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German Pages [636] Year 2021
Nora Andrea Schulze
Hans Meiser Lutheraner – Untertan – Opponent Eine Biographie
Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte
Herausgegeben im Auftrag der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte von Siegfried Hermle und Harry Oelke Reihe B: Darstellungen Band 81
Vandenhoeck & Ruprecht
Nora Andrea Schulze
Hans Meiser Lutheraner – Untertan – Opponent Eine Biographie
Vandenhoeck & Ruprecht
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber https://dnb.de abrufbar. 2021, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Gçttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschþtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Satz: 3w+p, Rimpar
Vandenhoeck & Ruprecht Verlage j www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2197-0874 ISBN 978-3-666-51644-3
Landesbischof Hans Meiser
Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die biographische Aufgabe vor dem Hintergrund polarisierter Debatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Forschungsstand und Quellenlage . . . . . . . . . . . . . 3. Die Gattung der Biographie und die Rolle der Biographin 4. Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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13 15 21 22
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26 26 31 35 38 42 51 53 53 64 69 72
I.
Prägungen (1881 bis 1911) . . . . . . . . . . 1. Elternhaus . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Religionsunterricht . . . . . . . . . . . . 5. Theologiestudium . . . . . . . . . . . . . 6. Militärdienst . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Vikariat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Lehrvikar in Weiden in der Oberpfalz 7.2 Exponierter Vikar in Haßfurt . . . . 7.3 Stadtvikar in Würzburg . . . . . . . 8. Partnerwahl . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Positionierungen (1911 bis 1933) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 1. Vereinsgeistlicher des Landesvereins für Innere Mission . . . . 76 1.1 Berufung in einer Umbruchphase der Inneren Mission . . 76 1.2 Der „Kampf um die Jugend“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 1.3 Der Kampf um den öffentlichen Einfluss der Kirche . . . . 82 2. Lazarettgeistlicher im Ersten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . 86 3. Gemeindepfarrer in München . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3.1 Pfarramtstätigkeit an St. Matthäus und in München-Sendling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3.2 Verkündigung vom Ersten Weltkrieg bis zu den Anfängen der Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 3.3 Reaktionen auf die Räterepublik und den Versailler Friedensvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 3.4 Mitarbeit an der Neuordnung der Landeskirche . . . . . . 106
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Inhalt
4. Direktor des Predigerseminars Nürnberg . . . . . . . . . . 4.1 Vorarbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Seminarbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Das Seminar als Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . 4.4 Neben- und außeramtliches Engagement . . . . . . . . 4.5 Predigt-, Vortrags- und Publikationstätigkeit . . . . . . 4.6 Die sogenannte Judenfrage . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.1 Meisers Stellungnahme von 1926 . . . . . . . . . 4.6.2 Zur Rezeption der Stellungnahme . . . . . . . . . a) Zeitgenössische Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . b) Rezeption seit den 1970er Jahren . . . . . . . . . . . 5. Mitglied der Kirchenleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Oberkirchenrat im Landeskirchenrat München . . . . 5.2 Stellungnahmen zur Republik und zum aufkommenden Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Entscheidungen (1933 bis 1945) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern . 1. Bejahung des NS-Staates und Abwehr der kirchlichen Gleichschaltung (1933 bis 1934) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Vorgeschichte, Bischofswahl und Konstituierung des autoritären Bischofsregiments . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Entscheidung für die Bekennende Kirche . . . . . . . . . . 1.3 Höhepunkt des Kirchenkampfs in Bayern . . . . . . . . . . 2. Gratwanderung zwischen Staatsloyalität und Protest (1935 bis 1939) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Kirchenleitung im totalen Staat . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Staatsloyalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Bekundungen der Treue zum NS-Staat . . . . . . . . 2.2.2 Übernahme des Treueides auf Hitler in die bayerische Landeskirche . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Erzwungene Hinnahme der Zerstörung der Matthäuskirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Umgang mit innerkirchlichen Kritikern und Abweichlern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Protest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Verteidigung der intakten Landeskirche gegen die Deutschen Christen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Abwehr staatlicher Eingriffe in Bekenntnis und Verfassung der Landeskirche . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Proteste gegen die antichristliche Propaganda und Kirchenpolitik des NS-Regimes . . . . . . . . . . . .
156 156 156 156 170 179 190 190 198 198 204 208 212 223 223 228 233
Inhalt
3.
B. 1. 2.
3.
4. 5.
2.3.4 Kampf um den kirchlichen Einfluss auf Kinder und Jugendliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Verhalten gegenüber der NS-Rassepolitik . . . . . . . . . . 2.4.1 Öffentliches Schweigen zur Diskriminierung, Entrechtung und Verfolgung von Juden . . . . . . . . 2.4.2 Verhinderung des kirchlichen ,Arierparagraphen‘ . . 2.4.3 Umgang mit rassisch verfolgten Amtsträgern der Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.4 Hilfe für rassisch verfolgte Christen . . . . . . . . . . Landesbischof im Krieg (1939 bis 1945) . . . . . . . . . . . . . 3.1 Loyalität zu Volk und Vaterland . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Defensivkampf gegen den NS-Staat . . . . . . . . . . . . . 3.3 Engagement für kirchliche Verfolgte und Opfer des NS-Terrors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Aufrechterhaltung der geistlichen Versorgung . . . . . . . 3.5 Kirchenleitung ohne Gemeindebasis . . . . . . . . . . . . 3.6 Nichtöffentlicher Protest gegen die Ermordung von Behinderten und Kranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7 Verhalten angesichts von Judenverfolgung und Shoa . . . . Gesamtkirchliche Ämter und Funktionen . . . . . . . . . . . . Verfassungsverhandlungen und Reichsbischofswahl . . . . . . Mitarbeit in der außerbayerischen Bekennenden Kirche . . . . 2.1 Treibende Kraft bei der Entstehung der Bekennenden Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Mitverursacher der Spaltung der Bekennenden Kirche . . . Wegbereiter einer vereinten lutherischen Kirche Deutschlands . 3.1 Zwischen Reichskirche, Bekennender Kirche und lutherischer Vereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Initiator und Motor des Rates der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands . . . . . . 3.2.1 Lutherische Vereinigung zwischen Utopie und Wirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Verhältnis zur „bruderrätlichen“ Bekennenden Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beteiligung am Kirchlichen Einigungswerk . . . . . . . . . . . Engagement im Lutherischen Weltkonvent . . . . . . . . . . .
IV. Weichenstellungen (1945 bis 1955/56) . . . . . . . . . . . . . . . . A. Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern . 1. Kirchenleitung zwischen Restauration und partieller Modernisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vergangenheitsbewältigung zwischen Schuldbekenntnissen und apologetischer Geschichtspolitik . . . . . . . . . . . . . .
9 238 245 245 252 254 259 264 264 271 277 283 286 290 295 304 304 310 310 318 327 327 333 333 339 346 350 358 358 358 370
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Inhalt
3. Einsatz für ehemalige Nationalsozialisten . . . . . . . . . . . . 3.1 Protest gegen die Massenentnazifizierung . . . . . . . . . 3.2 Engagement für NS- und Kriegsverbrecher . . . . . . . . . 3.3 Widerstand gegen die Entnazifizierung der Pfarrerschaft . 4. Umgang mit überlebenden rassisch verfolgten Christen und Juden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Einflussnahme auf den politischen Neuaufbau . . . . . . . . . 6. Versorgung und Integration von Flüchtlingen und Vertriebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Mitgestalter des deutschen Nachkriegsprotestantismus . . . . . 1. Zweischneidige Mitarbeit in der Evangelischen Kirche in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Motor der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konfessionell bestimmte Mitarbeit in der weltweiten Ökumene C. Ruhestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V.
Wertungen . . . . . . . . . 1. Verehrung . . . . . . . 2. Kritische Aufarbeitung 3. Demontage . . . . . . .
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377 377 383 388 395 401 415 420 420 432 441 446 452 452 463 469
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 Zeittafel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . Unveröffentlichte Quellen . . . . . . . . . . Quellen aus Privatbesitz . . . . . . . . . . . Schriftliche und mündliche Auskünfte . . . Bibliographie Hans Meiser . . . . . . . . . Unveröffentlichte Darstellungen . . . . . . Veröffentlichte Quellen und Darstellungen . Internetquellen und -darstellungen . . . . .
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505 505 521 521 521 525 525 556
Personenregister / Biographische Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . 558 Institutionen-, Orts- und Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . 612 Bildnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 630
Vorwort Die vorliegende Biographie über den früheren bayerischen Landesbischof Hans Meiser wurde von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München im Sommersemester 2019 als Dissertation angenommen. Die Verfasserin dankt dem Inhaber des Lehrstuhls für Kirchengeschichte des Mittelalters bis zur Neuzeit und Vorsitzenden der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte Herrn Prof. Dr. Harry Oelke herzlich für die anregende und kritische fachliche Betreuung der Arbeit und die Erstellung des Erstgutachtens. Ihr Dank gilt auch dem Inhaber des Lehrstuhls für Ältere und weltweite Christentumsgeschichte Herrn Prof. Dr. Martin Wallraff für sein Interesse und die Bereitschaft, das Zweitgutachten zu erstellen. Die Biographie wurde für den Druck leicht überarbeitet, den Richtlinien der Reihe „Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte“ angepasst und um ein Kapitel zur Rezeptionsgeschichte Meisers („Wertungen“) erweitert. Die Verfasserin ist zahlreichen Personen und Institutionen zu großem Dank verpflichtet, ohne deren Hilfe die Fertigstellung des vorliegenden Bandes nicht möglich gewesen wäre. Hier sind an erster Stelle die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landeskirchlichen Archivs der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern in Nürnberg zu nennen. Die Leiterin des Archivs Frau Dr. Andrea Schwarz hat der Verfasserin bei der umfangreichen Arbeit im Archiv stets optimale Bedingungen ermöglicht. Ein besonderer Dank gilt Herrn Dr. Jürgen König, dessen profunde Kenntnisse der für Meiser einschlägigen Bestände unverzichtbar waren. Die Verfasserin hat ihm zahlreiche Hinweise, raschen Zugang zu den benötigten Dokumenten und zuverlässige Unterstützung bei der Klärung von Sachfragen zu verdanken. Gedankt sei auch weiteren Archiven, die im Einzelnen im Quellenverzeichnis aufgeführt sind. Zu großem Dank ist die Verfasserin auch der Familie Meiser verpflichtet. Rudolf Meiser† und Hans Christian Meiser, jüngster Sohn und Enkel Hans Meisers, haben jederzeit bereitwillig Auskünfte gegeben, großzügig Dokumente aus Familienbesitz zur Verfügung gestellt und die Erlaubnis zur Benutzung des Nachlasses Meiser im Landeskirchlichen Archiv der EvangelischLutherischen Kirche in Bayern erteilt. Unermüdlich hat auch Michael Renner† – Nachfahr einer Schwester Meisers – der Verfasserin aus seinem Privatbesitz Dokumente zugänglich gemacht und Auskünfte erteilt, ohne die vor allem die Darstellung des frühen familiären Umfelds Meisers unmöglich gewesen wäre. Zu freundlichen Auskünften bereit waren auch Nachfahren aus dem dienstlichen und persönlichen Umfeld Meisers wie Dekan Wilhelm Bogner†, Dr. Heinz Hermann Niemöller und Barbara Daumiller-Zeil.
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Vorwort
Die Verfasserin dankt ferner der Leiterin sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Münchner Forschungsstelle der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte. Frau Prof. Dr. Claudia Lepp, Herr Dr. Karl-Heinz Fix und Frau Dr. Dagmar Pöpping haben die Entstehung der Biographie mit Anregungen und Kritik begleitet. Der Dank gilt besonders Herrn Dr. Fix für den intensiven fachlichen Austausch. Er hat parallel zur Entstehung der Biographie an der Dokumentation „Zustimmung – Anpassung – Widerspruch. Quellen zur Geschichte des bayerischen Protestantismus in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft“ gearbeitet, die die Verfasserin schon vor der Publikation auswerten durfte. Gedankt sei auch Gertraud Grünzinger, die als Kennerin der Gabelsberger Stenographie zur Transkription von Aufzeichnungen Meisers beigetragen hat, sowie dem früheren Leiter der Forschungsstelle Prof. Dr. Carsten Nicolaisen†, der nachhaltig das Interesse der Verfasserin an Kirchlicher Zeitgeschichte und besonders an der Erforschung Meisers geweckt hat. Herrn Prof. Dr. Oelke dankt die Verfasserin neben der fachlichen Betreuung auch für die Möglichkeit, an seinem kirchengeschichtlichen Oberseminar teilzunehmen und die Arbeit an Konzeption und Ausführung der Biographie zur kritischen Diskussion zu stellen. Stellvertretend für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Seminars, die großes Interesse an der Biographie gezeigt und hilfreiche Diskussionsbeiträge geliefert haben, seien hier Dr. Mirjam Loos, Dr. Rebecca Scherf, Dr. Florian Büttner und Camilla Schneider genannt. Prof. Dr. Oelke und dem stellvertretenden Vorsitzenden der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte Prof. Dr. Siegfried Hermle sei schließlich für die Aufnahme der Biographie in die Reihe „Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte“ und die Durchsicht des Manuskripts gedankt. Nicht zuletzt dankt die Verfasserin für die großzügige Unterstützung des Projektes durch die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern, insbesondere Landesbischof i. R. Dr. Johannes Friedrich sowie dem langjährigen zuständigen Kirchenrat im Münchener Landeskirchenamt und jetzigen Dekan Ivo Huber. München, im Juni 2020
Nora Andrea Schulze
Einleitung 1. Die biographische Aufgabe vor dem Hintergrund polarisierter Debatten Hans Meiser, von 1933 bis 1955 Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, war eine der bedeutendsten Gestalten des deutschen Protestantismus im 20. Jahrhundert. Er gestaltete maßgeblich den Weg der Bekennenden Kirche während der NS-Herrschaft und die Neuordnung des deutschen Gesamtprotestantismus nach Ende des Zweiten Weltkriegs mit. Bei der Entstehung der Bekennenden Kirche war er zeitweise die treibende Kraft; später wurde er einer der Hauptverursacher ihrer Spaltung. Nach dem Ende der NS-Herrschaft ging es vor allem auf seinen Einfluss als Leitfigur der lutherischen Landeskirchen zurück, dass nicht nur eine gesamtkirchliche Institution entstand, sondern dass es mit der EKD und der VELKD zur Entstehung von zwei kirchlichen Parallelorganisationen kam. Das Gesicht der bayerischen Landeskirche prägte Meiser so nachhaltig, dass sich die nachfolgenden Generationen an seinen Entscheidungen während der NS-Zeit und seinen Weichenstellungen in der ersten Nachkriegsdekade noch bis in die jüngste Vergangenheit abarbeiteten. Meiser zeichnete bereits zu Lebzeiten aus, dass er stark polarisierte: Der Mehrheit bayerischer Pfarrer und Gemeindeglieder galt er als verehrungswürdige Ikone der Standhaftigkeit, weil er seine Landeskirche gegen die Gleichschaltung mit der von den NS-hörigen Deutschen Christen geführten Reichskirche verteidigte; der sog. radikale Flügel der Bekennenden Kirche sah ihn jedoch als unsicheren Kantonisten und Umfaller, der vor dem NS-Regime einknickte und seinen eigenen Kombattanten in der Bekennenden Kirche in den Rücken fiel. Für die einen war er ein konsequenter Hüter des lutherischen Bekenntnisses und der Wegbereiter des für viele damalige Lutheraner ekklesiologisch einzig zulässigen gesamtkirchlichen Zusammenschlusses, der VELKD, für die anderen ein starrsinniger konfessionalistischer Spaltpilz, der die Bekennende Kirche zerstörte und später auch noch die EKD zu zerreißen drohte. Die Sichtweise seiner zeitgenössischen Kritiker brachte Martin Niemöller rückblickend mit dem Urteil auf den Punkt: „Meiser war ein unbeirrbarer Lutheraner, und ein intoleranter dazu.“1 Karl Barth bezeichnete Meiser
1 Zit. nach Bentley, Niemöller, 205.
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Einleitung
spöttisch als „ekklesiastischen Hans“2 und selbst das freundlichere Urteil von Meisers Bischofskollegen Otto Dibelius enthielt noch Seitenhiebe, wenn er meinte, Meiser sei „nicht eigentlich ein bedeutender Theologe“ gewesen, sondern eine „Beamtennatur“, wenn auch „von hohen Graden“3. In der Tat pochte Meiser penibel auf die damals noch ungelösten Lehrdifferenzen zwischen den reformatorischen Bekenntnissen und trieb ungeachtet scharfer Kritik die Vereinigung der lutherischen Landeskirchen voran, so dass am Ende sogar sein langjähriger Kampfgefährte und Bischofskollege Theophil Wurm keinen Weg mehr zu ihm fand4. Das Bild Meisers als Umfaller und konfessioneller Spaltpilz zog sich dann ungebrochen durch die frühe Kirchenkampfgeschichtsschreibung und findet sich selbst noch in jüngeren Darstellungen5. Im Gegensatz dazu setzte in Bayern – vor allem nach Meisers Tod – eine im deutschen Protestantismus einmalige Welle der Verehrung ein, die in einer Reihe von Straßenbenennungen ihren sichtbaren Ausdruck fand6. Ab Ende der 1950er Jahre erlosch das öffentliche Interesse an Meiser. Erst Ende der 1990er Jahre, vor allem aber anlässlich des doppelten Jubiläums seines Geburts- und Sterbejahrs 2006 rückte er wieder in den Fokus einer breiten Öffentlichkeit. Auch jetzt kam es zu einer Polarisierung. Dabei standen nicht mehr die Frontstellungen des „Kirchenkampfes“ im Hintergrund, sondern erinnerungskulturelle Auseinandersetzungen über die nach ihm benannten Straßen, die sich vor allem an einer Stellungnahme Meisers zur sog. Judenfrage aus den 1920er Jahren und seinem öffentlichen Schweigen zur nationalsozialistischen Judenverfolgung und -vernichtung entzündeten. Das Jubiläum wurde zum Anlass einer moralisch und emotional aufgeladenen Debatte über Meisers Erinnerungswürdigkeit. Die Befürworter einer Umbenennung der Meiser-Straßen stempelten ihn als „Nazi-Bischof“7 und NS-Täter ab; die Gegner der Straßenumbenennungen wollten Meiser entlasten und seine Erinnerungswürdigkeit wiederherstellen. Am Ende der im „Modus der Erregung“8 geführten Debatten stand die Umbenennung der nach Meiser benannten Straßen in Nürnberg und München, während sich andere bayerische Städte dazu nicht entschließen konnten9. Vor dem Hintergrund der erinnerungskulturellen Kontroversen wurde einmal mehr ein seit Jahrzehnten bestehendes Forschungsdesiderat sichtbar, nämlich das Fehlen einer wissenschaftlichen Biographie, die das Leben und 2 Schreiben Barths an Niemöller vom 29. 6. 1946, zit. nach Kellenbach, Schuld, 249; vgl. auch Wurm, Erinnerungen, 190; Heymel, Niemöller, 138 f. 3 Zitate: Dibelius, Christ, 265. 4 Vgl. Wurm, Erinnerungen, 180 f. 5 So durchgängig bei Besier, Kirchen; Smith-von Osten, Treysa. 6 Vgl. unten Kap. V 1; Oelke, Erinnerungskultur, 211–218; und Schulze, Meiser, 198–200. 7 So der besonders diffamierende Aufmacher der Nürnberger Abendzeitung Nr. 53/9 vom 4./ 5. 3. 2006. 8 Oelke, Wir erinnern, 234. 9 Vgl. unten Kap. V 3; Schulze, Meiser, 203--206.
Forschungsstand und Quellenlage
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Wirken Meisers umfassend und methodisch nachvollziehbar analysiert hätte. Der Berliner Historiker Manfred Gailus wies bereits 2002 auf die „herausragende Bedeutung von Führungspersönlichkeiten für die Ausprägung regionalkultureller Identitäten im Kirchenkampf“ hin und monierte das Fehlen von „präzisen, hinreichend kritischen biographischen Monographien“; als Beispiele nannte er ausdrücklich Meiser und seine Bischofskollegen aus dem sog. gemäßigten Flügel der Bekennenden Kirche Theophil Wurm und August Marahrens10. Zum Meiser-Jubiläum 2006 erschien dann jedoch keine Biographie, sondern nur ein semi-biographischer Sammelband11, dessen Vorwort zum Mitauslöser der erinnerungskulturellen Debatten wurde12. Die Auseinandersetzungen über die nach Meiser benannten Straßen gaben den letzten Anstoß, die vorliegende Biographie in Angriff zu nehmen. Die Tatsache, dass die Debatten – mit Ausnahme von Bayreuth13 – inzwischen weitgehend verebbt sind, entlastet sie von dem Erwartungsdruck, unter dem die wissenschaftliche Forschung auf dem Höhepunkt der öffentlich ausgetragenen Konflikte stand, nämlich den Akteuren der Erinnerungskultur historische Belege zu liefern, die ihnen eindeutige Entscheidungen ermöglicht hätten. Die vorliegende Biographie zielte freilich von Anfang an nicht darauf ab, Urteile über Meisers Erinnerungswürdigkeit zu fällen. Vor dem Hintergrund der für die Wahrnehmung Meisers stets charakteristischen Polarisierung bestand die biographische Aufgabe vielmehr darin, ergebnisoffen vorzugehen und sein Leben und Wirken jenseits der verengten Perspektiven des „Kirchenkampfes“ und der Frontstellungen in den erinnerungskulturellen Konflikten zu untersuchen.
2. Forschungsstand und Quellenlage Obwohl umfassende biographische Forschungen bislang fehlten, ist Meisers Wirken in der NS-Zeit und in der ersten Nachkriegsdekade gut erforscht. Für diese Zeitspanne existiert aus dem Bereich der Kirchlichen Zeitgeschichte kaum eine Monographie, Gesamtdarstellung oder Quellenedition, in der Meiser nicht an prominenter Stelle behandelt oder wenigstens erwähnt wird14. 10 Vgl. Gailus, Gefangenschaft, 524 (Zitate: ebd.). 11 Herold / Nicolaisen, Meiser. 12 Vgl. das Schreiben des Nürnberger Stadtrats und 1. Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg Arno S. Hamburger an Landesbischof Johannes Friedrich vom 4. 6. 2006 (Privatarchiv Familie Meiser); vgl. auch unten Kap. V 3. 13 Zum jüngsten Vorstoß, die Bayreuther „Hans-Meiser-Straße“ umzubenennen, vgl. unten Kap. V 3. 14 Da die Auflistung aller Titel, in denen Meiser erwähnt wird, den Rahmen einer Einleitung sprengen würde, werden im Folgenden nur die für Meiser aussagekräftigsten bzw. solche Werke genannt, die neue Erkenntnisse erbrachten.
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Einleitung
Bis Mitte der 1960er Jahre konnte von analytischer Forschung allerdings keine Rede sein. In den ersten beiden Nachkriegsdekaden entstanden nur die dürre Memorialliteratur15, eine biographische Skizze16, autobiographische Erinnerungen von Weggefährten Meisers17 und methodisch fragwürdige Quellenbände18. Diese Publikationen standen im Zeichen der Verehrung, die Meiser zu diesem Zeitpunkt genoss, oder dienten apologetischen Zwecken. Die frühen Kirchenkampfdarstellungen litten zudem darunter, dass sie von den Beteiligten selbst verantwortet wurden und in deren Perspektiven und Frontstellungen verhaftet blieben. Meiser selbst plante eine Autobiographie, konnte dieses Vorhaben in seinem Ruhestand aber nicht mehr verwirklichen19. Kritische wissenschaftliche Forschung über Meisers Rolle während der NSZeit setzte erst im Kontext der gesellschaftspolitischen Debatten um Vergangenheitsbewältigung und Schuldfrage in den 1960er Jahren ein20. 1969 verließ Helmut Baier die Binnenperspektive der Beteiligten des Kirchenkampfs und legte die anfängliche Bejahung des NS-Staates durch die Kirchenführer offen21. 1971 machte Friedrich-Wilhelm Kantzenbach bekannt, dass Wilhelm Freiherr von Pechmann Meiser mehrfach vergeblich darum bat, seine Stimme gegen die Judenverfolgung und -vernichtung zu erheben22. 1976 wies Siegfried Münchenbach in einer – nicht publizierten – Teilbiographie die Kompromisse auf, die Meiser gegenüber dem NS-Staat einging23. Das staatsloyale und kompromissbehaftete Verhalten Meisers und seiner lutherischen Bischofskollegen ließen auch die großen Gesamtdarstellungen zum sogenannten Kirchenkampf von Kurt Meier und vor allem von Klaus Scholder erkennen24. In den 1980er und 1990er Jahren differenzierte sich das Bild weiter aus. Ab 1984 dokumentierte Karl Steinbauer am eigenen Beispiel den problematischen Umgang Meisers mit innerkirchlichen Opponenten, die entschiedeneren Widerstand gegen den NS-Staat einforderten, als ihn die Kirchenleitung leistete25. 1987 belegte Paul Kremmel, dass Meisers Widerstand gegen Deutsche Christen und NS-Kirchenpolitik von zahlreichen politischen Loyalitätsbekundungen an das NS-Regime begleitet war26. 1988 dokumentierte eine Ausstellung des Landeskirchlichen Archivs Nürnberg Meisers widersprüchliche Haltung zur sogenannten Judenfrage und die kirchlichen Versäumnisse 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26
Vgl. J. Schieder, Meiser; Heiwik, Kirche. Vgl. M. Simon, Meiser. Vgl. z. B. Daumiller, Schatten. Vgl. Schmid, Wetterleuchten; H. Hermelink, Kirche. Vgl. das unten Kap. I, Anm. 9, erwähnte Interview mit Rudolf Meiser. Vgl. Oelke, Erinnerungskultur, 219–223. Vgl. Baier, Verhalten; vgl. auch Baiers regionalgeschichtliche Studien (Ders., Christen; Ders., Kirche in Not). Vgl. Kantzenbach, Widerstand. Vgl. M nchenbach, Meiser. Vgl. Meier, Kirchenkampf, Bd. 1–3; Scholder, Kirchen, Bd. 1–2. Vgl. Steinbauer, Zeugnis, Bd. 1–4. Vgl. Kremmel, Pfarrer.
Forschungsstand und Quellenlage
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gegenüber Judenverfolgung und -vernichtung27. Zugleich wurde Meisers Weigerung bekannt, den sog. Münchner Laienbrief an die Öffentlichkeit zu bringen und offen gegen die Judenvernichtung zu protestieren28. Flankiert wurden diese Arbeiten von wissenschaftlichen Quelleneditionen – vor allem der Edition der stenographischen Mitschriften und Aufzeichnungen Meisers29 – und Forschungen zur Nachkriegszeit und zur jungen Bundesrepublik. Letztere setzten 1980 mit einer Arbeit von Annemarie Smithvon Osten ein, in der Meiser als konfessionalistischer Sprengsatz erschien, der das Zustandekommen der EKD torpedierte30. 1989 analysierte Clemens Vollnhals den kirchlichen Einsatz für ehemalige Nationalsozialisten bei der Entnazifizierung, der Selbstreinigung der Kirche und den NS- und Kriegsverbrecherprozessen31. Ein Jahr später untersuchte Siegfried Hermle das geringe kirchliche Engagement für ehemals rasseverfolgte Christen, die mangelhafte Aufarbeitung des christlichen Antijudaismus, das Festhalten an der Judenmission und die zögerliche Neubestimmung des Verhältnisses von Kirche und Judentum32. 1991 legte Michael Renner eine – ursprünglich als Biographie geplante – kritische Darstellung des bayerischen Nachkriegsprotestantismus unter Meiser vor33 und 1995 begann die Veröffentlichung der Protokolle des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, die neue Aufschlüsse über Meisers zwiespältiges Verhalten im Rat der EKD ermöglichte34. Basierend auf den bisherigen Forschungsergebnissen präsentierte Carsten Nicolaisen 1996 ein ambivalentes Bild, das in seinen Grundzügen bis heute Bestand hat35: Er benannte zwar die Verdienste Meisers, urteilte jedoch, dass sein widerständiges Verhalten nicht als politischer Widerstand gedeutet werden könne, und legte – vor allem in Bezug auf systemstabilisierende Kundgebungen Meisers und sein Schweigen zur NS-Rassepolitik – die Defizite Meisers offen36. Diese Defizite wurden 1998 von Björn Mensing in einer Analyse der Verstrickung der bayerischen Landeskirche in den Nationalsozialismus massiv untermauert37. 2000 warf Hermann Blendinger Meiser in einer Darstellung der Geschichte der bayerischen Landeskirche nach 1945 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36
Vgl. Landeskirchliches Archiv N rnberg, Bruder. Vgl. Hçchst dter, Kreis. Vgl. Verantwortung, Bd. 1–3. Vgl. Smith-von Osten, Treysa. Vgl. Vollnhals, Kirche. Vgl. Hermle, Kirche. Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus. Vgl. Protokolle, Bd. 1–8. Vgl. Oelke, Erinnerungskultur, 227. Vgl. Nicolaisen, Bischof (Zitate: 58; vgl. auch Ders., Meiser; Ders., Herrschaft); ein ähnliches Resümee zog im selben Jahr auch Hannelore Braun (vgl. H. Braun, Widerstanden); 37 Vgl. Mensing, Pfarrer; Mensing legte später auch wegweisende Arbeiten zum Umgang der von Meiser geführten bayerischen Kirchenleitung mit der NS-Vergangenheit vor (vgl. Ders., Aufarbeitung; Ders., Umgang; Ders., Vergangenheitsbewältigung; sowie Ders., Sieger).
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Einleitung
dann ausschließlich Versagen vor und machte ihn für den kirchlichen Stillstand in der ersten Nachkriegsdekade verantwortlich; diese Darstellung ist freilich nur begrenzt aussagekräftig, da der Autor sichtlich seiner aufgestauten Wut über den Bischof Luft machte38. 2001 folgte Gerhard Besiers Fortsetzung von Scholders Gesamtdarstellung, die allerdings darunter litt, dass sie die zeitgenössische Schwarz-Weiß-Sicht des bruderrätlichen Flügels der Bekennenden Kirche auf die Spitze trieb39. 2006 erschien schließlich ein von Gerhart Herold und Nicolaisen herausgegebener Sammelband, der dem bisherigen Forschungsstand einige neue Aspekte hinzufügte, insgesamt aber an der ambivalenten Bewertung Meisers festhielt40. Unmittelbar nach Erscheinen dieses Bandes setzten die Debatten um die Meiser-Straßen ein. Seither zerfällt die für Meiser einschlägige Literatur in zwei Gruppen: Die erste Gruppe verfolgt ungeachtet der Debatten ausschließlich wissenschaftliche Interessen, die zweite Gruppe darüber hinaus auch erinnerungskulturelle Ziele. Zur ersten Gruppe gehören Axel Töllners 2007 erschienene Untersuchung über das Verhältnis der bayerischen Landeskirche zum Arierparagraphen und den Umgang mit rassisch verfolgten kirchlichen Amtsträgern41, ferner Thomas Martin Schneiders Entstehungsgeschichte der VELKD von 200842, die vom selben Autor besorgte Edition der Protokolle des Rates der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands von 200943 sowie die Dokumentation über die bayerischen Hilfsstellen für rassisch verfolgte Christen von Karl-Heinz Fix aus dem Jahr 201144. In die erste Gruppe gehört auch ein von Berndt Hamm, Harry Oelke und Gury Schneider-Ludorff herausgegebener Tagungsband von 2010, der nicht nur eine Zusammenfassung des Forschungsstandes gab, sondern auch neue Forschungsperspektiven eröffnete45. Die präzisen Analysen von Schlüsseltexten Meisers zur sog. Judenfrage, die Lukas Bormann ab 2009 vorlegte, brachten zwar wesentliche neue Erkenntnisse, gehören aber bereits zur zweiten Gruppe, da sie darauf zielten, Meiser zu entlasten und seine Erinnerungswürdigkeit wiederherzustellen46. Dieses Ziel verfolgten auch Gerhard Müller für Meisers Verhalten während der NSHerrschaft47 und Annemarie Müller für die Nachkriegszeit48. Klar apologetisch ausgerichtet sind die Publikationen von Armin Rudi Kitzmann, obwohl 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47
Vgl. H. Blendinger, Aufbruch. Vgl. Besier, Kirchen. Vgl. oben Anm. 11. Vgl. Tçllner, Frage. Vgl. Schneider, Zeitgeist. Vgl. Schneider, Protokolle. Vgl. Fix, Glaubensgenossen. Vgl. Hamm / Oelke / Schneider-Ludorff, Spielräume. Vgl. Bormann, Stürmer; Ders., Bibel; und Ders., Antisemitismusvorwurf. Vgl. G. M ller, Landesbischof; Ders., Bekennende Kirche konkret; Ders., Bekennende Kirche Provinz Sachsen; und Ders., Meiser. 48 Vgl. A. B. M ller, Meiser.
Forschungsstand und Quellenlage
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er einige neue Archivfunde präsentieren und denunziatorische Geschichtslegenden widerlegen konnte49. Apologetische Absichten verfolgte erst recht Hans Christian Meiser, der 2008 unter dem Titel „Der gekreuzigte Bischof“ eine provozierende Streitschrift veröffentlichte, in der er seinem Unmut über die öffentliche Entehrung seines Großvaters Luft machte50. Im Gegensatz zur Zeit der NS-Herrschaft und der ersten Nachkriegsdekade sind Meisers erste 50 Lebensjahre – d. h. sein Leben und Wirken im Kaiserreich, während des Ersten Weltkriegs und in der Weimarer Republik – nur defizitär erforscht. Mit Ausnahme einiger biographischer Skizzen51 und eines Sammelband-Beitrags52 werden sie in der veröffentlichten Literatur nicht behandelt. Münchenbach53 untersucht zwar gründlich Meisers kirchliche Karriere von seiner Ernennung zum Pfarrer bis zur Wahl zum Landesbischof, bietet aber für die ersten dreißig Lebensjahre Meisers nicht mehr als biographische Grunddaten. Umso erfreulicher ist es, dass die Quellenlage nicht nur für Meisers Amtszeit als Landesbischof, sondern auch für seine ersten 50 Lebensjahre hervorragend ist. Die wichtigsten archivalischen Bestände zu Meiser befinden sich im Landeskirchlichen Archiv der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern in Nürnberg54. Zentral für die Biographie sind hier der private Nachlass Hans Meiser, die Bestände Landesbischof, Oberkonsistorium, Landeskirchenrat und Landessynode sowie die Bestände derjenigen Kreisdekanate und Dekanate, in denen Meiser im Lauf seiner kirchlichen Karriere Ämter innehatte. Einschlägig sind ferner die Bestände Diakonisches Werk und Predigerseminar Nürnberg. Hinzu kommen noch die Bestände Kirchenkampf-Erwerbungen und Kirchenkampf-Umdrucke sowie Nachlässe von engen Mitarbeitern Meisers wie Christian Stoll und das Tagebuch Wilhelm Bogners. Daneben ist in praktisch allen landeskirchlichen, aber auch in staatlichen Archiven Schriftverkehr von oder über Meiser überliefert. Besonders einschlägig sind der Nachlass Theophil Wurm im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart, die Bestände Vorgängereinrichtungen der EKD und Kirchenkanzlei der EKD im Evangelischen Zentralarchiv in Berlin, das Archiv der VELKD im Landeskirchlichen Archiv Hannover sowie die Bestände Staatskanzlei und Kultusministerium im Bayerischen Hauptstaatsarchiv. Einschlägig sind ferner die bei der Münchner Forschungsstelle der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte verwahrten Sammlungen kirchlicher Quellen und Hektographien sowie der Nachlass Hans Meinzolt. Für Meisers Kindheit, Jugend und frühe Laufbahn sind zudem im Privatarchiv der Familie Meiser sowie im Privatbesitz von Michael Renner – einem Nachfahren von 49 50 51 52 53 54
Vgl. Kitzmann, Landesbischof; Ders., Hüter; Ders., Text; und Ders., Wagnis. Vgl. H. C. Meiser, Bischof. Vgl. oben Anm. 16 und H. Braun, Meiser. Vgl. Schulze, Pfarrer. Vgl. oben Anm. 23. Vgl. den instruktiven Überblick bei A. Schwarz, Meiser.
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Meisers jüngerer Schwester Franziska – aussagekräftige Dokumente überliefert. Zahlreiche Quellen aus Meisers Amtszeit sind bereits publiziert. Neben den schon erwähnten Editionen seiner eigenen Aufzeichnungen und Mitschriften, der Protokolle des Rates der EKD und des Rates der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands sind für Meiser besonders die Quellenbände zum Kirchenkampf von Kurt Dietrich Schmidt55, Gerhard Schäfers Dokumentation zur württembergischen Landeskirche in der NS-Zeit56, ein von Siegfried Hermle und Jörg Thierfelder besorgter Quellenband zur Geschichte der Evangelischen Kirche im Nationalsozialismus57 sowie die Dokumentation von Nicolaisen und Gertraud Grünzinger über die nationalsozialistische Kirchenpolitik58 einschlägig. Hinzu kommen noch zeitgenössische Quellenbände59, Synodalberichte, das Kirchliche Jahrbuch60 sowie kirchliche Amtsblätter und Zeitschriften. Die Verfasserin konnte außerdem eine maschinenschriftliche Vorfassung der Dokumentation von Karl-Heinz Fix zur Geschichte des bayerischen Protestantismus in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft nutzen61. Schließlich sind inzwischen auch einige Tagebücher Michael Kardinal von Faulhabers veröffentlicht62. Als Quelle ersten Ranges stehen außerdem Meisers eigene Publikationen zur Verfügung. Die Bibliographie im Literaturverzeichnis stellt die bisher kompletteste bibliographische Zusammenstellung von Schriften Meisers dar. Da seine Publikationen nur verstreut und z. T. in entlegenen kirchlichen Blättern erschienen sind, ist es jedoch möglich, dass noch weitere Veröffentlichungen entdeckt werden. Aussagen von Zeitgenossen stehen nur noch in Form der Memorienliteratur von Weggefährten Meisers zur Verfügung, da alle direkten Angehörigen Meisers und seine früheren Mitarbeiter verstorben sind. Ein Interview63 konnte nur noch mit dem jüngsten Sohn Meisers – Rudolf Meiser – durchgeführt werden64. Abgesehen davon, dass Interviews wegen ihrer subjektiven Färbung grundsätzlich überprüfungsbedürftig sind, litten die Auskünfte Rudolf Meisers sichtlich darunter, dass sich persönliche Erinnerungen mit Aussagen vermischten, die nicht eigenem Erleben, sondern der Literatur über seinen Vater entstammten.
55 56 57 58 59 60 61 62 63
Vgl. K. D. Schmidt, Bekenntnisse, Bd. 1–3; Ders., Dokumente, Bd. 2/1 und 2/2. Vgl. G. Sch fer, Landeskirche, Bd. 1–6; Ders., Landesbischof. Vgl. Hermle / Thierfelder, Herausgefordert. Vgl. Dokumente, Bd. 1–4. Vgl. Gauger, Chronik; Stoll, Dokumente, Bd. 1–6; und Klingler, Dokumente. Vgl. z. B. KJ 1933–1944. Vgl. Fix, Zustimmung. Vgl. https://www.faulhaber-edition.de/index.html (zuletzt abgerufen am 11. 2. 2020). Zum Interview als besonders in den Sozialwissenschaften angewandter Methode der Oral History vgl. Fuchs-Heinritz, Forschung. 64 Vgl. unten Kap. I, Anm. 9.
Die Gattung der Biographie und die Rolle der Biographin
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3. Die Gattung der Biographie und die Rolle der Biographin Eine Biographie über Meiser ist ein Wagnis. Dies gilt zunächst im Hinblick darauf, dass nach den polarisierten erinnerungskulturellen Debatten jede Aussage über Meiser reflexartig die Gegner und Befürworter der Erinnerungswürdigkeit Meisers auf den Plan ruft. Am Beispiel Meisers, bei dem die Ämterhäufung und die kaum überschaubare Fülle von Quellen und Literatur zwingend eine strikte Auswahl erforderlich machen, wird ferner besonders deutlich, dass jede Biographie eine von methodischen Vorentscheidungen gesteuerte, selektive Rekonstruktion einer Lebensgeschichte darstellt, neben der andere Lebensbeschreibungen möglich und legitim sind. Zudem war die Biographie als Gattung, die zwischen Geschichts-, Sozial- und Literaturwissenschaften sowie populärer Literatur changiert, in der Vergangenheit keineswegs unumstritten. Im 19. Jahrhundert konnten Biographien noch der These Heinrich von Treitschkes folgen, dass es die großen Männer seien, die Geschichte machen. Es dominierten heroisierende Lebensbeschreibungen von vorbildhaft dargestellten Politikern, Künstlern und Gelehrten, die der Selbstvergewisserung des Bürgertums und seiner Werte dienten. In den 1920er Jahren kam es zwischen konservativen Fachhistorikern und linksorientierten Publizisten und Wissenschaftlern dann jedoch zu erbitterten Auseinandersetzungen und Theoriebildungen, die sich vor allem dagegen wandten, das Individuum isoliert von seiner Umwelt zu betrachten, und die bisherige Biographik und ihre Erkenntnismöglichkeiten in Frage stellten65. Die Diskussionen wurden dann vom NS-Regime abgewürgt, das nach ideologiekonformen Biographien verlangte, bevor nach dem Zweiten Weltkrieg Vertreter von Sozial- und Strukturgeschichte für mehrere Jahrzehnte dafür sorgten, dass die Biographik in Misskredit geriet, weil sie Hagiographie betreibe und die strukturale Wirklichkeit der Geschichte verdecke66. Noch zur Jahrtausendwende galt die Biographie als „Bastard der Geisteswissenschaften“67, biographische Arbeit gar als „akademischer Selbstmord“68. Inzwischen erfreut sich die Biographie in den Geschichtswissenschaften wieder fachlicher Akzeptanz69, allerdings nur unter klar definierten Voraussetzungen. Dazu gehört an erster Stelle die kritische Selbstreflexion von Biographinnen und Biographen, da sie in Gefahr sind, die analytische Distanz zum Objekt der Untersuchung zu verlieren und sich mit ihrem „Helden“ zu identifizieren. Die Gefahr der Solidarisierung ist umso größer, je mehr die 65 66 67 68 69
Vgl. Klein, Einleitung, 5–10; Sabrow, Biographie, 299 f. Vgl. Raulff, Leben, 57. Klein, Einleitung, 1. Deirdre Bair zit. nach ebd., 5. Vgl. Raulff, Leben, 67.
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Vertiefung in Quellen und Selbstzeugnisse die Prägungen, Umstände und Motive des Helden erkennbar macht und dessen Handeln selbst noch in problematischen Fällen plausibel erscheinen lässt70. Bei Meiser ist die Gefahr des Distanzverlustes besonders hoch, nötigen die Debatten um seine Erinnerungswürdigkeit doch förmlich dazu, den analytischen Standpunkt zu verlassen und sich für oder gegen ein würdigendes Gedenken zu positionieren. Vor Parteinahme war auch die Verfasserin nicht gefeit. Ursprünglich von einem Bild Meisers geprägt, das ihn als standhaften Gegner des Nationalsozialismus erscheinen ließ, teilte sie in den 1990er Jahren die ambivalente Bewertung, die Nicolaisen entwarf. Als die Debatten um Meisers Gedenkwürdigkeit ausbrachen, lösten die teilweise ahistorischen und diffamierenden Urteile bei ihr zunächst den Impuls aus, Meiser zu verteidigen. In der Folge war sie dann hin- und hergerissen zwischen Verteidigung und Verurteilung. Dies wurde noch bestärkt durch Gespräche mit Nachfahren Meisers, die fassungslos auf die öffentliche Demontage ihres Vorfahren reagierten, umgekehrt aber auch durch Begegnungen mit Nachfahren von Geistlichen, die Meiser wegen ihres widerständigen Verhaltens gegen den NS-Staat diszipliniert oder denen er Hilfe verweigert hatte. Bei Letzteren dominierte Wut über das Verhalten des früheren Landesbischofs. Gegen das Tappen in die erinnerungskulturelle Falle und die Beeinflussung durch subjektive Wertungen half nur die Rückkehr auf einen analytischen Standpunkt und die Beschränkung auf das, was eine wissenschaftliche Biographie leisten kann und muss, wenn sie gängigen fachlichen Standards genügen will: Sie hat den Biographierten kirchen- und allgemeinhistorisch zu kontextualisieren und in Beziehung zu überindividuellen Strukturen zu setzen, Prägungen, Einflüsse und Traditionslinien aufzuzeigen, in denen der Biographierte stand, die Motive seiner Handlungen freizulegen, Parallelen zu anderen zeitgenössischen Akteuren aufzuweisen und dabei auch herauszuarbeiten, ob und inwiefern sich seine Handlungen und Einstellungen von denen anderer unterschieden, sowie schließlich die Bewertung auf Basis des analytischen Befundes vorzunehmen71. Darin allein besteht auch die Aufgabe der vorliegenden Biographie.
4. Methodisches Vorgehen Die Biographie untersucht Meisers gesamtes Leben und Wirken in der Zeitspanne vom Kaiserreich bis zur jungen Bundesrepublik. Über die Individualgeschichte hinaus will sie einen Beitrag zur Geschichte der EvangelischLutherischen Kirche in Bayern, des deutschen Luthertums und des deutschen 70 Vgl. Sabrow, Biographie, 302 f. 71 Vgl. ebd., 307; Klein, Einleitung, 15.
Methodisches Vorgehen
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Gesamtprotestantismus leisten. Im Fokus der Untersuchung steht nicht Meisers privater Werdegang, sondern sein Handeln in kirchlichen Ämtern. Um dieses Handeln einzuordnen, sind zunächst seine kirchlich-religiöse, theologische, politische und sozialethische Sozialisation im Kaiserreich zu analysieren. Neben dem kirchlichen Milieu und den theologischen Konzeptionen, die ihn grundlegend prägten, liegt der Schwerpunkt der Analyse auf der Obrigkeitslehre, die ihm vermittelt wurde, denn sie bestimmte maßgeblich sein Verhalten in den auf das Kaiserreich folgenden politischen Systemen, insbesondere während der NS-Herrschaft. Meisers kirchlicher Aufstieg, der sich in der Weimarer Republik vollzog, ist vor allem im Hinblick auf seine Haltung zu kirchlich-theologischen, politischen, gesellschaftlichen und sozialen Entwicklungen zu befragen. Einen Schwerpunkt bildet die Untersuchung seiner Einstellung zu Juden. Ferner ist das Netzwerk zu analysieren, das Meiser den Aufstieg in die Kirchenleitung ermöglichte und später dafür sorgte, dass er als Landesbischof seinen Kurs durchsetzen konnte. Die leitenden Fragestellungen für die Untersuchung seines Verhaltens während der NS-Herrschaft, in der Besatzungszeit und der Bundesrepublik orientieren sich an den gegenwärtig für die Kirchliche Zeitgeschichtsforschung maßgeblichen Problemfeldern. Dazu gehören vor allem das Verhalten kirchlicher Akteure und ihre Handlungsspielräume gegenüber dem NS-Staat und seinen Verbrechen, besonders im Blick auf Judenverfolgung und -vernichtung; für die Nachkriegsdekade stehen der Umgang mit der NS-Vergangenheit, die Einflussnahme auf den politischen Neuaufbau und das Verhalten bei der Neubestimmung des Verhältnisses von Kirche und Judentum im Zentrum. Darüber hinaus kommen aber auch kirchlich-theologische Entwicklungen in den Blick, die in der jüngeren Forschung in den Hintergrund getreten sind. Die Grobstruktur der Untersuchung ist chronologisch aufgebaut. Im ersten Hauptkapitel „Prägungen“ werden die Sozialisation Meisers in Elternhaus, Kirche, Schule und Religionsunterricht sowie die grundlegenden Überzeugungen untersucht, die er im Theologiestudium sowie in der praktischen Ausbildung im Vikariat erwarb. Das zweite Hauptkapitel analysiert Meisers „Positionierungen“ im Verlauf seiner kirchlichen Karriere von der Ernennung zum Pfarrer bis zu seinem Wirken als Oberkirchenrat im Münchner Landeskirchenrat. Im dritten Hauptkapitel folgt eine Analyse der „Entscheidungen“, die Meiser als Landesbischof angesichts der Herausforderungen der NSHerrschaft traf. Das vierte Hauptkapitel untersucht die „Weichenstellungen“, mit denen er die Richtung beim kirchlichen Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg vorgab. Während die ersten beiden Hauptkapitel chronologisch untergliedert sind, wurde dieses Gliederungsprinzip im dritten und vierten Hauptkapitel durchbrochen. Angesichts der Ämterhäufung Meisers und der Vielzahl von Themen, mit denen er befasst war, schien eine rein chronologische Darstel-
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lung hier nicht sinnvoll durchführbar. Deshalb sind diese Kapitel jeweils in zwei Unterkapitel gegliedert: Im ersten Unterkapitel wird Meisers Verhalten als Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern profiliert, im zweiten sein Verhalten in gesamtkirchlichen Ämtern und Funktionen. Um inhaltliche Überschneidungen zu vermeiden, beschränkt sich der Fokus im zweiten Unterkapitel auf die Analyse der konfessionellen Motive, die für Meisers Verhalten im deutschen Gesamtprotestantismus und in der weltweiten Ökumene bestimmend waren. Beide Unterkapitel sind in einer Mischform aus chronologischen und thematischen Blöcken gegliedert. Die Darstellung im Kapitel „Prägungen“ basiert nahezu ausschließlich auf archivalischem Material und Dokumenten aus dem Privatbesitz der Familien Meiser und Renner. Das Kapitel „Positionierungen“ beruht ebenfalls fast vollständig auf archivalischem Material, daneben wurde aber auch die Teilbiographie von Münchenbach72 herangezogen. Auch den Kapiteln „Entscheidungen“ und „Weichenstellungen“ liegt die archivalische Überlieferung zugrunde, in die die Verfasserin umfassend Einblick genommen hat; diese Überlieferung ist in der Kirchlichen Zeitgeschichtsforschung aber bereits so vollständig ausgewertet worden, dass sich die biographische Darstellung in weiten Teilen auf publizierte Quellen und Sekundärliteratur stützen kann. Dies spiegelt sich in den Nachweisen, in denen archivalische Quellen nur dann ausdrücklich genannt werden, wenn sie nicht bereits publiziert oder andernorts zitiert worden sind. Nicht jede Quelle aus Meisers Amtszeit als Landesbischof, die im Text und in den Anmerkungen zur Darstellung seines Denkens und Handelns ausgewertet oder zitiert wird, wurde von ihm selbst verfasst. Im Landeskirchenrat gehörte es zum üblichen Geschäftsgang, dass der Landesbischof die amtlichen Anordnungen und Verlautbarungen der Kirchenleitung zeichnete, die von den Referenten und Hilfsreferenten des Landeskirchenrats verfasst wurden. Selbst solche Kundgebungen, die ausdrücklich als Wort des Landesbischofs hinausgingen, konnten von anderen Mitarbeitern der Kirchenleitung stammen. Durch seine Unterschrift übernahm der Landesbischof jedoch die (Mit-)Verantwortung für die Äußerungen der Kirchenleitung. Deshalb werden in der Biographie auch solche amtlichen Anordnungen und Verlautbarungen als Standpunkt Meisers dargestellt, deren Wortlaut nicht auf ihn selbst zurückgeht. Die biographische Untersuchung Meisers endet mit dem vierten Hauptkapitel. Da sich am Beispiel des ehemaligen bayerischen Landesbischofs in paradigmatischer Weise der Wandel der Beurteilung eines kirchlichen Hauptakteurs aus der NS-Zeit, der Besatzungsherrschaft und der Ära Adenauer in den verschiedenen Phasen bundesrepublikanischer Erinnerungskultur nachvollziehen lässt, folgt auf die eigentliche biographische Untersuchung noch das Kapitel „Wertungen“. Es analysiert die Rezeptionsgeschichte 72 Vgl. oben Anm. 23.
Methodisches Vorgehen
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Meisers von der Verehrung in den 1950er Jahren über die kritische Aufarbeitung seines kirchenleitenden Handelns seit Ende der 1960er Jahre bis hin zur Demontage des Bildes vom mutig widerstehenden Bischof in der jüngsten Vergangenheit. Hierzu wurden neben wissenschaftlichen Publikationen auch die Memorialliteratur, Nachrufe, Trauerpredigten, Kondolenzschreiben, Stadtratsprotokolle, Presseartikel, Leserbriefe, offene Briefe von Akteuren der Erinnerungskultur, kirchliche Stellungnahmen, Synodalberichte und weitere aussagekräftige Quellen ausgewertet. Die Biographie schließt mit einer Zusammenfassung.
I. Prägungen (1881 bis 1911) 1. Elternhaus Als Hans Meiser sich 1904 um die Aufnahme in den kirchlichen Dienst bewarb, zog er über seine bisherige Entwicklung ein bemerkenswertes Resümee: Selbstsicher stellte der 23-Jährige fest, er habe „nie im Ernst einen Zweifel“ gehabt, „daß die Anschauungen“, mit denen er „aufgewachsen“ sei, „falsch sein könnten“1. Unter diesen Anschauungen verstand Meiser „eine[n] feste[n] kirchlich positive[n]“2 Standpunkt. Damit positionierte er sich in den kirchlich-theologischen Konflikten zwischen ,Kirchlich-Positiven‘ und ,Liberalen‘, die Anfang des 20. Jahrhunderts in der bayerischen Landeskirche hohe Wellen schlugen3, auf der Seite derjenigen, die trotz radikaler Paradigmenwechsel in der wissenschaftlichen Theologie an der brüchig gewordenen traditionellen kirchlichen Lehre festhielten. Zugleich stellte er sich in die lutherisch-konfessionelle Traditionslinie, die seine Landeskirche seit Mitte des 19. Jahrhunderts dominierte. Diese Traditionslinie prägte er sich in seiner Jugend tief ein, machte sie im Theologiestudium bewusst zu seinem eigenen Standpunkt und verfocht sie bis zum Lebensende mit beispielloser Konsequenz. Ein derart geradliniger theologischer Werdegang war angesichts seiner Herkunft allerdings nicht zu erwarten gewesen: Meiser stammte weder aus einer Pfarrfamilie noch aus einem Akademikerhaushalt, vor allem aber ging er aus einer konfessionsverschiedenen Ehe hervor. Eine solche Ehe war im 19. Jahrhundert noch ungewöhnlich. Zwischen Katholiken und Protestanten bestanden starke Spannungen, eine ,Mischehe‘ galt vor allem im Hinblick auf die Kindererziehung als problematisch4. Meisers Vater Georg war jedoch katholisch. 1850 in München als achtes Kind des Bezirksgeometers Dominikus Josef Meiser und seiner Frau Jeanette (Johanna) geboren, musste Georg wegen des frühen Todes seines Vaters das Gymnasium abbrechen, auf ein Studium verzichten und eine kaufmännische Lehre antreten. Danach arbeitete er 45 Jahre lang als kaufmännischer Angestellter und Prokurist in der Adressbuchfirma von Verwandten5. Nach der Grabrede, die der evangelische Pfarrer an der Nürnberger Kirche 1 Hsl. Lebenslauf Meisers von 1904, erste Fassung (Privatarchiv Familie Meiser). 2 Hsl. Lebenslauf Meisers von 1904, zweite Fassung (ebd.). 3 Vgl. Seitz, Entwicklungen, 146 f.; M. Simon, Kirchengeschichte, 652 f.; und Graf, Strömungen, 267. 4 Vgl. Nipperdey, Geschichte 1866–1918, Bd. I, 47. 5 Vgl. die schriftliche Auskunft von Rudolf Meiser vom 25. 9. 2013.
Elternhaus
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St. Jakob Ernst Lauerbach6 hielt, soll Georg sich vor allem durch „peinliche Genauigkeit“, „unermüdliche Pflichttreue“, Fürsorglichkeit und Güte ausgezeichnet haben7. Die Genauigkeit und das „sorgfältige Abwägen jedes Für und Wider“8 wurden auch für Meiser selbst charakteristisch, insgesamt war Georgs Einfluss auf ihn jedoch gering, denn zu Hause spielte er kaum eine Rolle9. Dies entsprach den bürgerlichen Familienkonventionen des 19. Jahrhunderts10, nach denen Väter in der Familie nur wenig präsent waren, da sie die Familie zu ernähren und in der äußeren Sphäre zu wirken hatten11. In wesentlichen Fragen besaßen sie allerdings die letzte Entscheidungsgewalt12. Dieses Rollenmuster füllte auch Georg aus: Dies zeigt sein Einschreiten gegen die Verlobung einer Schwester Meisers13 und nicht weniger die Selbstverständlichkeit, mit der Meiser bei seinem Vater die Zustimmung für die Wahl seines Studienfaches einholte14. Die dominierende Rolle bei der Erziehung Meisers nahm zweifellos seine Mutter Betty – mit bürgerlichem Namen Helene Barbara – ein, die 1852 in Nürnberg geboren wurde. Ihre Eltern waren die Kaufleute Johann Heinrich und Anna Sabina Munker15, die in Nürnberg eine Spielwarenhandlung betrieben16. Betty Munker und Georg Meiser verlobten sich 187717 und heirateten knapp zwei Jahre später18. Betty war evangelisch und verlangte von Georg, dass die Kinder evangelisch getauft und erzogen wurden19. So konnte sich die katholische Konfession des Vaters auf Meiser nicht prägend auswirken. Aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor20. Als ältester Sohn wurde am 16. Februar 1881 Hans Oswald Meiser geboren, der als einziges der Geschwister eine theologische Laufbahn einschlug. Auch Betty fügte sich in die Geschlechtsrollenzuweisungen des 19. Jahrhunderts ein: Danach war eine bürgerliche Ehefrau und Mutter für den Haushalt, die Erziehung der Kinder und die sozialen Kontakte der Familie 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Vgl. Personalstand 1916, 43. Zitate aus der Grabrede vom 13. 1. 1915 (Privatbesitz Michael Renner). M. Simon, Meiser, 404. So Rudolf Meiser in einem Interview mit der Verfasserin am 12. 11. 2011. Vgl. Nipperdey, Geschichte 1866–1918, Bd. I, 49; vgl. auch Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, 712–772. Berghahn, Kaiserreich, 135. Vgl. Nipperdey, Geschichte 1866–1918, Bd. I, 46. Vgl. das Schreiben Georg Meisers an Georg Renner vom 21. 12. 1905 (Privatbesitz Michael Renner). Vgl. die oben Kap. I, Anm. 1 und 2, erwähnten Lebensläufe Hans Meisers. Vgl. das Geburts- und Taufzeugnis für Helena Barbara Munker (Privatbesitz Michael Renner). Vgl. oben Kap. I, Anm. 5, erwähnte schriftliche Auskunft. Vgl. die gedruckte Verlobungsanzeige (Privatbesitz Michael Renner). Vgl. den Heiratsschein von Georg Hermann Aloys Meiser und Helena Barbara Munker (ebd.). Vgl. das oben Kap. I, Anm. 9, erwähnte Interview. Helene (*14. 2. 1880), Hans Oswald (*16. 2. 1881), Wilhelm (*19. 3. 1882), Franz (*15. 3. 1885), Franziska – genannt Fanny – (*29. 6. 1887) und Elisabeth (*5. 9. 1889) (vgl. die oben Kap. I, Anm. 5, erwähnte schriftliche Auskunft).
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Prägungen (1881 bis 1911)
Abb. 1: Hans Meisers Eltern Betty und Georg Meiser
zuständig21. Ihre führende Rolle im Familienwohnsitz in der Nürnberger Langen Zeile 822 füllte Betty umso mehr aus, als sie ausgesprochen dominante Charakterzüge hatte23. So hob Kirchenrat Konrad Wirth24 in der Grabrede für Betty 1936 besonders ihre Strenge und Willensstärke, aber auch ihre Religiosität und Kirchlichkeit hervor25. Insgesamt entsprach Meisers Elternhaus in geradezu idealtypischer Weise dem bürgerlichen Familienideal des 19. Jahrhunderts. Diesem Ideal folgend urteilte Meiser selbst, er sei „unter den glücklichsten Verhältnissen im Schoß eines edlen Familienlebens“26 aufgewachsen. Obwohl seine Mutter tief religiös und kirchlich gebunden war, spielte der Glaube für Meiser bis zu seinem 9. Lebensjahr noch keine zentrale Rolle. Erst ab diesem Alter wurde er von einem Verwandten27 in die Kirche mitgenom21 Vgl. Nipperdey, Geschichte 1866–1918, Bd. I, 43–95; Berghahn, Kaiserreich, 121–138. 22 Vgl. die undatierte Familienchronik von Georg Renner (Privatbesitz Michael Renner). 23 Vgl. das oben Kap. I, Anm. 9, erwähnte Interview. Meisers spätere Ehefrau Elisabeth beschrieb Bettys Rolle in der Familie als die eines „Kanzler[s] in dem Staat und Präsident zugleich“ (Gedicht Elisabeth Meisers zum 80. Geburtstag von Helene Meiser am 14. 2. 1960: ebd.). 24 Wirth war 1. Pfarrer an der Nürnberger Friedenskirche (vgl. Personalstand 1937, 182). 25 Trauerrede vom 18. 11. 1936 (Privatbesitz Michael Renner). 26 Zitat aus der oben Kap. I, Anm. 1, erwähnten ersten Fassung des Lebenslaufs. 27 Vgl. unten Kap. I 2.
Elternhaus
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men, wobei „die Feierlichkeit des Gottesdienstes […] einen solchen Eindruck“ auf ihn machte, dass in ihm „der Wunsch aufstieg, Pfarrer zu werden“28. Diesen Wunsch analysierte er rückblickend als Folge seiner kindlich-juvenilen Erlebnisfähigkeit. Obwohl ihn seine Eltern nicht bestärkten, hielt er an seinem Wunsch seit dem Gottesdiensterlebnis hartnäckig fest29. Politisch wurde Meiser im Elternhaus „nationalliberal“ und „deutschnational“ erzogen30. Der deutsche Nationalismus war charakteristisch für das Bürgertum im Kaiserreich. Er wurde vor allem vom rechten politischen Spektrum getragen und steigerte sich unter Wilhelm II. signifikant. Seine wesentlichen Bestandteile waren die Identifikation der Nation mit Kaiser und Reich, die Betonung der Einheit, die Ausgrenzung von Minderheiten, ein ausgeprägter Antikatholizismus sowie der Anspruch auf eine Machtposition Deutschlands in Europa und der Welt31. Um schon die heranwachsende Generation im Sinn der antidemokratischen und antisozialistischen nationalen Monarchie zu erziehen, wurden die Schulen von Wilhelm II. für die „ideologische Indoktrination durch den Staat“32 funktionalisiert. Ein weiterer „wesentlicher Bestandteil bürgerlicher Mentalität“33 im Kaiserreich war der stark zunehmende Antisemitismus34. Antisemitische Stereotype waren auch in der Familie Meiser präsent. So spielte ein Gedicht Georgs mit dem Klischee des reichen Juden35 und eine Schwester Meisers war erleichtert, dass ihre neu geborene Tochter nicht ,jüdisch‘ aussah36. Hinzu kam noch, dass Meiser im Religionsunterricht klassische Topoi des christlichen Antijudaismus37 vermittelt wurden38. Ob die Familie Kontakte zu jüdischen Mitbürgern hatte, ist nicht bekannt. In der Schule waren für Meiser Begegnungen mit Juden alltäglich: Sein Gymnasium hatte einen Lehrer für israelitische Religion39 und bot mosaischen Religionsunterricht an40; in seiner Klasse waren vier jüdische Mitschüler41. 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41
Zitate aus der oben Kap. I, Anm. 1, erwähnten ersten Fassung des Lebenslaufs. Vgl. ebd. Zitate aus dem oben Kap. I, Anm. 9, erwähnten Interview. Vgl. Nipperdey, Geschichte 1866–1918, Bd. II, 250–265; Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, 938–965, 1067–1071. Berghahn, Kaiserreich, 153. Heinrichs, Judenbild, 12. Vgl. Berghahn, Kaiserreich, 174–179; Nipperdey, Geschichte 1866–1918, Bd. I, 404 f.; Ders., Geschichte 1866–1918, Bd. II, 289–311; und Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, 924–934, 1063–1066. Vgl. das undatierte Gedicht Georg Meisers zum Geburtstag einer Schwägerin (Privatbesitz Michael Renner). Vgl. das Schreiben Fanny Renners an Elisabeth Meiser vom 29. 12. 1915; vgl. auch ihr Schreiben an die Eltern und andere Familienmitglieder vom 2. 10. 1913 (ebd.). Vgl. Gerlach, Christen; Hermle, Antisemitismus, 349 f. Vgl. das Lehrbuch seines Religionslehrers (Eckerlein, Geschichte, 108, 113, 129). Vgl. Jahresbericht des Königlichen Alten Gymnasiums zu Nürnberg 1891/92, 4. Vgl. ebd., 32. Vgl. Jahresbericht des Königlichen Alten Gymnasiums zu Nürnberg 1898/99, 5.
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Meisers später stark ausgeprägter Antikatholizismus lässt sich nicht auf familiäre Einflüsse zurückführen. Vor seinem Vikariat hatte er kein Problem, die katholische Konfession seines Vaters offenzulegen42, erst später wollte er darauf nicht mehr angesprochen werden43. Dies war das Ergebnis der scharfen Frontstellung gegen den Katholizismus, die er in seinen ersten kirchlichen Stellen erlebte44. Sein Antikatholizismus resultierte auch aus der Beschäftigung mit den Werken Luther-kritischer katholischer Kirchenhistoriker wie dem Jesuiten Hartmann Grisar45 und dem Dominikaner Heinrich Denifle46, über deren teilweise polemische Kritik Meiser wie weite Teile des deutschen Protestantismus zutiefst empört war47. Die Werke von Denifle und Grisar erschienen allerdings erst nach seinem Studium48. In der jüngeren Forschung ist Meiser pauschal dem Nationalprotestantismus49 zugerechnet worden50. Darunter ist die „Identifizierung von evangelischer und nationaler Gesinnung, von Kaiser, Reich und Protestantismus“51 zu verstehen, die seit 1871 im deutschen und zunehmend auch im fränkischen Protestantismus dominierte52. Für Meisers Sozialisation trifft das Attribut ,nationalprotestantisch‘ jedoch nur bedingt zu, denn er wurde zu einer doppelten politischen Loyalität erzogen, die sich sowohl auf den protestantischen Kaiser als auch auf das katholische bayerische Königshaus richtete. Meiser wuchs in der sog. Prinzregentenzeit auf, die tiefe Spuren bei ihm hinterließ53 und von vielen Zeitgenossen zu einer Glanzzeit Bayerns verklärt wurde, obwohl die bayerischen Interessen längst von den Interessen des Reichs dominiert wurden54. Die doppelte politische Loyalität zum deutschen Kaiser und zum bayerischen Königshaus wurde ihm auch in der Kirche vermittelt.
42 Vgl. die oben Kap. I, Anm. 1, erwähnte erste Fassung seines Lebenslaufs. 43 Vgl. das Schreiben Rudolf Meisers an das Landeskirchliche Archiv der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern vom 23. 5. 1957 (LAELKB, PA Theol. 105-4093/4). 44 Vgl. unten Kap. I 7.1–I 7.3. 45 Vgl. Grisar, Grisar; B umer, Grisar. 46 Vgl. Kçhler, Denifle; Schmaus, Denifle. 47 Vgl. das oben Kap. I, Anm. 9, erwähnte Interview. 48 Der erste Teil von Denifles Lutherbuch „Luther und Luthertum in der ersten Entwicklung quellenmäßig dargestellt“ erschien 1904; Grisars Luther-Biographie wurde erst 1911/12 publiziert. 49 Zum Begriff Nationalprotestantismus vgl. Tilgner, Volk, bes. 137–151; Graf, Nationalismus, 71 f.; und Gailus / Lehmann, Mentalitäten, passim. 50 So z. B. bei Jasper, Gutachten, 71, 81. 51 Nipperdey, Geschichte 1866–1918, Bd. I, 487. 52 Vgl. ebd., 489. 53 So verteidigte er die bayerische Monarchie und den greisen Prinzregenten Luitpold später gegen antimonarchistische Angriffe (vgl. unten Kap. I 7.2). 54 Vgl. Mçckl, Prinzregentenzeit; Weigand / Zedler / Schuller, Prinzregentenzeit; und Kothmann, Religionsunterricht, 304 f.
Kirche
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2. Kirche Meiser wurde von seinem Paten und Großvater Johann Munker an die Kirche herangeführt. Dessen Frömmigkeit machte tiefen Eindruck auf ihn55. Munker, Kirchenvorstand an der Nürnberger Kirche St. Jakob, nahm ihn regelmäßig mit in die Kirche, wo seit 1882 als 1. Pfarrer Hans Karl Lotholz56 amtierte, der Meisers Beichtvater wurde und ihn am 2. April 1895 konfirmierte57. St. Jakob wurde der Ort, an dem sich ein großer Teil von Meisers religiöser Sozialisation vollzog und wo er den christlichen Glauben vermittelt bekam – und zwar in Gestalt der organisatorischen, konfessionellen, theologischen und politischen Traditionen der bayerischen Landeskirche im ausgehenden 19. Jahrhundert. Diese Gestalt war noch jung. Bis Ende des 18. Jahrhunderts war Bayern noch ein fast geschlossen katholisches Land gewesen. Erst Anfang des 19. Jahrhunderts kamen evangelische Gebiete hinzu, darunter auch Meisers Geburtsstadt Nürnberg58. Die rund 90 konfessionsverschiedenen evangelischen Kirchtümer dieser Gebiete59 fasste der bayerische Staat zu einer einheitlichen Kirchenorganisation zusammen. Dabei war Außenminister Maximilian Joseph von Montgelas federführend, der zwar religiöse Toleranz und bürgerliche Gleichberechtigung für Katholiken, Lutheraner und Reformierte durchsetzte, die protestantische Kirche aber der Aufsicht des Staates unterwarf60. Die Zusammenfassung des bayerischen Protestantismus fand 1818 mit dem Religions- und Protestantenedikt ihren Abschluss61. Die Form, die die protestantische Kirche dabei erhielt, hatte in ihren Grundzügen bis Ende des Ersten Weltkriegs Bestand und wurde auch für Meiser prägend. Er wuchs mit einem Staat-Kirche-Verhältnis auf, bei dem die Kirchenhoheit beim katholischen König als summus episcopus lag62 und die Kirchenleitung von einem Oberkonsistorium ausgeübt wurde, das dem Innenministerium unterstand63. Bis weit ins Erwachsenenalter erlebte Meiser die Kirche als Bestandteil des Staates, mit Geistlichen, die quasi Staatsbeamte64 waren, und leitenden kirchlichen Einrichtungen, die den Status einer Staatsbehörde hatten. Wichtiger noch wurde für ihn das lutherisch-konfessionelle Profil der Landeskirche. Die Festlegung auf das lutherische Bekenntnis und die Aus55 56 57 58 59 60 61 62 63 64
Vgl. die oben Kap. I, Anm. 1, erwähnte erste Fassung des Lebenslaufs. Vgl. Personalstand 1896, 46. Vgl. die Konfirmationskarte (Privatarchiv Familie Meiser). Vgl. Bçttcher, Entstehung, 2 f. Vgl. ebd., 5; Blessing, Staat, 43 f.; und M. Simon, Kirchengeschichte, 543. Vgl. Bçttcher, Entstehung, 5 f.; Blessing, Staat, 44. Vgl. Bçttcher, Entstehung, 7–13; M. Simon, Kirchengeschichte, 564–570. Vgl. ebd., 560 f. Vgl. Bçttcher, Entstehung, 13; Blessing, Staat, 44. Vgl. ebd., 71.
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Abb. 2: St. Jakob Nürnberg, 1891
bildung eines lutherisch-konfessionellen Bewusstseins erfolgte ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Den Impuls dazu gab vor allem der Pfarrer und Gründer der Neuendettelsauer Diakonissenanstalt Wilhelm Löhe65. Nachdem der neu berufene Präsident des Oberkonsistoriums Adolf von Harleß eine drohende lutherische Separation abgewendet und die konfessionellen Verhältnisse in der Landeskirche geklärt hatte, durfte sie sich ab 1853 als „evangelisch-lutherisch“ bezeichnen, mit Rücksicht auf die katholische Kirche aber nur im innerkirchlichen Dienstverkehr66. Seither schritt die Konfessionalisierung der
65 Zu Löhe vgl. Seitz, Entwicklungen, 137–140. 66 Vgl. Keller, Spätaufklärung, 62–64; M. Simon, Kirchengeschichte, 616–624; und Blessing, Staat, 145–150.
Kirche
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Landeskirche zügig fort67. Obwohl es dabei noch zu Konflikten mit dem Staat68 und theologisch-kirchlichen Auseinandersetzungen kam69, setzte sich schließlich „das konfessionelle Luthertum im rechtsrheinischen Bayern als pastorale Norm durch“70. Entscheidenden Einfluss auf die Konfessionalisierung der Landeskirche übte auch die Erlanger Theologische Fakultät aus71. Hatten hier zunächst noch Neologie72 und Rationalismus73 geherrscht74, änderte sich dies 1833 mit der Berufung von Harleß und Johann Wilhelm Friedrich Höfling. Beide verbanden Impulse der Erweckungsbewegung mit einer Rückbesinnung auf das lutherische Bekenntnis75. In der Folge entstand die sog. Erlanger Theologische Schule76, die die Heilige Schrift und die reformatorischen Bekenntnisse als normativ betrachtete77 und eine stark konfessionalisierte „kirchlich orientierte Theologie“78 betrieb. Die Erlanger Schule prägte für fast ein halbes Jahrhundert den theologischen Nachwuchs und damit das Profil der Landeskirche. Dies gilt auch für die Pfarrer und Religionslehrer, unter deren Einfluss Meiser seine grundlegenden theologischen Überzeugungen erwarb. Kaum ein Pfarrer vertrat theologische Ansichten, die vom landeskirchlichen Mainstream abwichen79, auch nicht in seiner Heimatstadt Nürnberg, wo die Auseinandersetzungen zwischen kirchlich-positiven und liberalen Pfarrern erst einsetzten, als er sein Abitur bereits hinter sich hatte80. Dass es sich bei dem lutherisch-konfessionell gefärbten kirchlichen Milieu, das seine Glaubensvorstellungen prägte, nur um eine kirchlich-theologische Richtung unter anderen handelte, war Meiser als Heranwachsendem nicht bewusst; vielmehr nahm er an, das Christentum als solches und das, was in seiner Kirche als christlich gelehrt wurde, seien identisch. Politisch wurde Meiser auch in der Kirche zu einem treuen Untertan der Monarchie erzogen. Dabei wurde seine doppelte politische Loyalität zur 67 Z. B. durch ein neues Gesangbuch und eine neue Gottesdienstordnung, Arbeiten an einer einheitlichen Agende (vgl. R. Friedrich, Leben 1806–1918, 98) und die Beteiligung an der „Allgemeinen Evangelisch-Lutherischen Konferenz“ (vgl. Scharbau, Kirche, 583 f.). 68 Vgl. M. Simon, Kirchengeschichte, 623 f. 69 Vgl. Seitz, Entwicklungen, 143–145. 70 Blessing, Politik, 83. 71 Vgl. Hein, Erlangen. 72 Vgl. Beutel, Aufklärung, 944 f. 73 Vgl. ebd., 946 f.; J. A. Steiger, Rationalismus, 49–54. Zum Rationalismus vgl. auch Graf, Rationalismus; Wagner, Rationalismus. 74 Vgl. auch Blessing, Politik, 72. 75 Vgl. Hein, Erlangen, 162. 76 Zum umstrittenen Begriff der Erlanger Schule vgl. Brennecke, Schule; Assel, Schule; Beyschlag, Theologie; und Graf, Erlanger Theologie, 121. 77 Vgl. ebd., 122. 78 Keller, Spätaufklärung, 49. 79 Vgl. Blessing, Staat, 159. 80 Vgl. unten Kap. I 5.
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bayerischen Monarchie und zum Kaiserreich gefestigt und religiös untermauert. Als er Kirchgänger wurde, waren zahlreiche Gebete, Predigten, Festgottesdienste, Paraden und kirchliche Ansprachen für das Königreich Bayern und sein Herrscherhaus üblich. Obwohl der lokalpatriotische Kult noch überwog, intensivierte sich auch in Bayern der „Kult um Kaiser, Reich und Nation“81. Bayerischer Lokalpatriotismus und deutscher Nationalismus waren für die protestantische Minderheit seit der Reichsgründung 1871 kein Widerspruch mehr, vielmehr konnte sie sich am protestantisch beherrschten Kaiserreich orientieren, ohne in Loyalitätskonflikte zu geraten82. Parteipolitisch war nur eine Minderheit der bayerischen Pfarrer aktiv. Die meisten pflegten eine „unpolitische konservative Einstellung“83, zumal die Kirchenleitung von den Geistlichen seit den 1870er Jahren parteipolitische Neutralität verlangte84. Da die Obrigkeitslehre der Erlanger Schule den Staat und die ständische Gesellschaftsordnung in den Rang göttlicher Ordnungen erhob85, betrachteten sie es aber als ihre Pflicht, die bestehende politische Ordnung zu stützen und solche politischen Programme abzuwehren, die diese Ordnung bedrohten. Vor allem die Sozialdemokratie galt als ungläubige und revolutionäre Bedrohung von Kirche, Staat und Gesellschaftsordnung86. Zwiespältig beurteilten viele Pfarrer auch den politischen Liberalismus, weil hier Emanzipationsansprüche und Säkularisierungstendenzen am Werk waren, die den Vorrang von Religion und Kirche gefährdeten87. Die politischen Einstellungen der bayerischen Pfarrerschaft im 19. Jahrhundert prägten Meiser tief. Entscheidend für sein späteres Verhalten aber war die Perspektive, die ihm die Kirche für den Umgang mit Politik und Parteien vermittelte: Er lernte politische Programme nicht aus politischer, sondern aus neulutherisch-theologischer Sicht88 zu beurteilen; dabei wurden ihm die obrigkeits- und ordnungstheologischen Vorstellungen der Erlanger Theologischen Schule89 als Bewertungsmaßstab für politische und gesellschaftliche Fragen vermittelt. Nicht zuletzt wuchs er in einer Kirche auf, die die bestehende Staats- und Gesellschaftsordnung theologisch legitimierte und sich nur dort zu Abwehr und Protest gerufen sah, wo diese Ordnung bedroht schien.
81 82 83 84 85 86 87 88 89
Blessing, Staat, 197. Vgl. ebd., 179–200. Ebd., 201. Vgl. ebd., 200. Vgl. unten Kap. I 4. Blessing, Politik, 93. Vgl. Blessing, Staat, 157–160; Ders., Politik, 85–88. Vgl. Kantzenbach / Mehlhausen, Neuluthertum. Vgl. unten Kap. I 4.
Schule
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3. Schule Meiser besuchte ab 1887 die Vorschule des traditionsreichen Nürnberger Melanchthon-Gymnasiums, von 1890 bis 1899 das Gymnasium selbst. Das Gymnasium war 1526 unter maßgeblicher Mitwirkung von Philipp Melanchthon gegründet worden. Nach der Eingliederung Nürnbergs in das Königreich Bayern war es dann verstaatlicht und als „Königliche Gymnasialanstalt zu Nürnberg“ neu eröffnet worden90. Während Meisers Schulzeit begann sich eine politisch gewollte Umgestaltung der humanistischen Gymnasien auszuwirken: Hatte die Schulordnung von 187491 noch die humanistischen Bildungsideale begünstigt, änderte sich dies mit der neuen Schulordnung vom 23. Juli 1891, die eine Modernisierung zum Ziel hatte und die Naturwissenschaften aufwertete92. Meiser erhielt Unterricht in Religion, Deutsch, Latein, Arithmetik, Geographie, Zeichnen und Turnen, später auch in Naturkunde, Geschichte und Griechisch. Schließlich kamen noch Französisch und als Wahlfach Hebräisch hinzu – was einer Vorentscheidung für das Theologiestudium gleichkam. Schreiben lernte Meiser nach der deutschen Kurrentschrift93; außerdem erlernte er Gabelsberger Stenographie94, mit deren Hilfe er später Sitzungen und Besprechungen kirchlicher Gremien aufzeichnete95. Seine Lehrer attestierten Meiser großen Fleiß, hoben sein gutes Betragen hervor und vergaben fast durchgängig sehr gute und gute Noten96. Seine Abiturleistungen waren schließlich so gut, dass er keine mündlichen Prüfungen mehr abzulegen brauchte97. Neben dem Religionsunterricht bevorzugte Meiser vor allem Geschichte und die „Lektüre der Klassiker, vornehmlich der griechischen und der deutschen“98. Er las Xenophon, Homer, Plutarch, Platon sowie Demosthenes und Sophokles; in Latein kamen Cäsar, Ovid, Cicero, Horaz sowie Tacitus hinzu99. Dabei erwarb er sich hohe altsprachliche Kompetenzen, die ihm beste Voraussetzungen für das Theologiestudium schufen. Seine Kenntnisse in gesprochenen Sprachen blieben allerdings rudimentär, denn außer Grund90 Zur Geschichte des Gymnasiums vgl. 450 Jahre; H. Steiger, Melanchthon-Gymnasium. 91 Vgl. Neue Gesetz- und Verordnungen-Sammlung für das Königreich Bayern mit Einschluss der Reichsgesetzgebung 10 (1874), 423–446. 92 Vgl. Neue Gesetz- und Verordnungen-Sammlung für das Königreich Bayern mit Einschluss der Reichsgesetzgebung 20 (1891), 750–780. 93 Vgl. Beck, Schrift; Gutzwiller, Entwicklung. 94 Vgl. Faulmann, Entwicklungsgeschichte. 95 Vgl. die wissenschaftliche Edition seiner stenographischen Mitschriften (Verantwortung, Bd. 1–3). 96 Vgl. die Schulzeugnisse Meisers (Privatarchiv Familie Meiser). 97 Vgl. das Abiturzeugnis vom 14. 7. 1899 (beglaubigte Abschrift vom 7. 5. 1904: ebd.). 98 Zitat aus der oben Kap. I, Anm. 1, erwähnten ersten Fassung des Lebenslaufs. 99 Vgl. die Jahresberichte des Königlichen Alten Gymnasiums zu Nürnberg 1890/91–1898/99.
