darum, weil ihr eigenes Subsistiren diese Totalität der Form und des Inhalts selbst ist, in der sie wie ihre andere eben so sehr untergeht. (395 | 258 f.) In der Totalen betrachtet haben die Akzidenzen, die endlichen Sachen und Dinge, »keine Macht über einander«. Alle Macht, alle absoluten Dispositionen und Kräfte, sind holistische Eigenschaften des Ganzen. Das bedeutet nicht, dass wir nicht näherungsweise und praktisch höchst erfolgreich Kräfte lokalisieren, den endlichen Dingen und Wesen also Wirkfähigkeiten so zuschreiben können, dass insgesamt eine einigermaßen brauchbare Skizze der wirklichen Wirkungen entsteht. Denn jede lokale Kraft wirkt erst unter äußeren Bedingungen, bedarf der »Sollicitation«. D. h., sie muss, um zu wirken und eine Möglichkeit in eine Wirklichkeit zu verwandeln, sozusagen von der Umwelt ›getriggert‹ werden. Nur das Ganze, die Substanz, die ganze Welt, ›wirkt aus sich selbst‹. Spinoza, Leibniz und Hegel erkennen so das implizit Holistische in jeder kausalen Wirkung und die Lokalisierung aller Kräfte und Dispositionen als eine sinnvolle Unternehmung, welche aber die holistischen Rahmenbedingungen nie vergessen darf. Das spekulative Nachdenken über Totalitäten, das Ganze des Seins, Wesens, der Substanz, erhält hierbei seine sinnkritische, allen Überschwang der Reifizierung lokaler Kräfte und Dispositionen auf sein begrenztes Maß eingrenzende Komponente. Diese wird im metaphysischen Physikalismus
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und Naturalismus noch nicht einmal im Ansatz begri=en. Das liegt daran, dass radikale Sinnkritik spekulatives Denken verlangt, eine dogmatische Glaubensphilosophie aber das spekulative Denken nicht in ihrem kritischen Impuls zu begreifen vermag. – Die Macht der Substanz besteht nur darin, dass alles, was geschieht, geschieht. Alle Dinge entstehen als endliche ›Teile‹ oder ›Elemente‹ der einen Substanz (der Welt). Um dieser unmittelbaren Identität und Gegenwart der Substanz in den ¦ Accidenzen willen ist noch kein realer Unterschied vorhanden. In dieser ersten Bestimmung ist die Substanz noch nicht nach ihrem ganzen Begri=e manifestirt. Wenn die Substanz als das mit sich identische An- und Fürsichseyn, von ihr selbst als Totalität der Accidenzen unterschieden wird, so ist sie als Macht das Vermittelnde. Diese ist die Nothwendigkeit, das in der Negativität der Accidenzen positive Beharren derselben, und ihr blosses Gesetztseyn in ihrem Bestehen; diese Mitte ist somit Einheit der Substantialität und Accidentalität selbst, und ihre Extreme haben kein eigentümliches Bestehen. Die Substantialität ist daher nur das Verhältniß als unmittelbar verschwindend, sie bezieht sich auf sich nicht als Negatives, ist als die unmittelbare Einheit der Macht mit sich selbst in der Form nur ihrer Identität, nicht ihres negativen Wesens; nur das eine Moment, nemlich das Negative oder der Unterschied, ist das schlechthin verschwindende, nicht aber das andere, das Identische. – (395 f. | 259) Das Substantialitätsverhältnis besteht in der ›Teilnahme‹ einer existierenden Sache (eines Dinges) an der Substanz. Diese ›Teilhabe‹ wird traditionell (bei Spinoza) so ausgedrückt, dass alles Reale Akzidenz der Substanz, also sozusagen Teil der wirklichen Welt ist. Dabei gibt es (bei Spinoza) aber keinen realen, sondern bloß einen verbalen Unterschied zwischen ›der Substanz‹ und ›dem Gesamt der Akzidenzen‹ (als eine Art Menge oder Bündel). Die Substanz ist »das mit sich identische An- und Fürsichsein« im Sinne aller konkret bestimmten in der Welt existierenden Dinge und Sachen. Sie ist die ›Macht‹ von aller Existenz insofern, als sie ›alle Wirklichkeit‹ und damit alle (reale) Möglichkeit ist. So ist die Rede über die Substanz bzw. ›ihre Macht‹ (üblicherweise, auch bei Hegel) gemeint.
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Hegels Rede über Negativität und ein negatives Wesen gehört zu den schwierigsten Teilen seiner Kommentarsprache. Hier, beim Übergang von Substantialitäts- zum Kausalitätsverhältnis, geht es Hegel o=enbar um die Einsicht, dass die identische Einheit als der tautologische Zusammenhang von Akzidenz und Substanz, realer Sache und Welt, überhaupt nichts erklärt. Es wird nur die holistische Sichtweise erläutert, nach welcher es nur das in der Welt gibt, was es gibt, und die Welt irgendwie das Gesamt dessen ist, was es in ihr gibt. Erst wenn wir zwischen Ursache und Wirkung unterscheiden, kommen wir inhaltlich weiter. Spinozas Ursache enthält wie Gott alle Folgen und Wirkungen. Diß ist auch so zu betrachten. Der Schein oder die Accidentalität ist an sich wohl Substanz durch die Macht, aber er ist | nicht so gesetzt als dieser mit sich identische Schein; so hat die Substanz nur die Accidentalität zu ihrer Gestalt oder Gesetztseyn, nicht sich selbst; ist nicht Substanz als Substanz. Das Substantialitätsverhältniß ist also zunächst sie nur, daß sie sich als formelle Macht o=enbart, deren Unterschiede nicht substantiell sind; sie ist in der That nur als Inneres der Accidenzen, und diese sind nur an der Substanz. Oder diß Verhältniß ist nur die scheinende Totalität als Werden; aber sie ist eben so sehr Reflexion; die Accidentalität, die an sich Substanz ist, ist eben darum auch gesetzt als solche; so ist sie bestimmt als sich auf sich beziehende Negativität, gegen sich, bestimmt als sich auf sich beziehende einfache Identität mit sich; und ist für-sichseyende, mächtige Substanz. So geht das Substantialitätsverhältniß in das Causalitätsverhältniß über. | (396 | 259 f.) Die bloß formale Unterscheidung zwischen Substanz und Akzidenz (als ›Teil‹) wird erst dann zu einer für die Rede von Ursache und Wirkung brauchbaren Unterscheidung, wenn eine wirkende Substanz Wirkungen hervorbringt.
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Die Substanz ist Macht, und in sich reflectirte nicht bloß übergehende, sondern die Bestimmungen setzende und von sich unterscheidende Macht. Als in ihrem Bestimmen sich auf sich selbst beziehend ist
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sie selbst das, was sie als negatives setzt oder zum Gesetztseyn macht. Dieses ist somit überhaupt die aufgehobene Substantialität, das nur Gesetzte, die Wirkung ; die für sich seyende Substanz aber ist die Ursache. (396 | 261) Die Substanz, jetzt nicht bloß im Sinne des Ganzen der Welt, sondern einer wirkenden lokalen Sache, ousia, ist wesentlich durch ihre Macht bestimmt. Diese ist ihre Fähigkeit zu wirken, sich zu erhalten und andere Sachen zu beeinflussen. Sie ist daher keineswegs bloßes Bündel von Akzidenzen oder gar reine Raumextension. Es gibt sie nur über die Angabe, was sie normalerweise tut und kann, nicht nur, wie sie wo zu identifizieren bzw. lokalisieren ist. Ohne die Dimension der Macht oder Kraft, die Dispositionen, ist kein Ding in seiner Art, seinem Ansichsein bestimmt. Aufgehobene Substantialität ist also z. B. die Körperlichkeit eines wiedererkennbaren Dinges, das als solches durch seine Wirkeigenschaften definiert ist. Für sich gibt es ein solches Ding gerade so, dass man von bloß zufälligen Wirkungen auf anderes abstrahiert, damit auch von der je besonderen Art, wie das Ding uns Menschen unter entsprechenden Bedingungen erscheint. Genauer gilt: wir betrachten das Ding als kovariant in Bezug auf diese Wirkungen und drücken das so aus, dass es sie hervorbringe. Denn es gehören am Ende sogar alle dem Ding real zugeschriebenen Wirkungen zu ihm, wenn man nur versteht, aus den Relationen die rechten Dingeigenschaften zu bilden und an diesen z. B. Erscheinung und Schein für uns zu unterscheiden, also auch zwischen Wirkungen, die ›wirklich‹ zum Ding (für sich) gehören, und was wir ihm unzutre=enderweise zuschreiben. Daher gibt es einen wichtigen Unterschied zwischen ›unseren‹ Setzungen und dem ›Gesetztsein‹ (des Fürsichseins) des Dinges (selbst), samt allem Seinigen. Das Fürsichsein, die Selbstbeziehung des Dinges (genauer: des substantiellen Wesens, der ousia) auf sich, d. h. auf alles Seinige, ist als Wirkung »die aufgehobene Substantialität«, während die ousia selbst unter Absehung aller Wirkungen auf anderes als deren Ursache angesprochen wird. Diß Causalitätsverhältniß ist zunächst nur diß Verhältniß von Ursache und Wirkung ; so ist es das formelle Causalitäts-Verhältniß. ¦ (396 | 261)
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Das formelle Kausalitätsverhältnis ist einfach das von Ursache und Wirkung. Es ist die (›negative‹) Unterscheidung des für-sich-seienden Dinges und seiner Wirkungen auf andere Sachen, z. B. auch auf uns und die uns perzeptiv vermittelten Erscheinungen.
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a. Die formelle Causalität 1. Die Ursache ist das Ursprüngliche gegen die Wirkung. – Die Substanz ist als Macht das Scheinen, oder hat Accidentalität. Aber sie ist als Macht eben so sehr Reflexion-in-sich in ihrem Scheine; so legt sie ihr Uebergehen aus, und diß Scheinen ist bestimmt als Schein, oder die Accidenz ist gesetzt, als das, daß sie nur ein Gesetztes sey. – (397 | 261) Es folgt eine begri=liche Analyse der formellen Kausalität, also der Rede von Ursache und Wirkung überhaupt, u. a. im Vergleich zum formellen Verhältnis von Substanz und Akzidenz, wozu im konkreten Fall auch das Verhältnis von Ding und Eigenschaft gehört. Man sagt, die Ursache sei Ursprung der Wirkung. In der Akzidenz erscheint uns eine substantielle Suche, auch wenn dies vermittelt ist über deren Wirkung auf andere Sachen und die durch diese weitergetragenen Wirkungen. Die Rede von einer Reflexion-in-sich bezieht sich darauf, dass die Identität der Substanz, hier im Sinn einer innerweltlichen, lokalen, ousia, im Prinzip durch alles Ihrige bestimmt ist – wobei wir jetzt aber unterscheiden zwischen ihrem Selbstsein und ihren Wirkungen auf andere Sachen, was wir vorher noch nicht taten, da wir die ›Eigenschaften‹ noch gar nicht von der Sache (voll) abtrennen konnten. Die Substanz geht aber in ihrem Bestimmen nicht von der Accidentalität aus, als ob diese voraus ein anderes wäre, und nun erst als Bestimmtheit gesetzt würde, son|dern beydes ist Eine Actuosität. Die Substanz, als Macht bestimmt sich; aber diß Bestimmen ist unmittelbar selbst das Aufheben des Bestimmens und die Rükkehr. Sie bestimmt sich, – sie, das Bestimmende ist so das Unmittelbare, und das selbst schon Bestimmte; – indem sie sich bestimmt, setzt sie also diß schon Bestimmte als bestimmt; hat so das Gesetztseyn aufgehoben, und ist in sich zurükgekehrt. – (397 | 261 f.) Eigenschaften einer Sache sind als ihre Bestimmungen aufzufassen. Zwei Sachen (derselben Art) aber sind voneinander verschieden.
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Wenn daher die eine Sache auf die andere wirkt, die Sonne auf die Erde z. B. oder die Erde auf den Mond bzw. der Mond auf die Ozeane, dann wirkt etwas auf anderes ein. Es ist also eine einzige Aktuosität, wenn z. B. ein Chamäleon vor mir grün aussieht und nach einer Fliege blickt. Beide Eigenschaften, die Grünheit und die wache Aufmerksamkeit, unterscheiden sich nicht vom Chamäleon in diesem seinem Ganzen, wohl aber die Fliege, ihre Arglosigkeit und ihre Eigenschaft, Futter für das Chamäleon zu sein. Von anderer Art als die ›Macht‹ der Substanz in Bezug auf ihre Eigenschaften ist ihre ›Macht‹ in Bezug auf Wirkungen auf andere Sachen, z. B. die des Chamäleons in Bezug auf den Tod der Fliege, den es bewirkt und verursacht. Umgekehrt ist diese Rükkehr, weil sie die negative Beziehung der Substanz auf sich ist, selbst ein Bestimmen oder Abstossen ihrer von sich; durch diese Rükkehr wird das Bestimmte, von dem sie anzufangen und es als vorgefundenes Bestimmtes nun als solches zu setzen scheint. – So ist die absolute Actuosität Ursache; – die Macht der Substanz in ihrer Wahrheit als Manifestation, die das, was an sich ist, die Accidenz, die das Gesetztseyn ist, unmittelbar im Werden derselben auch auslegt, sie setzt als Gesetztseyn; die Wirkung. – (397 | 262) Es geht um den logischen Unterschied zwischen der Beziehung eines Gegenstandes zu seinen (einstelligen) Eigenschaften auf der einen Seite und eines Gegenstandes zu einem anderen in einer einwirkenden oder verursachenden prozessualen Relation auf der anderen. Im zweiten Fall ›tut‹ die Sache etwas, im ersten Fall ›tut‹ sie nichts, sondern ›ist‹ so und so. Das Verhältnis im Tun zwischen agens und patiens ist das UrsacheWirkungs- oder Kausalitätsverhältnis. Das Verhältnis des Seins (als Sinn von »ist«) ist das Verhältnis zwischen einer Sache und einer (einstelligen) Eigenschaft. Eigenschaften bestimmen eine Sache. Ursache und Wirkungen bestimmen prozessuale Relationen zwischen Sachen (in ihren Aktualisierungen). Hegels Rede von der ›Rückkehr‹ einer Sache zu sich selbst lässt sich jetzt so verstehen, dass eine (tätige) Beziehung R z. B. von einer Person P1 zu einer zweiten Person P 2 , etwa die der Hilfe, zu einer Eigenschaft der Person P1 wird, wenn wir die Relation R durch P 2
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sozusagen parametrisieren und P 1 damit die Eigenschaft zusprechen, Helfer (von P 2 ) zu sein. Das Beispiel zeigt uns, wie Hegels idiosynkratische Rede von einer ›negativen Beziehung auf sich‹ – hier, einer dinglichen Substanz – logisch zu verstehen ist. Es handelt sich um eine (nähere) Bestimmung der Sache über eine (einstellige) Eigenschaft. Die Rede von einem »Abstoßen ihrer von sich« ist sicher gewöhnungsbedürftig. Es handelt sich aber nur um eine idiosynkratische Formulierung der logisch ohnehin nicht ganz einfach zu verstehenden Verwandlung von Relationen in einstellige Eigenschaften der Sache selbst. Die ›Aktuosität‹ eines Dinges ist Aktualisierung oder Instantiierung eines generischen Arttyps (Ansichsein) als (aristotelische) ousia (Substanz, Sache) mit ihren Eigenschaften. In der Aktualisierung einer generischen Fähigkeit (Disposition, Kraft, Macht) wirkt ein Ding, eine Sache, auf andere Dinge ein und wird so zu einer Ursache. Das geschieht als Manifestation einer (realen) Möglichkeit im Bereich des (empirischen) Werdens, in der Zeit, also je jetzt und hier. Diese ist also erstlich dasselbe, was die Accidentalität des Substantialitätsverhältnisses ist, nemlich die Substanz als Gesetztseyn; aber zweytens ist die Accidenz als solche substantiell nur durch ihr Verschwinden, als übergehendes; als Wirkung aber ist sie das Gesetztseyn als mit sich identisch; die Ursache ist in der Wirkung als ganze Substanz manifestirt, nemlich als an dem Gesetztseyn selbst als solchem in sich reflectirt. (397 | 262) Dass in der Wirkung die ganze Substanz als Ursache manifestiert ist, bedeutet einfach das Folgende: Der Tod von Paul ist dann und nur dann Wirkung von Peters gestrigem Pistolenschuss, wenn dieser die Ursache der Wirkung ist. Wenn eine substantielle Sache (ein Ding, ein Lebewesen, auch eine Konstellation) mit ihren Eigenschaften und ihrem Tun (vor dem Hintergrund der vielleicht akzidentellen Erfüllung entsprechender Bedingungen) Ursache ist, wie ein Chamäleon für den Tod der Fliege, so kann man diese Wirkung als Wirkung der Sache auffassen. Das Chamäleon ist also in gewisser Weise ›in der Wirkung enthalten‹, obwohl am Ende eher die Fliege räumlich im Chamäleon enthalten ist.
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2. Diesem in sich reflectirten Gesetztseyn, dem Bestimmten als Bestimmten, steht die Substanz als nicht gesetztes Ursprüngliches gegenüber. Weil sie als absolute Macht Rükkehr in sich, aber diese Rükkehr selbst Bestimmen ist, so ist sie nicht mehr bloß das Ansich ihrer Accidenz, sondern ist auch gesetzt als diß Ansichseyn. Die Substanz hat daher erst als Ursache | Wirklichkeit. Aber diese Wirklichkeit, daß ihr Ansichseyn, ihre Bestimmtheit im Substantialitätsverhältnisse, nunmehr als Bestimmtheit gesetzt ist, ist die Wirkung ; die Substanz hat daher die Wirklichkeit, die sie als Ursache hat, nur in ihrer Wirkung. – (397 | 262 f.) Dass A Ursache für B ist, verlangt notwendigerweise, dass B Wirkung von A ist. A ist also Ursache (in diesem Kontext) nur vermöge oder in Bezug auf das von A bewirkte B ; und B ist Wirkung (in diesem Kontext) nur in Bezugnahme auf das B verursachende A. Das ist eine triviale Erinnerung an die Relationalität der Rede von Ursachen und Wirkungen. Warum soll aber die Substanz erst als Ursache Wirklichkeit haben? Worauf will Hegels Überlegung überhaupt hier hinaus? – Vielleicht beginnen wir die Überlegung besser von Neuem. Die Substanz, ousia, das Wesen einer Sache wird landläufig so aufgefasst, als sei sie so, wie sie (für sich) ist, nicht von uns gesetzt, sondern ursprünglich gegeben. So gefasst, steht sie den von uns bestimmten Gegenständen in ihrem Bestimmtsein gegenüber: Ein Gegenstand oder Objekt in unserem Weltbezug ist in seiner Bestimmung abhängig von uns, unserem Geist, unserer denkenden und anschauenden Unterscheidung, die in der abstraktionslogischen Reflexion zum Unterschied zwischen verschiedenen je mit sich als gleich gesetzten Gegenständen wird. In unsere Gegenüberstellung von ontischer Substanz und von uns bestimmtem Objekt aber hat sich ein Fehler eingeschlichen, nicht anders als in die üblichen Vorstellungen von einer von der Wirkung unabhängigen Ursache. Der Fehler besteht in einer Verdoppelung des Objekt- oder Gegenstandsbegri=s: Die Bestimmungen sollen bei uns (›beim Subjekt‹) liegen, aber die Existenz der Substanz soll rein bestimmungslos in der natürlichen Welt liegen, so sogar, dass sie die Bestimmbarkeit im gemeinsamen Bezug verursacht. Die unbestimmte Substanz wäre so die Ursache des in der Wahrnehmung
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und im Denken bestimmten Gegenstandes. Das ist o=enbarer Unsinn. Gedacht wird die Substanz als »absolute Macht«, die als losgelöst von ›uns‹ und unserer wahrnehmend-denkenden Weltbezugnahme als wirkende Ursache gedacht wird. Doch ebenso ist die Substanz bloßer Reflexionsgegenstand. Als solche ist sie »Rückkehr in sich«. Sie ist in dieser Reflexion bestimmt. Das ist sie als ein besonderes Ansichsein, nämlich als Ursache der Wirkung, etwa auf unseren Wahrnehmungsapparat, wie man so sagt, aus der wir auf die Ursache – die wirkende Substanz – zurückschließen. Erst auf diese Weise hat die Substanz Wirklichkeit. Dabei erschließen wir die Ursache aus den Wirkungen. Man sieht, dass der Übergang ins globale Ganze hier immer darin besteht, eine logische Form ins Unendliche hinein zu idealisieren – mit dem Ergebnis, dass alle Formunterschiede im Eins-und-Alles des Neuplatonismus kollabieren. Für diese Einheit der Welt ist auch das Wort »Gott« nur Titel. Daher kann es nur sinnvoll gebraucht werden, wenn man implizit auf Teilmomente reflektiert wie etwa die Wahrheit empirischer Aussagen, das Gute menschlichen Handelns oder den Geist als Richtungssinn unserer Arbeit an einer Weltgeschichte menschlicher Institutionen zunächst nur bis heute, dann aber auch in erho=ter, nicht etwa prognostizierter, Fortsetzung. Eben das ist das Ergebnis von Hegels logischer Analyse spekulativer Sätze und damit unserer höchststufigen logischen Reflexionen. Die Folgen für jede Theologie und Religion sollten ebenso klar sein wie für jeden Materialismus oder jede vermeintlich die Zukunft vorhersagende so genannte Geschichtsphilosophie. Diß ist die Nothwendigkeit, welche die Ursache ist. – Sie ist die wirkliche Substanz, weil die Substanz als Macht sich selbst bestimmt; aber ¦ ist zugleich Ursache, weil sie diese Bestimmtheit auslegt oder als Gesetztseyn setzt; so setzt sie ihre Wirklichkeit als das Gesetztseyn oder als die Wirkung. Diese ist das Andere der Ursache, das Gesetztseyn gegen das Ursprüngliche und durch dieses vermittelt. Aber die Ursache hebt als Nothwendigkeit eben so diß ihr Vermitteln auf, und ist in dem Bestimmen ihrer selbst als das ursprünglich sich auf sich beziehende gegen das Vermittelte, die Rükkehr in sich; denn das Gesetztseyn ist als Gesetztseyn bestimmt, somit identisch
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mit sich; die Ursache ist daher erst in ihrer Wirkung das wahrhaft Wirkliche und mit sich identische. – (397 f. | 263) Wir sehen jetzt, in welchem Sinn wir auf eine Ursache als Bedingung ihrer Wirkung (z. B. auf unser Wahrnehmen) von der Wirkung her schließen. Damit wissen wir jetzt auch, was im Kontrast zu einer rein abstrakten Rede über Substanz und Ursache, Erscheinung und Wirkung die »wirkliche Substanz« ist, nämlich die stabile Ursache ihrer normalen Wirkung (z. B. auf unser Sinneskostüm). Hegels aktivische Ausdrucksweise, nach welcher »die Substanz als Macht sich selbst bestimmt«, ist notorisch irreführend. Sie ist aufgrund einer scheinbar anthropomorphen Metapher schwer zu verstehen. Denn wie sollte eine Sache ihre eigene Bestimmtheit auslegen? Etwas auslegen und bestimmen können doch nur wir. Ich denke, dass dennoch klar ist, wie die Sprachform zu lesen ist. Es ist der Begri= der Substanz, der sie zur Wirkmacht und damit zur Ursache macht. Sie wird als Ursache durch die typische Wirkung ausgelegt – wenn man nur hinreichend sorgfältig darüber nachdenkt. Damit hebt sich aber auch die Vorstellung von einer ursprünglichen, nicht durch uns bestimmten und völlig von unserem Wahrnehmen, Denken und Wissen losgelösten Ursache oder Substanz samt ihrer Macht und Wirkung auf. Die Wirkung ist daher nothwendig, weil sie eben Manifestation der Ursache, oder diese Nothwendigkeit ist, welche die Ursache ist. – Nur als diese Nothwendigkeit ist die Ursache selbst bewegend, aus sich anfangend, ohne von einem andern sollicitirt zu werden, und selbstständige Quelle des Hervorbringens aus sich; – sie muß wirken, ihre Ursprünglichkeit ist diß, daß ihre Reflexion-in-sich bestimmendes Setzen und umgekehrt, beydes eine Einheit ist. (398 | 263) Eine Wirkung ist nicht deswegen ›notwendig‹, weil sie als Ereignistyp immer und mit Notwendigkeit sich aus einer Ursache qua Ereignistyp ergibt, sondern sie ist notwendig, weil sonst von einer Ursache keine Rede sein kann. Also nur als Manifestation der Ursache ist die Wirkung notwendig. Daher ist die übliche Vorstellung naiv, die Wirkung sei ›notwendige Folge‹ der Ursache. Eine so genannte Ursache ist im Endlichen zunächst immer nur conditio sine qua non, also notwendige Bedingung. Sie ist in der Welt nicht (oder ›sehr selten‹) von der Art, dass immer eine entsprechende Wirkung
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eintritt, wenn eine Sache des ›Ursachentyps‹ vorliegt. Nur im entlokalisierten Kontext der Rede über die ganze Welt (oder Gott) »ist die Ursache . . . aus sich anfangend, ohne von einem Andern sollicitiert [also hervorgerufen] zu werden«. Dass eine Ursache ›ursprünglich‹ bzw. Ursprung der Wirkung ist, liegt also nur an der totalen Reflexionin-sich der Form unserer Rede über eine Ursache einer Wirkung. In der Welt sind Ursachen selbst endliche Ereignisse oder Dinge, die als notwendige Bedingungen von Wirkungen infrage kommen und im Wissen anerkannt werden. Hegel entmystifiziert in dieser Lesart das übliche, relativ gedankenlose, Gerede von Ursachen, Substanzen und ›notwendigen‹ Folgen oder Wirkungen – und zugleich Spinozas mathematische Metaphysik des Ganzen der Welt. Die Wirkung enthält daher überhaupt nichts, was nicht die Ursache enthält. Umgekehrt enthält die Ursache nichts, was nicht in ihrer Wirkung ist. Die Ursache ist nur Ursache, insofern sie eine Wirkung hervorbringt; und die Ursache ist nichts als diese Bestimmung, eine | Wirkung zu haben, und die Wirkung nichts, als diß, eine Ursache zu haben. In der Ursache als solcher selbst liegt ihre Wirkung, und in der Wirkung die Ursache; insofern die Ursache noch nicht wirkte, oder insofern sie aufgehört hätte zu wirken, so wäre sie nicht Ursache; – und die Wirkung, insofern ihre Ursache verschwunden ist, ist nicht mehr Wirkung, sondern eine gleichgültige Wirklichkeit. – (398 | 263 f.) Aus der begri=lichen Einheit bzw. relationalen Bestimmtheit von Ursache und Wirkung ergibt sich, dass inferentiell, inhaltlich, die Wirkung nichts enthält, »was nicht die Ursache enthält«, und umgekehrt »enthält die Ursache nichts, was nicht in ihrer Wirkung ist«. Das sind zunächst nur sprachanalytische Kommentare zu unserer Rede über Ursachen und Wirkungen, die als solche in der Tat viel weniger tiefsinnig sind, als die meisten abstrakten Theorien zu diesem Thema suggerieren. Vielmehr wird explizit, wie grob wir mit der Rede von ›der Ursache‹ oder ›einer Ursache‹ bzw. ›der Wirkung‹ oder ›einer Wirkung‹ umgehen. Wir sagen z. B., der Stuhl vor mir sei Gegenstand meiner Wahrnehmung, aber auch, er sei Ursache gewisser Sinnesempfindungen, die als seine Wirkung aufgefasst werden. Hume hat zwar in einem
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gewissen Sinn mit Recht hervorgehoben, dass man den Stuhl für uns grob mit dem Bündel seiner Wirkungen auf das Sinneskostüm identifizieren kann. Dennoch unterscheiden wir reflexionslogisch den Stuhl als substantielle Ursache für sich von seinen Wirkungen. Es gilt daher, die schwierige, dialektische, weil scheinbar widersprüchliche Verschiedenheit und Gleichheit von Ursache und Wirkung auf angemessene Weise zu verstehen. Hume schlägt sich sozusagen auf die Seite der Wirkungen und streicht alle substantiellen Ursachen. Er definiert die Ursache-Wirkung-Beziehung um in eine Abfolge von vorlaufenden Ereignistypen und regelmäßig nachfolgenden Ereignisarten. Dies werden je einzeln instanziiert im empirischen Prozess. Alle Empiristen folgen diesem begri=lichen Schachzug. Dieser ist gegenüber unserer Sprachpraxis revisionistisch, passt also überhaupt nicht zur Logik der Normalsprache, in der zwischen dem Ding für sich und der Menge seiner qualitativen Wirkungen auf uns ja unterschieden wird. Kant anerkennt immerhin, dass wir diese beiden Rede-Ebenen der substantiellen Ursache (des Wesens der Dinge für sich) und ihrer empirischen Wirkungen (z. B. im Prozess der Perzeption, Anschauung) weiterhin unterscheiden müssen. Schon Heraklit erklärt dazu, dass sich die Physis, das Wesen der Sachen, also die Ursachen wahrgenommener Phänomene, vor einem unmittelbaren Zugri= durch unsere Sinne verbirgt. Die Wahrheit (a-l¯etheia) muss aufgedeckt werden. Das macht auch den Unterschied der epist¯em¯e zur doxa bei Parmenides aus, den wir als Schüler Heraklits zu lesen haben. Dabei spielt das, was Heraklit und Platon »logos« nennen, eine zentrale Rolle. Dieser logos ist sozusagen das Wort des Begri=s, des Eidos. In Langform wird er zur Theorie. Während also Heraklit, Platon und Kant auf der Kontrastierung von Wesen und Erscheinung, substantieller Ursache und empirischer Wirkung bestehen, streicht der Humesche Empirismus die gesamte Rede-Ebene über Substanzen und definiert die Beziehung UrsacheWirkung auf neue Weise als Abfolge auf bloß empirischer Ebene. Kants Revision der empiristischen Revision überzeugt dann deswegen nicht voll, weil der entsprechende Begri= der dinglichen Ursache von Erscheinungen bei ihm klarerweise doppeldeutig, ambig, wird: Einerseits soll die wahre Ursache der Phänomene, das Ding an sich,
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unerkennbar sein, da das, was wir erkennen, ja längst durch die Sinne vermittelt bloße Erscheinungsgegenstände für uns sind. Andererseits sollen Erscheinungsgegenstände Ursachen der Wirkungen auf unser Sinneskostüm sein. Im letzten Fall ergibt sich gerade die Identität von Ursache und Wirkung, wie sie Hume in seiner Bündeltheorie des Erscheinungsgegenstandes formuliert. Hegels Revision von Kants Revision des Empirismus beginnt nach meiner Lesart mit der (klassischen, nicht kantischen) Rede von einem Ansichsein eines Gegenstandes, das, wie schon bei Platon, in dessen Gebrauch des Ausdrucks kath’auto auf den generischen Gegenstand, grob gesagt also den Gegenstandstyp, verweist. Dieser ist in einem (Einzel-)Gegenstand für sich ggf. auf besondere Weise instanziiert. Das Fürsichsein ist die – von uns je zu definierende – Identität des Gegenstandes in relativer Unabhängigkeit von unserem Zugang. Ein Ding oder eine Sache für sich ist also in seiner Abstraktionsform nicht einfach ein Komplex von Erscheinungen der phänomenalen Anschauung. Dieser wäre ja nur etwas ›Inneres‹ des Subjekts. Ein Ding ist vielmehr selbst schon durch Gleichungen und Aussagen konstituiert, in denen wir von unseren lokalen, empirischen Zugängen zu dem Ding oder der Sache abstraktiv absehen. Das aber heißt nun auch, dass eine Substanz als ein Wesen für sich so scheint, als wäre sie völlig unabhängig von unserem phänomenalen Erfahren empirischer Einzelheiten und unserer denkenden Konstitution von Gegenstandbereichen. Diesem Schein fällt Kants Rede von einem Ding-an-sich als einer Sache an sich selbst betrachtet zum Opfer. Hegel dagegen rekonstruiert die Verfassung der objektiven Gegenstände in der Welt, indem er sie, ähnlich wie Kant, nur radikaler durchdacht, als durch die Definition ihres Fürsichseins konstituiert erkennt. Damit hebt er die Ambiguität in Kants Rede von Ursachen auf, die bei Kant mal Dinge an sich, mal Erscheinungsdinge sind. Es ›gibt‹ keine Dinge an sich in Kants Sinn. Die Rede über Dinge in ihrem Fürsichsein ist dagegen, wie die bisherigen Analysen der Wesenslogik schon gezeigt haben, von uns abstraktionslogisch und damit denkerisch im Bereich des Gesamtes der Ursachen möglicher Erscheinungen konstituiert. In gewissem Sinn wird damit auch die Intuition des Empirismus aufgehoben, so aber, dass dessen naive
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Reduktion der Dinge auf Bündel von Sinnesdaten als irrealer Mythos durchschaut wird und zugleich erkannt ist, dass und warum die Sprache, der logos, das Theoretische unseres Begri=ssystems nicht aus der Welt und Natur herausgelassen werden dürfen, ohne in einen naiven Biologismus des enaktiven Erkennens von Tieren bloß präsentisch ›zuhandener‹ Sachen zu geraten. Gerade in der Analyse der ›Ursachen‹ von ›Wirkungen‹ auf Tiere und Menschen entscheidet sich am Ende, ob man die Reflexionsbegri=e ›Ding‹, ›Gegenstand‹, ›Wesen‹, ›Substanz‹ und ›Erscheinung‹, ›Phänomen‹, ›Wahrnehmung‹ und ›Anschauung‹ angemessen oder mystifizierend versteht. Hume mystifiziert sie empiristisch. Er kennt die sprachtheoretische Konstitution von dinglichen Gegenständen und Ereignistypen nicht. Er trivialisiert die Rede von Ursachen und reduziert ihre Wirkungen auf unsere Empfindungen und Wahrnehmungen. Kant erkennt, dass es hier einer transzendentallogischen Konstitutionsanalyse bedarf und dass alle (Neuro-)Physiologie der Wahrnehmung und des Erkennens wie bei Locke bestenfalls einige notwendige materiale Bedingungen auf der Grundlage eines schon vorausgesetzten Allgemeinbegri=s des wahren Wissens empirischtheoretisch untersuchen kann. Anders gesagt, eine Physiologie des Verstandes wie bei Locke und am Ende auch bei Hume ist methodologisch naiv. Sie führt in ein völlig verfehltes biologistisches Menschenbild, gemäß dem der Mensch als z¯oon logon ech¯on, als ein animalisches Wesen mit Signalsprache erscheint, also als ein soziales Tier, das nur wenig besser organisiert ist als Wildhunde oder Ameisen. Der Nihilismus bei den Intellektuellen und der biologische Rassismus in Mittel- und Unterschichten im ausgehenden 19. und 20. Jahrhundert samt deren katastrophalen Folgen sind durchaus auch als Folgen dieser szientistischen ›Aufklärung‹ über den angeblichen Ort des Menschen in der Welt zu verstehen. Weit eher als für die kapitalistische Wirtschaft passt hier Bertold Brechts Spruch »Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch«. Das zugrundliegende logische Problem ist der unbemerkte Perspektivenwechsel, der aus der direkten, expressiven Redeform der informativen Versicherung oder Reflexion zu einer vermeintlich unmittelbar möglichen Rede über die Sachen in ihrer absoluten, von
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unserem Zugang losgelösten Objektivität führt, wie sie sich sowohl in Kants agnostischer Rede von einem Ding an sich verbirgt als auch in dem bis heute üblichen Gerede, dass wir die wahre Natur, das Wesen der Dinge, nie erkennen können und dass das Wissen der Wissenschaft je bloß hypothetisch und pragmatisch-instrumentell zu verstehen sei. Die Folge ist, dass man in den Wissenschaften alle Reden über ›das Wesen‹ einer Sache oder über die Dinge in ihrem Fürsichsein als vermeintlich metaphysisch streicht – und auf jede weitere Reflexion auf den unterstellten Begri= der Wahrheit oder Wahrheitsannäherung ebenso verzichtet wie auf die Sinnbedingungen instrumenteller Technik als vermeintlich einziger Zwecksetzung unserer Wissenschaften. Zugleich redet man naiv über einen kausalen Determinismus aller Dinge und aller Ereignisse in der Welt. Gegen dieses Gerede sind die gnomischen Merksätze Hegels gerichtet. Sie sollen die formalen Tautologien in unseren Reden über Ursachen befördern: Wenn wir eine Sache zur Ursache erklären, setzen wir ihre Wirkung voraus. Nietzsche hat diesen Gedanken später wiederholt. Wir werden freilich noch Weiteres zum Begri= der Verursachung zu sagen haben. Hier sei nur noch auf den Ausdruck »gleichgültige Wirklichkeit« verwiesen, welcher in Hegels reflexionslogischem Kommentar für ein bloßes Bestehen einer Sachlage oder Eintreten eines Ereignisses, auch ein Vorhandensein eines Dinges oder einer Sache steht. Von Ursache und Wirkung ist dabei zunächst noch nicht die Rede. 3. In dieser Identität der Ursache und Wirkung ist nun die Form, wodurch sie als das an sich seyende und als das Gesetztseyn sich unterscheiden, aufgehoben. Die Ursache erlischt in ihrer Wirkung; damit ist eben so die Wirkung erloschen, denn sie ist nur die Bestimmtheit der Ursache. Diese in der Wirkung erloschene Causalität ist somit eine Unmittelbarkeit, welche gegen das Verhältniß von Ursache und Wirkung gleichgültig ist, und es äusserlich an ihr hat. (398 | 264) Die Unterscheidung zwischen Ursache und Wirkung und ihre begri=lich notwendige Beziehung gibt es nur vermöge einer entsprechend eingerichteten Denk- oder Redeform. Dass diese gut anwendbar ist, ist dann freilich eine Tatsache der Erscheinungswelt, die sich je-
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weils zeigt. Die Analyse hat nun aber dazu geführt, dass sich die Kausalrelation aufhebt, sozusagen in Nichts auflöst, wenn man sie so betrachtet, wie sie in der empiristischen Tradition betrachtet wird, der zufolge Perzeptionen und Sinnesdaten angeblich Wirkungen von Ursachen sind, die selbst aber nur als Bündel von Wirkungen verstanden werden. Die »in der Wirkung erloschene Kausalität« ist die Betrachtung der Welt als »gleichgültige Wirklichkeit« akzidenteller Ereignisse, wie sie die Theorie Wittgensteins im Tractatus logisch besonders durchsichtig macht. In diesem Bild wird der Glaube an einen Kausalnexus zu dem Aberglauben, neben dem Glauben an ein Ding an sich oder an andere substantielle Ursachen. Die Welt ist in dieser Sicht alles, was kontingenterweise der Fall ist. Was aber der Fall ist, das ist in dieser Vorstellung schon Inhalt von möglichen empirischen Aussagen. Das Problem ist, dass über die konkreten Festlegungen der Wahrheitsbestimmungen solcher Aussagen nur so weit nachgedacht wurde, wie logisch komplexe Sätze von logisch basaleren formal abhängen. Die Wahrheit elementarer Sätze und Aussagen bleibt unanalysiert. In der Vorstellung, die basalen Konstatierungen seien unmittelbar in Perzeptionen nach wahr und falsch bewertbar, entsteht ein Bild einer Welt der reinen empirischen Kontingenz. Als spekulatives Bild der Welt im Ganzen mag das einen Moment lang sinnvoll sein. Als Formanalyse von Sprache und Wahrheit ist es ein irreführendes Bild. Es wird in ihm jedes Kausalitätsverhältnis von Ursache und Wirkung zu einer bloß subjektiven oder intersubjektiven Regel für Prognosen von erwartbaren Geschehensabläufen bzw. elementaren Sachlagen, die man in der Wahrnehmung mehr oder weniger unmittelbar als wahr überprüfen können soll. Das heißt, es gibt keine Kausalität in dieser Art von Welt, diesem atomistischen Logikbild des Tractatus, sondern bloß ›für uns‹, nur zur subjektiven Orientierung in der Welt. Das Bild verlangt o=enbar erst noch eine sinnkritische Reflexion auf seinen Sinn und seine Grenze.
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b. Das bestimmte Causalitätsverhältniß 1. Die Identität der Ursache in ihrer Wirkung mit sich ist das Aufheben ihrer Macht und Negativität, daher die gegen die Formunterschiede gleichgültige Einheit, der Inhalt. – Er ist daher nur an sich auf die Form, hier die Causalität, bezogen. Sie sind somit als verschieden gesetzt, und die Form gegen den Inhalt eine selbst nur unmittelbar wirkliche, eine zufällige Causalität. ¦ (398 | 264) Hegels Rede von der Zufälligkeit der (empiristischen) Kausalität bestätigt meine Rekonstruktion des Gedankengangs. Es wird aufgrund der tautologischen »Identität der Ursache in ihrer Wirkung« jede »Macht« der Ursache aufgehoben, so wie auch Bertrand Russell meint, auf die Begri=e der Kraft und Kausalität zugunsten funktionaler Abhängigkeiten verzichten zu können. Damit tritt aber nur der Begri= der mathematischen Funktion an die Stelle kausaler Bedingungssätze. In der Sache ändert sich damit nichts. In jedem Fall heben die empiristischen Bilder die Negativität von Ursache und Wirkung auf. Die Inhalte von Ursache und Wirkung erscheinen im Empirismus als identisch. Sie sind Bündel von Sachverhalten oder Sachlagen. In der Rede von einer Sache, einem Ding als Ursache, wird diesem Bild zufolge eine Menge von Wirkungen gebündelt. Sie selbst wird zum Bündel generischer Wirkung, die, wie die Analyse zeigt, inhaltlich mit der Gesamtursache zusammenfällt. Diese ›Gleichheit‹ (Identität) von Ursache und Wirkung in der (empiristischen) Bündeltheorie der Sachen und Dinge ergibt sich daraus, dass man die Formdi=erenz zwischen Wesen und Erscheinung nicht zur Kenntnis nimmt. Stattdessen spricht man von einer Abfolge von vorlaufenden und nachfolgenden Ereignissen. Der empirische Inhalt ist in diesem Bild gerade wegen der Abstraktion von den genannten Formdi=erenzen »nur an sich auf die Form, hier die Kausalität bezogen«. Ursache und Wirkung erscheinen bloß noch verbal, an sich, »als verschieden gesetzt«. Die Form, in der wir über eine Menge von Sachen als Wirkung oder als Ursache sprechen, erscheint gegen den identischen empirischen Inhalt als eine »nur unmittelbar wirkliche«, also kontingent gegebene Kausalität. Am Ende kann man wieder nur sagen: Alles ist so, wie es ist. Die Rede von Ursache und Wirkung ist nur ein Schein. Er ergibt sich
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aus unserer sprachtechnischen Unterscheidung zwischen einer gegenständlich und damit inhaltlich angesprochenen Sache und der Mannigfaltigkeit ihrer Wirkungen. Das Possessivpronomen verweist auf die inhaltliche Identität der empirischen Einzelheiten, die sich sozusagen im ›Bündel‹ oder Sack der Ursache befinden, und der als ›Folgen‹ angesprochenen Wirkungen, die wir z. B. mit unseren Sinnen ›erfahren‹ können. Die Ursache oder Sache wäre damit das hen, die Einheit, der Gegenstand mit seinen vielfältigen Wirkungen. Diese wären die verschiedenen Folge-Sachen, ta pragmata, von denen schon Heraklit spricht und sagt, dass an ihnen Ursache und Wirkung identisch seien. Das Bild liegt nahe und ist doch genauer zu bedenken. Ferner der Inhalt so als bestimmtes, ist ein verschiedener Inhalt an ihm selbst; und die Ursache ist ihrem Inhalte nach bestimmt, damit eben so die Wirkung. | (399 | 264) Ein Inhalt ist bestimmt im Kontrast zu anderen Inhalten, also im Rahmen einer Unterscheidung. Jeder Inhalt ist in diesem Sinn »verschiedener Inhalt an ihm selbst«. Ursachen und Wirkungen müssen entsprechend in ihren Inhalten bestimmt sein – und wir haben gesehen, inwiefern der Inhalt der Ursache jeweils der gleiche ist wie der der Wirkung der Ursache. – Der Inhalt, da das Reflectirtseyn hier auch unmittelbare Wirklichkeit ist, ist insofern wirkliche, aber die endliche Substanz. (399 | 265) In der Rede über den Inhalt sprechen wir reflexionslogisch und d. h. gegenstandsförmig über das Gleiche bzw. Verschiedene unserer Unterscheidung(en). Unmittelbare Wirklichkeit hat ein generischer Inhalt, wenn er besteht, also seine Bedingungen aktual erfüllt sind. Als Ursache ist ein solcher Inhalt »wirkliche, aber endliche Substanz«, also eine innerweltliche ousia, ein gegenständliches Wesen im Sinn des Aristoteles. Es kann sich dabei um ein Ding oder Lebewesen handeln, aber auch um einen Teil einer Sache, etwa einen Fluss in einer Landschaft oder einen konkreten Prozess wie das Fließen des Flusses – mit allen seinen Wirkungen oder Erscheinungen, wobei, wie erläutert das Possessivpronomen die inhaltliche Identität des Inhalts von Ursache und Wirkung anzeigt.
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Diß ist nunmehr das Causalitätsverhältniß in seiner Realität und Endlichkeit. Als formell ist es das unendliche Verhältniß der absoluten Macht, deren Inhalt die reine Manifestation oder Nothwendigkeit ist. Als endliche Causalität hingegen hat es einen gegebenen Inhalt, und verläuft sich als ein äusserlicher Unterschied an diesem identischen, das in seinen Bestimmungen eine und dieselbe Substanz ist. (399 | 265) Das Kausalitätsverhältnis zwischen wesenslogischer Ursache und phänomenaler Wirkung ist im Bild o=enbar eine sprachtechnische Tautologie, in welcher Ursache und Wirkung nur verschiedene Ansprechformen des gleichen Inhalts sind. Dabei beziehen wir uns auf endliche und reale Reden von Ursachen, nicht auf die unendliche Substanz der ganzen natürlichen Welt. Gott oder die Natur ist dagegen ›unendliche‹ Substanz und ›überweltliche‹ Ursache, das hen kai pan; hier verschwindet in der Tat jeder Unterschied von Ursache und Wirkung. Die Natur ist ›die‹ Ursache, welche alle Wirkungen, ta panta, hervorbringt. Hier ist Kausalität eine tautologische, formale, analytische Relation zwischen einer absolut gedachten Macht oder Kraft und der je faktisch hervorgebrachten Wirkung. Die Wirkung ist die Manifestation in der phänomenalen Realität ex post, deren ›Notwendigkeit‹ nur darin besteht, dass sie a posteriori, im Nachhinein, mit der Ursache identifiziert wird. Durch diese Identität des Inhalts ist diese Causalität ein analytischer Satz. Es ist dieselbe Sache, welche sich das einemal als Ursache, das anderemal als Wirkung darstellt, dort als eigenthümliches Bestehen, hier als Gesetztseyn oder Bestimmung an einem andern. Da diese Bestimmungen der Form äusserliche Reflexion sind, so ist es die der Sache nach tavtologische Betrachtung eines subjectiven Verstandes, eine Erscheinung als Wirkung zu bestimmen und davon zu ihrer Ursache aufzusteigen, um sie zu begreifen und zu erklären; es wird nur ein und derselbe Inhalt wiederhohlt; man hat in der Ursache nichts anderes als in der Wirkung. – (399 | 265) Hegel selbst bestätigt unsere Lesart, indem er die inhaltliche Identität von (jetzt: endlicher) Ursache und Wirkung als analytischen Satz der Kausalitätsrelation darstellt und von einer »tautologischen Betrachtung« spricht, wenn der subjektive Verstand eine »Erscheinung
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als Wirkung« bestimmt und von ihr her auf die Ursache zurückschließt, um die Wirkung durch die Ursache »zu begreifen und zu erklären«. Hegel bringt unmittelbare Beispiele für die Tautologie einer kausalen Erklärung nach Art von Molières Schlafkraft, vis dormitiva, als Ursache für das Einschlafen: Der Regen ist rein formale Ursache dafür, dass Wasser vom Himmel fällt und das Gras befeuchtet. Er selbst ist inhaltlich gar nichts anderes als seine Wirkung. Dass Regen nässt, ist eine analytische Folgerung bzw. ein analytischer Wenn-dannSatz: Wenn es regnet, wird das Gras oder die Straße nass (wo sie nicht überdacht sind). Der einzige Unterschied zwischen dem Regen als ›Ursache‹ und der ›Wirkung‹, dass Wasser vom Himmel fällt und der Rasen feucht wird, besteht darin, dass die Ursache nominal in der Form eines einheitlichen Gegenstandes, eben als Sache, angesprochen wird, mit ›adjektivischen‹ Wirkungen, nämlich dem feuchten Rasen und der nassen Straße. Etwas wäre kein Regen, wenn die Wirkungen nicht einträten, so dass sich gesamtinhaltlich der Regen nicht von seinen Folgen trennen lässt: Der Regen z. B. ist Ursache der Feuchtigkeit, welche seine Wirkung ist ; – der Regen macht naß, diß ist ein analytischer Satz; dasselbe Wasser, was der Regen ist, ist die Feuchtigkeit; als Regen ist diß Wasser nur in der Form einer Sache für sich, als Wässerigkeit oder Feuchtigkeit dagegen ist es ein adjectives, ein gesetztes, das nicht mehr sein Bestehen an ihm selbst haben soll; und die eine Bestimmung, wie die andere, ist ihm äusserlich. – So ist die Ursache dieser Farbe ein Färbendes, ein Pigment, | welches eine und dieselbe Wirklichkeit ist, das einemal in der ihm äussern Form eines thätigen, das heißt, mit einem von ihm verschiedenen Thätigen äusserlich verbunden, das andremal aber in der ihm eben so äusserlichen Bestimmung einer Wirkung. – (399 | 265 f.) Wittgensteins Ersetzung kausaler Wirkungen durch logische Folgerungen ist gerade von dieser Form. Ein weiteres Beispiel, das Hegel anführt, bestätigt unsere Lesart: Die Farbe meines Bücherregals ist ›Ursache‹ meiner Farbwahrnehmung. Als paint ist die Farbe freilich unabhängig als Weiß bestimmt. In der Wahrnehmung unterscheiden wir das Weiße vom Roten, Grünen, Blauen usf. im Sinn der colours. Doch wenn man die wahrgenommene Farbe (colour) als Wirkung der Ursa-
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che (paint) gegenüberstellt, ist der Inhalt insofern derselbe, als die Pigmente oder Körperoberflächen gerade über ihre Normalfallwirkungen bei weißem Licht in Bezug auf wahrnehmbare Unterscheidungen klassifiziert bzw. sortiert sind. Es ist daher eine die Sache nur leicht mystifizierende Redeweise, wenn man die physikalischen Ursachen der Reflexion des Lichts ›absolut unabhängig‹ machen will von unseren phänomenalen Unterscheidungen und den Verschiedenheiten unserer gemeinsamen Unterscheidbarkeiten. Hierin, nicht in der Erklärungstechnik der Lichtreflexion, besteht der Aberglaube eines ›materialistischen‹ Newtonianismus. Die Ursache einer That ist die innere Gesinnung in einem thätigen Subject, die als äusseres Daseyn, das sie durch die Handlung erhält, derselbe Inhalt und Werth ist. Wenn die Bewegung eines Körpers als Wirkung betrachtet wird, so ist die Ursache derselben eine stossende Kraft; aber es ist dasselbe Quantum der Bewegung, das vor und nach dem Stoß vorhanden ist, dieselbe Existenz, welche der stossende Körper enthielt, und dem gestossenen mittheilte; und so viel er mittheilt, so viel verliert er selbst. (399 | 266) Als drittes Beispiel betrachtet Hegel die »Ursache einer Tat«, wie sie vielfach auch dort angesprochen wird, wo man di=erenziert zwischen Handlungsgründen und rein bewegungstechnischen Ursachen für ein physikalisches oder biologisches Verhalten einer Sache oder eines Wesens. Als Ursache einer Tat wird nun häufig »die innere Gesinnung in einem tätigen Subjekt« genannt. Allerdings hat diese denselben Inhalt wie die gemäß dieser Gesinnung beabsichtigte und ausgeführte Handlung. Daher ist es schlichter Unverstand, die Gesinnung nach Art eines wirkenden Subjekts oder Gegenstandes in meinem Kopf oder Leib oder meiner Seele vom wirklichen Tun abzulösen. Die Bestimmung der Gesinnung und die Bestimmung des Tuns laufen sozusagen parallel. Die Gesinnung ist auch keine stoßende Kraft wie im Fall von Billardbällen. Das ist das vierte Beispiel: Wenn die Bewegung eines solchen Balls als Wirkung des Stoßes betrachtet wird, so »ist dasselbe Quantum der Bewegung« »vor und nach dem Stoß vorhanden«. Dieses Quantum scheint nur dem ›gleichen Inhalt‹ von Ursache und Wirkung zu korrespondieren: Die Ursache als ›Existenz‹ einer Bewegungsform des stoßenden Körpers wird auf
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eine durch eine Inferenzregel bestimmte Weise dem gestoßenen sozusagen mitgeteilt und »so viel er mitteilt, so viel verliert er selbst«. Allerdings scheinen die Stoßgesetze nicht rein tautologisch zu sein. Man braucht generisches Wissen, um zu wissen, wie sich (im Idealfall) Richtungsgeschwindigkeiten von der stoßenden auf die gestoßene Kugel (bei entsprechendem Aufprall) übertragen bzw. welche Richtungsänderungen sich ergeben. Hier ist von einer ›analytischen‹ Identität von Ursache und Wirkung nur insofern sinnvoll die Rede, als der Gesamtinhalt in den sich reproduzierenden Bewegungsabläufen liegt – und von uns materialbegri=lich als Regel gesetzt ist. Die Ursache, z. B. der Mahler, oder der stossende Körper hat wohl noch einen andern Inhalt, jener, als die Farben und deren sie zum Gemählde ver¦bindende Form; dieser, als eine Bewegung von bestimmter Stärke und Richtung. Allein dieser weitere Inhalt ist ein zufälliges Beywesen, das die Ursache nichts angeht; was der Mahler sonst für Qualitäten enthält, abstrahirt davon, daß er Mahler dieses Gemähldes ist, diß tritt nicht in dieses Gemählde ein; nur was von seinen Eigenschaften sich in der Wirkung darstellt, ist in ihm als Ursache vorhanden, nach seinen übrigen Eigenschaften ist er nicht Ursache. So ob der stossende Körper Stein oder Holz, grün, gelb ist u. s. f. diß tritt nicht in seinen Stoß ein; insofern ist er nicht Ursache. (399 f. | 266) Wenn wir die Ursache als Dinge oder Vorgänge für sich betrachten, hat sie freilich noch einen anderen Inhalt als bloß den, die Wirkung, deren Ursache sie ist, hervorzubringen. Der Maler mag verschiedene Kittel tragen, die für das Gemalte gleichgültig sind, so wie die Farbe der Billardkugel auf ihre Wirkung keinen Einfluss nimmt, unter Umständen noch nicht einmal der materielle Sto=, aus dem die Kugel besteht, wenn sie nur dieselbe Größe und Masse hat und in der gleichen Geschwindigkeit auf die ›gleiche Stelle‹ der gestoßenen Kugel bzw. einer zu dieser äquivalenten Kugel tri=t. Das alles ist so klar wie wahr. Es ist in Rüksicht dieser Tavtologie des Causalitätsverhältnisses zu bemerken, daß es dieselbe dann nicht zu enthalten scheint, wenn nicht die nächste, sondern die entfernte Ursache einer Wirkung angegeben wird. Die Formveränderung, welche die zu Grunde | liegende Sache in diesem Durchgange durch mehrere Mittelglieder erleidet,
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verstekt die Identität, die sie darin behält. Sie verknüpft sich zugleich in dieser Vervielfältigung der Ursachen, welche zwischen sie und die letzte Wirkung eingetreten sind, mit andern Dingen und Umständen, so daß nicht jenes Erste, was als Ursache ausgesprochen wird, sondern nur diese mehrere Ursachen zusammen die vollständige Wirkung enthalten. – (400 | 266 f.) Die behauptete inhaltliche »Tautologie des Kausalitätsverhältnisses« scheint nicht gegeben zu sein, wenn nicht unmittelbare oder ›nächste‹, sondern mittelbare oder ›entfernte‹ Ursachen angegeben werden. Hegel erklärt dazu, dass die »Formveränderung, welche die zu Grunde liegende Sache in ihrem Durchgange durch mehrere Mittelglieder erleichtert«, die inhaltliche Identität verdecke. Wie ist das zu verstehen? Und wie ist Hegels weitere Erläuterung zu beurteilen, dass in solchen Fällen meist nicht das, »was als Ursache angesprochen wird«, sondern »mehrere Ursachen zusammen die vollständige Wirkung enthalten?« Die zweite Frage findet in dem von Hegel selbst vorgeführten Beispiel gleich eine Antwort: Wir sagen kolloquial und ungenau, dass ein Geschehnis im fernen Indien, wie Voltaire dies in einer Geschichte erzählt, ›die Ursache‹ für die Ermordung von Heinrich IV. ist, obwohl unendlich viele andere Sachen ebenfalls notwendige Bedingungen für das Eintreten des Ereignisses waren. In Voltaires Beispiel ging es um die Genealogie des Mörders, der, so die Geschichte, nicht geboren worden wäre, wenn nicht einem Brahmanen in Indien dieses oder jenes widerfahren wäre. In solchen Fällen wäre also genauer zwischen ›der Ursache‹ und einer bloß ›notwendigen Bedingung‹ für das Eintreten der Wirkung zu unterscheiden gewesen. Dass Voltaire das nicht tut, zeigt, dass er ein schlechter Logiker ist. Die Leute, die auf seine elegante Rhetorik hereinfallen, sind nur zu bedauern. Wenn man aber sagt, dass das Bestehen ›aller‹ notwendigen Bedingungen sich zu einer ›hinreichenden Bedingung‹ des Eintretens der Wirkung aufaddieren, fällt man gerade zurück in die Tautologie, dass die Gesamtursache gerade dann besteht, wenn die Wirkung eintritt. Damit gelangen wir zu einer Antwort auf unsere erste Frage. Denn die Rede davon, dass a wirklich die Ursache von b als Wirkung ist, beinhaltet gerade, dass a vorhanden ist und a vermöge seines Typs A
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hinreichende und notwendige Bedingung für das ebenfalls vorhandene b vom Typ ist. Eben deswegen aber ist der ›Inhalt‹ A von a und B von b am Ende ›derselbe‹: Es gilt sozusagen A genau dann, wenn B. In der Rede von ›entfernteren‹ Ursachen spricht man immer nur von notwendigen kausalen Bedingungen sine qua non. Hinreichend ist nur deren Gesamtheit. Zu dieser gehört am Ende das Eintreten von b selbst. Noch nicht einmal ein gut gezielter Pistolenschuss reicht ›immer‹ aus, um einen Menschen zu töten bzw. zu ermorden. So wenn z. B. ein Mensch dadurch unter Umstände kam, in denen sich sein Talent entwickelte, daß er seinen Vater verlor, den in einer Schlacht eine Kugel traf, so könnte dieser Schuß, (oder noch weiter zurük der Krieg oder eine Ursache des Kriegs und so fort ins Unendliche) als Ursache der Geschiklichkeit jenes Menschen angegeben werden. Allein es erhellt, daß z. B. jener Schuß nicht für sich diese Ursache ist, sondern nur die Verknüpfung desselben mit andern wirkenden Bestimmungen. Oder vielmehr ist er überhaupt nicht Ursache, sondern nur ein einzelnes Moment, das zu den Umständen der Möglichkeit gehörte. (400 | 267) Hegels eigenes Beispiel operiert ebenfalls mit einem Schuss. Bei ihm führt er zum Tod eines Vaters, mit der Folge, dass frühe Verantwortung es dem Sohn ermöglichte, sein Talent zu entwickeln – was sonst vielleicht nicht geschehen wäre. Klar ist, dass weder der Schuss oder der Tod des Vaters noch der Krieg oder dessen ›Ursache‹ hinreichen für die Entwicklung der Person in Hegels Geschichte. Sie ist nur ein Moment in einem Gesamt von notwendigen kausalen Bedingungen. Denn hauptsächlich ist noch die unstatthafte Anwendung des Causalitätsverhältnisses auf Verhältnisse des physisch-organischen und des geistigen Lebens zu bemerken. Hier zeigt sich das, was als Ursache genannt wird, freylich von anderem Inhalte als die Wirkung, darum aber, weil das, was auf das Lebendige wirkt, von diesem selbstständig bestimmt, verändert und verwandelt wird, weil das Lebendige die Ursache nicht zu ihrer Wirkung kommen läßt, das heißt, sie als Ursache aufhebt. So ist es unstatthaft gesprochen, daß die Nahrung die Ursache des Bluts, oder diese Speisen oder Kälte, Nässe, Ursachen des Fiebers u. s.fort seyen; so unstatthaft es ist, das jonische Clima als die Ursache | der Homerischen Werke, oder
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Cäsars Ehrgeitz als die Ursache des Untergangs der republikanischen Verfassung Roms anzugeben. In der Geschichte überhaupt sind geistige Massen und Individuen im Spiele und in der Wechselbestimmung mit einander; die Natur des Geistes ist es aber noch in viel höherem Sinne, als der Charakter des Lebendigen überhaupt, vielmehr ¦ nicht ein anderes ursprüngliches in sich aufzunehmen, oder nicht eine Ursache sich in ihn continuiren zu lassen, sondern sie abzubrechen und zu verwandeln. – Welche Verhältnisse aber der Idee angehören und bey ihr erst zu betrachten sind. – (400 f. | 268 f.) Insbesondere ist darauf zu achten, dass die Rede von kausalen Wirkungen nicht auf die ›Verhältnisse‹ oder besser Prozesse des organisch-animalischen Lebens und schon gar nicht auf das geistige Leben im institutionellen Rahmen passen. Während nämlich die inhaltliche Identität von Ursache und Wirkung in der Stoßmechanik durch ein allgemeines Gesetz vermittelt ist, das Gesamtabläufe als reproduzierbare oder sich reproduzierende Formen darstellt, was schon in seiner generischen Form keine bloß empirische Deskription ist, gibt es für die holistischen ›Wirkungen‹ des animalischen oder geistigen Lebens durchaus keine im Leib oder Körper lokalisierbaren Ursachen. Was in diesem Kontext »als Ursache genannt wird«, hat immer schon einen anderen, viel engeren Inhalt als die ›Wirkung‹, ist also bestenfalls notwendige Bedingung des (geistigen) Lebens. Das klingt zunächst wie eine unausgewiesene Versicherung. Dennoch ist kaum zu bezweifeln, dass »das, was auf das Lebendige wirkt«, in der Tat »von diesem selbständig bestimmt, verändert und verwandelt« wird. Hegel sagt in eben diesem Sinn, dass »das Lebendige die Ursache nicht zu ihrer Wirkung« kommen lässt. Das aber heißt, dass sie sich »als Ursache aufhebt«. – Um genauer zu verstehen, was das heißen soll, betrachten wir Hegels Beispiele. Er erklärt es für »unstatthaft«, die Nahrung als Ursache z. B. des Blutes aufzufassen, oder gewisse Speisen, Kälte oder Nässe als Ursachen des Fiebers. Zwar stirbt das Lebewesen ohne Nahrung und es gelangen Elemente der Nahrung ins Blut, aber eben nur unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass der Organismus lebt. Kälte und Nässe können eine Infektion befördern, sind aber nicht deren Ursache. Noch nicht einmal eine vergiftete Speise kann für sich Fieber erzeugen, da
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auch dafür die Immunreaktion des lebenden Organismus Voraussetzung ist. Erst recht absurd ist es, geistige, institutionelle Entwicklungen aus dem Klima zu erklären. Das Klima Ioniens mag neben der Kenntnis der asiatischen Nachbarkulturen für die Entstehung der homerischen Werke förderlich gewesen sein. Aber es war nie und nimmer Ursache. Analoges gilt für Cäsars Ehrgeiz. Er ist nicht Ursache für den Untergang der republikanischen Verfassung Roms. Den vielfältigen Verflechtungen von individuellen Absichten, kollektiven Anerkennungen von Institutionen und kooperativen Zwecksetzungen und Handlungsplänen kommt eine Rede von Ursachen und Wirkungen schlicht nicht bei. Natürlich ist das Holistische der Phänomene des Lebens und des geistig-institutionellen Lebens von Personen der tiefe Grund für die Oberflächlichkeit der Rede von ihren ›Ursachen‹. Naturkatastrophen oder unerwartete Nebenfolgen sozialer Entwicklungen wie Teuerung oder Arbeitslosigkeit bzw. Hungersnot usf. sind nur Anlässe für mögliche institutionelle ›Reaktionen‹. Diese sind als solche Aktionen, also aktualisierte kollektive Handlungsformen. Sie sind keineswegs ›automatisch‹ oder ›mechanisch‹ verursachte Körperbewegungen oder kollektive ›Verhaltensweisen‹ der Menschen. Jetzt verstehen wir vielleicht auch, in welchem Sinn das Lebendige alle vermeinten ›Ursachen‹, die auf es ›wirken‹, selbständig verwandelt. Sogar die chemischen Prozesse beim Sto=wechsel kommen nicht ohne ein ›Zutun‹ des Lebewesens aus. Das ist völlig o=enbar, wenn wir nur das ›chemische‹ und ›biologische‹ Verhalten eines lebenden Gesamtorganismus mit einem Leichnam oder Kadaver vergleichen. Im Grunde gilt das aber auch für die Beeinflussung des Leibes durch die Psyche, wie wir sagen, z. B. des Weiterlebens durch das Weiterlebenwollen, wobei ›empirische‹ Untersuchungen wie im Fall von Placebo-Wirkungen immer interessant bleiben werden. Die allgemeine ›Wirkung‹ von Placebos ist aber bekannt. Es ist ein Wissen über die Grenzen rein physikalisch-chemischer Ursachen. Noch frappierender ist das breite Wissen über die di=usen psychischen ›Ursachen‹ leiblicher Schmerzen und Krankheiten. Dieses Wissen lässt sich zumeist leider nicht in eine unmittelbare Therapie umsetzen, etwa so, dass man die ›Ursache‹, eine Form des Denkens und
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der Haltung zu sich und der Welt, einfach abstellt oder willentlich ändert. Mit anderen Worten, es steht von vornherein fest, und zwar aufgrund eines allgemeinen Erfahrungswissens, das längst schon in unsere Begri=lichkeit Eingang gefunden hat, dass sich lebende Wesen wesentlich anders als nicht belebte Dinge oder verstorbene Lebewesen gerade auch im Blick auf ihre ›Chemie‹ verhalten. Daran ändert auch der Gedanke nichts, dass sich Lebewesen irgendwie aus der nichtbelebten Natur ›evolutionär‹ entwickelt haben müssen. Diese Einsicht ist übrigens viel älter ist als die ›Evolutionstheorie‹ von Charles Darwin. Sie ist im Kern ein vernünftig abgeschwächter Lamarckismus und artikuliert die Grundprinzipien zufälliger Variation und ›Selektion‹ durch Gegebenheiten der Umwelt, samt dem zentralen Gedanken von Erasmus Darwin, der als Erster einen einheitlichen Baum der Abstammung allen Lebens aus einer Wurzel postulierte. Ironischerweise wird gerade dieses Prinzip, nach welchem Leben überhaupt ein Unikat ist, gerade in der biologischen Wissenschaft nicht ernst genommen. Das Basisproblem ist die provinzielle Vorstellung, die Bedeutung des Darwinismus bestehe in seiner ›Wiederlegung‹ einer theologischen ›Schöpfungslehre‹ und damit in einer ›wissenschaftlichen Aufklärung‹ – und nicht einfach in der Abschwächung der Thesen von der Vererbung erworbener Fähigkeiten Lamarcks. Wie wir Menschen als sprachbeherrschende und damit allgemeines Wissen besitzende Personen ›natürliche‹, d. h. handlungsfreie physikalische und biologische Prozesse in ihrer Kausalität abzubrechen oder umzuwandeln in der Lage sind, wird dann erst im Kontext der Analyse von Idee und Begri=, also in der ›subjektiven‹ Logik, der Begri=slogik, genauer zu betrachten sein. Diß kann hier noch bemerkt werden, daß insofern das Verhältniß von Ursache und Wirkung, obwohl in uneigentlichem Sinne, zugelassen wird, die Wirkung nicht grösser seyn könne, als die Ursache; denn die Wirkung ist nichts weiter als die Manifestation der Ursache. Es ist ein gewöhnlich gewordener Witz in der Geschichte, aus kleinen Ursachen grosse Wirkungen entstehen zu lassen, und für die umfassende und tiefe Begebenheit eine Anekdote als erste Ursache aufzuführen. Eine solche sogenannte Ursache ist für nichts weite-