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Abb. 3: Hans Meiser als Gymnasiast im Alter von 16 Jahren
kenntnissen in Französisch erlernte er keine weitere Fremdsprache – vor allem nicht Englisch, was sich während seiner Amtszeit als Landesbischof als Nachteil erwies. Durch das große Gewicht, das der neuhumanistische Bildungskanon antiken Texten zumaß, wurde Meiser stark von Wertvorstellungen der Antike geprägt. Dazu gehörten vor allem die Bewertung des Krieges als eines selbstverständlichen Mittels zur Austragung von politischen Konflikten100 und die Verklärung militärischer Erfolge zu einem ruhmreichen Geschehen, an dem sich die Bedeutung von Völkern und Nationen messen ließ101. Zudem lenkte die Beschäftigung mit antiken Texten Meisers Fokus auf heldenhafte Gestalten und deren glorreiche Taten, die als zeitlos gültiges Vorbild gelten sollten102. Großen Einfluss auf Meisers Wertesystem hatte auch der Deutschunterricht, in dem sich neue Direktiven Wilhelms II. für die höheren Schulen103 besonders stark niederschlugen. Im Kampf gegen die Sozialdemokratie hatte 100 Vgl. Rosenberger, Krieg, 1767. 101 Vgl. Meisers Aufsatz „Was machte die Griechen zu einem weltgeschichtlich bedeutenden Volk?“ vom November 1898 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-79). 102 Vgl. Meisers Aufsätze „Des Helden Name ist in Erz und Marmorstein so wohl nicht aufbewahrt als in des Dichters Liede“ vom 16. 2. 1898; „Ein großes Muster weckt Nacheiferung“ vom Oktober 1898 (ebd.). 103 Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, 1201–1209; die Direktiven Wilhelms wirkten sich trotz einer schulrechtlichen Sonderstellung auch in Bayern aus (vgl. Nipperdey, Geschichte 1866–1918, Bd. I, 547).
Schule
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Wilhelm 1889 die „Vermittlung eines konservativen Bildes von Staat und Gesellschaft“104 und „mehr nationale und Charaktererziehung“105 gefordert. Dies führte abgeschwächt auch in Bayern106 zu einer neuen Gesetzgebung für die Gymnasien107. Die Erziehung im Sinne der nationalen Monarchie zeigte sich schon bei der Auswahl der Unterrichtsstoffe: Den Schülern wurden vor allem Texte geboten, die wie die Werke Ludwig Uhlands für die Herausbildung eines deutschnationalen Bewusstseins und die Identifikation mit Kaiser und Reich zu verwenden waren108. Dementsprechend wurde in Meisers Deutschunterricht keine Gelegenheit ausgelassen, das Nationalbewusstsein der Schüler zu stärken109. Darüber hinaus lernte er, dass es notwendig und legitim sei, nationale Interessen mit militärischen Mitteln durchzusetzen, und dass der Heldentod für das Vaterland das höchste Gut darstelle. Nicht zuletzt wurde ihm die Pflicht zur Verteidigung der bestehenden politischen und gesellschaftlichen Ordnung eingeprägt und ein Umsturz als Katastrophe vor Augen gestellt110. Im Religionsunterricht lernte er die bestehenden Verhältnisse dann religiös zu legitimieren und als zeitlos gültige göttliche Ordnungen zu interpretieren. Nicht weniger diente auch der von Meiser besonders geschätzte Geschichtsunterricht der nationalen Indoktrination. Dies zeigen bereits die planmäßigen Lehrinhalte: Der Unterricht setzte in der Unterstufe zwar noch mit der antiken griechischen und römischen Geschichte ein, war aber ab der gymnasialen Mittelstufe im Wesentlichen auf Deutschland und Bayern fixiert; in den oberen Klassenstufen mündete er schließlich in den preußischen Sieg im Deutsch-Französischen Krieg, vor allem aber in die Reichsgründung von 1871 als Höhepunkt der deutschen Geschichte111. Meiser erwarb am Gymnasium zwar hohe altsprachliche, literarische und historische Kenntnisse; auf politischem, wirtschaftlichem und sozialem Gebiet blieben ihm jedoch grundlegende Defizite – also auf genau jenen Gebieten, die sich bereits während des 19. Jahrhunderts zu entscheidenden Fragen entwickelten und im 20. Jahrhundert erst recht virulent wurden. Die Gymnasialbildung ebnete Meiser den Weg in die bildungsbürgerlichen Eliten und eröffnete ihm die Aussicht auf eine einflussreiche Position; eine Bildung aber,
104 105 106 107 108 109
Berghahn, Kaiserreich, 154. Ebd.; vgl. auch Nipperdey, Geschichte 1866–1918, Bd. I, 552. Vgl. ebd., 554. Vgl. oben Kap. I, Anm. 92. Vgl. Nipperdey, Geschichte 1866–1918, Bd. I, 539 f. Vgl. z. B. Meisers Aufsatz über Gotthold Ephraim Lessings Minna von Barnhelm vom 28. 9. 1897 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-79); vgl. auch den oben Kap. I, Anm. 101, erwähnten Aufsatz. 110 Vgl. seine Aufsätze „Ein großes Muster weckt Nacheiferung“ vom Oktober 1898; „Vivos voco, Mortuos plango, fulgura frango“ vom 12. 1. 1897 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-79). 111 Vgl. die oben Kap. I, Anm. 99, erwähnten Jahresberichte des Königlichen Alten Gymnasiums.
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die es ihm ermöglicht hätte, adäquat auf Herausforderungen des 20. Jahrhunderts zu reagieren, wurde in diesem Schulsystem nicht vermittelt. Von seinen Mitschülern am Melanchthon-Gymnasium blieb Meiser nicht der einzige, der später in eine bedeutende Position aufstieg: Zu seinen Schulfreunden gehörten der spätere hamburgische Landesbischof Simon Schöffel112, der katholische Professor für Praktische Theologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Bamberg und Kunsthistoriker Heinrich Mayer113 sowie der Nürnberger Jurist Heinrich Müller114. Die Freundschaft mit Schöffel blieb in loser Form lebenslang erhalten115. Gemeinsam hatten Meiser und Schöffel vor allem eines: Für beide wurde der Religionsunterricht von wegweisender Bedeutung116.
4. Religionsunterricht Für Meiser war der Religionsunterricht das wichtigste Schulfach. Sein Religionslehrer Friedrich Eckerlein, ein ehemaliger Mitschüler des späteren bayerischen Kirchenpräsidenten Hermann von Bezzel117, war seit dem Schuljahr 1891/92 am Melanchthon-Gymnasium tätig118. Er hielt gegen die historische Kritik an der Historizität der biblischen Berichte fest und unterrichtete im Sinne der von der Erlanger Schule geprägten theologischen Traditionen der Landeskirche. In den ersten vier Jahrgangsstufen des Gymnasiums vertiefte Eckerlein die Kenntnisse in biblischer Geschichte119. Unterrichtsgrundlage war die „Biblische Geschichte“120 von Karl Buchrucker121, die erstmals 1863 erschienen war und als Standardwerk für den evangelischen Religionsunterricht an bayeri-
112 113 114 115
116 117 118 119 120 121
Zu Schöffel vgl. Kressel, Schöffel; Hering, Bischöfe, 9–47; und E. Petersen, Schöffel. Zu Mayer vgl. Ruderich, Mayer. Vgl. Kressel, Schöffel, 8 f. Vgl. M. Simon, Meiser, 404; Hering, Bischöfe, 12; Kressel, Schöffel, 8 f.; und E. Petersen, Schöffel, 14. Schöffel ist wegen seiner antidemokratischen und völkischen Einstellung in jüngerer Zeit nicht weniger in die Kritik geraten als Meiser, vor allem aber deshalb, weil er sich – im Gegensatz zu Meiser – während der NS-Herrschaft selbst als Nationalsozialist bezeichnete (vgl. Hering, Bischöfe, 46 f.). Vgl. die oben Kap. I, Anm. 1, erwähnte erste Fassung des Lebenslaufs; M. Simon, Meiser, 404; Kressel, Schöffel, 8; Hering, Bischöfe, 12; und E. Petersen, Schöffel, 15. Vgl. Bezzel, Pflichten, 8. Vgl. Personalstand 1903, 149; Jahresbericht des Königlichen Alten Gymnasiums zu Nürnberg 1891/92. Dies entsprach den damals vorgegebenen Lehrstoffen (vgl. R. Friedrich, Leben 1806–1918, 110 f.). Buchrucker, Geschichte. Zu Buchrucker vgl. Kothmann, Religionsunterricht, 231–244.
Religionsunterricht
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schen Schulen erst 1932 abgelöst wurde122. In diesem Lehrbuch wurde den Schülern der Inhalt der Bibel als zusammenhängende Geschichte präsentiert, ohne dabei den historischen Gehalt der biblischen Berichte kritisch zu reflektieren. In den höheren Gymnasialklassen behandelte Eckerlein dann vor allem die alt- und neutestamentliche Heilsgeschichte123. Dabei ging er nach den „Grundlinien zum Religions-Unterricht an den oberen Klassen gelehrter Schulen“ von Gottfried Thomasius vor124, die in Bayern seit ihrer Erstveröffentlichung 1839 zum allgemeinen Lehrbuch für den evangelischen Religionsunterricht in den höheren Gymnasialklassen geworden waren125. Thomasius, seit 1842 Professor für Dogmatik an der Erlanger Theologischen Fakultät, „gilt als der ,Normaldogmatiker‘ der Erlanger Schule“126. Sein Lehrbuch folgte dem dogmatischen Aufriss der altprotestantischen Orthodoxie127 und stellte ein auf Schulniveau elementarisiertes Kompendium altlutherischer Dogmatik dar. Es sollte den Schülern die Bibel als einzige „Quelle der Wahrheit“128 präsentieren und ihnen „die großen Heilsthatsachen“129 einprägen. So bestand Eckerleins Unterricht auch in den höheren Klassen aus der Vermittlung von unumstößlichen Glaubenssätzen, die Meiser als zeitlos gültige Wahrheiten zu beurteilen lernte, an denen jede theologische Aussage zu messen war. Entscheidend für Meisers späteres Verhalten wurden vor allem Thomasius’ Lehren zur gottgewollten Stellung des Christen gegenüber der Obrigkeit und zur Ordnung der Gesellschaft. Thomasius erhob den Staat in den Rang einer göttlichen Ordnung und bestimmte die Stellung der Christen zum Staat als ein Untertanenverhältnis, das zu striktem Gehorsam, Ehrerbietung und Fürbitte verpflichtete. Während Christen nach Art. XVI der Confessio Augustana Anordnungen der Obrigkeit, die gegen Gottes Gebote verstießen, keinen Gehorsam leisten durften130 und der späte Luther Widerstand gegen eine widergöttlich agierende Obrigkeit unter bestimmten Umständen für berechtigt und sogar geboten gehalten hatte131, war bei Thomasius die Möglichkeit einer unrechtmäßig oder verbrecherisch handelnden Obrigkeit, die Christen zum
122 Vgl. R. Friedrich, Leben 1806–1918, 238; Kothmann, Religionsunterricht, 260 f.; vgl. auch unten Kap. II 5.1. 123 Zur heilsgeschichtlichen Konzeption vgl. Beyschlag, Theologie, 64–68; Kothmann, Religionsunterricht, 226–231; zu den Inhalten des Religionsunterrichts vgl. die oben Kap. I, Anm. 99, erwähnten Jahresberichte sowie Meisers Religionsschulhefte (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-77). 124 Thomasius, Grundlinien; vgl. Kothmann, Religionsunterricht, 224–226. 125 Vgl. das Vorwort zur dritten Auflage von 1867 (Thomasius, Grundlinien, XI). 126 Keller, Spätaufklärung, 45; vgl. auch Beyschlag, Theologie, 93. 127 Vgl. Schmid, Dogmatik. 128 Thomasius, Grundlinien, V. 129 Ebd., XIII. 130 Vgl. Bekenntnisschriften, 70 f. 131 Vgl. Strohm, Widerstand, 751.
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Widerstand gegen den Staat verpflichten würde, nicht vorgesehen132. Thomasius’ Obrigkeitslehre prägte Meiser tief und bestimmte später besonders sein Verhältnis zum NS-Staat. Neben dem Staat sprach Thomasius auch der ständischen Gesellschaftsordnung133 den Rang einer göttlichen Ordnung zu. Damit waren strukturelle Veränderungen prinzipiell ausgeschlossen. Dies galt gleichermaßen für die Familie, in der Eheleute zu gegenseitiger Treue und Kinder zum Gehorsam gegen die Eltern verpflichtet sein sollten. Meiser wurde ein Bild von Staat, Gesellschaft und Familie vermittelt, bei dem sich das Individuum nicht frei entfalten durfte, sondern von Kindesbeinen an in vorgegebene Ordnungen einzufügen hatte134; da diese Ordnungen göttliche Stiftung sein sollten, gewann er die Überzeugung, dass ein Ausbrechen aus den Ordnungen Rebellion gegen Gott und Abfall vom Glauben bedeutete. Dass die unabänderlichen Heilstatsachen und göttlichen Ordnungen, die ihm als Basis seines Glaubens vermittelt wurden, längst ins Kreuzfeuer der wissenschaftlichen Theologie geraten waren, konnte Meiser nicht erkennen. Zudem sorgte Eckerlein mit einem eigenen Religionslehrbuch dafür135, dass bei den Schülern keine Zweifel aufkamen. Meiser besaß ein Exemplar des Buchs und arbeitete es wohl auch durch136. Anders als Thomasius konnte sich Eckerlein den Anfragen der blühenden wissenschaftlichen Theologie des ausgehenden 19. Jahrhunderts an Bibel und kirchliche Dogmatik allerdings nicht mehr völlig entziehen. Umso mehr verteidigte er die geschichtliche „Thatsächlichkeit“ der biblischen Berichte und warnte ausdrücklich davor, der „gläubigen Gesamtgemeinde“ den „festen Grund der Thatsachen“ zu entziehen137. Dementsprechend ging er in seinem Lehrbuch auf historisch-kritische Thesen zur Entstehung biblischer Schriften auch nur punktuell ein, und zwar in einer Form, die der Historizität der biblischen Berichte und den ,Offenbarungstatsachen‘ keinen Abbruch tat138. Die Bibel blieb bei Eckerlein ein Produkt göttlicher Inspiration139; Widersprüche zwischen Bibel und Naturwissenschaft versuchte er zu harmonisieren140. Wenn Meiser in Abgrenzung zum theologischen Liberalismus141 noch Jahrzehnte später die „objektiven Inhalte des Glaubens“ hervorhob und festhielt, bei „Inhalt und […] Wesen des evangelischen Christenglaubens“ handele es sich um „überzeitliche und 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141
Vgl. Anselm, Verbrechen, 42. Vgl. M nch, Ständegesellschaft; Honecker, Dreiständelehre. Vgl. Anselm, Verbrechen, 35 f. Eckerlein, Geschichte. Meisers persönliches Exemplar befindet sich heute im Privatbesitz der Verfasserin. Zitate: Eckerlein, Geschichte, IV. Vgl. z. B. ebd., 42. Vgl. ebd., 2. Vgl. ebd., 95, 104. Vgl. Jacobs, Theologie; Wolfes, Theologie.
Religionsunterricht
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Abb. 4: Hans Meisers Exemplar von Friedrich Eckerleins „Heiliger Geschichte“ (Titelseite)
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überweltliche göttliche Wirklichkeiten“142, so lässt das erkennen, dass Eckerleins Festhalten an ,Offenbarungstatsachen‘ und ,Heilswahrheiten‘ die Eckpfeiler für Meisers theologisches Denken legte. In einer anderen Form, als er ihm in Kirche und Religionsunterricht vermittelt wurde, lernte Meiser den christlichen Glauben nicht kennen. Eine Gelegenheit, mit abweichenden theologischen Strömungen in Kontakt zu kommen, bot sich ihm nicht. Als die Hauptvertreter des theologischen Liberalismus in Bayern, Christian Geyer und Friedrich Rittelmeyer, in Nürnberg Furore machten143, hatte Meiser seine Schulausbildung längst abgeschlossen144. Er selbst berichtete dann auch, bis zum Beginn seines Studiums habe er niemals „mod[erne] Theologie persönl[ich] von irgend jemand vertreten u[nd] verteidigen“145 gehört. Vor die Notwendigkeit, sich mit neueren theologischen Strömungen auseinanderzusetzen und dabei den eigenen Standpunkt bewusst zu reflektieren, wurde er allerdings umso mehr im Theologiestudium gestellt.
5. Theologiestudium Meisers Studium verlief keineswegs so geradlinig, wie es nach seiner glatten Schulkarriere zu erwarten gewesen wäre. Aufgewachsen in der Sicherheit seiner Familie und im beschränkten Umfeld der Stadt Nürnberg, vor allem aber in dem Bewusstsein, in Familie, Kirche, Schule und Religionsunterricht zeitlos gültige Kenntnisse und Überzeugungen vermittelt bekommen zu haben, geriet er nach Aufnahme seines Studiums bald in eine Krise. Trotz seiner anfangs noch zielstrebigen Studienplanung und seines Fleißes war er schließlich gezwungen, das Studium über die in der Prüfungsordnung146 vorgesehene Semesterzahl hinaus zu verlängern. Meisers Krise hatte vor allem religiöse Gründe: Bei Studienantritt verfolgte er das Ziel, das „Grundverständnis der christlichen Wahrheit“, wie er es im Religionsunterricht erworben hatte, „zu vertiefen“147, und „zu einem lebendigen Besitz z[u] machen“148. Meisers Intention bestand darin, die religiösen 142 Zitate: H. Meiser, Kirche der Zukunft, 3. 143 Vgl. unten Kap. I 5. 144 M nchenbach, Meiser, 85, hat fälschlich angenommen, Meiser habe Geyer und Rittelmeyer während seiner Schulzeit gehört. 145 Zitat aus der oben Kap. I, Anm. 1, erwähnten ersten Fassung des Lebenslaufs. 146 Das Prüfungswesen der Landeskirche beruhte auf der „Instruction für die Prüfung der theologischen Kandidaten“ von 1809 (LAELKB, OKM 0.1.0001-2412), die im Lauf des 19. Jahrhunderts zahlreiche Modifikationen erfahren hatte (vgl. die Unterlagen im LAELKB, OKM 0.1.0001-2353). Einheitliche Zusammenstellungen über die Prüfungsbestimmungen und gedruckte Fassungen erschienen für das Erste Theologische Examen erst 1915, für das Zweite Examen 1916 (LAELKB, OKM 0.1.0001-2354). 147 Zitate aus der oben Kap. I, Anm. 2, erwähnten zweiten Fassung des Lebenslaufs. 148 Zitat aus der oben Kap. I, Anm. 1, erwähnten ersten Fassung des Lebenslaufs.
Theologiestudium
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und theologischen Überzeugungen seiner Kindheit und Jugend durch das Theologiestudium theoretisch zu fundieren und für eine beruflich praktizierte Religiosität fruchtbar zu machen. Dieses Ziel aber musste zwangsläufig mit der wissenschaftlichen Theologie des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts kollidieren. Meiser begann sein Studium im Wintersemester 1899/1900 an der LudwigMaximilians-Universität in München, an der zu diesem Zeitpunkt keine Evangelisch-Theologische Fakultät existierte149. Hier wollte er zunächst seine Allgemeinbildung erweitern. Für München sprachen aber wohl vor allem persönliche Gründe: Da er keiner studentischen Verbindung beitrat, befürchtete er, in Erlangen – der für damalige bayerische Theologen ersten Adresse – auf sich alleine gestellt zu sein, während in München Verwandte lebten150. In München belegte er fachlich breit gestreute Lehrveranstaltungen151: Er hörte den Privatdozenten und späteren a. o. Professor für Philosophie Johannes Wilhelm Cornelius152, den katholischen Historiker Hermann Grauert153, den evangelischen Theologen, Philosophen und Psychologen Theodor Lipps154 sowie den Geologen und Paläontologen Karl Alfred von Zittel155. Seinen Schwerpunkt setzte er auf Volkswirtschaft bei Lujo (= Ludwig Josef) Brentano, einem „führende[n] Vertreter des idealistischen sozialen Liberalismus“156. Brentano trat für die Besserstellung von Arbeitern und die Rechte von Gewerkschaften ein, weshalb er von seinen Gegnern als „Kathedersozialist“157 kritisiert wurde. Die Studenten sensibilisierte er mit großem Erfolg für soziale Fragen. Auch Meiser war von Brentano stark beeindruckt158. Auf seine sozialpolitischen Überzeugungen übten jedoch nicht Brentanos Ansätze, sondern theologisch gespeiste Vorstellungen von einer christlichen Gesellschaft im Sinne Johann Hinrich Wicherns den entscheidenden Einfluss aus159. Daneben versuchte Meiser sich am Kommentarwerk des Erlanger Neutes-
149 Die Münchner Evangelisch-Theologische Fakultät wurde erst im Oktober 1967 gegründet (vgl. Hilpert / Levin, Theologien, 42). 150 Z. B. der Standesbeamte Joseph Meiser (schriftliche Auskunft von Michael Renner vom 8. 3. 2015). 151 Vgl. Meisers Vorlesungsmitschriften (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-80 bis 87). 152 Vgl. Cornelius, Cornelius; DBE 2 (1995), 374. 153 Zu Grauert vgl. DBE 4 (1996), 142. 154 Vgl. Henckmann, Lipps. 155 Zu Zittel vgl. DBE 10 (1999), 680. 156 Zu Brentano vgl. Zahn, Brentano (Zitat: 596). 157 DBE 2 (1995), 117. 158 Dies zeigt die Tatsache, dass Meiser allein mit seinen Notizen über eine 1-semestrige Vorlesung Brentanos drei Hefte füllte (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-82). 159 Vgl. unten Kap. II 1.1.
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tamentlers Johann Christian Konrad von Hofmann160, einem der bedeutendsten Vertreter der Erlanger Theologie161, und begann mit der Lektüre der Einleitung in das Neue Testament des konservativen lutherischen Theologen Theodor Zahn162. Diese anspruchsvollen Werke überforderten den Studienanfänger jedoch. Das eigentliche Fachstudium nahm Meiser zum Wintersemester 1900/01 an der Evangelisch-Theologischen Fakultät Erlangen auf. Hier geriet die „feste kirchlich positive Anschauung“163, die er im Religionsunterricht gewonnen hatte, erstmals in Konflikt mit der wissenschaftlichen Exegese. So wollte ihm die „exeget[ische] Methode […] anfangs gar nicht behagen“; besonders irritierte ihn, dass die Exegese keine Antworten auf religiöse Fragen gab, sondern in „textkritische[n], literarkritische[n] u[nd] grammat[isch] philolog[ischen] Untersuch[ung]en aufging“164. Wie verunsichert Meiser war, zeigt schon die Tatsache, dass sich sein Unbehagen ausgerechnet an der Erlanger Fakultät entzündete. Obwohl die Erlanger Theologie ihre Glanzzeit hinter sich hatte165 und sich speziell die Kirchengeschichte methodisch öffnete, dominierten hier immer noch „ein von Erweckungstraditionen und mildem Konfessionalismus geprägtes theologisch konservatives Kulturluthertum“166 sowie ein „apologetisch bestimmter Konservativismus“167. Meiser hätte folglich kaum einen Ort finden können, an dem weniger Bereitschaft bestanden hätte, aus den Ergebnissen historisch-kritischer Exegese grundstürzende theologisch-systematische Konsequenzen zu ziehen168. Dies galt umso mehr, als gerade die exegetischen Fächer seit 1900 den Anschluss an die wissenschaftliche Diskussion verloren169. So monierte der Privatdozent Justus Köberle, bei dem Meiser Altes Testament hörte170, Erlangen entwickele sich zu einer „ganz erbärmliche[n] Provinzialuniversität“171. Aber selbst Köberle vertrat eine positive lutherische Theologie172 und blieb der für Erlangen typischen heilsgeschichtlichen Perspektive verbunden173. Diese Perspektive nahmen auch Meisers neutestamentliche Dozenten 160 Hofmanns achtteiliger Kommentar „Die Schrift neuen Testaments zusammenhängend untersucht“ war von 1862 bis 1878 in 14 Bänden in Nördlingen erschienen. 161 Vgl. Mildenberger, Hofmann; zu Hofmann vgl. auch Kantzenbach, Hofmann; Beyschlag, Theologie, 58–82; und Keller, Spätaufklärung, 44 f. 162 Zu Zahn vgl. Wesseling, Zahn; Merk, Zahn; und Beyschlag, Theologie, 122–132. 163 Zitat aus der oben Kap. I, Anm. 2, erwähnten zweiten Fassung von Meisers Lebenslauf. 164 Zitate aus der oben Kap. I, Anm. 1, erwähnten ersten Fassung von Meisers Lebenslauf. 165 Vgl. Hein, Erlangen, 162 f.; Beyschlag, Theologie, 141 f. 166 Graf, Erlanger Theologie, 135, 122. 167 Hein, Erlangen, 163. 168 Vgl. Lessing, Geschichte, Bd. 1, 333. 169 Vgl. Graf, Erlanger Theologie, 135. 170 Vgl. Meisers Mitschrift aus dem Wintersemester 1900/01 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.000891). 171 Schreiben Justus Köberles an seine Eltern vom 3. 2. 1900, abgedruckt bei: Kçberle, Professor, 178. 172 Vgl. Lessing, Geschichte, Bd. 1, 333. 173 Vgl. ebd., 348 f.
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ein: So hörte er Theodor Zahn174, der sich nicht als historisch-kritischer Exeget verstand175, was Meiser eigentlich entgegenkam. Dies galt erst recht für die Ablehnung, die Zahn der religionsgeschichtlichen Schule176 entgegenbrachte. Auch Meisers zweiter neutestamentlicher Dozent, der Professor für Reformierte Theologie extra facultatem Ernst Friedrich Karl Müller, war zumindest partiell der Erlanger Theologie verhaftet177. Zwar wollte er die reformierte Theologie profilieren178, er stand aber dennoch in der Tradition des heilsgeschichtlichen Denkens der Erlanger und maß der persönlichen Heilsgewissheit entscheidenden Wert zu179. Der fromme Student war freilich noch zu unerfahren, um theologische Grundsatzprobleme und die Standpunkte seiner akademischen Lehrer zu erfassen. Persönliche Religiosität, Kirchenglauben und wissenschaftliche Theologie in Einklang zu bringen, gelang ihm erst später im Studium. In Erlangen gab es nur eine Disziplin, die ihn nicht irritierte, nämlich die Kirchengeschichte, die er bei Theodor Kolde hörte180. Kolde181 war zwar nur begrenzt der Erlanger theologischen Richtung zuzurechnen182, seine Vorlesung bot aber keinen Zündstoff, der Meisers Unbehagen noch weiter hätte befeuern können. Im Sommer 1901 wechselte Meiser nach Berlin. Die Berliner Fakultät genoss einen ausgezeichneten Ruf, galt als führender Hort historisch-kritischer Forschung und war besonders in den exegetischen und historischen Disziplinen glänzend besetzt183. Ihren Ruf hatte die Fakultät vor allem dem Kirchenhistoriker Adolf von Harnack zu verdanken, der „Symbolfigur des Kulturprotestantismus“ schlechthin184. Meiser hörte bei von Harnack185 und dem modern-positiven Systematiker Reinhold Seeberg186, dessen Lehrstuhl eigens dazu eingerichtet worden war, den übermächtigen Einfluss Harnacks und der von ihm vertretenen liberalen Theologie einzudämmen187. Obwohl Meiser die Vorlesungen von Harnacks und Seebergs beeindruck174 Vgl. Meisers Mitschrift von Zahns Vorlesung über das Johannes-Evangelium (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-89). 175 Vgl. oben Kap. I, Anm. 162. 176 Vgl. L demann / zen, Schule. 177 Vgl. Lessing, Geschichte, Bd. 2, 99–102. 178 Vgl. Freudenberg, Müller, 1569. 179 Vgl. Lessing, Geschichte, Bd. 2, 100. 180 Vgl. die Mitschrift über Koldes Vorlesung zur Geschichte der Alten Kirche (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-88). 181 Zu ihm vgl. Olszewsky, Kolde; Beyschlag, Theologie, 136–139. 182 Vgl. Lessing, Geschichte, Bd. 1, 206 f. 183 Zur Berliner Theologischen Fakultät vgl. Dress, Berlin; Elliger, Fakultät. 184 Vgl. Kantzenbach, Harnack (Zitat: 451). 185 Im Wintersemester 1901/02 (vgl. die Vorlesungsmitschrift: LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-96). 186 Vgl. die Mitschrift Meisers über Seebergs Vorlesung zur Dogmengeschichte (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-97). 187 Vgl. Scheliha, Seeberg.
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ten, gewann er auch in Berlin keinen positiven Zugang zur wissenschaftlichen Theologie. Vielmehr geriet er jetzt vollends in eine Krise. Um nicht erneut in Konflikt zwischen seinem Glauben und der ,modernen‘ Theologie zu geraten, vermied er bewusst die Beschäftigung mit systematischer Theologie. Da sich bereits abzeichnete, dass er die vorgeschriebene Studienzeit überschreiten würde, brach er das Berliner Experiment nach einem Semester ab. Dazu veranlasste ihn auch das Fehlen eines sozialen Umfelds, das ihm Orientierung hätte geben können, sowie die Überforderung durch das moderne Großstadtleben188. Fest entschlossen, Dogmatik „nur von einem Vertreter der kirchl[ichen] Anschauung [zu] hören“189, wechselte er zum Sommersemester 1902 nach Halle. Den Ausschlag gaben weniger die theologischen Traditionen der Hallenser Fakultät190, vielmehr lockte Meiser der Ruf, der dem Systematiker und Neutestamentler Martin Kähler vorauseilte: Kähler betrieb „Biblische Theologie“191, stellte die Leben-Jesu-Forschung192 in Frage und rückte die „Hinwendung zum biblisch bezeugten Christus“193 in den Mittelpunkt. Er prägte eine ganze Generation von Theologen. Als die Barmer Bekenntnissynode 1934 die berühmte Theologische Erklärung verabschiedete, waren viele ehemalige Studenten Kählers anwesend, darunter auch Meiser selbst194. Kähler wurde einer der wenigen Universitätstheologen, die Meiser nachhaltig beeindruckten. Auch wenn er nicht die heilsgeschichtlichen Traditionen der Erlanger vertrat, fand Meiser in seinen Lehrveranstaltungen zur Dogmatik195 die „positive Richtung“196, nach der er bisher vergeblich gesucht hatte. Euphorisch urteilte er, bei Kähler habe er „einen biblischen Positivismus“ kennengelernt, durch den er „erst tiefer in das Verständnis des Neuen Testamentes“ eingedrungen sei197. Dieser „biblische Positivismus“ machte es ihm erstmals möglich, seine Glaubensüberzeugungen mit der wissenschaftlichen Theologie zu vermitteln. „Biblischen Positivismus“ attestierte Meiser auch anderen Mitgliedern der Hallenser Fakultät, vor allem Wilhelm Lütgert198, der Exegese mit Systematik verknüpfte199, ferner Erich Haupt200, dessen Verbindung von Exegese und 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 198 199
Vgl. die oben Kap. I, Anm. 1 und 2, erwähnten beiden Fassungen seines Lebenslaufs. Zitat aus der oben Kap. I, Anm. 1, erwähnten ersten Fassung des Lebenslaufs. Vgl. E. K hler, Halle. Vgl. H.-J. Kraus, Kähler (Zitat: 511). Vgl. Georgi, Leben-Jesu-Theologie. H.-J. Kraus, Kähler, 512. Ebd., 514. Vgl. Meisers Mitschriften (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-103 bis 105). Eine Nachschrift von Kählers Vorlesungen wurde 1962 veröffentlicht (M. K hler, Geschichte). Zitat aus der oben Kap. I, Anm. 2, erwähnten zweiten Fassung von Meisers Lebenslauf. Zitate: ebd. Vgl. Meisers Mitschrift über Lütgerts Römerbriefvorlesung (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-99). Vgl. Sparn, Lütgert; Merk, Lütgert.
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Frömmigkeit201 Meiser ähnlich entgegenkam wie Kählers Positivismus, sowie dem Philologen und Spezialisten für neutestamentliches Griechisch Friedrich Blass202, einem „Gegner der kritischen Theologie und des kirchlichen Liberalismus“203. Meiser meinte, diese Dozenten hätten ihm erst den „Wert unseres n[euen] T[estaments] im Kampf gegen die verflüchtigende Auslegung der Heilstatsachen“ bewusst gemacht204. Zur alttestamentlichen Exegese fand er allerdings auch in Halle keinen Zugang, wo er Lehrveranstaltungen des Alttestamentlers und Orientalisten Emil Kautzsch205 besuchte, der konsequent literarkritisch arbeitete206. Halle brachte für Meiser die entscheidenden theologischen Klärungen. Er begann, Grundsatzprobleme systematischer Theologie zu erfassen, den ,kirchlich-positiven‘ Standpunkt bewusst als seinen eigenen einzunehmen und sich ein Instrumentarium zu verschaffen, mit dem er seine Position im Diskurs mit ,modernen‘ theologischen Richtungen verteidigen konnte. Von nun ab nahm er eine klare Frontstellung gegen ,moderne‘ theologische Richtungen ein, die die Bibel und das kirchliche Dogma der historischen Kritik unterwarfen. Damit war eine theologische Grundsatzentscheidung gefallen, an der er sein Leben lang festhalten sollte. Nach Halle hatte Meiser seine Krise zwar überwunden, musste sein Examen aber um ein Jahr verschieben207. Im Sommersemester 1903 kehrte er nach Erlangen zurück, wo sich die in Halle begonnene Entwicklung fortsetzte. Mit dem Systematiker, Neutestamentler und späteren Präsidenten der bayerischen Landessynode Philipp Bachmann208 begegnete er dem zweiten akademischen Lehrer, der ihm nachhaltig in Erinnerung blieb. Bei Bachmann belegte er gleich mehrere Lehrveranstaltungen209. Im Gegensatz zu dem tiefen Eindruck, den er bei Meiser hinterließ, blieb Bachmann trotz schulpädagogischer und kirchlicher Verdienste theologisch allerdings unbedeutend210. Ferner besuchte Meiser praktisch-theologische Lehrveranstaltungen bei dem konservativen Lutheraner Walter Caspari211 und belegte Kirchenrecht bei 200 Vgl. die Mitschrift Meisers über Haupts Lehrveranstaltung zum Kanon und zur Textgeschichte des Neuen Testamentes (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-102). 201 Vgl. Bautz, Haupt. 202 Vgl. Meisers Mitschrift über Blass’ Lehrveranstaltung zum Hebräerbrief (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-98). 203 Bautz, Blass, 616. 204 Zitat aus der oben Kap. I, Anm. 1, erwähnten ersten Fassung von Meisers Lebenslauf. 205 Vgl. die Mitschriften Meisers über Kautzsch’ Jesaja-Vorlesung und eine Veranstaltung zu messianischen Weissagungen (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-100 und 101). 206 Vgl. Reiniger, Kautzsch; Gertz, Kautzsch. 207 Vgl. die oben Kap. I, Anm. 2, erwähnte zweite Fassung von Meisers Lebenslauf. 208 Vgl. Bautz, Bachmann. 209 Vgl. seine Mitschriften im LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-106, 107 und 112. 210 Vgl. Graf, Strömungen, 252. 211 Vgl. Meisers Mitschriften im LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-108 bis 110; zu Caspari vgl. Öffner, Caspari; Kothmann, Religionsunterricht, 334–340.
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dem Juristen Emil Sehling212. Meiser konnte nicht ahnen, dass ein Thema Sehlings in seinem weiteren Werdegang noch zentrale Bedeutung gewinnen sollte, nämlich das Verhältnis von Kirche und Staat213: Von der Staatskirche des römischen Reiches über die mittelalterliche Einverleibung des Staates durch die Kirche bis hin zur Trennung von Staat und Kirche lernte Meiser bei Sehling verschiedene Modelle kennen. Dabei wurde ihm bewusst, dass die Trennung von Staat und Kirche möglich und legitim war. Zudem lernte er das Modell kennen, das ihn während der NS-Zeit in schwere Entscheidungskonflikte stürzen sollte: Ein Verhältnis, bei dem Staat und Kirche zwar getrennt waren, der Staat der Kirche aber Privilegien gewährte und dafür Aufsichts- und Hoheitsrechte einforderte. Nach der theologischen Grundsatzentscheidung, die Meiser in Halle gefällt hatte, kam es während seiner letzten Studiensemester noch zu einer weiteren entscheidenden Entwicklung: Er nahm jetzt einen lutherisch-konfessionellen Standpunkt ein und gewann die Überzeugung, dass das Luthertum von allen Konfessionen der christlichen Wahrheit am nächsten komme. Dazu trugen kirchen- und dogmengeschichtliche Privatstudien bei214, noch mehr aber das lutherisch-konfessionelle Milieu, das in Erlangen herrschte215. Zusätzlich bestärkt wurde er durch Besuche in der Diakonissenanstalt Neuendettelsau, wo Bezzel zu diesem Zeitpunkt als Rektor amtierte. Bezzel war ein strenger Verfechter des lutherischen Bekenntnisses und entschiedener Gegner der ,modernen‘ Theologie216. Als Meiser 1904 zum Ersten Theologischen Examen vorgeladen wurde217, hatte er sein ursprüngliches Ziel, die in der Jugend gewonnenen Glaubensüberzeugungen durch ein Universitätsstudium „zu vertiefen, sie aus ihrer starren Form herauszuführen und in einen innerlich lebensvollen Besitz zu gestalten“218, schließlich doch noch erreicht. Die Konfrontation mit den ,modernen‘ theologischen Konzeptionen des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts endete mit der entschiedenen Rückkehr zu theologischen Positionen in der Tradition der Erlanger Theologie. Eigenständige theologische Positionen entwickelte Meiser weder im Studium noch in späteren Phasen seines Lebens. Wie sehr die Auseinandersetzung mit der ,modernen‘ Theologie sein Studium dominiert hatte und wie stark er gewillt war, den althergebrachten 212 Sehling wurde durch die Edition „Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts“ weithin bekannt (vgl. Link, Sehling, 1138); zu Sehling vgl. auch K. Schwarz, Sehling. 213 Vgl. dazu und zum Folgenden Meisers Mitschrift im LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-113. 214 Vgl. die oben Kap. I, Anm. 1, erwähnte erste Fassung von Meisers Lebenslauf. 215 Vgl. die oben Kap. I, Anm. 2, erwähnte zweite Fassung von Meisers Lebenslauf. 216 Vgl. Drehsen, Bezzel; Merz, Bezzel; Rupprecht, Bezzel; Glatz, Entstehung, 25–29; und Seitz, Entwicklungen, 145–147. 217 Vgl. das Schreiben des Königlichen Protestantischen Konsistoriums Ansbach an Meiser vom 16. 7. 1904 (Privatarchiv Familie Meiser). 218 Zitat aus der oben Kap. I, Anm. 2, erwähnten zweiten Fassung seines Lebenslaufs.
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Abb. 5: Zeugnis über die Theologische Aufnahmeprüfung (= Erstes Theologisches Examen) Hans Meisers, 1904
kirchlichen Glauben zu verteidigen, zeigte die Probepredigt für sein Erstes Theologisches Examen219. Danach sah er die größte Gefahr für den christlichen Glauben in den eigenen Reihen: Auf der einen Seite standen für ihn die 219 Das hsl. Original der Predigt ist überliefert im LAELKB, OKM 53 – P0550.
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,kirchlich-positiven‘ Kräfte, die am reformatorischen Glauben festhielten, auf der anderen die ,modernen‘ Theologen, die bei dem Versuch, Christentum und modernes Denken zu verbinden, wesentliche christliche Grundwahrheiten preisgaben. Die Predigt zielte darauf ab, den Gemeindegliedern die Pflicht zur Bewahrung des überkommenen Glaubens einzuschärfen. Diese Pflicht sollte allein schon die Achtung vor dem Glauben der Väter begründen. Meiser gestand zwar zu, dass dieser Glaube nicht aufrechterhalten werden könne, wenn er als Irrtum erwiesen wäre, postulierte aber, dass dies der Forschung nicht gelungen sei. Deshalb sollte die Gemeinde auch gegen die historisch-kritische Forschung „fest bei der evangelischen Lehre beharren“220; andernfalls werde die Lehre der Apostel verlassen, auf die „die ganze christliche Kirche gegründet“221 sei. Damit wischte er faktisch die gesamte historisch-kritische Exegese vom Tisch. Den Unterschied zwischen ,Kirchlich-Positiven‘ und ,Modernen‘ machte er vor allem an der Christologie fest: Während Christus für die ,Modernen‘ – wie etwa bei von Harnack222 – lediglich ein Mensch sei, der durch „sein gottinniges Leben Gott näher stand“223 als alle anderen Menschen, würden die ,KirchlichPositiven‘ Christus als den auferstandenen Sohn Gottes bekennen, der zur Rechten Gottes sitze und wiederkehren werde, um Lebende und Tote zu richten. Diese Ausführungen zeigen, dass Meiser unbeeindruckt von der historischen Kritik am Studienende noch immer an der traditionellen kirchlichen Dogmatik festhielt. Deren Wahrheit hing für ihn an der Historizität der Auferstehung. Gegen die ,moderne‘ Theologie führte Meiser zudem deren Unfähigkeit ins Feld, dem Menschen Heilsgewissheit zu verschaffen. Er meinte, nach liberaler Auffassung brauche der Mensch gemäß dem Vorbild Christi nur Vertrauen zu Gott zu fassen, wodurch er bereits mit Gott versöhnt sei. Das allerdings genüge nicht, das menschliche Heilsbedürfnis zu befriedigen, denn die Versöhnung mit Gott bedürfe der Sühnung und Vergebung der Sünden. Wenn aber Christus nur ein Mensch gewesen sei, habe auch er „unter dem Bann der Menschheitsschuld gestanden“224 und keine Versöhnung mit Gott herbeiführen können. Dafür sei vielmehr die Gottheit Christi Voraussetzung. Wirkliche Heilsgewissheit könne daher nur der Glauben geben, wie ihn die Kirche lehre. Meisers Votum für die traditionelle kirchliche Lehre kam nicht von ungefähr: Auch in der bayerischen Landeskirche hatte der theologische Liberalismus inzwischen Einfluss gewonnen und provozierte schwere Auseinan220 221 222 223 224
Ebd., 4. Ebd., 5. Vgl. Seitz, Entwicklungen, 146. Zitate aus der oben Kap. I, Anm. 219, erwähnten Predigt, 6. Dieses und die folgenden Zitate ebd., 10.
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dersetzungen225. Seit 1902 amtierten in Nürnberg die liberalen Pfarrer Christian Geyer und Friedrich Rittelmeyer, deren Gottesdienste auf große Resonanz stießen. Von Kirchenleitung und Amtskollegen zunächst noch misstrauisch beäugt, brach durch die Veröffentlichung ihres Predigtbandes „Gott und die Seele“ 1906 der offene Konflikt aus. Präsident Bezzel bezog 1910 schließlich Position gegen Geyer und Rittelmeyer und stellte fest, hier seien „religiöse Differenzen vorhanden“, „bei denen nicht die eine Meinung, welche vor dem erhöhten Jesus die Knie beugen und ihn als Herrn anbeten heißt, wie die andere, die beides verweigert, in gleichem Recht sein“ könne226. Mit seiner Predigt stellte Meiser zweifelsfrei unter Beweis, dass er ein verlässlicher Hüter der kirchlichen Lehre sein würde. Die Predigt fand bei den Prüfern großen Anklang227. Das Erste Theologische Examen legte er vom 21. bis 27. August 1904 in Ansbach ab228. Meisers Leistungen wurden als sehr gut bewertet229. Von jetzt ab gehörte er zu den Predigtamtskandidaten der bayerischen Landeskirche und war verpflichtet, sich nach den strengen Vorschriften der Kandidatenordnung230 zu verhalten. Vor seiner praktischen Ausbildung im Vikariat musste er allerdings noch Militärdienst leisten.
6. Militärdienst Für Meiser war die Ableistung des Militärdienstes selbstverständlich. Nach der lutherischen Obrigkeitslehre war Kriegsdienst eine Christenpflicht und es gehörte zu den von Gott gesetzten Aufgaben der Obrigkeit, einen Verteidigungskrieg zu führen231. Zudem hatte Meiser in der Schule gelernt, die Durchsetzung nationaler Interessen mit militärischen Mitteln für legitim zu halten und den Heldentod für das Vaterland als hohes Gut zu betrachten. Damit stand er nicht allein: Unter den deutschen protestantischen Theologen des 19. Jahrhunderts herrschte allgemein die Auffassung, dass „die Wehrpflicht selbstverständliche Bürgerpflicht“232 sei. Darüber hinaus neigte der 225 Vgl. M. Simon, Kirchengeschichte, 652 f.; Seitz, Entwicklungen, 146 f.; und Blessing, Staat, 251–253. 226 Zitate aus dem Hirtenbrief Bezzels vom März 1910, abgedruckt im Jahrbuch für die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Bayerns 11 (1911), 133 f. (Zitat: 134). 227 Vgl. die hsl. Bewertung auf dem oben Kap. I, Anm. 219, erwähnten Original der Predigt, 19. 228 Vgl. die hsl. Liste der Prüfungsfragen im Privatarchiv der Familie Meiser; vgl. auch die im LAELKB, OKM 53 – P0550, überlieferten Klausuren Meisers. 229 Vgl. das „Aufnahmeprüfungs-Zeugnis“ vom 22. 9. 1904 (Privatarchiv Familie Meiser). 230 Vgl. die „Verhaltungsregeln für die protestantischen Predigt- und Pfarramtskandidaten“ vom 27. 2. 1856, die wiederholt überarbeitet wurden; eine neue Druckfassung „Vorschriften für die protestantischen Predigt- und Pfarramtskandidaten in Bayern rechts des Rheins“ erschien allerdings erst 1914 (LAELKB, OKM 0.1.0001-2357). 231 Vgl. Lienemann, Krieg, 1479; H.-R. Reuter, Krieg, 1770; und Schrey, Krieg, 38. 232 Ebd., 43.
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Abb. 6: Hans Meiser während seines Militärdienstes in der königlich-bayerischen Armee, 1904/05
deutsche Protestantismus zu „national-religiöser Verherrlichung und geschichtstheologischer Überhöhung des Krieges“233. Meiser leistete seinen Militärdienst vom 1. Oktober 1904 bis 30. September 233 H.-R. Reuter, Krieg, 1771.
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1905 als „Einjähriger Freiwilliger“ in der königlich-bayerischen Armee bei der 3. Kompanie des 14. Infanterieregiments in Nürnberg234. Dieser Dienst war allerdings nicht freiwillig: In den deutschen Ländern war seit den Befreiungskriegen die allgemeine Wehrpflicht eingeführt worden235, was auch für Bayern galt, wo bei der Heeresreform von 1868 sowohl eine Wehrdienstzeit von drei Jahren als auch der „einjährig-freiwillige Dienst“ eingeführt worden waren. Der einjährige Dienst privilegierte die bürgerlichen Schichten, denn er blieb Wehrpflichtigen vorbehalten, die eine höhere Schulbildung besaßen. Wenn sie sich freiwillig meldeten, wurde nicht nur die Dienstzeit auf ein Jahr verkürzt, sondern sie konnten auch den Dienstantritt bis zum 25. Lebensjahr aussetzen und genossen noch weitere Privilegien236. Davon profitierte auch Meiser. Zum Verlauf seines Dienstes sind keine Quellen überliefert. Dass der Militärdienst mit seinen Überzeugungen im Einklang stand, zeigt aber eine Postkarte, auf der er in patriotischer Euphorie dichtete: „Ja, wir Bayern haben Mut, für das Vaterland vergießen wir den letzten Tropfen Blut.“237 Während er von der Überzeugung, dass ein Christ selbstverständlich Wehrdienst zu leisten habe, nicht mehr abwich, waren solche kriegsverherrlichenden Töne später nicht mehr von ihm zu hören. Meisers militärische Vorgesetzte bescheinigten ihm sehr gute Führung. Er beendete seinen Militärdienst als Unteroffizier und erwarb sich die Befähigung zum Reserveoffiziers-Anwärter238. Einen Monat nach Beendigung des Militärdienstes trat er sein Lehrvikariat an.
7. Vikariat 7.1 Lehrvikar in Weiden in der Oberpfalz Nach dem Militärdienst meldete Meiser sich beim Konsistorium Bayreuth zur Verwendung im kirchlichen Dienst239. Am 1. November 1905 wurde er Lehrvikar in Weiden in der Oberpfalz. Sein Lehrpfarrer war der dortige 1. Pfarrer und Dekan, Kirchenrat August Trenkle, der Meiser als Privatvikar beschäftigte240. Meiser verrichtete in nahezu vollem Umfang Pfarramtstätigkeiten und 234 Vgl. das militärische Führungszeugnis von 30. 9. 1905 (Privatarchiv Familie Meiser); vgl. auch M. Simon, Meiser, 405. 235 Vgl. Schrey, Krieg, 43. 236 Vgl. Bestimmungen, 12–33. 237 Postkarte Meisers an seine Schwester Fanny vom Dezember 1904 (Privatbesitz Michael Renner). 238 Vgl. die Führungszeugnisse vom 30. 9. 1905 und vom 14. 4. 1916; vgl. auch das undatierte „Befähigungs=Zeugnis“ (Privatarchiv Familie Meiser). 239 Vgl. sein Schreiben vom 4. 10. 1905 (LAELKB, KDM 2.2.0004-5389). 240 Vgl. den „Jahresbericht über den Stand des Kirchenwesens in der prot. Pfarrei Weiden für den
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entlastete Trenkle bei Gottesdiensten, im Religionsunterricht und bei Betstunden; außerdem übernahm er Kasualien und unterstützte den Dekan in Verwaltungsangelegenheiten241. Dafür benötigte er allerdings die Ordination242, die das Konsistorium nach einer positiven Beurteilung Trenkles243 kurzfristig genehmigte244. Sie fand am 12. Dezember 1905 in der Hospitalkirche in Bayreuth statt und wurde von Konsistorialrat Hermann Beck vorgenommen245. Meiser bewährte sich im Vikariat hervorragend246. Seine Bekenntnistreue, sein Fleiß und sein tadelloses Benehmen fanden schon bald die Anerkennung des Bayreuther Konsistoriums247 und führten dazu, dass er 1907 ein neu errichtetes exponiertes Vikariat in Hammelburg übernehmen sollte248. Die Berufung zerschlug sich jedoch. Dafür wurde ihm – ohne zuvor das Zweite Theologische Examen abgelegt zu haben249 – ab Juni 1908 für drei Monate die Verwesung der 1. Pfarrstelle in Weiden-Stadt übertragen250, als Trenkle versetzt wurde. Die Beauftragung endete mit der Installation von Trenkles Nachfolger Richard Pfeiffer251, unter dem Meiser nur noch kurze Zeit arbeitete. Trenkle prägte Meiser entscheidend. So brachte er Meiser bei, die katholische Kirche als Gegner zu betrachten, der die protestantische Kirche gefährdete. Die Frontstellung gegen die katholische Kirche war das Ergebnis der konfessionellen Minderheitssituation in Weiden, wo die Katholiken durch die Ansiedlung von Industriebetrieben und den damit verbundenen Zuzug die Bevölkerungsmehrheit stellten. Meiser wurde bewusst, dass konfessionell
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242 243 244 245 246 247 248 249 250 251
Zeitraum vom 1. Januar 1903 bis 31. Dezember 1906, gefertigt vom I. Pfarrer und Dekan A. Trenkle“ vom 31. 7. 1907 (LAELKB, BD Weiden i.d.OPf. 187). Vgl. den hsl. Arbeitsvertrag vom 2. 11. 1905 (Privatarchiv Familie Meiser); außerdem ordnete er gemeinsam mit einem Kollegen die vom Verfall bedrohte Pfarrbibliothek neu (vgl. den oben Kap. I, Anm. 240, erwähnten Jahresbericht; vgl. auch den Bescheid des Konsistoriums Bayreuth vom 24. 10. 1907: LAELKB, PfA Weiden i.d.OPf. 48). Vgl. Meisers Antrag an das Konsistorium Bayreuth vom 23. 11. 1905 (LAELKB, KDM 2.2.00045389). Vgl. das Schreiben Trenkles an das Konsistorium Bayreuth vom 24. 11. 1905 (ebd.). Vgl. den Schriftverkehr zwischen dem Konsistorium Bayreuth und dem Oberkonsistorium (ebd.). Vgl. den Ordinationsschein vom 12. 12. 1905 (Privatarchiv Familie Meiser); das Schreiben des Konsistoriums Bayreuth an das Dekanat Weiden vom 5. 12. 1905 (LAELKB, BD Weiden i.d.OPf. 430); sowie M nchenbach, Meiser, 2. Vgl. die Beurteilungen Trenkles in den Kandidatenverzeichnissen von 1905/06 und 1907 (LAELKB, BD Weiden i.d.OPf. 432). Vgl. das Schreiben des Konsistoriums Bayreuth an das Dekanat Weiden vom 19. 10. 1908 (LAELKB, BD Weiden i.d.OPf. 429). Vgl. das Schreiben des Konsistoriums Bayreuth an das Dekanat Weiden vom 7. 10. 1907 (ebd.). Wie schon das Erste wurde auch Meisers Zweites Theologisches Examen auf seine Bitte hin um ein Jahr verschoben (vgl. das Schreiben des Konsistoriums Ansbach an das Dekanat Weiden vom 19. 3. 1908: LAELKB, BD Weiden i.d.OPf. 431). Vgl. Meisers Personalbogen (LAELKB, KDM 2.2.0004-5389). Vgl. die Unterlagen im LAELKB, BKB 4548/III.
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Abb. 7: Privatvertrag zwischen Hans Meiser und August Trenkle, 1905
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gemischte Ehen aus protestantischer Sicht unerwünscht waren, weil sie die konfessionelle Erziehung der Kinder gefährdeten und zur Konversion protestantischer Elternteile führten. Für Trenkle waren konfessionsverschiedene Ehen ein Übel, von dem allein die katholische Kirche profitierte252. Diese Haltung nahm auch sein Nachfolger Pfeiffer ein253. Die Frontstellung gegen den Katholizismus bestimmte Meisers Tätigkeit in Weiden durchgängig und setzte sich ähnlich auch in Haßfurt und Würzburg fort. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass er gegenüber der katholischen Kirche stets misstrauisch blieb und nicht mehr auf die katholische Konfession seines Vaters angesprochen werden wollte254. Neben der katholischen Kirche lernte Meiser auch die kirchenfeindlichen Sozialisten und Freidenker als Gegner wahrzunehmen, die die protestantische Kirche bedrohten und von den Pfarrern ins Visier zu nehmen waren255. Da die Sozialisten keine besonderen Aktivitäten zeigten, wurde Meiser noch nicht antisozialistisch tätig, gegen die Freidenker ging er aber schon in Weiden vor. Anlass war die Agitation des freireligiösen Redners und Dichters Eugen Wolfsdorf, eines Monisten, der in Weiden mit beträchtlichem Erfolg auftrat. Wolfsdorf war aus der bayerischen Landeskirche ausgetreten256 und wollte einen monistischen Ortsverein ins Leben rufen. Die Monisten forderten u. a. die Trennung von Kirche und Staat257. Meiser trat entschieden gegen Wolfsdorf auf258 und war mit seiner Apologetik erfolgreicher als mancher Weidener Pfarrer259. Zudem lernte er, den Bedrohungen der Kirchenbindung entgegenzutreten, die sich aus den gesellschaftlichen Veränderungen in der Industriegesellschaft ergaben. Trenkle beklagte besonders Sonntagsausflüge, das Vereinswesen und weltliche Vergnügungen, die den Verfall der Sexualmoral beförderten260. In seinen späteren Ämtern versäumte es auch Meiser nicht, die säkulare Kultur, die Auflösung der Sexualmoral und die Entchristlichung der Gesellschaft zu geißeln. Auch seine Ablehnung separatistischer Gemeinschaftsbildungen hatte ihre Wurzeln in Weiden. Trenkle lehnte Veranstaltungen außerhalb der Pfarr- und Gemeindearbeit und besonders die Gemeinschaftsbewegung ab, die sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in einer Reihe von Landeskirchen ausgebreitet hatte261. Er befürchtete, die Gründung einer Ge252 Vgl. den oben Kap. I, Anm. 240, erwähnten Jahresbericht Trenkles. 253 Vgl. Pfeiffers „Jahresbericht über den Stand des Kirchenwesens in der prot. Pfarrei Weiden vom 1. Januar 1907–31. Dezember 1910“ vom März 1911 (LAELKB, BD Weiden i.d.OPf. 188). 254 Vgl. oben Kap. I, Anm. 43. 255 Vgl. die oben Kap. I, Anm. 240 und 253, erwähnten Jahresberichte Trenkles und Pfeiffers. 256 Vgl. Wolfsdorf, Landeskirche. 257 Vgl. Mehlhausen / Dunkel, Monisten. 258 Vgl. Meisers Manuskript „Die menschliche Seele“ vom 22. 11. 1907; vgl. auch sein undatiertes Manuskript „Freidenker“ (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-119). 259 Vgl. den oben Kap. I, Anm. 253, erwähnten Jahresbericht Pfeiffers. 260 Vgl. den oben Kap. I, Anm. 240, erwähnten Jahresbericht Trenkles. 261 Vgl. Cochlovius, Gemeinschaftsbewegung; Geldbach, Gemeinschaftsbewegung.
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meinschaft führe zu Spaltungen und hebele das bestehende Gemeindeleben aus262. Mit ähnlichen Argumenten wandte sich später auch Meiser gegen Gemeinschaftsgründungen und forderte die Stärkung des Zusammenhalts in den Kirchengemeinden. Im Mittelpunkt von Meisers Vikariat stand freilich die Predigt- und Unterrichtstätigkeit. Seine Verkündigung zielte darauf ab, der Gemeinde das Bekenntnis der Kirche einzuschärfen und sie davon abzuhalten, von der kirchlichen Lehre abzuweichen263. Ein Beispiel hierfür ist seine Abschiedspredigt vom 26. November 1908, in der er die Gemeinde ermahnte, am „apostolische[n] Wort“ festzuhalten und sich „davon durch nichts, durch keine Lockung, keine Drohung, durch keine Irrlehre u[nd] keinen Zweifel wieder abbringen [zu] lassen“264. Auch im Religionsunterricht verfolgte er das Ziel, den Schülern das Bekenntnis zu vermitteln, ihre Bindung an die Kirche zu stärken, sie auf kirchliche Moralvorstellungen einzuschwören und abweichende Einflüsse abzuwehren265. So schritt er gegen einen adventistischen266 Schüler ein, der die anderen Schüler beeinflusste, und brachte diese wieder auf Kurs267. Bemerkenswert ist, dass er einen protestantischen Schüler zur Rechenschaft zog, weil dieser das religiöse Empfinden eines jüdischen Mitschülers verletzt hatte268. Dass Meiser seine Gemeinde auf das kirchliche Bekenntnis einschwor, entsprach nicht nur seiner persönlichen Überzeugung, sondern wurde von der Kirchenleitung auch gefordert269. Sie beobachtete seit Ausbruch der Konflikte mit liberalen Pfarrern genau die dogmatische Ausrichtung der Kandidaten; sie überprüfte die Examensarbeiten, ob sie eine ,kirchlich positive‘ oder ,modernistische‘ Einstellung erkennen ließen, und zog Erkundigungen ein, welche Kandidaten des ,Modernismus‘ verdächtig waren270. Meiser war der Kirchenleitung freilich nicht verdächtig. Dass er ganz auf dem Boden der geforderten ,kirchlich positiven‘ Anschauung stand, stellte er in einer wissenschaftlichen Arbeit über „Das Erbe der Reformation“271 unter
262 Vgl. den oben Kap. I, Anm. 240, erwähnten Jahresbericht Trenkles. 263 Vgl. seine Weidener Predigten und Vorträge (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-40 bis 43 [Nr. 403–566]). 264 LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-43 (Nr. 566). 265 Vgl. Meisers Unterrichtsberichte an das Konsistorium Bayreuth vom 13. 7. 1906, 13. 7. 1907, 21. 3. 1908 und 16. 7. 1908 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-260). 266 Zum Adventismus vgl. Pçhler / Reimer, Adventisten. 267 Vgl. den oben Kap. I, Anm. 265, erwähnten Bericht Meisers vom 16. 7. 1908. 268 Vgl. den ebd. erwähnten Bericht Meisers vom 13. 7. 1906. 269 Vgl. die oben Kap. I, Anm. 230, erwähnten „Verhaltungsregeln“ von 1856, 4. 270 Vgl. das Protokoll über die Sitzung des Oberkonsistoriums vom 17. 7. 1909 (LAELKB, OKM 0.1.0001-1825); vgl. auch das Schreiben des Oberkonsistoriums an das Konsistorium Ansbach vom 19. 7. 1909 (LAELKB, OKM 0.1.0001-2354). 271 Diese Arbeit ist datiert auf den 1. 9. 1907 (hsl. Original: LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008218).
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Beweis, die er während des Lehrvikariats vorzulegen hatte272. Diese 150-seitige Arbeit ist die einzige größere theologisch-wissenschaftliche Arbeit, die von Meiser überliefert ist. Sie stellt dogmatisch und ethisch die Summe seiner Theologie dar und ist für das Verständnis seines späteren Denkens und Handelns in kirchenleitenden Ämtern von entscheidender Bedeutung.
Abb. 8: Erste Seite der wissenschaftlichen Hausarbeit („Synodalarbeit“) Hans Meisers „Das Erbe der Reformation“, 1906/07
Meiser vertrat hier die These, dass sich zwar alle theologischen Richtungen „im Besitz des wahren Erbes der Reformation“273 wähnten, die ,moderne‘ Theologie jedoch mit den reformatorischen Lehren unvereinbar sei. Sie biete 272 Vgl. § 7 der oben Kap. I, Anm. 230, erwähnten „Verhaltungsregeln“. 273 Zitat aus der oben Kap. I, Anm. 271, erwähnten wissenschaftlichen Arbeit, 1.
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nur einen kritisch reduzierten Luther und meine, dass dessen Lehren in der Gegenwart fortbildungsbedürftig seien. Demgegenüber seien die Verfechter „der altgläubigen positiven Theologie“ der Auffassung, „daß die Reformation etwas wesentlich Fertiges, in sich Abgeschlossenes darstelle, u[nd] daß es unsere Aufgabe sei im Kampfe der Gegenwart den Besitz an Erkenntnissen, welchen d[ie] Reformation neu erworben oder von der alten Kirche übernommen hat, möglichst unverkürzt zu erhalten“274.
Um dies zu begründen, erarbeitete Meiser im ersten Teil der Arbeit „Das geschichtliche Erbe“ zunächst ein „System zentraler Gedanken“275, das für die Reformatoren grundlegend gewesen sei und von jedem anerkannt werden müsse, der für sich in Anspruch nehme, in der Tradition der Reformation zu stehen. Im zweiten Teil über „Die moderne Theologie“ konfrontierte er die von ihm als grundlegend bewerteten reformatorischen Lehren dann mit der theologischen Entwicklung vom Rationalismus276 bis hin zur liberalen Theologie. Im dritten Teil, der aus Zeitmangel fragmentarisch blieb277, bemühte er sich schließlich um eine „Würdigung der modernen Theologie“, die freilich vernichtend ausfiel. Meisers Intention war es, die Lehren der „modernen“ Theologie als „unrechtmäßig nachzuweisen“, damit der „überlieferte Bestand“ evangelischlutherischer Dogmatik als „allgemeine Wahrheit in Geltung […] bleiben“ konnte278. Sein Hauptgegner waren die liberalen theologischen Positionen des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts279. Diese Frontstellung bestimmte bereits den ersten Teil der Arbeit: Hier postulierte er, die reformatorischen Lehren von der Erbsünde, der Versöhnung, der Rechtfertigung und der Schrift, das reformatorische Kirchen- und Sakramentsverständnis sowie die Grundlagen reformatorischer Ethik280 seien eine „übergeschichtliche allgemein giltige [sic!] Wahrheit“281, der sich die Kirche, das religiöse Individuum und die theologische Wissenschaft bedingungslos zu unterwerfen hätten. Für Meisers späteres Verhalten ist besonders seine Darstellung der lutherischen Ethik aufschlussreich. Hier führte er aus, bei Luther folge „alle Sittlichkeit“ ausschließlich „aus der Religion“282. Luthers Ethik sei absolut theonom, denn sie habe den Menschen an ein von Gott gestiftetes Sittengesetz 274 275 276 277 278 279 280
Zitate: ebd., 2. Ebd., 3. Vgl. oben Kap. I, Anm. 73. Vgl. die oben Kap. I, Anm. 271, erwähnte wissenschaftliche Arbeit, 149. Zitate: ebd., 4. Vgl. Graf, Liberale Theologie, 312. In seiner Darstellung stützte Meiser sich im Wesentlichen auf Luther selbst; außerdem zog er auch den 1899 posthum erschienenen dritten Band „Reformation und Gegenreformation“ des vom Kieler Kirchenhistoriker Wilhelm Möller (vgl. Kawerau, Möller) verfassten Lehrbuchs der Kirchengeschichte heran. 281 Zitat aus der oben Kap. I, Anm. 271, erwähnten wissenschaftlichen Arbeit, 3. 282 Zitate: ebd., 60.
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gebunden, das für jedes Individuum und zu allen Zeiten gelte. Das ethische Handeln vollziehe sich zwar innerhalb der „Ordnungen des natürlichen Lebens“283, aber auch diese Ordnungen „wie Staat, Eigentum, Krieg, Zwang [und] das ganze Kulturleben“284 seien Ordnungen Gottes, die keinem Selbstzweck dienten, sondern auf Religion basierten. Daraus zog Meiser den Schluss, die Reformation stehe im Gegensatz zu jedem Subjektivismus, Liberalismus und „revolutionären Sozialismus“; sie gebiete vielmehr „einen christl[ichen] Konservativismus“, der zwar die Gleichheit aller Menschen anerkenne, „aber den sozialen Ausgleich nur in den Schranken der […] natürlichen Lebensordnungen u[nd] mit ethisch berechtigten Mitteln herzustellen sucht“285. Meisers Darstellung der lutherischen Ethik folgte – von der Unterwerfung des Subjekts unter zeitlose göttliche Gesetze über die theologische Überhöhung vorfindlicher politischer, gesellschaftlicher und sozialer Ordnungen bis hin zur fehlenden Unterscheidung von Religion und Politik sowie der Ablehnung jeder Eigengesetzlichkeit des Rechts – den Mustern der im deutschen Protestantismus des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts und besonders im Luthertum dominierenden evangelischen Ethik286. Diese Ethik führte zur „theologische[n] Überlegitimierung des Staates“287 als Ordnung Gottes und stand später der Herausbildung einer Fundamentalopposition zum NS-Staat entgegen. Im zweiten Teil der Arbeit rechnete Meiser mit der ,modernen‘ Theologie ab. Den Ursprung allen Übels sah er in der Aufklärung, die zur „Emanzipation des Subjekts […] von jeder Autorität“ geführt habe. Unter dem Einfluss der Aufklärung sei es in der Theologie zum Rationalismus gekommen, der „dem menschl[ichen] Subject“ ebenfalls „eine herrschende Stellung“ verschafft und die Vernunft „zum obersten Prinzip“ über Schrift, Kirche und Offenbarung erhoben habe; zudem habe der Rationalismus „die Moral der Religion voran[gestellt]“288. Damit sei ein Tiefpunkt erreicht gewesen, dem weder die lutherische Orthodoxie289 noch Pietismus290 und Supranaturalismus291 etwas entgegenzusetzen gehabt hätten. Demgegenüber sah Meiser in Immanuel Kants Kritik der reinen Vernunft292 einen Fortschritt, kritisierte aber, auch bei Kant stehe die Moral vor der Religion. An der spekulativen Philosophie Hegels293 hob er positiv hervor, dass 283 284 285 286 287 288 289 290 291 292 293
Ebd., 63. Ebd., 64. Zitate: ebd., 67 f. Vgl. Anselm, Verbrechen, 32–36. Ebd., 38. Alle Zitate aus der oben Kap. I, Anm. 271, erwähnten wissenschaftlichen Arbeit, 74 f. Vgl. Wallmann, Orthodoxie. Vgl. Wallmann, Pietismus; Brecht, Pietismus. Vgl. Hinfurtner, Supranaturalismus; Weinhardt, Supranaturalismus. Vgl. Graf / Tanner, Philosophie; Recki, Kant. Vgl. Jaeschke, Hegel; J. Simon, Hegel.
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die Person Jesu wieder religiöse Schätzung erfahre, meinte jedoch, Hegel könne die christliche Wahrheit nicht erfassen. Als wegweisenden Schritt zurück zur Reformation hingegen betrachtete er Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher294, weil dieser „die Person u[nd] Geschichte Jesu Christi […] wieder in den Mittelpunkt gestellt“295 habe. Auf Schleiermacher sei dann eine neue ,positive‘ Theologie gefolgt, als deren Höhepunkt Meiser die Erlanger Schule betrachtete296. Zugleich habe sich jedoch die ,moderne‘ Theologie entwickelt, für die Meiser vor allem David Friedrich Strauss297 und die Tübinger Schule Ferdinand Christian Baurs298 verantwortlich machte. Besonders empörte ihn die Anwendung historischer Methoden auf die Bibel, weil sich die Theologie damit dem Zeitgeist unterwerfe und „die Methoden ihrer Forschung“299 vorschreiben lasse. Für den eigentlichen Begründer der ,modernen‘ Theologie hielt Meiser den Göttinger Professor für Dogmatik und Kirchen- und Dogmengeschichte Albrecht Ritschl300, dem er vorwarf, seine erkenntnistheoretische Position habe „jeder Art von theologischem Nihilismus Tür u[nd] Tor“301 geöffnet. Noch schärfer verurteilte Meiser Ritschls Nachfolger, die „nackte[n] Historizismus“302 pflegten und das Christentum an Individualismus, Subjektivismus und Evolutionismus auslieferten. Besonders harsch ging er mit Harnack ins Gericht, bei dem sich „der heilige u[nd] gerechte Gott vollständig in den Gott der Liebe u[nd] Gnade“303 verliere. Während Luther unter Offenbarung „eine übernatürliche persönliche Selbstbekundung Gottes […] im Verlauf einer von allem übrigen Geschehen sich spezifisch unterscheidenden Geschichte“ verstanden habe, sei es Harnack unmöglich, „das Wunder der Heilsgeschichte anzunehmen“, weil die „evolutionistisch denkende linksliberale Theologie“ keine Wunder kenne304. Wo aber alle Wunder fielen, da falle auch die metaphysische Gottessohnschaft Christi. Umso mehr wende sich die „moderne“ Theologie der menschlichen Seite Jesu zu, betone seine ethische Vorbildlichkeit und bemühe sich darum, sein irdisches Leben nachzuzeichnen. Dabei würden freilich die „biblischen Geschichtstatsachen kritisch aufgelöst“305. Für Harnack sei die Bibel nur eine Geschichtsurkunde neben anderen, womit sich ein „Haltmachen vor der 294 295 296 297 298 299 300 301 302 303 304 305
Vgl. Lehnerer, Individualität; J ngel, Schleiermacher. Zitat aus der oben Kap. I, Anm. 271, erwähnten wissenschaftlichen Arbeit, 79. Vgl. ebd., 81. Vgl. Graf, Strauß; Kienzler, Strauss. Vgl. Kçpf, Baur; Scholder, Baur. Zitat aus der oben Kap. I, Anm. 271, erwähnten wissenschaftlichen Arbeit, 85. Zu ihm vgl. Zelger, Gemeindetheologie; Herms, Ritschl; und R. Sch fer, Ritschl. Zitat aus der oben Kap. I, Anm. 271, erwähnten wissenschaftlichen Arbeit, 94. Ebd., 110. Ebd., 116. Zitate: ebd., 117 f. Ebd., 121.
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Schriftwahrheit, ein sich Beugen unter dieselbe“ erübrige und stattdessen das einzelne Subjekt „zur Autorität über die Schrift erhoben“ werde. Mit der Auflösung aller „festen objektiven Inhalt[e] des Glaubens“ aber seien die reformatorische Rechtfertigungslehre, die Kirche als Heilsanstalt und das kirchliche Bekenntnis beseitigt306. Den Höhepunkt der negativen Entwicklung sah Meiser in der religionsgeschichtlichen Schule und ihrem prominentesten Vertreter, dem Heidelberger Systematiker Ernst Troeltsch307. Sie stand für ihn in vollem Gegensatz zur „supranaturalen Auffassung des Christentums“308. Meiser stieß sich vor allem daran, dass diese Schule die Absolutheit des Christentums bestritt, insofern sie das Christentum nicht als höchste Religion, sondern nur als „die bisher erreichte höchste Stufe“309 der Religion betrachtete. Dies war für ihn der schlagende Beweis, dass „mit den Mitteln historischer Erkenntnis die Konstruktion des Christentums als absoluter Religion einfach unmöglich ist“310. Für Meiser hatte Troeltsch an die Stelle des Erbes der Reformation „eine moderne Bildungsreligion u[nd] eine moderne Kulturethik“311 gesetzt, in der das altkirchliche Trinitätsdogma, der reformatorische Kirchen- und Sakramentsbegriff, das Schriftprinzip und der Erlösungsbegriff restlos zerstört seien. Im Schlussteil seiner Arbeit gestand er seinen theologischen Gegnern zwar noch einige Verdienste zu, dokumentierte ansonsten aber nur nochmals seine Ablehnung: Die ,moderne‘ Theologie, so resümierte er, werde der „geschichtl[ichen] Tatsächlichkeit“ nicht gerecht, die in Christus gegeben sei, denn die „Tatsachen“ seiner Sündlosigkeit, Auferstehung und Himmelfahrt seien nur durch eine „Vergewaltigung der Geschichte“ wegzuleugnen312. An der Frage aber, „wie dünket euch um Christo, wes Sohn ist er?“, komme „die ganze moderne Theologie zu Fall […], wie sich die Reformation an der richtigen Beantwortung dieser Frage siegreich erhoben“ habe313. Die außerordentliche Schärfe, mit der Meiser die ,moderne‘ Theologie verurteilte, macht deutlich, dass er nicht nur Bewertungen seiner Erlanger theologischen Lehrer wiedergab, sondern auch persönlich stark involviert war. Für ihn ging es hier nicht um akademische Diskussionen, sondern um letzte religiöse Wahrheiten. Meisers Wahrheiten trugen freilich zutiefst antimoderne Züge, denn eine wie auch immer geartete Form von Autonomie gestand er weder Individuum und Gesellschaft noch Staat und Kirche zu.
306 307 308 309 310 311 312 313
Zitate: ebd., 123 f. Zu ihm vgl. T. Rendtorff, Troeltsch; Graf, Troeltsch. Zitat aus der oben Kap. I, Anm. 271, erwähnten wissenschaftlichen Arbeit, 142. Ebd., 139. Ebd., 142. Ebd., 146. Zitate: ebd., 152. Zitate: ebd., 153.
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Denkbar war für ihn vielmehr nur ein Gemeinwesen, das sich in allen Bereichen auf ein dogmatisch verstandenes reformatorisches Christentum stützte. Letzteres erstrebten allerdings auch die ,Modernen‘: Nicht weniger als die ,Kirchlich-Positiven‘ zielten sie auf eine „Synthese der reformatorischen Tradition mit der Kulturnation“, beanspruchten die kulturelle Führungsposition und wollten den Protestantismus als Leitkultur durchsetzen314. Dabei sahen sich beide Gruppen mit der Pluralisierung des Kulturverständnisses in Wissenschaft, Bildung und Weltanschauungsbewegungen und dem wachsenden Einfluss konkurrierender Modelle für die Weltdeutung und -bewältigung konfrontiert. Uneinig waren sie sich aber in der Frage, wie die reformatorische Tradition mit der Kulturnation zu vermitteln sei. Während konservative Theologen die traditionelle kirchliche Dogmatik um der Anschlussfähigkeit an wissenschaftlich-technische Fortschritte nicht preisgeben wollten, hielten die Liberalen eine „Modernisierung des Protestantismus“315 für zwingend erforderlich, wenn der Anschluss an die Kultur nicht verloren gehen sollte. Dass auch Meiser Protestantismus und deutschen Nationalstaat verbinden wollte und für die Protestanten die kulturelle Führungsposition beanspruchte, zeigt besonders sein Vortrag „Deutschlands Wiedergeburt in den Jahren 1806–1813“ vom 28. Oktober 1906316. Anlass war das 100-jährige Jubiläum der Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt317. Die im Titel des Vortrags genannten Jahreszahlen markieren das Ende des Alten Reiches318, den Beginn der Befreiungskriege und die Niederlage Napoleons in der Völkerschlacht bei Leipzig319. Meiser behandelte hier einen Zeitraum, in dem in Deutschland der „Wille zur Nation und zum Nationalstaat“320 aufgebrochen war. Der Vortrag strotzte zwar vor nationalem Pathos, den Fokus richtete er jedoch auf die „sittl[ich-]relig[iöse] Wiedergeburt des Volkes“321, denn es ging ihm vor allem darum, den Anteil des Protestantismus an „Deutschlands Wiedergeburt“ herauszuarbeiten. Ähnlich wie in seiner wissenschaftlichen Arbeit stellte Meiser zunächst die philosophisch-theologische Entwicklung dar und deutete den Rationalismus als Tiefpunkt, in dessen Folge das religiöse Leben erstorben sei. Die Niederlage gegen Napoleon war für ihn die verdiente Konsequenz der Entchristlichung. Umgekehrt führte er „Deutschlands Wiedergeburt“ auf die Wiederbelebung der Religion zurück, musste allerdings zugestehen, dass Religion nicht am Anfang dieser „Wiedergeburt“ gestanden hatte. Vielmehr sei es, so meinte er, 314 315 316 317 318 319 320 321
Vgl. Nowak, Geschichte, 161–163 (Zitat: 161). Ebd. Hsl. Original des Vortrags: LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-41. Vgl. Nipperdey, Geschichte 1800–1866, 15. Vgl. ebd., 14. Vgl. ebd., 87; Mçller, Fürstenstaat, 633–644. Vgl. Nipperdey, Geschichte 1800–1866, 11–101 (Zitat: 30). Zitat aus dem oben Kap. I, Anm. 316, erwähnten Vortrag.
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zunächst zu einer Wiederherstellung des sittlichen Pflichtbewusstseins gekommen. Zur Erneuerung des sittlichen Bewusstseins sei dann die Neubelebung des christlichen Glaubens hinzugetreten. Dies sei vor allem Schleiermacher zu verdanken, der deutlich gemacht habe, dass Religion nicht ein System von Glaubenssätzen, sondern „eine lebendige Beziehung zu Gott“322 sei. Nachdem sich das Neuerwachen des christlichen Glaubens mit dem deutschen Patriotismus verbunden habe, sei es schließlich zu einer neuen Kirchlichkeit gekommen. Während Meiser die Neubelebung der christlichen Religion und nicht weniger die Verbindung von Protestantismus und deutschem Nationalismus guthieß, forderte die Wiederbelebung der Kirchlichkeit seine Kritik heraus, denn diese war mit der 1817 erfolgten Gründung der preußischen Unionskirche verbunden, bei der lutherische und reformierte Gemeinden in einer Kirche vereint worden waren323. Die Union betrachtete er als fatale Fehlentwicklung. Dementsprechend mündete sein Vortrag in die Feststellung, dass es Aufgabe der gegenwärtig Lebenden sei, gegen die konfessionelle „Gleichmacherei“ in der Union mobil zu machen – eine Aufgabe, die er als Landesbischof später zu einem seiner Hauptanliegen machte. 7.2 Exponierter Vikar in Haßfurt Nachdem Meiser sich in seinem Lehrvikariat in Weiden „trefflich bewährt“324 hatte, wurde er vom Bayreuther Konsistorium auf das neu errichtete exponierte Vikariat Haßfurt325 berufen. Am 1. Dezember 1908 nahm er die Arbeit in Haßfurt auf326. Die neue Stelle war Aufstieg und Herausforderung zugleich: Nach dem Lehrvikariat führte er das exponierte Vikariat – wenn auch unter Aufsicht des Pfarrers von Unterhohenried327 – selbstständig; allerdings erwartete ihn hier echte Pionierarbeit, denn die Gemeinde musste erst aufgebaut werden. Zudem war Haßfurt eine heterogen zusammengesetzte Diasporagemeinde. Darüber hinaus befand sich die Gemeinde in Finanznöten. Vor allem
322 Ebd. 323 Vgl. N ssel, Unionen, 750; Stiewe, Unionen, 326; sowie Geschichte, Bd. 1–2. 324 Schreiben des Konsistoriums Bayreuth an das Oberkonsistorium vom 24. 10. 1908 (LAELKB, OKM 0.1.0001-4227). 325 Dieses Vikariat gehörte zur Pfarrei Unterhohenried im Dekanat Rügheim (vgl. das Schreiben des Pfarramts Unterhohenried an das Konsistorium Bayreuth von 10./13. 9. 1908: LAELKB, BKB 3358). 326 Vgl. das Schreiben des Rügheimer Dekans an das Konsistorium Bayreuth vom 3. 12. 1908 (ebd.). 327 Vgl. § 4 der „Dienstesanweisung für den exponierten protestantischen Vikar zu Haßfurt“ vom 21. 10. 1908 (LAELKB, OKM 0.1.0001-4227).
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aber musste Meiser zahlreiche Probleme aus dem Weg räumen, die dem Aufbau des Gemeindelebens im Weg standen328. Seine Arbeitsbelastung war hoch: Ihm oblagen sämtliche Gottesdienste329, Betstunden, Christenlehre330 und Konfirmanden- sowie Präparandenunterricht, allgemeine Seelsorge, Krankenhausseelsorge und die Durchführung der Kasualien. Daneben hatte er den Vorsitz in Kirchenvorstand und Kirchenverwaltung, war Mitglied im Armenpflegschaftsrat und Vorstand des Kirchbauvereins. Hinzu kamen noch der Aufbau der Gemeindeverwaltung sowie der Religionsunterricht331. Dass es in der Dienstanweisung hieß, er solle „gegenüber der katholischen Kirche […] den Rechten der evangelischen Kirche nichts zu vergeben beflissen sein“332, zeigt, dass das Verhältnis zur katholischen Kirche seinen Dienst in Haßfurt noch stärker dominierte als bisher. Beim Gemeindeaufbau war Meiser sehr erfolgreich. Er setzte die Interessen der Kirchengemeinde bei der politischen Gemeinde durch, baute Verwaltungsstrukturen auf und gewann neue Gemeindeglieder. Zudem sanierte er die Gemeindefinanzen333. Schon nach vier Monaten im Amt hatte er sich das Vertrauen des Rügheimer Dekans Georg Diegritz erworben und erhielt von diesem eine glänzende Beurteilung334. Diegritz hob besonders eine Fähigkeit hervor, die für Meiser in seinem späteren Amt als Landesbischof entscheidend wurde: Es gelang ihm, Gemeindeglieder verschiedenster Schichten zum aktiven Einsatz für die Kirche zu mobilisieren. Bei den Gemeindegliedern war er so beliebt, dass sie das Konsistorium Bayreuth baten, ihn in Haßfurt zu belassen335, als er vorzeitig nach Würzburg abberufen wurde336. Seine Haßfurter Verkündigung blieb auf der in Weiden eingeschlagenen Linie. So war ihm besonders daran gelegen, ein religiös begründetes Wertesystem zu vermitteln, das auf die Eingrenzung des Individuums durch von 328 Vgl. das Schreiben des Kirchenvorstands und der Kirchenverwaltung Haßfurt an das Konsistorium Bayreuth vom 18. 11. 1909 (LAELKB, BKB 3358). 329 Dafür verfasste Meiser ca. 50 neue Predigten (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-43 und 44 [Nr. 567–615]). 330 Bei der Christenlehre handelte es sich um einen verpflichtenden sonntäglichen Unterricht vor allem für die konfirmierte Jugend (vgl. Kothmann, Religionsunterricht, 380 f.). 331 Vgl. die oben Kap. I, Anm. 327, erwähnte Dienstanweisung. 332 Ebd. 333 Vgl. den „Jahresbericht über den Stand des Kirchenwesens in der prot. Filialkirchengemeinde Haßfurt für den Zeitraum vom 1. Januar 1907 bis 31. Dezember 1910“ vom Februar 1911; vgl. auch den „Jahresbericht über den Stand des Kirchenwesens in der Pfarrei Unterhohenried für den Zeitraum vom 1. Januar 1907 bis 31. Dezember 1910“ vom Januar 1911 (LAELKB, BD Rügheim 181). 334 Vgl. das Dienstzeugnis Diegritz’ vom 4. 3. 1909 (LAELKB, OKM 53 – P0882); vgl. auch die undatierte Beurteilung in der „Liste der Kandidaten im Dekanatsbezirk Rügheim“ von 1909 (LAELKB, BD Rügheim 372). 335 Vgl. das Schreiben des Kirchenvorstands und der Kirchenverwaltung Haßfurt vom 18. 11. 1909 (LAELKB, BKB 3358). 336 Vgl. das Schreiben des Konsistoriums Bayreuth an das Oberkonsistorium vom 22. 10. 1909 (LAELKB, OKM 0.1.0001-5245).
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Gott gesetzte Ordnungen zielte. Ein Beispiel hierfür ist seine Christenlehre. Dabei widmete er sich u. a. der Darstellung der sog. Haustafel, die – zurückgehend auf die neutestamentlichen Haustafeln337 – seit Luther zum traditionellen Lehrbestand der evangelischen Katechese gehörte338. Die Haustafel basierte auf einer ständisch geordneten Gesellschaft und enthielt Anweisungen dafür, wie sich die einzelnen Stände nach Gottes Willen verhalten sollten. Die Beziehung zwischen den Ständen beschrieb Meiser durchgängig als ein Verhältnis von Autorität und Unterordnung. Gemeindeglieder sollten ihren Pfarrern, Untertanen der Obrigkeit, Ehefrauen den Ehemännern, Kinder den Eltern und Dienstboten ihren Herrschaften gehorsam sein. Hinzu kamen noch zahlreiche spezielle Pflichten, die die einzelnen Stände zu erfüllen hatten: So sollten z. B. Ehefrauen im Haus und bei der Familie bleiben und Untertanen der Obrigkeit Steuern entrichten sowie im Kriegsfall Leib und Leben einsetzen. Vehement sprach Meiser sich gegen solche Kräfte aus, die die soziale Ordnung verändern wollten, und postulierte die prinzipielle Unwandelbarkeit der ständisch geordneten Gesellschaft, weil diese von Gott gestiftet sei339. Dabei stand er in einer sozialethischen Tradition, die für das christliche Abendland und auch für die Kirchen der Reformation charakteristisch war340. Dazu gehörte neben der ständischen Sozialordnung auch „der Gedanke der Harmonie durch Ungleichheit“, nach dem ein Gemeinwesen nur dann in Frieden leben kann, „wenn es in Familie, Staat und Kirche geordnet – und das heißt in einer die unterschiedlichen Hierarchieebenen genau einhaltenden Art und Weise – zugeht“341. Als Reaktion auf die beginnende Moderne hatte sich damit noch das Schöpfungsdenken verbunden, nach dem die ständische Gesellschaft, die Verhaltensregeln für die Stände und die soziale Ungleichheit dem Schöpfungswillen Gottes entsprachen. In Folge dieser „theologischen Überlegitimierung“342 der gegebenen politisch-gesellschaftlichen Ordnung als göttliche Ordnung betätigten sich die Geistlichen im 19. und weit bis in das 20. Jahrhundert hinein als Hüter der bestehenden Herrschafts- und Sozialstrukturen und bekämpften deren Veränderung. Dafür ist Meisers Ansprache zum 88. Geburtstag von Prinzregent Luitpold vom 12. März 1909343 ein herausragendes Beispiel. Die bayerische Monarchie befand sich zu diesem Zeitpunkt in einem Erosionsprozess, der bereits in den 1890er Jahren eingesetzt hatte344. Aufgrund krisenhafter wirtschaftlicher und sozialer Veränderungen war in der Bevölkerung das Bewusstsein gewachsen, 337 338 339 340 341 342 343 344
Vgl. Gielen, Tradition; Woyke, Haustafeln. Vgl. Bekenntnisschriften, 523–527. Vgl. seine undatierten Unterrichtsvorbereitungen im LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-117. Vgl. dazu und zum Folgenden Anselm, Verbrechen, 34–36. Zitate: ebd., 34. Ebd., 36. Hsl. Original der Ansprache: LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-43 (Nr. 582). Vgl. dazu und zum Folgenden Mçckl, Prinzregentenzeit, bes. 549–559; vgl. auch Weigand / Zedler / Schuller, Prinzregentenzeit.
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dass die bestehende politische Ordnung austauschbar war. Deshalb sah die „nationalliberal-protestantisch-bürgerliche Führungsschicht“345 ihre Position bedroht und setzte alles daran, dass Luitpolds Popularität erhalten blieb und ebenso sein „Nimbus, für das ganze Volk da zu sein“346.
Abb. 9: Manuskript Hans Meisers für seine Ansprache zum Geburtstag von Prinzregent Luitpold (Auszug), 1909
Diesen Nimbus bediente auch Meiser. Er bezeichnete Luitpold als vorbildlichen, gerechten Regenten, der die Gegensätze im Volk versöhne und ein Garant für die Abwehr von Angriffen auf die gottgewollte Ordnung sei. Zugleich betonte er, dass die Pflicht zu Gebet, Fürbitte und Danksagung nicht nur für einen guten, sondern auch für einen schlechten Herrscher gelte, denn auch dieser sei Träger der von Gott eingesetzten Obrigkeit. Da Meiser deutlich vor Augen stand, dass die politische Ordnung bedroht war, forderte er die Gemeindeglieder dazu auf, sich für das Königtum einzusetzen, notfalls auch unter Einsatz ihres eigenen Lebens. Dies sollte besonders in Zeiten gelten, in denen Kräfte am Werk seien, die „die Treue der Untertanen […] untergraben“ wollten. Wenn diese Kräfte – gemeint waren die Sozialdemokraten – dem Volk einredeten, „es sei sein eigener König“, so müsse die Gemeinde daran festhalten, dass nach Gottes Ordnung dem „Fürsten das Herrschen“ zustehe, während die Untertanen zum Gehorsam verpflichtet seien347. 345 Mçckl, Prinzregentenzeit, 552. 346 Ebd., 559. 347 Zitate aus der oben Kap. I, Anm. 343, erwähnten Ansprache.
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Die von Meiser vertretene Obrigkeitslehre enthielt allerdings auch kritisches Potential. Dieses Potential richtete sich freilich nicht gegen die Ordnung selbst, sondern entfaltete sich nur dort, wo Staat und Gesellschaft sich selbst und ihre Werte verabsolutierten oder antichristlich bzw. antikirchlich agierten. Dies zeigte sich in Meisers Probepredigt für das Zweite Theologische Examen348, auf das er sich in Haßfurt vorbereitete. Drei Monate nach seinem Amtsantritt beantragte er die Zulassung349 und wurde daraufhin zur Prüfung vorgeladen, die vom 27. Juni bis 3. Juli 1909 in Ansbach stattfand350. In seiner Predigt nahm Meiser zentrale Werte des wilhelminischen Kaiserreichs ins Visier, nämlich die Verehrung heroischer Gestalten aus Politik, Militär, Religion, Literatur, Kunst und Wissenschaft, die sich im 19. Jahrhundert nicht nur in Deutschland, sondern europaweit verbreitet hatte. Sie diente der Selbstvergewisserung der Nation über ihre Werte, beförderte den Nationalstolz und sollte dazu anregen, den großen Vorbildern nachzueifern351. Angesichts des Heldenkults empörte Meiser sich über die Verachtung Christi durch kirchenfeindliche Kräfte und wetterte gegen Versuche in Theologie und Kirche, die christliche Religion von Christus zu lösen, um „eine reine Menschheitsreligion“352 zu schaffen. Hier sah er menschliche Selbstüberhöhung am Werk. Dagegen zielte seine Predigt darauf ab, Christus als den „Höchste[n] von allen“353 zu erweisen. Dazu fuhr er von den Heilstatsachen bis zur persönlichen Heilsgewissheit einmal mehr das theologische Arsenal der Erlanger Schule auf. So führte er die Auferstehung ins Feld, die niemand außer Christus widerfahren sei und seine Gottessohnschaft beweise. Zudem sollte auch die Geschichte belegen, dass niemand an Bedeutung und Einfluss mit Christus vergleichbar sei: Während der Abfall von Christus zu Niedergang und Verfall geführt habe, habe sich dort, wo auf ihn gebaut worden sei, stets gezeigt, dass „er die Kraft der Völker ist“354. Den alles entscheidenden Punkt aber sah Meiser in der Sündenvergebung: Für ihn litten alle Menschen unter dem Bewusstsein der Sünde, wovon niemand außer Christus Erlösung bringen könne. Indem Meiser Christus mit den Mitteln der Erlanger Theologie als den „Höchsten von allen“ erwies, relativierte er – von der Verehrung nationaler Helden bis hin zum Glauben an die Erkenntnisse moderner Wissenschaft – zentrale Elemente des zeitgenössischen Wertekanons. Seine Kritik entzündete sich allerdings nicht an den Werten selbst, sondern lediglich an deren Überhöhung zu Werten von Ewigkeitsrang. Dahinter stand die Furcht, dass sich die 348 Hsl. Original der Predigt: LAELKB, OKM 53 – P0882. 349 Vgl. das Schreiben Meisers an das Königliche Konsistorium vom 3. 3. 1909 (ebd.). 350 Vgl. das Schreiben des Konsistoriums Ansbach vom 22. 3. 1909 an das Dekanat Rügheim (LAELKB, BD Rügheim 365). 351 Vgl. Maizuradse, Pantheon, bes. 148. 352 Zitat aus der oben Kap. I, Anm. 348, erwähnten Predigt, 15. 353 Ebd., 2. 354 Ebd.
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Gesellschaft über ein von Christus losgelöstes, säkulares Wertesystem von Glauben und Kirche emanzipierte. Die Predigt fand bei Meisers Prüfern großen Anklang355. Auch seine sonstigen Prüfungsleistungen356 wurden sehr gut bewertet357. Bravourös fiel auch das Urteil seiner vorgesetzten Dienstbehörde über seine Leistungen in Haßfurt aus, das er auf Wunsch der Kirchenleitung bereits nach etwas mehr als einem Jahr wieder verließ358. Damit war Meiser aus Sicht der Kirchenleitung reif für den nächsten Aufstieg und dafür geeignet, nun auch schwierigere Aufgaben zu übernehmen. Genau dies war in seinem neuen Amt in Würzburg der Fall. 7.3 Stadtvikar in Würzburg In Würzburg erwartete Meiser eine verfahrene kirchliche Situation. Zwischen dem dortigen Dekan Johann Friedrich Pachelbel, einem Teil der Stadtpfarrer und Mitgliedern des Kirchenvorstands bestanden bereits seit längerem Zerwürfnisse, die große Unruhe in der Bevölkerung auslösten. Ursache war ein Streit zwischen Pachelbel und dem Würzburger Pfarrer Theodor Pürckhauer, die sich gegenseitig Diffamierung und Verleumdung vorwarfen359. Als Präsident Bezzel im Herbst 1909 einen Vermittlungsversuch plante360, stand gerade die Entscheidung über die Neubesetzung der Stelle des 1. Stadtvikars an. Angesichts der zerrütteten kirchlichen Verhältnisse in Würzburg hielt das Bayreuther Konsistorium außer Meiser keinen anderen Kandidaten dafür geeignet, die Stelle zu übernehmen361. Ende Oktober 1909 beförderte ihn das Oberkonsistorium auf die Stelle des 1. Stadtvikars362, die er zum 1. Februar 1910 antrat363. Meiser hielt in Würzburg Gottesdienste an St. Stephan und St. Johannis, unterrichtete an zwei Schulen, vertrat verhinderte Pfarrer bei Kasualien und betreute als Seelsorger den Stadtbezirk Grombühl364. Dabei ließ er sich weder
355 356 357 358 359 360 361 362 363 364
Vgl. die Beurteilung auf dem Original der oben Kap. I, Anm. 348, erwähnten Probepredigt, 28. Vgl. die Klausuren und Prüfungsunterlagen (LAELKB, OKM 53 – P0882). Das „Generalurteil“ vom 3. 7. 1909 bewertete seine Leistungen als „vorzüglich nahe“ (ebd.). Vgl. das Schreiben des Konsistoriums Bayreuth an das „Dekanat Rügheim u[nd] Würzburg“ über die Dekanatsvisitation Rügheim 1910 vom 11. 6. 1910 (Privatarchiv Familie Meiser). Vgl. die Unterlagen im LAELKB, KDA 2.2.0001-5674 und 5675; LAELKB, LKR 0.2.0003-52238. Vgl. das Sitzungsprotokoll des Oberkonsistoriums vom 13. 10. 1909 (LAELKB, OKM 0.1.00011825). Vgl. das Schreiben des Konsistoriums Bayreuth an das Oberkonsistorium vom 22. 10. 1909 (LAELKB, OKM 0.1.0001-5245). Vgl. das Schreiben Bezzels an das Konsistorium Bayreuth vom 30. 10. 1909 (ebd.). Vgl. das Schreiben des Konsistoriums Bayreuth an das Dekanat Würzburg vom 2. 11. 1909 (LAELKB, KDM 2.2.0004-5389). Vgl. die „Dienstesanweisung für den I. prot[estantischen] Stadtvikar in Würzburg“ vom
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von der Spaltung der Würzburger Pfarrer noch durch den Konflikt zwischen ,modernen‘ und ,kirchlich-positiven‘ Kräften beirren, der gerade seinen Höhepunkt erreichte365 und einen weiteren Keil in die Würzburger Pfarrerschaft trieb. Anstatt die Polarisierung noch weiter voranzutreiben, wirkte Meiser ausgleichend366 und gewann sogar die Achtung von Kollegen, die sich der ,modernen‘ Theologie verschrieben hatten367. Unbeirrt von den persönlichen und theologischen Konflikten verfolgte er sein Ziel, in Predigt368, Unterricht369 und Seelsorge das „unverfälschte“, die „Seelen tröstende und erziehende Evangelium“ zu verkünden370. Sein theologischer Ansatz blieb unverändert. So blendete er im Religionsunterricht die historisch-kritische Exegese aus und schärfte seinen Schülern ein, die Bibel sei ein „fortschreitendes und innerlich zusammenhängendes Ganzes“, dessen Zweck darin bestehe, den „Weg zur Seligkeit zu lehren“371. Wie zuvor in Haßfurt vermittelte er den Schülern die Eingrenzung des Individuums durch göttlich gesetzte Ordnungen und überhöhte bürgerliche Vorstellungen über Ehe, Familie, Sexualität372 und Staat zu zeitlos gültigen Ordnungen Gottes. Zum Staat hielt er fest, dass Vaterlandsliebe die Pflicht jedes evangelischen Christen sei, wandte sich aber erneut gegen die Verabsolutierung des Nationalen und lehnte jeden nationalen „Chauvinismus“ ab373. Im Unterricht zum Staat ging er jetzt allerdings einen Schritt weiter und forderte, dass die Obrigkeit nicht nur christlich, sondern „evangelisch sein“ müsse. Nach Meiser waren nur evangelische Christen dazu in der Lage, das Gebot Jesu zu erfüllen und dem Staat zu geben, was des Staates ist374; Katholiken hingegen befänden sich „innerlich notwendig im Kriegszustand“ mit dem Staat, weil die katholische Kirche politische Machtansprüche erhebe und
365 366 367 368 369
370 371 372 373 374
10. 4. 1909, die allerdings noch für Meisers Vorgänger angefertigt worden war (LAELKB, OKM 0.1.0001-5245). Vgl. oben Kap. I 5. Vgl. M. Simon, Meiser, 405. Vgl. Maser, Kirche, 70. Vgl. die ca. 30 neuen Predigten, die Meiser in Würzburg verfasste (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-44 [Nr. 619–647]). Vgl. die undatierten Konzepte Meisers für den Unterricht an der Würzburger Oberrealschule von 1910 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-121); vgl. auch die aus dem selben Jahr stammenden Konzepte für den Unterricht über das Alte Testament (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-120). Zitate: Maser, Kirche, 70. Zitat aus den oben Kap. I, Anm. 369, erwähnten Unterrichtskonzepten für die Würzburger Oberrealschule. Dabei folgte Meiser den damals in der evangelischen Theologie aktuellen sexualethischen Entwürfen (vgl. L tgert, Sexualethik; Foerster, Jugendlehre, 626–631; vgl. auch Keil, Sexualethik, 229). Zitate aus den oben Kap. I, Anm. 369, erwähnten Unterrichtskonzepten für die Würzburger Oberrealschule. Vgl. Mt 22, 21.
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nicht hinreichend zwischen geistlichem und weltlichem Beruf unterscheide375. Die Forderung nach einem evangelischen Staat und die Verdammung des Katholizismus waren die Folge der katholischen Dominanz und der starken Spannungen zwischen den Würzburger Protestanten und Katholiken. So beklagte Meisers Vorgesetzter Pachelbel die katholische Priesterherrschaft und besonders die Mischehen, die dazu geführt hätten, dass zahlreiche Protestanten katholisiert worden seien und die Würzburger protestantische Gemeinde in 100 Jahren kaum Zuwachs erfahren habe376. Dafür machte er neben dem „Terrorismus der kath[olischen] Kirche“377 die protestantischen Ehepartner verantwortlich, von denen sich nur wenige protestantisch trauen ließen und ihre Kinder selten protestantisch erzogen. Wie vergiftet das interkonfessionelle Klima in Würzburg war, zeigen die Prozesse, die die katholische Kirche gegen protestantische Adoptiveltern anstrengte, wenn diese ein Kind katholischer Eltern protestantisch erzogen378. Meiser wurde in seinem Antikatholizismus in Würzburg nochmals bestärkt und lernte, die Rechte der protestantischen Kirche gegen den Katholizismus zu verteidigen. Zudem war die Würzburger Gemeinde noch mehr als in Weiden und Haßfurt durch andere Faktoren als den konfessionellen Gegner bedroht. Dazu gehörten vor allem die Entwicklung Würzburgs zur Großstadt, die die Gemeindeglieder weltlichen Verführungen aussetzte, aber auch die Propaganda der Monisten und die missionarischen Aktivitäten der Freikirchen, insbesondere der Methodisten379 und Baptisten380. Zur Bekämpfung von säkularer Kultur und weltanschaulich-religiösen Gegnern nutzte Meiser die traditionellen kirchlichen Arbeitsfelder wie Predigt und Unterricht, lernte aber auch die Möglichkeiten wahrzunehmen, die sich durch Kirchenpresse, Vortragswesen und kirchliche Vereinsarbeit boten. Bei seiner vorgesetzten Kirchenbehörde verschaffte er sich hohe Anerkennung, vor allem durch seine Bemühungen, die Jugend an die Kirche zu binden381. Meisers ausgezeichneter Ruf war inzwischen bis ins Oberkonsistorium vorgedrungen. Als ihn der Nürnberger Landesverein für Innere Mission im Februar 1911 für die Jugendfürsorge ins Auge fasste und das Oberkonsistorium darum bat, ihn für diese Aufgabe freizugeben, betonte Bezzel, 375 Zitate aus den oben Kap. I, Anm. 369, erwähnten Unterrichtskonzepten für die Würzburger Oberrealschule. 376 Vgl. Pachelbels Bericht über den „Stand des Kirchenwesens in der Pfarrei Würzburg für den Zeitraum vom 1. Jan[uar] 1903 bis 31. Dez[ember] 1906“ vom 2. 12. 1907; vgl. auch seinen Bericht über den „Stand des Kirchenwesens in der Pfarrei Würzburg für den Zeitraum vom 1. Jan[uar] 1907 bis 31. Dez[ember] 1910“ vom 30. 6. 1911 (LAELKB, BD Würzburg 14). 377 Zitat aus dem oben Kap. I, Anm. 376, erwähnten Bericht vom 2. 12. 1907. 378 Vgl. die Unterlagen im LAELKB, BD Würzburg 103 Bd. 1. 379 Vgl. Wainwright, Methodismus; Hale, Kirchen. 380 Vgl. Sch tz, Baptisten. 381 Vgl. die undatierte Beurteilung des Konsistoriums „Kgl. Oberrealschule Würzburg“ (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-260); vgl. auch die undatierte Beurteilung des Konsistoriums über das Schuljahr 1909/10 an der Würzburger Sophien-Schule (ebd.).
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dass er Meiser „überaus hoch schätze“, weil er „von großer Klarheit, Bestimmtheit und einer über seine Jahre hinausgehenden ernsten Gereiftheit“382 sei. Bezzel fiel es zwar schwer, Meiser für die Vereinsarbeit freizugeben, mit Rücksicht auf die Jugendfürsorge entschied er sich jedoch dafür, ihn aus Würzburg abzuberufen. Meiser selbst hatte wegen seiner Würzburger Verpflichtungen zunächst große Bedenken383, stimmte der Berufung aber schließlich zu. Seine Bedenken hatten allerdings nicht nur berufliche, sondern auch private Gründe: Im Januar 1911 hatte er sich verlobt und war darauf eingestellt, das eheliche Leben mit seiner Frau in Würzburg zu beginnen.
8. Partnerwahl Meisers Ehefrau Elisabeth wurde am 1. Mai 1887 als Tochter des vermögenden Unternehmers Friedrich Killinger und seiner Ehefrau Anna in Zürich geboren. Als Elisabeth fünf Jahre alt war, starb ihre Mutter. Danach ging ihr Vater mit der Nürnbergerin Paula Weingärtner eine zweite Ehe ein. Als 1899 auch Friedrich Killinger starb, zog ihre Stiefmutter mit den vier Töchtern nach Nürnberg. Trotzdem blieb Elisabeth mit Zürich verbunden: Sie unternahm Urlaubsreisen in die Schweiz und besuchte mit 16 Jahren für ein Jahr ein Internat in Brue am Lac du Neuch tel, wo sie fließend Französisch und Englisch lernte. Ihre Fremdsprachenkenntnisse erweiterte sie später noch bei einem Aufenthalt in England384. In Nürnberg besuchte Elisabeth das Mädchenlyzeum in der Labenwolfstraße, wo sie Meisers Schwester Fanny kennenlernte. Sie wurden schon bald enge Freundinnen und Elisabeth war häufig in der Familie Meiser zu Gast. Hier begegnete sie Hans Meiser, der zu diesem Zeitpunkt noch studierte. Zunächst schien nichts darauf hinzudeuten, dass aus den beiden ein Paar werden würde: Auf der einen Seite eine lebenslustige, musikalische, tanzbegeisterte, fremdsprachlich gebildete und in zwei Ländern aufgewachsene junge Frau, auf der anderen Seite ein humanistisch-altsprachlich gebildeter, ausschließlich im deutschen Kaiserreich sozialisierter und von tiefem Ernst gezeichneter angehender Pfarrer, der an weltlichen Freuden kein Interesse besaß. Dennoch entwickelten die beiden Gefühle füreinander. Als Meiser 1909 das Zweite Theologische Examen absolviert hatte, machte er Elisabeth einen Heiratsantrag. Sie wies ihn aber zunächst ab. Hinter ihrem Zögern stand eine persönliche Enttäuschung, über die keine Einzelheiten 382 Zitate aus dem Schreiben Bezzels vom 3. 3. 1911, vermutlich an Dekan Pachelbel (LAELKB, DW 165). 383 Vgl. das Schreiben Meisers an Bezzel vom 5. 3. 1911 (LAELKB, LKR 0.2.0003-52487). 384 Vgl. dazu und zum Folgenden das oben Kap. I, Anm. 9, erwähnte Interview mit Rudolf Meiser; vgl. auch seine oben Kap. I, Anm. 5, erwähnte schriftliche Auskunft.
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bekannt sind385. Vermutlich spielten aber auch die rigiden Rollenzuweisungen eine Rolle, denen Pfarrfrauen bis weit ins 20. Jahrhundert unterlagen: Sie sollten als Gehilfinnen ihres Mannes tätig sein, waren für Haushalt und Kinder zuständig, durften keinen Beruf ausüben und hatten für Hilfsdienste in der Gemeinde zur Verfügung zu stehen, ohne selbst Amtshandlungen vollziehen zu dürfen386. Diese Rollenzuweisungen wurden in Bayern besonders von Wilhelm Löhe vertreten, der mit einer weit verbreiteten Handreichung für Geistliche und ihre Ehefrauen mehrere Generationen von Pfarrerehen prägte387. Ähnliche Vorstellungen wie Löhe hatte auch Meiser. Er äußerte sich zwar nicht direkt zur Rolle von Pfarrfrauen, befasste sich kurz vor seinem Antrag in einer Arbeit für das Zweite Theologische Examen388 jedoch intensiv mit der Stellung der Frau aus theologischer Sicht und insbesondere mit der Frauenrechtsbewegung des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, die die Gleichstellung der Frau im Beruf, in der Ausbildung und im Wahlrecht forderte und dabei auch die bisherigen Vorstellungen von Ehe und Sexualität in Frage stellte389. Meiser stützte sein Urteil über die Frauenbewegung vor allem auf die konservativen ethischen Positionen der lutherischen Theologen Christoph Ernst Luthardt390, Franz Hermann Reinhold Frank391 und Philipp Bachmann392, bezog aber auch den methodisch modernen Ansatz Reinhold Seebergs ein393. Meiser meinte zwar, dass Mann und Frau vor Gott gleichwertig seien, und gestand der Frauenbewegung prinzipielle Berechtigung zu, Forderungen nach Gleichstellung aber wies er vehement zurück. Dabei berief er sich auf schöpfungsbedingte Unterschiede der Geschlechter, nach denen Frauen „auf Grund ihrer natürlichen Beschaffenheit andere Aufgaben“394 haben sollten als Männer: Ihre Tugenden seien Empfänglichkeit, Bescheidenheit, Demut und Schamhaftigkeit; dies weise sie in die Familie sowie in Pflege-, Erzieher- und Fürsorgeberufe, nicht aber in solche, die mit der Ausübung von Autorität verbunden seien. Meiser vertrat hier ein theologisch überhöhtes biologistisches Geschlechterverständnis, das aus zeitbedingten gesellschaftlichen Konventionen unumstößliche göttliche Ordnungen machte. Im Kern hielt er an dieser Haltung zeitlebens fest. 385 Vgl. das Schreiben Fanny Meisers an ihre Eltern vom 30. 11. 1909 (Privatbesitz Michael Renner). 386 Vgl. dazu Beuys, Pfarrfrau. 387 Vgl. Lçhe, Geistliche, bes. 279–287. 388 Vgl. das hsl. Original der Klausur im LAELKB, OKM 53 – P0882. 389 Vgl. Nave-Herz, Geschichte, 11–51; vgl. auch den instruktiven Überblick bei Bauer, Kulturprotestantismus, 29–48. 390 Vgl. Luthardt, Ethik, bes. 503–563. 391 Vgl. F. H. R. Frank, System. 392 Vgl. P. Bachmann, Sittenlehre. 393 Vgl. Seeberg, Ethik. 394 Zitat aus der oben Kap. I, Anm. 388, erwähnten Klausur.
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Prägungen (1881 bis 1911)
An Meisers Seite erwartete auch Elisabeth ein Leben als Ehefrau, Mutter und Gehilfin ihres Mannes. Ein Jahr, nachdem sie ihn abgewiesen hatte, nahm sie seinen Antrag doch noch an395. Meiser interpretierte die Verbindung als Führung Gottes396. Die Verlobung fand am 22. Januar 1911 statt397. Die Ehe forderte Elisabeth noch ein persönliches Opfer ab, denn Meiser verlangte von ihr, das Tanzen aufzugeben398. Dies entsprach den kirchlichen Vorschriften399, nach denen er sich die Eheschließung von seiner vorgesetzten Dienstbehörde genehmigen lassen musste400. Die Hochzeit fand am 22. Juni 1911 in Nürnberg statt. Die Hochzeitsreise führte das Ehepaar nach Pontresina in der Schweiz. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor401. Nach Einschätzung des jüngsten Sohnes Rudolf verlief die Ehe zwischen Hans und Elisabeth Meiser glücklich402.
395 Vgl. das Schreiben Fanny Renners an ihre Schwester Helene Meiser vom 21. 1. 1911 (Privatbesitz Michael Renner). 396 Vgl. das Schreiben Meisers an Bezzel vom 7. 2. 1911 (LAELKB, LKR 0.2.0003-52487). 397 Vgl. die auf den gleichen Tag datierte Verlobungsanzeige (Privatarchiv Familie Meiser). 398 Vgl. das oben Kap. I, Anm. 9, erwähnte Interview. 399 Vgl. die oben Kap. I, Anm. 230, erwähnten Verhaltensregeln und Vorschriften für Pfarramtskandidaten. 400 Vgl. das Schreiben Meisers vom 19. 5. 1911; das Schreiben des Konsistoriums Ansbach an das Dekanat Schwabach vom 26./27. 5. 1911 (LAELKB, KDM 2.2.0004-5389); und das Schreiben des Konsistoriums Ansbach an das Oberkonsistorium vom 30. 5. 1911 (LAELKB, OKM 0.1.0001-2312). 401 Gertrud (*9. 4. 1912 in Nürnberg), Fritz (*1. 1. 1914 in Nürnberg), Elisabeth (*16. 7. 1916 in München) und Rudolf (*12. 7. 1920 in München) (vgl. die oben Kap. I, Anm. 5, erwähnte schriftliche Auskunft). 402 Vgl. das oben Kap. I, Anm. 9, erwähnte Interview.
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Abb. 10: Hochzeit Hans Meisers mit Elisabeth Killinger, 1911
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II. Positionierungen (1911 bis 1933) 1. Vereinsgeistlicher des Landesvereins für Innere Mission 1.1 Berufung in einer Umbruchphase der Inneren Mission Als Meiser zum Vereinsgeistlichen des Landesvereins für Innere Mission in Nürnberg berufen wurde, durchlief der Verein gerade einen Prozess der Neuausrichtung. Hatte der Verein bisher lediglich als Informations- und Vermittlungsstelle für die lokalen Vereine, Werke und Einrichtungen der Inneren Mission gedient1, besann sich der Vereinsausschuss 1910 auf die missionarischen Wurzeln der Inneren Mission zurück und stellte auf den Gebieten Jugendfürsorge, Evangelisation, Apologetik und Pressewesen akuten Handlungsbedarf fest2. Zur Bewältigung dieser Aufgaben wurde die Anstellung eines hauptamtlichen Vereinsgeistlichen beschlossen, der vor allem in der Jugendfürsorge tätig sein sollte3. Meiser trat sein neues Amt am 15. April 1911 an. Wenige Tage später wurde er zum Pfarrer ernannt4. Die Berufung sollte sich für ihn als Glücksfall erweisen: Er konnte nicht nur sein Organisationstalent unter Beweis stellen und sich bei der Neuausrichtung der Inneren Mission profilieren, sondern wurde auf einen Schlag in und außerhalb der Landeskirche bekannt5. In seinem Vorgesetzten, dem neuen Vorsitzenden des Landesvereins Friedrich Boeckh6, fand er trotz dessen problematischer Führungsqualitäten7 einen Förderer, mit dem er so eng zusammenarbeitete, dass sich rückblickend kaum mehr beurteilen lässt, welchen Anteil an den Initiativen der Vereinszentrale Boeckh oder Meiser hatten8. Beide waren sich einig, dass die Innere Mission künftig verstärkt missionarisch tätig sein sollte9. Sie waren streng lutherisch-konfessionell eingestellt10 und meinten, dass die Innere Mission an Kirche und Bekenntnis gebunden 1 2 3 4 5 6 7
Vgl. H. Braun, Vereinswesen, 173 f. Vgl. das Protokoll über die Mitgliederversammlung am 13. 9. 1910 (LAELKB, DW 15 I). Vgl. das Protokoll der Ausschusssitzung vom 1. 12. 1910 (ebd.). Vgl. die Königliche Entschließung vom 18. 4. 1911 (LAELKB, KDM 2.2.0004-5389). Vgl. M nchenbach, Meiser, 5. Vgl. H. Meiser, Boeckh; H. Meiser, Boeckh Lebensbild. Vgl. M. Simon, Meiser, 406; vgl. auch das Schreiben Gottfried Seilers an Meiser vom 27. 9. 1916 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-227). 8 Vgl. M. Simon, Meiser, 406; M nchenbach, Meiser, 7, 69. 9 Vgl. ebd., 13. 10 Vgl. ebd., 365; vgl. auch H. Meiser, Boeckh Lebensbild, IX.
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Abb. 11: Hans Meiser als Vereinsgeistlicher des Landesvereins für Innere Mission, 1913
werden müsse11. Nicht zuletzt stimmten auch ihre sozialethischen Positionen überein. Meiser hatte auf sozialem Gebiet zwar kaum Erfahrung, hielt das soziale Engagement der Kirche aber für selbstverständlich12. Dieses Engagement durfte sich freilich nur im Rahmen einer sozialen Ordnung bewegen, die nach Gottes Schöpferwillen ständisch gegliedert war; soziale Konflikte wollte Meiser so lösen, dass sich Gesellschaft und Wirtschaft auf ein „praktisches Christentum“13 gründeten. Dieser Ansatz deckte sich mit den Grundlagen, auf denen die Innere Mission seit Johann Hinrich Wichern beruhte14. Wichern, der als Begründer der Inneren Mission gilt, leistete im 19. Jahrhundert kirchlich-soziale Arbeit, die zum Vorbild für den gesamten deutschen Protestantismus wurde. Die Massenverarmung führte Wichern auf den Abfall des Einzelnen vom Glauben zurück. Eine Besserung konnte deshalb nicht durch Strukturveränderungen, 11 Dies war auch das Ziel Bezzels (vgl. H. Braun, Vereinswesen, 174; M nchenbach, Meiser, 13 f.). 12 So setzte er sich z. B. für eine gerechte Entlohnung von Arbeiterinnen ein (vgl. H. Meiser, Heimarbeiterinnen). 13 Ebd., 122. 14 Vgl. M nchenbach, Meiser, 15–23.
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Positionierungen (1911 bis 1933)
sondern nur durch Rechristianisierung erfolgen. Dies sollte die eigentliche Aufgabe der Inneren Mission sein. Im Kaiserreich hatte sie sich dann aber in erster Linie diakonisch betätigt15. Als Meiser seinen Dienst antrat, besannen sich die Pfarrer auf Wicherns Konzept zurück16. Dementsprechend forderte auch er, die Innere Mission solle nicht nur diakonisch tätig sein, sondern sich missionarisch ausrichten und neue Aufgaben in Angriff nehmen17. Die Rückbesinnung auf Mission war eine Reaktion auf den Modernisierungsschub, der in Bayern in den 1890er Jahren eingesetzt und zu einer bisher nicht gekannten Entkirchlichung geführt hatte18. Es schien höchste Zeit, den verbliebenen kirchlichen Einfluss gegen die erstarkende weltanschauliche Konkurrenz zu verteidigen und verloren gegangenes Terrain zurückzugewinnen. Dies erkannte auch der Landesverein und setzte neue Handlungsfelder auf seine Agenda, die über die diakonische Arbeit hinausgingen. Diese fielen Meiser zu. Während seiner Zeit als Vereinsgeistlicher gewann der Landesverein deutlich an Profil; zudem setzte eine engere Kooperation von Innerer Mission und Kirche ein19. Damit begann für die Innere Mission in Bayern insgesamt eine neue Epoche20. 1.2 Der „Kampf um die Jugend“21 Meisers Hauptaufgabe war die kirchliche Jugendarbeit, und zwar sowohl die Jugendfürsorge, die sich um auffällig gewordene Jugendliche in Anstalten und Pflegefamilien bemühte, als auch die Arbeit mit normalen Jugendlichen, die sog. Jugendpflege22. Die kirchliche Jugendarbeit konkurrierte mit anderen Trägern der Jugendarbeit wie vor allem dem Staat, aber auch humanitären Gruppen, weltanschaulichen Gegnern und politischen Parteien23. Boeckh und Meiser wollten die kirchliche Jugendarbeit im Konkurrenzkampf behaupten und ihren Einfluss möglichst ausdehnen. Das Ziel brachte Meiser mit dem Slogan „Unsere Jugend soll Chr[istus] gehören“24 auf den Punkt. Dazu fasste Meiser die lokalen kirchlichen Jugendeinrichtungen organisatorisch zusammen25. Zunächst nahm er die Jugendfürsorge in Angriff, weil 15 Vgl. Kaiser, Wichern; V. Herrmann, Wichern. 16 Vgl. M nchenbach, Meiser, 15. 17 Vgl. seinen Vortrag „Aufgaben der Inneren Mission in der Gegenwart“ von Ende 1911 (undatiertes Manuskript: LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-44, Nr. 649). 18 Vgl. Blessing, Staat, 250–262; Ders., Politik, 90–95. 19 Vgl. H. Braun, Vereinswesen, 175. 20 Vgl. M. Simon, Meiser, 406. 21 Vgl. unten Kap. II, Anm. 42. 22 Vgl. Schwab, Jugendarbeit, 270 f. 23 Vgl. Meisers Vortrag „Die staatliche Jugendfürsorge und die der Kirche daraus erwachsenden Aufgaben“ vom 22. 11. 1911 (hsl. Manuskript: LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-45, Nr. 656). 24 Ebd. 25 Vgl. H. Braun, Vereinswesen, 174; Schwab, Jugendarbeit, 220–266.
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hier auf Grund staatlicher Maßnahmen schnelles Handeln geboten war26: Durch neue Gesetze waren zunehmend mehr Jugendliche in Heimen und Pflegefamilien unterzubringen27. Der Staat wollte evangelische Jugendliche zwar evangelischen Heimen zuführen, auf kirchlicher Seite fehlte aber eine einheitliche Ansprechstelle28. Deshalb wies der Landesverein Meiser an, die kirchliche Jugendfürsorge zentral zu organisieren und eine Schnittstelle zwischen kirchlicher und staatlicher Jugendfürsorge zu schaffen29. Nachdem Meiser im Frühjahr 1911 eine Konferenz der deutschen evangelischen Rettungshausverbände und Erziehungsvereine besucht hatte, auf der Befürchtungen laut geworden waren, die konfessionellen Einrichtungen sollten verstaatlicht werden30, erschien ihm die Gründung eines Zusammenschlusses der bayerischen Rettungshäuser und Erziehungsanstalten vordringlich. Er besuchte die Heime und überzeugte sowohl deren Leiter als auch den Landesverein von der Notwendigkeit, einen zentralen Verband zu schaffen31. Dabei argumentierte er mit der Gefahr einer Verdrängung der christlichen Erziehung durch den Staat und humanitäre Konkurrenzunternehmen32. Im Sommer 1911 erfolgte dann die Gründung des „Verbandes der bayerischen evangelischen Erziehungsanstalten“33. Die Verbandsgründung führte zur finanziellen Konsolidierung der Heime und ermöglichte ihre Professionalisierung34. Meiser wurde Mitglied der Verbandsleitung und führte außerdem die Geschäfte von zwei Zentralstellen, die der Landesverein zur Vermittlung evangelischer Kinder und Jugendlicher in Heime und Pflegefamilien schuf35. Seine Arbeit trug wesentlich dazu bei, dass sich die kirchliche Jugendfürsorge im Feld konkurrierender Unternehmen behaupten und ihren Einfluss sicherstellen konnte36. Die Zentralisierung machte die kirchliche Jugendfürsorge 26 27 28 29 30 31 32 33
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Vgl. ebd., 270 f.; H. Braun, Vereinswesen, 175. Vgl. H. Meiser, Lage, 136. Vgl. M nchenbach, Meiser, 25. Vgl. Meisers Dienstanweisung vom 26. 3. 1911 (LAELKB, DW 165). Vgl. H. Meiser, Konferenz; vgl. auch seine Mitschrift (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-172); H. Meiser, Lage. Vgl. das Protokoll der Ausschusssitzung des Landesvereins vom 6. 7. 1911 (LAELKB, DW 15 I); und das Protokoll der Rettungshauskonferenz am 17. 7. 1911 (LAELKB, DW 1633). Vgl. H. Meiser, Lage, 138 f. Vgl. das „Protokoll über die Sitzung des provisorischen Ausschusses des Verbands bayerischer Erziehungsanstalten am 28. August 1911 in Nürnberg“ (LAELKB, DW 1633). Am 1. 10. 1912 beschloss die erste Mitgliederversammlung dann die endgültige Satzung (Protokoll und Satzung: ebd.). Vgl. H. Meiser, Bedeutung; H. Meiser, Verband. Vgl. das Rundschreiben Boeckhs an die Ausschüsse für Jugendfürsorge und Jugendfürsorgeverbände vom 14. 9. 1911; das Rundschreiben Meisers und Boeckhs an Rettungshäuser und Erziehungsanstalten vom 4. 1. 1912; das Rundschreiben und den Aufruf des Landesvereins an die Pfarrer vom 16. 2. 1912; sowie das Schreiben Boecks an das Innen- und das Justizministerium vom 21. 3. 1912 (LAELKB, DW 1582). So etwa bei der Novelle des Fürsorgeerziehungsgesetzes 1913/14 (vgl. das Rundschreiben
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Positionierungen (1911 bis 1933)
Abb. 12: Hsl. Entwurf Hans Meisers für die Satzung des Verbandes evangelischer Erziehungsanstalten (Auszug), 1911
gegenüber dem Staat und freien Fürsorgeunternehmen handlungsfähig und verschaffte ihr neue Möglichkeiten, sich öffentlich darzustellen37 und Angriffe abzuwehren38. Noch stärker als in der Jugendfürsorge war der kirchliche Einfluss in der Jugendpflege gefährdet. Vor allem die Jugendbewegung und die kirchenfeindliche sozialistische Arbeiterjugend, aber auch Sportvereine, Wandervogelbewegung, Wehrkraftvereine und Pfadfinder entzogen die Jugend den traditionellen Autoritäten und deren Deutungshoheit. Dabei entdeckte besonders die Jugendbewegung die Jugend als autonome Größe und stellte die herrschenden Verhältnisse in Frage39. Staat und Kirche sahen deshalb „die religiöse und die politische, die nationale und unrevolutionäre Orientierung“40 der Jugend in Gefahr.
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Meisers an die Mitglieder des Verbands vom 16. 1. 1914; sowie die weiteren Unterlagen im LAELKB, DW 1941). Vgl. H. Meiser, Bedeutung, 62 f. Vgl. das Protokoll der Ausschusssitzung vom 30. 1. 1914 (LAELKB, DW 1638); das Schreiben Meisers und des Verbandsvorsitzenden an den Stadtmagistrat Nürnberg vom 5. 2. 1914 (LAELKB, DW 1945). Vgl. Nipperdey, Geschichte 1866–1918, Bd. I, 112–124. Ebd., 115.
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Um die nationale Erziehung zu sichern, wurde der Staat in der Jugendpflege aktiv. Weil er dabei keine religiösen Ziele verfolgte und faktisch in Konkurrenz zur Kirche trat, forderte Boeckh die Generalsynode 1911 auf, sich der Entkirchlichung der Jugend entgegenzustellen und die kirchliche Jugendpflege zu fördern41. Unter seiner Führung nahm der Landesverein die Jugendpflege dann selbst in die Hand. Daran war Meiser maßgeblich beteiligt. Als Gegner nahm er allerdings nicht die staatliche, sondern die sozialistische Jugend ins Visier42. Sie stand für alles, was er auf Grund seines theologischen Ordnungsdenkens ablehnte: Rebellion und Umsturz, die Emanzipation des Subjekts und die Auflösung der göttlich gestifteten Ordnungen43. Staatliche und bürgerlich-nationale Jugendinitiativen hingegen fielen nicht unter sein Verdikt, weil dies der kirchlichen Staatsloyalität widersprochen hätte44. Der antisozialistische Affekt schwang auch mit, als Meiser in einer Statistik die kirchliche Jugendarbeit in Bayern dokumentierte45. Dabei erfasste er nicht nur die kirchliche Arbeit, sondern brachte auch in Erfahrung, „welchen Umfang die rote Jugendbewegung bei uns in Bayern bereits hat“46. Ergebnis der Statistik war, dass die Kirche zu wenige Jugendliche erreichte47. Die Lösung sah Meiser auch bei der Jugendpflege in einer organisatorischen Zusammenfassung und Neustrukturierung48. Als erstes sorgte er im Oktober 1913 in Oberfranken für die Gründung eines Jugendausschusses49, denn dort war „der Einfluss der roten Jugendbewegung“50 stärker als andernorts. Durch neue staatliche Maßnahmen51 wurde es dann allerdings notwendig, Jugendfürsorge und -pflege zusammenzufassen. Meiser und Boeckh planten deshalb, in allen Dekanaten Vereine für Jugendhilfe ins Leben zu rufen, in 41 Vgl. M nchenbach, Meiser, 30. 42 Vgl. Meisers Vortrag „Der Kampf um die Jugend“ vom 8. 5. 1912 (hsl. Manuskript: LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-45, Nr. 666; Abdruck: H. Meiser, Kampf). 43 Besonders scharf verurteilte er das sozialistische Jugendorgan „Arbeiterjugend“ und den Aufruf der Sozialdemokratin und Frauenrechtlerin Lily Braun zur Emanzipation von Kindern (vgl. L. Braun, Emanzipation; H. Meiser, Kampf). 44 Vgl. z. B. die wohl von Meiser verfasste Denkschrift „Zur kirchlichen Jugendpflege. Denkschrift des Landesvereins für Innere Mission in der evangelisch-lutherischen Kirche Bayerns“, Nürnberg 1913; vgl. auch M nchenbach, Meiser, 33–39. 45 Statistik über die kirchliche Jugendpflege in der Prot. Landeskirche des Königreichs Bayern d. d. Rhs. Zusammengestellt vom Landesverein für Innere Mission in Bayern. Nürnberg 1913; vgl. auch die Beschlüsse des Vereinsausschusses vom 3. 4. und 8. 5. 1913 (LAELKB, DW 16); H. Meiser, Statistik; sowie M nchenbach, Meiser, 39 f. 46 Rundschreiben Meisers an die Obmänner der Inneren Mission vom 14. 3. 1913 (LAELKB, DW 922). 47 Vgl. H. Meiser, Statistik, 114. 48 Vgl. M nchenbach, Meiser, 40. 49 Vgl. die Pressemitteilung Boeckhs vom 28. 10. 1913; das Rundschreiben Julius Orths an die Amtsbrüder vom Februar 1914 (LAELKB, DW 913); vgl. auch BlfIM 28 (1913), Nr. 10, 119. 50 Rundschreiben Boeckhs an die Dekanate Oberfrankens vom 13. 9. 1913 (LAELKB, DW 913). 51 Die Staatsregierung kündigte ein neues Jugendgerichtsgesetz (vgl. Radbruch, Strafgesetz, 15–17) und die Förderung freier Jugendpflegeorganisationen an (vgl. das Rundschreiben Boeckhs und Meisers vom 28. 2. 1914: LAELKB, DW 20); vgl. auch M nchenbach, Meiser, 42 f.
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Positionierungen (1911 bis 1933)
denen beide Zweige kirchlicher Jugendarbeit vereinigt sein sollten. Den Anfang machte Nürnberg, wo im Januar 1914 die erste „Evangelische Jugendhilfe“ entstand52. Meiser und Boeckh drängten darauf, nach dem Nürnberger Vorbild auch in allen anderen Dekanaten Jugendhilfevereine zu gründen53, was der Kriegsausbruch jedoch verhinderte. Schnelles Handeln war auch erforderlich, als die bayerische Staatsregierung im Mai 1914 einen Landesausschuss und lokale Unterausschüsse für Jugendpflege ins Leben rief, die der nationalen Erziehung der Jugend dienen sollten54. Da in diesen Ausschüssen Kirchen und freie Träger vertreten sein sollten, machte Meiser sich kundig, welche Erfahrungen andere Landeskirchen mit den staatlichen Ausschüssen gemacht hatten, und erfuhr, dass die staatliche Jugendpflege der Kirche und ihren Zielen letztlich schadete55. Um nicht jeden Einfluss zu verlieren, sorgten Meiser und Boeckh trotzdem für eine kirchliche Vertretung in den Ausschüssen und initiierten die Gründung eines „Landesausschusses für evangelisch-kirchliche Jugendpflege“, der sich für die kirchlichen Interessen einsetzen sollte56. Der Ausschuss trat während des Krieges allerdings kaum noch in Erscheinung57. 1.3 Der Kampf um den öffentlichen Einfluss der Kirche Um sein Ziel zu erreichen, die Bevölkerung zu rechristianisieren, musste der Landesverein Wege finden, von der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Meiser, der die Blätter für Innere Mission herausgab58, erkannte, dass dies nur gelingen konnte, wenn die Kirche Einfluss auf die politische Tagespresse bekam59. Auch diese Idee ging auf Wichern zurück, der schon 1849 gefordert hatte, dass die Tagespresse für die Innere Mission gewonnen werden müsse. Daraufhin waren zwar zunächst nur kirchliche Pressvereine und Sonntagsblätter gegründet worden, ab 1891 dann aber auch regionale Pressverbände 52 Vgl. die Pressemitteilungen Meisers vom 24. und 30. 1. 1914; das Einladungsschreiben Boeckhs vom 28. 2. 1914; sowie die Teilnehmerliste der konstituierenden Sitzung und die „Satzung des Vereins Evangelische Jugendhilfe Nürnberg“ vom 5. 3. 1914 (LAELKB, DW 907); vgl. auch H. Meiser, Jugendhilfe; M nchenbach, Meiser, 41 f. 53 Vgl. z. B. das Rundschreiben Meisers und Boeckhs vom 28. 2. 1914 (LAELKB, DW 907). 54 Vgl. das Schreiben des Innenministeriums vom 5. 5. 1914; die undatierte Niederschrift „Gesichtspunkte für die Beratung über staatliche Maßnahmen zur Förderung der Jugendpflege“ (LAELKB, DW 913); vgl. auch M nchenbach, Meiser, 42 f. 55 Vgl. die Rundfrage Meisers vom 8. 5. 1914 (LAELKB, DW 913); vgl. auch die Antwortschreiben ebd. 56 Vgl. das „Protokoll über die Beratung zur Begründung eines Landesausschusses für evangelischkirchliche Jugendpflege“; vgl. auch die Satzung des Landesausschusses vom 12. 5. 1914 (LAELKB, DW 908). 57 Vgl. M nchenbach, Meiser, 46. 58 Vgl. die oben Kap. II, Anm. 29, erwähnte Dienstanweisung (LAELKB, DW 20); vgl. auch den Schriftverkehr ebd. 59 Vgl. Meisers oben Kap. II, Anm. 17, erwähnten Vortrag.
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und 1910 schließlich der Evangelische Pressverband für Deutschland60. Nur in Bayern existierte noch kein Verband61. Meiser wollte nun auch hier eine zentrale Stelle schaffen, die die Presse mit Artikeln über kirchliche Fragen bediente, Berichte über kirchliche Veranstaltungen platzierte und kirchliche Nachrichten unterbrachte62. Nachdem Boeckh bereits im Juli 1911 die Gründung einer Zentralstelle angekündigt hatte63, rief Meiser im September Vertreter der landeskirchlichen Pressearbeit zusammen64, die die Gründung eines Presseverbands für Bayern beschlossen65. Die Geschäftsstelle des Verbands wurde bei Meisers Büro angesiedelt66; nach der Verbandsgründung war er dann aber nur noch koordinierend tätig67 und versorgte die Presse mit Nachrichten aus dem Landesverein68. Den Schwerpunkt der Öffentlichkeitsarbeit setzte Meiser bei der Apologetik. Darunter wurde die Verteidigung des christlichen Glaubens gegen Angriffe religiöser und weltanschaulicher Gegner verstanden69. Während der Centralausschuss für die Innere Mission – ausgelöst durch die von bürgerlichen und sozialistischen Freidenkern getragene Kirchenaustrittsbewegung70 – bereits Apologetik betrieb71, war dieses Arbeitsfeld für den Landesverein noch Neuland. 1911 setzte der Verein einen apologetischen Ausschuss ein72 und veranstaltete im Februar 1912 die erste apologetische Vortragsreihe73. Die Planung der Vortragsreihe lag bei Meiser74. Eine weitere Veranstaltungsreihe folgte, als das von Monisten und Sozialdemokraten getragene „Komitee konfessionslos“75 im Raum Nürnberg im Herbst 1912 Aufsehen erregende Kirchenaustrittsversammlungen veranstaltete76. Die Versammlungen standen unter dem Motto „Heraus aus der Kirche“77. Meiser und Boeckh reagierten darauf im Dezember 1912 mit einer Gegenaktion, die aus sog. Abwehrversammlungen, Bekenntnisgottesdiens60 Vgl. Rosenstock, Presse, 36–56. 61 Vgl. H. Meiser, Preßverband, 174. 62 Vgl. das von Meiser verfasste und von Boeckh gezeichnete undatierte Rundschreiben zur Pressearbeit, vermutlich vom September 1911 (LAELKB, DW 1984). 63 Vgl. M nchenbach, Meiser, 66. 64 Vgl. das Rundschreiben Meisers vom 20. 9. 1911 (LAELKB, DW 1984). 65 Vgl. H. Meiser, Preßverband, 174 f. 66 Vgl. M nchenbach, Meiser, 66 f. 67 Vgl. den Schriftverkehr im LAELKB, DW 1984. 68 Vgl. die Pressemitteilungen und die Korrespondenz Meisers im LAELKB, DW 2030–2032, 2390; vgl. auch M nchenbach, Meiser, 65. 69 Vgl. N chtern, Apologetik; Pçhlmann, Apologetik. 70 Vgl. Kaiser, Freidenker, 297. 71 Vgl. Beyreuther, Kirche, 211; M nchenbach, Meiser, 52 f. 72 Vgl. den Beschluss des Vereinsausschusses vom 7. 9. 1911 (Protokoll: LAELKB, DW 15 I). 73 Vgl. das gedruckte Programm (LAELKB, DW 2389). 74 Vgl. den Schriftverkehr ebd.; vgl. auch M nchenbach, Meiser, 54 f. 75 Vgl. Beyreuther, Kirche, 211 f. 76 Vgl. M nchenbach, Meiser, 57. 77 Vgl. H. Meiser, Heraus aus der Kirche, 9.
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Positionierungen (1911 bis 1933)
Abb. 13: Flugblatt des Landesvereins für Innere Mission „Kirchentreu! Nicht ,konfessionslos‘!“ (erste Seite), 1912
ten78 und Flugblattaktionen bestand79. Ende 1913 fand dann ein apologetischer Schulungskurs statt80 und im Januar 1914 bereitete Meiser erneut Ab78 Vgl. das Rundschreiben Boeckhs und Meisers an die Nürnberger Pfarrer vom 26. 11. 1912 (LAELKB, DW 20); das Rundschreiben Boeckhs an die Pfarrämter vom 31. 10. 1912 (LAELKB, DW 2390); und den undatierten Bericht Meisers (ebd.; gedruckte Fassung: H. Meiser, Heraus aus der Kirche).
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wehrversammlungen vor, als die Zeitschrift „Der Atheist“ mehr als hundert Kirchenaustrittsveranstaltungen ankündigte81. Auch für Herbst 1914 plante Meiser einen apologetischen Kurs82, der wegen des Kriegsausbruchs allerdings nicht mehr stattfand. Auch bei den apologetischen Veranstaltungen waren die Sozialdemokraten Meisers Hauptgegner. Er räumte zwar kirchliche Versäumnisse gegenüber den Arbeitern ein83, warf der Sozialdemokratie aber vor, sie habe nicht das geringste Verständnis für Religion und verkünde „nackte[n] Materialismus“84. Für die Kluft zwischen Kirche und Sozialdemokratie machte er allein die Sozialdemokraten verantwortlich. Die tumultuarischen Diskussionen auf den Abwehrversammlungen85 deutete er als Beweis, dass sie nicht am Dialog interessiert waren86. Ihre Kirchenaustrittsagitation verurteilte er als ausschließlich politisch motiviert87. Dabei nahm er freilich nicht wahr, dass die Kirche selbst politisch agierte, indem sie die Monarchie und die ständische Gesellschaft zu gottgewollten Ordnungen überhöhte und auf diese Weise auch von sich aus jede Verständigung unmöglich machte88. Die apologetischen Aktivitäten Meisers und Boeckhs gehören zur Vorgeschichte der bayerischen Volksmission89. Den Begriff Volksmission prägte 1916 der Rostocker Praktische Theologe Gerhard Hilbert90. Die Volksmission führte die missionarischen Impulse Wicherns und die Evangelisationsbestrebungen der Gemeinschaftsbewegung fort und gewann in der Weimarer Zeit im deutschen Protestantismus große Bedeutung. Sie wollte entfremdete Kirchenmitglieder durch Evangelisation und Apologetik rechristianisieren und zu den Gemeinden zurückführen91. Auch für Meiser wurde Volksmission zu einer wesentlichen Aufgabe der Kirche. Als Landesbischof trieb er die
79 Vgl. die Flugblätter „In der Kirche – Mit der Kirche – Für die Kirche“; „Kirchentreu! Nicht ,konfessionslos!‘“ (LAELKB, DW 2390). Vgl. auch M nchenbach, Meiser, 58 f. 80 Vgl. das Rundschreiben Meisers und Boeckhs vom 21. 10. 1913 (LAELKB, DW 20); die Veranstaltungsberichte des Landesvereins (LAELKB, DW 2389); vgl. auch M nchenbach, Meiser, 63 f. 81 Vgl. das Rundschreiben Meisers an die Pfarrer vom 26. 1. 1914; das Rundschreiben Boeckhs und Meisers an die Redner vom 7. 2. 1914; und die Rednerliste (LAELKB, DW 2390); M nchenbach, Meiser, 64. 82 Vgl. die Pressemitteilung Meisers vom 18. 2. 1914 (LAELKB, DW 2389). 83 Vgl. H. Meiser, Heraus aus der Kirche, 11. 84 Ebd., 13. 85 Vgl. ebd., 10. 86 Vgl. ebd., 16. 87 Vgl. ebd., 11. 88 Vgl. M nchenbach, Meiser, 60–62. 89 Vgl. ebd., 67–73; Henn, Volksmission, 1–9, erwähnt die Initiativen des Landesvereins nicht. 90 Vgl. Beyreuther, Kirche, 213. 91 Vgl. Teschner, Volksmission, 266 f.
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volksmissionarische Arbeit massiv voran, bis seine volksmissionarischen Hoffnungen angesichts der Entwicklung der NS-Kirchenpolitik zerstoben92. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs endete Meisers Arbeit für den Landesverein. Nach einem Kriegseinsatz kehrte er nicht mehr zum Landesverein zurück. Durch seine Tätigkeit als Vereinsgeistlicher hatte er gleichaltrigen Kollegen aber wichtige Fähigkeiten voraus, die ihn auf längere Sicht für höhere kirchliche Ämter empfahlen: Beim Landesverein lernte er, die Interessen seiner Institution vor der kirchlichen Öffentlichkeit zu vertreten, Widerstände zu überwinden und Zustimmung auch für solche Projekte zu gewinnen, mit denen die Kirche Neuland betrat93. Zudem lernte er, Einfluss auf die Entscheidungen der Kirchenleitung zu nehmen94 und kirchliche Interessen gegenüber dem Staat zu vertreten. Darüber hinaus lernte er von organisierter Pressearbeit bis zu Massenversammlungen alle Möglichkeiten zu nutzen, um den öffentlichen Einfluss der Kirche zu sichern. Seine theologischen und politischen Einstellungen änderten sich freilich nicht: Zwar schärfte sich sein Bewusstsein für soziale Gerechtigkeit und die Notwendigkeit des sozialen Engagements der Kirche, seine Ablehnung der Sozialdemokratie und ihrer Forderungen nach grundsätzlichen Veränderungen der Herrschafts-, Gesellschafts- und Wirtschaftsstrukturen vertiefte sich jedoch. Umso größer war der Schock, als es nach der Kriegsniederlage zum Umsturz kam.
2. Lazarettgeistlicher im Ersten Weltkrieg95 Meiser wurde gleich bei Beginn des Ersten Weltkriegs zum Militär einberufen96. Bevor er der Einberufung folgte, legte er allerdings in einem Artikel im Vereinsorgan des Landesvereins noch die Marschroute der Inneren Mission im Krieg fest97. Entgegen der allgemeinen Kriegsbegeisterung in Deutschland98 verfiel er dabei nicht in patriotische Begeisterung, sondern entwarf in Anlehnung an die Offenbarung des Johannes ein apokalyptisches Schreckensszenario: 92 Vgl. M nchenbach, Meiser, 226–236; Henn, Volksmission, 10–87; vgl. auch unten Kap. III A.1.1. 93 Meisers organisatorische Tätigkeiten blieben keineswegs unwidersprochen; manche Geistliche hielten sie für vorschnellen und hohlen Aktionismus (vgl. M nchenbach, Meiser, 45 f.). 94 Vgl. das Protokoll über eine Besprechung am 4. 2. 1914 mit Bezzel (LAELKB, DW 783); die oben Kap. II, Anm. 44, erwähnte Denkschrift; sowie das Rundschreiben Meisers an die Mitglieder des Generalsynodalausschusses vom 26. 5. 1913 (LAELKB, DW 20). 95 Zum Folgenden vgl. Schulze, Sterben, 170–173. 96 Vgl. sein Schreiben an das Konsistorium Ansbach vom 3. 8. 1914 (LAELKB, KDM 2.2.00045389). 97 H. Meiser, Innere Mission. 98 Vgl. Greschat, Krieg, 47.
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„Das rote Pferd hat sich in Ritt gesetzt […]. Der Friede ist von der Erde genommen und die Völker sind ausgezogen, einander zu erwürgen. Und hinter dem roten Pferd sehen wir das fahle kommen, des Name Tod heißt und dem die Hölle nachfolgt. Der Krieg mit allen seinen Schrecken ist da.“99
Im Krieg sollte die Innere Mission dafür sorgen, dass „mit den waffenklingenden Kriegsheeren zugleich die Barmherzigkeit sich aufmache und über die Schlachtfelder schreite, in den sorgenerfüllten Häusern der Hinterbliebenen einkehre und mit milder Hand in die brennenden Wunden lindernden Balsam träufle“100.
Ihre Bediensteten sollten freiwillig Lazarettdienst leisten, Bibeln und christliches Schriftgut verbreiten und sich in der Feldseelsorge und bei der Trauerbegleitung engagieren. Diese Tätigkeiten sollten einem missionarischen Zweck dienen, nämlich den „verwundeten Soldaten wirklich den Heiland nahe zu bringen und Ungezählten nach einem tapferen Heldenleben zu einem sieghaften, seligen Sterben zu verhelfen“101. Meiser betrachtete den Krieg als eine von Gott gegebene, besondere Gelegenheit für missionarisches Wirken. Dabei folgte er einem Artikel des Berliner Hofpredigers Adolf Stoecker102 von 1876, der den deutsch-französischen Krieg von 1870/71 zu einer Zeit religiöser Erhebung idealisiert hatte103. Meisers Artikel diente zwar der Mobilisierung der Inneren Mission für den Krieg und war von nationalem Pathos und Kriegsrhetorik durchsetzt, unterschied sich aber wesentlich von nationalprotestantischen Kriegspredigten, die vor Kriegsbegeisterung, nationaler Überhebung, Hass auf den Feind und Vereinnahmung Gottes für Deutschland strotzten104. Bei Meiser hingegen blieb das religiöse Moment im Vordergrund105, das für ihn keine nationale Überhebung begründete, sondern den Nationalismus relativierte. So hoffte zwar auch er, Gott werde Deutschland zum Sieg verhelfen, fasste aber schon bei Kriegsbeginn eine mögliche Niederlage ins Auge. Wesentlich war für ihn nicht ein Sieg, sondern dass „unser Gott im Himmel aus diesem Krieg die größte Beute heimbringe, viele lebendige Seelen, die […] für die Ewigkeit gewonnen sind“106. In den Missionsauftrag schloss er explizit auch den Kriegsgegner ein, was angesichts der ,Erbfeindschaft‘ zwischen Deutschland und Frankreich erstaunlich war. Nachdem er die Geschäfte des Landesvereins an Boeckh übergeben hatte, rückte Meiser Ende August 1914 in das Reserve-Lazarett Ingolstadt ein und 99 100 101 102 103 104 105 106
H. Meiser, Innere Mission, 103. Ebd. Ebd., 106. Vgl. Greschat, Stoecker; Brakelmann, Stoecker. Vgl. Stoecker, Geist. Beispiele bei Pressel, Kriegspredigt. So auch das Urteil von M nchenbach, Meiser, 78. Ebd.
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meldete sich zur Front107. Der Kriegseinsatz war für ihn selbstverständlich, zumal er wie Bezzel meinte, dass der Krieg Deutschland „aufgezwungen“108 worden sei109, und die allgemeine protestantische Mentalität teilte, nach der es in diesem Krieg um die „Verteidigung des Vaterlandes und den Bestand Deutschlands“110 ging. Während des Kriegseinsatzes führte Meiser ein Tagebuch, in dem er seine Erlebnisse und Einschätzungen minutiös festhielt111. Daraus geht hervor, dass es nach seiner Einberufung nur wenige Tage dauerte, bis seine missionarischen Hoffnungen zerstoben: Im Lazarett herrschten chaotische Zustände; vor allem aber war keine Stelle als Militärgeistlicher frei und seine Verwendung blieb wochenlang im Unklaren. Damit war er weder Militärgeistlicher noch normaler Soldat. Dies betraf nicht nur Meiser selbst, sondern galt für die Feldseelsorge im Ersten Weltkrieg generell, die „Improvisation blieb“ und „sich erst mühsam aus der Praxis heraus organisieren“ musste112. Die Situation war für ihn so unbefriedigend, dass er sich zum Sanitätsdienst meldete und seine Militärpapiere einreichte. An seiner ungeklärten Situation änderte das jedoch nichts. Da er keine Beschäftigung hatte, ergriff er von sich aus die Initiative und half freiwillig im Lazarett mit. Dort sah Meiser schwere Verletzungen, erlebte Amputationen mit und watete buchstäblich durch das Blut und den Eiter der Verwundeten. Entsprechend seinem Grundsatz, der missionarische Dienst gelte auch dem Kriegsgegner, half er verwundeten französischen Soldaten als Dolmetscher und versorgte sie mit französischen Schriften. Allerdings zeigten sich hier auch die antifranzösischen Ressentiments, die er schon in der Schule erworben hatte: Die Franzosen, so urteilte er, seien feige, wehleidig und hochmütig, die deutschen Soldaten hingegen „voll Begeisterung, kernig, frisch, solid ausgerüstet“113. Ende September 1914 sah es so aus, als wäre Meiser aus seiner unbefriedigenden Lage befreit: Er wurde zum Feldgeistlichen beim 1. Feldlazarett des 3. Bayerischen Armeekorps bestellt und an die Westfront nach Frankreich transportiert. Hatte es zuvor noch geheißen, es bestehe ein Mangel an Feldgeistlichen, stellte sich allerdings bald heraus, dass die Stellung der Feldgeistlichen auch an der Front ungeklärt war und dass es kaum Beschäftigung für sie gab. Zu Meisers ungeduldigem Warten auf einen Einsatz als Seelsorger kam jetzt noch wachsende Erbitterung hinzu, weil die Lazarettärzte die 107 Vgl. das unten Kap. II, Anm. 111, erwähnte Kriegstagebuch. 108 H. Meiser, Innere Mission, 104. 109 Vgl. Bezzel, Predigten 1, 36; die These vom ,erzwungenen Krieg‘ hatte Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg auf der Reichstagssitzung am 4. 8. 1914 aufgestellt (vgl. Nowak, Kirche, 55 f.). 110 Greschat, Krieg, 47. 111 Meisers Kriegstagebuch, auf dem die folgende Darstellung beruht, ist in drei Heften überliefert im LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-169 bis 171. 112 Zitate: Pçpping, Kriegspfarrer, 19. 113 Tagebucheintrag vom 29. 9. 1914 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-170).
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Abb. 14: Eintrag Hans Meisers in sein Kriegstagebuch, 23. November 1914
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Feldgeistlichen schikanierten und ihre Standesehre verletzten: Die Ärzte gestanden ihnen lediglich Rang und Sold eines einfachen Krankenwärters zu und forderten sie zur Abnahme ihrer Offiziersrangzeichen auf. Als den Geistlichen dann auch noch mitgeteilt wurde, sie hätten sich selbst zu verpflegen – was unter Frontbedingungen praktisch unmöglich war –, waren Meiser und seine Kollegen so empört, dass sie bei der Münchner Kirchenleitung protestierten. Zusätzlich angeheizt wurde die schlechte Stimmung durch den Stillstand der deutschen Westoffensive114. Meisers Einheit wurde mehrfach verlegt und stand häufig unter schwerem Beschuss. Da sich an seiner Unterbeschäftigung nichts änderte, behalf er sich auch an der Front, indem er freiwillig im Lazarett mitarbeitete. Eine Möglichkeit, als Seelsorger tätig zu werden, ergab sich erst Ende Oktober 1914, als er in Heudicourt kurzfristig einen Divisionsgeistlichen vertrat; zwar hatte er auch auf dieser Position außer einigen Gottesdiensten und Bestattungen nicht viel zu tun, jetzt bestätigte sich aber erstmals seine Erwartung, unter Kriegsbedingungen bestehe ein größeres Bedürfnis nach religiöser Erbauung als im Frieden. Dies setzte sich fort, als seine Einheit Mitte November 1914 nach Chaillon verlegt wurde. Meiser hielt Feld- und Sonntagsgottesdienste und beerdigte Gefallene, vor allem aber war er jetzt für die Seelsorge im Saal für Schwerverwundete zuständig. Hier setzte er das missionarische Programm um, das er bei Kriegsausbruch als Hauptaufgabe der Kriegsseelsorge beschrieben hatte, nämlich „unseren verwundeten Soldaten […] zu einem sieghaften, seligen Sterben zu verhelfen“115. Er führte Seelsorgegespräche und betete mit Schwerverwundeten, teilte das Abendmahl aus, erledigte die Korrespondenz für Verwundete und half ihnen dabei, Testamente zu erstellen. Befriedigt verbuchte er missionarische Erfolge wie im Fall eines lebensbedrohlich verletzten Leutnants, der Meiser seine inneren Konflikte offenbarte, sich mit seiner Familie versöhnte und vor dem Tod die Beichte ablegte. Die Zufriedenheit über die dankbare Aufnahme seiner Seelsorge konnte Meisers Entsetzen über die grausamen Verwundungen und die unzähligen Sterbefälle allerdings nicht verdecken. Erschrocken und ernüchtert stellte er im Dezember 1914 fest: „So bröckelt die Kraft unseres Volkes nach und nach zusammen.“116 Im Fronteinsatz wurden allerdings auch Meisers nationalistische Prägungen wirksam. So notierte er auf dem Transport durch das Elsass, das Frankreich nach dem Krieg von 1870/71 an Deutschland abgetreten hatte, voll nationaler Euphorie: „Das Land ist zu schön und zu reich und zu deutsch […], als daß wir es wieder hergeben könnten.“117 Beim Weitertransport nach Lothringen begeisterte er sich bei Mars-la-Tour über die „wunderbare 114 115 116 117
Vgl. Nipperdey, Geschichte 1866–1918, Bd. 2, 764. Vgl. oben Kap. II, Anm. 101. Tagebucheintrag vom 5. 12. 1914 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-170). Tagebucheintrag vom 29. 9. 1914 (ebd.).
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Abendstimmung über den Schlachtebenen von 1870“118 und in Vionville besichtigte er tief ergriffen die Kriegsgräber. Zudem verteidigte er die Art der deutschen Kriegsführung. Beim Anblick verelendeter französischer Zivilisten empfand er zwar tiefes Mitgefühl, hielt Berichte über Ausschreitungen deutscher Soldaten aber für erfunden, weil sie sich nicht mit seinem Eindruck deckten, dass die deutschen Truppen überall die „Ordnung gut aufrechterhalten“119 und die Zivilbevölkerung stets human behandeln würden. Auch Meisers antifranzösische Affekte machten sich an der Front bemerkbar. In der zerstörten Ortschaft Vigneulles nahm er zwar entsetzt Verwesungsgeruch wahr, mokierte sich aber über Französinnen, weil diese „statt niedergeschlagen und gedrückt zu sein“, lachten und „einen zieml[ich] frechen Eindruck“120 auf ihn machten. Zudem malte er in der Seelsorge an Verwundeten das Bild des prachtvollen deutschen Soldaten aus und spielte es gegen den vermeintlich wehleidigen und schlecht ausgerüsteten französischen Gegner aus. Hinzu kamen noch bayerntypische antipreußische Animositäten: Meiser beäugte kritisch preußische Kriegspfarrer und amüsierte sich über einen preußischen General, der aus Angst vor einem Angriff in einen Keller flüchtete. Zudem sah er durch einen katholischen Divisionsgeistlichen, der gegen den Protestantismus polemisierte, seine antikatholische Haltung bestätigt und schimpfte erbost: „Das System verdirbt den Charakter. Es ist einer wie der andere.“121 Meisers Kriegseinsatz endete Anfang Januar 1915 abrupt. Durch Beschwerden über die Desorganisation der Feldseelsorge alarmiert, beschloss das Oberkonsistorium, überzählige Geistliche abzuziehen. Dazu gehörte auch Meiser. Über seinen Fronteinsatz veröffentlichte er noch einen Bericht, in dem er im Gegensatz zu den chaotischen Zuständen in der Feldseelsorge eine pathetisch formulierte Erfolgsgeschichte präsentierte122. Wie sein Artikel zu Kriegsbeginn diente der Bericht der Mobilisierung der Inneren Mission für den Kriegseinsatz, vor der kirchlichen Öffentlichkeit diskreditierte Meiser den französischen Kriegsgegner allerdings nicht, sondern betonte vielmehr, dass „es trotz des Völkerkrieges eine Völkergemeinschaft höherer Art gibt, welche über allen Haß und alle Feindschaft hinüberreicht“, und wandte sich dagegen, den Heldentod für das Vaterland mit einem Freifahrtschein in das Reich Gottes gleichzusetzen, denn „nicht Menschenblut, auch nicht Heldenblut“ könne die menschliche „Sünde vor Gott sühnen“, sondern allein „das Blut Christi“123. Diese bemerkenswerten Töne waren ein klares Statement gegen die Überhöhung der Nation und des Heldentodes für das Vaterland zu Werten von Ewigkeitsrang. 118 119 120 121 122 123
Tagebucheintrag vom 8. 10. 1914 (ebd.). Tagebucheintrag vom 2. 10. 1914 (ebd.). Tagebucheintrag vom 19. 10. 1914 (ebd.). Tagebucheintrag vom 4. 11. 1914 (ebd.). Vgl. H. Meiser, Tag. Alle Zitate: ebd., 21.
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3. Gemeindepfarrer in München 3.1 Pfarramtstätigkeit an St. Matthäus und in München-Sendling Die Kirchenleitung plante bereits im November 1914, Meiser auf die dritte Pfarrstelle an der Münchner Kirche St. Matthäus zu berufen124. Die Stelle wurde ihm im Januar 1915 verliehen125. Daraufhin beurlaubte ihn das Kriegsministerium von seinem Dienst als Feldgeistlicher und entließ ihn schließlich ganz aus dem Kriegseinsatz126. Weil Meiser der jüngste Pfarrer in München war, predigte Dekan Hermann Lembert bei seiner Installation am 24. Januar 1915 über 1 Tim 4, 12 „Niemand verachte Deine Jugend“127. Meiser selbst verarbeitete in seiner Installationspredigt seine Kriegserlebnisse und betonte erneut, es komme nicht darauf, dass Deutschland siege, sondern dass „Gott siegt durch sein Wort“128. Meiser blieb für etwas mehr als sieben Jahre Pfarrer in München, bis 1920 an St. Matthäus und anschließend bis 1922 in München-Sendling. Dies blieb die einzige Zeit, in der er ein reguläres Pfarramt innehatte und die üblichen Pfarramtstätigkeiten ausübte: Er predigte, unterrichtete, hielt Kindergottesdienste, taufte, konfirmierte, traute, beerdigte und betrieb Einzelseelsorge129. Als Religionslehrer war er an verschiedenen Münchner Schulen eingesetzt130. Seelsorge suchten hauptsächlich weibliche Gemeindeglieder bei ihm. Dabei versuchte er ihren Glauben zu stärken, leistete aber auch in familiären, wirtschaftlichen und beruflichen Angelegenheiten tatkräftige Unterstützung131. Bei Meisers zweiter Münchner Pfarrstelle in Sendling handelte es sich um eine neu errichtete selbstständige Pfarrei132. Meiser erhielt die neue Stelle, weil 124 Vgl. die Schreiben von Oberkonsistorialrat Friedrich Braun an Boeckh vom 10. 11. 1914 (LAELKB, DW 165); und an Meiser vom 9. 12. 1914 (Privatarchiv Familie Meiser). 125 Vgl. die Königliche Entschließung vom 1. 1. 1915 (LAELKB, BD München [I] 3.7.0033-447). 126 Vgl. das Schreiben des Kriegsministeriums an das Staatsministerium des Inneren für Kirchenund Schulsachen vom 27. 1. 1915 (Privatarchiv Familie Meiser). 127 Vgl. die Niederschrift über die Installation (Abschrift vom 28. 1. 1915: LAELKB, BD München [I] 3.7.0033-447); vgl. auch M. Simon, Meiser, 407; M nchenbach, Meiser, 80. 128 Hsl. Original: LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-46; zit. nach der masch. Transkription (Privatarchiv Familie Meiser). 129 Vgl. Meisers Kindergottesdienstvorbereitungen von 1915 bis 1922 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-69); die Taufreden von 1915 bis 1920 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-68); die Auflistung der Konfirmanden (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-168); die Traureden von 1915 bis 1921 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-70); sowie die Beerdigungsansprachen von 1915 bis 1922 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-71 und 72). 130 An der Gisela-Realschule, der Ludwigs-Kreisrealschule, der Herzog Wilhelm-Schule, der Töchterschule Prinz-Ludwigshöhe und an der Stielerschule (vgl. die Schultagebücher von 1915 bis 1919: LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-164 bis 167). 131 Vgl. die Notizen über Seelsorgespräche von 1917 bis 1919 (LAELKB, LB 0.2.0004-591); vgl. auch den Schriftverkehr im LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-223 bis 227. 132 Vgl. die Entschließung des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 21. 1. 1920
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Abb. 15: Bestallungsurkunde Hans Meisers für die III. Pfarrstelle an St. Matthäus München, 1915 (LAELKB, BD München [I] 3.7.0033-778); vgl. auch die Unterlagen im LAELKB, BD München (I) 3.7.0033-774.
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er sich aus Sicht des Oberkonsistoriums an St. Matthäus hervorragend bewährt hatte133. Die Beförderung auf die Pfarrstelle erfolgte zum 1. Februar 1920, Meisers Installation durch Dekan Lembert fand zwei Wochen später im Sendlinger Betsaal statt134. Der Betsaal blieb bis Herbst 1920 seine Predigtstätte. Dieser Ort hatte für ihn besondere Bedeutung, denn hier hatte während des Ersten Weltkriegs Bezzel seine Sonntagsgottesdienste gehalten135. Nach Bezzels Tod im Juni 1917 gab Meiser eine Auswahl von Predigten Bezzels heraus, die dieser von 1914 bis 1916 in Sendling gehalten hatte136. Das bedeutendste Ereignis während Meisers Sendlinger Amtszeit war der Bau der Himmelfahrtskirche137. Nachdem sich Pläne für einen Kirchenneubau138 infolge von Krieg und Revolution zerschlagen hatten, erwarb die Münchner Kirchenverwaltung ein Gaststättengebäude139, dessen ehemaliger Tanzsaal zu einer Kirche umgebaut wurde140. Die Himmelfahrtskirche wurde am 7. November 1920 feierlich eingeweiht141. Neben Vertretern der Kirchenleitung, der Regierung und der Stadt München war auch General Erich Ludendorff anwesend142, der wenige Monate zuvor am republikfeindlichen Kapp-Lüttwitz-Putsch teilgenommen hatte und bis zu seinem Kirchenaustritt 1927 auf kirchlichen Veranstaltungen in München ein häufiger und angesehener Gast war143. Neben seinem Amt als Gemeindepfarrer engagierte Meiser sich auch weiterhin für die Innere Mission und hielt Kontakt zu seinem ehemaligen Vorgesetzten Friedrich Boeckh144. Er trieb die Gründung einer Evangelischen Jugendhilfe für München voran und übernahm 1916 für einige Monate die Leitung der Geschäftsstelle145. Im September 1916 wurde er in mehrere Aus-
133 Vgl. die undatierte Beurteilung für 1916 bis 1920 (LAELKB, LKR 0.2.0003-52487). 134 Vgl. das Installationsprotokoll vom 15. 2. 1920 (LAELKB, BD München [I] 3.7.0033-775); vgl. auch die Bestallungsurkunde vom 14. 2. 1920 (Privatarchiv Familie Meiser). 135 Vgl. M nchenbach, Meiser, 90. 136 Bezzel, Predigten. 137 Vgl. die „Urkunde für das Kreuz auf dem Vordergebäude der prot[estantischen] Sendlinger Kirche in der Khidlerstraße 15“ vom August 1920 (LAELKB, BD München [I] 3.7.0033-779; vgl. auch das von Meiser hsl. verfasste Original: LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-16). 138 Vgl. die Broschüre „Die neue Friedenskirche am Valley-Platz in München“ (LAELKB, BD München [I] 3.7.0033-779). 139 Vgl. das Schreiben Meisers an das Oberkonsistorium vom 26. 7. 1920 (LAELKB, BD München [I] 3.7.0033-779). 140 Vgl. M nchenbach, Meiser, 90; Daumiller, Schatten, 40. 141 Vgl. die Einladungsschreiben Meisers; die Gottesdienstordnung; sowie das Festprogramm (LAELKB, BD München [I] 3.7.0033-779). 142 Vgl. den Bericht in: Bayerische Staatszeitung und Bayerischer Staatsanzeiger, Nr. 261 vom 9. 11. 1920, 5. 143 Vgl. Tçllner, Schauspiel, 199, 201. 144 Vgl. den Schriftverkehr im LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-31; vgl. auch die weiteren Unterlagen ebd. 145 Vgl. F. Bachmann, Jugendhilfe, 44 f.