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res als eine Veranlassung, als äussere Erregung anzusehen, deren der innere Geist der Begebenheit nicht bedurft hätte, oder deren er eine unzählige Menge anderer hätte gebrauchen können, um von ihnen in der Erscheinung anzufangen, sich Luft zu machen und seine Manifestation zu geben. Vielmehr ist umgekehrt so etwas für sich kleinliches und zufälliges erst von ihm zu seiner Veranlassung bestimmt worden. Jene Arabesken-Mahlerey der Geschichte, die aus einem schwanken Stengel eine grosse Gestalt hervorgehen läßt, ist daher wohl eine geistreiche, aber höchst oberflächliche Behandlung. Es ist in diesem Entspringen des Grossen aus dem Kleinen zwar überhaupt die Umkehrung vorhanden, die der Geist mit dem | Aeusserlichen vornimmt; aber eben darum ist dieses nicht Ursache in ihm, oder diese Umkehrung hebt selbst das Verhältniß der Causalität auf. (401 | 268 f.) Sowohl im prototypischen Bereich der Rede von Ursachen, der physikalischen Mechanik und der ›anorganischen Physik‹ überhaupt, als auch in den metaphorischen Übertragungen in der Rede von Ursachen und Wirkungen im Bereich des Lebens und am Ende des Geistes, also des personalen Handelns und institutionellen Wissens, ›gilt‹ das Prinzip, dass »die Wirkung nicht größer sein könne als die Ursache«. Das Prinzip ist aber selbst schon metaphorisch formuliert. Der Ausdruck »nicht größer« ist im Grunde nur eine Ausdrucksvariante dafür, dass die Wirkung »nichts weiter als die Manifestation der Ursache« ist. In der Instanziierung einer Ur-Sache liegt die Wirkung. Man denke zum Beispiel an eine prototypische Prozessform wie im Billardballbeispiel für Druck, Stoß und Folgebewegung. Oder man denke an die Befeuchtung des Bodens bei Regen. Hegel reflektiert im zu kommentierenden Abschnitt über die üblichen Vorstellungen, nach welchem aus kleinen Ursachen große Wirkungen entstehen können, wie z. B. dem Stolpern des Pferdes von Dschingis Khan wegen eines Maulwurfhügels bzw. den leichten Verschärfungen von Formulierungen in Bismarcks Emser Depesche. Doch Hegel hat völlig recht, diese Anekdoten bestenfalls für geistreiche Arabesken-Malereien zu halten. Es ist logischer Unsinn, den Maulwurf zur ›Ursache‹ der Rettung des Abendlandes vor den Mongolen im 13. Jahrhundert zu erklären. Der deutsch-französische Krieg
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von 1870 ist auch nicht durch die Depesche verursacht worden, der Erste Weltkrieg noch nicht einmal durch die Ermordung von Erzherzog Ferdinand und seiner tschechischen Frau. Es ist sogar unklar, ob diese Einzelereignisse notwendige Bedingungen der sich ergebenden weiteren Geschichte sind, geschweige denn hinreichende ›Ursachen‹. Nicht wegen der Emser Depesche, sondern weil der Kriegswunsch Napoleons III. (nicht zuletzt als Reaktion auf die öffentliche Meinung in Frankreich) den politischen Zielen Preußens in Deutschland entgegen kam, haben Bismarck und Wilhelm I. den Krieg nicht verhindert. Am Ende lag es auch nicht nur an den Nachfolgeproblemen der Führung, dass sich Expansion der Mongolen nicht nach Mittel- und Westeuropa, sondern in andere Weltgegenden wie den vorderen Orient, Indien und China ausbreitete. Es lag wohl je auch an den abgeschätzten Risiken (Kosten) und den für erreichbar gehaltenen Nutzen. Entsprechend gehört für den Ersten Weltkrieg zur Gesamtursache neben der dezidierten russischen Panslawismuspolitik gerade auch das Bündnis der Entente, das Russland freie Hand ließ, seinem Bündnispartner Serbien durch einen Angri= auf Österreich zu Hilfe zu kommen. Das Vertragssystem führt damit quasi automatisch zum Zweifrontenkrieg der Mittelmächte. Aber noch nicht einmal die verheerende Entscheidung zum Präventivkrieg im Westen folgt mit Notwendigkeit aus der russisch-österreichischen Krise. Das bloße Beispiel der ›Ursache(n)‹ des Weltkriegs zeigt zugleich, wie ›ideologisch‹ die einseitig-narrativen und immer bloß anekdotischen ›empirischen‹ Darstellungen geschichtlicher Entwicklungen sind. Dass Großes aus Kleinem entstehen kann, ist allerdings in der Tat dort gegeben, wo Geistiges zur Ursache wird, wie z. B. im Reden und Denken des Menschen. Dieses verbraucht als solches kaum Energie, kann aber große Wirkungen haben. Eben das aber zeigt, dass man weder den Luftverbrauch des Sprechers noch seine Gehirnströme beim Überlegen oder auch nur die Handbewegungen beim Schreiben als Ursachen für die Folgen im Verstehen, Urteilen, Schließen und Handeln ansehen darf. – Es ergibt sich, dass alle physikalischen Kausal-Gesetze an den ›Wirkungen‹ des Wissens, Denkens, individuellen und kollektiv-kooperativen Handelns sozusagen außer Kraft
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sind – soweit sie nicht bloß handlungsfreie Geschehnisse in der bloß natürlichen Welt betre=en. 2. Diese Bestimmtheit des Causalitätsverhältnisses aber, daß Inhalt und Form verschieden und gleichgültig sind, erstrekt sich weiter. Die Formbestimmung ist auch Inhaltsbestimmung ; Ursache und Wirkung, die beyden Seiten des Verhältnisses, sind daher auch ein anderer Inhalt. Oder der Inhalt, weil er nur als Inhalt einer Form ist, hat ihren Unterschied an ihm selbst und ist wesentlich verschieden. Aber indem diese seine Form das Gausalitätsverhältniß ist, das ein in Ursache und Wirkung identischer Inhalt ist, so ist der verschiedene Inhalt äusserlich mit der Ursache einerseits, und andererseits mit der Wirkung verbunden; er tritt somit nicht selbst in das Wirken und in das Verhältniß ein. (401 | 269) Wir haben schon mehrfach gesehen, dass Inhaltsbestimmungen Formbestimmungen sind: Ein Inhalt ist eine innere Form. Sie ist als semantische Form verschieden von äußeren, etwa syntaktischen Formen, die als gleichgültige Repräsentationen zählen können, wie Übersetzungen aller Art klar zeigen. Jetzt kehrt Hegel die Betrachtung plötzlich um: Die »Formbestimmung ist auch Inhaltsbestimmung«, und zwar gerade in unserer Rede von Ursachen und Wirkungen. Denn einerseits ist die Wirkung Manifestation des Inhalts der Benennung der Ursache. Andererseits nennt man in der Ursache häufig noch mehr an Inhalt als den, der sich generisch-inferentiell in der Wirkung manifestiert. Wir sagen z. B., dass das durch eine Person X gelegte Feuer Ursache für den Brand des Reichstags gewesen war. Dafür, dass das gelegte Feuer den Brand verursacht hat, ist aber gleichgültig, ob er von den Nazis oder den Kommunisten gelegt wurde. Und doch ist ein von einem Kommunisten gelegtes Feuer politisch völlig anders zu bewerten als ein durch die Nazis selbst angestifteter Reichstagsbrand. Nur das gelegte Feuer, nicht der Name und die politische A;liation des Brandstifters tritt in das Kausalverhältnis des Abbrennens des Reichstags ein. Freilich mögen ein Kommunist und ein Nazi unterschiedliche Motive und Gründe für die Brandstiftung haben – so dass es verschiedene ›Ursachen‹ dafür gibt, dass das Feuer überhaupt gelegt wurde. Aber das ist ein ganz anderes – übrigens metaphorisches – Kausalitätsver-
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hältnis, da Motive und Gründe keine Ursachen im prototypischen Sinn sind, wie Hegel die Wirkung der Manifestation oder konkreten Instanziierung einer typischen Ur-Sache darstellt. Die folgende Überlegung Hegels ist deswegen so schwer zu verstehen, weil man üblicherweise viel zu wenig darüber nachdenkt, dass ›Eigenschaften‹ und ›Gegenstände‹ formal nur als Positionen in einem relationalen Gefüge zu verstehen sind. So ist die Zahl 3 nur als Position im geordneten Zahlsystem bestimmt. Ohne die Relation x < y und n + 1 = m ist sie gar nicht bestimmbar. Entsprechend ist etwas Ursache nur in der Relation oder in dem Prozess der Verursachung einer Wirkung. Dieser äusserliche Inhalt ist also verhältnißlos; – eine unmittelbare Existenz; – oder weil er als Inhalt die ansichseyende Identität der Ursache und Wirkung ist, ist auch er unmittelbare, seyende Identität. Diß ist daher irgend ein Ding, das mannichfaltige Bestimmungen seines Daseyns hat, unter anderem auch diese, daß es in irgend einer Rüksicht Ursache oder auch Wirkung ist. Die Formbestimmungen, Ursache und Wirkung, haben an ihm ihr Substrat, das heißt ihr wesentliches Bestehen, – und jede ein besonderes –, denn ihre Identität ist ihr Bestehen; – zugleich aber ist es ihr unmittelbares Bestehen, nicht ihr Bestehen als Formeinheit, oder als Verhältniß. ¦ (401 | 269) Der äußere Inhalt einer Bezugnahme auf eine ›Ursache‹ (als wirkendes Ding oder Ereignis) ist »verhältnislos«, ähnlich wie die äußere Form der Zeichen »eins«, »one«, »unum«. – Sonne, Sterne und Mond sind zunächst ›unmittelbare Existenzen‹. Aber ohne die relationalen und prozessualen Bestimmungen der Art, dass das Licht der Sonne notwendige kausale Bedingung (›Ursache‹) für alles Leben auf der Erde und ihre Masse für die Planetenbewegungen so verantwortlich ist wie die Erde für den Ort des Mondes, wären sie nur helle Stellen am Himmel. Die Sonne ist z. B. nicht etwa eine Menge phänomenaler Gehalte, die unmittelbare Existenz ihrer Erscheinungen, sondern »ein Ding, das mannigfaltige Bestimmungen seines Daseins hat«, zu denen wesentlich auch ihre Wirkungen nicht bloß auf unsere Sinne, sondern auch auf viele andere Dinge wie die irdische Natur gehören. In unserem Beispiel ist die Sonne bzw. das Sonnensystem das ›Substrat‹, das hypokeimenon, der Formbestimmungen ›Ursa-
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che‹ und ›Wirkung‹. Das »wesentliche Bestehen« der Wirkungen der Sonne als Ursache ist also der Gesamtprozess planetarischer Abläufe, damit auch allen irdischen Seins und Lebens. Nur als lokalisierbares Moment wird die Sonne und ihr ›Feuer‹ (seit Heraklit) als ›Ursache‹ z. B. allen Lebens auf der Erde und auch der Witterungsverhältnisse angesprochen, und das völlig zu Recht, wenn man nur versteht, was man dabei sprach- und darstellungstechnisch tut. Denn man ist von der Form eines bloßen Bestehens zur Darstellung generischer Verhältnisse in Prozessablaufsformen übergegangen. Aber dieses Ding ist nicht nur Substrat, sondern auch Substanz, denn es ist das identische Bestehen nur | als des Verhältnisses. Ferner ist sie endliche Substanz, denn sie ist bestimmt als unmittelbare gegen ihre Ursachlichkeit. Aber sie hat zugleich Causalität, weil sie eben so sehr nur das Identische als dieses Verhältnisses ist. – Als Ursache nun ist dieses Substrat die negative Beziehung auf sich. Aber es selbst, worauf es sich bezieht, ist erstens ein Gesetztseyn, weil es als unmittelbar wirkliches bestimmt ist; diß Gesetztseyn als Inhalt ist irgend eine Bestimmung überhaupt. – (402 | 269 f.) Hegels Vorschlag einer reflexionslogischen Kommentarsprache kann weiter am Beispiel der Sonne und ihrer Wirkungen exemplifiziert werden: Die Sonne als lokalisiertes Ding im zeitlichen Ablauf ist Substanz, nicht bloß Substrat. Es handelt sich um die Latinisierung von hypokeimenon (substratum) und ousia (substantia). Der Sprachwandel erzeugt hier eine gewisse Schwierigkeit des Verständnisses. Denn heutzutage versteht man in den postlateinischen Sprachen Europas (nicht nur im Deutschen) unter einem Substrat eine Art Masse von Sachen oder Einzelteilen von Dingen. Das Wort »Substanz« wird häufig im Sinne eines chemischen Sto=s aufgefasst. Aus der Rückübersetzung ins Griechische ergibt sich jedoch, dass das Substrat oder hypokeimenon das Ding nicht bloß als Sto=- oder Materieansammlung, sondern als Träger von Eigenschaften meint. Substanz oder ousia ist das Ding in seinem stabilen Wirkzusammenhang. Grob gesagt, ist die Sonne als hypokeimenon der glühende Ball, als ousia das Anwesen aller durch die Sonne im Sonnensystem mit kausaler ›Notwendigkeit‹ bedingten Prozesse. In der Ursprungsbedeutung von ousia, ähnlich wie im deutschen »Anwesen«, steht sozusagen ein
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ganzer landwirtschaftlicher Betrieb, nicht bloß ein Ensemble von Häusern, Gärten, Feldern und instrumentellen Dingen. Es war Heidegger, der auf diese wichtige Tatsache und damit auf den ›wahren‹ Begri= der ›endlichen‹ (aristotelischen) Substanz, der ousia, hingewiesen hat, ohne dass man die Leistungen seiner Inhaltsrekonstruktionen wesentlicher Reflexionslogik und ›Metaphysik‹ bis heute angemessen gewürdigt hatte. Die Sonne als endliche Substanz ist also, um zu unserer exemplarischen Auslegung zurückzukehren, das ganze Sonnensystem samt aller Manifestationen, Wirkungen. Als Gesamtwesen (ousia) ist diese endliche Substanz »bestimmt als unmittelbare gegen ihre Unendlichkeit«. Das aber heißt, dass man nicht alle relationalen Eigenschaften der Sonne betrachtet, sondern nur die im Sonnensystem wesentlichen. Damit wird auch der folgende, ohne unsere Rekonstruktion praktisch unverständliche Satz sinnvoll: Als Ursache ist das Substrat negative Beziehung auf sich. Er besagt, in unserem Exempel, dass die Auffassung der Sonne als Ursache der Planetenbewegung und des Lebens auf der Erde alle die kausalen Kräfte sozusagen als dispositionelle Eigenschaften in den Sonnenball als Substrat hineinlegt, die sich in den Wirkungen des substantiellen Sonnensystems manifestieren. Mit anderen Worten, in der Rede von der Sonne als Ursache verdichten wir die Darstellung der sich wiederholenden Prozessformen im Sonnensystem. Die wahre Substanz ist das System, nicht das Ding allein. Und doch könnten wir die Welt nicht sprachlich ohne die Lokalisierung von Ursachen und der durch sie bestimmten Normalfallwirkungen erschließen. Mit anderen Worten, die gesetzesartige Darstellung der Manifestation von Wirkungen durch kausale Kräfte ist nicht etwa eine unmittelbare Abbildung der Welt, sondern eine von uns geprägte Form. Die ›Wirklichkeit‹ von Kräften und Kausalität ergibt sich aus der ›Orientierungsrichtigkeit‹ der entsprechenden verdichtenden Darstellungsformen. Diese sind geistige Leistungen. In diesem Sinn allein ist eine wirkliche Ursache phänomenaler Erscheinungen selbst ein ›geistiges‹ Wesen. Das klingt nur für diejenigen spiritualistisch und mystisch, die noch nie über den logischen Status von Kräften und Dispositionen, Ursachen und Wirkungen, Wesen und
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Erscheinung nachgedacht haben. Es ist logisch naiv zu glauben, unsere wissenschaftlichen Theorien würden eine unmittelbare Wirklichkeit abbilden, welche Erscheinungen in dem Sinn kausalmechanisch hervorbringt, wie ein Stoß einer Kugel eine andere in Bewegung setzt. Die Formel »negative Beziehung auf sich« bedeutet also gerade, dass alle äußeren Wirkungen dem Ding als Äußerung dispositioneller, damit sozusagen ›innerer‹ Eigenschaften (auf kanonische und in sich reflektierte bzw. gemeinsam kontrollierte Weise) ›zugeschrieben‹ werden. Das Substrat oder Ding als Satzsubjekt für so zugesprochene dispositionelle Eigenschaften (als bedingte Wirkweisen) ist jetzt o=enbar selbst schon ein »Gesetztsein«, und zwar »weil es als unmittelbar Wirkliches bestimmt ist«, also seine Wirkungen enthält, womit der Kontrast zwischen (inneren) Ursachen und (äußeren) Wirkungen der Manifestationen in völliger Parallele steht zum Kontrast zwischen wissenschaftlich-theoretisch zu ›ent-deckender‹ Wirklichkeit (›hinter den Erscheinungen‹) und der Realität ihrer phänomenalen Manifestation. Dass dieses »Gesetztsein als Inhalt« »irgendeine Bestimmung überhaupt« ist, bedeutet, dass jede einem Substrat oder Ding (hypokeimenon) zugesprochene Eigenschaft längst schon dispositionell (›ursächlich‹) zu verstehen ist. Es sind also alle Eigenschaften von Dingen von der Form verdichteter ursächlicher Bedingungen bzw. dispositioneller Kräfte mit Normalfallwirkungen. Es gibt keine Dingeigenschaften ohne Einbettung in nomologische, aber je nur generische Kausalitätsverhältnisse und damit in die Kontrastierung von Wirklichkeit und Realität, Wesen und Erscheinung, generische Ursache und manifeste Wirkung. Zweytens ist ihm die Causalität äusserlich; diese macht somit selbst sein Gesetztseyn aus. Indem es nun ursachliche Substanz ist, besteht seine Causalität darin, sich negativ auf sich, also auf sein Gesetztseyn und äussere Causalität, zu beziehen. Das Wirken dieser Substanz fängt daher von einem äussern an, befreyt sich von dieser äussern Bestimmung, und seine Rükkehr in sich ist die Erhaltung seiner unmittelbaren Existenz und das Aufheben seiner gesetzten, und damit seiner Causalität überhaupt. (402 | 270) Allerdings erscheint es uns so, als wären die kausalen Wirkungen dem substratartigen Ding bloß äußerlich. Das liegt daran, dass die
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bloß di=erentielle Unterscheidungspraxis der lokalisierten Körperdinge zunächst ohne die inferentiell dichte Benennung ihres Wesens (ousia) auszukommen scheint. Man konnte die Sonne von anderen Himmelskörpern trivialerweise schon längst unterscheiden, bevor man ›wusste‹, wie wir sagen, wofür sie alles ›Ursache‹ ist. Das bestätigt aber nur noch einmal, dass die zugeschriebene dispositionelle Kausalität ein Gesetztsein ist. In der Reflexionssprache philosophischer Tradition unterscheidet sich also das Substrat (hypokeimenon) von der »ursächlichen Substanz« u. a. dadurch, dass die bloße res extensa noch nicht das wirklich wirkende Ding ist. Dabei braucht es schon für den Selbsterhalt des Dinges, z. B. eines Lebewesens, immer Kräfte, die wir entsprechend den Manifestationen der Wirkungen als Ursachen für diese holistisch in das Ding oder Wesen setzen. Die Lebenskraft der Psyche ist von eben dieser Form, aber auch die Kohäsionskraft von Steinen und anderen ›Festkörpern‹. – Übrigens ist der Ausdruck »Subjekt« eine zweite, zunächst rein syntakto-grammatische Übersetzungsvariante von »hypokeimenon«. Das Satzsubjekt ist der Satzgegenstand, über den etwas ausgesagt wird. Bei Aristoteles wird dieser Gegenstand auch als »to-ti-¯en-einai« thematisiert. Aus der Betrachtung von Sätzen, in denen das Wort »ich« oder eine Verbform in der 1. Person Singular wie »amo« vorkommt, entwickelt sich die Verwendung des Ausdrucks »Subjekt« als Titel für den sprechenden und handelnden Akteur – in der Doppeldeutigkeit der Selbstaussagen, nach denen das »ich« zugleich zum Satzgegenstand und damit zum Gegenstand der Aussage wird. Wir tun daher durchaus gut daran, in einer kanonischen Reflexionssprache das Wort »Subjekt« vom Satzsubjekt, also dem Satzgegenstand, zu unterscheiden und für die Vollzugsform eines lebenden, vorzugsweise animalischen Wesens zu reservieren. Das Subjekt ist für uns heute das Daseins Heideggers, das sich nicht auf das Da- und Dortsein zuhandener und vorhandener Dinge bezieht, sondern auf das Sein des Subjektes. Die Ambiguitäten des Wortes machen es zwar verständlich, dass Heidegger das Wort »Subjekt« und erst recht die Rede vom Ich vermeidet und der KantFichte-Hegel-Tradition eine naive Vorstellung von einem Subjekt-
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Objekt-Verhältnis bzw. einer Beziehung von Ich zum Nicht-Ich zuschreibt. Allerdings unterschätzt Heidegger das philosophische und das sprachgeschichtliche Verständnis Hegels, nicht zuletzt aufgrund einer gewissen Überschätzung der eigenen Leistungen bei der expliziten Reflexion auf traditionelle ›metaphysische‹ Kernwörter philosophischer Kommentarsprache. Für uns bleiben sowohl Hegels als auch Heideggers Explikationsansätze hilfreich. Wir können jetzt z. B. zwischen syntaktischem Satzgegenstand, dem ggf. auch abstrakten Gegenstand der Rede (to ti e¯ n einai), dem dingartigen Substrat (hypokeimenon) von Eigenschaften und dessen Gesamtsubstanz (ousia) als Anwesen oder ursächliche Sache unterscheiden, ferner zwischen akzidentellen (kontingenten, bloß aktualen) Eigenschaften (symbebekos) und Wesenseigenschaften der ousia, als Ur-Sache, zu denen insbesondere dispositionelle Wirk-Kräfte (dynameis) und die energeia ihrer auf ein normales Ziel ausgerichtete Manifestation in aktualer entelecheia gehört. Eine dynamis ist also eine latente Kraft oder Disposition und damit eine modale Möglichkeit, die aber weit mehr ist als bloße possibilitas. Sie ist generische potentia, eine Potenz, Fähigkeit. Bei Lebewesen, besonders bei personalen Subjekten, also gebildeten Menschen, ist sie eine virtus, aret¯e, also eine Kompetenz des Handelns. Die energeia ist die Ursache als kausale Wirkkraft selbst, die in der entelecheia zur Wirkung kommt. Diese wirkliche Wirkung ist Manifestation einer inferentiellen Normalfalldisposition qua dynamis und Aktualisierung einer wirkenden Ursache bis zum Normalfall-Ende, das z. B. eine Zweckerfüllung sein kann. In eben diesem Sinn besteht die Wirkung in der Instanziierung eines Normalfallablaufs. So ist ein Stein, der sich bewegt, Ursache; seine Bewegung ist eine Bestimmung, die er hat, ausser welcher er aber noch viele andere Bestimmungen der Farbe, Gestalt u. s. f. enthält, welche nicht in seine Ursächlichkeit eingehen. Weil seine unmittelbare Existenz getrennt ist von seiner Formbeziehung, nemlich der Causalität, so ist diese ein äusserliches; seine Bewegung, und die Causalität, die ihm in ihr zukommt, ist an ihm nur Gesetztseyn. – Aber die Causalität ist auch seine eigene; diß ist darin vorhanden, daß sein substantielles Bestehen seine identische Beziehung auf sich ist, diese aber ist
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nunmehr als Gesetztseyn bestimmt, sie ist also zugleich negative Beziehung auf sich. – (402 | 270) Hegel selbst betrachtet jetzt als Beispiel einen sich bewegenden Stein. Er ist Ursache (Substrat und Substanz) z. B. für ein Loch oder eine Delle an einem Ding, auf das er tri=t, aber nur vermöge seiner Schwere (Masse), nicht seiner Farbe. Nur bedingt spielt auch seine Gestalt eine Rolle. Farbe und Aussehen erscheinen gegenüber der mechanischen Wirkung als äußerlich, weswegen sie in der neuzeitlichen Metaphysik des mechanischen Materialismus und Empirismus als sekundäre Qualitäten erscheinen. Dennoch ist die Kausalität der Gravitation, die Kraft als Vektor in Anhängigkeit von Masse und Bewegung, »an ihm nur Gesetztsein«, und zwar in unserer Gesamtpraxis der Zuordnung des Beitrages des Steines selbst (seiner Masse) zur relativen Bewegungsform des Steines, der von ihm getro=enen Dinge oder, wenn der ›Stein‹ sehr groß ist wie etwa der Mond, auch für viele andere Sachen ›in der Nähe‹ wie z. B. für die Gezeiten der Meere. Wieder meint die negative Beziehung des Steins oder des Mondes auf sich gerade das, was wir dem Mond selbst als (dispositionelle bzw. wirkende) Eigenschaften zuschreiben. Seine Causalität, welche sich auf sich als auf das Gesetztseyn oder als ein Aeusseres richtet, besteht daher darin, es | aufzuheben, und durch die Entfernung desselben in sich zurükzukehren, – somit insofern nicht in seinem Gesetztseyn identisch mit sich zu seyn, sondern nur seine abstracte Ursprünglichkeit wiederherzustellen. – (402 | 270 f.) Die Kausalität eines Dinges besteht in seinen Dispositionen. Sie richtet sich auf sich, da sie in das Ding für sich in seiner substantiellen Einheit gesetzt ist. Sie verhält sich aber zu etwas Äußerem. Eine Disposition manifestiert sich, indem sie, wie eine an einer Feder aufgezogene Spieluhr, abläuft und sich damit eine latente Spannung aufhebt. Wenn das Telos, also das Ende, einer dispositionellen Normalfallwirkung erreicht ist, hört die Kausalität bzw. dispositionelle Kraft zu wirken auf; die Spieluhr bleibt z. B. stehen; das sich im Wasser lösende Salz löst sich in der gesättigten Lösung nicht weiter usf. – Hegels Darstellung klingt heute leicht antiquiert, erläutert er doch, wie schon Aristoteles, Dispositionen teleologisch, als Tendenz einer
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Sache, ihren ›ursprünglichen‹ Ende- oder Ruhezustand zu erreichen. Bei Aristoteles tendiert der Apfel dementsprechend dazu, sich auf seinen ›natürlichen Ort‹, die Erde, hinzubewegen, sofern ihn der Stiel nicht daran hindert und am Ast festhält. Die moderne Bildung hat uns so weise gemacht, dass wir solche teleologischen Erklärungen als falsch verwerfen und sagen, dass es die Gravitationskraft der Erde sei, welche den Apfel zum Fallen bewege, während diese selbe Kraft den Mond auf seiner Bewegungsbahn hält. Eine causa finalis gebe es nicht, nur eine causa e;ciens. Allerdings tritt auch im Erklärungsformat der Newtonschen Mechanik eine Art natürlicher Ruhe-Zustand auf, nämlich die unbeschleunigtgeradlinige, inertiale, also kräftefreie Bewegung. Er wird damit als Defaultfall ideal unterstellt. Alle Dinge würden sozusagen auf inertialen Bewegungsbahnen verharren, wenn das nicht durch die Gravitationskräfte der Körpermassen verhindert würde. In genau diesem Sinn ist die Wahrheit des Mechanismus die Teleologie der Defaultbewegungsformen. Oder der Regen ist Ursache der Nässe, welche dasselbe Wasser ist als jener. Dieses Wasser hat die Bestimmung, Regen und Ursache zu seyn, dadurch daß sie von einem andern in ihm gesetzt ist; – eine andere Kraft oder was es sey, hat es in die Luft erhoben und in eine Masse zusammengebracht, deren Schwere es fallen macht. Seine Entfernung von der Erde, ist eine seiner ursprünglichen Identität mit sich, der Schwere, fremde Bestimmung; seine Ursächlichkeit besteht darin dieselbe zu entfernen, und jene Identität wieder herzustellen, damit aber auch seine Causalität aufzuheben. (402 | 271) Es ist ein tiefes Verständnis von Ironie nötig, um Hegels keineswegs nur ironisch gemeintes Beispiel angemessen zu verstehen und nicht vorschnell aufgrund unserer aufgeklärten Bildung zu erklären, die moderne Wissenschaft habe festgestellt, dass es keine teleologischen Ursachen gäbe und erst recht keine ›natürlichen Ruhelagen‹. Das Gegenteil ist der Fall: Ohne die Unterstellung eines Normalfallstrebens in Richtung (idealer) Endzustände wie der inertialen Bewegung oder des Wärmetods gleichverteilter ›Energie‹ sind die kausalen Kräfte der modernen Physik gar nicht zu verstehen. Sie erklären je nur die Abweichungen von diesem Streben.
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Hegels Beispiel des Regens als Ursache des nassen Grases erinnert noch einmal daran, dass der ›Inhalt‹ der Ursache und Wirkung dasselbe Wasser ist. Es ist im Regen Ursache, nachdem »eine andere Kraft« das Wasser hat verdunsten lassen, »es in die Luft erhoben« hat. Indem sich die feuchte Luft zu Wolken zusammenballt und sich in den Wolken z. B. um winzige Staubkerne Tropfen bilden, sorgt deren Schwere dafür, dass sie – vermöge der Erdanziehungskraft – auf die Erde fallen. Das Aufsteigen feuchter Luft ist, wie Hegel sich ausdrückt, eine »der Schwere fremde Bestimmung« – so dass es so wirkt wie das Aufziehen der Feder einer Spieluhr. Es bedarf dann nur wieder des Eintretens der dispositionellen Startbedingung, um die Spieluhr zum Laufen oder die Regentropfen zum Fallen zu bringen. Die ›Kausalität‹ oder Disposition wird eben damit aufgehoben. Die Feder entspannt sich. Das Wasser fließt zum tiefsten Punkt, in die Meere. Die itzt betrachtete zweyte Bestimmtheit der Causalität geht die Form an; diß Verhältniß ist die Causalität als sich selbst äusserlich, als die Ursprünglichkeit, welche eben so sehr an ihr selbst Gesetztseyn oder Wirkung ist. (402 | 271) Weit entfernt von der Vorstellung, kausale Ursachen seien von der Form einer Druck-und-Stoß-Mechanik nach dem Muster von Billardballbewegungen, erkennen wir das implizit Teleologische in der Form der Kausalität als Disposition, unter gewissen Bedingungen eine gewisse Wirkung als relativen Endzustand zu erzeugen. Dieses ›Telos‹ ist dem Ding sowohl innerlich als auch äußerlich. Als Ruhelage relativ zu anderen Dingen oder Sachen ist das Ende äußerlich bestimmt. Hegels Ausdruck der »Ursprünglichkeit« verweist in unserem Paradigma sozusagen auf eine nicht aufgezogene Feder oder auf die ›ursprüngliche‹ Lage des Wassers in den Meeren oder auf eine ›ursprüngliche‹ inertiale Bewegungsform, die es empirisch freilich gar nicht rein gibt. Das letzte Beispiel zeigt besonders klar, inwiefern jede ›ursprüngliche Ruhelage‹, zu der die Dinge sozusagen von selbst (zurück) streben, sofern keine äußeren Kräfte sie daran hindern, »Gesetztsein oder Wirkung« ist. Diese Vereinigung der entgegengesetzten Bestimmungen als im seyenden Substrat macht den unendlichen Regreß von Ursachen zu Ur¦sachen aus. – (402 f. | 271)
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Die »Vereinigung der entgegengesetzten Bestimmungen« »im seienden Substrat« – wobei das Wörtchen »als« vielleicht andeutet, dass hier im Modus des Als-ob geredet wird, also so, als seien diese Bestimmungen in einem Ding irgendwie vereint – bezieht sich demnach auf die Spannung zwischen der Default-Tendenz eines Dinges, eine ›ursprüngliche Ruhe‹ als Telos zu erreichen, und der Ursachen aus der Umgebung, welche das Ding daran hindern, in dieser Ruhe unmittelbar zu verbleiben. Jetzt müssen wir auch den zunächst schwierigen »unendlichen Regress von Ursachen zu Ursachen« dialektisch von der eben geschilderten Spannung her ›erklären‹. Dabei führt die Frage nach den Ursachen im Ausgang vom jetzigen Zustand der Welt in die Vergangenheit. Der Regress, der hier thematisiert wird, entsteht, wenn wir nach der Ursache einer Ursache für eine gegebene Wirkung, z. B. des nassen Grases, fragen. Als erste Ursache werden wir vielleicht den Regen nennen, als Ursache des Regens die Tropfenbildung ›in den Wolken‹, als Ursache der Wolken die Wasserverdunstung. Fragen des Luftdrucks und der ›Sättigungsgrade‹ der Luft in Bezug auf Wasserdampf (als Gas) und vieles andere mehr können zunächst ausgeblendet bleiben. Dennoch wird man die Ursachenkette entsprechend fortfahren können und müssen. Das verdampfende Wasser der Ozeane und Meere wird ja nicht unmittelbar zum Regen. Es wird von der Wirkung angefangen; sie hat als solche eine Ursache, diese hat wieder eine Ursache und so fort. Warum hat die Ursache wieder eine Ursache? das heißt, warum wird dieselbe Seite, die vorher als Ursache bestimmt war, nunmehr als Wirkung bestimmt und damit nach einer neuen Ursache gefragt? – (403 | 271) Warum, fragt Hegel, hat jede Ursache eine Ursache? Dabei erläutert er die Frage so: Warum wird das, was in der einen kausalen Erklärung als Ursache angegeben wurde, jetzt in einem jeweils weiteren Schritt zur Wirkung einer anderen Ursache? Was heißt es, auf diese Weise rekursiv nach Ursachen zu fragen? Handelt es sich nur um die schematische Wiederholung der Kinderfrage »warum«? Diese wird ja irgendwann abgebrochen und mit einem Regress-Stopper abgeblockt. Es handelt sich um ›Antworten‹ der Form: »darum!« oder:
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»weil die natürliche Welt so ist«, was äquivalent ist zu: »weil Gott es so gewollt hat«. Aus dem Grunde, weil die Ursache ein endliches, bestimmtes überhaupt ist; bestimmt als Ein Moment der Form gegen die Wirkung; so hat sie ihre Bestimmtheit oder Negation ausser ihr; eben damit aber ist sie selbst endlich, hat ihre Bestimmtheit an ihr, und ist somit Gesetzt|seyn oder Wirkung. Diese ihre Identität ist auch gesetzt, aber sie ist ein Drittes, das unmittelbare Substrat; die Causalität ist darum sich selbst äusserlich, weil hier ihre Ursprünglichkeit eine Unmittelbarkeit ist. Der Formunterschied ist daher erste Bestimmtheit, noch nicht die Bestimmtheit als Bestimmtheit gesetzt, er ist seyendes Andersseyn. Die endliche Reflexion bleibt einerseits bey diesem Unmittelbaren stehen, entfernt die Formeinheit davon und läßt es in anderer Rüksicht Ursache und in anderer Wirkung seyn; andererseits verlegt sie die Formeinheit in das Unendliche, und drükt durch das perennirende Fortgehen ihre Ohnmacht aus, sie erreichen und festhalten zu können. (403 | 271 f.) Zunächst aber müssen wir verstehen, warum die rekursive Wiederholung der kausalen Warum-Frage nach den Ursachen der Ursachen keineswegs von vornherein kindisch, sondern notwendig ist. Es ist interessant, dass diese Überlegung nicht bloß eine historisch-zeitliche, sondern eine logische Dimension hat. Diese versucht Hegels Kommentar zu explizieren. Wie die endliche Substanz (ousia) sich von Spinozas unendlicher Substanz, der ganzen Welt, durch ihre ›lokale‹ Bestimmtheit in einem prima facie di=usen Ganzen unterscheidet, so auch jede endliche Ursache von ›der Ursache‹ von allem. Die Substanz und die Ursache in der Totalen heißt bei Spinoza »deus sive natura«. Das heißt, dass alle endlichen Dinge und Ursachen bloß als Momente in einem Gesamtprozess verstanden werden. Dasselbe gilt für ihre Wirkungen. Die Bestimmung der Ursache geschieht durch ihre Wirkung, wobei diese Bestimmung qua negatio oder determinatio in einem größeren Rahmen ›außer ihr‹ stattfindet. D. h. Ursachen und Wirkungen sind endlich bestimmte Falltypen, generisch verbunden durch eine materialbegri=liche Regel, nach welcher die Ursache als Ursache nur dann instanziiert ist, wenn die Wirkung sich manifestiert, sie
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aber als generische Ursache ›normalerweise‹ zur typischen Wirkung führt. »Die endliche Reflexion« verständigen Denkens kennt nur die Unmittelbarkeiten bestimmter Dinge und Sachen (Ereignisse) als aktualisierte Dingtypen oder Sachformen. Sie betrachtet diese als unmittelbare Manifestation von Ursachen in den Wirkungen oder als Instanziierungen von Sachen, die als solche die Manifestationen einer Wirkung zur Folge haben und so zu Ursachen werden. Das Und-so-weiter dieses Regresses ergibt sich ›mit Notwendigkeit‹ daraus, dass im endlichen Reflektieren nur endliche Bestimmungen vorkommen und spekulative Totalitätsbegri=e wie »die ganze bisherige Welt« als »die Ursache« aller weiteren Wirkungen gerade nicht vorkommen dürfen. Die »Ohnmacht« des endlichen Verstandes, die zunächst so schwer zu verstehen ist, besteht also gerade darin, dass er sich selbst verbietet, über den Rahmen seiner endlichen Bestimmungen zu sprechen. Dieses Verbot wird zum Teil irrtümlich ›begründet‹ durch die Versicherung, es sei von vornherein sinnlos, über das Ganze der Welt oder auch nur meines Lebens zu sprechen. Das ist es in der Tat, wenn man meint, dass sinnvolle Rede daran gebunden sei, endlichen empirischen Gegenständen endliche Prädikate zuzusprechen. Totalitäten wie Gott und Welt, Natur und Wirklichkeit sind aber, wie Hegels Logik zeigt, gar keine (semi-sortalen) Gegenstände, schon gar keine Dinge ›in der Welt‹. Skeptische Vorsicht in Bezug auf das rechte Verständnis spekulativer Aussagen über Totalitäten ist also zwar angebracht, weil es z. B. absurd wäre, wenn jemand ›alles‹ darüber zu wissen beanspruchte, wer oder was er selbst ist oder wie die Welt insgesamt verfasst ist oder in aller Zukunft sein wird. Daraus folgt aber keineswegs die Unmöglichkeit sinnvoller Sätze über Ganzheiten. Hier gibt es sogar wahre, also orientierungsrichtige, und falsche, also in Sackgassen und auf Holzwege führende Sätze oder Aussagen. Falsch ist z. B. die Aussage, die ganze Welt sei nichts als die Bewegung von subatomaren und atomaren Teilchen im Weltall nach dem Urknall gemäß ›ewigen‹ physikalischen Gesetzen, die freilich im Detail nur ein perfekter Physiker – Gott – kennen könne, während wir Menschen nur hypothetische Theorien über das System der wahren Gesetze formulieren könnten.
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Richtig dagegen wäre die Aussage, dass rein physikalische Gesetze nur die Prozessformen unbelebter Sachen darstellen können und für das Leben weitere Darstellungsformen nötig sind, obgleich im Leben auch physikalische und chemische Prozesse eine Rolle spielen. Oder dass die Zukunft sowohl der physikalischen als auch der biologischen und erst recht der geistigen Menschenwelt in vielerlei Betracht o=en ist, also gerade nicht im Detail und noch nicht einmal in vielen großen Zügen vorhersagbar ist, selbst wenn wir zugeben mögen, dass ›irgendwann einmal‹ diese ganze ›Welt‹ untergehen wird, so wie jede Person als Individuum und jedes Tier als Subjekt sterben wird. Alles ist insgesamt endlich. Mit der Wirkung ist es unmittelbar der nämliche Fall, oder vielmehr der unendliche Progreß von Wirkung zu Wirkung ist ganz und dasselbe was der Regreß von Ursache zu Ursache ist. In diesem wurde die Ursache zur Wirkung, welche wieder eine andere Ursache hat; eben so wird umgekehrt die Wirkung zur Ursache, die wieder eine andere Wirkung hat. – (403 | 272) Der unendliche Regress der Frage nach Ursachen, der in die Vergangenheit reicht, ist ein Regress schlichter, also kindlicher Unendlichkeit insofern, als am Ende tatsächlich die Anerkennung der großen Tatsachen steht, »dass die Welt ist« und es uns selbst in der Welt »gibt«, wie wir schon aus der Doppelperspektive der Sprecher (»wir«, »uns«) und der Betrachtung von uns selbst von der Seite (»es gibt mich und uns in der Welt«) wissen. Das gilt für die Frage nach den vergangenen Ursachen der Ursachen ebenso wie für die Frage nach den zukünftigen Wirkungen der Wirkungen. Die betrachtete bestimmte Ursache fängt von einer Aeusserlichkeit an, und kehrt in ihrer Wirkung nicht als Ursache in sich zurük, sondern verliert vielmehr die Causalität darin. Aber umgekehrt kommt die Wirkung an ein Substrat, welches Substanz, ursprünglich sich auf sich beziehendes Bestehen ist; an ihm wird daher diß Gesetztseyn zum Gesetztseyn; das heißt, diese Substanz, indem eine Wirkung in ihr gesetzt wird, verhält sich als Ursache. Aber jene erste Wirkung, das Gesetztseyn, das an sie äusserlich kommt, ist ein anderes als die zweyte, die von ihr hervorgebracht wird; denn diese zweyte ist bestimmt, als ihre Reflexion-in-sich, jene aber als
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eine | Aeusserlichkeit an ihr. – Aber weil die Causalität hier die sich selbst äusserliche Ursachlichkeit ist, so kehrt sie auch eben so sehr in ihrer Wirkung nicht in sich zurük; wird sich darin äusserlich, ihre Wirkung wird wieder Gesetztseyn an einem Substrate, – als einer andern Substanz, die aber eben so es zum Gesetztseyn macht, oder sich als Ursache manifestirt, ihre Wirkung wieder von sich abstößt und so fort in das Schlecht-Unendliche. ¦ (403 | 272 f.) Eine bestimmte Ursache – wie der Regen, der die Straße nässt – »fängt von einer Äußerlichkeit an«, der Unterscheidung zwischen Regen, Schneefall und trockener Witterung. Seine Wirkung, die nassen Straßen, anschwellenden Flüsse usf. beendigt das lokale Kausalitätsverhältnis. Das ist selbst dann so, wenn wir den Kreislauf des Wassers betrachten – und die Frage nach der Herkunft des Wassers stellen. Warum aber soll die Wirkung an ein Substrat gelangen, »welche Substanz, ursprünglich sich auf sich beziehendes Bestehen« sein soll? Und was soll es heißen, dass an ihm »dies Gesetztsein zum Gesetztsein« wird? Hegel versucht, diese Form einer causa sui so zu erläutern: »das heißt, diese Substanz, indem eine Wirkung in ihr gesetzt wird, verhält sich als Ursache«. Doch weder das zu Erläuternde noch die Erläuterung scheinen hinreichend klar zu sein. Das gilt auch für alles Folgende im vorliegenden Abschnitt. Wir scheinen uns also immer noch in einer Verstehens-Aporie zu befinden. Das liegt aber wohl daran, dass Hegel nicht immer deutlich genug zwischen einem totalen (spekulativen) und einem formentheoretischen (logischen) Gebrauch der Wörter Substanz und Ursache unterscheidet. Hegels Gedankenführung bzw. seine Aneinanderreihung von Sätzen und Versicherungen erscheint als abwegig, obskur, undurchdringlich, wenn wir sie hier auf endliche Ursachen und Wirkungen beziehen. Von welchen zwei Wirkungen ist die Rede? Die erste Wirkung nennt Hegel »das Gesetztsein«, das an sie (die Ursache?) »äußerlich kommt«. Die zweite Wirkung ist die, welche von ihr (die Ursache!) »hervorgebracht wird«. Diese zweite sei bestimmt als »ihre« (der Ursache?, der Wirkung?) Reflexion-in-sich, jene aber als eine Äußerlichkeit an ihr (der Ursache?). Schon die anaphorischen Beziehungen sind unklar und erlauben prima facie viel zu viele mögliche Lesarten. Hegel unterstellt, dass seine Lesart der Sätze auch uns unmittelbar
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inhaltlich einleuchten. Dabei ist schon die Unterscheidung zwischen Äußerem und Innerem, Äußerlichkeit, Gesetztsein und die metaphorische Rede von einem Abstoßen höchst obskur. Versuchsweise können wir den Gedankengang vielleicht dennoch so rekonstruieren: In jeder Rede von einer Wirkung findet sich ein Hinweis auf ein Substrat, ein System von Dingen, welches seinerseits auf eine endliche Substanz, eine ousia als Vollzugswesen dieser Dinge, verweist, welches als endliches Ganzes Ursache, aitia, der Wirkung ist oder als solche ›gesetzt‹ ist (behauptet oder anerkannt wird). Diese ousia tritt sowohl generisch, als Typ, als auch in dessen Instanziierung oder ›Token‹ im Kausalprozess auf: Im ersten Fall handelt es sich um einen Prozesstyp, im zweiten um dessen Aktualisierung. Nur im zweiten Fall ist die zunächst bloß mögliche Ursache ›die Ursache‹ ›der Wirkung‹. Im ersten Fall aber wird eine generische Wirkung, eine typische Folge, mit der Bestimmung der (möglichen) Ursache ›gesetzt‹, etwa nach Art: Wo es brennt, entsteht unter gewissen Bedingungen Rauch. Eine gewisse Form des Rauches verweist auf eine gewisse Form eines Feuers als Ursache. Nach Eintritt einer Wirkung (als Instanziierung, Token) fragt man also nach einer (›der‹) Ursache und findet diese in einer Dingkonstellation (›Substanz‹), welche der Art nach eine Wirkung des vorliegenden Typs hervorbringen kann und, mangels Alternativen, als wahrscheinliche oder sichere ›Ursache‹ der betre=enden Wirkung gesetzt bzw. anerkannt werden mag. Auch wenn Details unklar sind, die eine Beziehung von Ursache und Wirkung besteht auf der generischen Ebene darin, dass eine substantielle Dingkonstellation eines bestimmten Typs normalerweise eine typische Wirkung hervorbringt – was wir in einer bedingten generischen bzw. materialbegri=lichen Regel zum Ausdruck bringen und lernen mögen. Die andere besteht darin, dass eine konkrete Wirkung (als Manifestation) vorliegt und wir über ›die Ursache‹ dieser Wirkung in der Form einer abstraktiven Reflexion-an-sich sprechen und diese mit dieser oder jener konkreten Dingkonstellation identifizieren. Dass die Kausalität in der Wirkung »nicht in sich zurück« kehrt, sondern »sich« äußerlich ist, bedeutet gerade, dass die Wirkung als Manifestation noch weitere Bestimmungen hat als bloß die, Aktualisierung der durch die Ursache verursachten Folge zu sein. Als
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substantielle Dingkonstellation kann sie so Ursache für weitere Folgen bzw. Wirkungen sein, die keineswegs unmittelbare generische Wirkungen der ursprünglichen Ursache sind. Es gibt also keine einfache ›Transitivität‹ der Ursache-Wirkungs-Relation, noch nicht einmal eine notwendige ›Determination‹ der Wirkung als Folge, wie wir oben schon gesagt haben. In jedem Fall müssen wir extrem vorsichtig sein, wenn Ursachen einer Wirkung gesetzt, d. h. behauptet werden, und zwar sowohl auf generischer Ebene als auch in Aktualisierungen, erst recht aber, wenn von ›der Ursache‹ reflexionslogisch die Rede ist. Wir verstehen jetzt auch, inwiefern der Fortgang von einer Ursache zu ›ihrer‹ Wirkung und der Regress von einer Ursache zu deren Ursache der Form nach immer möglich bleibt, ohne dass es einen allzu guten Sinn hat, von einer Gesamtreihe derartiger Ursachen und Wirkungen zu sprechen. Die Rede von der Gesamtreihe ändert den Redemodus, man geht über von der Logik der Formen zur spekulativen Metaphysik der Totalität der Welt, also sozusagen zur Theologie. Kants Fehler ist, dass er das nicht sieht. Hegel wehrt sich hier also gegen die Unterstellung einer ›schlecht-unendlichen‹ Folge von Ursachen bzw. Wirkungen nicht bloß als einer angeblich gegebenen Tatsache, sondern schon als einem sinnvollen Redegegenstand. Genauer warnt Hegel vor Problemen in der Vorstellung, eine Gesamtfolge ursächlicher Vorbedingungen sei die Ursache einer endlichen Wirkung – oder eine Gesamtfolge von Wirkungen sei die Wirkung einer Ursache. 3. Es ist nun zu sehen, was durch die Bewegung des bestimmten Causalitätsverhältnisses geworden ist. – Die formelle Causalität erlischt in der Wirkung; dadurch ist das Identische dieser beyden Momente geworden; aber damit nur als an sich die Einheit von Ursache und Wirkung, woran die Formbeziehung äusserlich ist. – (404 | 273) Hegel spricht in seinem Metakommentar zur Kommentierung des Sinns der Rede über Ursachen und Wirkungen von einer »Bewegung« des »Kausalitäts-Verhältnisses«. Gemeint ist nicht, dass sich das Verhältnis selbst irgendwie bewegt, sondern dass wir uns in unserem Nachdenken auf einer bestimmten Bahn fortbewegen, z. B. von einer naiven Vorstellung, dass Ursachen und Wirkungen unmittelbare Sachen (Dinge, Dingkonstellation, Prozesse, Ereignisse) in der
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Welt sind, losgelöst von unseren Setzungen von Ursache-WirkungsBeziehungen oder besser kausalen Formprozessen. Was aber heißt es, dass die formelle Kausalität, wie Hegel sagt, »in der Wirkung« »erlischt«? Die Aussage wiederholt möglicherweise nur die obige Beobachtung, dass eine Ursache nicht über ›ihre‹ Wirkung hinausreicht. Eine Wirkung wird also bloß dadurch wieder zur Ursache, dass andere als in der generischen Kausalitätsrelation angegebene Eigenschaften (kontingenterweise vielleicht) auftreten, welche die konkrete Wirkung in ihrer Manifestation (als ›token‹) zu einer Ursache für eine weitere Wirkung werden lässt, und zwar vermittelt durch eine je neu an das Relevante anzupassende generische Regel, welche die neue Ursache als typische notwendige Bedingung mit einem Folgentyp verbindet. Es gibt also doch keine unmittelbare Identität von Ursache und Ereignis oder Wirkung und Zustand. Das Identische von Ursache und Wirkung besteht, wie Hegel erläutert, darin, dass sich in der Wirkung die Ursache manifestiert. Das wiederum bedeutet, dass wir aus der manifesten Wirkung b auf ›die Ursache‹ a schließen können und von der ›vollen Ursache‹ a auf ›die Wirkung‹ b. Es handelt sich also um eine doppelte Implikation: wenn und nur wenn a, dann b. Das gilt aber nur an sich, nur auf der generischen Ebene. Denn der Übergang von A zu B auf der Typenebene folgt einer materialbegri=lichen Form oder Norm, welche kontingente Ausnahmen zulässt: Wo Feuer ist, ist Rauch. Wo Rauch ist, ist oder war Feuer. Wegen des bloßen ›An-sich‹, das den Status des Generischen anzeigt, ›folgt‹ aus dem Vorliegen eines Feuers dennoch keineswegs immer, dass es raucht. Die Äußerlichkeit der Formbeziehung von Ursache und Wirkung scheint also darin zu liegen, dass sie von uns gesetzt und als gute Orientierung anerkannt ist, wie alles materialbegri=liche Wissen. In den begri=lichen Bestimmungen der je relevanten Ursache-Wirkungs-Beziehung, der Kausalrelation, ist dieses je schon enthalten. Analoges gilt für den Schluss von ›der‹ Wirkung auf ›die‹ Ursache. Diß Identische ist dadurch auch unmittelbar nach den beyden Bestimmungen der Unmittelbarkeit, erstens als Ansichseyn, ein Inhalt, an dem die Causalität sich äusserlich verläuft; zweytens als ein existirendes Substrat, dem die Ursache und die Wirkung inhäriren,
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als unterschiedene Formbestimmungen. Diese sind darin an sich eins, aber jede ist um dieses Ansichseyns oder der Aeusserlichkeit der Form willen sich selbst äusserlich, somit in ihrer Einheit mit der andern auch als andre gegen sie bestimmt. Daher hat zwar die Ursache eine Wirkung, und ist zugleich selbst Wirkung ; und die Wirkung hat nicht nur eine Ursache, sondern ist auch selbst Ursache. Aber die Wirkung, welche die Ursache hat, und die Wirkung, die sie ist; – eben so die Ursache, welche die Wirkung hat, und die Ursache, die sie ist, sind verschieden. (404 | 273) Mein erläuternder Kommentar geht notgedrungen in Form und Inhalt über das von Hegel wörtlich Gesagte hinaus. – Die Vorstellung, dass aus endlichen Ursachen endliche Wirkungen ›mit absoluter Notwendigkeit‹ folgen, ist falsch, sofern wir diesen Übergang nicht rein tautologisch lesen. Dann sprechen wir etwas nur dann als Ursache an, wenn die Wirkung erfolgt ist. Das Wort »etwas« steht hier, wie Hegel analysiert, für ein unabhängig von der kausalen Relation bestimmtes Ereignis bzw. eine empirische Dingkonstellation (ex post). Diese bildet eine endliche ›Substanz‹, die als solche eine aktualisierte Form ist. Eine solche endliche Substanz aber ist nie die gesamte Ursache für eine Wirkung. Das ist so, weil sozusagen der Kontext immer mitwirkt, so dass am Ende z. B. dein Verstehen eines Wortes von mir nur in der gesamten bisherigen Weltgeschichte ihre Gesamtursache findet. Mit anderen Worten, Spinoza und Hegel sehen, dass die üblichen idealen Vorstellungen von einer vollständigen Ursache, Substanz, Wirkung rein formal, ideal, reflexionslogisch zu lesen sind. Realiter sind sie nur generisch für Normalfälle tauglich. Spekulative Aussagen über die Totalität der ganzen Welt sind daher ›Grenzbegri=e‹ idealer Formenreflexion. Hegel geht über Spinoza hinaus, indem er aufweist, dass und warum Totalitätsaussagen für eine Begründung eines Determinismus absolut nicht taugen. Sie greifen kontrafaktisch und von der Seite gesprochen auf eine o=ene Zukunft vor und zerstören eben damit den basalen Begri= der Zeit in seiner futurischen Modalität der kontingenten Möglichkeiten und immer bloß generischen Notwendigkeiten. Welt ohne Zeit aber ist ein Unbegri=. Damit wird auch der spekulative Begri= des Gottes in sich widersprüchlich. Daher muss, wie in einer Metapher, sein transzendent-metaphysischer Unbegri=
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von einer relativ sinnvollen Verwendung in spekulativen Kommentaren zur Totalität des Ganzen der Welt unterschieden werden. Nur in den Sonderfällen mechanischer Kausalerklärungen in sich reproduzierenden Bewegungsabläufen wie im Billardspiel oder in der Planetenbewegung ist es möglich, ein Anfangsstück der Bewegungsform zur Ursache eines Folgestücks zu erklären und zu sagen, dass man aus der Ursache die Wirkung vorhersagen und aus der Wirkung die wahrscheinliche Ursache rekonstruieren kann. Dabei geht es je nur um endliche Kausalerklärungen. Während Kant als Newtonianer suggeriert, dass ›eigentlich‹ alle Ereignisse in der Welt sich in dieser physikalischen Form einer erweiterten Mechanik erklären lassen würden, wenn wir nur, wie ein perfekter Physiker oder Gott, die wahren Kausalgesetze kennen würden, deckt Hegel Kants Denkfehler auf: Erstens widerspricht diese Suggestion der eigenen Einsicht Kants, dass alle kausalen Ursache-Wirkung-Beziehungen auf von uns gesetzten Regeln zur Ordnung von Erscheinungen beruhen. Der Inhalt der als ›richtig‹ gesetzten Regeln gilt, wie Hegel klar sieht, nur an sich, nur generisch. Zweitens verdoppelt Kant die Rolle der Kausalität: Einerseits sollen Ursache-Wirkungs-Beziehungen wie bei Hume nur auf der Ebene der Erscheinungen als regelmäßige und daher grob vorhersagbare Ereignisfolgen stattfinden. Andererseits sollen die Erscheinungen durch eine von uns für unerkennbar erklärte und nur von einem Gott erkennbare Welt an sich kausal verursacht sein. Einerseits soll Gott als perfekter Physiker diese wahre Kausalität nach dem Muster unserer mechanischen Erklärungen erkennen. Andererseits soll das Muster selbst bloß hypothetisch, fallibel sein. Der perfekte Physiker ist o=enbar ein Anthropomorphismus, eine in sich widersprüchliche Idealisierung. Das gilt dann auch für die entsprechenden Idealbegri=e absoluter Wahrheit, Wirklichkeit und Kausalität. Kants doppelte ›Theorie‹ der Kausalität, seine Vorstellung, die Fallibilität unserer physikalischen Gesetze stamme nur aus den Grenzen unseres Wissens, nach dem Muster, dass der menschliche Schüler noch nicht alles weiß, was der göttliche Lehrer weiß, widerspricht insbesondere seiner ›Theorie‹ der Freiheit des Handelns. Entweder nämlich reden wir nur im Modus des Als-ob, wenn wir sagen, dass die Suche der Physiker nach Gesetzen eine Haltung wie die Keplers
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unterstellt, der von vornherein annahm, die Welt sei so, als ob harmonisch-einfache Gesetze alle Bewegungen regierten, oder wir sprechen über die Willens- und Handlungsfreiheit nur im Modus des Als-ob. Kant scheint in der Tat zu sagen, dass es den Physikern erlaubt sei, das Als-ob Keplers als Maxime zu benutzen. Andererseits scheint jede ernsthafte Rede von moralisch-rechtlicher Verantwortung, wie Kant meint, die ›Erlaubnis‹ zu verlangen, die Handlungsplanung (das Wollen) und die Handlungen (die Ausführungen) so zu betrachten, als ob sie frei seien, also als ob es keine die Körperbewegung voll kausal determinierenden mechanischen Ursachen für das Denken (qua innerem Rede, getragen durch Gehirnprozesse) gäbe. Ganz o=enbar reicht die bloße Erlaubnis, den personalen Akteur so zu betrachten, als ob er frei sei, überhaupt nicht aus, um die übliche Praxis der ethischen und rechtlichen Beurteilungen und Verurteilungen von Personen als vernünftig und richtig zu beurteilen. Denn wenn alle Verantwortung nur im Modus des Als-ob existierte, wäre sie selbst nur ein Epiphänomen unseres eigenen Verhaltens, von dem man vielleicht ›zugleich‹ meint, es ›eigentlich‹ aus biologischen Ursachen kausal erklären zu können. Die Folge der Ambivalenz ist eine ReAnimalisierung des Menschen auf höchstem biologistischem Niveau, das auch noch der Rechtsprechung und Staatenbildung einen Überlebensnutzen für die Art oder Gattung der Menschen als geheime ›Ursache‹ zuschreibt. Kurz, keine Als-ob-Theorie der Freiheit und Verantwortung leistet für die ethische Haltung das, was sich Kant von ihr erho=t. Wir brauchen vielmehr einen Nachweis dafür, dass nicht die Freiheit ein bloßer flatus vocis ist, nur im Modus eines überlebensnützlichen Alsob existiert, wie der Kantianer meint. Hegels Unterscheidung zwischen endlicher und unendlicher Ursache, Substanz und Wirkung ist deswegen so wichtig, weil das Kausalprinzip für die unendliche Substanz der ganzen Welt trivial wahr wird: Jedes Ereignis, auch jede Handlung von mir oder dir, ›ergibt‹ sich in der Welt aus dem Gesamt aller Sachen und Vorkommnisse. Der Ausdruck »mit Notwendigkeit«, den man gerne hinzufügt, führt dann aber schnell in die Irre. Er suggeriert, dass die gesamte Vergangenheit der ganzen Welt das Handeln unausweichlich machen
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würde, mit der Folge, dass die Zukunft als o=ene Möglichkeit und damit die zentrale modale Zeitstruktur des Vergangenen, Gegenwärtigen und Zukünftigen in ihrer fundamentalen materialbegri=lichen Logik übersehen wird – oder über sie dogmatische und willkürliche Behauptungen aufgestellt werden. Man kann nämlich ›glauben‹, d. h. verbal sagen, dass alle Zukunft durch Vergangenheit und Gegenwart ›prädeterminiert‹ sei. Nennen wir diese These p. Indem man p frei behauptet, widerspricht man sich praktisch sofort, und zwar weil die Negation nicht-p präsupponiert ist: Man kann frei auch nichtp behaupten. Wenn aber aus p nicht-p folgt, gilt nicht-p, sofern die Alternative p oder nicht-p wohldefiniert ist. Die Frage nach der Wahrheit von p oder nicht-p fragt nun aber ohnehin nur danach, ob die Orientierung an dem einen oder anderen Satz, an p oder nicht-p, besser, kohärenter, vernünftiger ist. Und auch hier ist die Antwort klar. Die Orientierung an p ist sinnlos, gibt keine gute Orientierung. Damit kann Hegel begründen, dass und warum Fichte recht hat: Es gibt keine gute Alternative zur Anerkennung der Freiheit im Handeln im Besonderen, der O=enheit der Zukunft im Allgemeinen. Diese Zwischenüberlegung ist für die Navigation durch das Dickicht von Hegels Sätzen wohl dringend nötig. Sie ›erinnert‹ nämlich an das ›Beweisziel‹ der ›Argumentation‹. Hegel zeigt die formale Trivialität des Prinzips, dass man für jedes Ereignis E nach Ursachen bzw. kausalen Bedingungen suchen darf, dass aber die ›Nennung von Ursachen‹ post hoc viel weniger bedeutet, als man im ideal-abstrakten Gerede üblicherweise glaubt. Als endliches Ereignis ergibt sich E selten oder nie ›mit absoluter Notwendigkeit‹ aus einer ›endlichen‹ Ursache (ohne kausale Nebenbedingungen), noch nicht einmal aus der unendlichen Ursache aller Vorgängerereignisse der ganzen Welt ›bis zum heutigen Tag‹, es sei denn man rechnet E als eine der Manifestationen dieser Welt schon dazu, womit seine Erklärung aus der Ursache trivial wird. – Jetzt können wir versuchen, den weiteren Gedankengang zu verfolgen. Die Identität in der Einheit von Ursache und Wirkung haben wir als gedoppelte Implikation rekonstruiert: Man kann von der Ursache auf die Folge schließen und umgekehrt. In der konkreten Instanziierung aber gibt es ein »existierendes Substrat« – in einem unserer Beispiele