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schüsse des Vereins für Innere Mission in München gewählt146, ein Jahr später übernahm er auch den Vorstand des Münchner Diakonissenhauses147. Besonders stark engagierte er sich in der Münchner „Evangelischen Jugendgruppe für kirchlichen und sozialen Frauendienst“148 und vermittelte Mitglieder dieser Gruppe zur Ausbildung als Hilfskrankenschwester an die Diakonissenanstalt Neuendettelsau149. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Meiser im Sommer 1918 die Stelle des Rektors des Diakonissenmutterhauses und der Anstalten Neuendettelsau angeboten wurde150. Obwohl er die Arbeit in Neuendettelsau seit dem Studium hoch schätzte, lehnte er den Posten wegen inhaltlicher Differenzen mit der „Gesellschaft für Innere und Äußere Mission“151 ab152; an seiner Stelle wurde Hans Lauerer berufen, der die Position des Rektors auch noch während Meisers Amtszeit als Landesbischof innehatte153. Wenige Monate später lehnte Meiser auch die Bitte Boeckhs ab, die Leitung der Rummelsberger Anstalten zu übernehmen154. Wegen seines anhaltenden Engagements galt er bei seiner Wahl zum Landesbischof 1933 aber immer noch als „Mann der Inneren Mission“155. Als Gemeindepfarrer stellte Meiser erneut seine Fähigkeit unter Beweis, das Vertrauen der Gemeindeglieder zu gewinnen, sie für die Mitarbeit zu mobilisieren und sich positiv in ihre Erinnerung einzuprägen. Dies zeigte sich besonders, als er München 1922 verließ: Obwohl er in Sendling nur zwei Jahre amtiert hatte, errichtete die Gemeinde eine „Pfarrer-Hans-Meiser-Stiftung“156; auch das Münchner Gemeindeblatt und seine dienstlichen Beurteilungen waren des Lobes voll und hoben neben seiner Bekenntnistreue vor allem das große Vertrauen hervor, das er sich bei der Gemeinde erworben hatte157. Auch 146 Vgl. die Schreiben des Vereins für Innere Mission München an Meiser vom 19. 9. 1916 (Privatarchiv Familie Meiser). 147 Vgl. das Schreiben Albrecht Graf zu Pappenheims an Meiser vom 17. 9. 1917 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-226); und das Schreiben Wilhelm Eichhorns an Meiser vom 18. 10. 1917 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-224). 148 Vgl. die gedruckten, undatierten Richtlinien im LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-32. 149 Vgl. Meisers Schreiben an das Diakonissenmutterhaus Neuendettelsau vom 6. 2. 1918; die Vereinbarungen zwischen der Gruppe und dem Diakonissenmutterhaus vom 7. 2. 1919 (ebd.); sowie Meisers Korrespondenz mit Mitgliedern der Gruppe (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-18). 150 Vgl. M. Simon, Meiser, 207 f. 151 Vgl. Keller, Spätaufklärung, 57. 152 Vgl. die Absage Meisers vom 2. 6. 1918 (ZADN, Mutterhausregistratur Abgabe 2010, MHR2010-30). 153 Vgl. H. Braun, Innere Mission, 283. 154 Vgl. die Schreiben Boeckhs an Meiser vom 6. und 8. (Privatarchiv Familie Meiser); sowie vom 16. 11. 1918 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-12). 155 M nchenbach, Meiser, 5. 156 Vgl. ebd., 90. 157 Vgl. ebd.; vgl. auch die undatierte Beurteilung für die Jahre 1921 bis 1925 (LAELKB, LKR 0.2.0003-52487).
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Meiser selbst wies in seiner Abschiedspredigt vom 14. Mai 1922158 ungewöhnlich emotional auf die Liebe und große Bereitschaft zur Mitarbeit hin, die er in der Gemeinde erfahren habe159.
Abb. 16: Hans und Elisabeth Meiser mit den Kindern Elisabeth, Rudolf, Gertrud und Fritz, ca. 1921
Die Abschiedspredigt lag auf der gleichen Linie, die er schon als Vikar vertreten hatte: Er stellte das Wort Gottes in den Mittelpunkt und definierte seine eigene Rolle als Pfarrer als Verkündiger dieses Wortes. Die Predigt täuscht allerdings darüber hinweg, dass er sich in München keineswegs nur als Verkündiger des Wortes Gottes erwiesen, sondern regelmäßig auch politisch Stellung genommen und das Zeitgeschehen kommentiert hatte – ein Zeitgeschehen, das nichts weniger bedeutete als den Zusammenbruch der Welt, in der er fast vier Jahrzehnte gelebt hatte.
158 Hsl. Original im LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-54, Nr. 1108. 159 Zu Meisers Nachfolger wurde sein Freund Oskar Daumiller berufen (vgl. das Schreiben des Landeskirchenrats vom 7. 7. 1922: LAELKB, BD München [I] 3.7.0033-775; vgl. auch Daumiller, Schatten, 40–42), der in der NS-Zeit einer seiner engsten Mitarbeiter wurde.
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3.2 Verkündigung vom Ersten Weltkrieg bis zu den Anfängen der Weimarer Republik Meiser übte sein Gemeindepfarramt vor dem Hintergrund epochaler Ereignisse aus: dem Ersten Weltkrieg, der Kriegsniederlage, dem Ende der Monarchie und der Ausrufung der Republik; es folgten die Pariser Friedensverhandlungen, die Räterepublik, der Versailler Vertrag, die Nationalversammlung und die Annahme der Weimarer Reichsverfassung160. Das Kriegsgeschehen und die folgenden Umwälzungen nahm Meiser häufig zum Ausgangspunkt seiner Predigt, um vor dem jeweils aktuellen Hintergrund die Heilsbotschaft der Kirche zu entfalten. Dabei kamen allerdings auch seine politischen Einstellungen zum Ausdruck. Dazu urteilte Matthias Simon, Meiser habe sich weniger nationalistisch als andere Pfarrer gezeigt, was seiner kirchlichen Einstellung und dem Arbeitermilieu in seinem Pfarrsprengel geschuldet gewesen sei161. Dies deckt sich insofern mit dem Quellenbefund, als sich Meisers Verkündigung auch jetzt wieder von den im deutschen Protestantismus üblichen Kriegspredigten162 unterschied. So schärfte er seiner Gemeinde ein, dass die Deutschen zwar von Gott gesegnet, aber „nicht d a s auserwählte Volk“ seien, denn das Reich Gottes sei international und das neutestamentliche Gottesvolk bestehe aus „Gläubigen aller Zeiten und aller Orten“163. Zudem dämpfte er die nationale Euphorie, indem er drastisch die Grauen des Krieges und dessen Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung benannte164. Aus Meisers theologischen Überzeugungen folgte jedoch sowohl die Relativierung des Nationalen als auch die unverbrüchliche Loyalität zu Kaiser und Nation. Auf Grund seiner obrigkeitstheologischen Vorstellungen sah er es als seine Pflicht an, die Monarchie und die kaiserliche Kriegspolitik zu stützen und seine Gemeindeglieder zum willigen Kriegseinsatz aufzurufen. Dabei schlug er nationalistische und militaristische Töne an165, animierte zur Zeichnung der Kriegsanleihe166, lobte die politische und militärische Klugheit des Kaisers167, hielt seinen Konfirmanden die Heldentaten der Luftwaffe vor
160 161 162 163 164 165 166 167
Vgl. Mommsen, Urkatastrophe; B ttner, Weimar, 19–136. Vgl. M. Simon, Meiser, 407. Vgl. oben Kap. II, Anm. 104. Zitate aus Meisers Kriegsbetstunde vom 20. 8. 1915 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-46, Nr. 749). Vgl. die Ansprache bei der „Totengedächtnisfeier für die gefallenen Krieger“ am 21. 11. 1915 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-47, Nr. 764). Vgl. die Predigt an St. Matthäus vom 7. 11. 1915 (NL Meiser, Hans 8.7.0008-47, Nr. 760); vgl. auch die Ansprache vom 16. 6. 1916 (ebd., Nr. 797). Vgl. die Kriegsbetstunde an St. Matthäus vom 10. 3. 1916 (ebd., Nr. 784). Vgl. die Predigt an St. Matthäus vom 12. 12. 1915 (ebd., Nr. 766).
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Abb. 17: Hsl. Manuskript Hans Meisers für eine Kriegsbetstunde an St. Matthäus München (erste Seite), 10. März 1916
Augen168 und forderte die Bestrafung von „undeutschen“ Gegnern der Kriegspolitik169. 168 Vgl. die Konfirmationspredigt an St. Matthäus vom 16. 4. 1916 (ebd., Nr. 790). 169 Zitat aus der Predigt vom 20. 2. 1916 (ebd., Nr. 782).
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Als die Vereinigten Staaten Deutschland 1917 den Krieg erklärten und die russische Revolution ausbrach, war es mit solchen Tönen allerdings vorbei. 1917 wurde zum „Entscheidungsjahr der deutschen Geschichte und zu einem Epochenjahr der Weltgeschichte“170. Jetzt kippte auch bei Meiser die Stimmung, der noch im Januar mit dem „König-Ludwig-Kreuz für Heimatverdienste“ ausgezeichnet wurde171. Bestürzt stellte er fest, dass fast alle Länder über Deutschland „herfallen“172 würden, und empörte sich im Sinne Wilhelms II. über die Ablehnung der deutschen Friedensangebote173 durch die Alliierten174. Die neue Lage nahm er allerdings auch zum Anlass, bemerkenswert selbstkritisch die Rolle zu reflektieren, die die protestantische Kriegspredigt zu Beginn des Krieges eingenommen hatte. So wies er nachdrücklich darauf hin, „daß im Evangelium die Kriegsfanfaren doch stark übertönt werden von den Friedensklängen“ und dass das Evangelium „in diese Welt […] eindringlich die Botschaft der Liebe u[nd] des Friedens hineinruft“175. Ab dem Jahreswechsel 1917/18 klangen Meisers Lagebeschreibungen zunehmend resignativ176. Er beklagte, viele Menschen hätten ihre bisherigen Weltanschauungen verloren177, und sah die Apokalypse heraufziehen178. Er beließ es jedoch nicht beim Lamento, sondern nutzte die niederschmetternde Lage der letzten Kriegsmonate, um der Gemeinde umso mehr die Heilsbotschaft der Kirche in Erinnerung zu rufen179 und dem Zusammenbruch der Weltanschauungen den christlichen Glauben entgegenzusetzen, der angesichts des Leids allein noch Halt und Trost bieten könne180. Selbst im Moment der Niederlage verkündete er noch, Jesus wolle „in dieser düsteren Zeit […] als der Freudenbringer bei uns einkehren“181. Mit der Kriegsniederlage und der Ausrufung der Republik im November 1918 trat dann ein Fall ein, der in Meisers Obrigkeitstheologie nicht vorgesehen war und der für ihn gegen die von Gott gesetzte Ordnung verstieß: Die Untertanen revoltierten gegen die Obrigkeit und schwangen sich nach dem 170 Nowak, Geschichte, 201. 171 Verleihungsurkunde des Bayerischen Innenministeriums vom Januar 1917 (Privatarchiv Familie Meiser); er erhielt außerdem das Preußische Verdienstkreuz für Kriegshilfe (undatierter Vormerk auf dem Personalbogen: LAELKB, LKR 0.2.0003-52487). 172 Kriegsbetstunde vom 13. 4. 1917 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-49, Nr. 851). 173 Vgl. Michaelis / Schraepler, Ursachen, 85. 174 Vgl. die Kriegsbetstunden vom 22. 6. 1917 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-49, Nr. 862); und vom 5. 4. 1918 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-50, Nr. 907). 175 Predigt an St. Matthäus am 2. 9. 1917 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-49, Nr. 870). 176 Vgl. die Predigten an St. Matthäus am 1. 1. und 3. 2. 1918 (ebd., Nr. 890 und 894). 177 Vgl. die Predigt an St. Matthäus am 23. 6. 1918 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-50, Nr. 918). 178 Vgl. die Predigt an St. Matthäus am 27. 10. 1918 (ebd., Nr. 934). 179 Vgl. die Predigt an St. Matthäus am 3. 2. 1918 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-49, Nr. 894). 180 Vgl. die Predigt an St. Matthäus am 23. 6. 1918 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-50, Nr. 918). 181 Predigt an St. Matthäus am 27. 10. 1918 (ebd., Nr. 934).
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Prinzip der Volkssouveränität selbst zum Träger der Staatsgewalt auf. Ähnlich wie der neue Präsident des Oberkonsistoriums Friedrich Veit und die überwältigende Mehrheit der nationalkonservativen Protestanten reagierte er mit Trauer, Unverständnis und Ablehnung182. So wetterte er eine Woche nach Ausrufung der Republik: „Wird jetzt auch die erzwungene Freiheit hoch gepriesen, wir dürfen die sittlichen Begriffe nicht verwirren lassen und müssen unserem Volk sagen: Du hast eine Schuld auf dich geladen, die du vor deinem Gott zu verantworten hast und der Unsegen des Treuebruches ist mit dir über die Schwelle in das neue Haus gegangen, das du zimmern willst.“183
Angesichts dieses vernichtenden Urteils überrascht es, dass Meiser schon kurz darauf differenziertere Signale aussandte: In einem Vortrag bei der Deutschen Christlichen Studentenvereinigung beharrte er zwar darauf, dass die Revolution „sittliches Unrecht“ gewesen sei, wies die Schuld aber nicht nur den Revolutionären zu, sondern auch den Monarchen, die der Umwälzung keinen Widerstand entgegengesetzt hätten. Vor allem aber gewann er dem „Durchbruch der demokratischen Idee“ positive Aspekte ab, nämlich die „Herausarbeitung des Menschheitlichen über das Nationale“, eine „größere Beachtung der Menschenrechte“ und die Hoffnung, die Menschheit werde lernen, „daß allein der Geist der Bergpredigt die Völkerbeziehungen zu dauernden gestalten kann“184. Nicht weniger überraschend kündigte er im gleichen Atemzug an, die Kirche werde „der gegenwärtigen Gewalt“ gegenüber zwar „Zurückhaltung üben“, könne aber „mit gutem Gewissen“ am „Neuaufbau“ mitarbeiten185. Mit dieser Haltung stand er nicht allein, denn die führenden Kräfte in der Landeskirche verzichteten insgesamt darauf, für eine Restitution der Wittelsbacher zu kämpfen, und versuchten stattdessen, sich mit den neuen politischen Kräften zu arrangieren, um die Rechte der Kirche zu wahren und ihre Unabhängigkeit vom Staat zu erreichen186. Vermutlich war es gerade Meisers Offenheit für die neuen politischen Verhältnisse, die dazu führte, dass er als jüngster Münchner Pfarrer dazu ausersehen wurde, Einfluss auf die neuen Machthaber zu nehmen und bei der Neuordnung die kirchlichen Interessen zu vertreten. So wählte ihn der bayerische Pfarrerverein zu seinem Vertreter im „provisorischen Parlament des bayer[ischen] Volksstaats“187, was freilich nicht mehr als ein Beobachterposten
182 183 184 185 186 187
Vgl. Nowak, Kirche, 38–43; Ders., Geschichte, 205 f. Predigt an St. Matthäus am 17. 11. 1918 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-50, Nr. 936). Alle Zitate aus dem Vortrag vom 20. 11. 1918 (ebd., Nr. 937). Zitate: ebd. Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 5 f. Bescheinigung („Ausweis“) des Pfarrervereins vom 25. 11. 1918 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-12).
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war188; zudem führte er im November 1918 Gespräche mit dem bayerischen Justizminister Johannes Timm, die vermutlich dazu dienten, den unsicheren rechtlichen Status der Kirche zu klären189. Die Bereitschaft zum Dialog war für Meiser freilich an klare Voraussetzungen gebunden: Er erwartete eine zügige Neuordnung der politischen Verhältnisse; vor allem aber band er die Mitwirkung am Aufbau eines republikanischen Staatswesens an die Christianisierung von Volk und Gesetzgebung190 und an die Sicherstellung der öffentlichen Wirksamkeit der Kirche. Außertheologische Kriterien spielten für ihn für das Gelingen des staatlichen Neuaufbaus keine Rolle. Die politischen Verhältnisse wurden allerdings zunehmend verworrener und gipfelten nach der Ermordung Eisners im Februar 1919 in der Münchner Räterepublik191. Zudem respektierten die neuen Machthaber keineswegs die Unabhängigkeit der Kirche: Zwar kündigte die sozialdemokratische Regierung192 an, die Freiheit der Religionsgesellschaften gewährleisten zu wollen, beanspruchte aber die Rechte des Summus Episcopus für sich193. Diese Rechte nahm ab November 1918 der Kultusminister und spätere Ministerpräsident Johannes Hoffmann wahr, der eine dezidiert kirchenfeindliche Religions- und Kulturpolitik betrieb und ab Dezember antikirchliche Maßnahmen wie die Abschaffung des Religionsunterrichts als Pflichtfach einläutete194. Politische Instabilität und kirchenfeindliche Politik nahm Meiser zum Anlass, auf der Kanzel ein Untergangsszenario an das nächste zu reihen und zum Proteststurm zu blasen. So polterte er an Weihnachten 1918, die politisch Verantwortlichen führten das Volk dem „Untergang entgegen“195. An Sylvester 1918 wetterte er, das Volk habe „in der derselben Stunde, in der der Feind von außen die Mauern unseres Hauses zertrümmerte“, „seine Fürsten, seine Könige, seinen Kaiser […] von sich gestoßen“ und einen „moralischen Zusammenbruch“ bisher ungekannten Ausmaßes herbeigeführt196. Besonders empörte ihn die religiöse Neutralität des neuen Staates und die angekündigte Gleichstellung der Religionsgesellschaften; dagegen führte er an, dass das Christentum allen anderen Religionen überlegen sei197. Gegen die Abschaffung des Religionsunterrichts als Pflichtfach rief er die Gemeindeglieder regelrecht zum Widerstand auf198. 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 198
Vgl. das Schreiben des Pfarrervereins an Meiser vom 6. 12. 1918 (ebd.). Vgl. M. Simon, Meiser, 408; Renner, Nachkriegsprotestantismus, 6; und Maser, Kirche, 71. Vgl. den oben Kap. II, Anm. 184, erwähnten Vortrag vom 20. 11. 1918. Vgl. unten Kap. II 3.3. Vgl. Link, Summepiskopat, 58. Vgl. H bner, Neuordnung, 212 f.; Maser, Kirche, 10. Vgl. Link, Summepiskopat, 61. Predigt am 29. 12. 1918 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-50, Nr. 944). Zitate aus der Predigt an St. Matthäus am 31. 12. 1918 (ebd., Nr. 945). Vgl. die Predigt am 5. 1. 1919 (ebd., Nr. 946). Vgl. die Predigt am 2. 2. 1919 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-51, Nr. 951); ähnlich lauteten die Stellungnahmen Hermann Lemberts und Wilhelm Freiherr von Pechmanns (vgl. Tçllner, Fieber, 126 f.).
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Über die antikirchliche Schulpolitik war er umso mehr empört, als seine Schüler ihm ultimativ androhten, den Religionsunterricht zu verlassen, wenn er nicht auf Schulaufgaben und Benotung verzichten würde199. Die Religions- und Kirchenpolitik der bayerischen Regierung veranlasste Meiser vor den Wahlen für den verfassunggebenden Landtag im Januar 1919200 schließlich dazu, die von den Pfarrern geforderte parteipolitische Neutralität201 zu verlassen und offen gegen die Sozialdemokratie und andere kirchenfeindliche Parteien zu votieren. Für ihn ging es jetzt um eine Grundsatzentscheidung „zwischen der materialistischen u[nd] der metaphysischen Weltanschauung“, die die Kirche vor die „Bekenntnis- und Zeugenpflicht“ stellte202. Eisners unabhängige Sozialdemokraten erlitten dann zwar eine Wahlniederlage203, Meiser konnte aber dennoch nicht aufatmen: Als wenige Monate später die sozialistische Räterepublik ausgerufen wurde, geriet nicht nur die Kirche, sondern auch er persönlich in Gefahr. 3.3 Reaktionen auf die Räterepublik und den Versailler Friedensvertrag Am 7. April 1919 riefen sozialistische Kräfte die Münchner Räterepublik aus, die nach blutigen Kämpfen wenige Wochen später niedergeschlagen wurde204. Wegen mangelnden Rückhalts in der Bevölkerung räumte Meiser den Räten von Anfang an keine großen Chancen ein. Durch die neuen Machthaber, die „meistens Ausländer und mosaischer Religion“205 seien, sah er allerdings seine Ressentiments gegen Fremde und Juden206 bestätigt. Im Vergleich zu dem damals weit verbreiteten „antisemitischen Stereotyp vom Ostjuden“, der „aufgrund seines fremden Wesens nicht in die westliche, zivilisierte Gesellschaft passe, der diese sogar bedrohe und der schwer kriminell“207 sei, blieb Meisers Tonfall aber noch gemäßigt. Die Aussicht auf eine mögliche Kirchenverfolgung und selbst auf seinen eigenen Tod schreckte ihn nicht, denn – so schrieb er seiner Frau in Anspielung auf Schillers Braut von Messina – das „Leben ist der Güter höchstes nicht“208. Zwei Wochen nach Ausrufung der Räterepublik kam es dann zu einer Situation, die retrospektiv häufig so gedeutet wurde, als sei sein Leben tat199 Vgl. das Schreiben Meisers an einen Pfarrkollegen vom 26. 10. 1919 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008–262). 200 Vgl. Zorn, Kirche, 161. 201 Vgl. oben Kap. I 2. 202 Zitate aus der Predigt an St. Matthäus am 12. 1. 1919 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-50, Nr. 948). 203 Vgl. A. Schwarz, Zeit, 422 f. 204 Vgl. ebd., 425–435. 205 Schreiben Meisers an seine Frau Elisabeth vom 7. 4. 1919 (Privatarchiv Familie Meiser). 206 Vgl. oben Kap. II 1. 207 Hermann, Visier, 43. 208 Zitat aus dem oben Kap. II, Anm. 205, erwähnten Schreiben.
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sächlich in Gefahr gewesen: Am Morgen des 22. April 1919 wurde er von bewaffneten Soldaten der Räterepublik ohne Begründung gefangen genommen. Nach Simon wurde er hier Opfer gezielter „kirchenfeindliche[r] Leidenschaft“209, während Siegfried Münchenbach die Verhaftung in den Kontext der wahllosen Verhaftungen stellte, die sich beim Vorrücken von Reichswehr und Freikorps auf München ereigneten210. Meisers damaliger Kollege Friedrich Nägelsbach meinte hingegen, er sei nicht als Pfarrer, sondern „als Bewohner eines Hauses am Bavariaring“ verhaftet worden, „wo die Räte-Gewaltigen damals reihenweise Geiselnahmen durchführten, um von den meist wohlhabenden Bewohnern Geld zu erpressen“211. Tatsächlich spielte Meisers Pfarrberuf aber doch eine Rolle. Nach der Verhaftung wurde er zusammen mit einigen Bewohnern der Nachbarhäuser in der Schule in der Münchner Guldeinstraße festgehalten und dann in einer Zelle in der Polizeiwache in der Astallerstraße arretiert. Nachmittags wurden alle außer Meiser wieder aus der Haft entlassen. Als er gegen 18 Uhr einen Vertreter der Räteregierung aufforderte, die Haftgründe zu nennen, und seine Entlassung verlangte, erklärte dieser, er sei eine „Geisel zum Schutz der Räterepublik“; für seine Inhaftierung bedürfe es keiner besonderen Gründe, es genüge vielmehr allein die Tatsache, dass er Pfarrer sei, denn „die Räterepublik erachte die Geistlichen für gefährlich, da das ganze System Kirche gegen die Räterepublik sei“212. Meisers Proteste nutzten ebenso wenig wie eine Intervention von Präsident Veit213. Dann setzte sich allerdings die Wachmannschaft für ihn ein, von der Meiser den Eindruck hatte, ihr sei die Angelegenheit peinlich, und ließ ihn eine Erklärung unterschreiben, in der er sich dazu verpflichtete, nicht gegen die Räterepublik vorzugehen. Daraufhin wurde er entlassen. Tatsächlich hatte er die Entlassung aber wohl nicht dieser Erklärung, sondern dem Eingreifen einer Gemeindeschwester zu verdanken: Schon am Morgen war auf der Schwesternstation im Münchner Westend bekannt geworden, dass er sich in Haft befand214. Eine Schwester hatte sich daraufhin bei der Ehefrau des Räteführers für ihn eingesetzt und argumentiert: „Unser Pfarrer Meiser […] hat doch selber nichts und nimmt sich so um die Armen an! Da blamiert sich doch Ihr Mann, wenn das aufkommt; er soll ihn doch gleich freilassen!“215 Nach der Entlassung protestierte Meiser nicht öffentlich gegen die Räterepublik, sondern legte nur beim Oberkonsistorium Verwahrung wegen wi209 M. Simon, Meiser, 408. 210 Vgl. M nchenbach, Meiser, 78 f. 211 Schreiben Nägelsbachs an Rudolf Meiser vom 23. 2. 1983 (Privatarchiv Familie Meiser); vgl. auch Maser, Kirche, 144, Anm. 109. 212 Hsl. Bericht Meisers an das Oberkonsistorium vom 23. 4. 1919 (LAELKB, OKM 0.1.0001-3617); zur Inhaftierung Meisers vgl. auch Tçllner, Fieber, 130 f. 213 Vgl. Sommer, Veit Kirchenleitung, 124. 214 Vgl. Baier, Liebestätigkeit, 255, Anm. 372. 215 Zitat aus dem oben Kap. II, Anm. 211, erwähnten Schreiben Nägelsbachs.
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derrechtlicher Freiheitsberaubung ein216. Dieses Vorgehen ähnelte bereits seinem späteren Verhalten als Landesbischof: Entsprechend der neulutherischen Obrigkeitslehre, nach der es der Kirche nicht erlaubt sein sollte, den Staat öffentlich zu kritisieren, verzichtete er während der NS-Herrschaft auf öffentliche Kritik und protestierte nur gegen einzelne Rechtsverletzungen. Auch ein weiteres für Meisers späteres Verhalten charakteristisches Merkmal wurde schon hier deutlich: Er wollte vor allem Schaden von der Kirche abwenden und ging deshalb taktisch vor: So riet er dem Oberkonsistorium „dringend von generellen Maßnahmen zu Gunsten der Geistlichen ab, da der Erfolg der sein könne, daß auf die hiesigen Pfarrer erst aufmerksam gemacht würde und gegen die Kirche u[nd] ihr angebliches System vorgegangen werden könnte“217. Ihre eigentliche Brisanz gewann Meisers Verhaftung erst durch die Geiselmorde, die sich acht Tage später auf dem Gelände des damaligen LuitpoldGymnasiums in der Müllerstraße ereigneten218. Im Nachhinein erschien es nun, als sei auch Meisers Leben akut bedroht gewesen. Während der NSHerrschaft instrumentalisierte die Kirchenleitung die Verhaftung dann, um seine nationale Gesinnung unter Beweis zu stellen und auf diese Weise die Angriffe von Staat und Partei auf den unbotmäßigen Landesbischof abzuwehren219. Dabei wurde Meisers Geiselhaft fälschlich von der Guldeinschule in das Luitpoldgymnasium verlegt220. Diese Darstellung hielt sich auch noch in der Memorialliteratur221. Erst Siegfried Münchenbach wies 1976 auf die Legendenbildung um Meisers Verhaftung und deren politische Instrumentalisierung während der NS-Herrschaft hin222. Aus seiner Verärgerung über die Räterepublik machte Meiser nach seiner Entlassung zwar keinen Hehl223, sein Zorn richtete sich nun aber gegen den Versailler Friedensvertrag, der nicht nur in der evangelischen Kirche, sondern „von der nationalistischen Rechten bis zur marxistischen Linken“ bei der überwältigenden Mehrheit der Deutschen auf Ablehnung und Empörung 216 Vgl. den oben Kap. II, Anm. 212, erwähnten Bericht Meisers. 217 Aktenvermerk des Oberkonsistoriums vom 26. 4. 1919 auf dem oben Kap. II, Anm. 212, erwähnten Bericht Meisers. 218 Vgl. Tçllner, Fieber, 132 f. 219 So behauptete der Landeskirchenrat in einem Schreiben an Hitler vom 14. 10. 1934, Meiser habe „erschossen werden“ sollen (zit. nach dem Abdruck bei H. Hermelink, Kirche, 173 f.); ähnlich schrieb 1937 auch Helmut Kern, Meiser wäre ohne das wunderhafte Eingreifen Gottes von den Spartakisten „wohl erschossen worden“, weil „er ein nationaler Mann gewesen ist“ (zit. nach M nchenbach, Meiser, 387, Anm. 36). 220 Vgl. z. B. das Schreiben Pfarrer Wilhelm Riegels an Reichsstatthalter Ritter von Epp vom 17. 9. 1934 (BayHStA, StK 7295). 221 Vgl. J. Schieder, Meiser, 91. 222 Vgl. M nchenbach, Meiser, 79 f.; leider verlegte auch er die Geiselhaft in das Luitpoldgymnasium, in der Folge dann auch Schulze, Pfarrer, 20. 223 Vgl. die Beichtrede an St. Matthäus am 27. 4. 1919 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-51, Nr. 964); vgl. auch die Predigt an St. Matthäus am 11. 5. 1919 (ebd., Nr. 965).
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stieß224. Von Beginn der Vertragsverhandlungen bis zur Unterzeichnung im Juni 1919 attackierte Meiser den Vertrag und übernahm dabei die Diktion der Kundgebungen und Proteste evangelischer Kirchenleitungen225. So verkündete er kurz vor Unterzeichnung des Vertrages voll nationaler Entrüstung: „Wir […] sollen nun auch noch ein entehrtes Volk werden, sollen sagen, daß wir schuldig sind, uns als Verbrecher bekennen.“226
Abb. 18: Hsl. Predigtmanuskript Hans Meisers nach der Unterzeichnung des Versailler Vertrags (Auszug), 29. Juni 1919
Am Tag nach der Unterzeichnung empörte Meiser sich, der Versailler Friede schlage wie ein „schwarzes Ungeheuer“ seine „scharfe[n] gierige[n] Krallen in den Leib unseres Volkes“227. Als die evangelischen Kirchenleitungen im Juli 224 Vgl. dazu und zum Folgenden Nowak, Kirche, 55–63 (Zitat: 55). 225 Vgl. die ebd., 57, zitierte Kundgebung des Deutschen Evangelischen Kirchenausschusses vom April 1919. 226 Abendbetstunde am 20. 6. 1919 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-51, Nr. 970). 227 Predigt am 29. 6. 1919 (ebd., Nr. 971).
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1919 anlässlich der Vertragsunterzeichnung einen Trauersonntag anordneten228, klagte er erschüttert: „Der Friede, der uns aufgezwungen ist, hat uns den Herzen unserer Feinde nicht näher gebracht, er läßt nur neuen Groll u[nd] neue Erbitterung in uns aufkommen.“229 Auch im Schulunterricht thematisierte Meiser den Vertrag und ließ die Schüler Strafarbeiten verfassen, deren Urteile über Versailles vernichtend ausfielen230. Nach dem ersten Sturm der Entrüstung war bei Meiser von Versailles allerdings schnell keine Rede mehr. Er brachte zwar noch gelegentlich Trauer über den Verlust des Kaiserreichs zum Ausdruck231 oder forderte zum Gedenken an die Gefallenen des Weltkriegs auf232, blieb aber nicht in revisionistischen Hoffnungen befangen, sondern fand sich mit den politischen Tatsachen ab und stellte den Neuaufbau in den Mittelpunkt233. Dabei sollte der Kirche die Aufgabe zukommen, das deutsche Volk „wieder zu einem Volk zu machen, in dem Gott […] mit neuem Eifer gedient wird“234. Um dieses Ziel zu erreichen, musste sich die evangelische Kirche allerdings erst neu ordnen und ihr Verhältnis zum Staat klären. An diesem Prozess war Meiser beteiligt und brachte klar profilierte Positionen ein. 3.4 Mitarbeit an der Neuordnung der Landeskirche Mit der Flucht von König Ludwig III. und der Entbindung der Beamten vom Treueid im November 1918235 endete auch in Bayern die für den deutschen Protestantismus seit der Reformationszeit charakteristische „Symbiose der evangelischen Kirche mit der monarchischen Staatsform in Gestalt des Summepiskopats“236. In der Folge war die Landeskirche gezwungen, sich eine neue Verfassung zu geben und ihr Verhältnis zum Staat neu zu regeln. Allerdings wurde die Trennung von Kirche und Staat in Bayern erst 1920 vollzogen; zunächst erließ die Regierung Eisner im November 1918 noch eine Verordnung, nach der die Rechte des Königs als Summus Episcopus dem Kultusminister zufielen. Weil die Kirche finanziell vom Staat abhängig war, wollte die Kirchenleitung die Trennung nicht von sich aus betreiben, sondern die In-
228 229 230 231 232 233 234 235 236
Vgl. Nowak, Kirche, 62. Beichtrede am 6. 7. 1919 an St. Matthäus (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-51, Nr. 972). Die Strafarbeiten sind überliefert im LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-262. Vgl. die Predigt am 25. 12. 1919 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-51, Nr. 995). Vgl. die Predigt beim Gedächtnisgottesdienst für die Gefallenen des oberbayerischen Schützenverbands am 14. 9. 1919 (ebd., Nr. 979). Vgl. die Predigt an St. Matthäus am 20. 7. 1919 (ebd., Nr. 972). Predigt an St. Matthäus am 18. 1. 1920 (ebd., Nr. 997). Vgl. Maser, Kirche, 9. Link, Summepiskopat, 58.
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itiative dem Staat überlassen. Die Neuordnung der Landeskirche dagegen sollte sofort in Angriff genommen werden237. Die Kirchenleitung bezog Meiser schon frühzeitig in die Neuordnung ein. Neben prominenten kirchlichen Persönlichkeiten wie Wilhelm Freiherr von Pechmann und Philipp Bachmann gehörte er zu den ca. 40 Vertretern verschiedener kirchlicher Gruppen, die Veit im Dezember 1918 zu einer Beratung einlud238. Dabei betonte Veit, die Kirche müsse sich auf die Trennung vom Staat vorbereiten und eine neue Wahlordnung für eine verfassunggebende Generalsynode schaffen239. Übereinstimmend wurde dann eine „umfassende Neugestaltung der Kirchenverfassung […] und die Neubildung der Synode“240 beschlossen. Meiser wurde Schriftführer und Protokollant eines Ausschusses, der die neue Wahlordnung ausarbeiten sollte241. In diesem Ausschuss profilierte er sich besonders durch ein Gutachten zum kirchlichen Frauenwahlrecht242. Wie in seiner Examensarbeit zur Frauenbewegung243 postulierte er dabei die religiöse Gleichwertigkeit von Mann und Frau und stellte zugleich heraus, dass die schöpfungsmäßigen Geschlechtsunterschiede es verbieten würden, Frauen kirchenleitende Positionen zu übertragen. Er meinte, sofern diese Grundsätze berücksichtigt würden, könne Frauen das aktive und passive Wahlrecht für die Kirchenvorstände gewährt werden, zumal sie sich in der Vergangenheit stark in den Gemeinden engagiert und bewährt hätten. Allerdings sollten sie andere Aufgaben wahrnehmen als Männer; zudem sollte ihre Zahl begrenzt werden. Auch gegen das aktive und passive Wahlrecht von Frauen zur Generalsynode hatte er keine prinzipiellen Einwände, hielt dessen Einführung aber für verfrüht, weil Frauen in gesamtkirchlichen Fragen nicht genügend Erfahrung hätten. Neben dem Frauenwahlrecht bezog Meiser auch zu grundsätzlichen Fragen des kirchlichen Wahlrechts Position. Dabei leiteten ihn außer kirchlichtheologischen Gesichtspunkten auch die instabilen politischen Verhältnisse, die nach den bayerischen Wahlen vom Januar 1919 in eine SPD-Minderheitsregierung gemündet waren und einen Monat später in der Ermordung Eisners gipfelten244. Meiser votierte in einer Stellungnahme zum Verhältniswahlrecht strikt gegen dessen Anwendung im kirchlichen Raum, weil es dadurch auch in der Kirche zu Parteibildungen und -kämpfen kommen würde. 237 Vgl. Maser, Kirche, 10 f. 238 Einladungsschreiben des Oberkonsistoriums gez. Veit an Meiser vom 11. 12. 1918 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-12); vgl. auch Maser, Kirche, 11. 239 Vgl. die hsl. Mitschrift Meisers (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-12). 240 Ebd. 241 Vgl. Knopp, Ende, 100. 242 Undatiertes Typoskript „Kirchliches Frauenwahlrecht. Referat von Pfarrer Meiser München“ (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-14); vgl. auch Meisers öffentlichen Vortrag „Kirchliches Frauenwahlrecht“ vom 7. 3. 1919 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-51, Nr. 955); Knopp, Ende, 111 f.; und Link, Summepiskopat, 65, Anm. 175. 243 Vgl. oben Kap. I 8. 244 Vgl. Maser, Kirche, 12; Knopp, Ende, 101.
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Zudem meinte er, die Anwendung des Verhältniswahlrechts würde zur Nivellierung der für die Landeskirche charakteristischen lokalen Eigenarten führen, da große Wahlkreise gebildet werden müssten245. In einer weiteren Stellungnahme befasste er sich mit der Durchführung von unmittelbaren Wahlen nach politischem Vorbild. Er erkannte zwar an, dass das kirchliche Wahlrecht demokratische Züge bekommen müsse, lehnte unmittelbare Wahlen aber ab, weil damit kirchenferne Wähler Einfluss erhalten und politische Parteien die Wahlen für ihre Zwecke missbrauchen würden. Um dies zu verhindern, plädierte er anstelle einer neuen Wahlordnung für eine den Zeiterfordernissen behutsam angepasste Umgestaltung des bestehenden Wahlrechts. Dabei sollte das bisherige mehrstufige Wahlsystem durch eine Wahl der Synode durch die Kirchenvorstände ersetzt werden und verstärkt das Gemeindeprinzip zur Geltung kommen246. Meiser setzte sich zwar nicht in allen Punkten durch, die Vorlage für die Wahlordnung, die von der außerordentlichen Generalsynode vom 23. bis 31. Juli 1919 in Ansbach angenommen wurde247, trug aber seine Handschrift: Sie sah die indirekte Wahl zur Synode durch die Kirchenvorstände vor, gestattete den Wahlbezirken jedoch die Entscheidung zwischen Mehrheits- und Verhältniswahlrecht; Frauen wurde das aktive und passive Wahlrecht zum Kirchenvorstand sowie das aktive Wahlrecht zur Generalsynode gewährt, die Frage aber, ob Frauen später auch das passive Wahlrecht erhalten sollten, wurde offen gelassen248. Das passive Wahlrecht bekamen Frauen dann erst 1958249. Auf der Synode selbst, die neben der Wahlordnung auch eine Notverfassung beschloss250 und die Befugnisse des Landesherrn als Summus Episcopus auf das Oberkonsistorium übertrug251, spielte Meiser keine Rolle, denn er war lediglich Ersatzdelegierter252. Im Juli 1920 wurde er zum geistlichen Mitglied der verfassunggebenden Generalsynode gewählt253 und in mehrere Ausschüsse berufen254, vor allem in 245 Vgl. Meisers undatierte Stellungnahme „Grundsätzliches zum Verhältniswahlsystem!“ (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-14). 246 Undatierte Stellungnahme „Vorschläge für den Entwurf neuer Wahlvorschriften und einer prov. Wahlordnung zur Generalsynode für die prot. Landeskirche in Bayern r. d. Rheins“ (ebd.). 247 Abdruck der Vorlage im ABlELKB 1919, 126–142. 248 Vgl. die „Allgemeine Begründung“ zur provisorischen Wahlordnung (ebd., 146–155, hier: 153). 249 Vgl. H bner, Neuordnung, 215. 250 Abdruck: ABlELKB 1920, 59–61. 251 H bner, Neuordnung, 215. 252 Vgl. ABlELKB 1919, 190. 253 Vgl. die Niederschrift über die Wahl der Abgeordneten und Ersatzmänner vom 18. 7. 1920 (LAELKB, BD München [I] 3.7.0033-29); vgl. das Schreiben Veits an Meiser vom 30. 7. 1920; sowie das Einladungsschreiben des Ansbacher Konsistoriums vom 4. 8. 1920 (LAELKB, NL Meiser, Hans, 8.7.0008-14). 254 Vgl. M nchenbach, Meiser, 91.
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den Arbeitsausschuss, der mit der neuen Kirchenverfassung befasst war255. Mit seinen Voten profilierte er sich nicht nur in den Ausschüssen, sondern auch auf der verfassunggebenden Generalsynode selbst. Sie tagte vom 17. August bis 12. September 1920 in Ansbach und stellte mit der einstimmigen Verabschiedung der „Verfassung der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern r. d. Rhs.“256 die Weichen für die Zukunft der Landeskirche257. Bei den Debatten über die Kirchenverfassung stand für Meiser die Bekenntnisfrage im Vordergrund258. Sein Ziel, die Bindung an das Bekenntnis in der Verfassung festzulegen, wurde auf der Synode überraschend schnell erreicht, ohne dass die befürchteten Auseinandersetzungen zwischen kirchlichpositiven und liberalen Kräften ausgebrochen wären259. Schwieriger hingegen war die Frage der kirchlichen Leitungsstruktur zu lösen. Hier stand vor allem zur Disposition, ob eine Kollegialbehörde oder ein geistlicher Oberhirte an der Spitze der Landeskirche stehen sollte260; damit verbunden war die Frage, ob der Bischofstitel eingeführt werden sollte. Dazu nahm Meiser bereits im Vorfeld der Generalsynode Stellung261. Dabei setzte er sich für eine kirchliche Zentralbehörde ein, deren Mitglieder nicht verschiedene kirchliche Richtungen repräsentieren, sondern einheitlich auf dem Boden des lutherischen Bekenntnisses stehen sollten262. Er sprach sich zwar für kollegiale Elemente aus, plädierte aber für die Herausstellung einer „persönliche[n] Spitze“, die „mit großen Vollmachten und Verantwortlichkeiten ausgestattet“ sein sollte263. Dies bedeutete die Schaffung eines Präsidenten- oder Bischofsamts, dessen Inhaber in bestimmten Fällen selbstständig entscheiden durfte. Auf regionaler Ebene sollten Generaldekane eingesetzt werden, die ein Mitbestimmungsrecht in der Zentralbehörde haben sollten. Auf der Generalsynode plädierte Meiser dann für die „Entfaltung starker geistesmächtiger Persönlichkeiten in den leitenden Stellungen“ und forderte die Einführung des „episkopale[n] Systems mit Generaldekanen“264. Dabei 255 256 257 258 259
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Vgl. Knopp, Ende, 386, Anm. 991. Abdruck: ABlELKB 1920, 414–426. Vgl. H bner, Neuordnung, 216–218. Vgl. seine Predigt am 7. 12. 1919 an St. Matthäus (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-51, Nr. 991). Vgl. H bner, Neuordnung, 217. Der Vorspruch der Kirchenverfassung lautete: „Die evangelisch-lutherische Kirche in Bayern r. d. Rhs. steht auf dem alleinigen Grund der Heiligen Schrift. Sie hält sich in Lehre und Leben an das evangelisch-lutherische Bekenntnis“ (ABlELKB 1920, 414). Vgl. M nchenbach, Meiser, 92. Auf den Sitzungen des Verfassungsausschusses vom 4. bis 6. 2. 1920 und vom 13. bis 21. 4. 1920 (vgl. die Mitschriften Meisers: LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-14; vgl. auch Knopp, Ende, 386–403). Vgl. das undatierte „Korreferat Meiser zu Leitsatz 9–11“ (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.000814). Zitate: ebd. Zitate: Verhandlungen 1920, 111; vgl. auch das Typoskript „Äußerungen von Pfarrer Mei-
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Abb. 19: Votum Hans Meisers auf der verfassunggebenden Generalsynode (Auszug), 18. August 1920
war er sich vor allem mit den jüngeren Synodalen einig, die „den zeitgenössischen ,Ruf nach dem Führer‘ […] in den Raum der Kirche“265 übertrugen. Seine Positionen setzten sich weitgehend durch: An der Spitze der Landeskirche stand künftig ein mit oberhirtlichen Vollmachten ausgestatteter Kirchenpräsident266; zudem wurde die Landeskirche in drei Kreise aufgeteilt, die von Kreisdekanen geleitet wurden267. Nur die Bezeichnungen Bischof und Generaldekan fanden keine Mehrheit. Der Bischofstitel wurde erst 1933 eingeführt, als Meiser selbst erster Landesbischof der bayerischen Landeskirche wurde. 1920 konnte er freilich noch nicht ahnen, dass er hier selbst mit dazu beitrug, die verfassungsrechtlichen Grundlagen für sein späteres Bischofsamt zu schaffen268.
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ser-München in der Generaldebatte über die Verfassungsvorlage“ am 18. 8. 1920 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-14). M nchenbach, Meiser, 93. Vgl. Art. 46–48 der Kirchenverfassung (Verhandlungen 1920, 39, 41). Vgl. Art. 54 der Kirchenverfassung (ebd., 43, 45). Vgl. M. Simon, Meiser, 408.
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Im September 1920 wurde Meiser neben von Pechmann, Boeckh, Schöffel und anderen in den Landessynodalausschuss berufen269. Der Ausschuss war die ständige Vertretung der Landessynode, brachte Gesetzentwürfe in die Synode ein und wirkte bei der Ernennung von Mitgliedern des Landeskirchenrats mit270. Im Landessynodalausschuss war Meiser „an allen wesentlichen Entscheidungen beteiligt, die in der Landeskirche zwischen 1920 und dem Sommer 1922 zu treffen waren“271. Hier wurden u. a. die kirchliche Lebensordnung272, der Anschluss der Coburger Landeskirche an die bayerische Kirche273 und die Beteiligung der Landeskirche am 1922 gegründeten Deutschen Evangelischen Kirchenbund274 verhandelt275. Meiser selbst referierte u. a. zur Kirchenzucht und zur Pfarrbesoldung276 und erlebte das Lehrzuchtverfahren gegen den liberalen Oettinger Pfarrer Friedrich Leimbach mit, der 1922 in den Zwangsruhestand versetzt wurde277. Außerdem war der Ausschuss mit einem Thema befasst, das Meiser schon bald persönlich betraf, nämlich dem Ankauf des Nürnberger Veilhofs für das geplante neue Predigerseminar der Landeskirche278. Meiser engagierte sich 1919/20 ferner in einer Konferenz zur Reform des Religionsunterrichts. Sie tagte in einer Phase, als die Gefahr bestand, dass der Religionsunterricht aus der Schule verdrängt wurde, und befasste sich mit Lehrinhalten und der künftigen Stellung des Religionsunterrichtes an der Schule. In der Konferenz bestand zwar Einigkeit, dass der Religionsunterricht nicht als Religionskunde gestaltet werden durfte; in der Frage aber, ob der Unterricht konfessionell gebunden sein sollte, herrschten tiefe Differenzen zwischen Geistlichen und Lehrern. Trotz der Differenzen legte die Konferenz schließlich Thesen vor, die den Erhalt des Religionsunterrichts als ordentliches Lehr- und Pflichtfach forderten279. Meisers synodales Engagement und sein Einsatz für den Religionsunterricht gaben wohl den letzten Ausschlag, dass er zur ersten Wahl wurde, als der Posten des Direktors am Nürnberger Predigerseminar zu besetzen war. Über sein Organisationstalent und seine Qualitäten als theologisch und politisch 269 270 271 272 273 274 275 276 277 278 279
Verhandlungen 1920, 259. Vgl. ABlELKB 1920, 422 f. M nchenbach, Meiser, 97. Vgl. R. Friedrich, Leben, 242 f. Vgl. H bner, Neuordnung, 222 f. Vgl. Graf, Kirchenbund; Hosemann, Kirchenbund. Vgl. die Mitschriften Meisers (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-126); vgl. auch die offiziellen Sitzungsprotokolle (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-30). Auf der Sitzung im April/Mai 1922 (vgl. Meisers Mitschrift: LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-126). Vgl. Nigg, Geschichte, 273–275. Im Fall Leimbach setzten sich in Bayern der Apostolikumsstreit (vgl. Barth, Glaubensbekenntnis, 561–563) sowie die Konflikte zwischen KirchlichPositiven und Liberalen fort. Vgl. unten Kap. II 4.1. Vgl. die Unterlagen im LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-13.
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linientreuer Pfarrer hinaus hatte ihn die Kirchenleitung als einen Mann erlebt, dem „der Blick für d[ie] notwendigen Aufgaben unserer Zeit geschärft“280 war und der in „schwierigen Verhandlungen […] klug und klar, gläubig u[nd] geschickt die Interessen der Kirche [zu] vertreten“ wusste281. Damit war er reif für die Beförderung auf eine Stelle, der zukunftsweisende Bedeutung für die Landeskirche zukam.
4. Direktor des Predigerseminars Nürnberg 4.1 Vorarbeiten Im Mai 1922 wurde Meiser zum ersten Direktor des neu errichteten Predigerseminars in Nürnberg berufen. Bis dahin hatte nur das 1834 gegründete Seminar in München existiert, dessen Besuch den drei bestbenoteten Kandidaten eines Examensjahrgangs vorbehalten war282; für die übrigen Kandidaten war eine Seminarausbildung bisher nicht vorgesehen283. Nachdem bereits im 19. Jahrhundert Forderungen nach einem größeren Predigerseminar erhoben worden waren, hatte die Generalsynode 1913 ihre Zustimmung zur Errichtung eines neuen Seminars gegeben. Nach kriegsbedingten Verzögerungen erwarb der Landeskirchenrat 1921 dann ein Anwesen in der Nürnberger Veilhofstraße, in dem neben einer evangelischen Mädchenschule auch das Seminar seinen Sitz haben sollte284. Der Besetzung der Rektorenstelle kam zukunftsweisende Bedeutung zu, denn hier wurde der theologische Nachwuchs der Landeskirche geprägt. Für Meisers Berufung setzte sich u. a. Vizepräsident Karl Gebhard ein285. Die neue Aufgabe stellte eine Herausforderung dar: Meiser musste nicht nur das Studienprogramm und den äußeren Betrieb des Seminars aufbauen, sondern auch einer Ausbildungsstufe zur Akzeptanz verhelfen, die in dieser Form bisher nicht existiert hatte286. An seine neue Tätigkeit ging er mit großen Vorschusslorbeeren heran: Von Pechmann lobte Meisers Berufung ausdrücklich und initiierte eine Spendensammlung für die neue Einrichtung287. Undatierte dienstliche Beurteilung für 1916 bis 1920 (LAELKB, LKR 0.2.0003-52487). Zitat aus der undatierten dienstlichen Beurteilung für die Jahre 1921 bis 1925 (ebd.). Vgl. dazu und zum folgenden M nchenbach, Meiser, 97 f. Vgl. H. Meiser, Predigerseminar, 11. Vgl. den „Baubericht des Veilhofes in Nürnberg 1921/22“ vom 2. 11. 1922 (LAELKB, PS Nürnberg 1). 285 Vgl. das Schreiben Gebhards an Meiser vom 8. 4. 1922 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008224). 286 Vgl. M nchenbach, Meiser, 98. 287 Vgl. die Schreiben von Pechmanns an Meiser vom 19. 8. und 1. 9. 1922 (LAELKB, PS Nürnberg 5).
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Abb. 20: Erziehungsanstalt Nürnberg-Veilhof, Sitz des Predigerseminars der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern ab 1922
Das Predigerseminar sollte die Verbindung zwischen wissenschaftlichem Studium und kirchlicher Praxis herstellen288. Die Kandidaten blieben für ein Jahr im Seminar und wohnten im Haus. Aufsicht und Leitung lagen beim Landeskirchenrat; der Direktor war für Studienbetrieb und Verwaltung zuständig. Zur Unterstützung wurde ihm ein Inspektor zur Seite gestellt. Damit das Anwesen für die Zwecke von Seminar und Schule verwendet werden konnte, waren zunächst umfangreiche Umbaumaßnahmen erforderlich289. Bis zum Beginn des Studienbetriebs bereitete Meiser den Betrieb des Seminars vor. Dazu machte er sich in den Predigerseminaren und Ausbildungseinrichtungen anderer Landeskirchen über den dortigen Studienbetrieb kundig290. Meiser wollte im Seminar eine „geschlossene Lebensgemeinschaft“291 schaffen. Dazu erstellte er eine Hausordnung292, nach der sich die Seminaristen „wie Brüder […] verbunden fühlen“293 sollten. Tatsächlich jedoch reglementierte die Hausordnung das Zusammenleben und die persönliche Lebensgestaltung der Kandidaten streng und übertrug dem Direktor autoritäre 288 Vgl. die von der Landessynode am 18. 8. 1922 beschlossene „Verfassung und Verwaltung des Evang.-Luth. Predigerseminars in Nürnberg“ (LAELKB, PS Nürnberg 17). 289 Vgl. dazu und zum Folgenden den oben Kap. II, Anm. 284, erwähnten Baubericht. 290 Vgl. den Schriftverkehr des Landeskirchenrats von Ende Mai 1922 (LAELKB, PS Nürnberg 24). 291 Jahresbericht Meisers über das Studienjahr 1923/24 vom 31. 7. 1924 (LAELKB, PS Nürnberg 2). 292 Vgl. den undatierten 1. Entwurf für eine Hausordnung, vermutlich vom Juli 1922; vgl. auch die Schreiben des Landeskirchenrats vom 4. 8. und 15. 9. 1922 (LAELKB, PS Nürnberg 44). 293 Zitate aus der hsl. Hausordnung in der Fassung vom 1. 8. 1922 (ebd.).
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Vollmachten. Für Meiser diente dies der „Persönlichkeits- u[nd] Charakterbildung“; da den meisten Kandidaten im Studium der „persönliche Führer“ gefehlt habe, sollte ihnen das Seminar „seelische Führung“ und „geistliche Leitung“294 geben. Damit proklamierte er einen umfassenden Erziehungsauftrag, der nicht nur die Religiosität, sondern auch das Sozialverhalten und den moralischen Lebenswandel der Kandidaten steuern sollte. Für diese bedeutete die „geistliche Leitung“ durch den Direktor und die ständige Sozialkontrolle in der kasernierten Gemeinschaft des Seminars vor allem eins: die völlige Unterordnung unter die von der Seminarleitung vorgegebenen Ordnungen und Ziele. Meiser übte auch maßgeblichen Einfluss auf die Lehrinhalte des Seminars aus und entwarf die Studienordnung295. Da die Einführung in die kirchliche Praxis im Zentrum stand, bildeten die praktisch-theologischen Disziplinen den Schwerpunkt. Die meisten Lehrveranstaltungen entfielen auf Meiser selbst, andere auf den Inspektor und auswärtige Lehrkräfte. Im laufenden Betrieb des Seminars wurden dann sowohl die Studien- als auch die Hausordnung noch mehrfach abgeändert296. Die Vorarbeiten waren im Herbst 1922 abgeschlossen. Jetzt stand auch fest, wer neben Meiser die wichtigsten Positionen im Haus einnehmen würde: der Pfarramtskandidat Adolf Burkert als Inspektor297 und die Neuendettelsauer Diakonisse Margarete Gugel als leitende Schwester. Das Seminar wurde am 5. Oktober 1922 in Gegenwart Veits und fast des gesamten Landeskirchenrats eröffnet298. Zu den Rednern gehörte neben Veit und Gebhard299 auch Meiser. Dabei machte er unmissverständlich klar, in welchem Sinn er das Haus zu führen gedachte: „Dies Haus soll ein Haus der Kirche sein. Aber eine Kirche kann nicht sein ohne den festen Grund des Bekenntnisses. Keine andere Richtschnur als die unvergängliche Wahrheit desselben darf gelten.“300 4.2 Seminarbetrieb Das Seminar hatte einen schwierigen Start, da es seinen Betrieb unter den Bedingungen der Inflation301 aufnahm. Meiser, der die Finanzen verwaltete, 294 Zitate: H. Meiser, Predigerseminar, 26 f. 295 Vgl. den Entwurf für einen Studienplan vom 14. 7. 1922 (LAELKB, PS Nürnberg 44). 296 Vgl. die undatierte hsl. Abschrift „Studienordnung für das Evang.-Luth. Predigerseminar in Nürnberg“ (ebd.); vgl. auch die weiteren Unterlagen ebd. 297 Burkert brachte vom Predigerseminar München Seminarerfahrung mit (vgl. Personalstand 1923, 7). 298 Vgl. den Jahresbericht Meisers über das Studienjahr 1922/23 vom 4. 8. 1923 (LAELKB, PS Nürnberg 2); vgl. auch M nchenbach, Meiser, 98, der die Eröffnung aber fälschlich auf den 10. 10. 1922 datiert. 299 Vgl. die Eröffnungsrede Gebhards (LAELKB, PS Nürnberg 59). 300 Zit. nach M nchenbach, Meiser, 98. 301 Vgl. B ttner, Weimar, 166–181.
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musste ständig neue Mittel beschaffen302. Die wirtschaftliche Lage des Seminars war zeitweise so prekär, dass es ohne kirchliche Spenden aus dem Ausland303 nicht überlebt hätte. Hinzu kamen noch Lebensmittelsammlungen, bei denen Meiser seine Kontakte zur Inneren Mission nutzte304. Neben der Finanzverwaltung gehörten auch umfangreiche Verwaltungstätigkeiten zu seinen Aufgaben. Sie reichten vom Telefonanschluss über Kohlebeschaffung bis hin zur Behebung von Baumängeln und Instandhaltungsarbeiten305. Meisers Hauptaufgabe war freilich der Aufbau des Lehrbetriebs. Dabei verfolgte er das Ziel, dass der „theologische Erwerb der Studienjahre […] überprüft“ und „eine letzte […] Ueberzeugungsbildung angebahnt“306 wurde. Die „Überzeugungsbildung“ steuerte er im Sinn der Erlanger Theologischen Schule. Dabei kam ihm der epochale Wandel entgegen, der sich seit Ende des Ersten Weltkriegs in der protestantischen Theologie vollzog307. Der Einfluss der ,modernen‘ Theologie des 19. Jahrhunderts ging massiv zurück; stattdessen dominierten jetzt die dialektische Theologie Karl Barths308, die Bibeltheologie Adolf Schlatters309, die von Karl Holl eingeleitete Lutherrenaissance und das Jungluthertum bei Paul Althaus und Emanuel Hirsch310. Diese Konzeptionen richteten sich allesamt gegen die von der menschlichen Subjektivität bestimmten theologischen Ansätze des 19. Jahrhunderts. Befriedigt stellte Meiser fest, die Zeit der liberalen Theologie sei vorbei, und pries die Rückkehr einer „positive[n] biblische[n] Theologie“, in der die reformatorischen Grunderkenntnisse wieder klar herausgearbeitet würden; die neue Theologie mache Ernst mit der „Offenbarungswirklichkeit Gottes“ und betone die „Andersartigkeit des Christentums gegenüber aller Kultur, […] seine Irrationalität und sein[en] antiintellektualistische[n] Charakter“311. Er würdigte zwar auch die dialektische Theologie, am höchsten standen bei ihm aber Bibeltheologie, Lutherrenaissance und Jungluthertum im Kurs312. Sein Ziel, die Bekenntnistreue und den Glauben an die „christlichen Grundwahr302 Auf dem Höhepunkt der Inflation betrug der Etat schließlich 12.100 Billionen Reichsmark (vgl. die Aufstellung Meisers vom Dezember 1923 und seinen weiteren Schriftverkehr im LAELKB, PS Nürnberg 5). 303 Vor allem aus den Vereinigten Staaten, Schweden (vgl. das Schreiben des Vizepräsidenten des Landeskirchenrats an die Stiftungsverwaltung Nürnberg vom 29. 12. 1923; das Schreiben von Pechmanns an Meiser vom 13. 4. 1923: ebd.) und Holland (vgl. den oben Kap. II, Anm. 291, erwähnten Jahresbericht 1923/24). 304 Vgl. das Schreiben Meisers an den Landeskirchenrat vom 27. 11. 1923 (LAELKB, PS Nürnberg 5). 305 Vgl. den Schriftverkehr ebd. 306 Zitate: H. Meiser, Predigerseminar, 12. 307 Vgl. dazu und zum Folgenden Rohls, Theologie, Bd. 2, 197–199; H. Fischer, Theologie, 9–61. 308 Vgl. Rohls, Theologie, Bd. 2, 244–260. 309 Vgl. ebd., 282–290. 310 Vgl. ebd., 290–297. 311 Zitate: H. Meiser, Predigerseminar, 32. 312 Vgl. ebd.
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heiten“313 zu festigen, wurde von den Kandidaten bis auf wenige Ausnahmen widerspruchslos angenommen314. Ungleich schwieriger als die Festigung eines theologischen Standpunkts, der mit der kirchlichen Lehre vereinbar war, gestaltete sich Meisers Vorhaben, die Kandidaten zu loyalen Dienern der Landeskirche heranzuziehen. Wiederholt beklagte er das Misstrauen, mit dem die Universitätsabsolventen der Kirche gegenüberstanden315. Dafür machte er Einflüsse Søren Kierkegaards316 und der Religiösen Sozialisten317, vor allem aber Barths verantwortlich318. Um die Kandidaten an die Kirche heranzuführen, schlug er dem Landeskirchenrat vor, bereits im Studium Verbindung zu ihnen aufzunehmen319, und steuerte der Distanz zur Kirche u. a. mit Lehrveranstaltungen zur Geschichte der Landeskirche entgegen320. Im Lehrbetrieb321 setzte Meiser Schwerpunkte, die auf seine Zeit als Vereinsgeistlicher zurückgingen, vor allem bei Jugendarbeit und Jugendfürsorge, Innerer Mission, sozialen Fragen sowie Evangelisation, Apologetik und Volksmission322. Damit stieß er bei den Kandidaten, von denen viele unter wirtschaftlicher Not litten, auf offene Ohren323. Für den Lehrbetrieb wurde außerdem charakteristisch, dass Meiser das Seminar weithin vernetzte: Er bezog Lehrer, Kirchengemeinden, Schulen und kirchliche Vereine ein, ließ die Kandidaten Gemeindegottesdienste halten324, im Religionsunterricht hospitieren325, Aushilfsdienste leisten und Ortsgeistliche bei der Seelsorge begleiten326. Bei Gastvorträgen, Besichtigungen und Führungen brachte Meiser die Kandidaten mit namhaften Persönlichkeiten aus dem kirchlichen, theologischen und staatlichen Bereich in Kontakt. Das Vortrags- und Besuchsprogramm reichte von Fragen der Kirchenverfassung bis hin zur Beschäftigung mit weltanschaulichen Gegnern; selbst einen Besuch in der katholischen Messe sparte Meiser nicht aus327. Zudem organisierte er Gefängnisbesuche, 313 Jahresbericht 1922/23 (vgl. oben Kap. II, Anm. 298). 314 Vgl. den Jahresbericht Meisers über das Studienjahr 1925/26 vom 8. 4. 1926 (LAELKB, PS Nürnberg 2). 315 Vgl. den Jahresbericht Meisers über das Studienjahr 1926/27 vom 23. 4. 1927 (ebd.). 316 Vgl. Deuser, Kierkegaard; Schrçer, Kierkegaard. 317 Vgl. Ruddies, Sozialisten. 318 Vgl. H. Meiser, Predigerseminar, 32. 319 Vgl. den oben Kap. II, Anm. 315, erwähnten Jahresbericht 1926/27. 320 Vgl. den oben Kap. II, Anm. 298, erwähnten Jahresbericht 1922/23. 321 Vgl. die hsl. Studienordnungen und Listen der „Durchgenommene[n] Stoffe“ (LAELKB, PS Nürnberg 2). 322 Vgl. M nchenbach, Meiser, 99 f. 323 Vgl. H. Meiser, Predigerseminar, 32. 324 Vgl. den oben Kap. II, Anm. 298, erwähnten Jahresbericht 1922/23. 325 Vgl. den oben Kap. II, Anm. 291, erwähnten Jahresbericht 1923/24; vgl. auch den Jahresbericht Meisers über das Studienjahr 1927/28 vom 19. 4. 1928 (LAELKB, PS Nürnberg 2) 326 Vgl. den oben Kap. II, Anm. 298, erwähnten Jahresbericht 1922/23. 327 Vgl. die undatierten hsl. Listen der Vorträge und Besichtigungen (LAELKB, PS Nürnberg 2).
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Abb. 21: Hsl. Jahresbericht Hans Meisers über das Studienjahr des Predigerseminars 1925/26 (erste Seite)
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Fabrikbesichtigungen sowie Vorträge über Polizeiarbeit, psychische Erkrankungen und die Arbeit der Jugendgerichte328. Politische Themen allerdings setzte er – mit Ausnahme des Sozialismus329 – nicht auf den Lehrplan. Großen Wert legte Meiser darauf, dass die Kandidaten auswärtige bzw. gesamtkirchliche Arbeitsfelder, Werke und Verbände kennenlernten. Jedes Seminarmitglied sollte einmal im Jahr an einer auswärtigen Veranstaltung teilnehmen330. Meiser selbst verschaffte die Vernetzung einen weit über Bayern hinausgehenden Bekanntheitsgrad. Dazu trug auch bei, dass er das Seminar durch seine Mitgliedschaft in der „Arbeitsgemeinschaft der Direktoren der Deutschen Evangelischen Predigerseminare“ mit den Seminaren anderer Landeskirchen vernetzte. Er nahm an den Tagungen der Arbeitsgemeinschaft teil331 und machte das Nürnberger Seminar im April 1928 selbst zum Tagungsort332. In der Arbeitsgemeinschaft lernte Meiser außerbayerische Kollegen kennen, mit denen er während der NS-Herrschaft zusammenarbeitete, z. B. den Studiendirektor des Klosters Loccum Paul Fleisch333. Darunter waren aber auch Theologen, zu denen er in der Bekennenden Kirche in Gegensatz geriet. Dazu gehörten der Direktor des Elberfelder Predigerseminars Hermann Albert Hesse, der nach 1933 einen radikal bekenntniskirchlichen Kurs einschlug334, sowie der Leiter des Predigerseminars in Stettin-Kückenmühle Martin Albertz335. Zwischen Meiser und Albertz bestanden deutliche Parallelen: Beide bauten ein neues Seminar auf, beide sahen sich mit Kandidaten aus der Kriegsgeneration konfrontiert und beide wollten eine christliche Lebensgemeinschaft verwirklichen336. Im Verlauf der NS-Herrschaft gingen ihre Wege jedoch auseinander und sie exponierten sich in den konkurrierenden Leitungsgremien der gespaltenen Bekennenden Kirche. 4.3 Das Seminar als Lebensgemeinschaft Im Gegensatz zu seinem Lehrprogramm stieß Meiser mit seinem Plan zur Verwirklichung einer christlichen Lebensgemeinschaft auf Widerstände. Vor allem die Kandidaten des ersten Jahrgangs hegten Misstrauen und distanVgl. den Jahresbericht Meisers über das Studienjahr 1924/25 vom 24. 4. 1925 (ebd.). Vgl. H. Meiser, Predigerseminar, 25. Vgl. den oben Kap. II, Anm. 328, erwähnten Jahresbericht 1924/25. Vgl. die Tagungsberichte im LAELKB, PS Nürnberg 29. Vgl. den Bericht ebd.; M nchenbach, Meiser, 100. Zu Fleisch vgl. Fleisch, Kirchengeschichte. Zu Hesse vgl. Langenbruch, Hesse; Eberlein, Album, 190 f.; vgl. auch Vorl nder, Kirchenkampf, passim. 335 Vgl. Noss, Albertz, 49–57. 336 Ähnlich wie für Albertz’ Stettiner Seminar gilt auch für das Nürnberger Seminar, dass es in Bezug auf das Ideal einer christlichen Lebensgemeinschaft der „Finkenwalder Gemeinschaft unter dem Direktor Dietrich Bonhoeffer in den 30er Jahren […] vergleichbar“ (ebd., 54) war.
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zierten sich vom gemeinsamen religiösen Leben337. Dies führte Meiser darauf zurück, dass sich nur ein Teil der Kandidaten freiwillig gemeldet hatte, während der andere vom Landeskirchenrat einbestellt worden war und das Seminar als Umerziehungsanstalt betrachtete. Eine weitere Ursache sah er darin, dass sich die in der Studentenverbindung Uttenruthia organisierte Majorität vom Rest der Seminaristen separierte338. Später machte Meiser dann die Jugendbewegung339 für die abwehrende Haltung der Kandidaten verantwortlich. Nach seinem Urteil litten jugendbewegte Kandidaten an „krankhafte[r] Überspannung des Individualismus“340. Dem drohenden Zerfall seines Gemeinschaftsideals steuerte Meiser mit Exkursionen, geselligen Abenden341 und Ausflügen entgegen342. Aber auch die gegenseitige Sozialkontrolle der Kandidaten sowie der von ihnen selbst gewählte Senior sorgten dafür, dass sich die „Sonderinteressen einzelner dem Gesamtinteresse des Seminars“343 unterwarfen. Meisers Rolle in der Lebensgemeinschaft erschöpfte sich nicht in seinen Funktionen als theologischer Lehrer und oberste Autorität, die auch dafür sorgen konnte, dass ein Kandidat das Seminar verlassen musste344. Vielmehr pflegte er seelsorgerliche Kontakte zu den Kandidaten und bemühte sich um die Besserung ihrer oft katastrophalen materiellen Lage345. Zudem waren in Folge des Krieges viele Kandidaten in körperlich schlechter Verfassung, weshalb Meiser dafür sorgte, dass sie wieder zu Kräften kamen346. Außerdem führte er mit zahlreichen Kandidaten seelsorgerlichen Schriftverkehr; einige verloren unter seinem Einfluss ihre Zweifel am Pfarrberuf; andere beklagten aber auch bitter das streng reglementierte Leben im Seminar347. Von der Lebensgemeinschaft ließ sich auch Meisers Familienleben nicht trennen348. Wiederholt lud das Ehepaar Meiser die Seminaristen zu sich ein. Da Meiser erkannte, dass Englisch „für die Pflege der internationalen kirchlichen Beziehungen“349 an Bedeutung gewann, erteilte seine Frau Elisabeth 337 Vgl. den oben Kap. II, Anm. 298, erwähnten Jahresbericht 1922/23. 338 Später meinte er jedoch, die Verbindungen seien ein wertvoller Ersatz für die aufgehobene Wehrpflicht, weil diese „ihre Mitglieder […] in der Unterordnung des Einzelwillens unter den Gesamtwillen üben“ würden (H. Meiser, Predigerseminar, 32). 339 Vgl. U. Herrmann, Jugendbewegung; U. Schwab, Jugendbewegung. 340 Zitate aus dem oben Kap. II, Anm. 291, erwähnten Jahresbericht 1923/24; auch hier änderte Meiser später sein Urteil (vgl. H. Meiser, Predigerseminar, 32). 341 Vgl. den oben Kap. II, Anm. 328, erwähnten Jahresbericht 1924/25; vgl. auch die Unterlagen im LAELKB, PS Nürnberg 59. 342 Vgl. den oben Kap. II, Anm. 298, erwähnten Jahresbericht 1922/23. 343 Zitat: ebd. 344 So sorgte er für die Entlassung eines mutmaßlich homosexuellen Kandidaten, weil dieser „sich infolge krankhafter Veranlagung den Aufgaben des Seminars nicht gewachsen zeigte“ (ebd.). 345 Vgl. den oben Kap. II, Anm. 291, erwähnten Jahresbericht 1923/24. 346 Vgl. die Tabellen über Gewicht und Gesundheit der Kandidaten (LAELKB, PS Nürnberg 2). 347 Vgl. die Schriftwechsel im LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-228 und 229. 348 Vgl. das oben Kap. I, Anm. 9, erwähnte Interview. 349 Zitat aus dem oben Kap. II, Anm. 291, erwähnten Jahresbericht 1923/24.
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Englischunterricht. Größten Wert legte das Ehepaar auf die Einhaltung von Anstand und Sitte350. Die rigide Sexualmoral führte zwar zu Verstimmungen, dies schädigte die guten persönlichen Beziehungen zwischen den Kandidaten und dem Ehepaar Meiser aber nicht.
Abb. 22: Hans Meiser als Direktor des Nürnberger Predigerseminars, 1924
Meisers Konzept einer streng reglementierten Lebensgemeinschaft war ganz im Sinn des Landeskirchenrats351, weil die Kandidaten hier die Loyalität zur Landeskirche und die Einordnung in ihre Hierarchien lernten. Auf Wohlwollen stieß auch sein Lehrprogramm, das die Kandidaten auf den theologischen Mainstream der Landeskirche und die Treue zum lutherischen Bekenntnis einschwor. Unter Meiser begann eine Pfarrergeneration heranzuwachsen, die das Gesicht der Landeskirche noch weit bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts prägte, eine Generation, die sich überwiegend loyal zur Landeskirche und ihren lutherisch-konfessionellen Traditionen verhielt und es gewohnt war, sich der Kirchenleitung unterzuordnen. In der NS-Zeit wirkte sich Meisers antiindividualistisches Erziehungsprogramm so aus, dass sich die ehemaligen Kandidaten mehrheitlich konform zu seinem Kurs verhielten. Die im Seminar eingeübte Unterwerfung unter die kirchliche Lehre führte dazu, dass sich die meisten hinter ihn stellten, als er das Bekenntnis gegen die NS-hörigen Deutschen Christen verteidigte. Die 350 Vgl. den oben Kap. II, Anm. 298, erwähnten Jahresbericht 1922/23. 351 Vgl. das Schreiben des Landeskirchenrats an Meiser vom 19. 9. 1924; an die Landeskirchenstelle Ansbach vom 20. 6. 1930 (LAELKB, PS Nürnberg 2).
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geforderte Einordnung in die Gemeinschaft und die Unterordnung unter autoritäre Führungsstrukturen bewirkte zudem, dass sich die große Mehrheit widerspruchslos in das straff geführte Gehorsamssystem einfügte, das für Meisers Amtszeit als Landesbischof charakteristisch wurde. Die Erziehung zur Autoritätshörigkeit und das Fehlen jeder sachlich orientierten Auseinandersetzung mit politischen Programmen machte die früheren Kandidaten freilich auch anfällig für das totalitäre NS-Regime. Signifikante Präferenzen für die NS-hörigen Deutschen Christen oder für widerständiges Verhalten entwickelten Meisers ehemalige Kandidaten hingegen nicht. Nur wenige profilierten sich in die eine oder andere Richtung. Dazu gehörte Julius Leutheuser, der die radikalen Thüringer Deutschen Christen mitbegründete352, andererseits aber auch Gerhard Günther, der wegen NS-kritischer Äußerungen nicht nur mit dem Regime, sondern auch mit der Kirchenleitung in Konflikt geriet353. So erging es auch Hermann Sondermann, der nach Kritik am NS-Regime in Haft kam354. Aus den Kandidaten sticht positiv noch Friedrich Hofmann heraus355: Als Vereinsgeistlicher der Inneren Mission München half er nach 1933 Schwachen und Entrechteten und wurde 1938 mit der Betreuung der sog. nichtarischen Christen beauftragt356. Meiser selbst öffnete das Amt des Seminardirektors die Türen für den Aufstieg in die Kirchenleitung. Befriedigt nahm der Landeskirchenrat zur Kenntnis, dass er sich erneut als theologisch zuverlässiges und loyales Organisationstalent erwies und die Kritik am Seminar rasch zum Erliegen brachte357. Zu Meisers Aufstieg trug nicht weniger seine Vernetzung mit der Kirchenleitung, mit Führungspersönlichkeiten aus Einrichtungen der Landeskirche, mit dem theologischen Nachwuchs, zahlreichen Pfarrern sowie Persönlichkeiten aus anderen Landeskirchen bei. Zudem engagierte er sich nebenamtlich auf Gebieten, die Bedeutung für die gesamte Landeskirche gewannen, und profilierte sich durch seine Predigt-, Vortrags- und Publikationstätigkeit als kirchlicher Meinungsführer. 4.4 Neben- und außeramtliches Engagement Neben seinem Amt als Seminardirektor engagierte sich Meiser auch bei der Errichtung neuer landeskirchlicher Einrichtungen. Dies gilt vor allem für das 352 353 354 355 356 357
Vgl. Meier, Christen, 2–10; Osten-Sacken, Evangelium; und Arnhold, Entjudung. Vgl. Mensing / Rathke, Mitmenschlichkeit, 137. Vgl. Sondermann, Jahr. Vgl. Baier, Liebestätigkeit, 38–89. Vgl. Fix, Glaubensgenossen, 41; vgl. auch unten Kap. III A.2.4.4. Vgl. die Rede Gebhards bei der Amtseinführung von Meisers Nachfolger Julius Schieder am 3. 5. 1928 (LAELKB, PS Nürnberg 24); vgl. auch das Schreiben des Landeskirchenrats an die Landeskirchenstelle Ansbach vom 20. 6. 1930 (LAELKB, PS Nürnberg 2).
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Abb. 23: Denkschrift Hans Meisers über den Ausbau der Sammelstelle zu einem kirchlichen Institut (Auszug), 1926
Landeskirchliche Archiv, dessen Vorgeschichte 1924 mit der Gründung des Vereins für bayerische Kirchengeschichte begann. Teilnehmer der ersten Hauptversammlung regten die Errichtung eines Archivs oder alternativ einer Sammelstelle für landeskirchliche Druckwerke an. Nachdem der Verein mit Meiser 1925 über die Unterbringung der geplanten Sammelstelle im Predigerseminar verhandelt hatte, entschied sich die Kirchenleitung zunächst für die Sammelstelle und übertrug Meiser die Leitung. Damit lag die Errichtung eines Archivs zunächst auf Eis358. Meiser hielt an den Archivplänen jedoch fest und forderte 1926 gemeinsam mit dem Rother Dekan und späteren erstem Archivdirektor Karl Schornbaum den Ausbau der Sammelstelle zu einem Archiv359. Dies blieb jedoch noch Zukunftsmusik, sodass es vorerst nur galt, Pfarrer und Gemeinden zur Sammlung von Schriftgut aufzurufen360. Die praktische Arbeit der Sammelstelle erledigte neben Meiser vor allem der zweite Inspektor des Predigerseminars Rudolf Mebs. Die Sammelstelle wurde schnell zum Erfolg: Es ging so viel Schriftgut ein, dass kurz vor Ende von Meisers Amtszeit eine nahe gelegene Kapelle angemietet werden musste, um das Material überhaupt noch unterzubringen. Ein knappes Jahr nach Errichtung der Sammelstelle reichte Meiser bei der Kirchenleitung dann eine Denkschrift ein, nach der die Sammelstelle zu einer selbstständigen landeskirchlichen Einrichtung ausgebaut und wissenschaft358 Vgl. dazu und zum Folgenden A. Schwarz, Entstehung, 22–26; Mebs, Anfänge; und M nchenbach, Meiser, 100–102. 359 Vgl. den undatierten „Aufruf zum Besten der ,Sammelstelle für Landeskirchliches Schrifttum‘“ (LAELKB, LKR 0.2.0003-1235). 360 Vgl. Meiser / Schornbaum, Sammelstelle, 31.
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lich ausgerichtet werden sollte361. Als Sitz der Einrichtung schlug er Nürnberg vor, da „unsere Landeskirche auf fränkischem Boden wurzelt“362. Der Landeskirchenrat rang sich jedoch erst 1930 dazu durch, bei der Landessynode die Errichtung eines Archivs zu beantragen; in der Begründung bezog er sich ausdrücklich auf Meisers Denkschrift363. Es war vor allem Vizepräsident Gebhard zu verdanken, dass der Landessynodalausschuss der Synode die Errichtung eines Archivs in Nürnberg schließlich empfahl. Im August 1930 folgte die Synode dieser Empfehlung und im Jahr darauf nahm das Archiv den Betrieb auf. Stark engagierte Meiser sich auch für die Einführung evangelischer Studentenseelsorge in München. Spezielle Seelsorge für Studenten war noch ein Novum, erst seit 1920 wurden an einigen deutschen Hochschulstandorten Studentenseelsorger berufen364. Auf Anregung des Altfreundeverbandes der Deutschen Christlichen Studentenvereinigung365 ließ Meiser 1924 den Münchner Kreisdekan Karl Baum bitten, beim Landeskirchenrat eine Pfarrstelle für Studentenseelsorge zu beantragen, und schlug alternativ die Errichtung einer zusätzlichen Pfarrstelle an der nahe den Münchner Hochschulen gelegenen Kirche St. Markus vor366. Baum beantragte daraufhin erfolglos die zweite Lösung367. Meiser gab jedoch nicht auf und richtete im Auftrag des Altfreundeverbandes und des Bruderkreises jüngerer Theologen368 eine Denkschrift an Landeskirchenrat und Landessynodalausschuss369, in der er sich auf Ausführungen Wilhelm Lütgerts370, eine Umfrage von Altfreundeverband und Bruderkreis sowie eine Stellungnahme des Greifswalder Neutestamentlers Gerhard Kittel371 stützte. Dabei argumentierte er – seiner eigenen Erfahrung entsprechend – mit der Entwurzelung der Studenten in den Universitätsstädten, kritisierte den Wissenschaftsbetrieb, der zur Entchristlichung der Studenten führe, und wies darauf hin, dass die katholische Kirche bereits Studentenseelsorge anbiete. Die Denkschrift mündete in ein Plädoyer für die 361 „Denkschrift über den Ausbau der Sammelstelle für Landeskirchliches Schrifttum zu einem selbständigen landeskirchlichen Institut“ vom 17. 11. 1926 (LAELKB, LKR 0.2.0003-1235). 362 Ebd. 363 Vgl. die „Begründung zur Vorlage 11“, dem Landessynodalausschuss vom Landeskirchenrat übersandt mit Schreiben vom 21. 3. 1930 (LAELKB, LKR 0.2.0003-1235). 364 Vgl. Lichtenfeld, Merz, 147–149. 365 Vgl. Hong, Studenten-Vereinigung, 83–94. 366 Vgl. das Schreiben Baums an Meiser vom 23. 9. 1924 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-33). 367 Vgl. Baums Antrag vom 6. 11. 1924; vgl. auch sein Schreiben an Meiser vom 5. 1. 1925 (ebd.). 368 Eine Darstellung dieses Bruderkreises existiert nicht; es ist unklar, ob und in welcher Form der bei Henn, Volksmission, 4, erwähnte Bruderkreis in Verbindung mit dem 1925 aus den Riederauer Freizeiten hervorgegangenen Bruderkreis jüngerer Theologen in Verbindung stand (vgl. Eckert, Schieder, 102; Griessbach, Bruderschaft, 115). 369 Vgl. Meisers Denkschrift „Die Anstellung eines Studentenseelsorgers in München“ vom 27. 1. 1925 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-33). 370 Vgl. oben Kap. I, Anm. 199. 371 Vgl. Christophersen, Kittel; G. Friedrich / J. Friedrich, Kittel.