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das Feuer –, »dem die Ursache und die Wirkung inhärieren«, und zwar »als unterschiedliche Formbestimmungen«: Es handelt sich um ein ›normales, rauchendes Feuer‹, an dem wir das Moment des Brennens von (leicht nassem) Holz als Ursache und den aufsteigenden Rauch als Folge unterscheiden. Aber auch der Rauch, die Wirkung, hat weitere (›kausale‹) Eigenschaften, z. B. dass er die Sicht behindert oder zum Husten reizt. Dabei scheint es bloß oberflächlich so, als wäre der Rauch als ›die Wirkung‹ des Feuers vollständig dasselbe wie ›die Ursache‹ des Hustens. Sie sind aber schon verschieden in ihren Rollen als Wirkung und als Ursache. Sie sind auch verschieden in den je relevanten Eigenschaften des Rauchens ›an sich‹ und den je konkreten Manifestationen ›für sich‹. So ›enthält‹ z. B. der Satz »ein Holzfeuer produziert Rauch« noch nicht den besonderen Geruch des Rauches oder die besondere Art der Reizung der Schleimhäute (wie sie je nach Person auch verschieden sein kann). Wir haben daher zwischen der Rede von dem Ereignis, dass Rauch entsteht, und dessen ›Rolle‹ als Wirkung und Ursache durchaus zu unterscheiden. Das Hantieren mit Buchstaben verdeckt diese begri=lich absolut nicht triviale Tatsache. Die Verwendung einer Ereignisvariablen e für ein Ereignistoken suggeriert z. B. fälschlicherweise, es gäbe solche Gegenstände ›für sich‹ ohne unsere konkreten generischen Bestimmungen ›an sich‹. Da es keine reinen Ereignistoken e gibt, gibt es auch keine Kausalitätsrelationen der Form e R e 0 zwischen ihnen. Es ist also weit obskurer, über solche Relationen in schematisch abstrakter und scheinbar exakter Weise zu reden, als alles, was wir bei Hegel an dunklen Kommentaren finden. Analoges gilt für Sinnesdaten, Qualia, Empfindungen, Impressionen, stimulus meanings usf. Durch die Bewegung des bestimmten Causalitätsverhältnisses ist aber nun diß geworden, daß die Ursache | nicht nur in der Wirkung erlischt, und damit auch die Wirkung, wie in der formellen Causalität, sondern daß die Ursache in ihrem Erlöschen, in der Wirkung wieder wird, daß die Wirkung in Ursache verschwindet, aber in ihr eben so wieder wird. Jede dieser Bestimmungen hebt sich in ihrem Setzen auf, und setzt sich in ihrem Aufheben; es ist nicht ein äusserliches Uebergehen der Causalität von einem Substrat an ein anderes vorhanden, sondern diß Anderswerden derselben ist zugleich ihr
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eigenes Setzen. Die Causalität setzt also sich selbst voraus oder bedingt sich. Die vorher nur an sich seyende Identität, das Substrat, ist daher nunmehr bestimmt als Voraussetzung oder gesetzt gegen die wirkende Causalität, und die vorhin dem Identischen nur äusserliche Reflexion steht nun im Verhältnisse zu demselben. (404 | 273 f.) Dass die Ursache in der Wirkung erlischt, bedeutet eben dies, dass wir keine unabhängigen Ereignisse haben und dass die Vorstellung von einer transitiven Kausalitätsrelation e R e 0 zwischen absoluten Ereignistoken naiv und sinnlos ist. Das Neuentstehen von Ursachen aus Wirkungen liegt an den je anderen typisierenden begri=lichen Zugängen zum ›Ablauf‹ der Welt bzw. zu Dingen und Ereignissen ›an und für sich‹. Der Rauch eines Feuers riecht nicht an sich nach Karto=elstauden, wohl aber ein ›Karto=elfeuer‹. Dass sich die Kausalität selbst voraussetzt und sich bedingt, bedeutet wohl dies, dass in den sprachlich expliziten Bestimmungen dessen, was etwas ist, immer schon die kausalen Normalfallinferenzen mitenthalten sind. Wenn der Übertritt der Soldaten über die Grenze ein Angri= ist, ist es der Beginn eines Krieges. Wenn das Feuer ein Karto=elfeuer ist, riecht der Rauch nach Karto=elstauden. Der Form nach ist der Fall von gleichem Typ wie der, dass zwar 10 + 1 = 11 ›immer‹ gilt, aber 11 + 1 = 100 nur im Binärsystem. Die Zeichenfolgen mit der 1 und der 0 haben also keinen klaren Sinn unabhängig von dem entsprechenden Zahlnotationssystem. Dasselbe gilt für die verbalen Bestimmungen von Ereignissen gerade auch als Ursachen und Wirkungen aufgrund einer unterstellten inferentiell generischen Normalfallkausalität.
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c. Wirkung und Gegenwirkung Die Causalität ist voraussetzendes Thun. Die Ursache ist bedingt; sie ist die negative Beziehung auf sich als vorausgesetztes, als äusserliches Anderes, welches an sich aber nur an sich die Causalität selbst ist. Es ist, wie sich ergeben hat, die substantielle Identität, in welche die formelle Causalität übergeht, die sich nunmehr gegen dieselbe als ihr Negatives bestimmt hat. Oder es ist dasselbe, was die Substanz des Causalitätsverhältnisses, aber welcher die Macht der Accidentalität als selbst substantielle Thätigkeit gegenüber ¦ steht. – (404 f. | 274)
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Wenn wir die Kausalität als begri=lich von uns gesetzte Normalerwartung verstehen, wird der sonst völlig obskure Satz durchaus verständlich: »Die Kausalität ist voraussetzendes Tun«. Sie ist also gar keine Eigenschaft der natürlichen Welt rein für sich, ohne unseren menschlichen Geist. Zur Semantik der sprachlichen Bestimmung von Sachen gehören schon die inferentiellen Normalerwartungen. Diese sind freilich über die kollektive Arbeit am Begri=, welche bis weit in vorschriftsprachliche Kulturen zurückreicht, holistisch und geschichtlich angepasst an die Erfahrung von Welt im Ganzen, wie sie die subjektive experience des Empirismus weit überschreitet. Jede Rede von einer Ursache ist durch die vorausgesetzten Normalfallregeln kausalen Schließens bedingt, gerade so wie jede Rede von einer Wirkung. Eine Ursache A ist dabei an sich Relatum in einer Kausalbeziehung mit einer Wirkung B als zweitem Relatum, zugleich »negative Beziehung auf sich« als »äußerliches Anderes«, in einer konkreten Bestimmung als Dingkonstellation (Substanz) oder Ereignis. Die formelle Kausalität ist im System allgemein gesetzter generischer Regeln und Gesetze gegeben, etwa in der Form: »Wo man hobelt, fallen Späne« oder »Jeder Stoß erzeugt zugleich einen Gegenstoß«. Sie geht in eine »substantielle Identität« über, also einen konkreten Fall E , mit vielen weiteren ›Eigenschaften‹, die wieder über die formalgenerische Beschreibung des Falls als Ursache A für die Wirkung B hinausgehen. Daher kann man und muss man E und A unterscheiden, und zwar schon an sich, auf der Typenebene, so wie man verschiedene Sachen hobeln kann und daher verschiedenartige Späne fliegen. Der »Substanz des Kausalitätsverhältnisses«, ihrer bleibenden Form nach Art einer ousia im generisch-allgemeinen Sinn steht »die Macht«, also die wirksame und wirkliche Möglichkeit des Zufalls, der Akzidentalität konkreter Ereignisse an und für sich gegenüber. Die zufälligen Ausnahmen generischer Normalfälle müssen also immer neben und über die allgemeine Kausalität hinaus als möglicherweise wirksam anerkannt werden. Es ist die passive Substanz. – Passiv ist das Unmittelbare, oder Ansichseyende, das nicht auch für sich ist; – das reine Seyn oder
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das | Wesen, das nur in dieser Bestimmtheit der abstracten Identität mit sich ist. – (405 | 274 f.) Die Anapher »es« bezieht sich hier wohl durchgängig zurück auf das äußerliche Andere, das in meiner Rekonstruktion ein besonderer Ereignistyp E ist, der im konkreten Fall eine Ursache einer generischen Kausalregel instanziiert. Der passiven steht die als negativ sich auf sich beziehende, die wirkende Substanz gegenüber. Sie ist die Ursache, insofern sie sich in der bestimmten Causalität durch die Negation ihrer selbst, aus der Wirkung wiederhergestellt hat, das in seinem Andersseyn oder als Unmittelbares sich wesentlich als setzend verhält, und durch seine Negation sich mit sich vermittelt. Die Causalität hat deßwegen hier kein Substrat mehr, dem sie inhärirte und ist nicht Formbestimmung gegen diese Identität sondern selbst die Substanz, oder das Ursprüngliche ist nur die Causalität. – Das Substrat ist die passive Substanz, die sie sich vorausgesetzt hat. (405 | 275) Die empirische Substanz ist wohl als Manifestation eines Konstellationstyps von Dingen zu verstehen. Als wirkende Substanz bezieht sie sich insofern »negativ« auf sich, als wir die di=erentiellen Kriterien zur Bestimmung des Typs oder der Art von den inferentiellen bzw. dispositionellen Aspekten, die diese zu einer generischen Ursache einer im Normalfall eintretenden Wirkung machen, partiell von ihr unterscheiden und doch auch mit ihr identifizieren können. Hegel möchte also irgendwie artikulieren, wie eine aktuale Wirkung sich aus einer allgemeinen Ursache-Wirkungs-Beziehung auf der Ebene der Arten oder Typen und einer Manifestation der Ursache ergibt. Dazu fasst er den bewirkten Ereignistyp B als ›passiv‹ auf – relativ zum Wirktyp, der wirkenden Form A. Wenn nun eine Wirkung zur Ursache werden soll, muss sie sich erst in eine ›aktive‹ Sache verwandeln. Das geschieht, metaphorisch gesprochen, »durch die Negation ihrer selbst«. Das ist sozusagen die »Wiederherstellung« einer aktiven Ursache aus einer passiven Wirkung. Es ist also klarerweise eine figurative Redeform, nach welcher sich eine Substanz (ousia) als Ursache (aitia, causa) »wesentlich als setzend verhält« und durch ihre Negation »sich mit sich vermittelt«. Negationen sind immer unsere Unterscheidungen. Sie führen
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über reflexionslogische Bewertungen der Normen, wie man zu unterscheiden hat oder wie zu di=erenzieren ist, zur Rede von Unterschieden und Verschiedenheiten, welche den Unterscheidungen oder Negationen in der Welt korrespondieren. Als gemeinsam richtig getro=ene, reproduzierbare, wiedererkennbare Sachen können sie zu generischen Ursachen anderer Sachen werden. Das geschieht über die Vermittlung von Inferenznormen, die begri=lich explizit artikuliert werden durch inferentielle Defaultschlussregeln. Dabei sind schon unsere begri=lichen Unterscheidungen inferentiell bzw. dispositionell dicht. Das heißt, die di=erentielle oder klassifikatorische Komponente sprachlicher Di=erenzierungen und ihre prognostische Komponente sind in der Regel nicht fein säuberlich trennbar. Die Unterstellung dieser Trennbarkeit ist der semantische Grundfehler des (logischen) Empirismus. Warum in aller Welt aber soll jetzt die Kausalität kein Substrat mehr haben, kein Ding, dem sie inhäriert? Warum soll sie selbst Substanz sein? In welchem Sinn ist »das Ursprüngliche« »nur die Kausalität«? Und warum ist das Substrat »die passive Substanz«, die sich die Kausalität »vorausgesetzt hat«? Die Urteile, die sagen, dass es unmöglich sei, allen Sätzen Hegels einen Sinn zuzuordnen und sie als Teile eines kohärenten Gedankengangs zu verstehen, scheinen spätestens hier recht zu behalten. Andererseits sollten wir nicht vergessen, dass unsere heutigen Intuitionen oder Sprachgefühle in Bezug auf Wörter wie »Substanz« und »Substrat«, »Begri=« und »Idee« den Kontakt zu den Terminologien traditioneller Reflexion auf die Grundformen von Sprache und Welt längst verloren haben und daher völlig unbrauchbar geworden sind. Wir stellen uns andere Sachen unter einem Substrat (hypokeimenon), einer Substanz (ousia), einem Gesetztsein, auch einer Kraft (energeia) und Macht (dynamis) vor als Hegel, der das Griechisch und Latein der philosophischen Tradition fast besser beherrscht als das Deutsche – und in der Tat praktisch alle damals zugänglichen Texte der Antike kennt. Es ist also unsere Verlegenheit, die richtigen Übersetzungen vom damaligen in das heutige Deutsch allererst herstellen zu müssen. Wenn wir tentativ das Wort »Substrat« durch »Ansammlung von Dingen« übersetzen und das Wort »Substanz« durch »bleibende,
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sich reproduzierende, manifeste Strukturform einer Dingkonstellation« – nach dem Urtyp der ousia als einem ländlichen Anwesen – und dann noch eine endliche Substanz von der unendlichen der ganzen Welt unterscheiden, kommen wir vielleicht einen Schritt weiter. Denn dann wird der folgende Gedanke unter dem Titel »Wirkung und Gegenwirkung« möglicherweise unabweisbar: In der naiven Vorstellung einer Druck-und-Stoß-Kausalität gibt es ein passives Ding, die ruhende Billardkugel, welche durch das auf sie tre=ende aktive Ding gestoßen und entweder in Bewegung gesetzt oder vielleicht auch verformt wird. Man sagt, dass von dem aktiven Ding eine (die) Kraft auf das passive übergehe, dass aber die Lage des Aktiven und Passiven symmetrisch sei, da aus einem anderen Blickwinkel – wenn sich der Beobachter z. B. mit der sich bewegenden Kugel völlig parallel bewegt – der vorher ruhende Ball zum relativ bewegten wird und es daher gar nicht möglich ist, ›absolut‹, d. h. ohne Bezugnahme auf einen fest gehaltenen Rahmen, zwischen Wirken und Erleiden, als dem aktiven und passiven Moment, zu unterscheiden. Es ist das Relationale der Bestimmung von Bewegung und Ruhe je nach Wahl der Perspektive des Beobachters, also der Versuch einer Darstellung der Wirkkräfte unabhängig von dieser Wahl und damit das Streben nach kovarianten Übersetzungen der Darstellung in einem Perspektivenwechsel, das die symmetrische ›Gleichheit‹ von Wirkungen und Gegenwirkung als Prinzip begründet. Aus der Symmetrie ergibt sich o=enbar ein gewisses Problem für den Gedanken, dispositionelle Kräfte in die Einzeldinge und ihre bloß lokalen Konstellationen zu legen. Denn es gibt prima facie einen gewissen Entscheidungsspielraum, dessen Bedeutung wir alle kennen. Es ist absolut nicht trivial, mit Kopernikus und Kepler die Sonne als ruhendes Zentrum des Sonnensystems für die Darstellung der Bewegungen der Planeten und die Verteilung der wirkenden Kräfte zu wählen. Damit hängt die zunächst ebenfalls nicht triviale Frage zusammen, welche Substanz als ›ruhend‹, ›unbewegt‹, ›rein passiv‹, damit aber als in ihrer Eigenbewegung etwa relativ zu den Fixsternen als ›kräftefrei‹ zu setzen ist. Es ist eine Art historische und zugleich logische Dummheit, im Nachhinein zu sagen, das sei doch alles klar, weil man es als Kind gelernt hat. Hegels vereinfachte Skizze ist dann vielleicht in einem ersten
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Schritt so zu lesen: Die Verteilung der wirkenden Kräfte auf Substrate, auf materielle Dinge, kann nur holistisch im Blick auf einen Gesamtprozess von Relativbewegungen geschehen, wobei das Ganze des Systems der betrachteten Bewegungen die stabile Gesamtsubstanz der Betrachtung ist, z. B. das Planetensystem der Sonne oder, wie bei Spinoza, in der totalen Verallgemeinerung dieses Gedankens: am Ende die ganze Welt. Es geht, wie wir sehen, um die allgemeine Form, nicht schon um eine konkrete Ausführung einer dynamischen Theorie von Bewegung und Veränderung, wie sie notwendig wird, wenn wir bloß statische, relationale, reine Strukturen als nur erst passive Substrate auffassen und von der Geometrie nicht bloß zu einer naiven Billardballkinematik, sondern einer globalen Dynamik oder Kraft- und Bewegungslehre gelangen wollen. Die für die meisten Leser in der Sprachform scheinbar konkrete, im Inhalt scheinbar allzu abstrakte Denkform Hegels muss also allererst auf das angemessene Reflexionsniveau angehoben werden. Während nun in einem lokal festgehaltenen endlichen System wie im Billard die passive endliche Substanz der ruhenden Kugeln der aktiven endlichen Substanz der sich bewegenden Kugel gegenüberstellt werden kann, geht das nicht mehr so einfach, wenn wir den Rahmen so erweitern, dass wir beliebige Perspektivenwechsel auf sich relativ bewegende perspektivische Orte zulassen. Dann lässt sich aber auch die Ursache der Stoßbewegung nicht mehr einfach der stoßenden Kugel als lokales Substrat zuordnen, sondern sie liegt irgendwie in der Gesamtkonstellation der sich relativ zueinander und zur Betrachterperspektive teils bewegenden, teils ruhenden Kugeln. Fasst man jetzt die räumlichen Relationen der Kugeln als momentanes Substrat auf, beginnt sich sozusagen die Ursache des Gesamtbewegungsprozesses von der einzelnen Kugel zu lösen. Diesen Prozess versucht Hegel o=enbar mehr schlecht als recht zu explizieren, um die Folgen für unser Verständnis von Dynamik und Kausalität so klar zu machen, dass am Ende auf unbezweifelbare Weise die folgenden Einsichten stehen: Das Fürsichsein der Dinge und Kräfte der objektiven Welt muss über eine Abstraktion von variablen Perspektiven auf die Welt begri=en werden. Hat man das aber eingesehen, wird klar,
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dass alle Reden über Kräfte in den Dingen begri=lich durch unsere Darstellungsformen mitbestimmt sind. Dieser Gedanke führt dann weiter zur Einsicht in die freien Setzungen ›des Begri=s‹ und damit in die in jeder Aussage über eine irgendwie bestimmt objektive Welt längst schon vorausgesetzte Freiheit menschlichen Sprechhandelns, Urteilens, Schließens, samt der relativen Autonomie nichtsprachlichtätigen Handelns. Damit ist der Übergang zur subjektiven Logik, der Logik des Begri=s, erreicht. Der Mechanismus des Materialismus und Physikalismus ist in einem ersten, entscheidenden Schritt überwunden. Wer weiter an ihm festhält, ist einfach logisch naiv. Er bleibt in der Kindheit des logischen Philosophierens, dem Pythagoräismus, gefangen. Wie aber können wir diese Gedankenführung in Hegels Text erkennen? Dazu muss praktisch für jeden Satz der extrem schwierigen Schlusspassagen der Wesenslogik die zugehörige Sichtweise rekonstruiert werden, aus der er gesagt ist und in der er unsere Rede von Ursachen und Wirkungen, Dingkonstellationen und Veränderungsformen, also Substrat und Substanz, kommentiert. So ist es z. B. eine allgemeine, sinnanalytische Bemerkung zum traditionellen Substanzbegri=, dass man zwischen aktiver und passiver Substanz unterscheiden möchte. Die aktive, wirkende Substanz ist insofern »als negativ sich auf sich beziehende« aufzufassen, als diese sich durch den Wirkprozess hindurch als mit sich identisch von der durch sie veränderten Umgebung unterscheiden will – so wie die sich bewegende Billardkugel von den zunächst ruhenden. In der Wirkung als Konstellation muss die Ursache irgendwie aufgehoben sein. So betrachtet, hat die Kausalität aber »kein Substrat mehr, dem sie inhärierte«. Das ist nach meiner Lesart eine etwas dunkle Formulierung dafür, dass sich die Kausalität in der sich reproduzierenden Bewegungsform aufhebt, welche die eigentliche Gesamtsubstanz ist, in der es zunächst keine vorfixierten aktiven und passiven Bestandteile gibt, und zwar wegen der möglichen Veränderung der Betrachterperspektive. In eben diesem Sinn gilt, dass »das Ursprüngliche« »nur die Kausalität« selbst ist, also der sich reproduzierende Gesamtprozess z. B. der Planetenbewegung. Für uns aber ist das Auffinden des ausgezeichneten Zentrums (der Sonne) entscheidend, da dieses es uns erst
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erlaubt, die Kräfte und damit die Wirkursachen in der Konstellation des Substrats ›gut‹ bzw. ›richtig‹ zu verteilen. Diese Ursache wirkt nun; denn sie ist die negative Macht auf sich selbst; zugleich ist sie ihr vorausgesetztes; so wirkt sie auf sich als auf ein anderes, auf die passive Substanz. – Somit hebt sie erstlich das Andersseyn derselben auf ; und kehrt in ihr in sich zurük; zweytens bestimmt sie dieselbe, sie setzt diß Aufheben ihres Andersseyns oder die Rükkehr in sich als eine Bestimmtheit. Diß Gesetztseyn, weil es zugleich ihre Rükkehr in sich ist, ist zunächst ihre Wirkung. Aber umgekehrt weil sie als voraussetzend sich selbst als ihr Anderes bestimmt, so setzt sie die Wirkung in der andern, der passiven Substanz. – (405 | 275) Im Fall des Billardspiels hatten wir zunächst vom Spieler, der den ersten Ball anstößt, abstrahiert. Der Ausdruck »negative Macht« steht entsprechend für das Gesamtsystem der Kräfte, welches sich in einer Prozessform zeigt, aber so, dass die Verteilung der Teilkräfte zunächst noch o=en bzw. in ihrer Abhängigkeit vom gewählten ›Ruhepunkt‹ verstanden ist. Begri=lich wird so die Macht oder dynamis der Bewegungskräfte oder Ursache negativ abgehoben von der passiven Substanz, dem Substrat der lokalen Dingkonstellationen, obwohl sie auf eben diese ›zurück‹ wirkt. Nur im Denken wird sie von dieser losgelöst, so wie Dispositionen zunächst nur begri=lich auf die Dinge verteilt, diesen, wie die ganze Welt heute sagt, ›zugeschrieben‹ werden. Wir sehen jetzt: Hegels Wort »Setzung« korrespondiert der heutigen Rede von »Zuschreibungen«. Hegel gibt sich aber im Unterschied zu vielen heutigen Autoren damit nicht zufrieden, da eine Setzung oder Zuschreibung ja bloß erst rein subjektiv ist. Wir wollen wissen, ob ein Ding oder ein Wesen eine (dispositionelle) Eigenschaft wirklich hat – und was das heißt. Den Sachen bloß Eigenschaften zuzuschreiben, kommt über den Fall der Setzung von Nymphen in Bäume und von göttlichen Inspirationen oder O=enbarungen in Personen nicht hinaus. Das »Gesetztsein« ist dennoch die Macht der Ursache. Deren Substanz »ist zunächst ihre Wirkung«. Sie zeigt sich in der sich ergebenden stabilen Bewegungsform oder der Form der Veränderung der Dinge. Indem sie aber als ursächliche Wirk-Macht in negativer Kontras-
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tierung zur passiven Substanz des Substrats, der Dingkonstellation, in unserem Reden über Ursachen vorausgesetzt wird und insgesamt dennoch »sich selbst als ihr Anderes« bestimmt, erscheint es so, als wirke sie auf die passive Substanz, die aber als Substrat ein Teil von ihr selbst ist. Mit anderen Worten, es scheint so, als würde dauernd eine anstoßende äußere Macht die Dinge der Welt in Bewegung halten, wenn wir von einem Vergleich mit Billardbällen und Uhren ausgehen. Dieser Schein – es ist der Gedanke ›des edlen Malebranche‹ – hebt sich erst auf, wenn wir die Ablösung der ursächlichen Kraft und Macht von dem passiven Substrat ›toter‹ Materie aufheben. Hegels scheinbar irritierendes Lob des ›Okkasionalisten‹ Malbranche besagt nicht etwa, dass dieser darin richtig gedacht hätte, dass Gott als ursächliche Macht andauernd in die Welt so interveniert, so dass es kein Wunder wäre, wenn Gott sich auch die Macht vorbehält, Wunder zu wirken, den gesetzesartigen Ablauf der Dinge zu durchbrechen oder Platz für menschliche Freiheit zu scha=en. Malebranche denkt darin weiter als Descartes, dass er schon vor Spinoza die passive Substanz der natura naturata von der aktiven Substanz der natura naturans sive deus unterscheidet und als ›ewige göttliche Macht‹ abhebt. Hegels Analyse erläutert die Denkweise und säkularisiert sie. D. h. es wird der Grund der Identifizierung der ›ewigen Macht‹ aller ›Ursachen‹ mit Gott klar. Zugleich wird der Denkfehler klar, der in der Abtrennung der Ursachen von den manifesten Wirkungen liegt. Es gibt einfach keinen göttlichen Billardspieler. Auch die res cogitans, die menschliche Seele, ist kein solcher Spieler, mit innerleiblichen Bewegungen als gestoßenen Körpern. Oder weil die passive Substanz selbst das gedoppelte ist, nemlich ein selbstständiges Anderes, und zugleich ein vorausgesetztes und an sich schon mit der wirkenden Ursache identisches, so ist das Wirken von dieser selbst ein gedoppeltes; es ist beydes in Einem, das Aufheben ihres Bestimmtseyns, nemlich ihrer Bedingung, oder das Aufheben der Selbstständigkeit der passiven Substanz; – und daß sie ihre Identität mit | derselben aufhebt, somit sich voraus oder als anderes setzt. – (405 | 275 f.) Die passive Substanz – das materielle, tote, unbewegte Substrat einer bloß relationalen momentanen Dingkonstellation – ist selbst
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bloß abstraktes Moment. Als solche ist sie gar nicht wirkende Macht. Der momentane Zustand kann nur zusammen mit ihrer (gesamten) Vorgeschichte wirken. Entsprechend verdoppelt sich die Rede von der Wirkung: Sie besteht zum einen darin, dass sich in ihr die Ursache aufhebt, aber sie ist auch die »Selbständigkeit der passiven Substanz«. Es ist daher bloß ein Moment unserer Redeform, wenn wir holistisch verlaufende Prozessformen gedanklich in momentane Scheiben zerschneiden, die als solche als rein räumliche, relationale Dingkonstellationen erscheinen, welche sich in der naiven Vorstellung aufgrund eines holistischen Ganzen wirkender Kräfte ruckartig bzw. in der mathematischen Theorie der infinitesimalen Größen zugleich kontinuierlich in bewirkte spätere Zustände verwandeln. Es gibt in der Welt weder diese relationalen Scheiben noch infinitesimal wirkende Kräfte. Sie sind nur Formmomente unserer Darstellungen von sich wiederholenden Bewegungs- oder Prozessformen. Es gibt also auch keine passive Substanz oder rein ›tote‹ Materie; aber auch die Vorstellung von einer ›belebten‹ Materie oder einem Ding, das unmittelbar Wirkkräfte in sich enthalte, ist in Bezug auf die Formkonstitution unserer Reden von Kraft (energeia), Macht (dynamis), dinglichem Substrat (hypokeimenon) und wirkender bzw. sich ändernder Gesamtsubstanz (ousia) noch logisch unaufgeklärt. Durch das letztere Moment wird die passive Substanz erhalten; jenes erste Aufheben derselben erscheint in Beziehung hierauf zugleich auch so, daß nur einige Bestimmungen an ihr aufgehoben werden und die Identität ihrer mit der ersten in der Wirkung äusserlich an ihr geschieht. (405 | 276) In der gedanklichen Unterscheidung zwischen momentanem Zustand und der Dynamik der Bewegungsform »wird die passive Substanz erhalten«, freilich nur in unserer Art der Reflexion auf die Manifestationen von Veränderungen und Dingkonstellationen. Die Unterscheidung zwischen passiver Substanz (Substrat) und aktiv wirkender Substanz (dynamischen Kräften, Ursachen) erweist sich als Ergebnis von Abstraktionen, in denen je »nur einige Bestimmungen« an einer Gesamtbewegungsform »aufgehoben werden« und »die Identität« der Ursache mit der generischen Wirkungsform so erscheint, als wäre sie ein äußerliches Gesamtgeschehen mit einem
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an sich bleibenden Substrat, einer Menge von Atomen in Analogie zu den Billardbällen als Grundlage. Insofern leidet sie Gewalt. – Die Gewalt ist die Erscheinung der Macht, oder die Macht als äusserliches. Aeusserliches ist aber die Macht, nur insofern die ursachliche Substanz in ihrem Wirken, d. h. im Setzen ihrer selbst zugleich voraussetzend ist, d. h. sich selbst als aufgehobenes setzt. Umgekehrt ist daher eben so sehr das Thun der Gewalt, ein Thun der Macht. Es ist nur ein von ihr selbst vorausgesetztes Anderes, auf welches die gewaltige Ursache wirkt, ihre Wirkung auf dasselbe ist negative Beziehung auf sich, oder die Manifestation ihrer selbst. Das Passive ist das Selbstständige, das nur ein gesetztes ist; ein in sich selbst gebrochenes, – eine Wirklichkeit, welche Bedingung ist und zwar die Bedingung nunmehr in ihrer Wahrheit nemlich eine Wirklichkeit, welche ¦ nur eine Möglichkeit ist, oder umgekehrt ein Ansichseyn, das nur die Bestimmtheit des Ansichseyns, nur passiv ist. (405 f. | 276) Insofern wir uns in diesem Bild bewegen, leidet die passive Substanz äußere Gewalt. Diese »ist die Erscheinung der Macht«, der sich als wirkende energeia manifestierenden dispositionellen, latenten Kraft (dynamis). Dabei suggeriert, wie gesagt, der Vergleich zur Billardballmechanik einen äußeren anthropomorphen Urheber von Kraftstößen, also eine göttliche Hand, wie schon bei Aristoteles. Dessen Gedanke von einem unbewegten Beweger wird noch bei Newton, nicht bloß bei Malebranche, in eine göttliche Dauerintervention umgewandelt, welche das Wunder der momentanen actio in distans der Gravitation sozusagen erklären soll. Es liegt aber nur an der Analogie zwischen einem interventionistischen menschlichen Handeln und der gedanklichen Trennung zwischen passiver und aktiver Substanz (natura naturata und natura naturans) bzw. zwischen einem rein relationalen Substrat und einer bewegenden Kraft, dass man im Vorstellungsbild einen Gott als Dauerbeweger zu brauchen scheint. In Wahrheit gibt es nur die gedankliche Trennung zwischen statischen Relationen und bewegenden Kräften, die sich nicht unmittelbar in die einzelnen Dinge legen lassen, ohne immer auch holistisch auf die Gesamtprozesse zu achten. Die statischen Dingrelationen treten dabei als Bedingungen auf, die in
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Wahrheit »eine Wirklichkeit« bilden, »welche nur eine Möglichkeit ist« – und zwar als generische Unterscheidung von momentanen Bedingungen im Kontext von Normalfallprozessen und Normalfallinferenzen. Da diese Bedingungen generische sind, sind sie als Typen und damit als ggf. aktualisierbare Möglichkeiten definiert, gerade wenn sie in Wenn-dann-Sätzen auftreten: Wenn ein Planet die sonnennächste Stelle erreicht hat, verlangsamt sich seine Bewegung. Wenn eine Kugel dieser Geschwindigkeit sich in diesem Winkel zur Erde bewegt, wird ihre weitere Bahn so und so verlaufen. Solche Bedingungen sind ein Ansichsein, gerade weil sie generisch und damit di=erentiell-passiv verfasst bzw. bestimmt sind. Die dispositionellen Eigenschaften erscheinen so, als wären sie den di=erentiellen Bedingungen äußerlich. Demjenigen daher, dem Gewalt geschieht, ist es nicht nur möglich, Gewalt anzuthun, sondern sie muß ihm auch angethan werden; was Gewalt über das andere hat, hat sie nur, weil es die Macht desselben ist, die sich darin und das Andere manifestirt. Die passive Substanz wird durch die Gewalt nur gesetzt, als das was sie in Wahrheit ist, nemlich weil sie das einfache Positive oder unmittelbare Substanz ist, eben darum nur ein Gesetztes zu seyn; das Voraus, das sie als Bedingung ist, ist der Schein der Unmittelbarkeit, den die wirkende Causalität ihr abstreift. | (406 | 276) Wenn auf eine Dingkonstellation von außen eine Kraft oder Gewalt einwirkt, bedeutet das aufgrund der Symmetrie eines prinzipiell möglichen Perspektivenwechsels immer auch, dass die Konstellation auf die Umgebung eine Gegenkraft oder Gegengewalt ausübt bzw. ausüben kann. Zugleich wirkt, wie wir vielleicht sagen, die Kraft, die wirkt, immer ›notwendigerweise‹. Wenn etwas, eine Umgebung, Gewalt über etwas (anderes) hat, dann hat sie das nur, weil sich die Macht dieser Gewalt im anderen (regelmäßig oder notwendig) als Wirkung manifestiert. – Passiv ist eine ›Substanz‹ also nur durch eine (perspektivische) Setzung. Der Schein der Unmittelbarkeit einer rein di=erentiell und statisch bestimmten Dingkonstellation wird im Kontext wirkender Kausalität abgestreift. Was wirklich vorhanden ist, sind die wirklich ablaufenden, sich manifestierenden Prozessablaufoder Bewegungsformen.