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Errichtung einer neuen Stelle. Die Kirchenleitung folgte Meiser und errichtete eine entsprechende Stelle372. Sie wurde mit dem dritten Pfarramt an St. Markus verbunden und im September 1926 mit dem Münchner Pfarrer und Religionslehrer Georg Merz besetzt373. Ferner war Meiser für ein breit angelegtes Schulbuchprojekt tätig. Den Anstoß dazu gab eine Begegnung mit dem Verleger Friedrich Oldenbourg Ende 1923374. Neben anderen Verlagshäusern war der Verlag R. Oldenbourg an einem Lesebuch für alle Volksschulen, Jahrgangsstufen und Regierungsbezirke Bayerns beteiligt, das als „Landlesebuch für alle Volkshauptschulen Bayerns“ angekündigt wurde375. In seinem Gutachten über eine Denkschrift Oldenbourgs begrüßte Meiser zwar den Gesamtaufriss des Werks, forderte aber eine Stärkung des konfessionellen Charakters, eine Einführung in Lehre und Leben der Landeskirche sowie eine größere Zahl religiöser Biographien376. Zudem regte Meiser an, auf die gemeinschaftsbildende Funktion der Kirche einzugehen. Dabei nahm er Impulse der Gemeindebewegung auf, die von Emil Sulze377 ins Leben gerufen und von Martin Schian378 vorangetrieben worden war379. Die Gemeinschaftsbildung wurde für Meiser nach Ende des Ersten Weltkriegs zentral. Wie viele – insbesondere lutherische – Theologen in den 1920er Jahren hoffte er, durch eine Gemeinschaftsbildung in der Kirche werde es in der auseinanderstrebenden Gesellschaft der Weimarer Republik zu einer christlich gebundenen Volksgemeinschaft kommen380. Nachdem er sich 1923 erstmals positiv mit der Gemeindebewegung auseinandergesetzt hatte381, kehrte die Gemeinschaftsbildung als Hauptfunktion der Kirche in seinen Aufsätzen und Vorträgen bis in die 1930er Jahre hinein häufig wieder382. Das Lesebuch konnte Meiser allerdings nicht mehr beeinflussen: Er bot dem Verlag zwar seine Mitwirkung an und sammelte bereits Material383, stellte die Mit372 Vgl. das Schreiben des Landessynodalausschusses an Meiser vom 19. 6. 1925 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-33). 373 Vgl. Lichtenfeld, Merz, 147. 374 Vgl. das Schreiben Anton Pfeiffers an Meiser vom 18. 12. 1923; vgl. auch das Schreiben des Verlags R. Oldenbourg an Meiser vom 2. 1. 1924 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-34). 375 Vgl. die undatierte Verlagsankündigung „Das neue Landlesebuch für Volkshauptschulen“ (Bayerisches Wirtschaftsarchiv M nchen, F 5 / 399); sowie die weiteren Unterlagen ebd., F 5 / 389 und 399. 376 Vgl. die Denkschrift Friedrich Oldenbourgs; vgl. auch das Gutachten Meisers (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-34). 377 Vgl. Winkler, Sulze. 378 Vgl. J. Hermelink, Schian. 379 Vgl. M nchenbach, Meiser, 153–159, 166–175; vgl. auch Schulze, Pfarrer, 25. 380 Vgl. Tanner, Verstaatlichung, 186–262. 381 Vgl. Meisers Vortrag „Der Gemeindegedanke in der lutherischen Kirche“ vom 3. 4. 1923 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-54, Nr. 1110). 382 Vgl. z. B. H. Meiser, Gegenwartsaufgaben; vgl. ausführlich unten Kap II 4.5. 383 Vgl. das Schreiben Hans Lauerers an Meiser vom 10. 3. 1924 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-35); vgl. auch den weiteren Schriftverkehr ebd.
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arbeit aber ein, als Lehrerverbände Stimmung gegen konfessionelle Lesebücher machten384. Das Lesebuchwerk wurde dann ohne seine Beteiligung publiziert385. 4.5 Predigt-, Vortrags- und Publikationstätigkeit Während seiner Zeit als Predigerseminardirektor wurde Meiser zum vielgefragten Redner und kirchlichen Meinungsführer. Seine Predigten, Vorträge und Publikationen fanden in der Nürnberger Öffentlichkeit große Beachtung. Er predigte vor allem in St. Egidien und sprach bei kirchlichen Einrichtungen und Vereinen386, gelegentlich auch außerhalb Nürnbergs387. Er äußerte sich über Zukunftsfragen der Kirche, behandelte Themen des kirchlichen Lebens und nahm Stellung zu den Spannungen zwischen evangelischer und katholischer Kirche. Dabei thematisierte er auch politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Fragen sowie das Verhältnis von Kirche und Staat. Meisers Exkurse zu Politik, Wirtschaft und Gesellschaft waren bestimmt von der Verunsicherung durch die instabilen politischen Verhältnisse und die wirtschaftlichen Probleme in der Weimarer Republik388. So beklagte er besonders den Verlust festgefügter Autoritäten und die andauernde Verschiebung der machtpolitischen Verhältnisse389. Wie schon in seinen Predigten als Münchner Gemeindepfarrer dienten seine Klagen über die aktuellen Zustände als Vehikel, um die kirchlichen Heilsangebote zu vermitteln und auf Christus als einzigen Halt in wirtschaftlicher Not und politischem Chaos hinzuführen; eine explizite Aufforderung an die Gemeindeglieder, sich rechten Parteien oder autoritären politischen Heilsbringern zuzuwenden, war damit nicht verbunden390. Im Gegensatz zu politisch engagierten Pfarrern in der Landeskirche391 plädierte Meiser nicht für bestimmte Parteien. Persönlich soll er mit dem 1927 384 Vgl. das Schreiben des Verlags Oldenbourg an Meiser vom 15. 4. 1924 (ebd.); vgl. auch den Artikel „Der Kampf um das Lesebuch und seine Bedeutung für die evangelische Schule und Kirche, Eltern- und Lehrerschaft“ in: Aufwärts. Christliches Tagesblatt Nr. 12 vom 15. 1. 1925 und Nr. 13 vom 16. 1. 1925 (ebd.). 385 Vgl. z. B. das 1927 bei R. Oldenbourg in München erschienene „Lesebuch für den 2. und 3. Schülerjahrgang evangelischer Volkshauptschulen Bayerns“. 386 Vgl. den oben Kap. II, Anm. 381, erwähnten Vortrag vom 3. 4. 1923; vgl. auch den Vortrag „Unsere Zusammenarbeit zur Förderung der ev. Schule“ vom 13. 3. 1924 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-54, Nr. 1110 und 1116). 387 Vgl. den Vortrag „Gegenwartsaufgaben der Kirche“ am 11. 7. 1926; vgl. auch die Predigt am 21. 11. 1926 in München-Sendling (ebd., Nr. 1125 und 1129). 388 Vgl. Nowak, Geschichte, 224. 389 Vgl. Meisers Himmelfahrtspredigt vom 10. 5. 1923; vgl. auch seinen undatierten Vortrag im Sebastianspital (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-54, Nr. 1112 und 1123). 390 Vgl. Meisers Weihnachtspredigt vom 25. 12. 1925 (ebd., Nr. 1121). 391 Vgl. Mensing, Pfarrer, 72–102.
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in Nürnberg gegründeten Christlichen Volksdienst392 sympathisiert haben393. Der Eindruck seines Sohnes Rudolf, er habe sich nach dem Schock über Versailles im „Parlamentarismus der Weimarer Republik einigermaßen zurechtgefunden“394, wird von Meisers öffentlichen Äußerungen so allerdings nicht bestätigt. Zwar respektierte er den „verfassungspolitischen Status quo“395 und unterließ direkte Angriffe gegen den Staat; wenn er aber wiederholt die Botschaft der Kirche gegen die Verhältnisse in der Weimarer Republik ausspielte, lässt dies erkennen, dass sein „Unbehagen an der Republik“396 keineswegs schwand. Einverständnis hingegen signalisierte Meiser mit dem Ende des Staatskirchentums und der neu gewonnenen Selbstständigkeit der Kirche397. Er teilte die Hoffnungen auf eine Neubelebung der Kirche und eine Steigerung ihres Einflusses auf die Gesellschaft, die schon bald nach 1918 die Verunsicherung über die kirchliche Unabhängigkeit ablösten und zu einem „neue[n] kirchliche[n] Selbstbewußtsein“398 führten. Die Frage nach „Wesen und Auftrag“399 der von den Fesseln des Staates befreiten Kirche beschäftigte von liberalen Theologen über Religiöse Sozialisten bis hin zu konfessionellen Lutheranern nahezu alle Kräfte im deutschen Protestantismus. Von den zahlreichen Schriften zur Kirchenfrage erregte „Das Jahrhundert der Kirche“ des kurmärkischen Generalsuperintendenten Otto Dibelius am meisten Aufsehen400. Meiser selbst nahm das „Jahrhundert der Kirche“ zum Ausgangspunkt einer Predigt401, begann aber schon vorher, sich programmatisch mit Wesen und Auftrag der Kirche zu befassen. Bis zum Ende der Weimarer Republik erschienen fünf Schriften402, in denen er „die Zukunft der Kirche, […] die Gestaltung des gemeindlichen und kirchlichen Lebens und die gesellschaftliche Frage berührte“403. Dabei wurde er u. a. durch die Schrift „Das Erlebnis der Kirche“ von Paul Althaus beeinflusst, der das Ende des Staatskirchentums als „große Stunde der Kirche“404 sah und eine Erneuerung der im Ersten 392 Der Christliche Volksdienst schloss sich 1929 mit der von der Deutschnationalen Volkspartei abgespaltenen christlich-sozialen Reichsvereinigung zum Christlich-Sozialen Volksdienst zusammen (vgl. Nowak, Geschichte, 225; Ders., Kirche, 145–151). 393 Vgl. das oben Kap. I, Anm. 9, erwähnte Interview. 394 Zitat: ebd. 395 Nowak, Geschichte, 236. 396 Nowak, Kirche, 85. 397 Vgl. H. Meiser, Einführung. 398 Nowak, Geschichte, 218. 399 Ebd. 400 Dibelius, Jahrhundert. 401 Predigt vom 6. 2. 1927 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-54, Nr. 1132). 402 Vgl. H. Meiser, Warum ich meine Kirche liebe; Ders., Gegenwartsaufgaben; Ders., Kirche der Zukunft; Ders., Not; Ders., Protestantismus. 403 Vgl. dazu und zum Folgenden M nchenbach, Meiser, 151 f. (Zitat: 152). 404 Althaus, Erlebnis, 31.
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Weltkrieg erlebten Volksgemeinschaft durch die Gemeinschaft der Kirche erwartete. Meiser bezog sich ferner auf den von Paul Schorlemmer herausgegebenen Sammelband „Vom neuen Willen zur Kirche“405 sowie die Schriften „Die kommende Kirche“ von Erich Stange406 und „Die Meisterfrage beim Aufbau der evangelischen Kirche“ von Paul Le Seur407. Eine geradezu euphorische Schau auf die Möglichkeiten der Kirche entfaltete Meiser 1927 in seinem Artikel „Gegenwartsaufgaben der Kirche“408. Danach stand die Kirche vor der Aufgabe, sich in ihre neue Unabhängigkeit einzufinden. Dies konnte für Meiser nur durch eine Neubelebung der Kirche gelingen. Dazu sollten die Gemeindeglieder aktiv in den Gemeinden mitarbeiten, Pfarrhelferstäbe gründen, gegenseitige Seelsorge treiben und soziale Aufgaben wahrnehmen. Diese Forderungen waren von der Gemeindebewegung beeinflusst, deren Impulse seit 1910 im „Deutschen Evangelischen Gemeindetag“409 weiterwirkten. Meiser meinte ferner, die Kirche müsse sich verinnerlichen. Dies sollte u. a. durch eine feierliche Ausgestaltung der Gottesdienste bewirkt werden. Konkret appellierte er an die Gemeinden, sich für die jüngere liturgische Bewegung zu öffnen, die sich seit Ende des Ersten Weltkriegs um eine Erneuerung des Gottesdienstes bemühte und in der Einflüsse Rudolf Ottos410, der Berneuchener Bewegung411 sowie der Hochkirchlichen Bewegung412 zusammenflossen413. Für ein weiteres Gebot der Stunde hielt Meiser die Vereinigung von Kirchen. Als positives Beispiel bewertete er nicht nur den Zusammenschluss der deutschen Landeskirchen im Deutschen Evangelischen Kirchenbund414, sondern auch die erste Tagung des Lutherischen Weltkonvents in Eisenach 1923415 und die Weltkirchenkonferenz der Bewegung für Praktisches Christentum in Stockholm 1925416. Vor allem aber sah Meiser für die Kirche den Zeitpunkt gekommen, in die Offensive zu gehen. Er meinte, im politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Chaos der Gegenwart sei die Kirche der einzige feste Halt geblieben. Deshalb böten sich ihr bessere Bedingungen als je zuvor, den Kampf gegen den Unglauben aufzunehmen. Sie habe jetzt die 405 406 407 408 409 410 411 412 413 414 415 416
Vom neuen Willen. Stange, Kirche. Le Seur, Meisterfrage. H. Meiser, Gegenwartsaufgaben. Der Artikel beruhte auf seinem gleichnamigen Vortrag auf dem Bezirkskirchentag in Altdorf am 11. 7. 1926 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-54, Nr. 1125). Vgl. Winkler, Gemeindetag. Vgl. A. Reuter, Otto. Vgl. Bloth, Berneuchen. Vgl. Riplinger, Bewegung. Vgl. Niebergall, Agende, 67–69; Maas-Ewerd, Bewegung. Vgl. oben Kap. II, Anm. 274. Vgl. Schmidt-Clausen, Weltkonvent, 42–84; Grundmann, Weltbund, 335–343. Vgl. Rouse / Neill, Geschichte, Bd. 2, 181–191; Dam, Weltbund, 197–199; und Duguid-May, Bewegung, 242 f.
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Chance, ihren öffentlichen Einfluss wiederzugewinnen und ihre Stimme gegen die Auflösung der „alte[n] Ordnungen und Bindungen“, die Zerstörung der Familienstrukturen, den Sittenverfall und die „schrankenlosen Auswüchse des modernen Wirtschaftslebens“ zu erheben417. Die Klagen über den Verfall zeigen, dass Meisers optimistische Schau auf die kirchlichen Möglichkeiten eine folgenschwere Kehrseite hatte: Sie beruhte auf einem ausschließlich desaströsen Bild der Weimarer Republik. Dieses Bild war zwar nicht aus der Luft gegriffen, denn politische Instabilität, Wirtschaftskrisen und hohe Arbeitslosigkeit belasteten große Teile der Bevölkerung und die moderne Kultur verunsicherte nicht nur gläubige Christen; wenn die evangelische Kirche die Republik aber ausschließlich negativ wahrnahm, wenn sie wie Meiser permanent Werteverfall, „Subjektivismus, Individualismus und Liberalismus“418 beklagte oder wie Dibelius gleich offen aussprach, dass die „Stimmung in der Kirche ganz überwiegend republikfeindlich“419 sei, um dann die Kirche als Gegenmodell auszurufen, untergrub sie die Identifikation mit dem demokratischen Staat, diffamierte die Bemühungen in Politik, Gesellschaft und Kultur, das Gemeinwesen konstruktiv zu gestalten, und trug zur Polarisierung der konkurrierenden Weltanschauungsmilieus bei420. Das kirchliche Gegenmodell, das Meiser den Zuständen in der Republik entgegensetzte, entfaltete er in seinem Vortrag „Warum liebe ich meine Kirche?“421. 1925/26 erstmals publiziert422, gelangte der Vortrag später zu Berühmtheit und blieb bis in die 1990er Jahre fester Bestandteil der kirchlichen Erinnerung an Meiser423. Dazu trug schon die Eingangssequenz bei, in der er geradezu poetisch seine Liebe zur Kirche erklärte, vor allem aber der Schluss, in dem er die Grabinschrift des katholischen Bischofs von Genf Kardinal Gaspard Mermillod „dilexit ecclesiam – er liebte seine Kirche“424 zitierte – eine Inschrift, die nach Meisers Tod auch sein eigener Grabstein trug und treffend das Zentrum seines Lebens und Handelns zusammenfasste. Seine Liebe zur Kirche begründete Meiser vor allem mit ihrem Bekenntnis, das sie zur „Kirche der rechten Lehre“ und des „lauteren Evangeliums“
417 418 419 420 421
Zitate: H. Meiser, Gegenwartsaufgaben, 4. Nowak, Geschichte, 234. Dibelius, Jahrhundert, 76. Vgl. Nowak, Geschichte, 235. Vortrag auf dem Nürnberger Jahresfest der „Gesellschaft für Innere und Äußere Mission im Sinn der lutherischen Kirche“ (undatiertes hsl. Manuskript: LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-54, Nr. 1122). 422 H. Meiser, Warum liebe ich meine Kirche. 423 In der frühen Memorialliteratur gab der Vortrag in abgewandelter Form den Titel und das Gerüst für einen biographischen Überblick (Heiwik, Kirche); 1996 wurde er erneut titelgebend für den Berichtband über einen Studientag, der sich kritisch mit Meisers Verhalten während der NS-Herrschaft auseinandersetzte (Haberer, Kirche). 424 Zitat nach dem Wiederabdruck in H. Meiser, Kirche, Kampf, 34.
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mache425. Schon hier wurde deutlich, dass seine Liebe nicht der Kirche im Allgemeinen, sondern der lutherischen Kirche galt. Kirche Christi sollte zwar auch andernorts zu finden sein, für ihn kam die lutherische Lehre der Wahrheit des Evangeliums aber am nächsten. Dies machte er vor allem an der lutherischen Rechtfertigungslehre fest, die „letzte Offenbarungen“426 und unveränderliche Wahrheiten enthalten sollte. Daneben führte er für die lutherische Kirche auch ihr Kirchen- und Sakramentsverständnis ins Feld, stimmte ein Loblied auf ihre Liturgie, Lieder und Choräle an und erinnerte an die großen lutherischen Gestalten der Geschichte.
Abb. 24: Hsl. Manuskript Hans Meisers für seinen Vortrag „Warum liebe ich meine Kirche?“ (Auszug), 1925
Bei seiner Liebeserklärung ging es Meiser um mehr als eine Neubelebung der Kirche: Er wollte Gesellschaft und Wirtschaft der Weimarer Republik nach kirchlichem Vorbild von Grund auf neu aufbauen. Ermöglichen sollte dies der gemeinschaftsbildende Charakter der Kirche. Da alle anderen Kräfte versagt hätten, sei nur noch die Kirche in der Lage, das Verlangen nach Gemeinschaft zu stillen; von „entwurzelten Großstadtmenschen“ bis zu „religiösen Kreise[n] im Sozialismus“ blickten Unzählige auf die Kirche427. Nur vom kirchlichen Gemeinschaftsleben aus könne das Volksleben neu aufgebaut, „die ,Klassen‘ zu neuer Volksgemeinschaft“428 verbunden und eine „wahre brüderliche Solidarität aller Stände“429 hergestellt werden430. Dies war freilich kein neues Konzept, denn das kirchliche Gemeinschaftsleben, bei dem der Neuaufbau seinen Anfang nehmen sollte, ruhte für Meiser 425 426 427 428 429 430
Zitate: ebd., 24. Ebd., 25. Zitate: ebd., 32. Ebd., 21. Ebd., 32. Vgl. oben Kap. II, Anm. 380.
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nach wie vor auf den unwandelbaren Wahrheiten lutherischer Dogmatik und den sozialethischen Positionen Wicherns. Neu traten lediglich die aktive Beteiligung der Gemeindeglieder und eine verstärkte Berücksichtigung sozialer Aspekte hinzu. Meisers Gegenmodell zur Weimarer Republik hatte im Kern nichts Anderes zum Inhalt als die überkommene kirchliche Lehre und ein behutsam erneuertes Gemeindeleben. Zudem konterkarierte er sein Rezept für die Gemeinschaftsbildung durch Abgrenzungen gegen religiöse Konkurrenzunternehmen wie die Gemeinschaftsbewegung, die er in der Gefahr der Separation sah, und die eng mit der Anthroposophie Rudolf Steiners431 verbundene Christengemeinschaft432, die er als Sekte einstufte433. Besonders scharf grenzte er sich gegen die katholische Kirche ab. 1923 erschien in der Bamberger katholischen Kirchenzeitung „Sonntagsfriede“ eine Artikelserie434, nach der im Protestantismus eine Annäherung an den Katholizismus, ja eine Selbstauflösung stattfinden sollte. In seiner Replik beurteilte Meiser die Serie als böswillige Kampfschrift, die bewusst ein Zerrbild des Protestantismus entwerfe. Besonders empörte er sich über die Polemik gegen die protestantische Glaubens- und Gewissensfreiheit, die nach der Artikelserie einen schrankenlosen Subjektivismus und die Verabschiedung von zentralen christlichen Dogmen zur Folge gehabt haben sollte. Diesen Vorwurf konterte Meiser mit Verweisen auf den Bekenntnisvorspruch der bayerischen Kirchenverfassung und die offizielle Kriminalstatistik, die zu Ungunsten des katholischen Bevölkerungsteils ausfalle435. Am meisten aber erzürnte ihn die Behauptung, die Glaubens- und Gewissensfreiheit untergrabe den Staat und sei verantwortlich für den Zusammenbruch Deutschlands, weil der liberale Protestantismus den Weg für die Revolution von 1918/19 geebnet habe436. Dem setzte er die lutherische Obrigkeitslehre entgegen und hob hervor, dass gerade die evangelische Kirche ihre Glieder zum Gehorsam gegen die Obrigkeit und die Gesetze erziehe. Die katholische Kirche hingegen wolle den Staat beherrschen. Wo das in der Geschichte nicht der Fall gewesen sei, habe sie Gesetze für unverbindlich erklärt oder auf die Absetzung des Staates hingewirkt; auch das Recht auf Revolution und Tyrannenmord hätten nicht Protestanten, sondern der Jesuit Juan de Mariana proklamiert437.
431 Vgl. Baral, Anthroposophie. 432 Vgl. Ringleben, Christengemeinschaft. 433 Vgl. den Vortrag „Unsere Stellung zur Christengemeinschaft“ vom 26. 4. 1927 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-54, Nr. 1135). 434 Rost, Annäherung. 435 Vgl. H. Meiser, Sonntagsfriede. 436 Zur These vom Protestantismus als Verursacher der Revolution vgl. schon Stahl, Protestantismus, bes. 1 f. 437 Meiser nannte hier als Beleg das von Mariana verfasste Buch „De rege et regis institutione“ von 1599 (vgl. Herbers, Mariana, hier: 826).
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Nachdem die konfessionellen Auseinandersetzungen im Vergleich zur Vorkriegszeit an Schärfe verloren hatten438, wollte Meiser zwar kein neues Öl ins Feuer gießen und schloss seine Replik mit einem Appell zum konfessionellen Frieden; sein Misstrauen gegen die katholische Kirche aber blieb bestehen. So verurteilte er in einem Vortrag konfessionell gemischte Ehen, weil die unterschiedlichen Glaubensauffassungen unüberwindbare Gräben schaffen würden; vor allem mit der Verpflichtung zur katholischen Kindererziehung mache die katholische Kirche „jede Mischehe zu einem Kampffeld für die Machtansprüche“439 Roms. Das waren gewiss keine Töne, die dem konfessionellen Frieden dienten; hier brach sich wieder die im bayerischen Protestantismus tief verwurzelte Angst Bahn, von der übermächtigen katholischen Kirche verdrängt zu werden. Die anhaltenden konfessionellen Spannungen erwiesen sich in der NSHerrschaft als Hemmnis für ein gemeinsames Vorgehen beider Kirchen gegen die Verbrechen des NS-Staates und trugen dazu bei, dass Meiser sich nicht dazu durchringen konnte, zusammen mit der katholischen Kirche gegen die NS-Rassepolitik zu protestieren. Aber auch weitere Positionen, die er als Seminardirektor vertrat, wurden in der NS-Herrschaft zu einer schweren Hypothek: So machte ihn die Distanz zum demokratischen Staat und zur säkularen Gesellschaft empfänglich für ein autoritäres System; zudem wurde seine Fixierung auf die lutherische Kirche mit ursächlich für die Spaltung der Bekennenden Kirche. Noch problematischer aber wirkte sich seine Haltung in einer anderen Frage aus, nämlich der Frage nach dem Umgang mit der jüdischen Bevölkerungsminderheit. 4.6 Die sogenannte Judenfrage 4.6.1 Meisers Stellungnahme von 1926 Die sogenannte Judenfrage erregte in den 1920er Jahren breite öffentliche Aufmerksamkeit und wurde in den evangelischen Sonntagsblättern viel diskutiert440. Da Meiser in der Nürnberger Öffentlichkeit als Autorität galt, die einen quasi kirchenamtlichen Standpunkt vertreten konnte, bat ihn die Schriftleitung des dortigen Evangelischen Gemeindeblatts, zur „Judenfrage vom Standpunkt der evang[elischen] Gemeinde aus im Sinn einer Klärung und Richtunggebung grundsätzlich Stellung zu nehmen“441. Seine Artikelserie 438 Vgl. M nchenbach, Meiser, 102 f. 439 Undatiertes hsl. Manuskript „Darf ein evangelisches Mädchen einen katholischen Mann heiraten?“, vermutlich von 1926 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-54, Nr. 1131). 440 Vgl. Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 1, 71. 441 Vorwort der Schriftleitung des Evangelischen Gemeindeblatts Nürnberg zu Meisers Stellungnahme (H. Meiser, Gemeinde, 394).
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„Die evangelische Gemeinde und die Judenfrage“ erschien im August und September 1926442. Die Vorgeschichte der Artikelserie hat der Erlanger Neutestamentler Lukas Bormann präzise herausgearbeitet443. Die Serie entstand im Kontext der Agitation des antisemitischen Hetzblatts „Der Stürmer“, das nicht nur Juden diffamierte, sondern auch Christen, die vom Judentum zum Christentum konvertiert waren. Weil die Kirche an der Universalität von Evangelium und Taufe festhielt, wurde auch sie zur Zielscheibe des „Stürmer“, der sich als Hüter des Christentums aufspielte und Pfarrer und Gemeindeglieder dazu aufforderte, „gegen die jüdische Invasion in das ,wahre‘ Christentum anzukämpfen“444. Dies führte in der evangelischen Bevölkerung Nürnbergs zu großer Verunsicherung, weshalb die Schriftleitung des Gemeindeblatts die „Judenfrage“ aufgriff. Konkreter Anlass für die Artikelserie waren die Vorgänge um den Vortrag des Frankfurter Magistratsoberrats und Juristen Prof. Dr. Ernst Cahn auf einer Tagung des Evangelisch-Sozialen Kongresses im Oktober 1925 in Nürnberg. Cahn, der sich stark für die evangelische Kirche engagierte, stammte aus einer jüdischen Familie und war zum Christentum konvertiert. Der „Stürmer“ hetzte bereits im Vorfeld gegen ihn; auf der Tagung selbst kam es dann zum Eklat, als Parteigenossen Cahn wegen seiner Herkunft diffamierten. Während der Stürmer den Eklat propagandistisch ausschlachtete, spielte das Evangelische Gemeindeblatt den Vorfall herunter. Der Protest eines völkisch gesinnten Gemeindeglieds gegen die Berichterstattung des Gemeindeblatts gab der Schriftleitung den Anstoß, Meiser zu bitten, „zur so genannten Judenfrage unter Berücksichtigung der völkischen Positionen Stellung [zu] beziehen“445. Während Meiser an der Artikelserie arbeitete, heizte der „Stürmer“ die Stimmung weiter an. Als dann der erste Teil seiner Serie erschien, enthielt er zunächst allerdings wenig, was die antisemitische Stimmungsmache hätte beruhigen können. Hier fand sich nicht nur der gesamte Kanon bürgerlicher antisemitischer Stereotypen, sondern Meiser rückte die „Judenfrage“ auch noch unter rassische Gesichtspunkte und konstatierte einen weltweiten Rassenkampf, der seine Ursache in rassischen Unterschieden haben sollte446. Dabei gebrauchte er einen biologischen Rassebegriff, den er allerdings nicht definierte und zu dem er sich wiederholt in Widerspruch setzte. So sollte das „Sonderdasein [der Juden] unter den Völkern“447 dann doch keine rassischen, sondern religiöse Gründe haben: Die Isolation der Juden sei selbst gewählt; sie 442 Vgl. H. Meiser, Gemeinde (Wiederabdruck: Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 1, 350–362; Fix, Glaubensgenossen, 90–102). 443 Vgl. dazu und zum Folgenden Bormann, Stürmer, 192–201. 444 Stürmer Nr. 40 vom September 1925, zit. nach ebd., 195 f. 445 Ebd., 200. 446 Vgl. H. Meiser, Gemeinde, 394 f. 447 Ebd., 395.
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hielten an religiösen Sonderriten fest, sähen sich „als den Messias der Menschheit“ und meinten, „der ganzen Menschheit als Erretter zum Segen und Heil gesetzt [zu] sein“448. Den Rest des ersten Teils widmete Meiser dann dem übermäßigen Einfluss, der von Juden ausgehen sollte, und reihte dabei ein antisemitisches Stereotyp an das andere. Am stärksten sollte danach der jüdische Einfluss auf dem Gebiet der Volkswirtschaft sein. Als Ursache machte Meiser den eigennützigen Erwerbstrieb von Juden aus, die skrupellos den größten Teil des Volkvermögens an sich gebracht hätten. Für noch verheerender hielt er die Auswirkungen des jüdischen Einflusses auf das politische, geistige und kulturelle Gebiet. Mit großer Intelligenz begabt, hätten die Juden sich ein hohes Maß an Bildung verschafft und seien deshalb in Staat, Politik, Bildungswesen, Literatur, Theater und Presse in unverhältnismäßig großer Zahl in einflussreiche Positionen gelangt. Zwar seien viele wirtschaftliche, kulturelle und wissenschaftliche Leistungen Juden zu verdanken, ihr Einfluss sei aber darum so unheilvoll, weil ihr „Verstand etwas Zerfressendes, Aetzendes, Auflösendes in sich“449 habe. Dieser Befund brachte Meiser zu dem Schluss, die „Judenfrage“ sei für Volk und Kirche so bedeutend, dass die evangelische Gemeinde Stellung dazu nehmen müsse. Bevor er dazu kam, beleuchtete er im zweiten Teil allerdings noch die Positionen von nationalistisch-antizionistischen jüdischen Deutschen, radikalen Antisemiten und völkischer Bewegung. Anhand des 1911 anonym erschienenen Buches des Stralsunder Rechtsanwalts und Magistratsbeamten Friedrich Blach „Die Juden in Deutschland. Von einem jüdischen Deutschen“450 stellte er das Modell totaler Assimilation dar, mit dem er zwar sympathisierte, dessen Realisierung er aber für utopisch hielt. Das Gegenmodell – radikal-antisemitische Forderungen nach Bekämpfung und Ausgrenzung von Juden – streifte er nur kurz und stellte als Gemeinsamkeit von radikalen Antisemiten und völkischer Bewegung fest, dass beide das Zentrum der „Judenfrage“ an der Rasse festmachten. Bei der Entfaltung der evangelischen Position ging auch Meiser von der Rasse aus. Im Sinn der Schöpfungsordnungstheologie, nach der das Volk eine göttliche Ordnung sein sollte, schärfte er den Lesern ein, dass „die Treue gegen das eigene Volk eine ernste Christenpflicht“451 sei, und wandte sich unter Berufung auf den Greifswalder Praktischen Theologen Eduard Alexander von der Goltz452 und dessen Broschüre „Christentum und Rassenfrage“ von 1925 gegen Ehen zwischen Deutschen und Juden, weil Gott keine „rassisch unterwertige[n] Mischlingsbildungen“453 wolle. Sah er hier noch 448 449 450 451 452 453
Zitate: ebd. Ebd., 396. Vgl. Hambrock, Etablierung, 46. H. Meiser, Gemeinde, 406. Vgl. Bautz, Goltz. H. Meiser, Gemeinde, 406.
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Abb. 25: Artikelserie Hans Meisers „Die evangelische Gemeinde und die Judenfrage“ (erste Seite), 1926
Übereinstimmung zwischen evangelischer Gemeinde und völkischer Bewegung, grenzte er sich dann aber gegen deren biologistisch-deterministischen Rassebegriff ab. So warnte er vor dem „Rassenmaterialismus“ von völkischer Bewegung und Nationalsozialisten und forderte die Gemeinde
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auf, Juden nicht „bloß um ihrer Rasse willen von vornherein als minderwertige Menschen an[zu]sehen“454. Vollends im Widerspruch zum biologistisch-deterministischen Rassebegriff stand Meisers Auffassung, die Taufe bewirke eine rassische Veredelung. Seine Aufforderung, gerade diejenigen, die Juden für rassisch minderwertig hielten, sollten wegen der veredelnden Wirkung der Taufe „nicht das Ju d e n p o g r o m predigen, sondern […] zur Ju d e n m i s s i o n aufrufen“455, war eine Zurückweisung der Hetze des „Stürmer“ gegen Christen jüdischer Herkunft. Zudem führte Meiser die Universalität des Christentums an, nach der Gott „auch der Juden und Heiden Gott“ sei „und über die Angehörigen der anderen Rassen so gut seine Heils- und Friedensgedanken“ habe, „wie wir hoffen, daß er sie gegen uns hegen möge“456. Daraus leitete er einen Grundsatz ab, der radikal-antisemitischen Forderungen eine klare Absage erteilte: „Gott hat uns nicht zur gegenseitigen Vernichtung, sondern zum gegenseitigen Dienst und zur gegenseitigen Förderung geschaffen.“457 Im weiteren Verlauf behandelte Meiser die Frage, wie sich Christen im Kampf gegen den jüdischen Einfluss verhalten sollten. Wie zuvor wechselten dabei antisemitische Aussagen mit Voten gegen den aggressiven Antisemitismus des „Stürmer“. So meinte er, das deutsche Volk sei durch den „alles nivellierenden, die sittlichen Grundlagen unseres Volkstums zersetzenden, bis zur Laszivität ausschweifenden jüdischen Geist“458 so stark gefährdet, dass der jüdische Einfluss zwingend begrenzt werde müsse. Für den Kampf gegen die geistige „,Verjudung‘ unseres Volkes“459 schlug er ausgrenzende, separierende und stigmatisierende Maßnahmen wie die Vergabe öffentlicher Positionen an Juden nur noch im Verhältnis zu ihrem Bevölkerungsanteil vor, sah den besten Schutz „gegen die von einem entarteten Judentum drohende Gefahr“460 aber in der Stärkung der Christlichkeit der Bevölkerung. Der Kampf gegen den jüdischen Einfluss durfte für Meiser jedoch nicht mit unchristlichen Mittel geführt werden. Deshalb verurteilte er scharf „die widerliche Verhöhnung und niedrige Beschimpfung der Juden“461, wie sie der „Stürmer“ betrieb. Die Bekämpfung des Judentums habe solche Formen angenommen, dass Christen „förmlich genötigt“ seien, „sich schützend vor die Juden zu stellen“462. Nach dieser Positionierung gegen den „Stürmer“ bemühte Meiser allerdings erneut einen Bestandteil des bürgerlichen Antisemitismus,
454 455 456 457 458 459 460 461 462
Zitate: ebd. Ebd. Zitate: ebd., 407. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd., 418. Ebd., 419. Ebd.
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nämlich die Legende vom ewigen Juden463, der von Gott dazu verflucht sei, bis ans Weltende „unter den Völkern […] ruhelos und heimatlos“ zu wandern; zwar könne die evangelische Gemeinde den Juden von diesem Fluch nicht befreien, aber – so schloss Meiser seine Stellungnahme – Christen sollten ihm „so begegnen, daß er, wenn Gott dereinst den Fluch von ihm nimmt und er zur Ruhe eingehen darf, seine Heimat da sucht, wo er die findet, die ihn in seinen Erdentagen mit Freundlichkeit gegrüßt, mit Selbstverleugnung getragen, durch hoffende Geduld gestärkt, mit wahrer Liebe erquickt, durch anhaltende Fürbitte gerettet haben“464.
4.6.2 Zur Rezeption der Stellungnahme In der konkreten historischen Situation verfolgte Meiser mit seiner Stellungnahme zweifellos die Absicht, gegen „die rassistische Ausgrenzungspraxis der Nürnberger Nationalsozialisten“465 aufzutreten. Nach dem Zivilisationsbruch der Shoa466 werfen die scharf formulierten antisemitischen Stereotypen und die rassistische Terminologie jedoch die Frage auf, ob und inwiefern die Stellungnahme in den Kontext der antisemitischen Mentalität zu stellen ist, die den geistigen Boden für die spätere Ausgrenzungs- und Entrechtungspolitik des NS-Regimes bereitete. Um diese Frage zu beantworten, ist es erforderlich, die Rezeptionsgeschichte der Stellungnahme zu analysieren, zumal die Artikelserie im Gegensatz zu Meisers übrigen Publikationen, die inzwischen sämtlich in Vergessenheit geraten sind, in jüngerer Zeit kontroverse Diskussionen ausgelöst und bei der Umbenennung der nach Meiser benannten Straßen in Nürnberg und München eine maßgebliche Rolle gespielt hat467. a) Zeitgenössische Rezeption Wie der Wortlaut des Textes selbst verlief die Rezeptionsgeschichte von Anfang an widersprüchlich. Ein Gemeindeglied signalisierte Zustimmung zu Meisers scharfem Urteil über das Judentum und seinem Lösungsmodell für die „Judenfrage“, der Judenmission468. Diese Haltung dürfte für viele Gemeindeglieder repräsentativ gewesen sein, denn Meisers Sicht auf das Judentum wurde „in den 1920er Jahren von der überwiegenden Mehrzahl der Protes463 464 465 466 467 468
Vgl. Fechner, Ahasver. Zitate: H. Meiser, Gemeinde, 419. Bormann, Stürmer, 211. Vgl. Diner, Zivilisationsbruch; Ders., Gedächtnisse. Vgl. unten Kap. V 3; Schulze, Meiser, 203–206; und Stadt N rnberg, Umbenennung. Schreiben an Meiser vom 7. 9. 1926 (Abdruck: Kitzmann, Text, 145).
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tanten Deutschlands geteilt“469. Freilich gab es auch andere Stimmen, einerseits solche, die Meisers antisemitische Aussagen ablehnten470, andererseits aber auch solche, die für eine radikale Abwehr des Judentums plädierten und sich deshalb auch gegen die Judenmission wandten471. Ohne Meiser direkt zu erwähnen, reagierte der „Stürmer“ auf seine Stellungnahme mit einem Anstieg der Artikel zum Thema Kirche und Judentum472. Dies gipfelte im Oktober 1926 in der Forderung, die Kirchenbehörden sollten „die Taufe von Menschen jüdischer Herkunft unterlassen, da diese Feinde der Kirche und des Christentums wären“473. Wohl um sich den Angriffen auf die Kirche wirksam entgegenstellen zu können, forderte Meiser auf dem Höhepunkt der Propaganda des „Stürmer“ beim Evangelischen Pressverband Material zur „Judenfrage“ an474. Als die Hetze abebbte, hörte er jedoch auf, sich mit der „Judenfrage“ zu beschäftigen, und sandte das Material zurück. Seine Stellungnahme geriet danach zunächst in Vergessenheit. Dies galt allerdings nicht für den „Stürmer“. Nachdem die Nationalsozialisten die Macht übernommen hatten, schlachteten der „Stürmer“-Herausgeber Julius Streicher und Hauptschriftleiter Karl Holz die Artikelserie als Beweis für die Judenfreundlichkeit Meisers aus, um seine Position als Landesbischof zu untergraben. Streicher griff Meiser schon 1933 an475; 1934 behauptete der „Stürmer“, Meiser halte „mit fanatischer Beharrlichkeit an der ,Auserwähltheit‘ der Juden“476 fest. Als dann das Lutherische Missionsjahrbuch 1935 die Schlusssätze aus Meisers Artikel zitierte, verunglimpfte Holz ihn auf gehässigste Weise477. Dabei lösten die Nationalsozialisten die Widersprüchlichkeiten der Stellungnahme auf und blendeten die antisemitischen Passagen aus. Ähnlich einseitig, jetzt aber als Beleg für Meisers Gegnerschaft zur NS-Rassepolitik, wurde die Artikelserie in Meisers Todesjahr von seinem früheren Mitarbeiter Eduard Putz478 ausgelegt479. Danach verschwand die Serie für zwei Jahrzehnte in Archiven und Bibliotheken.
469 Hermle, Bagatellisierung, 55. 470 Vgl. Baier, Kirche und Judentum, 13. 471 Dies zeigte schon die Reaktion eines Gemeindeglieds auf eine Predigt Meisers von 1920, in der er einen ähnlichen Standpunkt vertreten hatte wie in seiner Stellungnahme von 1926 (vgl. das Schreiben eines Gemeindeglieds an Meiser vom 8. 3. 1920: LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008226). 472 Vgl. Bormann, Stürmer, 202–207. 473 Ebd., 203. 474 Vgl. das Schreiben des Evangelischen Pressverbands für Deutschland an Meiser vom 25. 10. 1926 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-54). 475 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 130. 476 Zitat nach ebd., 284. 477 „Offener Brief des Frankenbischofs Karl Holz an den Landesbischof Meiser“ (Abdruck: Baier, Christen, 237; vgl. auch Kremmel, Pfarrer, 491 f.). 478 Zu Putz vgl. Baier, Putz. 479 Vgl. J. Schieder, Meiser, 40.
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b) Rezeption seit den 1970er Jahren Der Lehramtskandidat Siegfried Münchenbach legte 1976 die erste wissenschaftliche Analyse des Textes vor480. Er stellte ihn in den Kontext des bürgerlichen Antisemitismus im wilhelminischen Kaiserreich, zog die Linie zu Adolf Stoeckers Antisemitismus, wies den Zusammenhang mit der Theologie der Schöpfungsordnungen auf und hielt fest, der kirchliche Antisemitismus habe „die moralische Widerstandskraft gegen den nationalsozialistischen Antisemitismus und schließlich gegen die ersten Maßnahmen der Partei und diskriminierenden Gesetze nach der ,Machtergreifung‘ geschwächt“. Zugleich betonte er jedoch die Widersprüche, aus der „ganz unterschiedliche Positionen gegenüber den Juden herausgelesen werden“ konnten481. Münchenbachs Arbeit wurde für die Forschung richtungweisend482. So übernahm der Direktor des Landeskirchlichen Archivs Nürnberg Helmut Baier 1988 sein Urteil, Meiser habe die Widerstandskraft gegen die ersten antisemitischen Maßnahmen des NS-Regimes geschwächt483. 1989 meinte der Gießener Kirchenhistoriker Martin Greschat, Meiser habe zwar den radikalen Antisemitismus zurückgewiesen und gefordert, Christen sollten Juden mit Liebe begegnen, aber seine „bösartigen antisemitischen Stereotypen“ hätten „diesem Grundsatz“ widersprochen484. 1990 veröffentlichten Eberhard Röhm und Jörg Thierfelder Meisers Stellungnahme dann in vollem Wortlaut485. Auch sie zeigten die Widersprüche auf und schlossen: „Die Mehrheit der Protestanten in Deutschland dachte 1933 über die Juden wie Meiser […]. Eine ernsthafte Gegenwehr gegen die judenfeindliche Politik Hitlers war von dieser Seite zunächst gewiß nicht zu erwarten.“486 Diesem Urteil fügte Marikje Smid 1990 noch einige neue Aspekte hinzu: Sie sah bei Meiser eine Verschränkung von „sozialen und kulturellen Antipathien gegen ,die‘ Juden mit dem theologischen Stereotyp der ewigen Fremdlingschaft des von Gott verfluchten jüdischen Volkes“ und meinte, seiner Argumentation habe „die für den konservativen Protestantismus seit Mitte des 19. Jahrhunderts typische Säkularisierungsangst zugrunde“ gelegen487. Nach der Wiederveröffentlichung blieb für anderthalb Jahrzehnte eine ambivalente Beurteilung wissenschaftlicher Konsens488. Der Kirchenhistoriker Carsten Nicolaisen urteilte 1996, die Serie sei „eine Polemik, die das völ480 481 482 483 484 485 486 487 488
Vgl. M nchenbach, Meiser, 134–149. Zitate: ebd., 148. Zur Bewertung von Münchenbachs Arbeit vgl. auch Oelke, Erinnerungskultur, 219 f. Vgl. Baier, Kirche und Judentum, 12. Zitate: Greschat, Antisemitismus, 41. Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 1, 350–362. Ebd., 81 f. Zitate: Smid, Protestantismus, 345. Vgl. Bormann, Antisemitismusvorwurf, 18.
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kisch-nationalsozialistische Dogma vom Kampf der Rassen und der vermeintlichen rassischen Minderwertigkeit weitgehend übernahm“489, enthalte zugleich aber Abgrenzungen vom völkischen Rassenantisemitismus, so dass der Text ambivalent bleibe. Auch der Kirchenhistoriker Siegfried Hermle, der die antisemitischen Passagen in die Linie von Rassenantisemitismus und völkischer Rasseideologie stellte, wies noch 2006 auf die Widersprüchlichkeit von Meisers Text hin490. Erst der spätere Leiter des Neuendettelsauer Instituts für Christlich-Jüdische Studien und Beziehungen Axel Töllner deutete die Widersprüche 2007 nicht mehr vorrangig als Ambivalenz, sondern nur noch im Sinn einer „Brechung“, die „das Postulat eines – letztlich unauflösbaren – rassischen Gegensatzes zwischen Juden und Deutschen durch die religiöse, christlich-eschatologische Perspektive in Meisers Ausführungen“ erfahren habe491. Seit Ausbruch der Debatten um die Meiser-Straßen in Nürnberg, München und anderen bayerischen Städten im Jahr 2006492 bekamen die Urteile eine neue Qualität, denn nun waren sie mit einer Entscheidung über seine Erinnerungswürdigkeit verbunden. Dabei kam es zu einer Polarisierung von Gegnern und Befürwortern der Meiser-Straßen. Auf der Seite der Gegner exponierten sich vor allem der Kirchenhistoriker Berndt Hamm und der Neutestamentler Wolfgang Stegemann, auf der Seite der Befürworter der Braunschweiger Altlandesbischof und Kirchenhistoriker Gerhard Müller, der Pfarrer Armin Rudi Kitzmann sowie der Neutestamentler Lukas Bormann. Wie letzterer festgestellt hat, lassen sich die Urteile über Meisers Artikelserie seither in zwei Gruppen aufteilen, die jeweils – mit z. T. fragwürdiger Methodik – die „Ambivalenzen zwischen judenfeindlichen und judenfreundlichen Aussagen in eine Richtung auflösen“ und entweder „zu einer dominant antisemitischen oder einer moderat judenfreundlichen Interpretation kommen“493. Auf Seiten der Gegner urteilte Hamm, Meiser habe „einen religiös, kulturell und rassisch argumentierenden Antisemitismus propagiert, der von den Nachfahren der Opfer heute als nur zutiefst verletzend und beleidigend empfunden werden kann“; die Serie enthalte „die schlimmsten antisemitischen Stereotype und Propagandaformulierungen der völkischen Bewegung“ und habe dazu beigetragen, dass die Hemmschwelle gegenüber den NS-Verbrechen abgebaut wurde494. Unter Bezug auf Daniel Jonah Goldhagen, der als Hauptursache der Shoa einen in Deutschland tief verwurzelten, bösartigen
489 490 491 492 493 494
Nicolaisen, Bischof, 51. Vgl. Hermle, Bagatellisierung, 54 f. Zitate: Tçllner, Frage, 32. Vgl. oben Kap. II, Anm. 467. Zitate: Bormann, Antisemitismusvorwurf, 20. Zitate aus dem offenen Brief Hamms an Gotthard Jasper vom 25. 7. 2006 (http://www.augusta na.de/archiv/2006/20060724_Hamm_Stellungnahme.pdf [zuletzt abgerufen am 9. 5. 2016]).
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,eliminatorischen‘ Antisemitismus ausgemacht hatte495, bezeichnete Stegemann Meiser als „klassische[n] Vertreter des ,rassisch‘ motivierten und ,eliminatorischen‘ Antisemitismus“496; er habe die Juden zwar nicht physisch ausgelöscht wissen wollen, aber gerade die angeblich judenfreundlichen Aussagen belegten die „eliminatorische Intention“, denn mit Judenmission sollte „das Judentum […] aufhören zu existieren, indem die Juden Christen werden“497. Auf Seiten der Befürworter bezog Müller als erster gegen die Antisemitismus-Vorwürfe Stellung. Er gestand zwar zu, dass Meiser „antijüdische […] Klischees der damaligen Zeit“498 bedient habe, wehrte sich aber gegen eine Wertung der Serie als antisemitisches „Dokument des Judenhasses“499. Vielmehr habe Meiser für Nächstenliebe gegenüber den Juden geworben und sich gegen radikale Antisemiten gestellt. Auch Kitzmann war darum bemüht, die Antisemitismus-Vorwürfe zu widerlegen. Nach ihm sollte Meiser nur gängige antijüdische Vorurteile wiederholt haben, die vor 1933 protestantisches Gemeingut gewesen seien. Meiser habe die Juden nicht verunglimpfen wollen, sondern die Christen dazu aufgerufen, Juden zu schützen. Deshalb gehe es nicht an, die Artikelserie als „antisemitische ,Hetzschrift‘“ zu bewerten500. Substanzielle neue Erkenntnisse brachte erst Bormann in die Debatte ein501. Er bemängelte, Meisers Aussagen seien nicht hinreichend analysiert und stattdessen nur aus der Perspektive „der heutigen Sensibilität“502 gegenüber dem Antisemitismus bewertet worden. Eine Geschichtsschreibung aber, die einen Text von 1926 ausschließlich als Vorgeschichte der Vorgänge in der NSHerrschaft und mit Blick auf dessen Beziehung zur Shoa interpretiere, verzerre den historischen Gegenstand. Bormann wandte sich entschieden dagegen, Meisers Stellungnahme im Horizont von Goldhagens These vom ,eliminatorischen‘ Antisemitismus zu deuten und forderte eine Analyse der Bedingungen, unter denen die Artikelserie entstand, eine Untersuchung der von Meiser benutzten Quellen und eine Einordnung in die übrigen Publikationen Meisers. Nachdem er bereits die Vorgeschichte der Artikelserie herausgearbeitet hatte503, unterzog er auch den Text selbst einer Analyse und untersuchte die Stellung der Artikelserie im Schrifttum Meisers504. Dabei wies er nach, dass dem Text neben Schriften von Blach und von der
495 496 497 498 499 500 501 502 503 504
Vgl. Goldhagen, Vollstrecker. Stegemann, Schwierigkeiten, 130. Ebd., 134. G. M ller, Landesbischof, 279. Ebd., 281. Vgl. Kitzmann, Text (Zitat: 143). Vgl. Bormann, Antisemitismusvorwurf. Ebd., 7. Vgl. Bormann, Stürmer. Vgl. Bormann, Antisemitismusvorwurf, 48–70, 107–123.
Direktor des Predigerseminars Nürnberg
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Goltz505 das 1881 erschienene Buch „Was machen wir Christen mit unseren Juden!?“ des Berliner Missionswissenschaftlers Carl Heinrich Plath506 zugrunde lag. Die Passagen des Textes, in denen Meiser die soziale, wirtschaftliche und politische Stellung von Juden anprangerte, gingen auf Blach zurück, dessen Wortwahl „heute zu Recht als rassistisch und antisemitisch“507 zu beurteilen sei. Bormann schloss aus seinen Analysen, dass der Vorwurf eines „,eliminatorischen‘ Antisemitismus“ mit der Artikelserie Meisers nicht zu belegen ist, und bestritt einen „kausalen oder intentionalen Zusammenhang“ mit der Shoa508. Das historische Urteil könne nur so lauten, dass Meiser „einerseits die Kritik an der gesellschaftlichen Stellung der Juden, wie sei von zahlreichen deutschen und auch von einigen jüdisch-deutschen Autoren formuliert wurde, geteilt hat, und dass er andererseits ein Gegner der rassistischen Ausgrenzungspraxis der Nationalsozialisten gegenüber allem Jüdischen gewesen ist“509.
Insgesamt sei der Text ausschließlich nach Meisers Intention zu beurteilen, nämlich den Lesern „eine universale Sittlichkeit“, „Gewissens- und Bekenntnisfreiheit“ sowie „ein altruistisches Verhalten“ zu vermitteln, „das keine Grenzen der Rasse und Religion kennt“510. Bormanns Urteil trifft insofern zu, als Meiser in der historischen Situation in der Tat keine antisemitische Hetze schüren, sondern den Gemeindegliedern – wenn auch auf problematische Weise – vermitteln wollte, dass der Antisemitismus des „Stürmer“ für Christen inakzeptabel sei. Bormanns Urteil, Meiser sei kein bösartig agitierender Antisemit gewesen, wird auch dadurch gestützt, dass Meiser keine weitere Publikation dazu nutzte, Juden für die von ihm sonst so harsch angeprangerten Zustände in der Weimarer Republik verantwortlich zu machen. Vor allem aber lässt sich die Artikelserie nicht dem von Goldhagen postulierten ,eliminatorischen‘ Antisemitismus zuordnen; die Ausmerzung des Judentums entsprach weder Meisers Absicht noch ist sie seiner Artikelserie ohne weiteres zu entnehmen. Eine Beurteilung als ,eliminatorischer‘ Antisemitismus setzt vielmehr voraus, dass auch die ,judenfreundlichen‘ Aussagen des Textes ausschließlich im Horizont von Goldhagens Erklärungsmodell gedeutet werden, wobei die wissenschaftliche Kritik an Goldhagen511 ebenso ausgeblendet werden muss wie die Tatsache, dass Goldhagen seine Thesen später modifizierte512. Es ist kein Zufall, dass der Vorwurf des ,eliminatorischen‘ Antisemitismus 505 506 507 508 509 510 511 512
Vgl. oben Kap. II 4.6.1. Vgl. Raupp, Plath. Bormann, Antisemitismusvorwurf, 56. Zitate: ebd., 103. Bormann, Stürmer, 211. Bormann, Antisemitismusvorwurf, 104. Vgl. Schoeps, Volk, insbesondere den Beitrag von Wehler, Stachel. Vgl. Goldhagen, Kirche.
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nicht im Rahmen wissenschaftlicher Diskussionen, sondern im Kontext der Debatten um die Umbenennung der Meiser-Straßen erhoben wurde. Diese Debatten wurden unter den Prämissen geführt, die für die gegenwärtige Erinnerungskultur in der Bundesrepublik insgesamt bestimmend sind, nämlich die Fokussierung auf die Opfer513 und den Holocaust „als zentrales Bezugsereignis […] nicht nur der deutschen, sondern der europäischen Geschichte“514 sowie die Aufteilung der historischen Personen in Täter und Opfer515. Nachdem ein früherer Antrag auf Umbenennung der Münchner Meiser-Straße 1998 noch an widersprüchlichen Bewertungen Meisers gescheitert war516, ermöglichte der Vorwurf des ,eliminatorischen‘ Antisemitismus in den Debatten ab 2006 eine eindeutige Verortung Meisers im Koordinatensystem der Erinnerungskultur und damit eine – negative – Entscheidung über seine Gedenkwürdigkeit. Bormanns Verdienst bleibt es, exakte Analysen der Vorgeschichte und der Artikelserie selbst vorgelegt zu haben. Allerdings leidet auch sein Urteil unter der erinnerungskulturellen Perspektive: Im Gegensatz zu Meiser-Kritikern war er von dem Interesse geleitet, die Serie so zu deuten, dass sie nicht als Beleg für eine antisemitische Haltung Meisers oder gar als Vorgeschichte der Shoa gelten und somit auch nicht dazu funktionalisiert werden konnte, ein ehrendes Gedenken an Meiser auszuschließen. Diese Perspektive blendet jedoch drei Aspekte aus: dass Meiser sowohl bürgerliche als auch rassisch begründete antisemitische Stereotype teilte und diese in der kirchlichen Öffentlichkeit befestigte, dass er eine antisemitische Mentalität weitertransportierte, die ab 1933 zu mangelnder Sensibilität gegenüber der NS-Entrechtungs- und Ausgrenzungspolitik führte517, und dass Meisers schöpfungsordnungstheologisches Denken ihn daran hinderte, gegen die Entrechtung und Ausgrenzung von Juden aus dem öffentlichen Leben zu protestieren518. Insgesamt zeigt Meisers entschiedenes und frühzeitiges Nein zum aggressiven Antisemitismus des „Stürmer“ vor allem eins: wie schlecht Meiser theologisch gegen die NSRassepolitik gerüstet war.
513 514 515 516 517 518
Vgl. Sabrow, Erinnerung, 15. Ebd., 19. Vgl. ebd., 20. Vgl. unten Kap. V 2; Schulze, Meiser, 203. Vgl. den oben Kap. II, Anm. 494, erwähnten offenen Brief Hamms. Vgl. Hermle, Bagatellisierung, 65.
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5. Mitglied der Kirchenleitung 5.1 Oberkirchenrat im Landeskirchenrat München Bereits im Herbst 1927 war Meisers Berufung zum geistlichen Oberkirchenrat ausgemachte Sache. Dafür scheint nicht nur sein früherer Vorgesetzter Friedrich Boeckh plädiert zu haben, dessen Nachfolge als Oberkirchenrat Meiser antreten sollte519, sondern auch Kirchenpräsident Veit520. Am 1. Mai 1928 wurde Meiser als Oberkirchenrat eingeführt und gehörte nun zu den wichtigsten Entscheidungsträgern der Landeskirche521. Wie sein Vorgänger erhielt er das Schulreferat und die Zuständigkeit für die Innere Mission522, zeitweise vertrat er auch den erkrankten Personalreferenten Maximilian von Ammon523. Ferner wurde er erst Mitglied und dann Vorsitzender der Prüfungskommission für das Zweite Theologische Examen524. Nebenamtlich wurde er 1929 zum Mitglied des Landesjugendamtes und 1930 zum Beisitzer der Münchner Prüfstelle für Schmutz- und Schundschriften sowie zum Mitglied des erweiterten Ausschusses des Landesvereins für Innere Mission berufen525; 1929 übernahm er außerdem den Vorsitz des Kirchlich-sozialen Bundes in Bayern526. Als Schulreferent war Meiser für die Stellenbesetzung und die Dienstaufsicht über die Lehrkräfte zuständig. Dabei hatte er über die persönliche Eignung527, vor allem aber über die kirchliche und konfessionelle Linientreue der Lehrkräfte zu wachen. Bestanden daran Zweifel oder wandten sich Lehrkräfte gegen die Kirche, schritt er ein. So sprach er sich gegen die Berufung eines reformierten Religionslehrers an eine lutherische Bekenntnisschule aus und wollte diesem lediglich zubilligen, biblischen Geschichtsunterricht zu erteilen528. Auf einen Bericht Meisers über einen Lehrer, der sich katholisch trauen 519 Vgl. M nchenbach, Meiser, 106. 520 Vgl. das Schreiben Daumillers an Meiser vom 24. 10. 1927 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008224); offiziell wurde Meisers Berufung mit Beschluss des Ernennungsausschusses vom 18. 2. 1928 (vgl. das Schreiben Veits an Meiser vom 19. 2. 1928: Privatarchiv Familie Meiser). 521 Vgl. die Ernennungsurkunde und das Schreiben Veits an Meiser vom 20. 2. 1928 (ebd.); vgl. auch den Beschluss des Landeskirchenrats vom 23./24. 4. 1928 (LAELKB, LKR 0.2.0003-666). 522 Vgl. M nchenbach, Meiser, 106. 523 Vgl. die Protokolle der Sitzungen des Landeskirchenrats am 1. und 20. 2. 1933 (LAELKB, LKR 0.2.0003-671). 524 Vgl. M nchenbach, Meiser, 110. 525 Vgl. das Schreiben des Landeskirchenrats an Meiser vom 29. 7. 1929; das Schreiben des Reichsministeriums des Inneren an Meiser vom 27. 5. 1930; und das Schreiben des Landesvereins für Innere Mission vom 13. 6. 1930 an Meiser (Privatarchiv Familie Meiser). 526 Vgl. die ausführliche Darstellung bei M nchenbach, Meiser, 110–131. 527 Vgl. die Protokolle über die Sitzungen des Landeskirchenrats am 30./31. 5. und 26. 6. 1928 (LAELKB, LKR 0.2.0003–666). 528 Vgl. das Protokoll der Sitzung des Landeskirchenrats am 4./5. 4. 1929 (LAELKB, LKR 0.2.0003667).
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Abb. 26: Hans Meiser als Oberkirchenrat
und seine Kinder katholisch erziehen lassen wollte, beschloss der Landeskirchenrat, der Lehrer müsse die evangelische Bekenntnisschule verlassen529. Im Fall eines sozialistischen Lehrers, der zwar dem Kirchenvorstand angehörte, sich aber kirchenfeindlich betätigte, setzte Meiser sich dafür ein, dass der Lehrer von der evangelischen Konfessionsschule entfernt wurde530. Meiser verhinderte außerdem, dass akademisch gebildete Theologinnen im Schuldienst eine Beschäftigungsmöglichkeit erhielten, die ihrer Qualifikation entsprochen und zu einer entsprechenden Entlohnung geführt hätte. In den 1920er Jahren durften Frauen in Bayern zwar erstmals das Erste Theologische Examen ablegen, die Kirchenleitung unterließ es jedoch bewusst, Regelungen für ihre Anstellung zu treffen. Dies galt in erster Linie für das Pfarramt, das Frauen verschlossen blieb, wirkte sich aber auch auf ihre Beschäftigung im Schuldienst aus, denn hier durften auch akademisch gebildete Theologinnen 529 Vgl. das Protokoll der Sitzung des Landeskirchenrats am 21. 4. 1931 (LAELKB, LKR 0.2.0003669). 530 Vgl. die Protokolle der Sitzungen des Landeskirchenrats am 27./28. 1., 24./25. 4., 13. 10. und 5. 11. 1930 (LAELKB, LKR 0.2.0003-668).
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nur als Katechetinnen arbeiten531. Als eine Theologin 1931 das Gehalt einer akademisch gebildeten Religionslehrerin beantragte, votierte Meiser dagegen, weil er einen Präzedenzfall befürchtete, der ein neues Amt in der Landeskirche schaffen und weitere Theologinnen anlocken würde. Der Landeskirchenrat folgte ihm; Veit nahm den Fall zum Anlass, den Grundsatz der Kirchenleitung zu bekräftigen, „dass in unserer Kirche für Theologinnen keine Verwendung sei, außer im Religionsunterricht“532. Meisers Personalpolitik und seine Haltung zu akademisch gebildeten Theologinnen machen deutlich, dass er auch als Mitglied der Kirchenleitung keine umwälzenden Impulse setzte, sondern sich in erster Linie als Wahrer der bestehenden kirchlichen Lehre und Ordnung verstand. Um die kirchliche Lehre zeitgemäß zu vermitteln, war er aber auch jetzt bereit, aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse aufzugreifen und methodisch neue Wege zu gehen. So engagierte er sich stark für Schulbuchprojekte, die zur Ablösung der bisherigen, seit mehr als einem halben Jahrhundert in Gebrauch befindlichen Religionslehrbücher für den Volksschulunterricht533 führten und damals einen Fortschritt darstellten534. Diese Schulbuchprojekte initiierte Meiser zwar nicht selbst, sondern übernahm sie von Boeckh535, er trieb sie aber massiv voran und brachte sie zum Abschluss. Dazu gehörte vor allem das von Pfarrer Ernst Veit verfasste „Gottbüchlein“536. Unter Meiser wurde ein neuer Entwurf ausgearbeitet537, wobei er die letzte Entscheidung über den Wortlaut selbst traf538; zudem schrieb er einen Künstlerwettbewerb für die Illustrationen aus539 und war auch in die Drucklegung involviert540. Veits „Gottbüchlein“ erschien 1933, als Meiser gerade Landesbischof geworden war, und erhielt von den NS-Machthabern anstandslos die Lehrmittelfreiheit. Später waren dem Regime allerdings die Illustrationen des Kunstmalers und NSDAP-Mitglieds Bruno Goldschmitt ein Dorn im Auge, weil sie seine „arische“ Darstellung jüdischer Gestalten als Angriff auf die NS-Rassepolitik deuteten. Obwohl das „Gottbüchlein“ von religionspädagogischer Seite aus zunehmend kritisiert wurde, weil es ein primitives Gottesbild und eine „absolute Gehorsamsmoral“ ver531 Vgl. N tzel, Entwicklung, 364 f. 532 Protokoll der Sitzung des Landeskirchenrats am 16. 3. 1931 (LAELKB, LKR 0.2.0003-669). 533 Christian Mayers „Erster Unterricht im christlichen Glauben für die untersten Klassen der evangelischen Volksschulen“ von 1867 (vgl. Lachmann, Geschichte[n], 43) und Karl Buchruckers „Biblische Geschichte“ von 1863 (vgl. oben Kap. I 4). 534 Vgl. dazu und zum Folgenden Lachmann, Geschichte(n), 48–51. 535 Vgl. M nchenbach, Meiser, 107. 536 Veit, Gottbüchlein. 537 Vgl. die Unterlagen im LAELKB, LKR 0.2.0003-2798. 538 Vgl. das Protokoll über die Sitzung des Landeskirchenrats vom 15. bis 17. 12. 1931 (LAELKB, LKR 0.2.0003-669). 539 Vgl. das Rundschreiben Meisers vom 10. 4. 1929 (LAELKB, LKR 0.2.0003-2798). 540 Vgl. den Schriftverkehr Meisers aus den Jahren 1931/32 im LAELKB, LKR 0.2.0003-2803 und 2798.
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mittelte, blieb es für drei Jahrzehnte das offizielle Religionslehrbuch für die unteren Volksschulklassen541. Meiser war auch in die Entstehung eines weiteren Lehrbuchs involviert, das für mehrere Jahrzehnte die bayerischen Schüler prägte, nämlich der mit Illustrationen von Annemarie Naegelsbach versehenen „Biblischen Geschichte“ von Pfarrer Otto Dietz, die ab 1932 bis Mitte der 1960er Jahre in zahlreichen Auflagen erschien542. Zudem prüfte er die von dem Pfarrer und Studienrat Johannes Bergdolt erarbeiteten Entwürfe für den ethischen Teil des Lehrbuchs „Unterricht in der christlichen Religion“ für höhere Schulen543, einem weiteren bayerischen Lehrbuchklassiker, der ursprünglich von Meisers eigenem akademischen Lehrer Philipp Bachmann verfasst worden war; nach einem positiven Votum Meisers erschien das Lehrbuch 1932 in einer überarbeiteten Neuauflage544. Zudem regte Meiser 1928 eine Festschrift an, die zum 400-jährigen Jubiläum der Confessio Augustana 1930 erscheinen sollte545 und das Ziel verfolgte, „den Anteil der fränkischen Kirche an der werdenden Bekenntnisbildung der evangelischen Kirche darzustellen“546. Meiser holte Finanzmittel ein547, verschaffte den Autoren – Karl Schornbaum und der spätere Oberkirchenrat Wilhelm Ferdinand Schmidt – Zugang zu Archivgut548, führte die Verhandlungen mit dem Verlag und sorgte schließlich für die Verbreitung der Festschrift549, die pünktlich zum Augustana-Jubiläum erschien550. Im Gegensatz zu seinem starken Engagement für Fremdpublikationen beschränkten sich seine eigenen Veröffentlichungen als Oberkirchenrat auf einige wenige, wenn auch teilweise programmatische Aufsätze551 und geistliche Worte552. In Meisers Ressort fielen außerdem Verhandlungen mit der bayerischen Staatsregierung über Stellenbesetzungen553, die Ausbildung von Religions541 Vgl. Lachmann, Geschichte(n), 55–63 (Zitat: 59). 542 Vgl. Dietz, Geschichte. Zur Beteiligung Meisers vgl. die Unterlagen im LAELKB, LKR 0.2.00032794 und 2788; M nchenbach, Meiser, 107. 543 Vgl. die Protokolle über die Sitzungen des Landeskirchenrats vom 15. bis 17. 12. 1931 (LAELKB, LKR 0.2.0003-669); und am 12./13. 1. 1932 (LAELKB, LKR 0.2.0003-670). 544 Vgl. P. Bachmann, Unterricht. 545 Vgl. das Protokoll über die Sitzung des Landeskirchenrats am 30./31. 5. 1928 (LAELKB, LKR 0.2.0003-666). 546 Schreiben Meisers an die Generaldirektion der bayerischen Archive vom 16. 10. 1928 (LAELKB, LKR 0.2.0003-834). 547 Vgl. das Protokoll über die Sitzung des Landeskirchenrats am 13./14. 5. 1929 (LAELKB, LKR 0.2.0003–667). 548 Vgl. das oben Kap. II, Anm. 546, erwähnte Schreiben Meisers an die Generaldirektion der bayerischen Archive. 549 Vgl. die Unterlagen im LAELKB, LKR 0.2.0003-834. 550 Vgl. Bekenntnisse. 551 Vgl. unten Kap. II 5.2. 552 Z. B. an Ostern 1929 (vgl. H. Meiser, Ruf). 553 Vgl. z. B. das Protokoll über die Sitzung des Landeskirchenrats am 7. 7. 1928 (LAELKB, LKR 0.2.0003-666).
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lehrern und die Durchführung des Religionsunterrichts. Dabei versuchte Meiser kirchliche Interessen wie die konfessionelle Lehrerbildung durchzusetzen554. Gelegentlich hatte er Anlass zum Protest, so z. B. im Sommer 1928, als das Kultusministerium die Religionspflichtstunden verminderte und die Vergütung kirchlicher Kräfte verweigerte555. In Meisers Zuständigkeit fiel schließlich noch die Besetzung des Lehrerbeirats für den Religionsunterricht an Volksschulen556, den Boeckh ins Leben gerufen hatte557; er selbst installierte einen Lehrerbeirat für höhere Schulen, der den Landeskirchenrat beraten sollte558. Außerhalb des schulischen Bereichs richtete Meiser besonderes Augenmerk auf die kirchliche Präsenz im Rundfunk, denn er erkannte die immense Bedeutung des noch jungen Massenmediums für den öffentlichen Einfluss der Kirche. Meiser forderte, im Rundfunk müsse „über aller Unterhaltung und Bildung die Erhebung der Seele ins Ewige“ stehen; für ihn hatte „die Stimme dessen, der den unendlichen Raum geschaffen und mit dem wellentragenden Aether erfüllt hat, das erste Anrecht […], im Rundfunk gehört zu werden“559. Um die Rundfunkpräsenz der Kirche zu sichern, verhandelte er mit der bayerischen Staatsregierung über die konfessionelle Verteilung der religiösen Morgenfeiern und erreichte eine angemessene Beteiligung der evangelischen Kirche560. Die Durchführung der Morgenfeiern überließ er zwar der Arbeitsgemeinschaft evangelischer Rundfunkteilnehmer, machte aber zur Bedingung, dass der Landeskirchenrat die Kontrolle über das Programm und seine Inhalte behielt561. Bei seltenen Gelegenheiten war Meiser auch selbst als Redner im Rundfunk zu hören562. Insgesamt mag Meisers Tätigkeit als Oberkirchenrat unspektakulär und als Routinearbeit eines Referenten im Landeskirchenrat erscheinen; durch seine Personalpolitik und sein Vorgehen gegen Abweichler vom landeskirchlichen Mainstream übte er aber nicht weniger nachhaltigen Einfluss auf die Untermauerung und Erhaltung des neulutherisch-konservativen Profils der Landeskirche aus als in seiner früheren Tätigkeit als Predigerseminardirektor. Seine Einflussnahme auf die Lehrerschaft und auf Lehrbücher, die noch jahrzehntelang in Gebrauch blieben, prägte dogmatisch und ethisch die 554 Vgl. z. B. das Protokoll über die Sitzung des Landeskirchenrats am 2./3. 7. 1928 (ebd.). 555 Vgl. das Protokoll über die Sitzung des Landeskirchenrats am 27. 8. 1928 (LAELKB, LKR 0.2.0003-666). 556 Vgl. die Unterlagen im LAELKB, LKR 0.2.0003-4280. 557 Vgl. M nchenbach, Meiser, 106. 558 Vgl. ebd., 106 f.; das Protokoll über die Sitzung des Landeskirchenrats am 7./8. 11. 1929 (LAELKB, LKR 0.2.0003–667); sowie die Unterlagen im LAELKB, LKR 0.2.0003-4715. 559 Der Rundfunkhörer, 6. Jg., Heft 22 vom 27. 9. 1929, 2. 560 Vgl. die Protokolle über die Sitzungen des Landeskirchenrats am 15./16. 10. und 19. 11. 1928 (LAELKB, LKR 0.2.0003-666). 561 Vgl. das Protokoll über die Sitzung des Landeskirchenrats am 3. 9. 1928 (ebd.). 562 So z. B. am Pfingstsonntag 1931 (vgl. H. Meiser, Morgenfeier).
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Glaubensvorstellungen mehrerer Schülergenerationen und damit das Gesicht der gesamten Landeskirche bis weit in die Bundesrepublik hinein. 5.2 Stellungnahmen zur Republik und zum aufkommenden Nationalsozialismus In seinen seltenen Publikationen fuhr Meiser auch als Mitglied der Kirchenleitung fort, die Kirche als Gegenmodell zu den Zuständen in der ungeliebten Weimarer Republik zu propagieren. Gegenüber seinen Äußerungen als Predigerseminardirektor verschärfte er seine Kritik an Politik und Gesellschaft in der krisengeschüttelten, von Auflösungserscheinungen gekennzeichneten Endphase der Republik563 jedoch deutlich. Sein Zorn entzündete sich vor allem an deren Kultur und Sexualmoral. So urteilte er 1929 vernichtend: „Auf allen Gebieten der Literatur, Theater, Kino, Mode, Sport, im ganzen Vergnügungsleben tritt uns rohe Entartung entgegen. Ein Bolschewismus des Liebeslebens macht sich breit, eine Ueberladung der ganzen öffentlichen Atmosphäre mit den verderblichsten Reizen ist vorhanden […]. Sturmzeichen ernstester Art sind es, […] wenn Rauschgifte, Morphinismus, Kokainlaster, Negertänze, Jazzbandlärm, Entkleidungsrevuen und ähnliche ,Errungenschaften‘ der modernen Kultur alle physischen Lebenskräfte und sittlichen Bewahrungsinstinkte in unserem Volk zerstören.“564
Jetzt griff er auch den parlamentarisch-demokratischen Staat selbst an, und machte ihn für den vermeintlichen kulturellen und sittlichen Verfall verantwortlich. Für ihn war der Weimarer Staat wegen seiner mangelnden Fundierung im Christentum und seiner religiösen Neutralität prinzipiell nicht imstande, seiner Ordnungsfunktion nachzukommen: „Die Mächte, die bisher dem Verderben steuerten, sind machtlos geworden. Der christliche Staat, der von Chlodwig bis 1918 reichte, ist zu Ende. Der Staat ist jetzt grundsätzlich religiös neutral und rein weltlich orientiert. Seinem Wesen nach […] entbehrt er der sittlichen Ideen, der Verankerung seiner Grundsätze in letzten, ewigen Bindungen. Er ist ein Spielball herrschender Majoritäten geworden.“565
Hier folgte Meiser fast wörtlich Dibelius, der sein Urteil über den Staat gerade verschärft hatte566; angesichts des Ausfalls des Staates blieb für Meiser wie für
563 564 565 566
Vgl. B ttner, Weimar, 383–497. H. Meiser, Kirche der Zukunft, 4. Ebd. Vgl. Dibelius, Nachspiel; vgl. auch M nchenbach, Meiser, 156 f.
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Dibelius jetzt nur noch die Kirche als „Halt im Chaos aller sittlichen Begriffe“567. Erschwerend kam für Meiser noch hinzu, dass das Verhältnis des Staates zur Kirche nicht abschließend geklärt war. Dazu führte er 1931 aus, der Staat wisse nicht, ob er die Kirche als eines von vielen Phänomen des öffentlichen Lebens, als eine Weltanschauungsgemeinschaft unter anderen, als Kulturmacht oder Volkserziehungsinstitut betrachten solle; infolgedessen habe er auch noch keine Entscheidung gefällt, ob er die Rechte der Kirche erhalten oder kürzen, ob er sie nur dulden oder privilegieren solle568. Sicher war für Meiser nur, dass „der Kirche der feste Rechtsboden, auf dem sie sich ehedem bewegte, entzogen ist und daß sich die finanziellen Leistungen, die der Staat ihr bisher reicht, auf der Linie der absteigenden Tendenz bewegen“569.
Obwohl er die Trennung von Staat und Kirche nach wie vor als Chance sah, gesellte sich jetzt ein Loblied auf das vergangene Staatskirchentum hinzu, dem der Erhalt der Volkskirche zu verdanken gewesen sei. 1932, im letzten Jahr der Weimarer Republik, widmete Meiser sich in einem durchweg antiliberalen und antiindividualistischen Aufsatz dann der Frage, wie sich evangelische Christen im religiös neutralen Staat verhalten sollten570. Er hielt zwar daran fest, dass es Protestanten nicht gestattet sei, „zur Obrigkeit grundsätzlich in Opposition [zu] stehen“, und dass es ihre Pflicht sei, „dem Staat den schuldigen Gehorsam [zu] leisten“571; eine positive Verhältnisbestimmung zur politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Wirklichkeit im Weimarer Staat folgte daraus jedoch nicht. Indem Meiser Protestanten jedes Revolutionsrecht bestritt, markierte er den Geburtsfehler der Republik. Sein Appell, die Protestanten hätten sich den „Auswüchse[n] unserer modernen Kultur“ entgegenzustellen und an „gesunden, festen Ordnungen im staatlichen und geistigen Leben“ mitzuwirken, basierte auf einer durchgängigen Negation der Verhältnisse in der Republik572. Konkrete politische Empfehlungen sprach Meiser nicht aus, weil er damit gegen die von den Geistlichen geforderte parteipolitische Neutralität verstoßen hätte. Zu Parteien äußerte er sich öffentlich nur einmal, und das auch nur im bayerischen Pfarrerorgan573. Dabei nahm er zu politischen Fragen keine Stellung; seine Bewertung entschied sich ausschließlich daran, wie eine Partei zu Kirche und Christentum stand. Damit schieden linke Parteien von vorn567 568 569 570 571 572 573
H. Meiser, Kirche der Zukunft, 4. Vgl. H. Meiser, Not, 2. Ebd. Vgl. H. Meiser, Protestantismus. Ebd., 164. Zitate: ebd. Vgl. H. Meiser, Not; vgl. auch https://de.evangelischer-widerstand.de/#/zeiten/vor1933/ D4102.
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Abb. 27: Artikel Hans Meisers „Not und Verheißung“ im Korrespondenzblatt für die evangelisch-lutherischen Geistlichen in Bayern (erste Seite), 1931
herein aus. Aber auch rechte Parteien konnte er nicht vorbehaltlos bejahen, denn er sah sie
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„in der Gefahr, die nationale Bewegung zur religiösen Ersatzform zu machen, durch Vergottung des Volkstums oder des Staatsgedankens die Reinheit der christlichen Staatsidee zu trüben und […] durch die ,Deifikation des Staates‘ ,die Bestifikation des Menschen‘ heraufzubeschwören“574.
Dennoch mahnte er, die Kirche dürfe „an den bewußt kirchlichen Kräften innerhalb des Nationalsozialismus“ ebenso wenig vorbeigehen wie am „religiösen Kapitalismus [sic!], dem christlichen Kulturprogramm der nationalen Parteien“ und dem Christlich-Sozialen Volksdienst; Aufgabe der Kirche sollte es sein, „in allen Parteien den Kräften zum Durchbruch zu verhelfen [zu] suchen, die über den bloßen Alltag und seinen Kampf emporstreben und unserem Volk ewige Werte zu erobern trachten“575.
Ein Votum für oder gegen die NSDAP oder eine andere Partei war diese Stellungnahme nicht. Sie war vielmehr eine Mahnung an die Pfarrer, nicht etwa selbst für eine Partei zu agitieren, sondern nur dazu beizutragen, dass kirchliche gebundene Kräfte innerhalb der Parteien für deren Verchristlichung sorgten. Dass Meiser sich überhaupt genötigt sah, zum Verhalten der Kirche gegenüber Parteien Stellung zu nehmen, hatte einen konkreten Anlass: Nach den Reichstagswahlen von 1930, bei denen die NSDAP zweitstärkste Kraft geworden war, kam es zu neuerlichen Parteieintritten von Geistlichen und zur Zunahme politischer Agitation durch nationalsozialistische Pfarrer. Aber nicht nur diese brachten Unruhe in die Gemeinden, sondern auch das Drängen von NSDAP-Mitgliedern und Parteiformationen, in Gottesdiensten und bei Kasualien in Parteiuniform zu erscheinen oder Parteisymbole zu zeigen. Ab 1931 musste sich der Landeskirchenrat immer häufiger mit der politischen Agitation von Geistlichen und Hilferufen von Gemeinden befassen, die nicht wussten, wie sie sich verhalten sollten576. Auf das provokative Auftreten von Nationalsozialisten in der Kirche reagierte der Landeskirchenrat verunsichert und konnte sich nur mühsam dazu durchringen, generelle Verbote auszusprechen577. Dies gilt auch für Meiser, der genau jene Mischung aus Grenzziehungen und taktischen Kompromissen an den Tag legte, die für sein späteres Verhalten während der NS-Herrschaft charakteristisch wurde. Er forderte ein Verbot, als Nationalsozialisten auf einem kirchlichen Friedhof ein Grabmal mit Hakenkreuz errichten wollten578,
574 575 576 577
Zitat: H. Meiser, Not, 2. Zitate: ebd. Vgl. Mensing, Pfarrer, 102–146. Vgl. die Protokolle über die Sitzungen des Landeskirchenrats aus den Jahren 1931/1932 (LAELKB, LKR 0.2.0003-669 und 670). 578 Vgl. das Protokoll über die Sitzung des Landeskirchenrats vom 19. bis 21. 1. 1931 (LAELKB, LKR 0.2.0003-669).
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Positionierungen (1911 bis 1933)
sprach sich gegen eine von der SA beantragte kirchliche Fahnenweihe aus579 und verlangte – gegen das Votum des antinationalsozialistischen Kirchenpräsidenten580 – ein Disziplinarverfahren gegen einen nationalsozialistischen Pfarrer581; zudem forderte er, politische Demonstrationen und Provokationen in der Kirche zu unterbinden582, und wandte sich dagegen, Gottesdienste von der NSDAP initiieren583 oder die Partei gar darüber bestimmen zu lassen, welcher Pfarrer einen Gottesdienst halten durfte584. Zugleich aber vertrat Meiser den Standpunkt, dass Uniformierten die Teilnahme an Gottesdiensten und Kasualien nicht generell verboten werden könne. So sprach er sich im Fall eines Nationalsozialisten, der in Parteiuniform heiraten wollte, gegen ein Verbot aus, weil der NSDAP damit Agitationsstoff verschafft würde585. Als in einem Gottesdienst der Führer einer Parteiformation den Befehl zum Gebet gab und diese dabei den Hitler-Gruß zeigte, votierte Meiser dafür, es bei einer internen Anweisung zu belassen und dem zuständigen Dekanat zu raten, „durch Fühlungnahme mit Parteikreisen von dorther Abstellung derartiger Vorkommnisse zu erstreben“586. Nachdem eine Umfrage an die Dekanate ergeben hatte, dass andernorts nur wenige vergleichbare Fälle vorgekommen waren, beantragte Meiser, auf eine generelle Regelung zu verzichten, was der Landeskirchenrat auch so beschloss587. Insgesamt zielten die Entscheidungen des Landeskirchenrats darauf, die parteipolitische Neutralität der Kirche zu wahren, ohne dabei die Nationalsozialisten zu provozieren und die Kirche in die harten parteipolitischen Kämpfe in der Endphase der Weimarer Republik hineinzuziehen. Diese Linie verfocht auch Meiser. Durch seine Hand gingen zwar zahlreiche Beschwerden von Gemeindegliedern über die politische Agitation von Pfarrern und das Auftreten von Nationalsozialisten im kirchlichen Raum, er fällte aber keine eigenmächtigen Entscheidungen, sondern erließ lediglich hausinterne Verfügungen, wie mit den Eingaben weiter zu verfahren war, und verfasste gelegentlich Entwürfe für Antwortschreiben Veits588. Wenn Meiser selbst auf Be579 Vgl. das Protokoll über die Sitzung des Landeskirchenrats am 28. 6. 1932 (LAELKB, LKR 0.2.0003-670). 580 Vgl. unten Kap. III, Anm. 8. 581 Vgl. das Protokoll über die Sitzung des Landeskirchenrats am 14./15. 3. 1932 (LAELKB, LKR 0.2.0003-670). 582 Vgl. das Protokoll über die Sitzung des Landeskirchenrats am 8. 4. 1931 (LAELKB, LKR 0.2.0003-669). 583 Vgl. das Protokoll über die Sitzung des Landeskirchenrats am 21. 5. 1931 (ebd.). 584 Vgl. das Protokoll über die Sitzung des Landeskirchenrats am 29./30. 11. 1932 (LAELKB, LKR 0.2.0003-670). 585 Vgl. das Protokoll über die Sitzung des Landeskirchenrats am 8. 4. 1931 (LAELKB, LKR 0.2.0003-669). 586 Vgl. ebd; zu den Einzelheiten des Falls vgl. die Unterlagen im LAELKB, LKR 0.2.0003-6727. 587 Vgl. das Protokoll über die Sitzung des Landeskirchenrats am 23. 6. 1931 (LAELKB, LKR 0.2.0003-669). 588 Vgl. die Unterlagen im LAELKB, LKR 0.2.0003-6727.
Mitglied der Kirchenleitung
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schwerden über die parteipolitischen Aktivitäten von Pfarrern antwortete, versuchte er, den Beschwerdeführern den zurückhaltenden Kurs der Kirchenleitung plausibel zu machen589. In einige Fälle von parteipolitisch aktiven Pfarrern schaltete Meiser sich auch persönlich ein. Dies betraf nicht nur nationalsozialistische Pfarrer, sondern auch die Mitglieder anderer Parteien wie den Arzberger Pfarrer und späteren Archivdirektor Simon, den damals wohl einzigen landeskirchlichen Geistlichen, der SPD-Mitglied war590. Meiser sah Simons politische Aktivitäten zwar kritisch und beklagte 1930, dass dieser sich im Vorfeld der Reichstagswahlen zum wiederholten Mal parteipolitisch betätigt habe591; als Simon in das Visier von nationalsozialistischen Pfarrern geriet, stellte Meiser sich jedoch vor ihn592 und nahm ihn schließlich aus der Schusslinie: Nachdem Simon im Sommer 1931 durch einen antinationalsozialistischen Vortrag einen wütenden Tumult ausgelöst hatte593 und in seiner Gemeinde in Konflikte geriet, bat er Meiser um Versetzung und erhielt daraufhin eine Stelle als Studienrat in Nürnberg594. Im Fall des nationalsozialistischen Pfarrers Richard Zwörner in Selb fuhr Meiser einen zweischneidigen Kurs. Weil Zwörner durch seine politische Agitation die dortige Gemeinde zu spalten drohte595, forderte ihn der zuständige Kreisdekan und Oberkirchenrat Karl Prieser auf, seine politische Rednertätigkeit einzustellen. Zwörner hielt jedoch weiterhin Vorträge für die NSDAP596. Als er sich 1932 dann auch noch als Bürgermeisterkandidat aufstellen ließ, platzte Meiser der Kragen: Er warf Zwörner Ungehorsam vor und forderte disziplinarische Konsequenzen, konnte sich damit im Landeskirchenrat aber nicht durchsetzen597. Kurz darauf machte er Zwörner allerdings nicht nur klar, dass die Übernahme politischer Ämter nicht Aufgabe eines Pfarrers seien, sondern fügte mit Blick auf mögliche Koalitionsverhandlungen zwischen NSDAP und BVP als seine persönliche Meinung hinzu, wenn nationalsozialistische Pfarrer schon etwas für die Kirche tun wollten, sollten sie
589 Vgl. die Beschwerde eines Obersten vom 18. 2. 1932; vgl. auch Meisers Antwortschreiben vom 25. 2. 1932 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-26). 590 Vgl. Mensing, Pfarrer, 87. 591 Vgl. das Protokoll über die Sitzung des Landeskirchenrats am 9./10. 9. 1930 (LAELKB, LKR 0.2.0003-668). 592 Vgl. das Protokoll über die Sitzung des Landeskirchenrats am 8. 4. 1931 (LAELKB, LKR 0.2.0003-669). 593 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 39; Mensing, Pfarrer, 133; und M nchenbach, Meiser, 179. 594 Vgl. die Schreiben Simons an Meiser vom 15. 2. und 19. 4. 1932 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-27). 595 Vgl. das Protokoll über die Sitzung des Landeskirchenrats am 8. 4. 1931 (LAELKB, LKR 0.2.0003-669). 596 Vgl. das Protokoll über die Sitzung des Landeskirchenrats am 21. 4. 1931 (ebd.). 597 Vgl. das Protokoll über die Sitzung des Landeskirchenrats am 18. 11. 1932 (LAELKB, LKR 0.2.0003-670).
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Positionierungen (1911 bis 1933)
Abb. 28: Schreiben Hans Meisers an Dekan Hermann Bohrer betr. nationalsozialistische Pfarrer (erste Seite), 1. Dezember 1932
dafür sorgen, dass „die evangelischen Kreise innerhalb der Partei für die Wahrung der evangelischen Anliegen“ eintreten598. Von sich aus suchte Meiser keinen Kontakt zur NSDAP. Er hatte aber wohl 598 Schreiben Meisers an Dekan Hermann Bohrer vom 1. 12. 1932; vgl. auch das Schreiben Bohrers an Meiser vom 28. 11 1932; das Schreiben Zwörners an Meiser vom 1. 12. 1932 (ebd.).
Mitglied der Kirchenleitung
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Kenntnis von einem Gespräch, das der Oberkonsistorialrat im Kirchenbundesamt Theodor Heckel sowie der Münchner Dekan Friedrich Langenfaß im Januar 1932 in München mit einem Vertreter aus dem Stab Hitlers führten599. Sicher Kenntnis hatte er vom Gespräch des Oberkonsistorialrats im Kirchenbundesamt Gustav Scholz mit einem Vertreter der NSDAP im März 1931, dem ersten offiziellen Kontakt zwischen einem Vertreter des Deutschen Evangelischen Kirchenbundes600 und der NSDAP überhaupt601: Zum gleichen Zeitpunkt unterstützte Meiser in Bayern kirchliche Bestrebungen, mit der NSDAP ins Gespräch zu kommen; als der Rektor der Missionsanstalt Neuendettelsau Friedrich Eppelein eine Aussprache zwischen nationalsozialistischen Geistlichen, Vertretern der Volksmission und NSDAP-Politikern veranstaltete, gab Meiser nicht nur seine Zustimmung602, sondern sorgte auch dafür, dass bei der Aussprache Informationen über die schulpolitischen Ziele der NSDAP vorlagen, die er von Scholz hatte603. Meiser äußerte sich zu keinem Zeitpunkt positiv zur NSDAP. Die Tatsache aber, dass er als erstes Mitglied der Kirchenleitung öffentlich zum Nationalsozialismus Stellung nahm, dass er Gespräche zwischen Kirche und Partei förderte und meinte, nationalsozialistische Pfarrer sollten evangelische Parteimitglieder für die Wahrung evangelischer Interessen mobilisieren, hatte Signalwirkung und ließ ihn für den Nationalsozialismus aufgeschlossener erscheinen als andere Mitglieder der Kirchenleitung. Zusammen mit seinem Ruf als Garant von Bekenntnis und Ordnung der Landeskirche machte ihn dies nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten für Angehörige aller kirchlichen Richtungen zum geeigneten Mann, die Führung der Landeskirche zu übernehmen.
599 600 601 602 603
Vgl. Nowak, Kirche, 18–20. Vgl. oben Kap. II, Anm. 274. Vgl. Nowak, Kirche, 317 f. Vgl. Mensing, Pfarrer, 131 f. Vgl. das Schreiben Meisers an Scholz vom 16. 3. 1931 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-27).
III. Entscheidungen (1933 bis 1945) A. Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern 1. Bejahung des NS-Staates und Abwehr der kirchlichen Gleichschaltung (1933 bis 1934) 1.1 Vorgeschichte, Bischofswahl und Konstituierung des autoritären Bischofsregiments Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 vergingen mehr als zwei Monate, bis sich die bayerische Kirchenleitung zu den neuen politischen Verhältnissen äußerte. In diese Zeit fiel Ende Februar die Außerkraftsetzung der in der Weimarer Reichsverfassung garantierten Grundrechte, in der zweiten Märzhälfte folgte dann die Aufhebung der Gewaltenteilung und die Gleichschaltung der Länder. Zudem begann der Terror gegen die politische Opposition und die Errichtung von Konzentrationslagern. Nicht zuletzt stellten die neuen Machthaber mit dem Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933 und der Entfernung von sog. Nichtariern aus Beamtenberufen frühzeitig unter Beweis, dass sie gewillt waren, ihre aggressiv rasseantisemitische Ideologie in die Tat umzusetzen1. Zugleich inszenierte Hitler einen Vertrauensfeldzug, in dem er um Christen und Kirche warb2. Auf dem Höhepunkt dieses Feldzugs verkündete er, die „nationale Regierung“ sehe in den „christlichen Konfessionen wichtigste Faktoren der Erhaltung unseres Volkstums“3 und kündigte an: „Die Rechte der Kirchen werden nicht geschmälert, ihre Stellung zum Staate nicht geändert.“4 In Bayern warb besonders der Lehrer, NS-Gauleiter und neue Kultusminister Hans Schemm5 um Pfarrer und Gemeindeglieder. Sein Motto lautete: „Unsere Politik heißt Deutschland und unsere Religion heißt Christentum.“6 Die evangelischen Kirchenleitungen reagierten zunächst zurückhaltend7. 1 Zur allgemeingeschichtlichen Entwicklung im Frühjahr 1933 vgl. Gr ttner, Reich, 47–69, 172–174. 2 Vgl. dazu und zum Folgenden Scholder, Kirchen, Bd. 1, 280–282. 3 Zitate aus Regierungserklärung Hitlers vom 23. 3. 1933 (Verhandlungen des Reichstags 1933, 28). 4 Ebd., 32. 5 Vgl. K hnel, Schemm. 6 Zitate aus der Rede Schemms vor Vertretern der Inneren Mission am 21. 4. 1931 (zit. nach ebd., 229). 7 Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 1, 291–297.
Bejahung des NS-Staates und Abwehr der kirchlichen Gleichschaltung
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Dies galt erst recht für Kirchenpräsident Veit, der aus seiner Distanz zum Nationalsozialismus keinen Hehl machte8. Er geriet allerdings zunehmend unter Druck, sich zu den neuen politischen Verhältnissen zu bekennen. So versuchten Parteiorganisationen, die Kirche zu vereinnahmen9. Innerkirchlich drängten besonders jüngere Pfarrer, die Kirche müsse „die geschichtliche Stunde unseres Volkes rückhaltlos und freudig bejahe[n]“10. Veit war jedoch nicht bereit, ein positives Signal an die neuen Machthaber zu senden, und untersagte den Pfarrern jede politische Instrumentalisierung der Kirche11. In den kirchenleitenden Gremien galt er deshalb schon bald nicht mehr als die geeignete Person, um die der Kirche in den neuen politischen Verhältnissen gestellten Herausforderungen zu bewältigen. Sie hofften jedoch, der 72-jährige Kirchenpräsident, der ursprünglich erst im Herbst 1933 in Ruhestand gehen wollte12, werde vorzeitig zurücktreten13.
Abb. 29: Kirchenpräsident Friedrich Veit 8 Vgl. Sommer, Veit Kirchenleitung, 89–99; Mensing, Pfarrer, 78; und Ders., Braunhemd. 9 Vgl. Henn, Führungswechsel, 329. 10 Schreiben des Treuchtlinger Kreises an die Pfarrer vom 15. 3. 1933 (EvAG M nchen, A 30. 29; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 1, 353). 11 Vgl. das Rundschreiben an die Pfarrämter vom 13. 3. 1933 (LAELKB, LKR 0.2.0003-6725; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 1, 760; vgl. auch Henn, Führungswechsel, 332 f.; Maser, Kirche, 37). 12 Vgl. Sommer, Veit Kirchenleitung, 100. 13 Vgl. Sommer, Veit Kirchenpräsident, 261.
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Der Mann, auf den sich die Hoffnungen jetzt richteten, war Meiser. Obwohl selbst kein Nationalsozialist, hatte er signalisiert, sich den kirchlichen Kräften in der NSDAP nicht verschließen zu wollen14. Unter den Pfarrern war es gerade die jüngere Kriegsgeneration, die sich von ihm starke Führung erhoffte15. Sie erwartete ein klares Ja zum neuen Staat, zugleich aber die Wahrung von „Wesen und Auftrag der Kirche“16. An der Erziehung dieser Generation zur Unterordnung unter autoritäre Führungspersönlichkeiten und zur Treue zu Bekenntnis und Ordnung der Landeskirche hatte Meiser als Predigerseminardirektor selbst Anteil gehabt17. Auch in den kirchenleitenden Gremien galt er als Mann der Stunde, zumal er bereits seit Sommer 1932 für die Nachfolge Veits vorgesehen war18. Solange Veit im Amt war, hielt Meiser sich gegenüber Forderungen nach einer öffentlichen Bejahung der neuen politischen Verhältnisse zurück. Er stellte sich weder auf die Seite derer, die die Kirche im Rausch der nationalen Euphorie den Nationalsozialisten ausliefern wollten, noch auf die Seite derer, die in Distanz zur politischen Umwälzung blieben. Realistisch sah er Gefahren heraufziehen, die der Landeskirche von den neuen Machthabern drohten: So befürchtete er die Aufkündigung der Staatskirchenverträge und meinte, die Oberhand in der Partei hätten die radikalen Kräfte19. Mit Sorge beurteilte er auch die politisch gewollten Bestrebungen zur Gründung einer Reichskirche, weil dies für ihn auf eine kirchliche Union20 hinauslief. Zurückhaltend agierte Meiser auch, als die leitenden Gremien der Landeskirche im April 1933 die Haltung der Kirche zum NS-Regime und zu den politischen Ansprüchen an die Kirche besprachen. Dabei machte Veit klar, dass er keinen Kurswechsel vornehmen würde: Er wandte sich gegen eine öffentliche Kundgebung, äußerte sich skeptisch zur „nationalen Erhebung“ und hielt fest, dass die Kirche sich nicht von außerkirchlichen Motiven leiten lassen dürfe. Veit wagte es sogar, die beginnende Verfolgung jüdischstämmiger Gemeindeglieder anzuprangern21. Damit waren seine Tage als Kirchenpräsident gezählt. Als Veits Rücktritt ausblieb, wurde er einige Tage später auf einer Sitzung des Landeskirchenrats gebeten, sein Amt niederzulegen. Überrascht und zutiefst erschüttert erklärte er am 11. April 1933 seinen Rücktritt und trat sofort Urlaub an22. 14 15 16 17 18 19 20 21
Vgl. oben Kap. II 5.2. Vgl. Henn, Führungswechsel, 336. Zitat aus dem oben Kap. III, Anm. 10, erwähnten Schreiben des Treuchtlinger Kreises. Vgl. oben Kap. II 4.3. Vgl. Henn, Führungswechsel, 327. Vgl. ebd., 329–332. Vgl. oben Kap. I, Anm. 323. Vgl. die Niederschrift über die Besprechung am 4. 4. 1933 (LAELKB, LKR 0.2.0003-3075; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 1, 770–782; vgl. auch Sommer, Veit Kirchenpräsident, 261–264; Henn, Führungswechsel, 334 f.). 22 Vgl. Sommer, Veit Kirchenpräsident, 266; Ders., Veit Kirchenleitung, 100.
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Meiser war in die Vorgänge um Veits Abdankung involviert und von der Notwendigkeit seines Rücktritts überzeugt. Den Stein ins Rollen brachten allerdings der Vorsitzende des Pfarrervereins Friedrich Klingler und der Leiter des Bundes der NS-Pfarrer Friedrich Klein. Eigenmächtig erklärte Klingler dem NS-Kultusminister, der Pfarrerverein sei „mit Freuden bereit, […] sich in den Dienst der nationalen Erhebung zu stellen“23. Meiser soll diese Erklärung positiv aufgenommen haben24. Als Klein und andere den Rücktritt Veits forderten25, beriet er sich mit dem Vorsitzenden des Landessynodalausschusses und ließ den auf Reisen befindlichen Veit nach München zurückrufen. Auch von politischer Seite erhielt er das Signal, Veits Rücktritt sei unerlässlich26. Daraufhin bewegte der Landeskirchenrat Veit zur Abdankung, was noch einen zusätzlichen Beigeschmack bekam, weil die tatsächlichen Motive für den Wechsel an der Spitze der Landeskirche verschleiert wurden27. Einen Tag später wurde Meiser mit der kommissarischen Wahrnehmung der oberhirtlichen Funktionen des Kirchenpräsidenten beauftragt28. Er nahm die Beauftragung an und sprach sich dafür aus, „dass von Seite der Kirche nunmehr alles geschehen müsse, damit man sagen könne, dass sich die Kirche auf die neuen Verhältnisse umgestellt hat“29. Die Kirchenleitung gab daraufhin eine Kundgebung heraus, die faktisch auf die Anerkennung des NS-Staates hinauslief und partielle Übereinstimmung mit der NS-Ideologie zum Ausdruck brachte30. Damit waren die Dämme, die Veit aufgerichtet hatte, gebrochen. Andererseits zeichnete die Kundgebung aber auch die künftigen Konfliktlinien zwischen NS-Staat und Kirche vor, indem sie die kirchliche Eigengesetzlichkeit betonte. Nicht zuletzt schien hier bereits der künftige Umgang der Kirchenleitung mit den Opfern des NS-Terrors durch: Sie kamen nur insofern vor, als die Kundgebung das Recht der Kirche verteidigte, das Evangelium auch solchen Menschen zu verkündigen, deren Ausgrenzung das NS-Regime aus politischen und rassischen Gründen von ihr verlangte. Solche Opfer, die nicht zur Kirche gehörten, blieben außerhalb des Horizonts. Obwohl der Verfasser der Kundgebung nicht bekannt ist31 und sie auch
23 Erklärung vom 5. 4. 1933 (Abdruck: Henn, Führungswechsel, 337; vgl. auch Baier, Christen, 43; Kremmel, Pfarrer, 104 f.; und Sommer, Veit Kirchenpräsident, 264). 24 So die Darstellung Klinglers (vgl. ebd.). 25 Auf der Versammlung des Pfarrervereins am 6. 4. 1933 (vgl. Henn, Führungswechsel, 338–340; Sommer, Veit Kirchenpräsident, 264 f.). 26 Vgl. Henn, Führungswechsel, 340. 27 Vgl. die unten Kap. III, Anm. 30, erwähnte Kundgebung. 28 Vgl. die Niederschrift über die Sitzung des Landessynodalausschusses und des Landeskirchenrats am 12. 4. 1933: LAELKB, LKR 0.2.0003-3075; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 1, 342–347; vgl. auch Henn, Führungswechsel, 341 f. 29 Zitat aus der oben Kap. III, Anm. 28, erwähnten Niederschrift. 30 Kundgebung des Landeskirchenrats vom 13. 4. 1933 (LAELKB, LKR 0.2.0003-6815; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 1, 783 f.). 31 Maser, Kirche, 40, nimmt als Autor Meiser an; ein Beleg dafür existiert nicht.
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nicht unter Meisers Namen herausging32, trug er als neuer Inhaber der oberhirtlichen Funktionen einen erheblichen Teil der Verantwortung für den Kurswechsel. Seine Bereitschaft, das NS-Regime anzuerkennen, war zum einen der Erleichterung über das Ende der politischen Instabilität in der Endphase der Weimarer Republik, seiner Verachtung ihrer säkularen Gesellschaft und Kultur sowie der Beseitigung der kommunistischen Bedrohung der Kirche geschuldet33. Zum anderen war auch er inzwischen von den Schalmeienklängen der Partei beeinflusst und glaubte, die NS-Machthaber würden Staat und Gesellschaft wieder auf eine christliche Basis stellen und der Kirche stärkeren Einfluss verschaffen34. Vor allem aber trieb ihn die Sorge, der Staat werde in die Kirche eingreifen35 und sich gegen sie wenden, wenn sie sich nicht offen zu ihm bekannte36. Dies geschah kurz darauf tatsächlich, als in Mecklenburg-Schwerin ein Staatskommissar eingesetzt wurde, der die Kirche gleichschalten sollte37. Meiser und den anderen Mitgliedern der Kirchenleitung schien jetzt nur ein Weg gangbar, um dem NS-Staat keine offene Flanke zu bieten und die kirchliche Handlungsfähigkeit zu erhalten: das Machtvakuum nach dem Rücktritt Veits schnellstmöglich zu füllen, autoritäre Führungsstrukturen zu schaffen und die Pfarrer geschlossen hinter die neue Kirchenleitung zu bringen. Dazu waren tiefe Eingriffe in die verfassungsmäßige Ordnung notwendig. Obwohl der frühere Synodalpräsident von Pechmann ausdrücklich davor warnte38, wurde die Landessynode im Eiltempo auf den 3. bis 5. Mai 1933 nach Bayreuth einberufen. Sie beschloss einschneidende Änderungen der kirchlichen Ordnung. Um die Geschlossenheit der Synode zu wahren, unterschlug Synodalpräsident Robert Bracker sogar die Warnung von Pechmanns39. Die Synode wählte Meiser einstimmig zum Kirchenpräsidenten und übertrug ihm das Amt des Landesbischofs, das anstelle des Amtes des Kirchenpräsidenten geschaffen wurde. Ein alternativer Kandidat stand nicht zur Debatte40. Meiser war kein Kompromisskandidat, sondern eine Integrationsfigur, von der sich alle Gruppen von konservativen Lutheranern über die Innere Mission bis hin zu nationalsozialistischen jungen Geistlichen die Wahrung ihrer Interessen erhofften41. Die Synode stattete ihn zeitlich bis 1934 befristet durch ein nach politischem Vorbild gestaltetes Ermächtigungsgesetz mit Die Kundgebung wurde von Veits weltlichem Stellvertreter Karl Böhner gezeichnet. Vgl. das oben Kap. I, Anm. 9, erwähnte Interview. Vgl. Nicolaisen, Meiser, 250. Vgl. Henn, Führungswechsel, 340. Vgl. die oben Kap. III, Anm. 28, erwähnte Niederschrift. Vgl. Meier, Kirchenkampf, Bd. 1, 91 f., 337. Vgl. sein Schreiben an die Landessynode vom 1. 5. 1933 (Abdruck u. a.: Henn, Führungswechsel, 363–365). 39 Vgl. ebd., 363; Sommer, Freiherr, 137 f. 40 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 109–111; Henn, Führungswechsel, 359–394; und Verhandlungen Bayreuth Mai 1933. 41 Vgl. Nicolaisen, Bischof, 28.
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umfassenden Vollmachten aus42 und erteilte ihm die Befugnis, neue Mitglieder für den erweiterten Landessynodalausschuss zu bestimmen. Damit war ein autoritäres Bischofsregiment konstituiert43, das vom nationalsozialistischen Führerprinzip nicht weit entfernt war. Meiser selbst verstand das Amt des Landesbischofs, für das er sich bereits 1920 eingesetzt hatte44, im Sinne einer geistlichen Führerschaft und eines die gesamte Landeskirche umfassenden Seelsorgeauftrags45. Dass die Einführung des Bischofsamts jetzt jedoch mit der Erteilung gleichsam diktatorischer Vollmachten und der Ausschaltung der Partizipation der Gemeinden an der Kirchenleitung verbunden war, hielt er für zwingend erforderlich, um in der schnellen und unabsehbaren kirchenpolitischen Entwicklung jederzeit handlungsfähig zu sein. Er erklärte allerdings, er wolle von seinen Vollmachten nur besonnen Gebrauch machen und in keiner Weise „an den unveräußerlichen Grundlagen der Kirche, dem Wort Gottes und dem Bekenntnis“46 rütteln. Den fundamentalen Eingriff in die Ordnung der Landeskirche rechtfertigte er mit einer geschichtstheologischen Deutung der politischen Umwälzung. Dazu erklärte er, es könne „niemand verkennen, daß in unserer Zeit ein besonderer Ruf Gottes an unsere Kirche ergangen ist zur Neugestaltung ihres Wesens und Lebens“47. Dieser „Ruf Gottes“ hatte für ihn nicht nur Konsequenzen für die Kirche selbst, sondern auch für ihr Verhältnis zum neuen Staat, dem die Kirche den religiösen Unterbau liefern sollte. In völliger Verkennung des Nationalsozialismus48 und bedenklicher Nähe zu deutschchristlichen Positionen49 verkündete Meiser: „Wichtiger als das Festhalten verbriefter Rechte der Kirche ist, dass wir der neuen Bewegung den Dienst tun, den die Kirche ihr zu tun hat. Denn das ist das Neue an der Bewegung, dass sie ihre letzte Vollendung in der Verankerung im Religiösen sucht, sie sucht die Kirche […]. Hier hat die Kirche dem neuen Staat die weltanschauliche Begründung zu geben.“50
Dabei setzte er freilich voraus, dass in der Partei diejenigen das Zepter in der Hand behielten, die der Kirche Freiheit und Selbstständigkeit zugesagt hatten51. Vgl. Henn, Führungswechsel, 371–374. Vgl. Baier, Christen, 45. Vgl. oben Kap. II 3.4. Vgl. Verhandlungen Bayreuth Mai 1933, 31 f. Ebd., 24. Ebd., 23. Vgl. Nicolaisen, Meiser, 250. Vgl. z. B. die DC-Richtlinien vom Mai 1933 (Abdruck: K. D. Schmidt, Bekenntnisse, Bd. 1, 143 f.). 50 Votum Meisers auf der nichtöffentlichen Sitzung der Synode am 4. 5. 1933 (zit. nach Nicolaisen, Meiser, 250); vgl. auch Henn, Führungswechsel, 385 f. 51 Vgl. ebd., 385.
42 43 44 45 46 47 48 49
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Danach sah es zunächst auch aus. So erteilte der Staat problemlos die nach dem Staatskirchenvertrag von 1924 erforderliche Zustimmung zur Wahl Meisers52. Seine Amtseinführung am 11. Juni 1933 in Nürnberg geriet zu einer Demonstration der Einigkeit von Kirche und Staat53. Dass Ministerpräsident Ludwig Siebert soeben die Kürzung der Staatszuschüsse angekündigt54 und Julius Streicher den neuen Bischof wegen seiner angeblich judenfreundlichen Haltung angegriffen hatte55, änderte daran nichts – meinte Meiser doch, die Kirche dürfe sich durch einzelne kirchenfeindliche Aktionen nicht gegen den Staat aufbringen lassen56. Die öffentlichkeitswirksam inszenierte Amtseinführung war generalstabsmäßig vorbereitet: Neben kirchlicher Prominenz waren der Nürnberger Oberbürgermeister, der Stadtrat, Vertreter von Behörden und die Staatsregierung geladen. Eine Beteiligung der Partei war nur insofern vorgesehen, als die SA an einigen Plätzen Spalier bilden sollte. Im Festzug marschierten dann neben Siebert auch Schemm und NS-Landtagspräsident Hermann Esser57. Julius Schieder, einer der treuesten Mitarbeiter Meisers, kommentierte die Präsenz von NS-Politikern hellsichtig mit den Worten: „Das müssen wir noch nach Heller und Pfennig bezahlen.“58 Meisers Predigt59 bestätigte zunächst die Eintracht von Kirche und NSStaat. Er begrüßte den Sieg der „nationalen Bewegung“ und gab dem politischen Umsturz geschichtstheologische Weihen: „Gott hat in wunderbarer Weise das deutsche Volk an eine Wende seiner Geschichte gestellt.“60 Im weiteren Verlauf trat er dann aber jeder Verabsolutierung innerweltlicher Größen entgegen und reklamierte ausschließlich für Gott einen Absolutheitsanspruch. Die von Gott gegebene geschichtliche Stunde konnte für ihn deshalb nur dann ein gutes Ende nehmen, wenn sich Kirche, Volk und Staat ganz auf Gott ausrichten würden. Dies zu gewährleisten, betrachtete er als die künftige Aufgabe der Kirche. Meisers Befriedigung über die Aufwertung von Volk und Nation, vor allem aber die Illusion, die NS-Machthaber würden den Kirchen eine führende Rolle bei der Neugestaltung von Staat und Gesellschaft einräumen, ließen ihn nicht erkennen, dass der Absolutheitsanspruch, den er hier für Gott reklamierte, mit dem NS-Totalitätsanspruch unvereinbar war. Er musste allerdings schon bald erleben, wie die Eintracht von Kirche und 52 Vgl. das Schreiben des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus an das Präsidium der Landessynode vom 2. 5. 1933 (LAELKB, LKR 0.2.0003-52487). 53 Vgl. Nicolaisen, Herrschaft, 302. 54 Vgl. das Protokoll über die Sitzung des Landessynodalausschusses am 11. 5. 1933 (LAELKB, LKR 0.2.0003-3075). 55 Vgl. oben Kap. II 4.6.2 a. 56 Vgl. Henn, Führungswechsel, 385. 57 Vgl. die Niederschrift vom 16. 5. 1933 über die Sitzung des Vorbereitungsausschusses am 13. 5. 1933 (LAELKB, LKR 0.2.0003-506). 58 Zit. nach Mensing, Pfarrer, 191. 59 Abdruck: H. Meiser, Kirche, Kampf, 35–39. 60 Ebd., 36.
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Abb. 30: Einladung zur Amtseinführung Hans Meisers als Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Juni 1933
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Abb. 31: Synodalpräsident Robert Bracker, Hans Meiser und Synodalvizepräsident Friedrich Klingler bei der Amtseinführung Meisers in Nürnberg, 11. Juni 1933
Staat Risse bekam. Bei den Verhandlungen über die Reichskirchenverfassung61 sah er, dass der Staat der Kirche das Gesetz ihres Handelns keineswegs selbst überließ. Besonders entsetzt war er, als ihm anlässlich eines Führerempfangs in Bayreuth das Manuskript einer Rundfunkrede zugespielt wurde, in der Hitler für die NS-hörigen Deutschen Christen Partei ergriff62. Meiser wollte Hitler noch von der Rede abhalten, konnte aber nicht verhindern, dass sie am Vorabend der vom Staat kurzfristig anberaumten Kirchenwahlen reichsweit übertragen wurde63. Mit diesen Wahlen stand auch die Neuregelung der Verhältnisse in der bayerischen Landeskirche wieder auf dem Spiel. Meiser wurde von der Wahlanordnung völlig überrascht. Es stand zu erwarten, dass die kirchlichen Gremien nach den Wahlen von kirchenfremden Parteianhängern und Deutschen Christen majorisiert werden würden, was die Gleichschaltung der Kirche mit dem NS-Staat bedeutet hätte. Meiser protestierte deshalb zwar gegen die Anordnung, stimmte dann aber zu, um die staatliche Anerkennung der soeben verabschiedeten Reichskirchenverfassung nicht zu gefährden64. Weder die den Kirchen aufoktroyierte Wahl noch Versuche der Partei, die bayerischen Wahllisten mit Nationalsozialisten zu be61 62 63 64
Vgl. unten Kap. III B.1. Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 1, 566 f. Vgl. Baier, Christen, 55 f.; Schmid, Wetterleuchten, 36 f. Vgl. Kremmel, Pfarrer, 141.
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setzen65, führten jedoch dazu, dass er seine positive Haltung zum NS-Staat in Frage stellte. Obwohl er sich – offensichtlich unter dem Einfluss innerkirchlicher Kritiker66 – bei Siebert über die staatlichen Eingriffe beschwerte67, blieb er auch nach den Wahlen bei einem Spagat zwischen Bekenntnis- und Staatstreue und schärfte den Pfarrern ein, dass die Kirche an ihrem „vertrauensvollen Verhältnis zur neuen Freiheitsbewegung, zum nationalen Staat und zu unserer Staatsregierung“ festhalten müsse68. Die eigentliche Gefahr für Bekenntnis und Selbstständigkeit der Kirche sah er dann auch nicht bei Staat und Partei, sondern in der Kirche selbst. Er befürchtete, der Kampf um die Macht, den die Deutschen Christen in anderen Landeskirchen führten, werde auch auf Bayern übergreifen und die Landeskirche ins Chaos stürzen. Deshalb war es sein Ziel, innerkirchliche Machtkämpfe zu verhindern, Pfarrer jeder Couleur auf seinen Kurs einzuschwören und die Landeskirche geschlossen unter seine Leitung zu bringen. Dabei ging er mit großem taktischen Geschick vor: Er kanalisierte die nationalsozialistischen und deutschchristlichen Kräfte, indem er sie an der Kirchenleitung beteiligte69, baute ein Netzwerk treuer Gefolgsleute auf70 und trieb ein volksmissionarisches Programm voran, das bei allen Gruppen in der Landeskirche konsensfähig war71. Auf diesem Weg konnte sich Meiser auch nach den Kirchenwahlen an der Macht halten, während die Deutschen Christen dank der Unterstützung von Staat und Partei in den meisten anderen Landeskirchen einen triumphalen Sieg einfuhren und die Kirchenleitungen okkupierten72. Im Fahrtwind der Wahlen versuchten allerdings auch die bayerischen Deutschen Christen, zum Sturm auf die Kirchenleitung zu blasen. Meiser brachte ihre Hauptprotagonisten, Friedrich Klein und Wolf Meyer, mit einem klugen Schachzug Ende Juli 1933 allerdings vorerst wieder unter Kontrolle: Er sagte zu, den Deutschen Christen Raum geben zu wollen, sofern sie sich dazu verpflichteten, das Be-
65 Vgl. ebd., 142; Baier, Christen, 53. 66 Vgl. das Schreiben von Pechmanns an Meiser vom 15. 7. 1933 (Abdruck: Kantzenbach, Widerstand, 31 f.); vgl. auch das bei Kremmel, Pfarrer, 143, erwähnte Schreiben Helmut Kerns an Langenfaß. 67 Vgl. das ebd., 145, erwähnte Schreiben Meisers an Siebert vom 2. 8. 1933. 68 Rundschreiben Meisers an die Geistlichen vom 2. 8. 1933 (EvAG M nchen, A 30. 1; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 1, 329–334). 69 So berief er das NSDAP-Mitglied Dekan Friedrich Hanemann in den erweiterten Landessynodalausschuss (vgl. Henn, Führungswechsel, 394; Baier, Landesbischof, 105 f.) und den Träger des Goldenen Parteiabzeichens Eduard Putz zum theologischen Hilfsreferenten (vgl. Mensing, Pfarrer, 162). Zudem suchte Meiser gutes Einvernehmen mit dem Vorsitzenden des NS-Pfarrerbundes Friedrich Klein (vgl. Kremmel, Pfarrer, 129; Baier, Christen, 48). 70 Vgl. unten Kap. III A.2.1. 71 Vgl. Henn, Volksmission, bes. 10–22. 72 Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 1, 567–569.
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kenntnis zu wahren, sich seiner Führung zu unterstellen und künftig nur noch volksmissionarische Ziele zu verfolgen73. Damit hatte er zwar Erfolg, die größte Hürde stand aber noch bevor: Nach den Kirchenwahlen mussten die Pfarrer und die neu gewählten Kirchenvorstände, in die viele Nationalsozialisten eingerückt waren, eine neue Landessynode wählen. Von dieser Synode hing es ab, ob sich die Kräfteverhältnisse in Bayern doch noch zu Gunsten der Deutschen Christen ändern würden. Vor der Synodalwahl blieb Meiser bei seinem Einbindungskurs und vermied die direkte Konfrontation, konterkarierte aber zugleich Versuche der Deutschen Christen, die Wahl zu beeinflussen74. So setzte er die Zahl der Synodalen herab und warnte Pfarrer und Gemeinden davor, dass „durch das Auftreten neuer kirchlicher Bewegungen der Bekenntnisstand unserer Kirche gefährdet werden könnte“75. Zudem gelang es ihm, den Landesleiter der Deutschen Christen Klein davon abzubringen, der Synode einen Antrag auf Einführung des staatlichen ,Arierparagraphen‘76 in die Landeskirche vorzulegen77, wie er von der altpreußischen Generalsynode – der sog. Braunen Synode – soeben beschlossen worden war78. Die bayerische Synode tagte vom 12. bis 14. September 1933 in München79. Der Konflikt mit den Deutschen Christen blieb ein zentrales Thema, obwohl diese in der Landeskirche nur eine Minderheit bildeten80. Meiser bezweifelte die Notwenigkeit einer deutschchristlichen Organisation für Bayern, da sich Kirche, Volk und Staat hier in voller Eintracht befänden, und kündigte an, nicht-deutschchristliche Pfarrer in Schutz zu nehmen, falls diese von Deutschen Christen politisch diffamiert würden81. Er sprach den Deutschen Christen die Existenzberechtigung aber nicht ganz ab, da durch sie „der junge nationale Staat“ sein „leidenschaftliche[s] Interesse“ an der Kirche bekunde, und erklärte sich sogar dazu bereit, sie „aus ganzem Herzen zu segnen“, falls sie sich darauf beschränkten, das Evangelium in die „nationale Bewegung zur Erneuerung unseres Volkes“ hineinzutragen, und die Bedingungen, die er Klein und Meyer gestellt hatte, anerkannten82. Als der Wortführer der deutschchristlichen Synodalen Hans Greifenstein83 dies bejahte, erhielten die 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83
Vgl. Kremmel, Pfarrer, 147–152; Baier, Christen, 639. Vgl. Kremmel, Pfarrer, 153–161. Kanzelkundgebung vom 13. 8. 1933 (zit. nach ebd., 155). Nach § 3 des staatlichen „Gesetz[es] zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. 4. 1933 wurden „Beamte, die nicht arischer Abstammung sind, […] in den Ruhestand“ versetzt (RGBl I, 1933, 175). Vgl. unten Kap. III A.2.4.2. Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 1, 598. Vgl. Verhandlungen M nchen September 1933; Kremmel, Pfarrer, 160–164; und Baier, Christen, 62–67. Vgl. das bei Kremmel, Pfarrer, 155, zit. Schreiben Meinzolts an Meiser vom 17. 8. 1933. Vgl. Verhandlungen M nchen September 1933, 34–37. Zitate: ebd., 35; vgl. auch Kremmel, Pfarrer, 162. Vgl. Baier, Liebestätigkeit, 37; Ders., Landesbischof, 105.
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Deutschen Christen die Hälfte der Sitze im Landessynodalausschuss84. Das war der Preis dafür, dass Meiser einen ähnlich dramatischen Bruch zwischen bekenntnistreuen Kräften und Deutschen Christen verhindern konnte, wie er sich kurz zuvor in Altpreußen vollzogen hatte85. Meisers Bemühungen, die Deutschen Christen einzugrenzen, bedeuteten allerdings keine Absage an den NS-Staat. Vielmehr begrüßte er ausdrücklich die starke Präsenz von Parteimitgliedern und wertete dies als Zeichen, „daß zwischen unserer Kirche und dem neuen Deutschland keine Gegnerschaft, sondern der Wille zu aufrichtiger Zusammenarbeit besteht“86. Im Vergleich zu den Voten anderer Synodaler, die Hitler in grenzenloser Verehrung huldigten87, fielen Meisers politische Loyalitätsbekundungen allerdings moderat aus. Zudem schränkte er die Staatsloyalität insofern ein, als er im Stil des Wahlslogans der Jungreformatorischen Bewegung88 forderte, Kirche müsse Kirche bleiben, und solche Pfarrer in Schutz nahm, die keine lautstarken Bekenntnisse zum NS-Staat ablegen wollten, wie es ein NS-Synodaler einforderte89. Dank seines diplomatischen Geschicks und flehentlicher Apelle zur Übung gegenseitiger Toleranz90 brachte Meiser die Synode geschlossen hinter sich. Dazu trug auch die Agenda bei, auf die er die Synodalen einschwor: Meiser sah in der Verkündigung des Evangeliums und der Rechristianisierung des Volkes die zentrale Aufgabe, vor die Gott die Kirche im neuen Staat gestellt hatte91. Dazu legte er einen Plan vor, nach dem die Volksmission92 einheitlich organisiert und ausgebaut werden sollte93. Zielgruppe waren neben Pfarrern und Gemeinden auch Parteiorganisationen wie SA und SS. Dieses Vorhaben hielten alle Kräfte in der Synode für das Gebot der Stunde und Meiser wurde beauftragt, einen Sonderbeauftragten für Volksmission zu berufen94. Seinen Plan setzte er zügig um: Er berief Helmut Kern zum Sonderbeauftragten, der zu diesem Zeitpunkt noch Deutscher Christ war95, und initiierte für den Winter 1933/34 eine große volksmissionarische Aktion. Diese Aktion stieß allerdings schnell auf Schwierigkeiten, in Parteikreise vorzudringen96. 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95
Vgl. Baier, Christen, 64–66. Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 1, 598–602. Verhandlungen M nchen September 1933, 34. Vgl. z. B. das Votum des Alterspräsidenten der Synode Theodor Dörfler (ebd., 24). Vgl. Neumann, Bewegung, 118–132; vgl. auch Scholder, Kirchen, Bd. 1, Abbildung 59. Vgl. Verhandlungen M nchen September 1933, 32, 112. Vgl. ebd., 49. Vgl. ebd., 38. Vgl. oben Kap. II 1.3. ABlELKB 1933, 159 f. Vgl. Verhandlungen M nchen September 1933, 91–96. Daneben beauftragte er die Parteimitglieder Theodor Ellwein und Ernst Fikenscher mit der Volksmission an den gebildeten Schichten und der Jugend, später folgten noch Kapitelsbeauftragte, bei denen Nationalsozialisten ebenfalls überrepräsentiert waren (vgl. Mensing, Pfarrer, 163 f.). 96 Vgl. Henn, Volksmission, 10–22; Kremmel, Pfarrer, 192–196.
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Am Schluss der Tagung hatte Meiser sein Ziel erreicht, einen Konsens in der Synode herzustellen, die Kirchenleitung in der Hand zu behalten und die Spaltung der Landeskirche zu verhindern. Im Gegensatz zu den meisten anderen Landeskirchen, in denen die Deutschen Christen die Macht übernommen hatten, galt Bayern deshalb auch als „intakt“97. Der Konsens hing freilich hauptsächlich an seiner Person. Gezielt setzte er seine Rolle als Integrationsfigur ein und versicherte, er wünsche nichts lieber, als dass seine „Person ein Band sein könnte, welches die Angehörigen der verschiedenen Lager doch immer wieder miteinander verbindet“98. Zugleich bediente er das Bedürfnis vieler Synodaler nach autoritärer Führung99, indem er Abweichlern klare Grenzen setzte, auf der Unverletzlichkeit des Bekenntnisses und der Selbstständigkeit der Kirche beharrte, die künftigen kirchlichen Handlungsfelder vorgab und auf seinem Leitungsanspruch insistierte100. Meisers Person stand dann auch zu keinem Zeitpunkt der Tagung zur Debatte. Als Zeichen des Vertrauens beschloss die Synode einstimmig, die Geltung des Ermächtigungsgesetzes auf unbefristete Zeit zu verlängern101. Damit war seine Position vorerst gesichert. Meiser war bewusst, dass den Entscheidungen der Landessynode historische Bedeutung zukam. So appellierte er an die Synodalen: „Unsere Zeit soll einmal nicht angeklagt werden können, daß wir die große Gottesstunde versäumt haben, man soll im Gegenteil sagen können, da waren Männer, denen die Augen für das große Geschehen und für die ungeheuren Aufgaben, die uns Gott gestellt hat, aufgegangen sind.“102
Innerkirchlich erzielte er tatsächlich einen Erfolg, der für den Weg der Landeskirche im Nationalsozialismus entscheidend wurde: Indem er einen Machtwechsel verhinderte, schuf er die Voraussetzungen dafür, dass die Landeskirche im Widerstand gegen die Gleichschaltungspolitik von Reichsbischof Ludwig Müller und bei der Entstehung der Bekennenden Kirche eine zentrale Rolle einnehmen konnte. Wie die Vorgänge in anderen Landeskirchen zeigten, wäre dies vermutlich kaum gelungen, wenn Veit länger im Amt geblieben wäre103. Die Landeskirche wäre wohl auch nicht intakt geblieben, wenn Meiser sich den NS-Machthabern verweigert hätte. In diesem Fall hätte ein Staatseingriff 97 98 99 100 101 102 103
Vgl. Nicolaisen, Weg, 4. Verhandlungen M nchen September 1933, 49. Vgl. z. B. das Votum des Kemptener Dekans Georg Kern (ebd., 94). So verlangte er z. B., die Volksmission habe unter seiner Leitung zu geschehen (vgl. ebd., 38). Vgl. Kremmel, Pfarrer, 162. Verhandlungen M nchen September 1933, 123. So wurde der mecklenburgische Landesbischof Heinrich Rendtorff durch einen Deutschen Christen ersetzt (vgl. Meier, Kirchenkampf, Bd. 1, 343–346); in Hamburg setzte ein Kesseltreiben gegen Landesbischof Simon Schöffel ein, bis dieser im März 1934 schließlich zurücktrat (vgl. ebd., 376–379).
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oder eine Revolte von NS-Pfarrern und Deutschen Christen gedroht. Dennoch fällte er mit seinen Loyalitätsbekundungen zum NS-Staat eine fatale Entscheidung, zumal er sich nicht darauf beschränkte, dem Regime nur Kooperationsbereitschaft zu signalisieren. Geblendet von der Befriedigung über das Ende der ungeliebten Republik, vom Bedürfnis nach autoritären Herrschaftsstrukturen, von tatsächlichen und vermeintlichen Übereinstimmungen mit der NS-Ideologie104, vor allem aber von geschichtstheologischen Überhöhungen des politischen Geschehens und volksmissionarischen Hoffnungen105, bekundete er in den ersten Monaten seiner Amtszeit vielmehr „bei jeder Gelegenheit seine […] Unterstützung für Hitlers Politik und rief sein Kirchenvolk dazu auf, es ihm gleichzutun“106. Mit Meisers Amtsantritt war noch eine weitere fatale Entwicklung verknüpft: die Ausblendung der außerkirchlichen Opfer des NS-Terrors. Dies galt zunächst für Kommunisten und Sozialdemokraten, zu deren Verfolgung die Kirche auf Grund der Feindschaft zwischen Kirche und Sozialisten und der Angst, das gleiche Schicksal wie die Kirchen in der Sowjetunion erleiden zu müssen, schwieg. Dazu bemerkte Meiser erleichtert, dass „alte Feinde der Kirche, für den Augenblick wenigstens, niedergeworfen“107 seien. Keinen Handlungsbedarf sah er zunächst auch angesichts der beginnenden Judenverfolgung108 und meinte vielmehr, die Kirche habe die „Frage nach Volk, Rasse und Blut“ theologisch „mitzuprüfen und mitzulösen“109. Unter seiner Führung kam es nicht einmal mehr zu dem von Veit angekündigten Protest gegen die Verfolgung jüdischstämmiger Gemeindeglieder110. Als von Pechmann Ende April 1933 im Deutschen Evangelischen Kirchenausschuss forderte, rassisch verfolgte Christen in Schutz zu nehmen111, gehörte Meiser zu den Teilnehmern einer Sitzung, auf der die deutsche kirchliche Führungselite von Pechmanns Antrag mit Rücksicht auf die kirchenpolitische Situation und wegen antisemitischer Ressentiments zurückstellte112. Erst im Spätsommer 1933 erkannte Meiser die Notwendigkeit, beim Staat für die sog. Nichtarier einzutreten113.
104 105 106 107 108 109 110 111 112 113
Vgl. die im KELGB 59 (1934), 11, zit. Rede Meisers am 3. 1. 1934 in Steinach. Vgl. z. B. den bei Kremmel, Pfarrer, 187, zit. Aufruf Meisers zum Luthertag im November 1933. Mensing, Pfarrer, 162; vgl. auch Kremmel, Pfarrer, 185 f. Verhandlungen M nchen September 1933, 21. Vgl. ausführlich unten Kap. III A.2.4.1. Zitate aus der Rede Meisers über die „Aufgaben der Kirche im neuen Staat“ am 12. 7. 1933 (AELKZ 66 [1933], Sp. 700; vgl. auch Kremmel, Pfarrer, 140). Zu dieser Ankündigung Veits vgl. die oben Kap. III, Anm. 21, erwähnte Niederschrift. Vgl. den Antrag von Pechmanns vom 26. 4. 1933 (EZA Berlin, 1/3210). Vgl. die Niederschrift über die Verhandlungen des Kirchenausschusses am 25./26. 4. 1933 (ebd.; vgl. auch Sommer, Freiherr, 158–163). Vgl. das Protokoll über die Vollsitzung des Landeskirchenrats am 29. 8. 1933 (LAELKB, LKR 0.2.0003-671).
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1.2 Entscheidung für die Bekennende Kirche Im Herbst 1933 wurde Meiser durch die dramatische kirchenpolitische Entwicklung im Reich gezwungen, seine Vermittlungsposition zu verlassen und eine klare Entscheidung zu Gunsten der innerkirchlichen Opposition gegen die Deutschen Christen und die Reichskirchenregierung unter Reichsbischof Ludwig Müller114 zu treffen. Im Zuge der Entscheidung für die entstehende Bekennende Kirche, die Meiser zunächst sichtlich schwerfiel, musste er härter als zuvor um die Geschlossenheit der Landeskirche kämpfen und seine Führungsposition verteidigen. Trotz wiederholter Bekundungen, sein Kampf für das Bekenntnis der Kirche bedeute keinen politischen Widerstand, begann dabei auch sein Stern bei den NS-Machthabern zu sinken. Am 14. November 1933 trat er an die Öffentlichkeit und rief „alle treu lutherisch Gesinnten innerhalb unserer Reichskirche zu einem flammenden Protest“115 gegen die Bekenntnisverletzungen der Deutschen Christen auf. Anlass für diesen Paukenschlag war der berüchtigte Sportpalastskandal, der sich am Tag zuvor auf einer deutschchristlichen Massenversammlung in Berlin ereignet hatte116. Dabei hatte der Führer der Berliner Deutschen Christen Reinhold Krause die „Befreiung vom Alten Testament mit seiner jüdischen Lohnmoral, von diesen Viehhändler- und Zuhältergeschichten“ und den Verzicht „auf die ganze Sündenbock- und Minderwertigkeitstheologie des Rabbiners Paulus“ gefordert117. Krause wollte eine deutsche Volkskirche gründen, in der die Konfessionen aufgehoben und nur noch das maßgeblich sein sollte, was sich „restlos deckt mit den Forderungen des Nationalsozialismus“118. Angesichts dieses Angriffs auf die Grundlagen des Christentums, die reformatorische Rechtfertigungslehre und den kirchlichen Bekenntnisstand entschied sich Meiser ohne Zögern zum Protest und forderte die Entlassung der an der Sportpalastkundgebung beteiligten kirchlichen Verantwortlichen119. Damit traf er im theologisch konservativen und lutherisch-konfessionell geprägten Milieu der Landeskirche auf breite Zustimmung, was selbst für die bayerischen Deutschen Christen galt. Ihr stellvertretender Landesleiter Greifenstein sprach sich sogar mit Meiser ab, wie sich die bayerische Delegation auf einer bevorstehenden Reichstagung der Deutschen Christen verhalten sollte. Als sich Reichsleiter Joachim Hossenfelder auf dieser Tagung weigerte, die Unterstellung der bayerischen Deutschen Christen unter Meiser 114 Vgl. Schneider, Reichsbischof. 115 Rede Meisers auf der Lutherfeier des Evangelischen Bundes in München (Evangelisches Gemeindeblatt für München Nr. 42 vom 26. 11. 1933, 541). 116 Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 1, 702–705; Meier, Christen, 34–37; und Baier, Christen, 73–75. 117 Zitate nach der Wiedergabe der Rede bei Gauger, Chronik, Bd. 1, 109. 118 Scholder, Kirchen, Bd. 1, 705. 119 Vgl. ebd., 716.
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anzuerkennen, traten sie aus der Reichsbewegung aus und lösten sich im Dezember auf120. Der Sportpalastskandal führte bei Meiser noch zu einer weiteren zukunftsweisenden Entscheidung: Er nahm Kontakt mit der außerbayerischen kirchlichen Opposition gegen die bekenntnis- und rechtswidrige Kirchenpolitik des Reichsbischofs auf121. Dieser Schritt war umso bemerkenswerter, als Meiser im Frühjahr noch zu denjenigen gehört hatte, die Müller aus politischen Rücksichten zur Macht verholfen hatten122. Am 24. November 1933 schloss er sich mit dem Leiter des Pfarrernotbunds Martin Niemöller, den Landesbischöfen der intakten Landeskirchen von Württemberg und Hannover Theophil Wurm und August Marahrens sowie dem Präses der westfälischen Provinzialsynode Karl Koch zur sog. Bekenntnisfront zusammen123. Diese Front verlangte von Müller u. a. die Beendigung der Gewaltmaßnahmen gegen oppositionelle Pfarrer sowie die verfassungsgemäße Neubildung der reichskirchlichen Organe124. Als Müller mehrere Ultimaten der Bekenntnisfront verstreichen ließ und dann auch noch die Evangelische Jugend an die Hitler-Jugend auslieferte125, forderte sie schließlich den Rücktritt des Reichsbischofs selbst126. Meiser spielte in der kirchlichen Opposition keineswegs nur eine Nebenrolle, sondern galt zur Jahreswende 1933/34 als „Sprecher“127 der Bekenntnisfront. Als er am 3. Januar 1934 in Steinach einen Rückblick auf die kirchenpolitische Entwicklung des vergangenen Jahres gab, betonte er dann auch selbstbewusst, die Bekenntnistreuen hätten sich „unter Führung des bayerischen Landesbischofs in einer starken, breiten Bekenntnisfront gesammelt“, und stellte fest, „daß unsere Bayerische Landeskirche wohl der stärkste Pfeiler in der Bekenntnisfront ist“128. Wie in seiner Neujahrsansprache129 legte er allerdings auch jetzt wieder ein Bekenntnis zum NS-Staat ab und hob hervor, es wäre „ein Unrecht, wenn wir uns in eine politisch oppositionelle Stellung zu dem neuen Staat hineindrängen ließen“130. Politische Rücksichten waren es dann auch, die ihn Ende Januar 1934 dazu 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130
Vgl. Baier, Christen, 74–79. Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 1, 716. Vgl. unten Kap. III B.1. Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 1, 718; zu den Besprechungen der nicht-deutschchristlichen Kräfte am 24. 11. 1933 vgl. die Mitschriften Meisers (Abdruck: Verantwortung 1, 124–131). Zu diesen Forderungen überreichte Meiser Müller am 29. 11. 1933 ein Ultimatum (vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 1, 720. Vgl. ebd., 731–738. Vgl. das bei Baier, Christen, 82, und Schmid, Wetterleuchten, 52, zit. Schreiben Meisers an Müller vom 19. 12. 1933. Scholder, Kirchen, Bd. 2, 37. Rede Meisers nach der Wiedergabe Hermann Dietzfelbingers im KELGB 59 (1934), 11–14, Zitate: 13 f. (Wiederabdruck bei Fix, Zustimmung, Bd. 1334–342). Vgl. Fränkische Wacht Nr. 1 vom 4. 1. 1934, 2. KELGB 59 (1934), 11.
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veranlassten, sich nach einem desaströs verlaufenen ,Führerempfang‘ den Wünschen Hitlers zu beugen und zusammen mit anderen Kirchenführern seine Bereitschaft zu erklären, wieder mit dem Reichsbischof zusammenzuarbeiten131. Dies war nicht nur ein Schlag ins Gesicht für die außerbayerischen Verbündeten, sondern auch für die bekenntnistreuen Kräfte in Bayern, die Meisers Opposition gegen den Reichsbischof mitgetragen hatten und wegen seiner häufigen Abwesenheit von München befürchteten, er sei abgesetzt oder verhaftet worden132. Für den Reichsbischof hingegen gab die Unterwerfung der Kirchenführer das Signal, die Reichskirche nun endgültig „zur nationalen Führerkirche im totalen Staat“133 umzubauen. Meiser war sich sofort bewusst, einen schweren Fehler begangen zu haben. Deshalb schränkte er seine Zusagen an Müller auch umgehend wieder ein134. Dieser Rückzieher, seine exponierte Rolle in der Bekenntnisfront und sein Einsatz für die Bekenntnisschule135 sorgten freilich dafür, dass er bei der bayerischen Regierung nicht mehr als politisch zuverlässig galt. Beunruhigt durch Gerüchte, die Regierung halte ihn nicht länger dafür geeignet, das Amt des Landesbischofs zu bekleiden, suchte er im Februar 1934 wiederholt Siebert und Schemm auf. Die Gerüchte entsprachen insofern der Wahrheit, als der Reichsbischof bei der bayerischen Regierung gegen Meiser intrigierte. Mit Rücksicht auf die außenpolitische Lage scheute diese jedoch davor zurück, es der Hamburger Regierung gleichzutun und Meiser wie seinen Schulfreund und Hamburger Bischofskollegen Simon Schöffel fallen zu lassen136. Glimpflich ging für ihn auch die Konfrontation mit seinen enttäuschten bayerischen Anhängern aus. Wegen seines Einknickens vor dem Reichsbischof litt er unter schweren Gewissenskonflikten und äußerte sich dazu ungewöhnlich emotional137. Zu Recht hat Helmut Baier festgestellt, dass die Tage nach dem Empfang bei Hitler wohl „die bittersten im Leben Meisers“138 waren. Kirchenleitung und Pfarrer stellten sich jedoch erneut hinter ihn. Als er vor dem Landessynodalausschuss unter Tränen seinen Rücktritt anbot, lehnte der Ausschuss dies ab; auch eine Versammlung von ca. 700 Pfarrern in Nürnberg geriet zu einer Demonstration des Vertrauens139. Hier allerdings meldete sich erstmals eine kritische Stimme zu Wort, die ihn von nun an ständig begleiten 131 Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 2, 59–64; zu Meisers politischer Motivation vgl. R ppel, Gemeinschaftsbewegung, 164. 132 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 242. 133 Scholder, Kirchen, Bd. 2, 66. 134 Vgl. das Schreiben Meisers an Müller vom 28. 1. 1934 (Abdruck: Stoll, Dokumente, Bd. 2, 21 f.). 135 Vgl. den Aufruf Meisers für die Bekenntnisschule vom Januar 1934 (Abdruck: Allgemeine Rundschau Nr. 12 vom 13. 1. 1934, 16), den NS-Politiker als Sabotageakt betrachteten (vgl. Kremmel, Pfarrer, 235). 136 Vgl. ebd., 252 f.; Baier, Ausschuss, 278 f., Anm. 52. 137 Vgl. besonders den bei H. C. Meiser, Bischof, 28, zit. Tagebucheintrag Wilhelm Bogners. 138 Baier, Christen, 88. 139 Vgl. Nicolaisen, Herrschaft, 307; Kremmel, Pfarrer, 246–249; und Baier, Christen, 88 f.
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sollte: Der Penzberger Vikar Karl Steinbauer warf ihm vor, das Bekenntnis verleugnet, die Kirche verraten und die Notbundpfarrer im Stich gelassen zu haben140. Trotz der Vertrauensvoten blieb Meisers Lage heikel, weil er auch weiterhin den offiziellen Bruch mit dem Reichsbischof hinauszögerte. Davon hielten ihn seine Angst vor dem Verlust der staatlichen Anerkennung der Kirche141 und die Furcht ab, durch einen offenen Konflikt mit dem Staat nationalen Interessen zu schaden142. Unterdessen zeigten Berichte aus den Gemeinden, dass das Vertrauen in Meiser sank143, und Ende Februar äußerten auch treue Gefolgsleute Kritik. Am deutlichsten wurde Kurt Frör, der Meiser dazu aufforderte, die Landeskirche wieder zu einer „klare[n] und ehrliche[n] Bekenntnishaltung“ zu führen144. Als Müller, der seine bekenntnis- und rechtswidrige Politik und die Maßregelung oppositioneller Pfarrer rücksichtslos fortsetzte, Anfang März die altpreußische Landeskirche in die Reichskirche eingliederte und sich damit die diktatorische Macht über nahezu die Hälfte des deutschen Protestantismus sicherte145, warnte Helmut Kern Meiser: „Ein längeres Zusehen und Schweigen wird unsere bekenntnistreue Pfarrerschaft nicht mehr ertragen“146. Inzwischen konnte aber auch Meiser nicht mehr übersehen, dass der Reichsbischof alle Zusagen brach und nicht eher ruhen würde, bis er die Macht in sämtlichen Landeskirchen an sich gerissen hatte. Daraufhin warf er seine Bedenken über Bord und kündigte Hitler gemeinsam mit seinem württembergischen Kollegen Wurm an, dass sie nicht länger mit Müller zusammenarbeiten würden147. Am 13. März 1934 kam es dann zu dem legendären Empfang der beiden Bischöfe bei Hitler148, der in einen Tobsuchtsanfall des ,Führers‘ mündete: Als Hitler die Forderungen der Bischöfe zurückwies, verkündete Meiser, unter diesen Umständen bleibe ihnen nichts anderes übrig, „als unseres Führers allergetreueste Opposition zu werden“149; Hitler 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149
Vgl. unten Kap. III A.2.2.4. Vgl. den oben Kap. III, Anm. 137, erwähnten Tagebucheintrag Bogners. Vgl. R ppel, Gemeinschaftsbewegung, 164. Vgl. Kremmel, Pfarrer, 249. Zitate aus dem Schreiben Frörs an Meiser vom 23. 2. 1934 (zit. nach ebd., 251). Vgl. die „Verordnung über die Übertragung der Befugnisse des Landesbischofs auf die Deutsche Evangelische Kirche“ vom 1. 3. 1934 (GBlDEK 1934, 12). Schreiben Kerns an Meiser vom 3. 3. 1934 (zit. nach Kremmel, Pfarrer, 252). Vgl. ebd., 253 f.; Baier / Henn, Chronologie, 58. Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 2, 95–97; Wurm, Erinnerungen, 93–95; Kremmel, Pfarrer, 254; und H. Hermelink, Kirche, 75 f.; vgl. auch Meisers Aufzeichnung (Abdruck: Verantwortung, Bd. 1, 250–252). Zitat nach der bei Schmid, Wetterleuchten, 62, abgedruckten Fassung der Aufzeichnung Meisers. Die bereits im 19. Jahrhundert in Bezug auf Monarchen gebräuchliche Formulierung „allergetreueste Opposition“ war Meiser vermutlich deshalb präsent, weil Helmut Kern gedroht hatte, die Sonderbeauftragten würden des „hochverehrten Landesbischofs allergetreueste Opposition“, wenn er seinen Kurs nicht ändere (Schreiben vom 29. 12. 1933, zit. nach Kremmel, Pfarrer, 228).
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brüllte daraufhin: „Nicht meine allergetreueste Opposition sind sie, sondern Verräter des Volkes, Feinde des Vaterlandes und Deutschlands Zerstörer!“150 Wenige Tage nach dem Empfang ging Meiser in die Offensive. Er wandte sich in einer Kundgebung gegen die drohende Okkupation der Landeskirche durch die Reichskirche, gleichermaßen aber auch gegen staatliche Übergriffe auf die Kirche. Die Kundgebung ordnete das lutherische Bekenntnis jeder kirchlichen Gesetzgebung vor und hielt an Bekenntnis und Selbstständigkeit der Landeskirche fest. Es wurde zwar nochmals betont, dies stelle keinen Widerstand gegen den Staat dar, zugleich aber auf die Notwendigkeit einer Neubestimmung des Staat-Kirche-Verhältnisses hingewiesen, die im Sinne der Zwei-Reiche-Lehre nur so erfolgen könne, dass der Staat sich nicht selbst zur Kirche mache151. Mit der offenen Kampfansage an den Reichsbischof wartete Meiser noch, bis ihm staatlicherseits Pressefreiheit zugesichert und bedeutet wurde, Partei und Gestapo würden sich aus den kirchlichen Auseinandersetzungen heraushalten152. Ende März sagte er sich dann öffentlich vom Reichsbischof los und kündigte an, die kommende Zeit würde nun „auch unsere bayerischen Geistlichen und Gemeinden vor die Pflicht des Bekennens stellen“153. Damit war der Kampf um die Landeskirche eröffnet154, den Meiser freilich auch weiterhin nicht als politischen Widerstand gegen den NS-Staat verstanden wissen wollte155. Gleichzeitig ergriff er die Initiative in der entstehenden Bekennenden Kirche156. Als Eduard Putz ihm Mitte März euphorisch von der westfälischen Bekenntnissynode und dem Dortmunder Gemeindetag unter dem Wort berichtete, der den Aufbruch der bekenntnistreuen Gemeinden demonstrierte, nahm er Kontakt zu den kirchlichen Rebellen im Norden auf157. Anfang April fanden in München, Nürnberg und Augsburg überfüllte Bekenntnisgottesdienste statt, in denen neben Meiser und Putz auch der Vertreter der rheinischen Bekenntnissynode Joachim Beckmann sprach158. Mit diesen Bekenntnisgottesdiensten wollte Meiser die kirchliche Basis für den Kampf um Bekenntnis und Selbstständigkeit der Landeskirche mobilisieren und demonstrieren, dass der Kampf solidarisch mit den verfolgten Bekenntnispfarrern in den außerbayerischen Kirchen geführt wurde. 150 Schmid, Wetterleuchten, 62. Abweichender, aber sinngemäß ähnlicher Wortlaut bei Hermelink, Kirche, 76; Verantwortung, Bd. 1, 252. Vgl. auch Wurm, Erinnerungen, 93 f. 151 Kundgebung von Landesbischof, Landeskirchenrat, Landessynodalausschuss und Landessynode vom 17. 3. 1934 (ABlELKB 1934, 35–42; vgl. auch Kremmel, Pfarrer, 254 f.). 152 Vgl. Meisers Aufzeichnung über eine Besprechung mit Hauptmann von Pfeffer am 22. 3. 1934 (Abdruck: Dokumente, Bd. 2, 84–87); vgl. auch Kremmel, Pfarrer, 255. 153 Schreiben an die Pfarrer vom 28. 3. 1934: EvAG M nchen, A 30. 1/1; Abdruck: JK 2 (1934), 339 f.; Wiederabdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 1, 398–400. 154 Vgl. Baier, Christen, 91; Kremmel, Pfarrer, 255. 155 Vgl. das oben Kap. III, Anm. 153, erwähnte Schreiben an die Pfarrer. 156 Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 2, 112. 157 Vgl. Nicolaisen, Weg, 11 f. 158 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 270; zu den Augsburger Gottesdiensten vgl. Seiderer, Kirche, 698.
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Am 11. April 1934 fand auf seine Initiative in Nürnberg dann eine Sitzung von süd- und norddeutschen Bekenntniskräften statt, die Kirchengeschichte schrieb159 und schließlich in die Barmer Reichsbekenntnissynode mündete160. In den Tagen nach der Sitzung spitzte sich die Situation dramatisch zu: Müller berief den preußischen Ministerialdirektor August Jäger als „Rechtswalter“ in die Reichskirchenleitung, der die Landeskirchen durch Eingliederung in die Reichskirche gleichschalten wollte und als „Kirchenjäger“ unrühmlich in die Annalen der Kirchengeschichte einging161; zudem wurde Meisers Württemberger Kollege Wurm im Rundfunk diffamiert, er sei im neuen Staat nicht mehr tragbar162. Meiser war klar, dass er als nächster auf der Abschussliste stand. Er wollte sich jedoch nicht aus seinem Amt vertreiben lassen und stellte fest: „Man kann mich mit Gewalt entfernen, aber ich bin rite vocatus.“163
Abb. 32: Text der von Hans Meiser verlesenen „Ulmer Erklärung“ (Auszug), 22. April 1934
Am 22. April 1934 fand dann in Ulm ein Bekenntnistag statt164, der als „Geburtsstunde der Bekennenden Kirche“165 gilt. Dabei verlas Meiser eine 159 160 161 162 163 164 165
Vgl. Baier, Ausschuss, hier: 272 f. Vgl. unten Kap. III B.2.1. Zu Jägers Eingliederungspolitik vgl. Meier, Kirchenkampf, Bd. 1, 204–221. Vgl. ebd., 449–451. Ungezeichneter Bericht aus München vom 19. 4. 1934 (zit. nach Kremmel, Pfarrer, 276). Vgl. Nicolaisen, Weg, 19; Kampmann, Bekenntnistag. K. D. Schmidt, Fragen, 269.
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Kundgebung, in der sich die bekennenden Kräfte aus dem ganzen Reich zur rechtmäßigen evangelischen Kirche Deutschlands erklärten und vom Unrechts- und Gewaltregiment der Reichskirchenleitung trennten166. Die Reaktion der NS-Machthaber ließ nicht lange auf sich warten: Die „Fränkische Tageszeitung“ hetzte gegen die „kirchliche Reaktion“ und der „Stürmer“ diffamierte Meiser als „treuen Hüter Israels“, der fanatisch an der Auserwählung der Juden festhalte167. Davon ließ Meiser sich jedoch nicht beirren. Im Mai beteiligte er sich an der Kasseler Erklärung der Bekenntnisgemeinschaft der DEK168 und protestierte bei Reichsinnenminister Wilhelm Frick gegen eine Pressemeldung des Reichsbischofs, nach der sich drei Viertel der Protestanten freiwillig in die Reichskirche eingegliedert haben sollten169. Schließlich nahm Meiser an der ersten Reichsbekenntnissynode in Wuppertal-Barmen teil und trug die Barmer Theologische Erklärung mit, das bedeutendste kirchlich-theologische Dokument aus der Zeit des sog. Kirchenkampfes170. Mit seiner Entscheidung für die Bekennende Kirche schuf sich Meiser nicht nur in der Reichskirchenleitung und beim NS-Regime Gegner, sondern auch in der Landeskirche selbst. So betrieb der ehemalige bayerische Pfarrer und Deutsche Christ Wolf Meyer171 Meisers Sturz und agitierte für die Eingliederung der Landeskirche in die Reichskirche172. Im NS-Pfarrerbund kam es zu Polarisierungen, in deren Folge sich die bekenntnistreuen Kräfte separierten und in der bayerischen Pfarrbruderschaft zusammenschlossen173. Innerkirchliche Opposition gegen Meiser regte sich vor allem, als die Barmer Erklärung in der Landeskirche bekannt wurde174. Jetzt kam der Widerstand nicht nur von Deutschen Christen und Nationalsozialisten, sondern auch von konservativen Lutheranern. In dem von den Erlanger Theologieprofessoren Werner Elert und Paul Althaus mit unterzeichneten „Ansbacher Ratschlag“175 vollzogen sie zum Entsetzen Meisers einen „Dolchstoß gegen Barmen“176. Damit tat sich zwischen Bekennender Kirche und Deutschen Christen nun
166 Abdruck der Erklärung u. a. bei K. D. Schmidt, Bekenntnisse, Bd. 2, 62. 167 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 284 (ebd. auch die Zitate aus „Fränkischer Tageszeitung“ und „Stürmer“). 168 Abdruck der Erklärung vom 7. 5. 1934 u. a. bei K. D. Schmidt, Bekenntnisse, Bd. 2, 72 f. 169 Schreiben Meisers an Frick vom 17. 5. 1934 (Abdruck: Stoll, Dokumente, Bd. 3, 60–62). 170 Vgl. Burgsm ller / Weth, Erklärung; Scholder, Grundlage; und Schneider, Barmen, 40–61. 171 Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 2, 315. 172 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 308. 173 Vgl. ebd., 278–283. 174 Vgl. Schulze, Weg, 42 f. 175 Abdruck u. a.: AELKZ 67 (1934), 584–586; Baier, Christen, 383–386; vgl. auch Scholder, Kirchen, Bd. 2, 209–212. 176 Schreiben Meisers an Georg Merz vom 13. 6. 1934 (LAELKB, LB 0.2.0004-400; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 1, 146 f.).
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auch noch eine „dritte Front“177 auf, die Meiser wegen seines gemeinsamen Vorgehens mit Reformierten und Unierten nicht mehr als „Wahrer des lutherischen Bekenntnisses“178 ansah. Für ihn kam nun einmal mehr alles darauf an, die Landeskirche hinter sich zu bringen. Dies gestaltete sich allerdings schwierig, denn von Seiten der Reichskirche, der Deutschen Christen und der NS-Synodalen geriet er zunehmend unter Druck. Ende Mai 1934 berief er die Synodalen zu einer Aussprache ein, bei der es ihm jedoch nicht gelang, alle Synodalen auf seine Linie zu bringen179. Nachdem er Anfang Juli die Teilnahme an einer reichskirchlichen Tagung verweigert hatte180, brachte Jäger die Bekennende Kirche mit dem sog. Röhm-Putsch181 in Verbindung und forderte Meiser auf, die Landeskirche freiwillig in die Reichskirche einzugliedern182. Zugleich versuchte Wolf Meyer die Deutschen Christen in Bayern zu reorganisieren und verunglimpfte Meiser als Hetzer und Irrlehrer183. Schließlich forderte ein führender NS-Synodaler, Meiser solle die Landeskirche entweder freiwillig eingliedern oder zurücktreten184. Meiser wies diese Forderungen entschieden zurück185. Dabei blieb er auch, als die von Müller und Jäger diktatorisch geleitete Nationalsynode Anfang August 1934 in Berlin dem Reichbischof und seinem „Rechtswalter“ Gesetzgebungs- und Weisungsbefugnisse für sämtliche Landeskirchen übertrug186. Meiser stellte daraufhin in einem Schreiben an Frick der „Scheinsynode von Berlin die echte Synode von Barmen“ gegenüber und kündigte an, er werde der „derzeitigen Reichskirchenregierung in keinem Stücke Gefolgschaft leisten“187. Zudem versuchte er gemeinsam mit Wurm, Hitler zum Einschreiten zu bewegen188. Da der Kampf zwischen Reichskirchenleitung und süddeutschen Kirchen jetzt auf eine Entscheidung zulief, konnte er nicht mehr umhin, sich der Zustimmung der Landessynode zu versichern, und berief sie auf den 23. August 1934 nach München ein189. 177 Votum Meisers auf der Sitzung des Reichsbruderrats am 14. 6. 1934 (G. Niemçller, Bekenntnissynode, Bd. 1, 128). 178 Zitat aus dem oben Kap. III, Anm. 176, erwähnten Schreiben Meisers an Merz. 179 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 293 f.; Baier, Christen, 94. 180 Vgl. ebd., 101 f.; vgl. auch Scholder, Kirchen, Bd. 2, 272 f. 181 Vgl. Gr ttner, Reich, 69–78. 182 Vgl. Stoll, Dokumente, Bd. 4, 17; Schmid, Wetterleuchten, 76. 183 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 310 f.; Baier, Christen, 101 f. 184 Vgl. das Schreiben der Arbeitsgemeinschaft der NS-Synodalen an Meiser vom 24. 7. 1934 (Abdruck: Baier, Christen, 387–399). 185 Vgl. sein Schreiben an Jäger vom 24. 7. 1934 (Abdruck: Stoll, Dokumente, Bd. 4, 17–19); an die Mitglieder der Landessynode vom 31. 7. 1934 (Abdruck: Baier, Christen, 399 f.). 186 Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 2, 285–287. 187 Schreiben vom 14. 8. 1934 (zit. nach ebd., 293). 188 Vgl. das Schreiben vom 14. 8. 1934 (LAELKB, LB 0.2.0004-235; Abdruck: H. Hermelink, Kirche, 128–130). 189 Schreiben Meisers an die Geistlichen vom 15. 8. 1934 (vgl. Kremmel, Pfarrer, 320).
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Auf der Synode190 rekapitulierte Meiser die Gewaltpolitik Müllers, verurteilte die Anwendung politischer Methoden auf die Kirche, erläuterte seine Zusammenarbeit mit der Bekennenden Kirche und hielt fest, dass die Beschlüsse der Nationalsynode nichts anderes bedeuteten als eine „Diktatur des Reichsbischofs“191. Am Ende seiner Rede appellierte er an die Synodalen, „daß Sie heute klar und unzweideutig erklären, daß Sie sich mit uns gegen diese gesetzwidrige, unevangelische und ungeistliche Art, die Kirche zu leiten, mit aller Entschiedenheit verwahren […]. Sie sollen mit uns verlangen, daß das an unseren kämpfenden Brüdern begangene Unrecht wieder gut gemacht wird und daß die DEK endlich einer Leitung unterstellt wird, die die Gewähr bietet, daß sie sich ausschließlich am Wort Gottes und am Bekenntnis unserer Väter orientiert […]. Auf uns schauen heute Millionen Augen, das ganze Luthertum in Deutschland, der ganze Protestantismus; ja noch mehr, das Luthertum der Welt, der Protestantismus der Welt schauen nach Bayern.“192
Meisers Entschlossenheit beeindruckt auch heute noch, zumal er bereit war, nachteilige Konsequenzen in Kauf zu nehmen. Hatte er sich bei seinem vorhergehenden Schlingerkurs noch von politischen Rücksichten leiten lassen, war sein konsequentes Handeln seit Frühjahr 1934 ausschließlich theologisch motiviert: Das lutherische Bekenntnis war für ihn die letzte Wahrheit, mit der die Kirche stand oder fiel; die höchste Aufgabe des Bischofsamtes sah er folglich darin, das Bekenntnis zu schützen. Deshalb verkündete er den Synodalen jetzt selten entschieden: „In Sachen des Gewissens gibt es kein Paktieren, da heißt es wie bei Luther in Worms: ,Ich kann nicht anders!‘ Es gibt entscheidende Dinge, wo man […] keinen Kompromiß schließen kann, komme, was kommen mag.“193 Mit seinem leidenschaftlichen Appell gelang es Meiser, die Synode ein weiteres Mal hinter sich zu bringen und zu einer einstimmigen Entscheidung gegen die Eingliederung zu bewegen194. Dies war freilich nur möglich, weil die Mehrzahl der Synodalen wie er selbst in den lutherisch-konfessionellen Traditionen der bayrischen Landeskirche verwurzelt war, nicht weniger aber, weil Meiser auch jetzt seine politische Treue zum NS-Staat bekundete. Damit nahm er solchen Synodalen den Wind aus den Segeln, die seine Haltung politisch deuteten. Freilich entsprangen die Treuebekundungen nicht nur taktischem Kalkül, sondern auch Meisers Überzeugung, dass die Kirche nicht gegen den Staat rebellieren dürfe195. In diesem Sinn betonte er vor den Synodalen: „Wir
190 Vgl. Verhandlungen M nchen August 1934; Kremmel, Pfarrer, 322–327; und Baier, Christen, 107 f. 191 Verhandlungen M nchen August 1934, 22. 192 Ebd., 27. 193 Ebd. 194 Vgl. die Erklärung der Landessynode vom 23. 8. 1934 (ABlELKB, 124). 195 Vgl. oben Kap. I 4.
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müßten nicht Lutheraner sein, wenn es uns nicht im Blute läge, daß wir unserem Staat die Treue halten.“196 Die Staatseingriffe in die Kirche blieben allerdings nicht ganz ohne Wirkung auf Meisers Verhältnis zum NS-Staat. Schon im Januar 1934 hatte er geäußert, die NS-Weltanschauung bedürfe von theologischer Seite aus „einer genauen Prüfung und manches in ihr einer Korrektur“197. Diese Begrenzung des Totalitätsanspruchs konnte von den NS-Machthabern nur als politische Reaktion verstanden werden198. Als dann nach der Synode eine Kundgebung verboten wurde, in der Meiser die Gemeinden dazu aufrief, sich hinter die Synodalbeschlüsse zu stellen199, protestierte er nicht nur bei Frick, sondern es kam auch zu Akten zivilen Ungehorsams200. Dies war für Meiser jedoch kein Widerspruch zur proklamierten Treue zum Staat. Nach Art. 16 der Confessio Augustana201 war der Staat für ihn zwar eine von Gott eingesetzte Ordnung, der das Aufsichtsrecht über die äußere Gestalt der Kirche zustand, der Staat durfte jedoch nicht in die Kirche und ihre Verkündigung hineinregieren202. War dies der Fall, hielt Meiser Protest für zulässig und geboten. Bei dieser Haltung zwischen Staatstreue und Protest blieb er auch, als der Kampf um die Landeskirche im Herbst 1934 seinen Höhepunkt erreichte. 1.3 Höhepunkt des Kirchenkampfs in Bayern Am 3. September 1934 ordneten der Reichsbischof und sein „Rechtswalter“ die zwangsweise Eingliederung der Landeskirche in die Reichskirche an203. Meiser bestritt umgehend die Rechtsgültigkeit dieser Anordnung204. Damit setzte er sich nicht nur in Widerspruch zu Müller und Jäger, sondern auch zum Willen Hitlers, der auf dem Reichsparteitag in Nürnberg sein Vorhaben bekräftigte, den deutschen Protestantismus zu einigen, und sich demonstrativ beim Handschlag mit dem Reichsbischof ablichten ließ205. Dies kam einer offiziellen Bestätigung der Eingliederungspolitik gleich. Zudem teilte die 196 197 198 199 200 201 202
Verhandlungen M nchen August 1934, 24. Zitat aus der oben Kap. III, Anm. 128, erwähnten Rede Meisers (KELGB 59 [1934], 11). Vgl. Kremmel, Pfarrer, 238. Kundgebung vom 24. 8. 1934 (ABlELKB 1934, 123). Vgl. Kremmel, Pfarrer, 329 f.; vgl. auch Scholder, Kirchen, Bd. 2, 295. Bekenntnisschriften, 70 f. Vgl. die Leitsätze Christian Stolls „Kirche und Staat“ vom März 1934 (Bayerisches Kirchenvorsteherblatt 11 [1934], 6–9; Wiederabdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 2, 1515–1518). 203 Vgl. Art. 1 der „Verordnung betreffend das Inkrafttreten der §§ 1 und 3 des Kirchengesetzes über die Leitung der Deutschen Evangelischen Kirche und der Landeskirchen vom 9. August 1934“ vom 3. 9. 1934 (GBlDEK 1934, 149). 204 Bekanntmachung Meisers vom 5. 9. 1934 (ABlELKB 1934, 127; vgl. auch H. Hermelink, Kirche, 136 f.; Baier, Christen, 110). 205 Vgl. Schneider, Reichsbischof, 209; Kremmel, Pfarrer, 331; und Scholder, Kirchen, Bd. 2, 288 f.