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Der passiven Substanz wird daher durch die Einwirkung einer andern Gewalt nur ihr Recht angethan. Was sie verliert, ist jene Unmittelbarkeit, die ihr fremde Substantialität. Was sie als ein fremdes erhält, nemlich als ein Gesetztseyn bestimmt zu werden, ist ihre eigene Bestimmung. – (406 | 277) Die Rede davon, dass der passiven Substanz durch »Einwirkung einer andern Gewalt nur ihr Recht angetan« werde, suggeriert eine Analogisierung mit einem moralisch-rechtlichen Bereich, wie sie schon seit dem Spruch des Anaximander zu einer Art Allgemeingut philosophischer Reflexion geworden ist. Diesem Spruch gemäß müssen alle Dinge Buße und Strafe bezahlen, wenn sie aus dem Lot kommen. Es gibt also eine Art Gesamtstabilität in den Bewegungsformen, auf die hin alle Kraft wirkt, so dass jede Einwirkung einer Gewalt auf eine Sache ihr ›mit Recht‹ angetan wird. Zunächst scheint zwar unverständlich zu sein, was es heißt, dass die passive Substanz als »jene Unmittelbarkeit« »die ihr fremde Substantialität« verlieren soll. Wer ohne Kontext auf den Satz stößt, versteht kein Wort. Gemeint ist aber o=ensichtlich, dass die Vorstellung von einer Dingkonstellation, die entweder selbst als statische Bedingung Ursache einer Wirkung sein soll oder zusammen mit einer ihr äußeren Kraft oder Macht (energeia), in die Irre führt. Es gibt keine unmittelbare Substantialität, also keine passive Substanz oder ›tote‹ Materie. Was es gibt, sind Momente in Veränderungs- und Bewegungsprozessen, wie wir sie nur abstraktiv in empirische Entwicklungen hineinlesen und als Momente oder Aspekte unserer eigenen begri=lichen Darstellungsformen von prozessartigen Vollzugsformen voll begreifen können. Es gehört zur Voraussetzung der Bestimmung einer ›passiven Substanz‹ oder einer Dingkonstellation, dass sie Moment in einer Prozessform ist und daher alle Bewegkräfte nie einfach von außen kommen. Indem sie nun aber in ihrem Gesetztseyn oder in ihrer eigenen Bestimmung gesetzt wird, wird sie dadurch vielmehr nicht aufgehoben, sondern geht so nur mit sich selbst zusammen, und ist also in ihrem Bestimmtwerden Ursprünglichkeit. – (406 | 277) Das Ursprüngliche oder auch Objektive der passiven Substanz, des Substrats der Dingkonstellation in Veränderungen und Bewe-
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gungen, besteht also in ihrem Gesetztsein im Rahmen unserer Darstellungsform von Prozessformen und ihren Aktualisierungen, mit vorlaufenden Konstellationen als kausalen Bedingungen späterer Wirkungen. Es ist unverständlich, ja inkohärent, von einer solchen passiven Substanz in völliger Loslösung von unseren begri=lichen Setzungen sprechen zu wollen. Die passive Substanz wird also einerseits durch die active erhalten oder gesetzt, nemlich insofern diese sich selbst zur aufgehobenen macht; – andererseits aber ist es das Thun des Passiven selbst mit sich zusammenzugehen, und somit sich zum Ursprünglichen und zur Ursache zu machen. Das Gesetztwerden durch ein anderes und das eigene Werden ist ein und dasselbe. (406 | 277) Jede passive Substanz, jede scheinbar ruhende Dingkonstellation, ist also einerseits je bloß Moment einer aktiven Substanz und in Abhängigkeit einer impliziten Wahl einer ›ruhenden‹ Perspektive als ›passiv‹ oder unbewegt gesetzt. Das geschieht dadurch, dass man an der aktiven Substanz die Momente der wirkenden Kraft wegabstrahiert und in die Umgebung verlegt, so also, also würde nur das Äußere auf die passive Substanz einwirken und nicht diese selbst auch noch auf anderes oder das Äußere. Bei so riesigen Größendi=erenzen wie zwischen Erde und Sonne kann man zwar kontrafaktisch so tun, als spielte die Masse der Erde für die Attraktion durch die Sonne keine Rolle. Für die Größe der Fliehkräfte tut sie das dennoch und daher lässt sich die Erde nicht einfach als rein ›passive Substanz‹ in der Gesamtbewegungsform auffassen. Das Beispiel erläutert den schwierigen Satz, dass »es das Tun des Passiven selbst« sei, sich »zur Ursache zu machen« – wenigstens insofern, als sich etwas an der Dingkonstellation im Wirkprozess erhält. Das Gesetztwerden durch anderes, also im Beispiel die Wirkungen der Sonne auf die Erde und die Relativbewegungen der Erde, sind, insgesamt gesehen, ein und dasselbe. Denn was wirklich vorhanden ist, ist der Gesamtprozess und sind verschiedene Beschreibungen aus verschiedenen Perspektiven, so aber, dass diese ineinander überführbar sind. Dazu ist es enorm wichtig, die zunächst bloß formale Unterscheidung zwischen Aktivem und Passivem bzw. äußerer Kraftwirkung und innerer Kraft so zu gestalten, dass Kräfte oder Verursachungen
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so ›ursprünglich‹ in die Körper gelegt werden, dass am Ende gute Gesamtbeschreibungen der totalen Relativbewegungen und Prozesse entstehen. Hiedurch, daß die passive Substanz nun selbst in Ursache verkehrt ist, wird erstlich die Wirkung in ihr aufgehoben; darin besteht ihre Gegenwirkung überhaupt. Sie ist an sich das Gesetztseyn, als passive Substanz; auch ist das Gesetztseyn durch die andere Substanz in ihr gesetzt worden, insofern sie nemlich die Wirkung derselben an ihr bekam. Ihre Gegenwirkung enthält daher eben so das Gedoppelte; daß nemlich erstlich was sie an sich ist, gesetzt wird, zweytens als was sie gesetzt wird, sich als ihr Ansichseyn darstellt; sie ist an sich Gesetztseyn, daher erhält sie eine Wirkung an ihr durch die andere; aber diß Gesetztseyn ist umgekehrt ihr eigenes Ansichseyn, so ist diß ihre Wirkung, sie selbst stellt sich als Ursache dar. (406 | 277) Durch die Veränderung der Perspektive – oder auch nur eine genauere Betrachtung der Gesamtlage – wird jede scheinbar bloß passive Substanz selbst zu einem ursächlich wirkenden Bestandteil der Gesamtprozesse. Damit wird erstens die Vorstellung aufgehoben, es handele sich bei den Wirkungen auf die passive Substanz nur um Folgen äußerer Gewalt und nicht etwa auch um ein eigenes ursächliches Wirken. Wie wir vorgreifend schon gesagt haben, besteht die Gegenwirkung eben darin, dass man die Perspektive der ›Ruhe‹ oder ›Passivität‹ verschiebt. Hegels Rede vom Gesetztsein der passiven Substanz verweist gerade – wenn auch in noch dunkler Weise – auf eben diese Wahlen von ›Ruheperspektiven‹ einer wirklichen oder vorgestellten Betrachtungsperspektive. So schien über lange Zeit die Erde zu ruhen und passive Substanz aller äußeren Einwirkungen – der Sonne, der Witterung etc. – zu sein. Die Großleistung von Kopernikus und Kepler besteht darin, im Perspektivenwechsel die Größenverhältnisse und Wirkverhältnisse von Sonne und Erde auf eine neue Basis gestellt zu haben. Es wäre, wie schon Leibniz gesehen hat, dennoch falsch zu meinen, es sei irgendwie a priori klar gewesen, welche der vielen möglichen Verteilungen wirkender Gravitationskräfte ›die wahre‹ ist. Es war nicht einfach ›falsch‹, wenn von der Antike bis in die frühe Neuzeit die Erde zum Mittelpunkt und Ruhepol erklärt wurde. Aber es
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war für eine gesetzesartige und uniforme Darstellung der wirkenden Kräfte, die in die Substrate gelegt werden, extrem ›ungeschickt‹, wie man in Hegels Diktion sagen könnte. Wie wir schon am Beispiel der Billardkugeln gesehen haben, ist die Relativität bzw. Beliebigkeit der Wahl eines kinematischen Ruhepunktes notwendige Bedingung dafür, die grundsätzliche Äquivalenz von Wirkung und Gegenwirkung in der Stoßmechanik einzusehen. Andererseits ist die richtige Wahl des Ruhepunktes, der Sonne, für die Entdeckung der Rolle der Massen der Körper für die Gravitations- und Fliehkräfte und damit für die zunächst planetarische Himmelsmechanik von entscheidender Bedeutung gewesen. Alles, was dabei als Kraft in die Dinge gesetzt wird, gehört auf die Ebene des generischen Ansichseins. Mit anderen Worten, wir brauchen typische Setzungen für Gegenstandsarten; die für die Gravitation oder (Himmels-)Ballistik relevante Gegenstandsart- oder Klassenbildung der Körper ist nicht ihre Anschauung (geometrische Größe), sondern ihre Masse (die lokal, auf der Erde, für kleine Körper durch das Gewicht bestimmbar ist). Auf diese Weise erhalten wir generische Ursachen und Wirkungen. Zugleich bleibt das Prinzip der Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung erhalten. Zweytens geht die Gegenwirkung gegen die erste wirkende Ursache. Die Wirkung, welche | die vorher passive Substanz in sich aufhebt, ist nemlich eben jene Wirkung der ersten. Die Ursache hat aber ihre substantielle Wirklichkeit nur in ihrer Wirkung; indem diese aufgehoben wird, so wird ihre ursachliche Substantialität aufgehoben. Diß geschieht erstlich an sich durch sich selbst, indem sie sich zur Wirkung macht; in dieser Identität verschwindet ihre negative Bestimmung und sie wird passives; zweytens geschieht es durch die vorhin passive, nun rükwirkende Substanz, welche deren Wirkung aufhebt. – ¦ (406 | 277 f.) Die Einsicht in die Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung ergibt sich, wie schon vorgeführt, aus der Einsicht, dass es keine ›unmittelbare‹ Verteilung von ursächlichen Kräften auf die Dinge gibt, sondern diese zunächst abhängig bleibt von der Wahl einer Betrachterperspektive und damit einer Setzung. Es bedarf daher einer ›Regel‹, welche die Kovarianten bei Perspektivenwechsel sozusagen dingfest
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macht. Es ist überhaupt nicht trivial, diese Abhängigkeit der Rede von Ursachen und Kräften bzw. wirkenden Mächten von der Wahl bzw. Setzung der Ruhepunkte einzusehen. Da eine Ursache »ihre substantielle Wirklichkeit« nur in ihrer Wirkung hat, wird diese o=enbar aufgehoben, wenn die Betrachterperspektive so gewählt wird, dass gar keine Wirkung auf anderes verursacht wurde, sondern das vermeintlich verursachende Ding selbst etwas ›erleidet‹, was von anderen Dingen verursacht wurde. Wie man sieht, ist eine Humesche Theorie der Verursachung viel zu naiv verfasst, um diesen Gedankengang überhaupt in seiner Bedeutsamkeit verstehbar zu machen. Denn sie spricht abstrakt von Vorgängerereignissen und Folgeereignissen, als gäbe es diese in wohlbestimmbarer Form. Noch nicht einmal die zeitlichen Ordnungen sind perspektivenunabhängig, was wir allerdings erst seit Einstein als kanonisches Wissen anerkennen. Hegel aber weiß immerhin schon, dass nicht nur für räumliche Verhältnisse, sondern auch schon für die lokalen Unterscheidungen von Bewirktem und Bewirkendem die gesetzte Ruheperspektive eine zentrale Rolle spielt. Das wusste man zwar auch schon empraktisch in der zeitgenössischen Physik. Es wurde aber noch nicht, schon gar nicht richtig, expliziert. In der bestimmten Causalität wird die Substanz, auf welche gewirkt wird, zwar auch wieder Ursache, sie wirkt hiemit dagegen, daß eine Wirkung in ihr gesetzt wurde. Aber sie wirkte nicht zurük gegen jene Ursache, sondern setzte ihre Wirkung wieder in eine andere Substanz, wodurch der Progreß von Wirkungen ins Unendliche zum Vorschein kam; weil hier die Ursache in ihrer Wirkung nur erst an sich mit sich identisch ist, daher einerseits in einer unmittelbaren Identität in ihrer Ruhe verschwindet, andererseits in einer andern Substanz sich wieder erwekt. – In der bedingten Causalität hingegen bezieht die Ursache in der Wirkung sich auf sich selbst, weil sie ihr Anderes als Bedingung als vorausgesetztes ist, und ihr Wirken dadurch eben so sehr Werden, als Setzen und Aufheben des Andern ist. (407 | 278) In der durch die Wahl eines inertialen Ruhepunktes »bestimmten Kausalität« wurde eine Substanz, also eine Dingkonstellation, »auf
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welche gewirkt wird«, »zwar auch wieder Ursache«, nämlich für weitere Folge-Wirkungen. Insofern kann »dasselbe« in gewisser Weise Wirkung und Ursache sein, ohne dass dabei auf die Ausgangsursache »zurückgewirkt« werden müsste. Das ist im Fall der Gegenwirkung gegen eine Ursache, wie beschrieben, anders. Hegel selbst erwähnt in unserem Abschnitt die »Ruhe« explizit, in welche die Ursache einer Wirkung verschwindet, wenn man nämlich die Perspektiven zwischen bewirkender Sache und bewirkter Sache vertauscht. Der unendliche Progress von einer Ursache zu einer Wirkung, die ihrerseits Ursache weiterer Wirkung ist (und sofort, wie oben beschrieben), ist also ein anderer Fall. Die bedingte Kausalität ist diejenige, in welcher die Wahl der Ursache bzw. der wirkenden Substanz von der Setzung der Perspektive der Ruhe abhängt und diese Abhängigkeit gerade darin reflektiert wird, dass man Wirkung und Gegenwirkung als gleichwertig erkennt. Jedes Wirken ist hier ein Werden, also auch Selbstveränderung. Ferner verhält sie sich hiemit als passive Substanz; aber, wie sich ergab, entsteht diese durch die auf sie geschehene Wirkung als ursachliche Substanz. Jene erste Ursache, welche zuerst wirkt, und ihre Wirkung als Gegenwirkung in sich zurük erhält, tritt damit wieder als Ursache auf; wodurch das in der endlichen Causalität in den schlecht-unendlichen Progreß auslaufende Wirken umgebogen, und zu einem in sich zurükkehrenden, einem unendlichen Wechselwirken wird. | (407 | 278) Indem wir passive und aktive Substanz, lokales Zentrum und Umgebung zusammennehmen, verwandelt sich die Rede von Wirkung und Gegenwirkung zur ›Wechselwirkung‹ im Gesamtsystem. Alle Dinge wirken virtuell auf alle anderen ein – allerdings nicht in gleichem Maße und sogar so, dass es gute Wahlen ausgezeichneter RuhePerspektiven gibt. Wenn wir immer alle Wechselwirkungen bzw. Gegenwirkungen berücksichtigen müssten und keine ausgezeichneten Perspektiven fänden für eine vernünftige Bestimmung von in Dingen (Körpern, dinglichen Substanzen, also einem Substrat) lokalisierbaren Kräften und Dispositionen, würde das kausale Erklären sehr schwierig. Dass wir am Ende doch aus den Dingkonstellationen und einer (lokalen) Vorgeschichte die Form der weiteren Veränderungen des
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Gesamtsystems approximativ bestimmen bzw. ›berechnen‹ können, ist daher eine Art große Tatsache.