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Reichskanzlei Meiser mit, Hitler halte die Eingliederung für rechtens206. Meiser wusste jetzt, dass Müllers Ankündigung, er werde sofort nach dem Reichsparteitag in Bayern eingreifen207, keine leere Drohung war. Was ihm blühte, führte ihm Jäger lebhaft vor Augen, als er am 8. September 1934 seinen württembergischen Amtskollegen Wurm kaltstellte208. Dies hinderte Meiser jedoch nicht daran, sich erneut strikt gegen die Eingliederung auszusprechen und den von Jäger in Stuttgart angekündigten „Aufbau einer evangelischkatholischen Nationalkirche mit nordisch-christlicher Mischreligion“ scharf zu verurteilen209. Den ersten Angriff auf die bayerische Landeskirche startete dann allerdings nicht Jäger, sondern der stellvertretende fränkische Gauleiter Karl Holz. Er rief am 15. September 1934 in einem Hetzartikel „Fort mit Landesbischof Meiser“ sowie gleichlautenden Plakaten und Flugblättern zum Sturz des Bischofs auf210. Dabei bezichtigte er Meiser des Wortbruchs, der Untreue gegen Volk und Vaterland und verunglimpfte ihn als Volksverräter. Diese Kampagne stieß bei der weithin parteitreuen fränkischen Bevölkerung211 jedoch keineswegs auf Zustimmung, sondern löste eine beispiellose Protestwelle aus. Schon einen Tag später verwahrten sich die Pfarrer in überfüllten Bekenntnisgottesdiensten gegen die Diffamierung Meisers und forderten die Gemeinden dazu auf, für den Landesbischof einzutreten212. Meiser selbst verkündete in der Münchner Matthäuskirche, dass die Landeskirche in einem „Kampf um die Wahrheit, die wahre Kirche und die lautere Verkündigung des Evangeliums“213 stehe. Nach dem Gottesdienst kam es vor der Matthäuskirche zu demonstrationsartigen Szenen. Der Protestzug bewegte sich spontan von der Kirche zum Landeskirchenrat, wo Meiser vom Balkon aus zu den Gläubigen sprach. Die aufgebrachten Gemeindeglieder zogen schließlich bis vor die Parteizentrale der NSDAP, das sog. Braune Haus214. Ähnliche Szenen spielten sich auch in Augsburg ab. Dort sammelten sich tausende Gemeindeglieder vor den Kirchentüren, brachten Ovationen für den Landesbischof aus und zeigten mit Choralsingen ihre Bekenntnistreue215. Am Tag darauf setzte sich die Pro206 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 341; Scholder, Kirchen, Bd. 2, 312; und Baier / Henn, Chronologie, 80. 207 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 335; Baier, Christen, 127. 208 Vgl. Meier, Kirchenkampf, Bd. 1, 452. 209 Kundgebung an die Gemeinden „Bekenntnisstand und Kirchengewalt“ vom 15. 9. 1934 (ABlELKB 1934, 135–138, Zitat: 137; Wiederabdruck u. a. JK 2 [1934], 806–809). 210 Fränkische Tageszeitung vom 15. 9. 1934, 3 f.; Wiederabdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 1, 460–465. 211 Vgl. Falter, Wähler, bes. 184, 370. 212 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 337–346; Baier, Christen, 114–117. 213 Bericht des Evangelischen Gemeindeblatts für München von 23. 9. 1934 (zit. nach dem Wiederabdruck in JK 2 [1934], 809). 214 Vgl. Schulze, Volksaufstand, 84 f. 215 Vgl. Seiderer, Kirche, 699.
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Abb. 33: Hetzartikel „Fort mit Landesbischof D. Meiser“ in der Fränkischen Tageszeitung, 15. September 1934
testwelle in Nürnberg fort. Hier machte sich das Predigerseminar unter Direktor Schieder und Inspektor Kurt Frör zum Zentrum des kirchlichen Protests und rief eiligst den Bischof herbei, der in drei völlig überfüllten
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Abb. 34: Münchner Gemeindeglieder vor dem Landeskirchenrat, auf dem Balkon Hans Meiser, 16. September 1934
Kirchen sprach und von tausenden Gemeindegliedern frenetisch gefeiert wurde216. In den folgenden Wochen reiste Meiser „von Ort zu Ort und erpredigte sich jetzt gleichsam seine Landeskirche“217. Mutig erläuterte er den Gemeinden seine Entscheidung gegen die Eingliederung, mahnte sie zur Treue zum Bekenntnis und rief sie dazu auf, sich hinter ihn zu stellen. Höhepunkt war seine trotz polizeilichen Redeverbots erfolgte Reise nach Ansbach und Gunzenhausen, wo er von 6.000 Gemeindegliedern begeistert begrüßt wurde. Da das Verbot kurzfristig aufgehoben wurde, konnte er ungestört predigen und verteidigte gegen die Deutschen Christen auch den Auftrag der Kirche, allen Menschen unabhängig von Rasse und Religion das christliche Heil zu verkündigen218. Seine umjubelten Predigtreisen setzte er noch bis Anfang Oktober fort. Sie gipfelten in einer Predigt in Neu-Ulm, die er unmittelbar nach der inzwischen erfolgten Arretierung seines Kollegen Wurm hielt und die zu einem Triumph geriet219. Mit seinen Auftritten setzte Meiser öffentliche Massenproteste in Gang, die 216 217 218 219
Vgl. Kremmel, Pfarrer, 344 f.; Baier, Christen, 117; und J. Schieder, Meiser, 23–25. Nicolaisen, Bischof, 35. Vgl. Baier, Christen, 120 f.; Kremmel, Pfarrer, 350–353. Vgl. ebd., 365.
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im „Dritten Reich“ nahezu einzigartig blieben. Der Kirchenhistoriker Carsten Nicolaisen hat dafür den Begriff „frommer Volksaufstand“220 geprägt. Charakteristisch für diesen Aufstand war einerseits die Fokussierung auf die Person Meisers221, andererseits die von Bischof und Gemeindegliedern allerorten vorgetragene Versicherung, die Proteste seien nicht gegen den Staat gerichtet. So brachte Meiser in Augsburg „ein ,Siegheil‘ auf Volk, Vaterland und Führer“ aus, woraufhin die Gemeindeglieder – wie in München, Nürnberg und Ansbach – das Deutschland- und das Horst-Wessel-Lied sangen222. Ähnlich verlief auch der Massenprotest in Gunzenhausen, wo Meiser die Gemeindeglieder auf die Treue zu Hitler einschwor und sich mit Heil-Meiser-Rufen feiern ließ223. Die befremdliche Melange aus couragiertem Festhalten am Bekenntnis und demonstrativer Bejahung des NS-Staates, bei der schon enge Mitkämpfer Meisers Unbehagen empfanden224, kam nicht von ungefähr: Neben Meisers theologisch bedingter Obrigkeitshörigkeit und der mehrheitlich pronationalsozialistischen Einstellung der Gemeindeglieder war es vor allem der Vorwurf der Staatsfeindschaft, den Meiser mit seinen politischen Bekenntnissen abwehren wollte. Mit diesem Vorwurf operierten sowohl die fränkische NSDAP-Gauleitung als auch die deutschchristliche Opposition in Bayern. So behauptete Holz, bei den kirchlichen Auseinandersetzungen gehe es „um den Austrag eines Kampfes von politischen Gegnern des Nationalsozialismus“225, und Wolf Meyer tönte, „durch jede weitere Duldung des Meiser’schen Widerstandes gegen die Reichskirchenregierung“ würden Pfarrkonferenzen und Kirchenvorstände „zu Widerstandsnestern gegen das Dritte Reich“226. Die tatsächliche Haltung der Machthaber konnte Meiser freilich nur schwer einschätzen. Er wusste aber Ministerpräsident Siebert auf seiner Seite, weil dieser den Hetzartikel von Holz demonstrativ zerriss227. Auch Reichsstatthalter Franz Ritter von Epp war gegen ein gewaltsames Vorgehen in Bayern228. Anlass zu Hoffnung gab außerdem die Reaktion Hitlers auf eine Rede des Reichsbischofs, der die Gründung einer konfessionsübergreifenden deutschen Nationalkirche gefordert hatte229. Da diese Rede den Erfolg bei der bevorstehenden Saarabstimmung gefährdete, verzichtete Hitler bei Müllers Amtseinführung auf ein Grußwort, was einer öffentlichen Distanzierung vom Reichsbischof gleichkam230. Andererseits zog eine gegen Müllers national220 Vgl. Nicolaisen, Kirchenkampf, 7. 221 Sinnfälliger Ausdruck dieser Fokussierung war die massenweise Verbreitung von Fotos des Landesbischofs (vgl. Kremmel, Pfarrer, 344 mit 685, Anm. 706). 222 Vgl. Seiderer, Kirche, 699 (Zitat: ebd.). 223 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 351–353. 224 Vgl. J. Schieder, Meiser, 24. 225 Schreiben Holz’ an Siebert vom 20. 9. 1934 (zit. nach Kremmel, Pfarrer, 350). 226 Undatierte Schrift Meyers „Die kirchliche Lage in Bayern“ (zit. nach ebd., 336). 227 Vgl. ebd., 350. 228 Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 2, 328; Baier, Christen, 127. 229 Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 2, 320. 230 Vgl. ebd., 320–324.
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kirchliche Phantasien gerichtete Kundgebung Meisers und des Landeskirchenrats231 den polemischen Vorwurf nach sich, der bayerische Landesbischof wolle zurück zum römischen Papsttum und konspiriere mit dem Münchner Kardinal Michael von Faulhaber232. Trotz seiner Unsicherheit über die Haltung des Regimes und wachsender Widerstände aus deutschchristlichen Reihen233 forderte Meiser Anfang Oktober 1934 den Reichsbischof öffentlich heraus und stellte ihn vor die Frage, ob er bereit sei, auf den Boden von Bekenntnis und Verfassung zurückzukehren, die „bewußt zerstörte Ehre deutscher evangelischer Bischöfe und Kirchenmänner“ wiederherzustellen und die Öffentlichkeit über die wahren Tatbestände zu unterrichten234. Daraufhin inszenierten die deutschchristlichen Abweichler in Bayern erst recht ein Kesseltreiben gegen Meiser235. Zu dessen Überraschung verfügte Jäger wenige Tage später, die Landeskirche dürfe ihre Selbstständigkeit bis auf weiteres behalten236, und teilte den leitenden Kirchenbehörden mit, für Frieden in der Kirche sorgen zu wollen237. Angesichts dieser Sirenenklänge schien es, als bliebe Bayern vorerst von der Eingliederung verschont. Meiser war freilich auf der Hut und brachte Pfarrer und Gemeinden weiter auf seinen Kurs. Als er auf einer Konferenz in Steinach am 10. Oktober 1934 über die Verfügung Jägers berichtete238, wusste er nicht, dass sich der Wind schon wieder gedreht hatte: Auf Geheiß des Sonderbeauftragten Hitlers für Kirchenfragen Franz Pfeffer von Salomon hatte Jäger inzwischen nämlich grünes Licht für die Absetzung des renitenten Bischofs bekommen239. Während Meiser ahnungslos nach München zurückfuhr, besetzte Jäger in Begleitung von Politischer Polizei am 11. Oktober den Landeskirchenrat. Er erklärte Meiser für abberufen, beurlaubte die Oberkirchenräte, teilte die Landeskirche in zwei Gebiete und setzte deutschchristliche Kommissare für deren Leitung ein240. 231 Vgl. die Kundgebung „Lutherische Kirche deutscher Nation oder romfreie deutsche Nationalkirche!“ vom 29. 9. 1934 (Abdruck: K. D. Schmidt, Bekenntnisse, Bd. 2, 139–142). 232 Vgl. Baier, Christen, 122. 233 Vgl. ebd., 121–127; vgl. auch Scholder, Kirchen, Bd. 2, 319. 234 Offener Brief Meisers an Müller vom 2. 10. 1934 (Abdruck: K. D. Schmidt, Bekenntnisse, Bd. 2, 142–148, Zitat: 146 f.; vgl. auch Baier, Christen, 122–124; Scholder, Kirchen, Bd. 2, 327 f.; und Kremmel, Pfarrer, 361 f.). 235 Vgl. Baier, Christen, 124–126. 236 Vgl. die Verfügung vom 5. 10. 1934 (Abdruck: Stoll, Dokumente, Bd. 5, 18 f.). 237 Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 2, 328 f. 238 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 366. 239 Vgl. Baier, Christen, 128; vgl. auch das ebd., 414, abgedruckte Schreiben des Politischen Polizeikommandeurs Bayerns vom 12. 10. 1934; Baier / Henn, Chronologie, 85 f.; und Scholder, Kirchen, Bd. 2, 329. 240 Vgl. Baier, Christen, 128–130; Kremmel, Pfarrer, 366 f.; Daumiller, Schatten, 66; Scholder, Kirchen, Bd. 2, 329 f.; und Meier, Kirchenkampf, Bd. 1, 464 f.; vgl. auch den Bericht der Evangelischen Pressestelle München „Gewalt in München“ vom 11. 10. 1934: EvAG M nchen, A 30. 5.
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Die Nachricht von Meisers Absetzung verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Landeskirche. Er wurde in Augsburg von Freunden aus dem Zug geholt und nach München in die Matthäuskirche gebracht, wo er von den Münchner Pfarrern und tausenden Gemeindegliedern erwartet wurde. In seiner Predigt verweigerte er die Anerkennung der Absetzung und appellierte leidenschaftlich an die Gemeinde: „Aber wir sind nicht von denen, die ihren Glauben lassen, ich will nicht weichen und lege hier vor dieser Gemeinde, vor dem Angesicht des Herrn unserer Kirche Verwahrung ein gegen die Gewalt, die man an unserer Kirche übt, und bin nicht gewillt, das mir von unserer Kirche übertragene bischöfliche Amt von mir zu legen. Nun kommt es auf die Tat an. Von dir, Gemeinde, wird jetzt die Tat der Treue gefordert.“241
Danach begab Meiser sich in seine Wohnung im Gebäude des Landeskirchenrats und wurde unter polizeilich bewachten Hausarrest gestellt. Er durfte die Wohnung zwar nicht verlassen, war in den zwei Wochen seiner Haft aber trotzdem nicht von der Außenwelt abgeschnitten. Anfangs wussten die Bewacher nicht, dass es noch einen zweiten Aufgang zur Wohnung gab, durch den gelegentlich Besucher kamen; dieser Aufgang wurde dann jedoch entdeckt. Völlig entging der Polizei, wie Meiser Botschaften nach außen brachte: Unterhalb der Wohnung waren die Kandidaten des Predigerseminars untergebracht, die Nachrichten in Empfang nahmen und außer Haus schmuggelten; dazu spielte Meisers Frau Elisabeth auf dem Klavier „Verzage nicht, du Häuflein klein“, woran die Kandidaten erkannten, dass aus dem Küchenfenster der Bischofswohnung eine Nachricht heruntergelassen wurde242. Auf diesem Weg teilte Meiser der Reichskirchenleitung mit, dass er nach wie vor entschlossen sei, sein Bischofsamt auszuüben243, und forderte die Pfarrer dazu auf, ihm treu und gehorsam zu bleiben, weil es „in Fragen des Glaubens und des Gewissens […] kein Paktieren“244 gebe. Allerdings ermahnte er die Geistlichen auch jetzt noch, „alles zu unterbinden, was auch nur den Anschein erwecken könnte, als ginge es in diesem Kampf ausser um rein kirchliche auch um politische Ziele“245. Kontakte zur Außenwelt hatte er auch durch einen Gottesdienst, den 600 angereiste Gemeindeglieder unterhalb seiner Wohnung im Hof des Landeskirchenrats veranstalteten246. Zudem gelang es einer fränkischen Delegation von Gemeindegliedern, ihn im Arrest zu
241 Zit. nach Baier, Christen, 132. 242 Vgl. das oben Kap. I, Anm. 9, erwähnte Interview. 243 Vgl. das Schreiben Meisers an die Reichskirchenregierung vom 14. 10. 1934 (Abdruck: Baier, Christen, 416). 244 Wort Meisers an die Pfarrer der Landeskirche vom 16. 10. 1934 (EvAG M nchen, A 30. 5; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 1, 491–493). 245 Ebd. 246 Zu diesem Gottesdienst am 21. 10. 1934 vgl. Kremmel, Pfarrer, 393.
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Abb. 35: Hans Meiser auf dem Balkon seiner Dienstwohnung im Innenhof des Landeskirchenrats bei einem Gottesdienst mit Gemeindegliedern, 21. Oktober 1934
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besuchen247. Die Delegation übergab von Epp ein Schreiben, in dem Meiser seine sofortige Haftentlassung und Wiedereinsetzung ins Amt, die Absetzung der Reichskirchenregierung, die Aufnahme von Befriedungsverhandlungen und den Abzug von Partei und Polizei aus den kirchlichen Auseinandersetzungen forderte248. So bedrohlich die Lage für Meiser auch war, so gewiss konnte er sein, dass das Netzwerk seiner Gefolgsleute die aufgebrachten protestantischen Massen nach einem länger vorbereiteten Notfallplan249 mobilisieren würde. Dabei taten sich in erster Linie führende Mitglieder der Pfarrbruderschaft wie Schieder hervor250, aber auch Mitglieder der kirchlichen Führungsebene wie Georg Kern251 und Oskar Daumiller252. Sie setzten eine Protestwelle in Gang, die noch alles übertraf, was nach der Holz-Kampagne geschehen war. Der „fromme Volksaufstand“ weitete sich trotz polizeilicher Verbote253 in einem bis dato unvorstellbaren Maß aus: Neben zahlreichen Bekenntnisgottesdiensten startete der Pfarrerverein mit überwältigendem Erfolg eine Unterschriftensammlung für Meiser, die Pfarrbruderschaft rief zu zivilem Ungehorsam auf und bei den Staats- und Regierungsstellen ging eine Flut von Protestschreiben254 ein. Auf die bayerischen NS-Machthaber machten besonders die fränkischen Bauerndelegationen Eindruck, die nach München und Berlin reisten, um bei politischen Stellen zu protestieren255. Zudem solidarisierte sich die gesamte Bekennende Kirche mit Bayern und Württemberg256 und berief die Reichsbekenntnissynode zum zweiten Mal ein. Sie tagte am 19./20. Oktober 1934 in Berlin-Dahlem, rief das kirchliche Notrecht aus und beschloss die Bestellung von bekenntniskirchlichen Kirchenleitungen für die Reichskirche und die zerstörten257 Landeskirchen258. Die öffentliche Unruhe setzte schließlich Hitler selbst unter Zugzwang. In der letzten Oktoberwoche schritt er ein, weil er eine Beeinträchtigung der Auslandsbeziehungen und ungünstige Auswirkungen auf die Saarabstimmung befürchtete. Nicht zuletzt stand ein Urteil des Reichsgerichts bevor, das 247 Diese Delegation hielt sich am 22./23. 10. 1934 in München auf (vgl. Kremmel, Pfarrer, 393 f.; J. Schieder, Meiser, 36). 248 Vgl. das Schreiben Meisers an Siebert vom 22. 10. 1934 (hsl. Konzept: Privatarchiv Familie Meiser; Original: BayHSta, StK 7291; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 1, 510; Teilabdruck: Baier, Christen, 157 f.; vgl. auch Kremmel, Pfarrer, 393). 249 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 315. 250 Vgl. Baier, Landesbischof, 106. 251 Vgl. das Rundschreiben Kerns vom 11. 10. 1934 (EvAG M nchen, A 30. 7). 252 Vgl. Daumiller, Schatten, 63 f.; vgl. auch die Karteikarte der Gestapo über Daumiller (Privatbesitz Familie Daumiller-Zeil). 253 Vgl. die Anweisung der Bayerischen Politischen Polizei vom 11. 10. 1934 (Abdruck: Baier, Christen, 415). 254 Überliefert im: BayHStA, MK 37069a. 255 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 366–405; Baier, Christen, 132–134, 136–139, 143–149. 256 Vgl. Gauger, Chronik, Bd. 2, 337. 257 Als zerstört galten die deutschchristlich geleiteten Landeskirchen (vgl. Nicolaisen, Weg, 4). 258 Vgl. unten Kap. III, Anm. 1204.
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der von ihm unterstützten Reichskirchenregierung rechtswidriges Handeln bescheinigte259. Hitler ließ daraufhin seinen Beauftragten Pfeffer von Salomon fallen, sagte den für den 25. Oktober 1934 geplanten Empfang zur Vereidigung des Reichsbischofs ab und lud stattdessen die inhaftierten Bischöfe Meiser und Wurm sowie den hannoverschen Landesbischof August Marahrens ein. Damit war die Eingliederungspolitik der Reichskirchenregierung am Ende. Während Jäger von allem Ämtern zurücktreten musste, wurde Meiser auf Anweisung Fricks am Abend des 26. Oktober 1934 wieder auf freien Fuß gesetzt260.
Abb. 36: Die Landesbischöfe Theophil Wurm, August Marahrens und Hans Meiser in Berlin vor dem Empfang bei Hitler, 30. Oktober 1934
Zwei Tage später reiste er nach Berlin. Dort erwartete ihn ein Verhandlungsmarathon mit Bischofskollegen, Vertretern der außerbayerischen Bekennenden Kirche und verschiedenen Ministerialräten sowie ein Abendessen bei Reichsjustizminister Gürtner, der auf Meisers Seite stand261. Beim Empfang, der am 30. Oktober 1934 stattfand, stellte Hitler fest, sein Plan einer Reichseinheitskirche sei gescheitert, und kündigte an, in Zukunft müssten die Kir259 Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 2, 348–354. 260 Vgl. ebd., 355; Baier, Christen, 163. 261 Vgl. Besier, Kirchen, 19 f.; zur Haltung Gürtners vgl. auch Baier, Christen, 170.
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chen selber sehen, wie sie zurechtkämen262. Auf die Vorschläge der Bischöfe für eine Befriedung der Reichskirche reagierte Hitler nicht; er weigerte sich, Müller von sich aus abzusetzen, und erwog eine Umgestaltung des StaatKirche-Verhältnisses nach amerikanischem Vorbild263. Ein konstruktives Ergebnis hatte die Besprechung nicht. Immerhin konnte Meiser sich als wieder im Amt befindlich betrachten. Am 1. November 1934 nahm er seine Amtsgeschäfte wieder auf, bedankte sich tief bewegt bei Pfarrern und Gemeindegliedern264 und nahm mit Hilfe der Kandidaten des Münchner Predigerseminars die Amtsräume des Landeskirchenrats wieder in Gebrauch265. Meiser konnte nicht wissen, dass er Hitler seine erste innenpolitische Niederlage beigebracht hatte266: Hitler musste nach dem „frommen Volksaufstand“ seine Strategie fallenlassen, den deutschen Protestantismus in einer deutschchristlich geleiteten Reichskirche gleichzuschalten, und stand vor einem kirchenpolitischen Scherbenhaufen. Ausländische Stimmen bewerteten den Zusammenbruch der Eingliederungspolitik dann auch als Niederlage des Diktators selbst. Sogar unter den Hitler bisher treu ergebenen bayerischen Gemeindegliedern regte sich Kritik am „Führer“ und nicht selten wurden in den Haushalten Hitler-Bilder abgehängt und durch Bilder von Meiser ersetzt267. Für den Bischof selbst gaben die Erfahrungen, die er mit Hitler im Kirchenkampf von 1934 und besonders bei den Empfängen gemacht hatte, wohl den Ausschlag dafür, dass er den „Führer“ fortan für einen Dummkopf hielt268. Meisers offizielle Haltung zum NS-Staat änderte sich deswegen freilich nicht. Im Gegenteil: Nachdem der Aufstand von Bischof, Pfarrern und Gemeindegliedern das Potenzial hatte, den NS-Staat zu beschädigen, und es der Kirche gemäß Meisers theologischer Überzeugung nicht gestattet war, die staatliche Autorität zu untergraben, musste den Gemeinden nun umso mehr die Treue zu „Führer“ und Staat eingeschärft werden269. So gelobte die Kirchenleitung Hitler in einem Telegramm, nach wie vor „die gesamte Kraft unserer Landeskirche zum Aufbau von Volk und Staat freudig einzusetzen“270. Ganz spurlos gingen die Erfahrungen, die er in den letzten Monaten mit Staat und Partei gemacht hatte, an Meiser allerdings nicht vorbei: Er verzichtete auf
262 Vgl. Sieberts Aufzeichnungen über einen Bericht Meisers vom 2. 11. 1934 (Abdruck: Dokumente, Bd. 2, 197 f.). 263 Vgl. Wurm, Erinnerungen, 122; Schmid, Wetterleuchten, 113 f.; H. Hermelink, Kirche, 185 f.; und Besier, Kirchen, 20–22. 264 Vgl. Meisers Kundgebung im ABlELKB 1934, 175. 265 Vgl. Baier, Christen, 169. 266 Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 2, 269; Nicolaisen, Bischof, 38. 267 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 400–402. 268 Vgl. das oben Kap. I, Anm. 9, erwähnte Interview. 269 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 402. 270 Zit. nach ebd., 403.
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Dankesbekundungen an den „Führer“ und erinnerte die Gemeinde lediglich an „die Pflicht der Protestanten, die weltlichen Autoritäten zu unterstützen“271.
2. Gratwanderung zwischen Staatsloyalität und Protest (1935 bis 1939) 2.1 Kirchenleitung im totalen Staat Den Balanceakt zwischen Staats- und Bekenntnistreue, den Meiser in den ersten beiden Jahren der NS-Herrschaft vollzogen hatte, setzte er auch in der Periode konsolidierter Herrschaft und in der mit dem Novemberpogrom 1938 einsetzenden Phase der Radikalisierung des NS-Regimes fort272. Einerseits verhielt er sich auf Grund seiner obrigkeitstheologischen Überzeugungen demonstrativ staatsloyal: So gab er zahlreiche öffentliche Loyalitätserklärungen an den NS-Staat ab und forderte die Gemeinden zur Treue gegen Staat und „Führer“ auf. Die Errichtung einer totalen Weltanschauungsdiktatur, die keine anderen Einflüsse duldete und mit der Verdrängung von Christentum und Kirche einherging, brachte ihn allerdings in Loyalitätskonflikte und zwang ihn schon bei seinen Treuekundgebungen zu einer Gratwanderung zwischen Staatsloyalität und Protest273. Meisers loyales Verhalten gegenüber dem totalitären Staat war im Wesentlichen das Ergebnis seines theologisch begründeten Obrigkeitsverständnisses, aber auch von partiellen politischen Übereinstimmungen. Nicht zuletzt kamen noch taktisches Kalkül und eine an realpolitischen Kriterien orientierte Folgenabwägung kirchlichen Handelns hinzu. Letzteres spielte gerade bei zwei besonders umstrittenen Entscheidungen eine Rolle, nämlich bei der Übernahme des Treueides der Geistlichen auf Hitler und bei der erzwungenen Hinnahme des Abrisses der Münchener Matthäuskirche. In der grundsätzlichen Loyalität zum NS-Staat war sich Meiser mit den übrigen Mitgliedern der Kirchenleitung und der Mehrheit der Pfarrer einig; eine Minderheit von Pfarrern und Laien zog die Grenzen dessen, was dem Staat aus theologischer Sicht erlaubt sein sollte, jedoch enger als der Bischof und geriet deswegen nicht nur mit dem NS-Regime, sondern nicht selten auch mit Meiser selbst in Konflikt274. Auf der anderen Seite sah der Bischof sich auf Grund der christentums- und kirchenfeindlichen Politik des NS-Staates zu entschiedener Abwehr und
271 272 273 274
Predigt vom 11. 11. 1934 (zit. nach ebd.). Vgl. Frei, Führerstaat, 85–132. Vgl. unten Kap. III A.2.2.1. Vgl. unten Kap. III A.2.2.2–4.
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Protest275 gerufen. Dies war stets dann der Fall, wenn der NS-Staat in die Kirche hineinzuregieren versuchte, sich selbst verabsolutierte und den öffentlichen Einfluss der Kirche beschnitt. Hier waren für Meiser die Grenzen überschritten, die dem Staat von Gott gesetzt sein sollten. Seine Abwehr richtete sich gegen neue Versuche der Deutschen Christen, ihn mit staatlicher Rückendeckung zu stürzen oder eine Partizipation an der Kirchenleitung durchzusetzen. Kompromisslos wehrte er sich gegen staatliche Pläne, in die Kirchenleitung einzugreifen. Gegen die antichristliche Propaganda und die Verdrängung der Kirche aus der Öffentlichkeit legte er zahllose Proteste ein. Zudem führte er einen zermürbenden Kampf gegen die Ausschaltung des kirchlichen Einflusses auf Kinder und Jugendliche276. Meisers Proteste zielten nicht auf die Innen- und Außenpolitik des NSStaates, sondern auf den Erhalt von Bekenntnis und Selbstständigkeit der Kirche sowie auf die Bewahrung des christlichen Einflusses auf die Gesellschaft. Er wollte nicht das NS-Regime beseitigen, sondern der Kirche „angesichts des Totalitätsanspruchs des Nationalsozialismus […] ihre Freiheit und ihre Eigenständigkeit bewahren“ und „ihr Proprium als Kirche in einer weitgehend gleichgeschalteten Gesellschaft“ verteidigen277. Deshalb verwundert es nicht, dass sich nicht nur in den Treuekundgebungen, sondern auch in den widerständigen Handlungen Meisers die Gratwanderung zwischen Staatsloyalität und Protest widerspiegelte. Zudem war auch sein widerständiges Verhalten von taktischen Überlegungen und Folgeabwägungen beeinflusst, weil er die staatliche Anerkennung der Kirche und ihre damit verbundenen Wirkungsmöglichkeiten nicht aufs Spiel setzen wollte. Meisers Proteste führten dazu, dass er bei den NS-Machthabern als politisch unzuverlässig galt und wiederholt Opfer von Strafverfahren und Diffamierungskampagnen wurde. Diese Kampagnen reichten vom Vorwurf der Staatsfeindschaft über eine angebliche Kollaboration mit der römisch-katholischen Kirche278 bis hin zu der Verleumdung, er sei homosexuell279. Nach mündlicher Aussage von Oskar Daumiller sollen er selbst und Meiser sogar auf einer Liste von Personen gestanden haben, die 1935 beseitigt werden sollten, was am Einschreiten von Generaloberst Franz Halder gescheitert sei; es ist allerdings fraglich, ob ein solcher Plan tatsächlich bestand, denn außer einem Gedächtnisprotokoll von Daumillers Sohn Martin existiert dafür kein Beleg280. Im Zentrum der Kampagnen stand Meisers angebliche Judenfreundschaft. 275 Protest gilt in der jüngeren Widerstandsforschung als eine Stufe nonkonformen Verhaltens, das sich gegen Teilbereiche der NS-Politik richtete, nicht aber gegen das NS-Regime als Ganzes (vgl. Kenkmann, Nonkonformität, 146). 276 Vgl. unten Kap. III A.2.3. 277 Nicolaisen, Bischof, 44. 278 Vgl. unten Kap. III A.2.2.4. 279 Vgl. A. Schwarz, Meiser, 190; vgl. auch H. C. Meiser, Bischof, 24. 280 Vgl. das masch. Gedächtnisprotokoll Martin Daumillers über ein nach dem Zweiten Weltkrieg geführtes Gespräch mit seinem Vater Oskar (Privatbesitz Familie Daumiller-Zeil).
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Abb. 37: Beschluss des Landgerichts München über die Einstellung eines Strafverfahrens gegen Hans Meiser, Wilhelm Ferdinand Schmidt, Hans Greifenstein und Hans Meinzolt wegen Verstoßes gegen § 130 des Reichsstrafgesetzbuchs aufgrund der Amnestie anlässlich des „Anschlusses“ Österreichs (erste Seite), 22. August 1938
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Anlass dafür war ein Artikel des Aschaffenburger Stadtvikars Friedrich Wilhelm Hopf über die Judenmission281, der sich auf Meisers Artikelserie über die sog. Judenfrage von 1926 und besonders die Aufforderung bezog, Christen sollten Juden mit Freundlichkeit grüßen, mit Selbstverleugung tragen, durch hoffende Geduld stärken, mit wahrer Liebe erquicken und durch anhaltende Fürbitte retten282. Dies nahm Holz zum Anlass, den Bischof als „Judenfreund“ zu diffamieren283. Ein knappes Jahr später polemisierte auch der „SA-Mann“ gegen Meisers Judenfreundschaft284. Sichtlich gekränkt reagierte der Bischof, als ihm berichtet wurde, auf einer deutschchristlichen Versammlung sei behauptet worden, seine Ehefrau sei eine Tochter Kurt Eisners285. Alle Versuche der Kirchenleitung, Polizei und Ministerien zum Einschreiten gegen die Hetzkampagne zu bewegen, scheiterten286. Am Ende blieb dem Landeskirchenrat nur noch übrig, den Dekanen die Artikelserie Meisers im Wortlaut zuzusenden, damit sie verzerrenden Darstellungen entgegentreten konnten287. Begründeten Anlass, als quasi prototypischer „Judenfreund“ diffamiert zu werden, gab Meiser dem Regime allerdings nicht. Vielmehr hüllte er sich angesichts der Diskriminierung, Entrechtung und Verfolgung von Juden in öffentliches Schweigen. Anders als im staatlichen Bereich und bei Juden sah er sich im Raum der Kirche allerdings zur Hilfe für rassisch Verfolgte verpflichtet: Zwar vermied er auch hier öffentliches Aufsehen und forderte den NS-Staat auch nicht zur Revision seiner Rassepolitik auf, verhinderte aber die Übernahme des staatlichen ,Arierparagraphen‘ in die Kirche. Ebenso wenig ließ er sich vom Staat diktieren, Geistliche aus dem Dienst zu entfernen, die von der NS-Rassegesetzgebung betroffen waren. Mit Beginn der Phase offener Verfolgung war es nach Jahren weitgehender Untätigkeit schließlich vor allem Meisers Entschlossenheit zu verdanken, dass in Bayern Hilfsstellen für rassisch verfolgte Christen entstanden288. Von den Pfarrern verlangte Meiser, seinem Kurs zwischen Staatsloyalität und Protest zu folgen. Bereits im August 1933 hatte er von den Geistlichen „Treue und Gefolgschaft“ gefordert und sie dazu angehalten, sich mit seiner Zusicherung zufriedenzugeben, dass er jede Entscheidung vor Gott und seinem Gewissen ernsthaft daraufhin prüfe, ob „die Substanz unserer Kirche und 281 Vgl. Lutherisches Missionsjahrbuch 37 (1935), 86–92. 282 Vgl. oben Kap. II 4.6.1. 283 Vgl. den „Offene[n] Brief des Frankenbischofs Karl Holz an den Landesbischof Meiser“ in der August-Ausgabe 1935 des „Stürmer“ (Abdruck: Landeskirchliches Archiv N rnberg, Bruder, 44; Teilabdruck: Baier, Christen, 237). 284 Vgl. den Artikel „Erquicket die Juden mit Eurer Liebe“: Der SA-Mann, Folge 26 vom 26. 6. 1936, 13 (Wiederabdruck: Baier, Christen, 480 f.). 285 Dies erwies sich jedoch als Hörfehler (vgl. Tçllner, Frage, 256 f.); tatsächlich war der bayerische Pfarrer Georg Börner mit einer Tochter Eisners verheiratet (vgl. unten Kap. III A.2.4.3). 286 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 491–495; Tçllner, Frage, 149–158. 287 Vgl. das Rundschreiben vom 16. 1. 1937 (EvAG M nchen, A 30. 2). 288 Vgl. unten Kap. III A.2.4.4.
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ihre Verkündigung dadurch nicht verletzt wird“289. An der Forderung nach Gehorsam änderte sich auch in den Folgejahren nichts290. Vielmehr etablierten sich die außerordentlichen Vollmachten, die ihm in der Ausnahmesituation der Jahre 1933/34 schnelles Handeln hatten ermöglichen sollen, jetzt als Dauerzustand, der erst während des Zweiten Weltkriegs Einschränkungen erfuhr291. Zur Durchsetzung seiner Entscheidungen bediente sich Meiser eines Netzwerks von treu ergebenen Gefolgsleuten, das die gesamte kirchliche Hierarchie durchzog292. Herzstück dieses Netzwerks war der Landeskirchenrat, der nach der Selbstentmächtigung der Landessynode 1933 die wesentlichen Entscheidungen fällte. Die ständige Vertretung der Landessynode, der Landessynodalausschuss, trat hinter den Landeskirchenrat immer stärker zurück293. Meiser ließ sich von den Kollegialmitgliedern zwar beraten, dominierte mit seinen Auffassungen aber die Entscheidungsfindung. So erlebte der spätere Oberkirchenrat Wilhelm Bogner während eines Vertretungsdienstes im Landeskirchenrat, „wie sehr die eigene Meinung der eines Bischofs nachgeordnet ist und wie sehr der Kollegialzwang für Sitzungsbeschlüsse binden kann auch bei gegenläufiger Überzeugung einer Minderheit“294. Bei der Neubesetzung von Positionen im Landeskirchenrat orientierte Meiser sich vor allem an der Treue zu Bekenntnis und Ordnung der Kirche; seine Berufungen waren aber zugleich strategisch motiviert und spiegelten die jeweilige Phase der kirchenpolitischen Entwicklung wider. Zu Beginn der NSHerrschaft zählte für ihn neben der Bekenntnistreue auch die Offenheit für die neuen politischen Verhältnisse. So berief er im Mai 1933 den kirchlich linientreuen Oskar Daumiller zum Oberkirchenat295. Wie der Bischof hegte er zwar starke Bedenken gegen die NS-Ideologie, hatte aber zunächst noch Sympathien für die neue politische Entwicklung296. Im bayerischen Kirchenkampf stand er dann kompromisslos auf Seiten Meisers297 und geriet deshalb ins Visier der Gestapo298. Taktisches Geschick zeigte Meiser auch bei der Berufung von Georg Kern zum Oberkirchenrat und Kreisdekan von Ansbach im
289 Vertrauliches Rundschreiben Meisers an die Geistlichen vom 2. 8. 1933 (EvAG M nchen, A 30.1). 290 Vgl. das Rundschreiben des Landeskirchenrats vom 16. 2. 1938 (EvAG M nchen, A 30. 3/2). 291 Vgl. unten Kap. III A.3.5. 292 Vgl. dazu und zum Folgenden Baier, Landesbischof; zu den Einstellungen einzelner Mitglieder dieses Netzwerks zum Nationalsozialismus vgl. Hamm, Normalität. 293 Vgl. unten Kap. III A.3.5. 294 Schriftliche Auskunft von Bogners Sohn Wilhelm vom 4. 4. 2014. 295 Vgl. die Bekanntmachung vom 12. 5. 1933 (ABlELKB 1933, 56). 296 Vgl. Baier, Landesbischof, 104 f. mit Anm. 10; Mensing, Pfarrer, 77. 297 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 346. 298 Vgl. die oben Kap. III, Anm. 252, erwähnte Karteikarte sowie Daumiller, Schatten, 72 f. Während des Zweiten Weltkriegs scheint Daumiller dann ernsthaft gefährdet gewesen zu sein (vgl. Kitzmann, Landesbischof, 220).
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Abb. 38: Hans Meiser und Oskar Daumiller
Frühjahr 1934299; Kern, der sich 1933 noch für starke Führung und die Volksmission stark gemacht hatte300, wurde im fränkischen Kirchenkampf zu einem seiner wichtigsten Mitstreiter301. Die einschneidensten personellen Veränderungen im Landeskirchenrat nahm Meiser nach seiner Wiedereinsetzung im Herbst 1934 vor. Dabei schlugen sich die Erfahrungen, die er im bayerischen Kirchenkampf gemacht hatte, deutlich in den Kriterien nieder, nach denen er Neuberufungen aussprach: An erste Stelle stand für ihn neben der Bekenntnistreue jetzt die Loyalität zum Bischof. Diese hatte besonders Schieder302 unter Beweis gestellt, den Meiser zum Oberkirchenrat und Kreisdekan des neu geschaffenen Kreisdekanats Nürnberg berief303. Zugleich setzte er Daumiller als Kreisdekan von München ein304. Diese Berufungen waren deshalb bedeutend, weil die Kreisdekane das Bindeglied zwischen Kirchenleitung und Gemeinden darstellten und großen Einfluss auf die kirchliche Basis ausübten305. Als Garant für Bekenntnistreue und Unterordnung galt auch Julius Sammetreuther, den Meiser im Herbst 1935 zum Oberkirchenrat berief306. Sammetreuther hatte sich in der Endphase der Weimarer Republik gegen die politische Agitation 299 300 301 302 303 304 305 306
Vgl. die Bekanntmachung von 24. 4. 1934 (ABlELKB 1934, 69). Vgl. Verhandlungen M nchen September 1933, 91. Vgl. Kremmel, Pfarrer, 286, 428. Vgl. Eckert, Schieder; Mensing, Pfarrer, 191 f. Vgl. die Bekanntmachung von 27. 11. 1934 (ABlELKB 1934, 201). Vgl. ebd. Vgl. Kremmel, Pfarrer, 428. Vgl. die Bekanntmachung vom 5. 9. 1935 (ABlELKB 1935, 123).
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von Pfarrern und völkische Ideologien gewandt307 und stand dann im bayerischen Kirchenkampf entschieden auf Seiten des Bischofs308. Bei Meisers Berufungspolitik spielten allerdings auch noch andere Motive eine Rolle. Für die Berufung des ehemaligen Deutschen Christen Hans Greifenstein zum Oberkirchenrat309 waren auch kirchenpolitische Gründe ausschlaggebend. Nachdem Greifenstein seine Bekenntnistreue und die Bereitschaft zur Unterordnung Ende 1933 bewiesen hatte310, hoffte Meiser, er werde die Deutschen Christen einbinden und mäßigenden Einfluss ausüben311. Eindeutig politisch motiviert war die Berufung des Parteigenossen und Freundes von Kultusminister Schemm Friedrich Hanemann zum außerordentlichen Oberkirchenrat312. Damit wollte Meiser Kanäle zur NSDAP offenhalten und ein Signal senden, „daß es dem Landeskirchenrat aufrichtig um ein vertrauensvolles Verhältnis auch zur Partei zu tun ist“313. Um Verbindungen zur Partei aufrechtzuerhalten, forderte der Bischof Mitarbeiter auch zum Parteieintritt auf oder riet vom Austritt ab314. Er selbst wurde zwar von bayerischen NS-Politikern zu amtlichen Besprechungen vorgelassen und hatte Zugang zu Reichsjustizminister Gürtner315, verfügte aber über keine direkten Kontakte zur Partei316. Meisers Kurs wurde auch von solchen kirchlichen Verantwortlichen mitgetragen, die bei seinem Amtsantritt dem Landeskirchenrat bereits angehörten wie Thomas Breit und Hans Meinzolt317. Meinzolt stieg unter Meiser zum Vizepräsidenten des Landeskirchenrats auf318; Breit trat im Auftrag des Bischofs 1934 dem Leitungsgremium der Bekennenden Kirche – der Vorläufigen Kirchenleitung319 – bei und wurde nach der Spaltung der Bekennenden Kirche 1936 Vorsitzender von Meisers Herzensprojekt, dem Rat der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, kurz Lutherrat genannt320. Verlässlich hinter dem Bischof stand auch der Oberkirchenrat und Kreisdekan Karl 307 308 309 310 311 312 313 314 315
316 317 318 319 320
Vgl. Mensing, Pfarrer, 126 und 135. Vgl. Baier, Christen, 137. Vgl. die oben Kap. III, Anm. 306, erwähnte Bekanntmachung. Vgl. oben Kap. III A.1.2. Vgl. Baier, Landesbischof, 105; Baier, Liebestätigkeit, 37. Vgl. die oben Kap. III, Anm. 306, erwähnte Bekanntmachung. Schreiben an das Reichsinnenministerium vom 31. 1. 1935 (zit. nach Mensing, Pfarrer, 190; vgl. Baier, Landesbischof, 105 f.). Vgl. ebd., 103. Gürtner war Meiser bereits aus seiner Zeit als bayerischer Justizminister bekannt; als Gürtner 1941 starb, hielt Meiser die Grabrede (vgl. das masch. Manuskript der Rede auf dem Münchner Waldfriedhof am 3. 2. 1941: LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-1; vgl. auch das Schreiben Breits an Meiser vom 31. 1. 1941: LAELKB, LB 0.2.0004–535). Vgl. Baier, Landesbischof, 112 f. Vgl. die Bekanntmachungen über die Berufung Meinzolts vom 18. 11. 1932 (ABlELKB 1932, 123) und Breits vom 5. 4. 1933 (ABlELKB 1933, 43). Vgl. die Bekanntmachung von 29. 12. 1934 (ABlELKB 1934, 217). Vgl. unten Kap. III B.2.2. Vgl. unten Kap. III B.3.2.
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Prieser, der nach anfänglicher Bejahung des NS-Staates desillusioniert war und wegen seines Einsatzes für Bischof und Bekenntnis von den Machthabern so niederträchtig diffamiert wurde, das er 1937 vorzeitig in den Ruhestand ging321. Wichtige Verbindungen hatte Meiser auch in den Landessynodalausschuss, vor allem zu dessen Vorsitzendem Wilhelm Bogner322. Der Bischof beriet sich mit Bogner über seine Entscheidungen323 und bestellte ihn 1937 zu seinem Stellvertreter324. Ein enges Verhältnis hatte Meiser auch zum Münchner Dekan Friedrich Langenfaß, der großen Einfluss in der Landeskirche ausübte325. Die Pfarrerbasis erreichte Meiser über den Vorsitzenden des Pfarrervereins Friedrich Klingler; unter Klinglers Führung wurde der Verein zu einer wichtigen Stütze für Meisers kirchenleitendes Handeln. Hinter Meisers Kurs standen zudem bedeutende Vertreter der Inneren Mission wie der Rektor der Diakonissenanstalt Neuendettelsau Hans Lauerer sowie der theologische Nachwuchs an der Erlanger Fakultät326 und an den Predigerseminaren in Nürnberg und München. Wo die bisherigen Strukturen nicht ausreichten, um eine Situation zu bewältigen, schuf Meiser neue Ämter oder erteilte Sonderaufträge. Dies begann 1933 mit der Berufung Helmut Kerns zum Sonderbeauftragten für Volksmission327. Um zu verhindern, dass die kirchliche Jugendarbeit in Bayern der deutschchristlichen Reichskirche ausgeliefert wurde, schuf Meiser im Frühjahr 1934 das Amt eines Landesjugendpfarrers328. Dieses Amt wurde gezielt mit dem Parteimitglied Heinrich Riedel besetzt329, der wie der Bischof das Konzept der Volksmission verfolgte330. Wie andere Mitarbeiter Meisers konnte Riedel sich auf die Hilfe des Bischofs verlassen, als er wegen der Ausführung seines Auftrags in Schwierigkeiten mit dem NS-Staat geriet331. Mit besonders heiklen Aufgaben beauftragte Meiser Pfarrer Friedrich Hofmann. 1934 übertrug er ihm die Seelsorge im Konzentrationslager Dachau332, 1938 die Betreuung von rassisch verfolgten Christen333 und 1939 neben Karl Alt auch die Seelsorge an den zum Tod Verurteilten im Gefängnis
321 322 323 324 325 326 327 328 329 330 331 332 333
Vgl. Kremmel, Pfarrer, 429; Mensing, Pfarrer, 190. Vgl. das oben Kap. I, Anm. 9, erwähnte Interview. Schriftliche Auskunft von Bogners Sohn Wilhelm vom 4. 4. 2014. Vgl. unten Kap. III A.2.3.1. Vgl. dazu und zum Folgenden Baier, Landesbischof, 107–111. Vgl. ebd., 113; das Verhältnis Meisers zur Erlanger Fakultät selbst war allerdings zwiespältig (vgl. G. M ller, Zusammenarbeit, 91–98). Vgl. oben Kap. III A.1.1. Vgl. das Kirchengesetz vom 26. 4. 1934 (ABlELKB 1934, 77; vgl. auch Kremmel, Pfarrer, 232). Vgl. die Bekanntmachung vom 18. 5. 1934 (ABlELKB 1934, 87). Vgl. Mensing, Lutheraner, 425 f. Vgl. Riedel, Kampf, 199; Kremmel, Pfarrer, 547. Vgl. Baier, Liebestätigkeit, 44; Scherf, Kirche, 69. Vgl. unten Kap. III A.2.4.4.
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München-Stadelheim334. In Situationen, in denen es galt, sich breitenwirksam gegen die Kirchenpolitik des NS-Staates zu wehren, griff Meiser auf Mitarbeiter zurück, die sich im Kirchenkampf von 1934 besonders bewährt hatten; so beauftragte er Kurt Frör und Helmut Kern mit der Führung des Kampfes um den Erhalt der Bekenntnisschulen335. Neben Sonderbeauftragen standen Meiser auch kirchliche Laien zur Seite wie etwa der Jurist und Synodale Hans Schneider, der Rechtsbeistand leistete und den Bischof beriet336. Nach Helmut Baier dachte und handelte Meisers bayerisches Netzwerk konform337. Tatsächlich hatten er und seine Gefolgsleute weitgehend einheitliche Auffassungen und traten gegenüber Pfarrern, Gemeinden und dem NSStaat als geschlossene Größe auf. Intern kam es trotzdem zu Konflikten, die jedoch hinter verschlossenen Türen blieben, um dem NS-Staat keine Angriffsfläche zu bieten. Dazu gehörten vor allem Kompetenzstreitigkeiten zwischen Landeskirchenrat und Landessynodalausschuss338, aber auch Differenzen zwischen Bischof und Kollegialmitgliedern. So kam es 1938 zur Entfremdung zwischen Meiser und Breit, als dieser wegen ungleicher Vorstellungen über die Zukunft des Lutherrats den Vorsitz dieses Gremiums niederlegte339. Wiederholt traten auch Meinungsverschiedenheiten zwischen Meiser und Meinzolt auf340. Interne Differenzen und persönliche Entfremdungen änderten aber nichts daran, dass sich das von Meiser installierte straffe Führungssystem insgesamt als effektives Instrument erwies, um sein zentrales Ziel zu erreichen: Bekenntnis und Selbstständigkeit der Landeskirche im totalen Staat zu erhalten. 2.2 Staatsloyalität 2.2.1 Bekundungen der Treue zum NS-Staat Auch nach den ernüchternden Erfahrungen, die er mit den NS-Machthabern 1933/34 gemacht hatte, bekundete Meiser von seiner Wiedereinsetzung im Herbst 1934 bis zum Kriegsbeginn 1939 vielfach die kirchliche Loyalität zum NS-Staat und seinem „Führer“. Ein anderes Verhalten ließ sein Obrigkeitsverständnis, nach der die Kirche selbst noch einer schlechten Obrigkeit Gehorsam, Treue und Fürbitte schuldig war, nicht zu. Zudem entsprach die Fürbitte für die Obrigkeit protestantischer Tradition: Sie war seit der Reformationszeit Bestandteil des evangelischen Gottesdienstes; ab Ende des 334 335 336 337 338 339 340
Vgl. Baier, Liebestätigkeit, 44. Vgl. unten Kap. III A.2.3.4. Vgl. B hler, Kirchenkampf, 390 f. Vgl. dazu Baier, Landesbischof, 103. Vgl. unten Kap. III A.3.5. Vgl. Schneider, Zeitgeist, 192–196. Vgl. G. M ller, Bekennende Kirche konkret, 247, Anm. 88.
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16. Jahrhunderts wurden die Landesherren dabei auch namentlich genannt341. Meiser selbst war mit dem kirchlichen Kult um König und Kaiser aufgewachsen; seit seiner Zeit als Vikar hatte es zu seinen Aufgaben als Geistlicher gehört, staatliche Anlässe mit kirchlichen Feiern zu begehen. In dieser Tradition hielt er es auch während der NS-Herrschaft für seine Pflicht, anlässlich innen- und außenpolitischer Ereignisse, zum „Führergeburtstag“, an den Jahrestagen der „Machtergreifung“ und anderen Gelegenheiten Loyalitätsbekundungen an den Staat abzugeben und den Gemeindegliedern Staatstreue einzuschärfen. Dabei kamen ihm die wirtschaftlichen und außenpolitischen „Erfolge“ des NS-Regimes entgegen, die bei ihm nicht weniger auf Zustimmung stießen als in der übrigen Bevölkerung342. Seine Treuebekundungen fielen zwar bei weitem nicht so distanzlos aus wie die Verlautbarungen der Deutschen Christen, trugen aber mit dazu bei, das NSRegime zu stabilisieren343. Sie ähnelten meist den Kundgebungen seiner außerbayerischen kirchlichen Verbündeten oder erfolgten in direkter Absprache mit ihnen. Dies war bis zur Spaltung der Bekennenden Kirche 1936 deren oberstes Leitungsgremium, die erste Vorläufige Kirchenleitung, danach der Lutherrat und die Konferenz der nicht-deutschchristlichen Kirchenführer, die sog Kirchenführerkonferenz344. Völlig ungebrochen war Meisers Loyalität jedoch nicht. Wie zuvor schwangen in seinen Äußerungen theologische Vorbehalte gegen die Verabsolutierung von Staat, Volk und Nation mit. Vor allem aber sah er sich jetzt mit einem Staat konfrontiert, der in die Eigenständigkeit der Kirche eingriff, ihre Wirkungsmöglichkeiten beschnitt, bekenntnistreue kirchliche Amtsträger verfolgte und sich als zunehmend christentumsfeindlich entpuppte. Dies schlug sich in Meisers Treuebekundungen in kritischen Untertönen, im Ausbleiben von Elogen auf den „Führer“ bis hin zur Unterlassung von Loyalitätskundgebungen nieder. Seine Kritik war meist versteckt, für die Pfarrer und Gemeindeglieder aber wahrnehmbar. Anfang 1935 war Meiser in erster Linie noch darum bemüht, dem NS-Staat die Treue der Kirche zu versichern und die Gemeindeglieder in diesem Sinne zu beeinflussen. Dies galt besonders bei der Abstimmung über die Vereinigung des Saargebiets mit dem Deutschen Reich am 13. Januar 1935345, die 341 342 343 344
Vgl. Schulz, Gebet, 75. Vgl. Thamer, Verführung, 578. Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 11. Dieser Konferenz, die von Marahrens als dienstältestem Landesbischof geleitet wurde, gehörten die Bischöfe der intakten Landeskirchen sowie Vertreter der Landeskirchenausschüsse und einiger Bruderräte an. Die Kirchenführerkonferenz knüpfte an die Verfassung der DEK an und bemühte sich um den Erhalt der Legalität, wurde aber vom NS-Staat nicht anerkannt. Auch der bruderrätliche Flügel der Bekennenden Kirche verweigerte ihr die Anerkennung, da in ihr Mitglieder der staatlich eingesetzten Kirchenausschüsse vertreten waren (vgl. Verantwortung, Bd. 3, 21 f.). 345 Vgl. Gr ttner, Reich, 219–221.
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Meiser vorbehaltlos unterstützte: Im Vorfeld ordnete er Fürbitte und Glockenläuten an346; nach Bekanntwerden des Ergebnisses folgten erneut Glockenläuten und Dankgottesdienste347. Die Zustimmung zur Vereinigung hielt nicht nur Meiser, sondern fast der gesamte deutsche Protestantismus für eine christliche Pflicht348. Kritik äußerten nur Einzelne wie z. B. von Pechmann, der die politische Beeinflussung beklagte und daran erinnerte, dass es Kirchenmitglieder gebe, „denen es aus Gründen der Überzeugung und des Gewissens unmöglich ist, sich zum heutigen Staat zu bekennen“349. Das entscheidende Problem aber brachte Pfarrer Karl Geuder auf den Tisch: Er warf der Kirchenleitung Staatshörigkeit vor und forderte, zwischen einer Obrigkeit im Sinne Luthers und dem NS-Staat zu differenzieren350. Diese Unterscheidung war Meiser jedoch fremd: Er war so in der traditionellen kirchlichen Obrigkeitslehre verhaftet, dass er den NS-Staat unhinterfragt als von Gott eingesetzte Obrigkeit betrachtete – obwohl ihm bereits hätte dämmern können, dass er es mit einem Unrechtsregime zu tun hatte, auf den die kirchliche Obrigkeitslehre keine adäquaten Antworten hatte. So blieb es bei der Loyalität zum NS-Staat: Zum zweiten Jahrestag der „Machtergreifung“ ordnete er ein Gebet für Hitler351 an; anlässlich des „Führergeburtstags“ am Karsamstag 1935 waren dann die Kirchen beflaggt352 und läuteten die Kirchenglocken – die wegen der vorübergehenden Verhaftung von 500 altpreußischen Bekenntnispfarrern353 an den Sonntagen zuvor noch geschwiegen hatten354. Angesichts der kirchenpolitischen Entwicklung mengte Meiser seinen Treuebekundungen jetzt allerdings auch Mahnungen an den NS-Staat bei. So betonte er zum Jahresbeginn 1935 zwar erneut die Bereitschaft der Kirche, sich „mit ihren religiösen Kräften an dem gewaltigen Werke des Aufbaues der Nation, das Adolf Hitler unternommen hat“355, zu beteiligen, machte dies aber von der Wiederherstellung des Vertrauens zwischen Staat und Kirche abhängig. In einem weiteren Neujahrswort begrüßte er die politisch-gesellschaftliche Umgestaltung durch den Nationalsozialismus, warnte aber davor, 346 Vgl. die Bekanntmachung Meisers vom 3. 1. 1935 (ABlELKB 1935, 1); des Landeskirchenrats vom 11. 1. 1935 (vgl. Baier / Henn, Chronologie, 108). 347 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 431; vgl. auch die Bekanntmachung vom 17. 1. 1935 (ABlELKB 1935, 5). 348 Vgl. z. B. die Kundgebung des Bruderrats der rheinischen Bekenntnissynode zum 6. 1. 1935 (Abdruck: Briefe, 219). 349 Schreiben von Pechmanns an Martin Niemöller vom 7. 2. 1935 (Abdruck: Kantzenbach, Widerstand, 124 f., Zitat: 125). 350 Vgl. das bei Kremmel, Pfarrer, 432, zit. Schreiben Geuders an Kurt Frör vom 17. 1. 1935. 351 Vgl. die Bekanntmachung betr. „Gebet für den Führer“ vom 18. 1. 1935 (ABlELKB 1935, 9). 352 Vgl. das Rundschreiben an alle Dekanate vom 15. 4. 1935 (EvAG M nchen, A 30. 1; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 1, 871). 353 Vgl. Besier, Kirchen, 61 f. 354 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 478. 355 Zit. nach ebd., 431.
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diesem Geschehen Ewigkeitswert beizumessen, weil dies allein der Entsendung Christi in die Welt zukomme356. Diese Mahnungen waren ein untauglicher Versuch, den NS-Staat in die Grenzen zu weisen, die ihm laut kirchlicher Obrigkeitslehre gesetzt sein sollten. Danach hatte der Staat zwar Aufsichtsrechte über äußere Angelegenheiten der Kirche, aber kein Recht dazu, kirchenleitende Funktionen auszuüben oder über die kirchliche Lehre zu bestimmen357. Meiser musste freilich bitter erfahren, dass der NS-Staat nicht gewillt war, sich von der Kirche in Schranken weisen zu lassen. Ebenso wenig hielt dieser Staat sich an seine früheren Zusagen oder auch nur an das geltende Staatskirchenrecht. Diese desillusionierende Erfahrung machten von der Bekennenden Kirche bis hin zu den Deutschen Christen früher oder später alle Gruppen in der Kirche. Während die Bruderräte in den zerstörten Landeskirchen bereit waren, es angesichts der NS-Kirchenpolitik notfalls zum Bruch mit dem Staat kommen zu lassen, meinte Meiser jedoch, für ihren Teil müsse die Kirche alles dafür tun, ein Zerwürfnis mit dem Staat zu vermeiden358. Dementsprechend fuhr er fort, seine vermeintliche Bischofspflicht zu erfüllen und dem NS-Staat die kirchliche Treue zu versichern. Am weitesten ging er bei der Volksabstimmung und Reichstagswahl am 29. März 1936, bei der die Bevölkerung dem Einmarsch deutscher Truppen in das entmilitarisierte Rheinland und der bisherigen Innenpolitik des NS-Regimes zustimmen sollte359. Ähnlich wie Wurm360 forderte er die Geistlichen dazu auf, ihre Befürchtungen, ein Ja würde der NS-Staat als Zustimmung zu seiner Kirchenpolitik werten, über Bord zu werfen und sich hinter den „Befreiungs- und Friedenswillen des Mannes zu stellen, dem die Führung unseres Volkes anvertraut ist“361. Die Bedenken der Geistlichen beruhigte er mit dem Hinweis, die lutherischen Bischöfe würden Hitler mitteilen, dass das kirchliche Ja nicht als „Zustimmung zu einer weltanschaulichen Haltung mit ausgesprochen antichristlichem Charakter ausgelegt werden“362 dürfe. Meisers Aufforderung an Pfarrer und Gemeinden, Verunsicherungen fallenzulassen und Hitlers Politik zuzustimmen, macht deutlich, dass es nicht ausschließlich theologische Gründe waren, die ihn zu seinem Verhalten ver356 Vgl. H. Meiser, Anfang. 357 Vgl. die Stellungnahme des Lutherischen Rates „Das Kirchenregiment nach dem Bekenntnis der Evangelisch-Lutherischen Kirche“ vom 9. 4. 1935 (ABlELKB 1935, 47–49). 358 Vgl. das bei W. Niemçller, Synode, 119, zit. Votum Meisers auf der Informationssitzung der VKL I am 13. 9. 1935. 359 Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4, 621; Gr ttner, Reich, 222 f. 360 Vgl. das Schreiben Wurms an die württembergischen Geistlichen vom 20. 3. 1936 (Abdruck: K. D. Schmidt, Dokumente, Bd. 2/1, 507 f.). 361 Rundschreiben Meisers an die Pfarrer und Religionslehrer vom 20. 3. 1936 (EvAG M nchen, A 30. 1; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 1, 808 f.; vgl. auch Nicolaisen, Bischof, 40 f.; Mensing, Pfarrer, 187). 362 Streng vertrauliches Schreiben des Lutherrats an Hitler vom 21. 3. 1936 (LKA Stuttgart, D1/ 183).
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Abb. 39: Schreiben Hans Meisers an die Pfarrer und Religionslehrer zur Volksabstimmung und Reichstagswahl vom März 1936 (Auszug), 20. März 1936
anlassten. Vielmehr stimmte er immer noch mit einzelnen Zielen der NSPolitik überein363, vor allem solchen, die der Revision des verhassten Versailler Friedensvertrags und dem Wiedererstarken der Nation dienten. Wie eine von ihm mit unterzeichnete Resolution der nicht-deutschchristlichen Kirchenführer zeigt, teilte er darüber hinaus auch den Antibolschewismus der Nationalsozialisten; bei dieser Resolution spielten allerdings auch taktische Gründe eine Rolle364. Angesichts der zunehmend kirchenfeindlichen NS-Politik vollzog sich in Meisers Loyalitätsbekundungen von 1936 bis zum „Anschluss“ Österreichs 1938 dann allerdings ein Stimmungsumschwung. So bekannte er sich zum Jahrestag der „Machtergreifung“ 1936 zwar erneut zum Staat Hitlers, kritisierte aber die Zurückdrängung des öffentlichen Einflusses der Kirche365, die von der NS-Propaganda euphemistisch als „Entkonfessionalisierung des öffentlichen Lebens“ verkauft wurde366. Als der Staat der Kirche die Beteiligung 363 Vgl. Nicolaisen, Bischof, 40. 364 Vgl. die Resolution „Zur kirchlichen Lage“ vom 20. 11. 1936 (Abdruck: K. D. Schmidt, Dokumente, Bd. 2/2, 1154 f.). Die Kirchenführer hofften, mit dieser Resolution die antichristlichen Kräfte in der Partei stoppen zu können (vgl. Nicolaisen, Bischof, 40 f.). 365 Vgl. die Bekanntmachung vom 27. 1. 1936 betr. Wort an die Gemeinden zum 30. 1. 1936 (ABlELKB 1936, 9). 366 Vgl. Meier, Kirchenkampf, Bd. 2, 12–35.
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an den Maifeiern verweigerte, verzichtete Meiser auf die üblichen Lobreden auf Hitler, dankte nur noch für den Segen Gottes, der es Hitler ermöglicht habe, die Arbeitslosigkeit zu senken367, und ordnete ausdrücklich an, die Geistlichen hätten dafür Sorge zu tragen, dass kirchliches Glockenläuten unterblieb368. Am deutlichsten spürbar wurde die kirchenpolitisch verursachte Distanz 1937, als der NS-Staat durch Verordnungen die Handlungsspielräume der intakten Kirchen auf ein Minimum reduzierte und die Bruderräte in den zerstörten Kirchen durch Verbote kriminalisierte369. Zum vierten Jahrestag der „Machtergreifung“ ließ Meiser die Pfarrer nur noch Fürbitte für Hitler leisten und dafür danken, was Gott diesem habe gelingen lassen370. Am Maifeiertag 1937 ordnete er auf staatliche Verfügung zwar die Beflaggung kirchlicher Gebäude an, fügte aber hinzu, dies bedeute keine Zustimmung zu einer „widerchristlichen Sinngebung des Tages“371. Im Januar 1938 gab es im Amtsblatt dann erstmals keine Anordnungen für den Jahrestag der nationalsozialistischen Machtübernahme mehr. Meisers Distanz verflüchtigte sich jedoch vorübergehend, als der „Anschluss“ Österreichs im März 1938 Bevölkerung und Kirche in einen Taumel nationaler Euphorie versetzte372. Ebenso wie die Leitungen der übrigen intakten Landeskirchen373 ließ er die Pfarrer jubeln, dass Gott „dem Führer und Reichskanzler gnädiges Gelingen zu seiner entschlossenen Tat gegeben“ habe374. Als Hitler nachträglich eine Volksabstimmung über die Vereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich anordnete, forderte er die Gemeinden gemeinsam mit anderen Kirchenführern auf, „unsere Treue zum neugeschaffenen Großdeutschen Reich und seinem Führer zu bekunden“375. Zudem ließ er auf Weisung des Reichskirchenministeriums376 am Vortag der Abstimmung die Kirchenglocken läuten, und trug so mit dazu bei, diesen Tag entsprechend dem Willen des NS-Staates „zu einem überwältigenden Bekenntnis der gesamten Nation für den Führer und sein Werk“377 zu machen. 367 Vgl. die Bekanntmachung betr. Feier des 1. Mai vom 23. 4. 1936 (ABlELKB 1936, 69). 368 Vgl. das Rundschreiben des Landeskirchenrats an die Pfarrämter und exponierten Vikariate vom 29. 4. 1936 (EvAG M nchen, A 30. 1; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 1, 865). 369 Vgl. Verantwortung, Bd. 3, 14–20. 370 Bekanntmachung betr. „Gebet für den Führer“ vom 27. 1. 1937 (ABlELKB 1937, 5). 371 Bekanntmachung vom 19. 4. 1937 (ABlELKB 1937, 61). 372 Vgl. Gr ttner, Reich, 224–235. 373 Vgl. z. B. das Rundschreiben des Evangelischen Oberkirchenrats Stuttgart an die Pfarrämter vom 16. 3. 1938 (Abdruck: G. Sch fer, Landeskirche, Bd. 5, 914 f.). 374 Bekanntmachung vom 18. 3. 1938 (ABlELKB 1938, 43). 375 Kundgebung des Lutherrats und der reformierten Arbeitsgemeinschaft zur Verlesung in den Gottesdiensten am 3. 4. 1938 gez. Meiser vom 31. 3. 1938 (ABlELKB 1938, 49; vgl. auch Schneider, Zeitgeist, 187 f.). 376 Vgl. den Schnellbrief des Reichskirchenministeriums an die evangelischen und katholischen Kirchenbehörden vom 30. 3. 1938 (GBlDEK 1938, Ausgabe A, 28). 377 Bekanntmachung des Landeskirchenrats und Meisers vom 4. 4. 1938 entsprechend dem
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Abweichend von seinen amtlichen Verlautbarungen herrschte wegen des „Anschlusses“ Österreichs bei Meiser persönlich allerdings keine Begeisterung; vielmehr betrachtete er die Zukunft von Hitlers „Großdeutschem Reich“ mit Skepsis378. An seiner amtlichen Haltung zum NS-Staat änderte sich deshalb aber nichts Grundlegendes. Dies zeigte sich noch im selben Jahr an seinem Verhalten bei der Übernahme des Treueides auf Hitler und nicht weniger beim symbolträchtigen Abriss der Münchner Matthäuskirche. Neben der theologisch begründeten Treue zum Staat traten jetzt aber mehr als zuvor taktische Motive und die Angst vor den Folgen in den Vordergrund, die eine Verweigerung der kirchlichen Loyalität nach sich gezogen hätte. 2.2.2 Übernahme des Treueides auf Hitler in die bayerische Landeskirche Der Impuls, die Geistlichen analog zu den Staatsbeamten einen Treueid auf Hitler schwören zu lassen, ging von den Deutschen Christen aus. Im Sommer 1934 hatten sie erstmals versucht, den Treueid durchzusetzen, waren damit jedoch an der bekenntniskirchlichen Opposition gescheitert379. Auch Meiser hatte es 1934 noch für unzulässig gehalten, die Kirche von den Pfarrern einen Treueid auf den Staat verlangen zu lassen, weil sie damit in dessen Aufgaben eingreifen und das „Amt der Verkündigung dem Gebot der weltlichen Obrigkeit unterstellen“ würde380. Anders entschied er jedoch, als die Deutschen Christen im Fahrtwind der nationalen Euphorie nach dem „Anschluss“ Österreichs einen neuen Anlauf nahmen, den Treueid verpflichtend zu machen381. Nachdem zunächst die deutschchristlich geleiteten Landeskirchen von Thüringen und Mecklenburg und dann auch Sachsen sowie die Evangelische Kirche der Altpreußischen Union den Treueid eingeführt hatten, sahen sich auch die übrigen Kirchenleitungen genötigt, ihre Pfarrer die „Treue gegen Führer, Volk und Reich“382 schwören zu lassen. Während sich in den Bruderräten der zerstörten Landeskirchen zunächst Widerstand gegen die Vereidigung regte383, erließen die intakten Kirchen in rascher Folge Kirchengesetze zur Vereidigung der Pfarrer384, nachdem sich
378 379 380 381 382 383 384
Wortlaut des oben Kap. III, Anm. 376, erwähnten Brief des Reichskirchenministeriums (ABlELKB 1938, 51). Vgl. das oben Kap. I, Anm. 9, erwähnte Interview. Vgl. Gerlach-Praetorius, Kirche, 61–67. Vgl. die Bekanntmachung vom 21. 8. 1934 (ABlELKB 1934, 119–122, Zitat: 120; vgl. auch Nicolaisen, Herrschaft, 320). Vgl. Meier, Kirchenkampf, Bd. 3, 44–47; https://de.evangelischer-widerstand.de/#/zeiten/ 19351939/D4027. „Ansprache des Evangelischen Oberkirchenrats [Berlin] zum Treueid“; Anlage „Zur Anordnung zur Ableistung des Treueides durch die Geistlichen der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union“ vom 12. 5. 1938 (GBlDEK 1938, Ausgabe B, 49). Vgl. Meier, Kirchenkampf, Bd. 3, 47 f. Vgl. Gerlach-Praetorius, Kirche, 154–170.
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ihre Bischöfe im Lutherrat zuvor entsprechend verständigt hatten385. Meiser verpflichtete die bayerischen Pfarrer im Mai 1938 zur Ableistung des Eides386, teilte dem bayerischen Kultusministerium aber zugleich mit, dass mit dem Eid „nichts versprochen und bekräftigt werden kann, was [Gottes] geoffenbartem Willen widerspricht“387. Darüber hinaus enthielt das bayerische Kirchengesetz keine Bestimmung, nach der Eidverweigerer entlassen werden sollten, wie es in der altpreußischen Union und anderen Landeskirchen der Fall war388. Der Treueid auf Hitler schlug in der gesamten Bekennenden Kirche hohe Wellen. In Bayern meldete besonders die Pfarrbruderschaft Gewissensbedenken an und bat Meiser Anfang Juni 1938, das Gesetz zurückzuziehen389. Um die beunruhigten Pfarrer auf seine Linie zu bringen, verwies er vor allem auf die Zwangslage, in der sich die Kirchenleitung befinde, und die negativen Folgen, die es für die Kirche nach sich ziehen würde, wenn ein Teil der Pfarrer den Eid verweigerte. Für ihn war es ausgemacht, dass die NS-Machthaber eine Eidverweigerung als Staatsfeindschaft auslegen und gegen die Kirche vorgehen würden, während er umgekehrt hoffte, die Eidesleistung würde dazu führen, das Verhältnis von Kirche und Staat zu verbessern390. Mit dem Treueid stand für Meiser einmal mehr der Status der Kirche als öffentlich-rechtlicher Körperschaft auf dem Spiel391. Für die Pfarrbruderschaft war dies aber nicht der entscheidende Punkt. Für sie hing vielmehr alles davon ab, ob der Eid vom Staat oder der Kirche gefordert wurde: Nach Art. 16 der Augsburger Konfession392 glaubte sie, der Eid sei nur zulässig, wenn er von der Obrigkeit verlangt werde. Mit dieser Frage wurde Meiser von seinem Dauerkritiker Karl Steinbauer konfrontiert, der von ihm wirsch verlangte, eine entsprechende staatliche Anordnung vorzulegen. Darauf konnte Meiser nur vage antworten, „daß die Kirchenleitung ,den Eindruck habe‘, daß ein Eid auf den Führer erwünscht sei“393. Er befand sich hier im selben Dilemma wie alle anderen Verantwortlichen der Bekennenden Kirche, die ebenfalls nur annehmen konnten, dass eine staatliche Anweisung existierte394. 385 Vgl. das Schreiben des Lutherrats an die angeschlossenen Kirchenleitungen vom 11. 4. 1938 (LKA Kiel, NL Wester, Reinhard Nr. 301; vgl. auch Schneider, Zeitgeist, 188). 386 Vgl. das „Kirchengesetz über den Treueid der Pfarrer“ vom 18. 5. 1938 (ABlELKB 1938, 95). 387 Schreiben vom 21. 5. 1938 (EvAG M nchen, A 30. 3). 388 Vgl. z. B. § 4 der „Verordnung betr. den Treueid der Geistlichen und der Kirchenbeamten der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union“ vom 20. 4. 1938 (GBlDEK 1938, Ausgabe B, 41). 389 Vgl. Gerlach-Praetorius, Kirche, 158 f. 390 Vgl. Geuder, Kampf, 147. 391 Vgl. Gerlach-Praetorius, Kirche, 159; Link, Spielräume, 59 f. 392 Vgl. Bekenntnisschriften, 70. 393 Vgl. Steinbauer, Zeugnis, Bd. 3, 123. 394 Diese Annahme beruhte u. a. darauf, dass staatliche Stellen Auskunft über den Stand der Vereidigung verlangten; vgl. z. B. den Runderlass Kerrls vom 3. 6. 1938 (Abdruck: Dokumente, Bd. 4, 201).
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Entscheidungen (1933 bis 1945)
Abb. 40: Schreiben Hans Meisers an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus zum Treueid der Geistlichen auf Hitler, 21. Mai 1938
Als Meiser den Pfarrern versicherte, es müsse „als erwiesen angesehen werden“, dass „eine bestimmte Erwartung des Staates“ vorhanden sei, und nochmals zu bedenken gab, „dass der Staat aus der Unterlassung seine be-
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stimmten Folgerungen ziehen würde“395, leisteten fast alle bayerischen Pfarrer den Eid396. Völlig reibungslos verlief die Vereidigung nicht. Meiser verzichtete aber darauf, solche Pfarrer zu disziplinieren, die sich wie Steinbauer dem Eid verweigerten397. Umgekehrt nahm er stillschweigend hin, dass die deutschchristlichen Pfarrer ein neues Zeichen ihrer Opposition setzten und sich von einem auswärtigen Vertreter des deutschchristlichen Thüringer Landeskirchenrats vereidigen ließen398. Meiser selbst wollte sich vom Reichsstatthalter vereidigen lassen, was dieser ablehnte; daraufhin legte er den Eid vor dem Präsidenten der Landessynode ab399. Auch in der außerbayerischen Bekennenden Kirche war der Weg für die Vereidigung frei, als Präses Karl Koch verkündete, es stehe inzwischen außer Zweifel, dass der Staat die Eidesleistung erwarte und eine Verweigerung als Angriff auf seine Autorität werten würde400. Bei den Bruderräten erkannten ebenfalls nur wenige, dass der NS-Staat nicht mit der Obrigkeit im Sinne der reformatorischen Bekenntnisschriften identisch war und ein Eid auf den totalitären Staat – wie Karl Barth kritisierte – „unter allen Umständen gegen das erste Gebot“401 verstieß. Die Vereidigung mündete für alle kirchlichen Gruppen in eine Blamage, als im August ein Schreiben von NS-Reichsleiter Martin Bormann bekannt wurde, in dem er klarstellte, dass der Eidesleistung lediglich innerkirchliche Bedeutung zukomme, weil sie von Hitler weder genehmigt noch angeordnet worden sei402. Obwohl der Treueid damit obsolet war, wagte es nur die altpreußische Bekenntnissynode, daraus den Schluss zu ziehen, dass es nicht zulässig sei, von den Pfarrern den Eid zu verlangen403. Aus der Gesetzgebung der Landeskirchen hingegen verschwand er nicht404. Auch Meiser nutzte seinen Handlungsspielraum nicht: In Bayern wurde der Treueid – wenn auch durch das Ordinationsgelübde begrenzt405 – sogar Bestandteil des Pfarrergesetzes, das der Landesbischof 1939 erließ406. 395 Rundschreiben an die aktiven Geistlichen vom 20. 6. 1938 (zit. nach Gerlach-Praetorius, Kirche, 159; Abdruck: Steinbauer, Zeugnis, Bd. 3, 148–150; vgl. auch Geuder, Kampf, 149). 396 Vgl. Nicolaisen, Herrschaft, 321. 397 Vgl. Steinbauer, Zeugnis, Bd. 3, 154–169. 398 Vgl. Baier, Christen, 332 f. 399 Vgl. die Stellungnahme von Pfarrer Hans Bayer vom 4. 7. 1938 (LAELKB, KDN 2.2.0005-5174; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 1, 676–681; vgl. auch Steinbauer, Zeugnis, Bd. 3, 160; Gerlach-Praetorius, Kirche, 159). 400 Vgl. Meier, Kirchenkampf, Bd. 3, 48 f. 401 Offener Brief Karl Barths an die 6. Bekenntnissynode der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union vom 6. 8. 1938 (Abdruck: KJ 1933–1944, 252–255, Zitat: 254). 402 Vgl. das Rundschreiben an alle Gauleiter vom 13. 7. 1938 (Abdruck: Dokumente, Bd. 4, 201 f.). 403 Vgl. den Beschluss des Fortsetzungsausschusses der 7. altpreußischen Bekenntnissynode vom 21. 3. 1939 (Abdruck: KJ 1933–1944, 256). 404 Vgl. Meier, Kirchenkampf, Bd. 3, 51–53. 405 Vgl. Meinzolt, Kirchengesetz, 27. 406 Vgl. § 8 des „Kirchengesetzes über das Dienstverhältnis der Pfarrer (Pfarrergesetz)“ vom 27. 4. 1939 (ABlELKB 1939, 78).
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2.2.3 Erzwungene Hinnahme der Zerstörung der Matthäuskirche Noch während Meiser die Pfarrer von der Notwendigkeit des Treueides zu überzeugen versuchte, erhielt er eine niederschmetternde Nachricht, die sein Verhältnis zum NS-Staat erneut auf die Probe stellte: Am 9. Juni 1938 teilte das Innenministerium mit, dass die im Münchener Stadtzentrum gelegene Matthäuskirche aus verkehrstechnischen Gründen innerhalb weniger Tage abgerissen werden sollte. Die Matthäuskirche hatte hohe Symbolkraft: Sie war nicht nur die älteste protestantische Kirche Münchens, sondern auch die Bischofskirche und ständige Kanzel Meisers. Gänzlich neu war die Nachricht für ihn nicht: Ihm war schon länger bekannt, dass die Matthäuskirche den Stadtund Verkehrsplanungen für die „Hauptstadt der Bewegung“ im Weg stand und zum Abbruch vorgesehen war. Die Kirchenleitung stand deshalb seit Anfang 1938 mit dem NS-Staat in Verhandlungen. Meiser hatte jedoch damit gerechnet, dass der Abriss erst stattfinden würde, wenn sich die Kirche mit dem Staat auf akzeptable Bedingungen geeinigt hatte. Jetzt aber stellten die NSMachthaber die Kirche rücksichtslos vor vollendete Tatsachen407. Um öffentlichen Aufruhr zu vermeiden, war dem Innenministerium allerdings an der Zustimmung der Kirche gelegen. Eilig stellten Landeskirchenrat und Kirchenverwaltung von St. Matthäus Bedingungen zusammen, unter denen sie sich zum Abbruch bereit erklären konnten. Als bekannt wurde, dass das Ministerium bereits eine Baufirma beauftragt hatte, mit dem Abriss zu beginnen, weigerte sich Meiser zunächst, in Verhandlungen einzutreten, und erreichte, dass der Auftrag vorläufig zurückgezogen wurde. Daraufhin gab er seine Verweigerungshaltung wieder auf. Am 11. Juni 1938 stellte ihn Innenminister Adolf Wagner dann vor die Alternative, entweder den Abriss abzulehnen und die ersatzlose Enteignung in Kauf zu nehmen oder aber seine Zustimmung zu geben und dafür Zugeständnisse zu erhalten. Nach harten Verhandlungen entschied sich Meiser für die Zustimmung und erhielt von Wagner die mündliche Zusage, dass die Gemeinde als Versammlungsraum vorerst den „Weißen Saal“ in der ehemaligen Augustinerkirche im Polizeipräsidium München erhalten sollte, vor allem aber, dass der Staat die Kosten für den Bau einer neuen Kirche übernehmen würde. Drei Tage später begannen die Abbrucharbeiten. Das beispiellose Vorgehen des NS-Staates löste bei Gemeindegliedern und Pfarrern Trauer, Wut und Verzweiflung aus. Bei einem Abschiedsgottesdienst in der Matthäuskirche am 12. Juni 1938 versuchte Meiser, mäßigend auf die Gemeindeglieder einzuwirken und erläuterte erschüttert die Gründe für seine Zustimmung: 407 Vgl. dazu und zum Folgenden Eine Kirche, 15–62; vgl. auch die Beilage 2 „St. Matthäuskirche“ zum Rundschreiben des Landeskirchenrats vom 15. 6. 1938 (EvAG M nchen, A 30. 2/2; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 2, 1732 f.).