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In der endlichen Causalität sind es Substanzen, die sich wirkend zu einander verhalten. Der Mechanismus besteht in dieser Aeusserlichkeit der Causalität, daß die Reflexion der Ursache in ihrer Wirkung in sich zugleich ein abstossendes Seyn ist, oder daß in der Identität, welche die ursachliche Substanz in ihrer Wirkung mit sich hat, sie sich eben so unmittelbar äusserliches bleibt, und die Wirkung in eine andere Substanz übergegangen ist. In der Wechselwirkung ist nun dieser Mechanismus aufgehoben; denn sie enthält erstens das Verschwinden jenes ursprünglichen Beharrens der unmittelbaren Substantialität; zweytens das Entstehen der Ursache; und damit die Ursprünglichkeit als durch ihre Negation sich mit sich vermittelnd. (407 | 279) Die Substanzen der endlichen Kausalität sind gemäß unserer Rekonstruktion endliche Dinge oder Dingkonstellationen in ihren Relativbewegungen. Sie sind zusammen mit einer lokal verlaufenden Geschichte zu verstehen, da wir sonst nur statische Relationssysteme betrachten würden und keine Bewegungs- und Veränderungs- oder Prozessformen. Hegel bestätigt hier unsere Lesart: Die Substanzen verhalten sich wirkend zueinander wie Billardbälle, die aneinander stoßen. Die kausale Erklärungsform, die bei Hegel den Titel »Mechanismus« trägt, besteht darin, diese Form der Druck-und-Stoß-Kausalität zum Grundmuster zu nehmen. Das führt schon in der klassischen Metaphysik des Aristoteles zur Idee eines unbewegten Bewegers, der die Welt wie eine Dauerspieluhr so anstößt, dass sie danach sich ewig von selbst fortbewegt. In der post-cartesischen Metaphysik führt das, wie gesehen, bei Malebranche zur Idee einer Dauerintervention einer göttlichen Macht. Newton will in seiner Theorie zwar metaphysisch neutral bleiben, erklärt aber selbst, dass Malebranches Idee eine der Möglichkeiten ist, die Theorie metaphysisch zu ergänzen. Bei Hobbes und Spinoza werden die Wirkkräfte in die Materie selbst
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gesetzt. Hegels Überlegungen zeigen, dass es bei der Bestimmung dieser in die Dinge gelegten dispositiven Wirkkräfte systematische Probleme gibt, die nicht etwa gegen das Verfahren an sich sprechen, wohl aber verlangen, dass man die Abhängigkeit von der Wahl inertialer Ruhepunkte ernstnehmen muss. Damit wird klar, warum die Vorstellung einer unmittelbaren Objektivität von Materie und Kraft unabhängig von unseren begri=lichen Setzungen, Perspektivenwechseln, Kovarianzen und generischem Wissen logisch naiv ist. Weder Hobbes nach Spinoza kommen ohne impliziten Appell an einen transzendenten, überräumlichen überzeitlichen Gott und seine ›All-Perspektive‹ aus; sogar noch Leibniz und Kant operieren mit diesem ›Joker‹, der eine Redeweise auf die ganze Welt oder ›Natur‹ von der Seite, von überall und nirgendwo ermöglichen soll, was man für eine ›objektive‹ Wahrheit jenseits der Grenzen der Erkenntnisfähigkeiten von uns armen Menschen für notwendig hält. Hegel sieht, dass das Bild schief ist. Denn alle Objektivität ist ein abstraktives An-und-für-sich-Sein, das auf unseren Perspektivenwechseln beruht. Das ist ein Einschub, der für das Gesamtverständnis des Argumentationszusammenhanges m. E. wichtig ist. Denn nur vor seinem Hintergrund verstehen wir die Bedeutsamkeit des folgenden Satzes: »In der Wechselwirkung ist . . . dieser Mechanismus aufgehoben«. Das Druck-und-Stoß-Modell der kausalen Erklärung und Urbild für Verursachungen ist rein provinziell. Damit ist der Kernsinn des Absatzes klar. Demgegenüber ist eine Erläuterung von Details in der Formulierung sekundär. Der Ausdruck »Reflexion der Ursache in ihrer Wirkung« verweist z. B. auf die Symmetrie von Wirkung und Gegenwirkung und zugleich darauf, dass der ›Inhalt‹ einer Ursache ›derselbe‹ ist wie der der Wirkung. Diese Reflexion ist »in sich zugleich ein abstoßendes Sein«, insofern es sich um Unterschiede in einem Gesamtsystem eines Gesamtprozesses handelt. In wechselwirkenden Gesamtprozessen lässt sich keine absolut ruhende, passive Substanz festlegen oder ausmachen. Das meint die Rede von einem »Verschwinden jenes ursprünglichen Beharrens der unmittelbaren Substantialität«. Außerdem wird klar, wie in
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einem solchen Prozess Ursachen »entstehen«, nämlich indem sie als notwendige Bedingungen oder Momente in generischen Abläufen herausgestellt werden. Die »Ursprünglichkeit« eines Ursprungs oder einer Ursache ist also »durch ihre Negation«, eine Unterscheidung von ›wirkendem‹ Moment und ›bewirktem‹ Moment an der Gesamtprozessform, vermittelt. Es gibt keine unmittelbaren Ursachen, keine unmittelbare Ursprünglichkeit. Alle Bestimmungen hängen an Negationen, an unseren Unterscheidungen. Zunächst stellt die Wechselwirkung sich dar als eine gegenseitige Causalität von vorausgesetzten, sich bedingenden Substanzen; jede ist gegen die andere zugleich active und zugleich passive Substanz. Indem beyde hiemit sowohl passiv als activ sind, so hat sich bereits jeder Unterschied derselben aufgehoben; er ist ein völlig durchsichtiger Schein; sie sind Substanzen nur darin, daß sie die Identität des Activen und Passiven sind. Die Wechselwirkung selbst ist daher nur noch leere Art und Weise; und es bedarf bloß noch eines äussern ¦ Zusammenfassens dessen, was bereits sowohl an sich als gesetzt ist. Fürs erste sind es keine Substrate mehr, welche miteinander in Beziehung stehen, sondern Substanzen; in der Bewegung der bedingten Causalität hat sich die noch übrige vorausgesetzte Unmittelbarkeit aufgehoben, und das Bedingende der ursachlichen Activität ist nur noch die Einwirkung, oder die eigene Passivitat. Diese Einwirkung | kommt aber ferner nicht von einer andern ursprünglichen Substanz her; sondern eben von einer Ursachlichkeit, welche durch Einwirkung bedingt, oder ein Vermitteltes ist. Diß zunächst Aeusserliche, das an die Ursache kommt und die Seite ihrer Passivität ausmacht, ist daher durch sie selbst vermittelt, es ist durch ihre eigene Activität hervorgebracht, somit die durch ihre Activität selbst gesetzte Passivität. – Die Causalität ist bedingt und bedingend; das Bedingende ist das Passive, aber eben so sehr ist das Bedingte passiv. Diß Bedingen oder die Passivität ist die Negation der Ursache durch sich selbst, indem sie sich wesentlich zur Wirkung macht, und eben dadurch Ursache ist. Die Wechselwirkung ist daher nur die Causalität selbst; die Ursache hat nicht nur eine Wirkung, sondern in der Wirkung steht sie als Ursache mit sich selbst in Beziehung. (407 f. | 279 f.) Beim schnellen Lesen überliest man leicht die für die Gesamtüber-
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legung wichtigen Rahmenbestimmungen und hält am Ende alles für obskur. Andererseits ist es eine Zumutung, wie langsam und sorgfältig Hegel uns zu lesen zwingen will. Die Verzweiflung und der Ärger von vielen Lesern, die sich mit diesem Autor beschäftigt haben, sind daher völlig verständlich. Und doch lohnt es sich, die Lektüre durch Zusatzkommentare zu verlangsamen und im Vergleich zu ihnen die Funken des Einleuchtens aus den Sätzen zu schlagen, die Hegel in sie hineingelegt hat. Wechselwirkungen erscheinen als Ergebnisse gegenseitiger Einwirkungen von substantiellen Dingen, die sich zugleich aktiv und passiv zueinander verhalten. Der einfache Fall verhält sich so wie Erde und Mond: Die Erde hält den Mond in seiner Umlaufbahn. Der Mond bewirkt Ebbe und Flut. Schwierige Fälle sind von der Art der gegenseitigen Beeinflussung gleichartiger und maßähnlicher Dinge und Sachen. In welchen Fällen aber ist die Rede von einer Wechselwirkung eine »leere Art und Weise«, über einen Gesamtprozess zu sprechen? Wann ist sie das nicht? Wann setzt sich der Gesamtprozess einfach aus den Kräften bzw. Dispositionen als bedingten Verursachungen zusammen, die generisch und in die Dinge gesetzt sind? Zunächst sollte klar sein, dass in Wechselwirkungen keine rein relationalen Substrate zu betrachten sind, sondern Substanzen-inProzessen. Eine solche endliche Substanz ist Moment einer (instanziierten) Prozessform. Die Vorstellung von unmittelbar in den Dingen vorfindlichen Kräften bzw. Verursachungen wurde schon aufgehoben in unseren Überlegungen dazu, wie die Wahl der perspektivischen Ruhepunkte die Kausalität bedingen. Die Dingkonstellation werden zu ›passiven‹ Bedingungen zunächst für holistisch-freischwebende Kräfte, die nicht von anderen, ursprünglich-ursächlichen Substanzen (schon gar nicht von Gott) stammen. Die Ursächlichkeit ist vielmehr »durch Einwirkung bedingt« und durch den Gesamtprozess vermittelt. Zunächst erscheint die Ursächlichkeit als äußerliche Einwirkung auf die Dingkonstellation, die so zur bloß passiven Substanz wird. Dann aber wird sie zu einer Art Eigenschaft des Gesamtprozesses selbst. Die Dingkonstellation wird zu einem bloßen Moment in diesem Prozess des Werdens, der Veränderung der Welt, »die Wechselwirkung
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ist daher nur die Kausalität selbst« – die als solche der Gesamtweltprozess ist, den wir lokal und doch generisch dadurch zu beschreiben versuchen, dass wir trotz der Einsicht in seinen holistischen Charakter lokale Kräfte in die Dinge legen, lokal zwischen wirkenden Ursachen bzw. Dingen und bewirkten Sachen unterscheiden, so aber, dass sich der Gesamtprozess in seiner Typik oder Form einigermaßen zusammensetzen lässt. Hegels generisch-verbale Darstellungsform, nach welcher die Ursache etwas tut, sich zu sich selbst verhält, »sich wesentlich zur Wirkung macht« usf., ist zwar gewöhnungsbedürftig, soll aber nur das Folgende ausdrücken: Wenn wir über das nachdenken, was wir so alles als Ursachen ansprechen, was wir diese Ursachen tun lassen und wie wir ›die Ursache‹ von ›ihrer Wirkung‹ unterscheiden bzw. jeweils identifizieren, dann stellt sich am Ende heraus, dass die vorgestellte Passivität dessen, was durch die Ursache bzw. die Ursächlichkeit einer Kraft oder Macht verändert wird, »die Negation der Ursache durch sich selbst« ist, also das »Andere« der Ursache, auf das sie wirken soll. Im Durchgang durch das Verhältnis von Wirkung und Gegenwirkung, der Perspektivenabhängigkeit von Ruhe bzw. Passivität und Tätigkeit oder wirkender Kraft und Ursache sehen wir ein, dass unsere Rede von Ursachen oder kausalen Bedingungen immer schon Momente oder Teildarstellungen sind. Sie sind eingelassen in holistisch wechselwirkende und globale Bewegungs- oder Prozessformen, die Hegel insgesamt »die Kausalität selbst« nennt. In diesem Sinn steht die Ursache in der Wirkung »mit sich selbst in Beziehung«. Hiedurch ist die Causalität zu ihrem absoluten Begri=e zurükgekehrt, und zugleich zum Begri=e selbst gekommen. Sie ist zunächst die reale Nothwendigkeit; absolute Identität mit sich, so daß der Unterschied der Nothwendigkeit und die in ihr sich auf einander beziehenden Bestimmungen, Substanzen, freye Wirklichkeiten, gegen einander, sind. Die Nothwendigkeit ist auf diese Weise die innre Identität; die Causalität ist die Manifestation derselben, worin ihr Schein des substantiellen Andersseyn sich aufgehoben hat, und die Nothwendigkeit zur Freyheit erhoben ist. – (408 | 280) Die Einbettungen in holistische Prozessformen und deren perspektivische Darstellungen mit lokalisierenden Momenten liefern erst
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den Begri= der Kausalität in seinem vollen Sinn. Damit sind wir aber schon zum Begri= nicht bloß der Kausalität, sondern zur Bedeutung des Begri=lichen für sie, also für den Inhalt der Rede von Ursache und Wirkung, Kraft, Macht und Manifestation, passivem Substrat und aktiver Substanz gekommen. So, wie wir über Kausalität sprechen, ist sie »reale Notwendigkeit«. Diese wird konkret in kausalen bzw. materialinferentiellen begri=lichen Setzungen, wie ich mich ausdrücke. Es gibt daher eine gewisse ›Identität‹ von realer Notwendigkeit, Kausalität und materialbegri=lichen Setzungen. Eben darum geht es beim Übergang von der Logik der Rede über ein Wesen, die Natur, das Wirkliche, die Ursache und schließlich das real Notwendige zur Logik des Begri=s. Diese behandelt die begri=lichen Normen, die diese explizierenden Regeln und die Art ihrer Setzung. Sie analysiert insbesondere ihre relativ apriorische Rolle für das Sinnverstehen empirischer Aussagen, erst recht aber für alle Reden über reale Notwendigkeiten. Ich halte Hegels Ausdrucksform, nach welcher die Kausalität als »absolute Identität mit sich« angesprochen wird, für keinen glücklichen Vorschlag zur Kommentierung der besprochenen Sachen. Dennoch lässt sich rekonstruieren, wovon die Rede ist. Die Kausalität ist einfach das, was wir als Kräfte und ›notwendige‹ Folgen etc. ansprechen. Die Rede von kausaler Notwendigkeit, passiver und aktiver Substanz und andere sich begri=lich aufeinander beziehenden Sachen wie Ursache und Wirkung, Disposition und Manifestation sind interne Unterscheidungen kausaler Redeformen, also ›der Kausalität‹. Nur in ihrer abstrakten, reflexionslogischen Verschiedenheit und Identität sind sie »freie Wirklichkeiten gegeneinander«. Man spricht so, als sei die Notwendigkeit »die innere Identität« der Wirklichkeit selbst, die Kausalität als System der ›wahren‹ Inhalte unserer Redeformen aber ihre Manifestation. Indem wir diese Form unserer Reflexion über Verschiedenes und Gleiches, Inhalt und Form, Wirklichkeit bzw. Notwendigkeit und Manifestation durchschauen, haben wir den »Schein des substantiellen Anderssein« aufgehoben. Es hat sich »die Notwendigkeit zur Freiheit erhoben«. – Der aufzuhebende ›Fehler‹ bestand in der Vorstellung, es gäbe Kräfte, Mächte, Ursachen, Notwendigkeiten unmittelbar in der wirklichen Welt, ohne dass wir
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ihr Gesetztsein im Rahmen unserer begri=lichen Gliederung von Welt berücksichtigen müssten. In der Wechselwirkung stellt die ursprüngliche Causalität sich als ein Entstehen aus ihrer Negation, der Passivität, und als Vergehen in dieselbe, als ein Werden dar; aber so daß diß Werden zugleich eben so sehr nur Scheinen ist; das Uebergehen in Anderes ist Reflexionin-sich selbst; die Negation, welche Grund der Ursache ist, ist ihr positives Zusammengehen mit sich selbst. | (408 | 280) Der Überlegungsgang, der uns von einer naiven Rede von der Ursache einer Wirkung oder der Wirkung einer Ursache zur Äquivalenz von Wirkung und Gegenwirkung und von da zum traditionell leicht obskuren Begri= der Wechselwirkung geführt hat, hat uns zu folgender Einsicht geleitet: Die ursprüngliche Kausalität der normalen Vorstellung von Ursache und Wirkung entsteht »aus ihrer Negation«, d. h. aus der kontrafaktischen Vorstellung einer passiven Substanz, also einer bloß relationalen Dingkonstellation als ursprünglichem Ausgangszustand, als Ur-Sache. Man springt dann sozusagen in die Wirkung als vermeintlichem Endzustand, der ebenfalls als eine Art momentaner Weltschnitt, als ›Sachverhalt‹, vorgestellt wird. Die Analyse hat aber gezeigt, dass die Kausalität nur im Rahmen von sich manifestierenden Prozessformen, also als instanziierte Vollzugsformen im Werden, zu verstehen ist. – Warum aber soll nun dieses Werden »ebenso sehr nur Schein« sein? Hegel scheint das durch den nächsten Satz erläutern zu wollen: »das Übergehen in Anderes ist Reflexion-in-sich-selbst«. Es könnte sein, dass er sagen will, dass der Titel »Werden« nur erst für ein ›Scheinen‹ bzw. ›Erscheinen‹ des Wirklichen steht, also bloß erst aus der je lokalen Perspektive der verschiedenen Betrachter angesprochen ist und daher das Fürsichsein des Wirklichen, des perspektiveninvarianten Objektiven als ›Ursache‹ dieses Scheinens noch nicht im Ausdruck »Werden« enthalten ist. Daher wäre es auch falsch, die bisherige Überlegung so zu lesen, als ginge es nur um eine Rückkehr zur Einsicht, dass die ganze Welt ein Werden ist, dass alles fließt und unsere Wahrnehmungen und Erfahrungen bloß lokal sind. Der Empirismus besonders bei Hume scha=t kaum mehr als diese Rückkehr aus seiner ›Kritik‹ der Kausalität und der kausalen Notwendigkeit. Hegel dagegen hebt die Überlegung auf
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ein neues Niveau. Eben darin besteht seine Verbindung von negativer Dialektik mit skeptischer Kritik. Deren Vollbringung oder Aufhebung ist eine positive Dialektik gestufter Reflexion: Der Übergang von Ursachen zu Wirkungen, besonders im Fall, dass die Ursachen in die Ebene des Wirklichen und die Wirkungen in die Ebene des Scheinens oder der Erscheinungen, Phänomene, versetzt werden, hat die Form einer inneren Beziehung einer Gesamtsache. »Ursache« und »Wirkung« sind Reflexionstermini. Die Negation, welche die durch sie genannten Momente als verschiedene Sachen darstellt, ist der eigentliche »Grund der Ursache«. Sie liegt der Rede von Ursachen als Unterscheidung auf der wesenslogischen Rede-Ebene zugrunde. Unterschieden wird dabei das Scheinen im Werden von der kausal die Erscheinungen erklärenden Wirklichkeit. Wie in jeder Unterscheidung wird ein gemeinsamer Bereich des Unterscheidbaren bzw. Verschiedenen vorausgesetzt. Das »positive Zusammengehen mit sich selbst« ist eben die Negation oder Unterscheidung im gemeinsamen Bereich. Etwas verständlicher ist vielleicht die Aussage, dass eine wirkliche Ursache sich in ihrer Wirkung zeigen muss und sich von dieser nur als begri=liches Moment unterscheidet, nämlich in gemeinsamer Bezugnahme auf gemeinsame Unterscheidungen und generische Normalfallschlüsse auf der Ebene denkenden Sprechens oder symbolischen Denkens. Es ergeben sich berechtigte Normalfallerwartungen auf der Ebene der Handlungsorientierungen. Das Wirkliche ist also der Gegenstand unserer Reflexion auf einen guten Umgang mit der Technik der Unterscheidung zwischen wirkenden Ursachen und bewirkten Erscheinungen. Wirkliche Kräfte und Dispositionen sind Reflexionsgegenstände unserer Technik der Zuordnung von bedingten Wirkmächten zu typischen Dingen im Kontext begri=licher Bestimmungen von Arten und Gattungen. Die Vermittlung leisten kanonisch zugeordnete Default-Erwartungen oder Inferenzen. Was wir Kausalität nennen, beruht auf solchen ›Regeln‹, etwa der Art, dass Feuer Rauch verursacht. Wo Rauch ist, kann dann oft ein entsprechendes Feuer angenommen werden. Nothwendigkeit und Causalität sind also darin verschwunden; sie enthalten beydes die unmittelbare Identität als Zusammenhang
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und Beziehung, und die absolute Substantialität der Unterschiedenen somit die absolute Zufälligkeit derselben; die ursprüngliche Einheit substantieller Verschiedenheit; also den absoluten Widerspruch. Die Nothwendigkeit ist das Seyn, weil es ist; die Einheit des Seyns mit sich selbst, das sich zum Grunde hat; aber umgekehrt weil es einen Grund hat, ist es nicht Seyn, ist es schlechthin nur Schein, Beziehung oder Vermittlung. Die Causalität ist diß gesetzte Uebergehen des ursprünglichen Seyns, der Ursache, in Schein oder bloßes Gesetztseyn, ¦ umgekehrt des Gesetztseyns in Ursprüngliclikeit; aber die Identität selbst des Seyns und Scheins ist noch die innre Nothwendigkeit. (408 f. | 281) Im Gesamtprozess der Darstellung generischer Prozessformen sind alle ›absoluten‹ Notwendigkeiten und Kausalitäten verschwunden. Dieses Ergebnis der Kausalitätskritik des Empirismus bleibt erhalten. Falsch ist es aber, in überschwänglicher ›Metaphysikkritik‹ nicht nur alle Reflexionstermini aus dem Verkehr zu ziehen, entsprechende Aussagen für sinnlos zu erklären und ganze Bücher ins Feuer zu werfen, sondern auch abstraktive Sprachtechniken wie in der wesenslogischen Gegenüberstellung von Wirklichkeit und Erscheinung, Ursachen und Wirkungen überhaupt nicht mehr zu verstehen – als gäbe es nur wahre Berichte und Einzelprognosen nach Maßgabe bisheriger ›Erfahrungen‹. An die Stelle eines Rückfalls in den gegen jede Reflexionslogik insensitiven und nur scheinbar ›kritischen‹, in Wahrheit dogmatischen, empiristischen Skeptizismus ist die Dialektik zwischen lokalen Erklärungsformen und globalen Rahmenbedingungen, also durchaus auch zwischen ›System‹ und ›Umwelt‹, ganz ernsthaft und genau zu betrachten. Gemäß dem Motto eines sich vollbringenden Skeptizismus ist zwar anzuerkennen, dass »die absolute Substantialität« dessen, was als Ursache und Wirkung im Gesamtprozess der Welt unterschieden wird, »die absolute Zufälligkeit« desselben ist. Das heißt, aus globaler Perspektive gesprochen ist sozusagen alles kontingent. Auf der spekulativen Ebene fallen Notwendigkeit und Kontingenz ineins. Das ist es, was der Empirismus eigentlich behauptet. Das aber darf nicht falsch verstanden werden. Denn der absolute Widerspruch zwischen der Vorstellung einer bloßen Kon-
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tingenz für uns und einer ewigen Notwendigkeit hinter dem Rücken unseres Wissens und Erkennens bleiben unabgegoltene, unanalysierte, Bestandteile in der ambivalenten Dogmatik eines skeptizistischen Empirismus. Logisch aufgeklärte Sinnkritik verlangt dagegen, unsere Entgegensetzung von Kontingenz und Notwendigkeit immanent angemessen zu verstehen und nicht unmittelbar von der – richtigen – skeptischen Einsicht in die Akzidentalität praktisch aller Allgemeinheiten, Besonderheiten und Einzelheiten der Welt in globaler Perspektive auf die immanente Unterscheidung zwischen Zufall und vorher Wissbarem einfach zu verzichten. Der absolute Widerspruch des (skeptizismus-a;nen) common sense besteht darin, das Sein der Welt als kontingent und als eigentliche ›Notwendigkeit‹ aufzufassen. Die Kausalität als Praxisform der Rede von Ursachen und Wirkungen, besonders wenn die Ursachen auf die Ebene der Wirklichkeit für sich und die Wirkungen in die Ebene der Erscheinungen für uns gesetzt sind, ist »dies gesetzte Übergehen des ursprünglichen Seins, der Ursache, in Schein oder bloßes Gesetztsein«. Der Ausdruck »ursprüngliches Sein« steht dabei für ein Sein, das als Ursprung aufgefasst wird. Man sollte daher in den Ausdruck nicht die Behauptung hineinlesen, das betre=ende Sein sei ursprünglich. Viele Konstruktionen dieser Sprechart bei Hegel enthalten keine entsprechenden Versicherungen, Thesen oder Behauptungen, sondern sind im Modus distanzierter Erwähnung zu lesen. Es treten in dem betrachteten Satz übrigens mehrere Setzungen auf, einmal die Setzung des Überganges von der Ursache zur Wirkung und der Wirkung zur Ursache, dann auch das bloße Gesetztsein im Bereich des ›Scheins‹, der phänomenalen Unterschiede bzw. Verschiedenheiten der Erscheinungen auf je subjektiver Vollzugsperspektive, aber unter Verwendung begri=licher Formen der Unterscheidungen. – Was heißt es nun, dass »die Identität selbst des Seins und Scheins« »noch die innere Notwendigkeit« sein soll? Das Wort »noch« weist wohl darauf hin, dass die Rede von einer »inneren Notwendigkeit« einer implizit ursächlichen Wirkungsweise des Seins auf die Erscheinungen – samt den Fehlerbeurteilungen im Schein – in ihrer begri=lichen Konstitution noch nicht voll explizit gemacht ist.
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Diese Innerlichkeit oder diß Ansichseyn hebt die Bewegung der Causalität auf; damit verliert sich die Substantialität der im Verhältnisse stehenden Seiten, und die Nothwendigkeit enthüllt sich. Die Nothwendigkeit wird nicht dadurch zur Freyheit, daß sie verschwindet, sondern daß nur ihre noch innre Identität manifestirt wird; eine Manifestation, welche die identische Bewegung des Unterschiedenen in sich selbst, die Reflexion des Scheins als Scheins in sich ist. – (409 | 281) Die implizite Innerlichkeit der Notwendigkeit in kausalen Erklärungen einer Erscheinung oder eines Scheins ist ein Ansichsein. Hier hängt alles ab von generischen Bestimmungen des Seins bzw. des Wirklichen und Wirkenden in Bezugnahme auf die Wirkung im Bereich der Erscheinungen, der phänomenalen, präsentischen Unterscheidungen. Wie soll nun dadurch »die Bewegung der Kausalität« aufgehoben werden? Gemeint ist wohl, dass die implizite Unterstellung einer Ursache im Bereich des Wirklichen dafür sorgt, dass von zwei substantiellen, für sich bestehenden Seiten der Ursache und Wirkung gar nicht mehr gesprochen werden kann. Damit würden auch alle Momente als nicht auf diese Form der Kausalität anwendbar ausgeschlossen, welche uns in der Zwischenzeit zu den Einsichten in die Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung und damit zum Begri= der Wechselwirkung geführt haben. Anders gesagt, die Anwendung der Rede von Ursache und Wirkung auf das Verhältnis von wirklichen Wesen und ihren Erscheinungen ist bestenfalls metaphorisch. Wie aber soll sich dadurch »die Notwendigkeit« ›enthüllen‹? Die Antwort liegt im nächsten Satz: Die Notwendigkeit wird zur Freiheit, aber nicht etwa dadurch »dass sie verschwindet«. Das Notwendige wird als frei gesetzt einsehbar dadurch, »dass nur ihre noch innere Identität manifestiert wird«. Das ist sprachlich starker Tobak, eine höchst verdichtete Ausdrucksweise für folgenden Gedanken: Gerade wenn wir einsehen, dass die Ursachen auf der Ebene der Redeformen über das Wirkliche nicht unabhängig von ihren Erscheinungen als substantiell vorhanden bestimmt oder auch nur bestimmbar sind, begreifen wir, dass es sich um unsere freien begri=lichen Setzungen im Kontext der Darstellungsform von typischen Prozessformen im Reich der Erscheinungen handelt.
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Es liegt hier auch an der Komplexität der Sache, wenn ihre Artikulation schwierig wird, nicht nur an Hegels Sprachkunst. Denn die Manifestation von gedanklich in eine wirkliche Welt hinter den Erscheinungen gesetzten Ursachen (›an und für sich‹) ist eine Art »identische Bewegung des Unterschiedenen in sich selbst«, eine »Reflexion des Scheins als Scheins in sich«. Das heißt, um es wieder an unserem trivialen Beispiel zu erläutern: Ein gerader Stock im Teich ›verursacht‹ den manifesten Schein einer abgeknickten Stabgestalt. Der wirkliche Stock in seiner Substantialität und seinen wirksamen Kräften z. B. auch als Disposition, in diesen und jenen Umständen so und so sinnlich wahrgenommen zu werden, ist kein Gegenstand in einer Hinterwelt der Erscheinungen, sondern er selbst korrespondiert einem System von Gleichheiten und Verschiedenheiten, welche sich in ›richtigen‹ gemeinsamen Unterscheidungen als allgemein reproduzierbar ergeben. Der Stock selbst ist als Gegenstand mit allen seinen Erscheinungen im Unterschied zu allen Erscheinungen anderer Dinge und Sachen begri=lich verbunden. Der Stock ist so wirklich vorhanden, wie seine Erscheinungen real sind. Zwar ist seine Identität nicht unabhängig von seinen Wirkungen bzw. Erscheinungen definiert, so dass die Setzung seiner Wirkungen zur Bestimmung seiner Identität gehört. Das wird aber nicht von mir oder dir oder uns als bloß zufällige Kleingruppe bestimmt und gesetzt, sondern von uns oder dem Man des ›richtigen‹ begri=lichen Unterscheidens von Stöcken und Stäben in ihrer Identität und ihren Erscheinungsformen. In gewisser Weise sind die Aussage, dass der Stab im Wasser ›eigentlich‹ oder ›in Wirklichkeit‹ gerade ist, und das Phänomen, dass er als geknickt erscheint oder geknickt zu sein scheint, von ähnlicher Form wie die Aussage, dass das Hemd vor mir im gelben Licht des Supermarktes nur grün oder grünlich zu sein scheint, in Wirklichkeit aber blau oder bläulich ist. In beiden Fällen ist das, was wir als ›wirkliche‹ Eigenschaft der Sache aussagen, an eine Art Normalfallumgebung gebunden. Holen wir den Stab aus dem Wasser, sieht er nicht mehr geknickt aus. Schon Vögel, die Fische fangen, können die optischen Brechungen in ihrem Verhalten in gewisser Weise austarieren. Sie haben also eine Art impliziten oder praktischen Begri= der substantiellen Dingidentität des Einzelfisches und seines Ortes,
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wie wir auf leicht unglückliche Weise sagen, da ein bloß praktischer Begri= gar kein Begri= ist und ein bloß praktisches Können noch gar kein Wissen im vollen Sinn ist. Entsprechend können Tiere nicht zwischen Schein und Sein unterscheiden, auch nicht zwischen Ursache und Wirkung, Notwendigkeit und Kontingenz, sondern nur auf gegenwärtige Sachen so und so, gut und klug meinetwegen, reagieren. Umgekehrt wird zugleich dadurch die Zufälligkeit zur Freyheit, indem die Seiten der Nothwendigkeit, welche die Gestalt für sich freyer, nicht in einander scheinender Wirklichkeiten haben, nunmehr gesetzt sind als Identität, so daß diese Totalitäten der Reflexionin-sich, in ihrem Unterschiede nun auch als identische scheinen, oder gesetzt sind nur als eine und dieselbe Reflexion. (409 | 281) Die Einsicht in das Kontingente des Weltlaufs wird zur Voraussetzung der Einsicht in die Möglichkeit von Freiheit über das Wissen, dass die Zeit im Futur eine modale Struktur hat. Dazu müssen wir aber auch noch einsehen, dass »die Seiten der Notwendigkeit« z. B. in kausalen Erklärungen frei von uns »gesetzt sind«. Es sieht dabei nur bei oberflächlicher Betrachtung so aus, als ob es sich um willkürliche Konstruktionen handelt. Die handlungs- und begri=sfreie Wirklichkeit ist ein von uns gesetztes Für-sich-Sein, bei dessen Setzung wir von unseren bloß subjektiven Konstruktionen und relationalen Zugängen gerade absehen. In Wahrheit sind die Verschiedenheiten der ursächlichen Dinge und die Unterscheidungen ihrer erscheinenden Wirkungen von uns begri=lich einander zugeordnet. Hegels etwas unglücklicher Ausdruck für diese Setzung ist »Identität«. Die Rede von einer Totalität oder dem »Totalitäten der Reflexion-in-sich« verweist wohl auf die vielen unterschiedlichen Erscheinungsweisen eines substantiellen Dinges oder einer Dingkonstellation in ihrem prozessualen Gesamtzusammenhang als deren ›Ursache‹. Sie erscheinen als Mannigfaltigkeit, zugleich als Äußerung oder Erscheinung oder Wirkung einer einzigen Ursache. Wir fokussieren also gar nie auf die verschiedenen Erscheinungen, sondern auf die sie verursachenden Dinge. Das tun schon die Tiere, freilich nur in Bezug auf zuhandene Dinge, da sie eine nicht präsentische Vorhandenheit und entsprechende Ursachen gar nicht
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kennen können. Dazu bedarf es eines begri=lich vermittelten Zugangs zu nicht gegenwärtigen Möglichkeiten. Der von mir herangezogene Vergleich zum perzeptivischen enaktiven Umgang mit präsentischen Dingen in ihrer Dingkonstanz bei Tieren erscheint mir insofern wichtig, als Tiere keine Identitäten setzen können, sondern sich nur enaktiv, also im Verhalten, zu präsentischen Dingen und damit auch zu präsentischen Verschiedenheiten verhalten können. Damit wird vielleicht auch klar, inwiefern wir zwischen einer bloß enaktiven und einer generischen Bestimmung von Arten von Dingen und ihren (lokalen) Identitäten als je besondere und einzelne Dinge der betre=enden Art (oder Gattung) zu unterscheiden haben. Erst der Begri= der irgendwo vorhandenen Dinge führt zum Begri= der substantiellen Ursache von Erscheinungen. Die absolute Substanz, als absolute Form sich von sich unterscheidend, stößt sich daher nicht mehr als Nothwendigkeit von sich ab, noch fällt sie als Zufälligkeit in | gleichgültige, sich äusserliche Substanzen aus einander, sondern unterscheidet sich einerseits in die Totalität, welche, – die vorhin passive Substanz –, Ursprüngliches ist als die Reflexion aus der Bestimmtheit in sich, als einfaches Ganzes, das sein Gesetztseyn in sich selbst enthält und als identisch darin mit sich gesetzt ist, das Allgemeine; – andererseits in die Totalität, – die vorhin ursachliche Substanz, – als in die Reflexion eben so aus der Bestimmtheit in sich zur negativen Bestimmtheit, welche so als die mit sich identische Bestimmtheit ebenfalls das Ganze, aber als die mit sich identische Negativität gesetzt ist; – das Einzelne. Unmittelbar aber, weil das Allgemeine nur identisch mit sich ist, indem es die Bestimmtheit als aufgehoben in sich enthält, also das Negative als Negatives ist, – ist es dieselbe Negativität, welche die Einzelnheit ist; – und die Einzelnheit, weil sie eben so das bestimmte Bestimmte, das Negative als Negatives ist, ist sie unmittelbar dieselbe Identität, welche die Allgemeinheit ist. (409 | 281 f.) Hegel sagt wie beiläufig, dass die absolute Substanz absolute Form ist. Es sind also Formen in der Welt das Bleibende, nicht Dinge oder Einzelwesen. Wer oder was absolute Substanz ist, mag dabei noch zu erraten sein. Sie ist bei Spinoza die ganze Welt, aber nicht als Form, sondern ununterschieden als Realität, Wirklichkeit, Natur oder Gott
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gedacht. Bei Hegel ist auch das Ich absolute Substanz. Das aber heißt nur, dass je ich in meinem Vollzug der bin, der ich bin, unabhängig von allen begri=lichen Bestimmungen durch andere oder mich selbst. Eine Form hat wie eine Struktur innere Verschiedenheiten und erlaubt es daher immer, davon zu sprechen, dass sie »sich von sich« unterscheidet. Hegel sagt jetzt, dass sich die aktive Substanz »nicht mehr als Notwendigkeit« kausaler Ursache »von sich« als passiver Substanz ›abstößt‹. Sie fällt aber auch nicht, wie im Empirismus, »als Zufälligkeit auseinander«. Die absolute Substanz ist in ihrer Form vielmehr einerseits die Totalität des Allgemeinen, andererseits die Totalität des Einzelnen. Wieder klammern wir Hegels Rede davon, dass sich die Substanz unterscheide, ein. Das Allgemeine des Begri=lichen ist »die Reflexion aus der Bestimmtheit in sich«, »einfaches Ganzes, das sein Gesetztsein in sich selbst enthält«. Das Allgemeine ist Form, Begri=, eidos. Das Einzelne aber ist Instanziierung, Manifestation allgemeiner Formen in je besonderer Ausprägung. Allgemeines enthält »sein Gesetztsein in sich selbst«. Das Allgemeine ist insgesamt die begri=liche Welt generischer Normalfallinferenzen und Möglichkeiten, wie sie jeweils mehr oder weniger dem Begri=, der Form gemäß aktualisiert ist, sich also in der empirischen Realität manifestiert. Das Einzelne aber ist jeweils das Empirische in einem Jetzt und Hier, wie es ohne generische Bestimmung seines Ansichseins gar nicht anders als bloß enaktiv oder praktisch identifizierbar wäre. Es ist erkennbar je nur als ein Besonders, also als etwas, das in seinem Ansichsein generisch-eidetisch bestimmt ist, in seinem Fürsichsein aber als Aktualisierung eines Gegenstandes mit entsprechender Identitätsbedingung zu begreifen ist. – Ein absolutes Einzelnes wäre ine=abel. Das ist so, weil eine absolute Monade, nennen wir sie m, das ganze Universum ›in sich‹ enthalten müsste. Das ist aus logischen Gründen so, wenn wir uns nur an die von Platon oder Leibniz gebrauchte ›intensionale‹ Ausdrucksweise erinnern, nach welcher jede Eigenschaft E , welche einer Sache m zukommt, ›in m‹ liegt. Das wiederum ist gerade dann der Fall, wenn m ›extensional‹ im Umfang von E oder der Menge der E liegt. Aus einer Beziehung R von m zu a der Art m R a erhalten wir nun aber, wie schon öfter betont, für beliebiges a die Eigenschaft E a = λx .x R a., die m gerade dann
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›zukommt‹ und daher intensional ›in m‹ liegt, wenn m R a gilt. Damit werden alle Relationen m zu allen Sachen a sozusagen ›in m gespiegelt‹, nämlich als Eigenschaften E a . Wer daher alle Eigenschaften von m kennt, kennt die ganze Welt. Ich kenne dementsprechend auch mich selbst und meine in mir reflektierten Eigenschaften gerade so weit, wie ich meine Relationen zur Welt kenne. Das ›Innere‹ der Seele oder des subjektiven Geistes ist im Grunde nichts Anderes als dieses in mir reflektierte ›Wissen‹ oder Bewusstsein meiner selbst – ergänzt durch entsprechende praktische Haltungen. Die Wörter »absolutes Einzelnes« und »Monade« sind damit metaphysisch-spekulative Ausdrücke, deren guter logischer Sinn nur in der Form der relativen Kontrastierung von besonderem Einzelnen, der Besonderheit als eidetische Subklassifizierung einer generischen Allgemeinheit und der Gattung des allgemeinen Gegenstandstyps besteht. Der Dreigliederung des Begri=lichen in Allgemeines, Besonderes und Einzelnes korrespondiert logisch einfach die Dreigliederung jedes Gegenstandsbereichs in den Gesamtbereich, die Gattung, die Einzelheit der Einzelgegenstände, definiert durch die zum Gegenstandsbereich konstitutiv gehörende Gleichheit als Ausdruck für die gesetzte Gegenstandidentität, und die Besonderheiten der im Bereich als wohldefiniert geltenden Prädikate oder Klassifikationen, unter Einschluss aller mehrstelligen Prädikate, also Relationen im Bereich. Die Grundform des Begri=lichen ermöglicht allererst Benennungen, Variablen und Quantifikationen in gegenstandförmiger Rede, in der formalen Kategorie der Quantität und Prädikationen der formalen Kategorie der Qualität, jetzt aber nicht als di=use, vorprädikative Unterscheidung, sondern als begri=lich bestimmte Aussageformen. Über diese formalen Bestimmungen gegenständlicher Redeformen hinaus geht die Einsicht in die inferentielle Dichte des Begri=s, also die Setzungen der Normalfallinferenzen, welche den Gegenstandsbenennungen und Prädikaten ihren weltbezogenen Inhalt allererst geben und damit empirische Aussagen über das Vorhandene der Welt über das Zuhandene der Gegenwart hinaus allererst möglich machen. So wirkt der Begri= im Welterö=nen als apriorische Bedingung sprachlich-denkender Weltbezugnahme.
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Ausgangspunkt für alle begri=lichen Bestimmungen in der Welt ist und bleibt aber die Negation, die (gemeinsame) Unterscheidung, wie sie zunächst zu allgemeinsten Unterscheidungen von Themenbereichen in ihrer je bestimmten Aspektbezogenheit führt und von da zu den verschiedenen Gegenstandsbereichen. Daher ist der Ausgangspunkt jeder ernstzunehmenden Sprachanalyse holistisch: Wir müssen mit qualitativen Großunterscheidungen vorprädikativer Art beginnen, um die Konstitution von Mengen und Elementen bzw. Gegenständen und Eigenschaften nicht bloß in ihrer abstrakten Form, sondern im konkreten Weltbezug begreifen zu können. Hinzu kommt dann über diese Themen der Seinslogik hinaus die Ebenen-Unterscheidung von Wirklichkeit und Erscheinung, Wesensursache und realer Wirkung. Aus dieser ergibt sich die Einsicht in die begri=lichen Setzungen aller Ursächlichkeit, aller generischen Inferenzen, der Kausalität von Substanz, Ursache und Wirkung, aber auch der guten Gründe in der Anwendung allgemeinen Wissens. Hegels Formel vom Allgemeinen als dem Negativen als Negatives, das »die selbe Negativität« sei, »welche die Einzelheit ist«, soll wohl nur explizit machen, dass die Bestimmung eines Gegenstandsbereichs mit der Bestimmung der Identität der Gegenstände, Elemente, des Bereichs ineins fällt. Da die Identität, artikuliert durch eine Gleichung oder Gleichheit, die Negation einer Unterschiedenheit ist, kann man sie unter dem Titel einer Negation der Negation bringen, nicht anders als jede Mengen- oder Klassenbildung. Gerade deswegen werden Mengen zu Gegenständen. Diese ihre einfache Identität ist die Besonderheit, welche vom Einzelnen das Moment der Bestimmtheit, vom Allgemeinen das Moment der Reflexion-in-sich in unmittelbarer Einheit enthält. Diese drey Totalitäten sind daher Eine und dieselbe Reflexion, welche als negative Beziehung auf sich in jene beyden sich unterscheidet, aber als in einen vollkommen durchsichtigen Unterschied, nemlich in die bestimmte Einfachheit, oder in die einfache Bestimmtheit, welche ihre Eine und dieselbe Identität ist. – Diß ist der Begri=, das Reich der Subjectivität oder der Freyheit. ¦| (409 | 282) Warum aber sollte »die Identität«, »welche die Allgemeinheit ist«, »die Besonderheit« sein, »welche vom Einzelnen das Moment der
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Bestimmtheit, vom Allgemeinen das Moment der Reflexion-in-sich in unmittelbarer Einheit enthält?« Über das, was Hegel sagt, hinaus kann man den Gedanken vielleicht so entwickeln: Ein Gegenstandsbereich mit Gegenständen N ist konstitutiv bestimmt durch die in ihm definierten prädikativen Unterscheidungen φ(x ). Zwei G -Benennungen N und M benennen in G dieselben Gegenstände genau dann, wenn es keine G -Prädikate φ(x ) gibt, sodass φ(N ) wahr und φ(M ) falsch ist. In diesem Sinn gehören das Allgemeine, das Besondere und das Einzelne begri=lich so eng zusammen, dass Hegel in seiner idiosynkratischen Diktion davon spricht, dass sie »Eine und dieselbe Reflexion« auf den Begri= des Gegenstandes und damit der Objektivität und Wahrheit sind. Der letzte Satz leitet etwas abrupt zum dritten Buch der Wissenschaft der Logik über. Er besagt, dass der Begri= gerade in der Triade der Bestimmung von Gegenstandsbereichen, dem Allgemeinen, Besonderen und Einzelnen, also der Bereichsbestimmung, der Prädikatbestimmung und der Identitätsbestimmung besteht. Es handelt sich um »das Reich der Subjektivität oder der Freiheit« eben deswegen, weil alle gegenständliche Objektivität von uns begri=lich gesetzt und verfasst ist und nach Hegels Aufklärung der Sache nur logische Unbildung dies noch übersehen kann. Zum Abschluss könnte noch ein Blick auf das Ende der Wesenslogik in der Enzyklopädie der Philosophischen Wissenschaften zum Vergleich hilfreich sein. Im § 158 schreibt Hegel, die »Wahrheit der Notwendigkeit ist soweit die Freiheit, und die Wahrheit der Substanz ist der Begri= «. Die Substanz ist ein nachhaltig fest bleibender Gegenstand im System des Wissens, also etwas Allgemeines, eine eidetisch-begri=liche Form. Damit wird der zweite Halbsatz fast unmittelbar einleuchtend, gerade angesichts der Identität von eidos als Form und Begri=. Da alle Notwendigkeit aus begri=lich gesetzten generischen Kausalitäten stammt, ist auch der erste Halbsatz jetzt fast unmittelbar als klar und wahr einzusehen. Auf die weiteren Reden von einem Abstoßen von sich verzichten wir hier, ebenso wie auf Hegels erläuternde Zusätze zur ›Härte‹ der Notwendigkeiten und dazu, dass die Freiheit, von der hier die Rede ist, zunächst bloß die abstrakte Freiheit der begri=lichen Setzungen ist, die ›also‹ noch jenseits der Frage angesiedelt ist,
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welche Normen des inferentiellen Schließens in kausalen Erklärungen sinnvollerweise bzw. vernünftigerweise als ausnahmslos geltend zu setzen sind und welche nur eine generische Allgemeinheit artikulieren. Ebenfalls nicht näher erläutert, sondern nur erwähnt sei die leicht pathetische Rede von »Verklärung der Notwendigkeit zur Freiheit«, die immerhin auf die Emphase hinweist, in der Hegel in der ›kleinen‹ Logik den Übergang zur Begri=slogik als Logik der Freiheit des Begri=s einläutet. Der § 159 sagt klarer als die ›große Logik‹, dass der Begri= die »Wahrheit des Seins und des Wesens« sei und alle »Wirklichkeit unmittelbar nur ein Scheinen in sich selbst ist«. (. . . ) »Indem sich das Sein als ein Moment des Begri=s gezeigt hat, hat er sich dadurch als die Wahrheit des Seins erwiesen«; (. . . ) der »Begri= ist so in Beziehung auf Sein und Wesen bestimmt, das zum Sein als einfacher Unmittelbarkeit zurückgegangene Wesen zu sein, dessen Scheinen dadurch Wirklichkeit hat und dessen Wirklichkeit zugleich freies Scheinen in sich selbst ist.« (. . . ) »Der Übergang von der Notwendigkeit zur Freiheit oder vom Wirklichen in den Begri= ist der härteste, weil die selbständige Wirklichkeit gedacht werden soll, als in dem Übergehen und der Identität mit der ihr anderen selbständigen Wirklichkeit (. . . ) ihre Substantialität zu haben; so ist auch der Begri= das Härteste, weil er selbst eben diese Identität ist.« Hegel weiß also, was seine Argumentation gerade im Übergang von der Wesens- zur Begri=slogik dem Leser zumutet. Einerseits denken wir, dass eine »selbständige Wirklichkeit« Ursache der Erscheinung ist, an welcher wir qualitative Unterscheidungen wahrnehmen und diese sprachlich artikulieren. Andererseits wird jetzt behauptet, dass diese Wirklichkeit unsere begri=liche Konstruktion ist, mit der wir das Reich der Erscheinungen ordnen. Die anzuerkennenden Notwendigkeiten sind also je nur die von uns begri=lich gesetzten. Freilich sind diese Setzungen nicht beliebig, nicht rein konventionell, wie bloße formalanalytischen Sprachabkürzungsregeln. Aber sie spiegeln auch nicht transzendent vorgegebene kausale Notwendigkeiten wider. Notwendig ist nur, dass sich das vernünftige Denken an das allgemeine Wissen, also den Begri= als kanonisierte materialbegri=liche Normen, hält. Nur wo diese Normen oder Regeln mit gutem Grund
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als ›universal‹ oder ›ausnahmslos‹ gültig gesetzt sind – wie z. B. im Fall, dass jeder Mensch und jedes Tier sterben muss und sogar jedes Ding endlich ist –, hat es Sinn zu sagen, dass es ›in der Wirklichkeit‹ Notwendigkeiten gibt, die wir anzuerkennen haben. Darüber hinaus wäre eine solche Aussage – und ist sie z. B. bei Spinoza – schlicht falsch, und zwar aus allgemein logischen Gründen. Daher kann Hegel so fortfahren: »Das Denken der Notwendigkeit ist dagegen vielmehr die Auflösung jener Härte; denn es ist das Zusammengehen Seiner im Anderen mit sich selbst«. Es ist Befreiung, »welche nicht die Flucht in die Abstraktion ist, sondern in dem anderen Wirklichen . . . sich nicht als anderes, sondern sein eigenes Sein und Setzen [sic!] zu haben.« Mit anderen Worten, alles wirkliche Sein und alle weltbezogenen Notwendigkeiten sind so vermittelt, dass sie sich je nur durch unsere begri=lichen Setzungen und tätigen Erfahrungen hindurch als das zeigen, was sie sind. Die Folge ist, dass unser Vollzugssein und unser begri=liches Denken bzw. freies Handeln längst schon in aller Rede von Wirklichkeiten und Notwendigkeiten ›enthalten‹, ›vorausgesetzt‹ ist. »Als für sich existierend heißt diese Befreiung Ich (. . . )«, sagt Hegel in o=enbarer Anspielung auf das cartesische »cogito ergo sum«. Dabei geht es um die jetzt endgültige Rechtfertigung des Primats des Vollzugs je meiner und je unserer Urteile und Handlungen vor allen Behauptungen über Objektivität und Notwendigkeit in der ›wirklichen Welt‹, also um eine endgültige Rechtfertigung der Grundgedanken Descartes’ und Fichtes. Als »zu ihrer Totalität entwickelt« heißt die Befreiung »freier Geist«. Die Totalität ist die Gesamtheit des Wissens und damit des Begri=lichen, je zu einer Zeit und in ihrer je laufenden Entwicklung. »(. . . ) als Empfindung« heißt die Befreiung »Liebe, als Genuß Seligkeit«. Das heißt, Liebe ist für Hegel nicht einfach ein sentimentales Gefühl einer Person für manche anderen Personen, sondern begeisterte Einsicht in die Gemeinsamkeit des Personseins aller Menschen unter Einschluss der Dankbarkeit, in dieser Gemeinschaft zu leben. Dazu gehört die Solidarität mit allen Personen. Es ist a priori anzunehmen, dass alle an einem guten gemeinsamen Leben interessiert sind und
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Die Wirklichkeit
entsprechend als Personen urteilen und handeln, selbst wenn sie irren, etwa auch in moralischer Hinsicht. Zum Schluss erwähnt Hegel die »große Anschauung der spinozistischen Substanz«, der Betrachtung der Welt sub specie aeternitatis. Doch diese sei nur »an sich die Befreiung vom endlichen Fürsichsein«, also nur ein abstrakter Aufruf zur Überwindung des atomistischen Menschenbildes eines Hobbes und am Ende auch noch Humes. Spinoza weiß nicht, dass der Begri=, also das Begri=liche und damit dessen Entwicklung durch uns, »für sich die Macht der Notwendigkeit und die wirkliche Freiheit« ist. Spinoza ist nämlich kein Transzendentalphilosoph. Daher kennt er die begri=lichen Voraussetzungen seiner Rede über Notwendigkeiten nicht und weiß nichts vom Primat der Freiheit des Vollzugs in der Entwicklung des Begri=s und dem durch begri=liches Wissen allererst ermöglichten freien Handeln. Das Fürsichsein dessen, was als notwendig gilt oder frei beurteilbar ist, besteht gerade in seiner konkreten Realität in der Welt, nicht in einem abstrakten Gedanken an sich. Im Zusatz diskutiert Hegel noch die interessante Frage, warum er nicht gleich mit der zentralen These, dem Kernergebnis der gesamten Logik, die Überlegung angefangen hat, nämlich dass der Begri= »die Wahrheit des Seins und des Wesens« ist. Und er antwortet, dass man im argumentierenden Nachdenken bei einem formellen, damit noch inhaltsleeren, Anfang zu beginnen hat, wie dem Unterschied zwischen den Wörtern »Sein« und »Nichtsein« und z. B. auch der schematischen Regel, nach der man aus der Falschheit von ›x ist P ‹ auf die Wahrheit von ›x ist nicht P ‹ schließt und manchmal auch aus der Falschheit von ›x ist nicht P ‹ auf die Wahrheit von ›x ist P ‹. Mit solchen Dingen und der Frage nach dem Sinn beginnt die Seinslogik, was aber bisher noch kaum bekannt ist. In jedem Fall ist zu klären, »was man unter dem Sein und was unter dem Wesen zu denken hat«. Hegel verweist also nur noch einmal auf die Richtigkeit der Ordnung der Logik, »das Sein und das Wesen in ihrer eigenen dialektischen Entwicklung« zu betrachten, wie sie sich »selbst zur Einheit des Begri=s« aufheben. Eine dialektische Entwicklung ist dabei eine Art dialogisches Nachdenken über die Inhalte, die unter dem zunächst höchst allgemeinen Titel »Sein« zu betrachten sind, also
Das absolute Verhältniß
983
z. B. die vielen Bedeutungen des »ist« und »existiert« im Kontrast zu »ist nicht« und »existiert nicht« und dann auch die Kontraste von Sein und Schein, Sein und Wesen, Erscheinung und Wirklichkeit, Ursache und Wirkung und schließlich die begri=liche Fassung aller Unterschiede, Gegenstände, Substanzen und Notwendigkeiten. Insgesamt ist das Ergebnis dieses: Gegen den Glauben, wie könnten nicht wissen, wie die Welt an sich ist und was wirklich oder absolut wahr ist, zeigt Hegel, dass es semantischer Widersinn ist zu sagen, man wisse nicht, wie es ist, in die Vergangenheit oder Zukunft zu reisen, oder wie die Welt aus der Sicht eines Engels oder Gottes mit voller Übersicht in die Vergangenheit und Zukunft aussieht. Wir wissen es, weil wir das Sinnlose der Prämisse kennen, aus der folgt, dass jede Antwort sinnlos ist. Zwar kann man sich fragen, wie die Welt von einem Staubkorn aus aussieht. Und man kann Analoga konstruieren, die uns nachvollziehbar machen, wie es ist, eine Fledermaus oder eine Graugans zu sein. Man kann ja Drohnen mitfliegen lassen und Echo-Ortungen simulieren. Aber schon die Frage, wie es ist, du zu sein, kommt an eine absolute Grenze des Sinns. Dass es widersinnig wäre zu fragen, wie es ist, eine Zahl zu sein, wird man sicher zugeben. Dummerweise übertragen die Leute den Fall nicht sinngemäß auf die anderen Fälle, bis hin zur Frage, wie es ist, Gott zu sein. Erst recht schwierig scheint die Anerkennung der begri=lichen Unhintergehbarkeit der Lokalität und Zeitlichkeit aller Dinge und Wesen zu sein und dabei insbesondere des Ichs, also je von mir. Und doch sollten wir am Ende einsehen, dass und warum es ganz falsch ist zu sagen, wir wüssten nicht, ob es Gott gibt und was seine Eigenschaften sind. Wir wissen das gerade deswegen, weil wir selbst den Reflexionsterminus »Gott« gescha=en haben, um spekulative Aussagen über die ganze Welt zu artikulieren. Manche davon sind allerdings so falsch wie der physikalische Determinismus oder die theologische Prädestinationslehre. Eben das können wir wissen, wenn wir genug über Logik wissen.
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Personenregister
Anaximander 355, 358–361, 367, 381, 443, 574, 956 Anselm v. Canterbury 320, 531 Aristoteles 9, 27, 35, 61, 71, 76, 84, 87, 91, 185, 220, 272, 291, 312, 347, 357, 365–368, 373, 376, 387, 417 =., 425, 564, 585, 632, 751, 828, 856, 909, 926–929, 954, 962 Armstrong, David 415, 825 Augustinus, Aurelius 320 Avicenna 320, 871 Ayer, Alfred 500 Bacon, Francis 66 Berkeley, George 30, 42, 121 f., 415, 419, 444, 575, 622, 673, 804, 825 Bradley, Francis Herbert 338 Brandom, Robert B. 35, 70, 74, 124, 264, 569 Brentano, Franz 342 Buddha 15, 17, 546 Bu=on, George-Louis 71 Bühler, Karl 35, 46 Calderon de la Barca, Pedro 123 Cantor, Georg 320, 783 Carnap, Rudolf 15, 21, 24 =., 30 =., 49, 61, 81, 270, 273, 455, 500, 627 =., 634, 666, 673, 736, 761, 825 Charmides 68 Chomsky, Noam 89
Dennett, Daniel 430 Darwin, Erasmus 918 Darwin, Charles 397, 445, 918 Davidson, Donald 429, 430 Demokrit 30, 238, 367, 612 Descartes, René 31, 81, 113, 121 f., 320, 444, 477, 531, 549, 615, 621, 627, 628, 632, 875, 952, 981 Diderot, Denis 538, 571 Diogenes Laertios 9 Doyle, Conan 188 Durant, Will 11 Einstein, Albert 18, 293 f., 960 Engels, Friedrich 30, 983 Euklid 364 Euler, Leonard 408 Fichte, Johann Gottlieb 21, 26, 31, 42, 47, 75, 121, 125 f., 164, 428, 444, 581, 628, 632, 942, 981 Franz v. Assisi 18 Frege, Gottlob 14 =., 63, 74, 87, 187 f., 202, 211–215, 221, 235, 241, 270–273, 288, 299 f., 317 =., 363, 383, 461, 539, 560, 585, 619, 629, 666, 697, 735, 779 Gadamer, Hans-Georg 14 Galilei, Galileo 365, 416, 421, 426, 429, 664, 667, 677 Gettier, Edmund 289 Goethe, Johann Wolfgang 659, 780
992
Personenregister
Goldman, Alvin 290 Grice, Herbert Paul 208, 854 f. Haym, Rudolf 43 Hekataios 9 Heidegger, Martin 15, 21, 194, 201, 280, 321, 332, 340, 484, 485, 486, 516 f., 530, 535, 540, 629, 759, 887, 924 =. Heine, Heinrich 770, 785 Herakles 18 Heraklit 9 f., 15–24, 27, 31, 47, 61, 80, 100, 107, 111, 209, 226, 256, 268 f., 291, 303, 341, 349 f., 355, 360, 370, 381, 399, 425 =., 443, 579, 632, 903, 909, 923 Hesiod 20, 111 Heuer, Peter 71 Hilbert, David 18, 273 Hitler, Adolf 70 Hobbes, Thomas 81, 196, 276, 367, 415, 450, 477, 500 f., 577, 703, 761, 804, 825, 962 f., 982 Homer 15, 17 f. Hume, David 13, 21, 24 f., 30, 38–42, 93 =., 98 =., 118–126, 132 f., 170, 195, 272, 276, 282, 309, 422, 426, 444, 472, 494, 501, 542, 574 f., 579 f., 597, 616, 621 =., 627, 634, 670 =., 707–710, 736, 761, 773, 823 =., 902–905, 940, 968, 982 Husserl, Edmund 46, 91, 671 Jacobi, Friedrich Heinrich 165, 542, 633 Jahwe 871 Jesus von Nazareth 17 Johnson, Mark 91
Kant, Immanuel 12, 22, 25, 32, 37–42, 48, 66, 72 f., 85 =., 93, 97 =., 105, 119–125, 136, 159–163, 169, 178, 195, 234, 237 f., 251, 279, 310, 320, 344, 352, 416, 419, 426, 444, 448, 450, 477, 485, 491, 500, 528–533, 538, 542, 549, 558 =., 571 =., 577–581, 613, 621, 625, 628–636, 663, 666, 671 =., 703, 710, 774, 788, 794, 802 =., 807 =., 819, 842 f., 850, 871, 885, 903 =., 940 f., 963 Kebes 315 Kepler, Johannes 350, 365, 406, 416, 421, 426 =., 667, 733, 940 f., 948, 958 Kierkegaard, Søren 770 Kirk, Geo=rey Stephen 9, 17 Kolman, Vojt˘ech 14 Kopernikus, Nikolaus 427 =., 948, 958 Kripke, Saul 61 Kronos 148 Lako=, George 91 Le Sage, Georges-Louis 408 Leibniz, Gottfried Wilhelm 15, 19 f., 121 f., 125, 227, 232 f., 282 =., 312, 320, 336 =., 377, 408, 444, 531, 673, 684 f., 692, 731, 735, 746, 753, 764, 780, 804, 807, 813–818, 846, 892, 958, 963, 976 Lenin 18 Leukipp 30, 238 Lewis, David 295, 684 f., 825 Lewis Carroll 46 Lichtenberg, Georg Christoph 125 f., 693 Linné, Carl von 71
Personenregister Locke, John 39, 98, 112, 121, 196, 224, 276, 415, 497, 580, 673, 703, 761, 804, 905 Lorenzen, Paul 74 Luhmann, Niklas 712 Malebranche, Nicole 952, 954, 962 Mandeville, Bernard 450, 692 Marx, Karl 18, 30, 340 Mauthner, Felix 38 McDowell, John 56, 490 McTaggart, John 338 Montaigne, Michel 39 Moses 18 Napoleon I Bonaparte 14, 215, 267, 498, 575 Napoleon III 920 Neurath, Otto 627, 761, 825 Newton, Isaac 37, 112 f., 365, 406–411, 416, 421 f., 426, 440, 667, 734, 741, 954, 962 Nietzsche, Friedrich 39, 244, 430, 445, 448, 538, 628, 660 =., 687, 759, 906 Noë, Alva 35, 276 Novalis 75 f., 164 Odysseus 15, 187 Parmenides 13 =. 27, 70, 74, 184–188, 311, 355, 365, 379, 443, 551, 568, 656, 783, 903 Pascal, Blaise 39 Parfit, Derek 38 Pindar 31 Platon 9 f., 13, 19 =., 24–30, 33, 67–71, 74 f., 123, 91, 136, 149,
993
158, 184–188, 220, 239, 288 =., 315, 355 =., 360 =., 365 =., 373, 379, 384 =., 391, 415, 419, 427, 449, 454, 477, 551 =., 574, 632 f., 656, 679, 760, 783, 799, 903, 904, 976 Plotin 26, 542, 802 Popper, Karl 12, 455, 412 Proklos 26 Protagoras 13, 315, 456, 574 Pythagoras 9, 18 Quine, Willard V. O. 16, 61, 64, 196, 309, 317, 323, 324, 363, 415, 494, 496, 499 f., 501, 627, 666, 703, 761, 825 Raven, John E. 9, 17 Robespierre, Maximilien 451 Rorty, Richard 736 Rübezahl 322, 837 Russell, Bertrand 12, 24, 62, 268, 273, 299, 338, 468, 498, 500, 622, 634, 673, 736, 752 f., 761, 825, 908 Ryle, Gilbert 190, 736 Schelling, Fiedrich Wilhelm Josephe 21, 26, 42, 164 f., 408, 633, 770 Schlegel, Friedrich 76, 164 Schofield, Malcom 9 Schopenhauer. Arthur 39, 42, 121, 372, 445, 628, 642 Searle, John 46 Sellars, Wilfrid 153, 630 f. Shakespeare 409, 571 Sherlock Holmes 188 Sidgwick, Henry 39
994
Personenregister
Simmias 315 Smith, Adam 450, 692 Snell, Bruno 19, 107 Sokrates 18 f., 68, 292, 315, 542, 679, 759 Spinoza, Baruch 28, 61, 85 =., 98, 234, 320, 326, 362, 401, 415, 443 f., 508, 542, 673, 753, 769, 780, 785 f., 790, 794, 798–819, 871 f., 880, 882 =., 890 =., 902, 932, 939, 949, 952, 962 f., 975, 981 f. Stirner, Max 38 Strawson, Peter F. 299 Thales 9 Theseus 18, 186, 237 Thomas von Aquin 27
Thompson, Michael 71 Tracy, Destutt de 39 Voltaire 914 Weber, Max 552 Whitehead, Alfred North 704 Wittgenstein, Ludwig 21, 24, 36, 46, 75, 81, 192, 202–207, 221, 268, 271 =., 295, 299, 309, 437, 445, 455, 468, 560, 622, 637, 723, 736, 907, 911 Wol=, Christian 121, 673, Xenophanes 18 Zeus 18, 24, 47, 148
Sachregister
a posteriori 66, 85, 309, 347, 420, 427, 446, 569, 623, 625, 659, 666, 739, 756, 758, 910 a priori 16, 27, 66, 420, 484 f., 485, 569, 666, 739, 758, 958, 981 Abbildung 252, 288, 665, 681, 851, 924 Aberglauben 38, 380, 394, 421, 425, 440, 866, 907 Ableitung 412, 414 f. absolut 30, 62, 92, 104, 130, 200, 325, 507, 769, 776, 777, 780–809, 818, 821, 826, 864, 872, 880 =. absoluter Geist 769 absolutes Wissen 869 Absolutheit 30, 48, 93, 107, 820 f., 875 Abstraction 285, 361, 371, 524, 573, 581, 586 abstrakt 356, 694 Abstraktion 63, 95, 96 =., 102, 119, 198, 205, 216, 220, 232 =., 263, 363, 366 =., 524, 573, 578, 603, 641, 684, 697, 703, 707 =., 717, 735 f., 742 f., 770, 806, 818, 885, 908, 949, 981 Aggregat 733 Agnostizismus 26, 34, 120, 673 Allmähligkeit 608 an sich 27, 252, 253, 486, 488, 713, 863 Analogie 14, 122, 280, 291, 292, 407, 668, 671, 691, 954 Analyse 22, 25 f., 47, 55, 65 =., 70,
82 f., 87, 109, 118 =., 124 f., 131, 153–157, 160–166, 171, 190, 196, 205, 288, 295, 316, 334, 348, 357, 384, 419, 429, 472, 486, 514, 551, 558, 574, 581, 584, 588 f., 625–633, 643, 655–660, 668, 678, 681 =., 687, 706, 718, 736, 754, 803 =., 811, 825, 828, 842, 849, 891, 896, 900, 905–908, 918, 952, 968 Analysis 50 Analytische Philosophie 276, 468, 633, 835 Anschauung 11, 15, 35, 60, 75, 119, 130, 215, 268, 277, 484 f., 516 f., 579 f., 605 f., 617, 625, 681 =., 692, 787, 806, 819, 824, 835, 844, 861, 871, 874, 888, 903 =., 959, 982 Ansichsein 53, 83, 96 =., 102–106, 129 =., 142, 252, 264, 303, 343 f., 375, 477, 481–490, 495 f., 511, 527 f., 573, 584, 604, 625, 631, 637, 773, 821, 829–834, 838–859, 865 =., 875, 879, 888 =., 895, 898 =., 904, 955, 972, 976 Antinomie 38, 729 =. Antithese 67 An-und-für-sich-sein 53, 503 Anziehungskraft 316, 405 Apeiron 355, 358 =., 367, 380 =., 386, 570, 574, 577 Apperzeption 814 Äquivalenz 12, 57, 99, 102, 119,
996
Sachregister
189, 194, 210, 213, 217, 230, 267, 271, 279, 280 =., 285, 358, 367, 421, 425, 431, 461, 473, 515, 519, 525, 626, 649 f., 653, 656, 694, 698 f., 723, 742 f., 752, 780, 888, 959, 968 Arbeit 67, 76, 152, 431, 540, 546, 570, 900, 945 Arete 69, 287 Arithmetik 51, 64 f., 102, 185 =., 211, 230, 235, 254, 269, 296 f., 406, 474, 544, 569, 698 Artform 28, 53, 58, 72, 84, 104, 130, 140, 158, 253, 346, 358, 373–377, 387, 390, 396, 401 =., 418, 422, 464, 510 f., 515 =., 525, 603, 622, 627, 710, 829, 889 Atmosphäre 612 Atomistik 612 Attitüde 123, 150 Attraktion 82, 200, 387, 388, 425, 597 =., 728, 957 Attribut 387, 805, 810, 811, 882 Aufgehobenseyn 116, 177 =., 354 =., 602, 649, 707, 716, 866 aufheben 83, 96, 111, 135 =., 144–154, 160, 199, 247, 263, 274–277, 328 f., 339, 361, 371, 378, 403, 515, 520 f., 529, 540, 548, 557, 590, 651, 728, 744, 747, 852, 856, 867, 889, 896, 908, 925, 943, 951 =., 960 Aufheben des Unterschieds 590 Aufhebung 33 =., 38, 42, 67, 80, 83, 144, 149, 151, 154, 192, 248, 263, 315, 328, 363, 372, 376, 388, 458 f., 522, 547, 552, 665, 691, 694 =., 700 =., 726, 730, 742, 825, 836, 855, 867 f., 877, 887 =., 969
Aufklärung 309, 425, 442, 538, 579, 905, 918, 979 Aufmerksamkeit 55 f., 150, 768, 897 Aussageform 87, 116, 125, 130, 143, 156, 209, 233, 235, 630, 635, 645, 713, 839 Aussersichseyn 797 Axiom 233 Axiomatizismus 273 Bedürfnis 96 Begehren 76, 430 Begierde 67, 312 =., 431 begri