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Abb. 41: Die alte Münchner Matthäuskirche „Die städtebauliche Umgestaltung für die Hauptstadt der Bewegung fordert es, daß wie viele andere Gebäude, so auch diese Kirche niedergelegt wird […]. Niemand, der mich kennt, kann glauben, daß mir die Zustimmung […] leicht geworden ist. Ich kann sagen, daß ich in meinem ganzen Amtsleben wohl nie eine
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Abb. 42: Abriss der Münchner Matthäuskirche, 1938 Entscheidung habe treffen müssen, die mich tiefer bewegte und mir schwerer gefallen ist […]. Aber ich habe mich nicht für berechtigt gehalten, ein unwiderrufliches Nein zu sagen, so sehr mir dieses Nein auf der Zunge lag, wo mir der ausdrücklich erklärte Wille entgegentrat, daß man doch in dieser Angelegenheit zu einer Verständigung im Guten kommen möchte, nachdem die Tatsache unwiderruflich feststeht, daß an eine endgültige Erhaltung nicht zu denken ist.“408
Die übrigen Gemeinden der Landeskirche versuchte Meiser durch eine Kanzelabkündigung zu beruhigen, in der er auf die städtebaulichen Erfordernisse sowie die ausgehandelten Ersatzlösungen hinwies und zur Fürbitte für die heimatlos gewordene Matthäus-Gemeinde aufrief409. Auf die Tatsache, dass der NS-Staat die städtebaulichen Maßnahmen nutzte, um politisch unerwünschte Gebäude zu beseitigen – in München wurde fast zur gleichen Zeit wie die Matthäuskirche auch die Hauptsynagoge in der Herzog-Max-Straße abgerissen410 –, und dass es sich beim Abriss der Bischofskirche offensichtlich um einen kirchenfeindlichen Akt handelte, ging Meiser nicht ein. Dies anzusprechen wagte hingegen das Münchner Gemeindeglied Arno Lauer, der die NS-Machthaber in einem Flugblatt einer „Untat“ bezichtigte411 und Hitler schrieb, niemand könne glauben, „dass dieses Kulturgut lediglich aus Gründen einer besseren Verkehrsregelung unbedingt zerstört werden müsse“412. Mutig sprach auch der 1. Pfarrer der 408 409 410 411 412
Predigt Meisers zit. nach dem Abdruck in: Eine Kirche, 29–31. Vgl. Beilage 1 „Kanzelerklärung“ zu dem oben Kap. III, Anm. 407, erwähnten Rundschreiben. Vgl. Eine Kirche, 20. Zitat aus dem Abdruck ebd., 49. Zit. nach dem Abdruck dieses Schreibens vom 16. 6. 1938 ebd., 25.
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Matthäuskirche Friedrich Loy den kirchenfeindlichen Hintergrund des Abrisses an413. Die Anklagen an den NS-Staat gingen jedoch nicht mit Kritik an Meisers Entscheidung einher. Diese kritisierte allerdings der Münchener Erzbischof Michael Kardinal von Faulhaber, den Meiser über den Befehl zum Abbruch der Matthäuskirche frühzeitig informierte414. Faulhaber hielt Meisers Zurückweichen vor dem staatlichen Zwang für eine Fehlentscheidung415. Er bekundete zwar Verständnis für Meisers Zwangslage, hielt aber nicht mit seiner Meinung hinter dem Berg, dass ein klares Nein hätte gesprochen werden müssen, denn in diesem Fall – so führte er aus – „wäre die Verantwortung allein den Machthabern geblieben“416. Nach Ansicht Faulhabers hatte Meiser mit seiner Zustimmung die Gelegenheit verpasst, die Position der Kirche gegenüber dem NS-Staat zu stärken. Für Meiser stellte sich die Lage jedoch anders dar: Nachdem der Staat zu verstehen gegeben hatte, der Abriss sei unwiderruflich, stellte er die Interessen der Matthäus-Gemeinde in den Vordergrund: Wenn er sich verweigert hätte, wäre die Gemeinde auf andere Gemeinden verteilt und damit zerstört worden; so aber konnte sie erhalten bleiben. Diese Auffassung vertrat er auch noch nach Ende der NS-Herrschaft417. Wie in vielen Fällen agierte er hier als Realpolitiker, der wenigstens noch eine Minimallösung zu erreichen versuchte. Ähnlich verhielt er sich auch, als die NSDAP das Areal um den Münchener Königsplatz zum Parteiviertel umbaute und die Kirche zum Verkauf des Dienstgebäudes des Landeskirchenrats zwingen wollte. Nachdem die Kirchenleitung unter dem Druck der Partei bereits das Anwesen Arcisstraße 11 an die NSDAP verkauft hatte, erklärte Meiser 1939 seine Bereitschaft, auch den nebenan gelegenen Landeskirchenrat an die Partei zu verkaufen, sofern sie entsprechenden Ersatz gewährleistete. Der Verkauf kam wegen des Kriegsausbruchs dann nicht mehr zustande418. Freilich leitete Meiser auch beim Abriss der Matthäuskirche die Überzeugung, dass die Kirche es nicht zum Bruch mit dem Staat kommen lassen dürfe und dass sie – mit Ausnahme von Fragen des Bekenntnisses und der Ordnung der Kirche – ihre Interessen auf staatliches Geheiß notfalls zu Gunsten der „Anforderungen der Allgemeinheit“419 zurückstellen müsse. Deshalb verzichtete er darauf, die empörten Gemeinden zu mobilisieren, wie er es 1934 getan hatte, und forderte sie auf, sich mit dem antikirchlichen Akt der NSMachthaber abzufinden. Dabei machte er allerdings erneut die Erfahrung, 413 414 415 416 417
Predigt Loys vom 19. 6. 1938, abgedruckt ebd., 46 f. Vgl. dazu und zum Folgenden Pfister, Partner, 162 f. Vgl. ebd., 176, Anm. 14. Schreiben Faulhabers an Langenfaß vom 13. 7. 1938 (zit. nach ebd., 163). Vgl. seine Predigt zur Einweihung der neuen Matthäuskirche am 27. 11. 1955 (Abdruck: H. Meiser, Kirche, Kampf, 272–278, hier: 272). 418 Vgl. H bner, Kirchenleitung, 71 f. 419 Abschiedspredigt Meisers vom 12. 6. 1938 (Eine Kirche, 29).
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dass der NS-Staat das kirchliche Entgegenkommen nicht belohnte: Die Gemeinde erhielt zwar als Übergangslösung den „Weißen Saal“, die NS-Machthaber dachten aber nicht daran, ihre Zusage zu halten und einen Neubau in die Tat umzusetzen420. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg führte Meiser den Abriss der Matthäuskirche auf „den unerbittlichen Befehl des Führers“ zurück und sprach offen aus, dass die Kirche „für die damaligen Machthaber […] ein Stein des Anstoßes war, und daß ihre Beseitigung nur ein Schritt weiter auf dem Vernichtungsfeldzug gegen die Kirche überhaupt sein sollte“421. Für beides existieren zwar keine direkten Belege; es gibt jedoch gute Gründe, den Abbruch als Affront des NS-Regimes gegen die Landeskirche und als Racheakt gegen den unliebsamen Landesbischof zu deuten, der Hitler mehrfach die Stirn geboten hatte. Dafür spricht, dass Hitler bei einer Besprechung über den Münchener U-Bahn-Bau bereits im Frühjahr 1937 darauf insistiert hatte, dass die Matthäuskirche aus dem Weg geräumt werden müsse422, vor allem aber die Skrupellosigkeit, mit der der NS-Staat den Abriss vollzog. 2.2.4 Umgang mit innerkirchlichen Kritikern und Abweichlern Meisers kompromissbehafteter Kurs gegenüber dem NS-Staat blieb keineswegs unwidersprochen. Die große Mehrheit der bayerischen Pfarrer und Laien folgte ihm zwar, Einzelne jedoch riefen zu einem Kurswechsel auf, übten Kritik an den Anweisungen der Kirchenleitung oder verweigerten deren Befolgung. Darüber hinaus wagten es einige Pfarrer, Maßnahmen des NS-Staates auch öffentlich anzuprangern. Dadurch gerieten sie nicht nur ins Visier der Gestapo, sondern nicht selten auch in Konflikt mit der Kirchenleitung. Meiser reagierte auf Kritiker und Abweichler als Seelsorger und autoritärer Vorgesetzter zugleich: Einerseits suchte er Überzeugungsarbeit zu leisten, nahm gefährdete Pfarrer aus der Schusslinie oder setzte sich beim Staat für sie ein; andererseits aber ging er gegen Einzelne auch disziplinarisch vor. Dabei hatte er sowohl den Schutz der Landeskirche als auch das Schicksal der Betroffenen und ihrer Familien im Blick. Charakteristisch für Meisers Umgang mit landeskirchlichen Dissidenten ist sein Verhalten im Fall von Karl Steinbauer423. Der junge Geistliche griff Meiser wiederholt in despektierlichem Ton an. Bei Steinbauer regte sich bereits Widerspruch, als Meiser 1933 im Vorfeld der Reichsbischofswahlen für den Wunschkandidaten Hitlers plädierte, weil es in Anbetracht der kirchenpolitischen Umstände nicht so sehr darauf ankomme, „den kirchlich geeignetsten 420 421 422 423
Vgl. ebd., 65 f. Zitate aus der oben Kap. III, Anm. 417, erwähnten Predigt (Meiser, Kirche, Kampf, 272 f.). Vgl. Eine Kirche, 21 f. Vgl. C. Blendinger, Gott; Hamm, Seite; Ich glaube; und Steinbauer, Zeugnis, Bd. 1–4.
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Mann zu wählen“, sondern „den Vertrauensmann des Führers“424. Auf die Barrikaden ging Steinbauer aber erst, als Meiser beim „Führerempfang“ im Januar 1934 vor Hitler und dem Reichsbischof einknickte425. Daraufhin warf Steinbauer Meiser vor 700 Pfarrern Verrat an Kirche, Bekenntnis und Notbundpfarrern vor426 und brandmarkte es als Sünde, „daß wir uns im Handeln der Kirche unsere Schritte haben vom Staat her vorschreiben lassen und nicht von Christus und Seinem Evangelium ganz allein“427. Nach diesem Auftritt musste Steinbauer sich im Landeskirchenrat rechtfertigen. Dabei gestand Meiser ihm zwar zu, er argumentiere „theologisch […] sehr fein“, die Kirchenleitung aber müsse „mit gegebenen Tatsachen rechnen“; Steinbauer entgegnete, es frage sich nur, „ob der Herr Christus […] auch noch eine gegebene Tatsache ist, mit der wir in der Kirche rechnen können“428. Dieser Wortwechsel zeigt programmatisch den Konflikt, der das Verhältnis zwischen Meiser und Steinbauer künftig bestimmte: auf der einen Seite der staatstreue Lutheraner, der die staatlich anerkannte Volkskirche erhalten wollte, die Folgen seiner Entscheidungen akribisch abwog, taktische Rücksichten nahm und Kompromisse mit den NS-Machthabern einging; auf der anderen Seite der von Karl Barth beeinflusste, fundamental biblizistisch argumentierende, kompromisslos Christus und seinem Gewissen verpflichtete Vikar, der ohne Rücksicht auf die eigene Existenz und mögliche Folgen für den äußeren Bestand der Kirche dem NS-Staat die Stirn zu bieten bereit war. Zu den theologischen Differenzen kamen noch abweichende politische Einschätzungen hinzu. Keiner von beiden wollte den NS-Staat stürzen, aber Meiser sah das Regime länger positiv als Steinbauer. Dies zeigte sich z. B. 1935, als Steinbauer sich anlässlich der Überführung der Toten des Hitler-Ludendorff-Putsches in die neu errichteten „Ehrentempel“ am Münchner Königsplatz weigerte, die Kirche zu beflaggen429. Dafür hatte der Bischof kein Verständnis: Während Steinbauer die als „Auferstehungsfeier“ inszenierte Überführung als Lästerung der Auferstehung Christi deutete, meinte Meiser, es habe sich doch um eine „durchaus würdige Feier“430 gehandelt. Es waren freilich nicht nur unterschiedliche theologische und politische Einschätzungen, die Meiser dazu veranlassten, Steinbauer in die Schranken zu weisen. Entscheidend war für ihn vielmehr, dass er dessen wiederholte Weigerung, staatliche und kirchliche Anweisungen auszuführen, als Gefahr für die Landeskirche betrachtete. Dies rief er Steinbauer ins Gewissen, als dieser bei der Wahl im März 1936 wegen des offensichtlichen Wahlbetrugs das Glo424 425 426 427
Steinbauer, Zeugnis, Bd. 1, 131 f. Vgl. oben Kap. III A.1.2. Vgl. Steinbauer, Zeugnis, Bd. 1, 109–118; C. Blendinger, Gott, 43–46. Schreiben Steinbauers an Meiser vom 4. 2. 1934 (Abdruck: ebd., 123–134; Zitat: 131; C. Blendinger, Gott, 47–55). 428 Zitate nach Steinbauer, Zeugnis, Bd. 1, 121 f. 429 Vgl. ebd., 244–257; Steinbauer, Zeugnis, Bd. 2, 1 f.; C. Blendinger, Gott, 56 f. 430 Steinbauer, Zeugnis, Bd. 1, 257.
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Abb. 43: Hans Meisers innerkirchlicher Opponent Karl Steinbauer
ckenläuten unterließ: „Stellen Sie sich vor, welche unabsehbaren Folgen es für die […] Landeskirche hätte haben müssen, wenn mehrere Pfarrer oder gar alle nicht hätten läuten lassen!“431 Steinbauer wurde streng ermahnt, die Weisungen der Kirchenleitung zu befolgen, weil diese allein die Verantwortung für die Landeskirche trage. Daran und an alle folgenden Mahnungen432 hielt er sich jedoch nicht. Die Folge waren weitere Konflikte mit Kirchenleitung und Staat, mehrere Verhaftungen und 1939 schließlich die Inhaftierung im Konzentrationslager Sachsenhausen433. Meiser versuchte Steinbauer zwar zu helfen, ging zu dessen Missfallen aber nicht auf Konfrontationskurs zu den Machthabern, sondern suchte im Rahmen der unter der NS-Herrschaft gegebenen Möglichkeiten nach Lösungen, die sowohl kirchliche Interessen als auch den Schutz Steinbauers berücksichtigten. Dies war z. B. der Fall, als Steinbauer im Juli 1936 ein Aufenthaltsund Redeverbot für Oberbayern erhielt: Meiser meinte zwar, der Staat sei nicht befugt, Predigtverbote auszusprechen, und bemühte sich um eine Aufhebung des Verbots; als diese Bemühungen scheiterten, sah er jedoch keine andere 431 Vgl. Steinbauer, Zeugnis, Bd. 2, 3–6, Zitat: 5; C. Blendinger, Gott, 58–60. 432 Vgl. Steinbauer, Zeugnis, Bd. 2, 14–34; C. Blendinger, Gott, 60–65. 433 Vgl. ebd., 66–117.
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Möglichkeit mehr, als Steinbauer unter massiven Zurechtweisungen zum Ortswechsel zu drängen und seine Predigten vom Dekan kontrollieren zu lassen. Als die Bemühungen der Kirchenleitung doch noch Erfolg hatten und Steinbauer nach Penzberg zurückkehren konnte, mahnte Meiser ihn, künftig besonnener zu handeln und die Folgen seiner Entscheidungen zu bedenken434. Obwohl Steinbauer auch dieser Mahnung nicht folgte, setzte sich Meiser weiter für seinen renitenten Kritiker ein435 und ließ ihn auch nicht fallen, als dieser ihm 1938 mangelnden Glaubensgehorsam gegenüber dem Herrn der Kirche vorwarf436. Meiser versuchte Steinbauer daraufhin noch einmal seinen Standpunkt klar zu machen, dass „eine Sache theologisch richtig sein kann und doch nicht vollziehbar ist […]. Zwischen dem, was wir als letztes Ziel erstreben müssen, und der Wirklichkeit klafft oft ein Unterschied und niemand wird öfter und schmerzlicher immer wieder an die Grenzen erinnert, die unserem kirchlichen Handeln gesteckt sind als eine Kirchenleitung. Daß dieses kirchliche Handeln in unseren Tagen aus Ängstlichkeit erfolgt und dadurch zum Fehlhandeln wird, empfinde ich mit Ihnen schmerzlich genug.“437
Im weiteren Verlauf der NS-Herrschaft waren es vor allem Meinzolt und Daumiller, die sich beim NS-Staat für Steinbauer einsetzten438. Meiser trat noch einmal in Erscheinung, als Steinbauer 1939 in einer Predigt die christentumsfeindliche NS-Jugendpolitik anprangerte439 und erneut verhaftet wurde. Die NS-Machthaber machten jetzt unmissverständlich klar, dass Steinbauer entweder vom Pfarramt zurücktreten müsse oder in ein Konzentrationslager verbracht würde. In dieser Situation wandte sich Steinbauers Frau Eugenie hilfesuchend an Meiser. Nachdem sich Meinzolt bereits vergeblich für Steinbauer eingesetzt hatte, sah Meiser für die Kirchenleitung jetzt keine Handlungsoptionen mehr und überließ dem Ehepaar die Entscheidung selbst440. Steinbauer entschied sich daraufhin für das Verbleiben im Pfarramt und wurde in das Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt. Ähnlich wie bei Steinbauer ging Meiser auch im Fall des Gautinger Vikars Walter Hildmann vor. Wie Steinbauer orientierte sich Hildmann am bruderrätlichen Flügel der Bekennenden Kirche und war Mitglied der Pfarrbruder434 Vgl. Steinbauer, Zeugnis, Bd. 2, 35–88; C. Blendinger, Gott, 66–77. 435 Vgl. ebd., 77–80. 436 Vgl. z. B. das Schreiben Steinbauers an Meiser vom 23. 6. 1938 (Abdruck: Steinbauer, Zeugnis, Bd. 3, 154–157; Teilabdruck: C. Blendinger, Gott, 89–91); vgl. vor allem Steinbauers „Gerichtsrede“ vom 19. 12. 1938 (Abdruck: Steinbauer, Zeugnis, Bd. 3, 206–214; Teilabdruck: C. Blendinger, Gott, 95–99). 437 Schreiben an Steinbauer vom 28. 7. 1938 (Abdruck: Steinbauer, Zeugnis, Bd. 3, 167–169, Zitat: 168). 438 Vgl. Steinbauer, Zeugnis, Bd. 4, 131–147; C. Blendinger, Gott, 119–123. 439 Abdruck: Steinbauer, Zeugnis, Bd. 3, 237–243; Teilabdruck: C. Blendinger, Gott, 102. 440 Vgl. Steinbauer, Zeugnis, Bd. 3, 248.
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schaft. Weil er wiederholt das kompromissbereite Verhalten der Kirchenleitung kritisierte und sich immer häufiger ablehnend zur Kirchenpolitik und zum Totalitätsanspruch des NS-Regimes äußerte, geriet er zunehmend in Schwierigkeiten und wurde mehrfach von der Kirchenleitung gerügt. Als er gemeinsam mit anderen ein Flugblatt über den Prozess gegen Niemöller verbreitete, folgten Verhaftung, Verhör und das Verbot, Religionsunterricht zu erteilen. Wegen seines angegriffenen Zustands wurde er vom Landeskirchenrat 1939 beurlaubt. Nach einer Verurteilung zu vier Monaten Gefängnis setzte sich Meiser beim NS-Staat erfolgreich für einen Strafaufschub ein. Die Strafe wurde 1940 erlassen; Hildmann war jedoch bereits im Kriegseinsatz und verlor kurz darauf in Frankreich sein Leben441. Im Fall des Murnauer Pfarrers Gerhard Günther reichten Meiser Versetzungen oder Beurlaubungen nicht mehr aus. Günther stand wegen seiner NSkritischen Haltung schon früh im Visier der Nationalsozialisten, überwarf sich mit nationalsozialistischen Gemeindegliedern und Kirchenvorstehern und scheute auch die Konfrontation mit der Kirchenleitung nicht. Kurz nach Kriegsbeginn denunzierte ihn ein Gemeindeglied beim Kreisdekan wegen Landesverrats. Daraufhin enthob ihn der Landeskirchenrat seines Amtes und leitete ein Disziplinarverfahren ein442. Als er wegen seiner gefährdeten Lage um vorübergehende Entlassung aus dem Pfarramt bat, entließ ihn Meiser ganz, weil nach dem Pfarrergesetz eine vorübergehende Entlassung nicht möglich war443. Zugleich versuchte er jedoch, die Folgen der Entlassung abzufedern: Günthers Frau erhielt Unterstützung und er selbst wurde in der Diakonie untergebracht; außerdem riet ihm der Landeskirchenrat, sich zur Wehrmacht zu melden. Bei Kriegsende erhielt Günther wieder eine Pfarrstelle; dabei war der Kirchenleitung allerdings nicht bekannt, dass er 1944 in Kriegsgefangenschaft verstorben war444. Die wenigen Quellen lassen kein sicheres historisches Urteil zu, ob Meiser bei seinem Handeln gegenüber dissentierenden Pfarrern „mehr die Sicherung des äußeren Bestandes der ,intakten‘ Landeskirche oder den Schutz der betreffenden Pfarrer im Blick hatte“445. Sicher ist jedoch, dass er den Betroffenen eine Mitverantwortung für ihr Schicksal gab und ihr Verhalten theologisch nicht für zwingend geboten hielt446. Zugleich ist aber auch sicher, dass er sie und ihre Familien nicht fallen ließ und sich beim NS-Staat für sie verwandte. Seine Zurechtweisungen und Maßregelungen mussten auf die Betroffenen freilich verbitternd wirken; andererseits aber schätzte er die Möglichkeiten kirchlichen Protests und die Folgen weiteren Widerstands weitgehend rea441 Vgl. Mensing, Rücksicht; Amman, Hildmann; und Hildmann, Hildmann. 442 Vgl. den Beschluss des Landeskirchenrats vom 2. 12. 1939 (LAELKB, LKR 0.2.0003-51073). 443 Vgl. die Entlassungsurkunde (Abdruck: Kirche unterm Hakenkreuz, 72); vgl. auch das Schreiben des Landeskirchenrats an Günther vom 21. 12. 1939 (LAELKB, KDA 2.2.0001-5424). 444 Vgl. Kirche unterm Hakenkreuz, 36–75; Mensing, Günther; und Ders., Pfarrer, 193 f. 445 Ebd., 194. 446 Vgl. ebd., 193.
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listisch ein und befand sich in einem Dilemma, für das es unter den Bedingungen des NS-Regimes keine befriedigende Lösung gab. Eines hatten Meiser und die landeskirchlichen Dissidenten aber gemeinsam: Ihr Verhalten war nicht politisch, sondern theologisch motiviert. Auch Meisers Opponenten stellten den NS-Staat nicht als solchen in Frage, sondern prangerten ihn nur dann an, wenn er die Grenzen überschritt, die ihm von Gott gesetzt sein sollten. Sie zogen diese Grenzen jedoch enger und agierten deshalb in höherem Maß widerständig als der Bischof. Dabei waren die meisten von ihnen von der Theologie Barths geleitet. Ausgehend von der radikalen Autonomie Gottes447 waren sie eher als die konservativen Lutheraner in Kirchenleitung und Pfarrerschaft dazu fähig, „dem Nationalsozialismus Paroli zu bieten“, indem sie „dem totalen Anspruch des völkischen Staates“ den „ebenso totale[n] Anspruch Gottes“ gegenüberstellten448. Genuin politische Opposition aber blieb selbst unter den landeskirchlichen Dissidenten die seltene Ausnahme wie vor allem beim Ezelheimer Pfarrer Karl-Heinz Becker449. Auch die im Mai 1934 gegründete bayerische Pfarrbruderschaft, der auffallend viele landeskirchliche Dissidenten angehörten, verstand sich nicht als politische Opposition450. Ebensowenig wollte sie eine oppositionelle Front gegen Meiser bilden, wie sie seinem Bischofskollegen Wurm in Form der Kirchlich-theologischen Sozietät in Württemberg gegenüberstand451. Während die Sozietät die Positionen des bruderrätlichen Flügels der Bekennenden Kirche vertrat, reichte das Spektrum in der Pfarrbruderschaft von Barthianern bis zu konservativen Lutheranern, was zu internen Streitigkeiten führte und ihre Position gegenüber der Kirchenleitung schwächte452. Meiser gegenüber nahm die Bruderschaft eine Doppelrolle ein: Ihre führenden Mitglieder waren einerseits enge Mitarbeiter Meisers und unterstützten ihn; andererseits aber kritisierte die Bruderschaft die kirchenpolitischen Entscheidungen des Bischofs und erregte sich über seinen autokratischen Führungsstil. Zentraler Konfliktherd war Meisers Haltung zur Bekennenden Kirche. Der erste Dissens trat nach Meisers Wiedereinsetzung im Herbst 1934 auf, als er durch den weitgehenden Verzicht auf Disziplinarmaßnahmen versuchte, die Deutschen Christen wieder in die Landeskirche einzubinden453. Besonderen Unmut erregte seine Entscheidung, Greifenstein und Hanemann in den Lan-
447 Vgl. T. Rendtorff, Autonomie, bes. 172 f.; zur Bestimmung des Verhältnisses von Staat und Kirche bei Barth vgl. J ngel, Verhältnis. 448 Zitate: Anselm, Verbrechen, 32. 449 Vgl. W. Huber, Evangelisch; Becker, Siebenkittel; und Kantzenbach, Einzelne, 134–140, 163–199. 450 Vgl. dazu und zum Folgenden Stoltz, Pfarrerbruderschaft. 451 Vgl. Thierfelder, Sozietät; Widmann, Geschichte. 452 Vgl. H. Blendinger, Aufbruch, 80. 453 Vgl. unten Kap. III A.2.3.1.
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deskirchenrat zu berufen454. Die Bruderschaft befürchtete, Meiser wolle von der Bekennenden Kirche abrücken, und wertete die Berufung als Verbeugung vor der NSDAP und den Deutschen Christen455. Helmut Kern kritisierte besonders, dass Meiser die Pfarrbruderschaft nicht befragt hatte: „Es ist nicht gut, im Kriegsfall Leute mit großer Verantwortung zu belasten und sie dann im ,Frieden‘ sofort von jeder tragenden Mitverantwortung zu entbinden.“456 Meiser versuchte die Gemüter zu beruhigen, indem er einer Abordnung der Bruderschaft versicherte, dass die Ernennung der neuen Oberkirchenräte „in keinem Fall einen Kurswechsel bedeuten“457 solle. Diesen Kurswechsel aber sah die Pfarrbruderschaft ein Jahr später gekommen, als Meiser im Gegensatz zum bruderrätlichen Flügel der Bekennenden Kirche zur Zusammenarbeit mit den staatlich eingesetzten Kirchenausschüssen458 bereit war und Hanemann in den Reichskirchenausschuss459 entsandte460. Da Meisers Verhalten immense Sprengkraft für die Bekennende Kirche barg, stellte ihn die Pfarrbruderschaft vor die Frage, ob die Beschlüsse der Bekenntnissynoden für ihn noch in Geltung stünden, und forderte ein klares Wort an Pfarrer und Gemeinden. Weil er einen Bruch mit dem Staat befürchtete, war Meiser jedoch nicht bereit, zur Opposition gegen die Ausschüsse aufzurufen461. Der Bruderschaft kam er nur insoweit entgegen, als er vom Reichskirchenausschuss verlangte, „dem Abgleiten […] in ein diktatorisches Staatskirchentum mit Nachdruck zu wehren und […] eine Richtung einzuhalten, die die entschlossene Bindung an Schrift und Bekenntnis […] deutlich erkennen läßt“462. Die Auseinandersetzungen erreichten Anfang 1936 ihren Höhepunkt, als es wegen der Kirchenausschüsse zum Bruch im Reichsbruderrat kam463. Die Schuld daran gab der Landeskirchenrat den Bruderräten und beharrte darauf, dass es angesichts der Notlage in den zerstörten Kirchen nicht zu verantworten sei, jegliche Mitarbeit in den Ausschüssen abzulehnen464. Daraufhin warf ein Kreis südbayerischer Pfarrer Meiser landeskirchlichen Partikularismus und Verrat an der Bekennenden Kirche vor465. Meiser brachte zwar die
454 455 456 457 458 459 460 461 462 463 464
Vgl. oben Kap. III A.2.1. Vgl. Kremmel, Pfarrer, 416 f. Schreiben Kerns an Meiser vom 16. 11. 1934 (zit. nach ebd., 417). Rundschreiben der Pfarrbruderschaft vom 22. 11. 1934 (EvAG M nchen, A 30. 28). Vgl. unten Kap. III A.2.3.2 und III B.2.2. Vgl. Besier, Kirchen, 339–351. Vgl. dazu und zum Folgenden Kremmel, Pfarrer, 514. Vgl. sein ebd., 515, zit. Schreiben an Paul Althaus vom 9. 12. 1935. Schreiben vom 9. 1. 1936 (Abdruck: H. Hermelink, Kirche, 300–302, Zitat: 303). Vgl. Meier, Kirchenkampf, Bd. 2, 94; Besier, Kirchen, 406 f. Vgl. das Schreiben des Landeskirchenrats an die Geistlichen und Religionslehrer vom 9. 1. 1936 (Abdruck: K. D. Schmidt, Dokumente, Bd. 2/1, 205–209). 465 Vgl. das Schreiben an Meiser vom 25. 1. 1936 (EvAG M nchen, A 30. 28; Abdruck: K. D. Schmidt, Dokumente, Bd. 2/1, 302–304).
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Mehrheit der Pfarrer auf seine Seite466, führende Mitglieder der Pfarrbruderschaft klagten jedoch entsetzt: „Wir haben keinen Bischof mehr! […] Ein solches Durcheinander von Optimismus, Unklarheit und Geschick, den entscheidenden Fragen aus dem Weg zu gehen, hätten wir uns auch von Meiser nicht träumen lassen.“467 Die Kritik änderte freilich nichts an seiner Haltung, die er im Vorfeld der Reichsbekenntnissynode in Bad Oeynhausen im Februar 1936468 in einer Kundgebung nochmals ausführlich darlegte469. Als die Bekennende Kirche in Oeynhausen endgültig zerbrach, kam es zum bisher härtesten Schlagabtausch. Anlass war die Gründung des Lutherrats, die die organisatorische Spaltung der Bekennenden Kirche besiegelte470. Die Pfarrbruderschaft kritisierte die Gründung als „lebensgefährliche Amputation der Bekennenden Kirche“, die zu deren „fortschreitende[r] Lähmung und Zerspaltung“ führen werde, und traf Meisers neuralgischen Punkt, indem sie vom Lutherrat die Anerkennung der Barmer Theologischen Erklärung forderte471. Dazu war Meiser jedoch nicht bereit. Unverhohlen machte er seiner Empörung Luft, „daß ausgerechnet die bayerische Pfarrbruderschaft in dieser Weise den Rat der Ev.-Luth. Kirche öffentlich zu diskreditieren versucht, trotzdem sie weiß, daß die Gründung in erster Linie auf bayerische Einflüsse zurückgeht“472.
Scharfe Töne kamen noch einmal, als Meiser 1938 den Treueid der Geistlichen auf Hitler anordnete473. Damit stellte er die Pfarrbruderschaft zum wiederholten Mal vor vollendete Tatsachen. Sie teilte Meiser verärgert mit, dass die Folge eine „Minderung des Vertrauens weiter Kreise der Pfarrerschaft zum Landeskirchenrat“ – und damit auch zum Bischof – sei474. Auf ihrer Pfingsttagung befasste die Bruderschaft sich dann mit dem Eid und legte Meiser ihre Bedenken vor; er griff die Bedenken in einem Rundschreiben an die Pfarrer475 zwar auf, nahm das Gesetz aber nicht zurück476. Ähnliche Erfahrungen machte auch der angesehene Jurist, Bankdirektor
466 467 468 469 470 471 472 473 474 475 476
Vgl. dazu Kremmel, Pfarrer, 520. Schreiben Hermann Kleinknechts an Kurt Frör vom 22. 1. 1936 (zit. nach ebd.). Vgl. W. Niemçller, Bekenntnissynode Oeynhausen; Besier, Kirchen, 423–429. Vgl. die Kundgebung vom 10. 2. 1936 (Abdruck: K. D. Schmidt, Dokumente, Bd. 2/1, 347–358; vgl. auch Kremmel, Pfarrer, 524). Vgl. unten Kap. III B.3.2. Stellungnahme des Bruderrats der Pfarrbruderschaft vom 13. 5. 1936 (Abdruck: K. D. Schmidt, Dokumente, Bd. 2/1, 650–655, Zitate: 655, 652); zu Meisers Haltung zur Barmer Erklärung vgl. unten Kap. III B.2.2. Schreiben Meisers an Christian Stoll vom 17. 7. 1936 (zit. nach Besier, Kirchen, 474). Vgl. oben Kap. III A.2.2.2. Schreiben der Pfarrbruderschaft an den Landeskirchenrat vom 30. 5. 1938 (LAELKB, BD München II/Ingolstadt 1; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 1, 352 f.). Vgl. oben Kap. III, Anm. 395. Vgl. Stoltz, Pfarrerbruderschaft, 225 f.
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und frühere Synodalpräsident Wilhelm Freiherr von Pechmann477, der mit Meiser im Landessyndolausschuss bereits Anfang der 1920er Jahre zusammengearbeitet und Meisers Berufung zum Gründungsrektor des Nürnberger Predigerseminars ausdrücklich begrüßt hatte478. Meiser und von Pechmann führten von 1933 bis 1946 einen umfangreichen Schriftwechsel und trafen sich zu Gesprächen. Dabei erwies sich von Pechmann trotz gegenseitiger persönlicher Achtung als einer der schärfsten Kritiker des Landesbischofs. Er lehnte das NS-Regime ab und billigte weder Meisers Loyalität zum NS-Staat noch dessen kirchenpolitische Entscheidungen. Schon Meisers ersten bedeutenden Schritt, die Beteiligung an der Gründung der Reichskirche, betrachtete er als kapitalen Fehler, weil sich die Kirche damit dem Willen des NS-Regimes unterworfen habe, die Kirche zu einem „integrierende[n] Bestandteil des sogenannten totalen Staates“ zu machen479. Von Pechmann konnte zwar nichts am Verbleib der Landeskirche in der Reichskirche ändern, auf seine Kritik hin protestierte Meiser aber bei Siebert gegen den „Einsatz politischer Machtmittel zur Erzwingung kirchenpolitischer Ziele“480 und drohte, die NS-Kirchenpolitik werde die fränkische Bevölkerung gegen die NS-Machthaber aufbringen. Aus Protest gegen die weitere Entwicklung der Reichskirche kündigte von Pechmann im Herbst 1933 dann seinen Austritt aus der DEK an, den er im April 1934 schließlich vollzog, obwohl dies juristisch nicht möglich war. Meiser versuchte den Austritt zu verhindern, weil er befürchtete, dieser würde zum Ende der Volkskirche und zur Schädigung des Ansehens der evangelischen Kirche im Ausland und bei der katholischen Kirche führen481. Trotz des Austritts brach Meiser aber nicht mit von Pechmann, sondern billigte ihm Gewissensfreiheit zu und hielt an den persönlichen Beziehungen fest482. Dabei spielte gewiss auch eine Rolle, dass von Pechmann die Landeskirche während Meisers kirchlicher Karriere in führender Position mitgestaltet und das Nürnberger Predigerseminar unterstützt hatte. Der Bischof begrüßte es dann sehr, dass von Pechmann seinen Widerstand gegen die Zwangseingliederung in die Reichskirche vorübergehend zum Anlass nahm, die Rückkehr in die Landeskirche ins Auge zu fassen483. Ihre Beziehungen wurden künftig trotzdem auf harte Proben gestellt. 477 Vgl. Sommer, Freiherr; Ders., Pechmann; und Kantzenbach, Widerstand. 478 Vgl. oben Kap. II 3.4 und II 4.1. 479 Schreiben von Pechmanns an Meiser vom 15. 7. 1933 (Abdruck: Kantzenbach, Widerstand, 57 f., Zitat: 57). 480 Schreiben Meisers an Siebert vom 2. 8. 1933 (zit. nach Kremmel, Pfarrer, 145). 481 Vgl. das Schreiben Meisers an Ludwig Müller vom 14. 10. 1933 (Abdruck: Kantzenbach, Widerstand, 63 f.); an von Pechmann vom 27. 10. 1933 (Abdruck: ebd., 68); vom 2. 2. 1934 (Abdruck: ebd., 76 f.); und vom 10. 2. 1934 (Abdruck: ebd., 78). 482 Vgl. das Schreiben Meisers an von Pechmann vom 6. 4. 1934 (Abdruck: ebd., 82). 483 Vgl. das Schreiben von Pechmanns an Meiser vom 25. 9. (Abdruck: ebd., 112); an Meiser vom 22. 10. 1934 (Abdruck: ebd., 117 f.); vgl. auch das Schreiben Meisers an von Pechmann vom 6./ 8. 10. 1934 (Abdruck: ebd., 116); an von Pechmann vom 20. 10. 1934 (Abdruck: ebd., 117).
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Abb. 44: Wilhelm Freiherr von Pechmann
Ein zentraler Streitpunkt waren von Pechmanns Forderungen, zusammen mit der katholischen Kirche gegen Maßnahmen des NS-Staates zu protestieren. Dies geschah erstmals, als das NS-Regime 1935 begann, die Konfessionsschulen zu bekämpfen. Zwar setzte Meiser sich massiv für den Erhalt dieser Schulen ein484, mit der Forderung nach einem gemeinsamen Protest biss von Pechmann jedoch auf Granit. Seit einer Kundgebung vom Herbst 1934485 war Meiser mit dem Vorwurf konfrontiert, er arbeite eng mit Kardinal Faulhaber zusammen und wolle zum römischen Papsttum zurückkehren486. Weil er diesen Vorwurf nicht befeuern wollte, sagte Meiser von Pechmann ab487. Als der Freiherr auf seiner Bitte insistierte488, zeigte sich freilich, dass Meiser auch von der alten Furcht der bayerischen Protestanten vor der übermächtigen katholischen Kirche gesteuert war: Er wies auf einen „brutalen Vernichtungskampf“ der katholischen gegen die evangelische Kirche in Österreich hin und meinte, „daß die katholische Kirche in Bayern, sollte sie je wieder an Einfluß gewinnen, unsere evangelische Kirche […] wieder ebenso zu hemmen 484 Vgl. unten Kap. III A.2.3.4. 485 Vgl. oben Kap. III, Anm. 231. 486 Vgl. Baier, Christen, 122; vgl. auch das Schreiben Meisers an das Dekanat Gunzenhausen vom 18. 4. 1935 (LAELKB, BD Gunzenhausen 19; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 1, 552). 487 Vgl. sein Schreiben an von Pechmann vom 18. 4. 1935 (Abdruck: Kantzenbach, Widerstand, 136). 488 Vgl. das ebd., 171, abgedruckte Schreiben von Pechmanns an Meiser vom 12. 12. 1935.
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versuchen wird, wie sie es unter der Herrschaft der Bayer[ischen] Volkspartei getan hat“489. Von Pechmann hingegen sah klar, dass nicht die katholische Kirche, sondern der NS-Staat einen Vernichtungskampf führte, und zwar gegen das Christentum als Ganzes. Deshalb war ihm dringend an der Zusammenarbeit der Konfessionen und der Einheit der Bekennenden Kirche gelegen. Deren Spaltung und Meisers Vorreiterrolle im Lutherrat betrachtete er als Katastrophe. Als der Bischof im Herbst 1936 zu einer Sitzung des Exekutivkomitees des Lutherischen Weltkonvents in die USA reiste490, warnte von Pechmann Meiser, sein Misstrauen gegen Reformierte und Unierte müsse jetzt hinter den Kampf gegen das Antichristentum des NS-Regimes zurücktreten491. Damit erreichte er freilich keinen Kurswechsel492. Ebenso wenig ließ sich der Bischof überzeugen, eine gegen die antichristliche Politik des NS-Regimes gerichtete Kundgebung der Zweiten Vorläufigen Kirchenleitung493 verlesen zu lassen494. Inhaltlich hatte Meiser zwar nichts Wesentliches einzuwenden, der Lutherrat wollte die Kundgebung aber nicht übernehmen, weil sie ihm vorab nicht vorgelegen hatte und der Zeitpunkt nach der Affäre um die Denkschrift der Zweiten Vorläufigen Kirchenleitung an Hitler495 zu gefährlich erschien496. Als der „Führer“ im Februar 1937 dann Wahlen zu einer verfassunggebenden Generalsynode anordnete und zu befürchten stand, dass die Reichskirche endgültig in kirchenfremde Hände fiel497, wurde aber auch Meiser klar, dass ein gemeinsames Vorgehen möglichst weiter Kreise erforderlich war. In dieser Situation bat er von Pechmann, seine Kontakte zu Wirtschaft und Politik zu nutzen und evangelische Mitglieder des Reichskabinetts für einen Vermittlungsversuch zwischen den zerstrittenen Flügeln der Bekennenden Kirche zu gewinnen498. Bei diesem überraschenden Einvernehmen blieb es jedoch nicht. Als von Pechmann 1938 gegen Meisers Kundgebung zum „Anschluss“ Österreichs und sein Verhalten beim Treueid auf Hitler protestierte499, war Meiser viel489 Schreiben Meisers an von Pechmann vom 14. 12. 1935 (Abdruck: ebd., 171 f., Zitate: 172). 490 Vgl. unten Kap. III B.5. 491 Schreiben von Pechmanns an Meiser vom 14. 9. 1936 (Abdruck: Kantzenbach, Widerstand, 204 f., Zitat: 205). 492 Vgl. das Schreiben Meisers an von Pechmann vom 17. 9. 1936 (Abdruck: ebd., 207). 493 Abdruck dieser Kundgebung vom 23. 8. 1936: KJ 1933–1944, 137–141. 494 Vgl. das oben Kap. III, Anm. 491, erwähnte Schreiben von Pechmanns. 495 Abdruck der Denkschrift vom 28. 5. 1936: KJ 1933–1944, 132–137; zu den dramatischen Vorgängen um die Denkschrift vgl. Besier, Kirchen, 482–500. 496 Vgl. ebd., 501–504, 1059, Anm. 619; Verantwortung, Bd. 2, 243–245; Kremmel, Pfarrer, 551; und Sommer, Freiherr, 188. 497 Vgl. Meier, Kirchenkampf, Bd. 2, 148–153; Besier, Kirchen, 638–655. 498 Vgl. den bei Kantzenbach, Widerstand, 214–219, abgedruckten Schriftwechsel; vgl. auch Sommer, Freiherr, 190. 499 Vgl. das ebd., 195 f., zit. Schreiben von Pechmanns an Meiser vom 19. 3. 1938; vgl. auch das Schreiben an Meiser vom 10./13. 6. 1938 (Abdruck: Kantzenbach, Widerstand, 247–249).
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mehr ernsthaft verstimmt und antwortete nicht. Das Fass zum Überlaufen brachte dann von Pechmanns Kritik an der Hinnahme des Abbruchs der Matthäuskirche, die von Pechmann nicht Meiser selbst, sondern Langenfaß zukommen ließ500, und zwar mit der Bemerkung, künftig schweigen zu wollen „als die denkbar stärkste Form“ des Widerspruchs501. Meiser war darüber so erschüttert, dass er erst nach längerem Zögern antwortete, bevor er seinem Unmut Luft machte: „Und doch müssen Sie es mir zugute halten, wenn ich mich gegenwärtig in einem Zustand befinde, in dem ich mehr noch als der Kritik des tragenden Mitverstehens bedürftig zu sein glaube. Die Entscheidungen, die fast täglich zu treffen sind, sind so schwer und die Last, die in meinem Amt gegenwärtig zu tragen ist, ist so hart, daß es mir selbst von Ihnen, den ich so hoch verehre, wehe tut, wenn ich lesen muß, was Sie […] geschrieben haben.“502
Von Pechmann war freilich auch später nicht dazu bereit, sich auf ein „tragende[s] Mitverstehen“ zu beschränken. Der Bischof ließ sich jedoch bei keiner seiner Entscheidungen von ihm beeinflussen. Vor allem ließ er sich nicht dazu bewegen, gemeinsam mit der katholischen Kirche gegen die Judenverfolgung und -vernichtung zu protestieren, was von Pechmann mehrfach von ihm forderte503. Die Ursache für Meisers Verhalten sah der Freiherr 1941 schließlich darin, dass ihm „die Partei innerlich heute noch ohne Vergleich näher“ stehen sollte „als die katholische Kirche und ihr verehrungswürdiger Papst“504. Trotz dieser Polemik ließ Meiser den Schriftverkehr nicht abbrechen; er endete erst, als von Pechmann 1946 zur katholischen Kirche übertrat505 – ein Schritt, der Meiser unverständlich blieb506. 2.3 Protest 2.3.1 Verteidigung der intakten Landeskirche gegen die Deutschen Christen Weil Meiser sich während der gesamten NS-Herrschaft im Amt halten konnte, scheint es retrospektiv so, als sei seine Position nach dem Sieg im bayerischen Kirchenkampf von 1934 dauerhaft gesichert geblieben. Dies war jedoch nicht der Fall. Es gab wiederholt Versuche, ihn zu stürzen, die vor allem von den Vgl. das Schreiben von Pechmanns an Langenfaß vom 6. 7. 1938 (Abdruck: ebd., 252). Vgl. das Schreiben von Pechmanns an Langenfaß vom 14. 7. 1938 (Abdruck: ebd., 254). Schreiben Meisers an von Pechmann vom 26. 7. 1938 (Abdruck: ebd., 256). Vgl. unten Kap. III A.2.4.1 und III A.3.7. Zitate: Schreiben von Pechmanns an Meiser vom 27. 5. 1941 (Abdruck: Kantzenbach, Widerstand, 302 f., Zitate: 302). 505 Vgl. Sommer, Freiherr, 218–233. 506 Vgl. das Schreiben Meisers an Hildegard von Pechmann vom 16. 2. 1948 (Abdruck: Kantzenbach, Widerstand, 330).
500 501 502 503 504
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Deutschen Christen ausgingen. Obwohl sie die Unterstützung Hitlers verloren hatten und in Bayern eine verschwindende Minderheit blieben, stellten sie einen permanenten Unruheherd dar. Dies zeichnete sich bereits nach Meisers Wiedereinsetzung ab, als er den Deutschen Christen die Hand zur Versöhnung ausstreckte. Er behielt sich zwar Maßnahmen gegen Einzelne vor, versprach aber, seine Vollmachten „nicht zu gewalttätiger Verfolgung derer zu verwenden, die mich und den Landeskirchenrat meinten hart befehden zu müssen“507. Die Säuberungsaktion beschränkte sich dann auch auf wenige Disziplinarverfahren und Entlassungen, womit er sich den Unmut der entschiedenen Bekenner in der Pfarrbruderschaft zuzog508. Die Antwort der Deutschen Christen fiel allerdings anders aus, als Meiser gehofft hatte. Nicht wenige wiesen jede Schuld von sich und kündigten an, Anweisungen der Kirchenleitung nur dann zu befolgen, wenn sie den Weisungen der Reichskirchenleitung entsprachen509. Am 25. November 1934 reorganisierten sich die bayerischen Deutschen Christen. Dabei verfolgten sie das erklärte Ziel, die von Meiser geführte Kirchenleitung zu beseitigen510. Zudem kündigten sie eine „Frankenfahrt“ des Reichsbischofs an511, der trotz zahlreicher Rücktrittsforderungen an seinem Amt festhielt512. Mit ihrer Kampagne hatten die Deutschen Christen zwar kaum Erfolg, Anfang 1935 erhielten sie jedoch Auftrieb durch den Selbstmord eines deutschchristlichen Pfarrers und Parteigenossen, den die Kirchenleitung diszipliniert hatte. Die Beerdigung nutzte die anwesende deutschchristliche Prominenz im Verein mit dem eigens angereisten Reichsbischof und Karl Holz, um die Mitglieder der Kirchenleitung als Mörder zu diffamieren513. Meiser reagierte auf die neuen Vorstöße der Deutschen Christen mit entschiedener Abwehr. Er kündigte zwar an, auch weiterhin „jedem zur Umkehr willigen Amtsbruder die Hand zur Mitarbeit reichen“ zu wollen, verlangte aber ungeteilten Gehorsam, da er zusammen mit dem Landeskirchenrat die „ausschließliche Verantwortung für die Leitung der bayerischen Landeskirche“ trage514. Seine Predigtreisen, auf denen er mehrfach so viele Anhänger versammeln konnte wie Holz auf seinen teilweise parallel verlaufenden AntiMeiser-Versammlungen, wurden auch jetzt wieder zum Triumph515. Als er auf Anregung der Pfarrbruderschaft zur Gründung von Bekenntnisgemein507 Kundgebung an die Geistlichen vom 8. 11. 1934 (ABlELKB 1934, 185–187, Zitat: 186). 508 Vgl. Baier, Christen, 175–182; vgl. auch oben Kap. III A.2.2.4. 509 Vgl. das Schreiben der Landesleitung des Nationalsozialistischen Evangelischen Pfarrerbundes vom 13. 11. 1934 (vgl. Baier, Christen, 183; Kremmel, Pfarrer, 406). 510 Vgl. Baier, Christen, 188–190. 511 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 426. 512 Vgl. Schneider, Reichsbischof, 215 f. 513 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 434–439. 514 Schreiben Meisers an die DC-Geistlichen vom 13. 12. 1934 (zit. nach Baier, Christen, 183). 515 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 439–442.
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schaften aufrief516, schlossen sich bis Sommer 1935 fast 400.000 Gemeindeglieder an, während die Mitgliederzahl der Deutschen Christen niedrig blieb517. Ihren Höhepunkt erreichten Meisers Gegenaktionen im Frühjahr 1935, als Ludwig Müller erneut eine „Frankenfahrt“ plante und ankündigte, Hitler werde die Rechte eines obersten Bischofs der evangelischen Kirche übernehmen und einen Reichskirchenminister einsetzen. Daraufhin kam es zu einer Protestwelle, die „an Intensität an den Widerstand vom Herbst 1934 heranreichte“518. Die Kirchenleitung erneuerte in einer Kundgebung die Absage an Müller und kündigte an, ihm den Zugang zu den Kirchen zu verwehren519. Als die Kundgebung verboten wurde, protestierte Meiser scharf beim Reichsstatthalter520; zugleich sandte er Daumiller zum Nürnberger Polizeipräsidenten, der erreichte, dass der Reichsbischof nicht auf dem Nürnberger Hauptmarkt sprechen durfte521. Daraufhin sagte Müller seine Reise wegen einer angeblichen Zahnerkrankung ab522. So konsequent ging Meiser allerdings nicht mehr vor, als das kirchenpolitische Vakuum endete, das Hitler nach dem Zusammenbruch der Gleichschaltungspolitik hinterlassen hatte. Im Sommer 1935 setzte Hitler Hanns Kerrl zum Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten ein523 und verlieh ihm tief greifende Eingriffsrechte in die evangelische Kirche524. Damit bekamen die Machtansprüche der Deutschen Christen eine neue Qualität, denn jetzt konnten sie an eine von Hitler eingesetzte Reichsinstanz appellieren525. Die neue Kirchenpolitik barg für die Landeskirche erhebliche Gefahren und wirkte sich auch auf Meisers Verhalten aus. Zwar schloss er eine Beteiligung der Deutschen Christen an der Kirchenleitung und die Gewährung von Sonderrechten nach wie vor aus, signalisierte aber Kompromissbereitschaft, weil er es jetzt nicht mehr nur mit den Deutschen Christen, sondern mit dem Staat selbst zu tun hatte. Mit dem Staat aber wollte er es nicht zum Bruch kommen lassen526. 516 Vgl. Baier, Christen, 219; Kremmel, Pfarrer, 427; vgl. auch das Rundschreiben des Landeskirchenrats an die Geistlichen vom 8. 1. 1935 (EvAG M nchen, A 30. 1/1). 517 Vgl. die Erhebung über die Mitgliederzahl der Bekenntnisgemeinschaft und der Deutschen Christen in Bayern vom Juni 1935 (LAELKB, BD Augsburg 3.7.0003-618; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 1, 705–711; vgl. auch Kremmel, Pfarrer, 452 f.). 518 Vgl. ebd., 454–458 (Zitat: 455). 519 Vgl. das Rundschreiben des Landeskirchenrats an alle Pfarrämter vom 22. 3. 1935 (EvAG M nchen, A 30. 1/1; Abdruck u. a.: H. Hermelink, Kirche, 238 f.). 520 Vgl. sein Schreiben vom 29. 3. 1935 (Abdruck: ebd., 237 f., Zitat: 238). 521 Vgl. Daumiller, Schatten, 71 f. 522 Vgl. H. Hermelink, Kirche, 237. 523 Vgl. Besier, Kirchen, 287–301; Kreutzer, Reichskirchenministerium. 524 Vgl. das Gesetz zur Sicherung der DEK vom 24. 9. 1935 (GBlDEK 1935, 99). 525 Vgl. das Schreiben der Landesleitung der Deutschen Christen an den Reichskirchenminister vom 18. 9. 1935 (Abdruck: Baier, Christen, 240). 526 Vgl. das oben Kap. III, Anm. 461, erwähnte Schreiben Meisers an Althaus.
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Auf Wunsch des Ministers ließ Meiser sich ab Herbst 1935 auf Verhandlungen mit den Deutschen Christen über die Wiedereingliederung disziplinierter Pfarrer und die Nutzung der landeskirchlichen Infrastruktur ein. Dabei machte er große Zugeständnisse527 und erntete dafür bei vielen bekenntnistreuen Pfarrern herbe Kritik528. Besonders seine engsten Mitkämpfer aus dem bayerischen Kirchenkampf hielten seine Zugeständnisse für unverantwortlich und meinten, ihren Bischof nicht mehr wiederzuerkennen529. Meiser wollte jedoch verhindern, dass Kerrl die bayerische Kirchenleitung entmachtete und an ihrer Stelle einen Kirchenausschuss einsetzte, wie er es seit Oktober 1935 in der Reichskirche und in den zerstörten Landeskirchen tat530. Damit drohte Kerrl tatsächlich, als Meiser Ende 1935 ein Ultimatum der Deutschen Christen zurückwies, nach dem er ausnahmslos alle abgesetzten Pfarrer wiedereinstellen sollte. Meiser war zwar zu Konzessionen bereit, blieb in zwei Fällen aber hart: Er weigerte sich, einen besonders radikalen Deutschen Christen wieder in seine alte Stelle einzusetzen, und schloss in einem anderen Fall die Wiederanstellung eines entlassenen Pfarrers kategorisch aus531. Zum entscheidenden Schlagabtausch zwischen Meiser und dem Minister kam es im Januar 1936: Meiser drohte Kerrl, er müsse den gesamten Landeskirchenrat gewaltsam absetzen, wenn er die Wiederanstellung erzwingen wolle; wenn das aber geschehe, würde „eine Brandfackel in die bayerische Landeskirche hineingeworfen werden, die den Widerstand noch heller auflodern ließe als bei dem Einbruch Jägers“532. Daraufhin knickte Kerrl ein. Dennoch beharrten die Deutschen Christen auf Wiederbeschäftigung aller gemaßregelten Pfarrer. Meiser erklärte sich daraufhin bereit, solche Pfarrer wiederaufzunehmen, die sich Bekenntnis und Ordnung der Landeskirche unterstellten, und kam den Forderungen der Deutschen Christen noch weiter entgegen als bisher. An einer Einordnung in die Landeskirche hatten diese allerdings kein Interesse: Sie verlangten vielmehr die Anerkennung als einer mit Sonderrechten ausgestatteten Gruppe. Dies sollte selbst für solche Pfarrer gelten, die das Bekenntnis vollständig durch die Rasse-, Blut- und Boden-
527 Vgl. das Schreiben des Landeskirchenrats an den Reichskirchenausschuss vom 5. 12. 1936 (Teilabdruck: Baier, Christen, 256). 528 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 510–512. 529 Vgl. das ebd., 521, zit. Schreiben Frörs an Schieder vom 27. 1. 1936; vgl. auch das oben Kap. III, Anm. 467, erwähnte Schreiben Kleinknechts an Frör. 530 Vgl. unten Kap. III A.2.3.2. 531 Vgl. Baier, Christen, 246 f. und 263; Kremmel, Pfarrer, 516. 532 Niederschrift Meisers über die Besprechung mit Kerrl am 11. 1. 1936 (Abdruck: Verantwortung, Bd. 2, 162–168, Zitat: 168; Abdruck auch bei G. Sch fer, Landeskirche, Bd. 4, 513–518).
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Ideologie der Nationalsozialisten ersetzt hatten, was für Meiser inakzeptabel war533. Nachdem mehrere Verhandlungsrunden gescheitert waren, schaltete sich im Sommer 1936 der vom Reichskirchenminister installierte Reichskirchenausschuss ein. Er wollte die Kirchenleitung dazu bringen, die Deutschen Christen auf Basis einer Erklärung des Reichsleiters der Deutschen Christen anzuerkennen, die teilweise von den deutschchristlichen Irrlehren abrückte534. Meiser glaubte allerdings nicht, dass die Erklärung für die Deutschen Christen repräsentativ war535. Er ließ sich zwar nochmals auf Verhandlungen ein, machte aber erneut klar, dass er eine deutschchristliche Organisation in Bayern nicht dulden würde. Als auch diese Verhandlungen scheiterten, war Meiser schließlich nur noch dazu bereit, mit einzelnen Geistlichen über eine Rückkehr zu verhandeln, nicht aber mit den Deutschen Christen als Gruppe536. Zu einer Einigung zwischen Meiser und den Deutschen Christen kam es nicht mehr. Im Gegenteil: Immer mehr enttäuschte bayerische Deutsche Christen – vor allem Laien – wandten sich den radikalen Thüringer Deutschen Christen zu537, die die Grundlagen des Christentums zu Gunsten der NSIdeologie preisgegeben hatten und eine konfessionsübergreifende deutsche Nationalkirche planten538. Hier war Meiser zu keinerlei Verhandlungen oder Kompromissen bereit. Vielmehr rief der Landeskirchenrat die Gemeinden am 6. September 1936 zum Kampf gegen die Thüringer Deutschen Christen auf, obwohl Kerrl dies verbot. Diesen Verstoß gegen eine staatliche Anordnung hielt Meiser für legitim: Wenn der Staat der Kirche untersagte, in Glaubensangelegenheiten die Wahrheit auszusprechen, durfte sie dem Verbot nicht folgen, weil sie sonst aufgehört hätte, Kirche zu sein539. Kerrls Stellvertreter Hermann Muhs, der den Thüringer Deutschen Christen nahestand540, nahm den Verstoß Anfang 1937 zum Anlass, einen Eingriff in die Landeskirche anzukündigen, der den gesetzlichen Rahmen für die Absetzung Meisers schaffen sollte541. Muhs konnte seinen Plan zwar nicht mehr ausführen, weil Hitler im Februar 1937 die Vorhaben des Ministeriums kippte und überraschend Kirchenwahlen anordnete542; der Wahlkampf verschaffte den Deutschen Christen 533 Vgl. Baier, Christen, 272–280. 534 Vgl. die Erklärung Wilhelm Rehms vom 24. 6. 1936; die Erklärung des Reichskirchenausschusses vom 27. 6. 1936 (Abdruck: K. D. Schmidt, Dokumente, Bd. 2/2, 783–787). 535 Vgl. Besier, Kirchen, 515. 536 Vgl. Baier, Christen, 292–300. 537 Vgl. ebd., 300–303. 538 Vgl. Meier, Christen, 2–10, 75–93, 219–226; Rinnen, Kirchenmann, 62–138; und Sonne, Theologie, 56–100. 539 Vgl. Baier, Christen, 300 f. 540 Vgl. Kreutzer, Reichskirchenministerium, 134–140; Besier, Kirchen, 296–298. 541 Vgl. Baier, Christen, 310. 542 Vgl. Besier, Kirchen, 631–658; Meier, Kirchenkampf, Bd. 2, 142–149.
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aber neue Propagandamöglichkeiten543. So musste Meiser zusehen, wie die Thüringer Protagonisten durch Bayern zogen und ein führender bayerischer Deutscher Christ seinen Anhängern unter Anspielung auf Luther544 zurief, sie sollten festbleiben, „auch wenn die Welt voll Meiser wär“545. Im Sommer 1937 spitzte sich die Lage dann so zu, dass Meiser seine Absetzung befürchtete und Bogner zu seinem Stellvertreter bestimmte546. Dazu kam es jedoch eben so wenig wie zur Durchführung von Kirchenwahlen. Das Strohfeuer des Wahljahrs 1937 endete mit einer Verordnung des Reichskirchenministeriums, das die amtierenden Leitungen der Landeskirchen bestätigte547. Damit war eine Machtübernahme der Deutschen Christen in Bayern vom Tisch. Alle Konflikte, die sie später noch vom Zaun brachen, stellten keine vergleichbar ernsthafte Bedrohung mehr dar548. 2.3.2 Abwehr staatlicher Eingriffe in Bekenntnis und Verfassung der Landeskirche Ab 1935 waren es nicht mehr nur die Deutschen Christen, gegen die Meiser Bekenntnis und Verfassung der Landeskirche verteidigen musste, sondern der NS-Staat selbst. Von 1935 bis Kriegsbeginn unternahm das NS-Regime zwei ernsthafte Versuche, in die bayerische Kirchenleitung einzugreifen. Dies war zunächst 1935 der Fall, als der Reichskirchenminister einen Kirchenausschuss einsetzen wollte, und erneut 1937, als er für sämtliche Landeskirchen die Bildung von Finanzabteilungen anordnete. Beides hätte zu Meisers Entmachtung geführt. Er setzte deshalb alles daran, die drohenden staatlichen Eingriffe abzuwehren. Die Kirchenausschüsse waren ein Instrument des Reichskirchenministers, mit denen er die Kämpfe zwischen Bekennender Kirche und Deutschen Christen beenden wollte. Sie sollten bis zu einer endgültigen Neuordnung der Kirche die Leitung der Reichskirche und der zerstörten Landeskirchen übernehmen. Die Ausschüsse wurden vom NS-Staat besetzt und bestanden hauptsächlich aus kirchenpolitisch neutralen Mitgliedern, aber auch aus gemäßigten Bekennern und Deutschen Christen. Diese Zusammensetzung entsprach dem Ziel, das Kerrl mit seiner Kirchenpolitik verfolgte: eine vom Staat kontrollierte, einheitliche Reichskirche, in der alle kirchenpolitischen
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Vgl. dazu und zum Folgenden Baier, Christen, 311–323. Vgl. den von Luther verfassten Text des Lieds „Ein feste Burg ist unser Gott“ (EG Nr. 362). Rede Hans Baumgärtners am 7. 4. 1937 in Coburg, zit. nach Baier, Christen, 318. Vgl. ebd., 322. Vgl. die „Siebzehnte Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Sicherung der Deutschen Evangelischen Kirche“ vom 10. 12. 1937 (GBlDEK 1937, 70). 548 Vgl. Baier, Christen, 324–352.
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Gruppen gleichberechtigt zusammenarbeiten sollten. Mit der Einsetzung der Ausschüsse begann er im Oktober 1935549. Die Kirchenleitungsbefugnisse der Ausschüsse kollidierten mit den Leitungsansprüchen der Bekennenden Kirche, deren Leitungsgremien sich als einzig rechtmäßige Kirchenleitung betrachteten550. Zudem war für die Bekennende Kirche eine Beteiligung von Deutschen Christen an der Kirchenleitung ausgeschlossen. An der Frage einer Zusammenarbeit mit den Ausschüssen entzündeten sich rasch gravierende Konflikte, die im Februar 1936 zur Spaltung der Bekennenden Kirche führten551. Meiser lehnte die Einsetzung eines Kirchenausschusses für die intakte bayerische Landeskirche strikt ab; obwohl er die Ausschüsse wegen ihrer staatlichen Einsetzung und der mangelnden Bindung an Schrift und Bekenntnis nicht als Kirchenleitung anerkannte, war er unter bestimmten Bedingungen aber zur Zusammenarbeit mit den Ausschüssen in den außerbayerischen Kirchen bereit552. Diese Position nahmen auch seine Kollegen Wurm und Marahrens sowie gemäßigte Vertreter der außerbayerischen Bruderräte ein553. In Bayern wurde die Ausschussfrage im Zusammenhang der Machtkämpfe zwischen Kirchenleitung und Deutschen Christen akut554. Im November 1935 verlangten die Deutschen Christen mit Rückendeckung des Reichskirchenministeriums ultimativ die Wiedereinsetzung der disziplinierten Pfarrer, volle Gleichberechtigung, freie Entfaltungsmöglichkeiten und die Einsetzung eines Kirchenausschusses. Da der Landeskirchenrat sich weigerte, diese Forderungen zu erfüllen, plante Kerrl die Bildung eines Kirchenausschusses555. Um Kerrl keine zusätzliche Munition in die Hand zu geben, war Meiser zwar verhandlungsbereit, machte dem Minister aber unmissverständlich klar, „daß die Einrichtung eines Landeskirchenausschusses in Bayern auf den größten Widerstand stoßen würde“556. Damit war die Gefahr allerdings nicht gebannt. Da Meiser zwei radikal deutschchristliche Pfarrer nicht wieder in Dienst nahm, setzte Kerrl ihm ein Ultimatum, die disziplinierten Pfarrer bis Weihnachten wieder in ihre frü549 Vgl. Meier, Kirchenkampf, Bd. 2, 81–101, 115–129; Besier, Kirchen, 337–637; und Kreutzer, Reichskirchenministerium, 265–285. 550 Vgl. unten Kap. III B.2.2. 551 Vgl. ebd. 552 Vgl. das Schreiben des Landeskirchenrats an die Geistlichen und Religionslehrer vom 9. 1. 1936 (Abdruck: K. D. Schmidt, Dokumente, Bd. 2/1, 205–209); an den Reichskirchenausschuss vom 9. 1. 1936 (Abdruck: ebd., 209–211); sowie die Kundgebung vom 10. 2. 1936 (ABlELKB 1936, 15–23). 553 Vgl. das Rundschreiben Wurms an die Dekanat- und Pfarrämter vom 28. 10. 1935 (Abdruck: K. D. Schmidt, Dokumente, Bd. 2/1, 41–43); vgl. auch das Wort der VKL der DEK an die Gemeinden vom 19. 11. 1935 (Abdruck: ebd., 66 f.); Wurm, Erinnerungen, 129. 554 Vgl. dazu und zum Folgenden schon oben Kap. III A.2.3.1. 555 Vgl. Baier, Christen, 246 f. 556 Vgl. die Mitschrift Meisers über eine Besprechung mit Kerrl am 10. 11. 1935 (Abdruck: Verantwortung, Bd. 2, 85–88, Zitat: 87).
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Abb. 45: Niederschrift Hans Meisers vom 12. November 1935 über eine Besprechung mit Reichskirchenminister Hanns Kerrl am 10. November 1935 (Auszug)
heren Stellen einzusetzen, und kündigte an, die Landeskirche andernfalls als zerstört betrachten und einen Kirchenausschuss einsetzen zu wollen557. Zudem verlangte er von Meiser, seine Autorität zu nutzen, um die Wiedereinstellung der deutschchristlichen Pfarrer bei den bekennenden Geistlichen durchzusetzen. Dies lehnte Meiser entschieden ab, denn – so entgegnete er dem Minister – „seine Autorität habe er nur insofern und dazu, dass er kirchlich handle“558. Nicht weniger deutlich wurde Meiser bei einer Besprechung von hohen kirchlichen Vertretern mit dem Reichskirchenminister im Januar 1936. Dabei verkündete er, wenn Kerrl seinen Willen durchsetzen wolle, müsse er den gesamten Landeskirchenrat mit Gewalt absetzen; dann aber werde es zu einem Aufstand kommen, der die Ereignisse vom Herbst 1934 noch bei weitem übertreffen und das Verhältnis der bayerischen Protestanten zur Partei nachhaltig zerstören würde. Diese Drohungen verfehlten ihre Wirkung auf den Minister nicht: Nachdem auch der württembergische und der badische Landesbischof für ihre Kirchen harten Widerstand ankündigt hatten, sagte Kerrl zu, auf den Einsatz von Gewalt verzichten und vor weiteren Schritten erst mit den Kirchenleitungen verhandeln zu wollen559. Damit war die Einsetzung eines Kirchenausschusses in Bayern vom Tisch. Dieser Erfolg war für die Zukunft
557 Vgl. Baier, Christen, 263 f. 558 Vgl. das Rundschreiben Karl Gerhard Stecks vom 22. 12. 1935 (Abdruck: Steinbauer, Zeugnis, Bd. 1, 300 f., Zitat: 300). 559 Vgl. oben Kap. III, Anm. 532.
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der Landeskirche entscheidend und brachte Meiser selbst bei seinen schärfsten innerkirchlichen Kritikern Sympathiepunkte ein560. Ebenso entschieden verhielt er sich, als Kerrl die Bildung einer sog. Finanzabteilung plante. Mit den Finanzabteilungen wollte sich das Regime die Hoheit über die Kirche sichern561. Die ersten Abteilungen bildete der NS-Staat im Frühjahr 1935 in Preußen; sie bestanden aus Kirchenbeamten und sollten die ordnungsgemäße Verwendung der kirchlichen Mittel kontrollieren. War diese Maßnahme noch mit tatsächlichen Missständen in der kirchlichen Finanzverwaltung zu begründen, die den Kirchenkampfwirren der Vorjahre geschuldet waren, änderte sich dies im Sommer 1937, als das Reichskirchenministerium die Bildung von Finanzabteilungen für alle Landeskirchen anordnete, die Kompetenzen der Abteilungen massiv ausweitete und ihre Besetzung nicht mehr auf Kirchenbeamte beschränkte562. Obwohl dann nur in wenigen Landeskirchen neue Finanzabteilungen gebildet wurden, wandelten sie sich jetzt „eindeutig von einer staatlichen Rechtshilfe zu einem Instrument der Machtpolitik“563. Da das Zusammenwirken von Staat und Kirche in Vermögensangelegenheiten der Kirche bis in die Weimarer Republik üblich gewesen war564, sah Meiser in einer staatlichen Aufsicht über die kirchlichen Finanzen zwar kein prinzipielles Problem, befürchtete aber, dass die Finanzabteilungen vom NSStaat als kirchenpolitisches Instrument missbraucht werden würden565. Im Gegensatz zur altpreußischen Bekennenden Kirche, die die Abteilungen von Anfang an ablehnte566, war er – ähnlich wie bei den Kirchenausschüssen – 1935 bereit, die Abteilungen in den zerstörten Kirchen als vorübergehende Maßnahme zu akzeptieren567. Die Errichtung einer Finanzabteilung in Bayern aber wollte er um jeden Preis verhindern. Deshalb wies er Kerrl im August 1935 darauf hin, dass ein Eingreifen des Staates „als Zeichen staatlichen Misstrauens gegenüber der kirchlichen Finanzverwaltung gewertet werden“ würde, was nur negative Auswirkungen nach sich ziehen könne568. Ähnlich äußerte sich für Württemberg auch Wurm569. Als dann 1937 die flächendeckende Einführung von Finanzabteilungen 560 Vgl. das Schreiben Steinbauers an Meiser von Weihnachten 1935 (Abdruck: Steinbauer, Zeugnis, Bd. 1, 302). 561 Vgl. dazu und zum Folgenden Marahrens, Staatskirchenhoheit; Brunotte, Entwicklung. 562 Vgl. die „Fünfzehnte Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Sicherung der Deutschen Evangelischen Kirche“ vom 25. 6. 1935 (GBlDEK 1937, Ausgabe A, 33). 563 Marahrens, Staatskirchenhoheit, 87. 564 Vgl. ebd., 50 f. 565 Vgl. sein bei W. Niemçller, Steglitz, 120, zit. Votum auf der Informationssitzung der VKL I am 13. 9. 1935. 566 Vgl. Marahrens, Staatskirchenhoheit, 80 f. 567 Vgl. ebd., 84. 568 Schreiben Meisers an Kerrl vom 29. 8. 1935, zit. nach ebd., 83. 569 Vgl. das Schreiben Wurms an Kerrl vom 11. 9. 1935 (Abdruck: G. Sch fer, Landeskirche, Bd. 4, 429–432.
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drohte, leistete Meiser gemeinsam mit den anderen Bischöfen der intakten Landeskirchen entschlossen Widerstand. Die Bildung von Finanzabteilungen stand im Kontext weiterer Verordnungen, die die intakten Kirchen einer rigiden Staatsaufsicht unterwerfen sollten. Als Zeichen ihres Widerstands beschlossen die Bischöfe bereits im April 1937, eine Verordnung des Reichskirchenministers nicht in den kirchlichen Amtsblättern abzudrucken570, nach der die amtierenden Kirchenleitungen nur noch die laufenden Geschäfte führen durften571; zugleich erklärten sie, sich nicht an die Verordnung halten zu wollen572. Daraufhin kam es zu einem monatelangen Streit mit dem Reichskirchenminister, der nun ultimativ den Abdruck sämtlicher Gesetze, Verordnungen und Kundgebungen seines Ministeriums in den kirchlichen Amtsblättern verlangte573 und dafür eine Frist bis August 1937 setzte574. Da die Bischöfe die Frist verstreichen ließen, schaltete sich die Gestapo ein. Als die Münchner Staatspolizeistelle im Oktober 1937 den unverzüglichen Abdruck verlangte und Zwangsmaßnahmen ankündigte, blieb Meiser hart: Er protestierte gegen das Vorgehen der Gestapo und lehnte es strikt ab, „unser bekenntnisgebundenes und kirchlich legitimes Recht, die Kirche zu vertreten“, an eine staatlich eingesetzte Finanzabteilung abzutreten575. Daraufhin zwang die Gestapo die zuständige Münchner Druckerei zum Abdruck576. Meiser blieb jedoch auch jetzt auf seinem Standpunkt: Er teilte Kerrl mit, dass die Kirche Gesetze und Verordnungen ablehnen müsse, „die sich bekenntniszerstörend auswirken“577. Selten zeigte sich Meiser gegenüber dem NS-Staat so kompromisslos wie im Fall der Finanzabteilungen. Er sah hier einen unzulässigen Eingriff in Bekenntnis und Verfassung der Kirche, der für ihn auch den Verstoß gegen staatliche Anordnungen rechtfertigte. Seinem Widerstand und dem von Wurm war es wesentlich zu verdanken, dass in Bayern und Württemberg die Bildung von Finanzabteilungen und damit die Entmachtung der Kirchenleitungen unterblieb. Meiser und Wurm errangen hier einen ihrer wichtigsten kirchenpolitischen Erfolge578. Nach der Verteidigung seines Bischofsamtes 570 Vgl. den Beschluss des Lutherrats vom 1. 4. 1937 (Verantwortung, Bd. 3, 221, Anm. 43). 571 Vgl. die „Dreizehnte Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Sicherung der Deutschen Evangelischen Kirche“ vom 20. 3. 1937 (GBlDEK 1937, Ausgabe A, 11). 572 Vgl. das Schreiben Marahrens’ für die Kirchenführerkonferenz an den Reichskirchenminister vom 8. 4. 1937 (Teilabdruck: KJ 1933–1944, 170–172). 573 Vgl. den Runderlass des Reichskirchenministers vom 8. 6. 1937 (Abdruck: Dokumente, Bd. 4, 79 f.). 574 Vgl. Verantwortung, Bd. 3, 490, Anm. 75. 575 Schreiben an die Gestapoleitstelle München vom 18. 10. 1937 (EvAG M nchen, NL von Soden 16). 576 Vgl. das Schreiben der Gestapoleitstelle München an den Landeskirchenrat vom 26. 10. 1937 (EvAG M nchen, A 30. 80). 577 Schreiben Meisers an den Reichskirchenminister vom 10. 11. 1937 (Abschrift: EvAG M nchen, A 30. 2). 578 Vgl. Link, Spielräume, 56.
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1934 und der Abwehr eines Kirchenausschusses 1935 gelang es Meiser damit zum dritten Mal, erfolgreich die Autonomie der Landeskirche zu verteidigen. Am status quo der Landeskirche änderte sich bis zum Kriegsende dann nichts mehr579. 2.3.3 Proteste gegen die antichristliche Propaganda und Kirchenpolitik des NS-Regimes Staatsloyalität und Protest gegen staatliche Maßnahmen waren für Meiser kein Widerspruch, sondern theologisch gleichermaßen geboten. Zum Protest sah er sich immer dann verpflichtet, wenn der NS-Staat sich selbst zum höchsten Wert erklärte und die Grenzen überschritt, die ihm nach der kirchlichen Obrigkeitslehre von Gott gesetzt sein sollten, d. h. wenn er in die Kirche hineinregierte und ihre öffentlichen Wirkungsmöglichkeiten beschnitt580. Angesichts des ideologischen Totalitätsanspruchs, der antichristlichen Propaganda und der kirchenfeindlichen Politik der NS-Machthaber sah sich Meiser von 1935 bis 1939 zu zahlreichen Protesten veranlasst, die er als Landesbischof, gemeinsam mit dem Landeskirchenrat oder mit außerbayerischen Bündnispartnern verantwortete. Dabei bediente er sich schriftlicher Eingaben und mündlicher Vorstellungen, in gravierenden Fällen ging er auch mit Kundgebungen an die Öffentlichkeit. Zudem übte er in seinen Predigten offen oder versteckt Kritik. Obwohl er dem NS-Regime zunehmend distanziert gegenüberstand, verstand er seinen Widerspruch auch jetzt nicht als politischen Widerstand. Wie für die gesamte Bekennende Kirche stand für Meiser 1935 zunächst die Abwehr des sog. Neuheidentums und des Deutschglaubens im Vordergrund; damit verbunden waren Beschwerden über die staatliche Unterdrückung des kirchlichen Widerstands gegen die antichristliche Agitation dieser völkischreligiösen Ideologien, deren Spektrum von der Deutschgläubigen Bewegung Jakob Wilhelm Hauers bis zu Alfred Rosenbergs „Mythus des 20. Jahrhunderts“ reichte581. Nachdem Meiser im Januar 1935 beim bayerischen Kultusministerium gegen die neuheidnische antichristliche Agitation in Schulen protestiert hatte582, solidarisierte er sich im März mit der außerbayerischen Bekennenden Kirche und intervenierte gemeinsam mit Wurm beim Reichsinnenminister, als sich die altpreußische Bekenntnissynode scharf gegen die Vergötterung 579 Zwar gab es 1938/39 erneut Befürchtungen, in Bayern und Württemberg würden Finanzabteilungen errichtet; dazu kam es jedoch nicht, weil das Reichskirchenministerium die Unterstützung Hitlers und der erstarkenden kirchenfeindlichen Kräfte in der Partei verloren hatte (vgl. Meier, Kirchenkampf, Bd. 2, 464 f.; Marahrens, Staatskirchenhoheit, 155–157). 580 Vgl. oben Kap. III, Anm. 202 und 357. 581 Vgl. Meier, Kirchenkampf, Bd. 2, 12–35; Besier, Kirchen, 167–285. 582 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 538.
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von Blut, Rasse und Volkstum wandte583 und hunderte Bekenntnispfarrer verhaftet wurden584. Auch die Bischöfe kritisierten die christentumsfeindliche Agitation, die staatlichen Übergriffe auf die Kirche, die Zurückdrängung der Kirche aus der Öffentlichkeit und das staatliche Verbot, außerhalb von Kirchengebäuden gegen die germanische Mythus-Religion Stellung zu nehmen585; im Gegensatz zur altpreußischen Bekenntnissynode vermieden sie jedoch Formulierungen, die den Schluss zuließen, sie griffen nicht die neuheidnischen Bewegungen, sondern das NS-Regime und dessen Weltanschauung an586. Meiser solidarisierte sich erneut mit der außerbayerischen Bekennenden Kirche, als Ende März fünf nassau-hessische Bekenntnispfarrer verhaftet und als erste evangelische Geistliche in Deutschland in das Konzentrationslager Dachau verschleppt wurden587. Er gab Anweisung, die Gemeinden zu informieren588, und ordnete Fürbitte für die Pfarrer an589. Als der Reichsinnenminister die Konflikte zwischen Bekennender Kirche und Deutschen Christen öffentlich als Streit um Äußerlichkeiten marginalisierte, den bekennenden Kräften politische Motive unterstellte und einen Staatseingriff ankündigte590, hielt Meiser ihm entgegen, „um ,rein äußerlicher organisatorischer Dinge‘ willen würden sich die nassauischen Pfarrer kaum schwerer Verfolgung aussetzen“, und wies die politischen Verdächtigungen zurück591. Außerdem protestierte er gegen das Verbot einer Kanzelerklärung592, in der er einer geplanten Bayernreise des Reichsbischofs eine Absage erteilte593, und legte Beschwerde bei der Bayerischen Politischen Polizei ein, als es zur Verhaftung von fünf bayerischen Pfarrern kam594. Trotz staatlicher Verbote und Schikanen 583 Vgl. das Wort an die Gemeinden vom 4./5. 3. 1935 (Abdruck: K. D. Schmidt, Bekenntnisse, Bd. 3, 70 f.). 584 Vgl. Besier, Kirchen, 61 f. 585 Vgl. die Verordnung des preußischen Ministerpräsidenten und Chefs der Geheimen Staatspolizei vom 7. 12. 1934 (Abdruck: Dokumente, Bd. 2, 233 f.); den Runderlass der Bayerischen Politischen Polizei vom 25. 2. 1935 (Abdruck: Baier, Christen, 453). 586 Vgl. das Schreiben Meisers und Wurms vom 19. 3. 1935 (Abdruck: G. Sch fer, Landeskirche, Bd. 4, 200–202). 587 Vgl. Meier, Kirchenkampf, Bd. 2, 304; vgl. auch das Schreiben der Bayerischen Politischen Polizei an den bayerischen Ministerpräsidenten vom 7. 6. 1935 (Abdruck: Baier, Christen, 468 f.); Scherf, Kirche, 100–114. 588 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 465. 589 Vgl. das Rundschreiben Meisers an sämtliche Pfarrämter vom 5. 4. 1935 (LAELKB, LB 0.2.0004-368); Kremmel, Pfarrer, 468. 590 Vgl. die Rede des Reichsinnenministers vom 14. 3. 1935 (auszugsweiser Abdruck: Dokumente, Bd. 2, 283–285). 591 Schreiben Meisers an Frick vom 3. 4. 1935 (Abdruck: H. Hermelink, Kirche, 235–237, Zitat: 236). 592 Vgl. oben Kap. III, Anm. 520. 593 Vgl. das Schreiben Meisers an von Epp vom 29. 3. 1935 (Abdruck: H. Hermelink, Kirche, 237 f.). 594 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 466 f.
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verurteilte er das Neuheidentum in einer Kanzelbotschaft zum Karfreitag 1935 schließlich auch in der kirchlichen Öffentlichkeit595. In diesen Protesten führte Meiser wie sein Kollege Wurm596 vor allem die Staatstreue der bayerischen Protestanten ins Feld und warnte, die antikirchlichen Maßnahmen des Staates würden die politische Loyalität der Gemeindeglieder gefährden und die Volksgemeinschaft zerreissen. Dieses taktische Argument verfing freilich nicht: Vielmehr wurde die Treue der Gemeindeglieder zu Staat und Partei im Juni 1935 durch den von Streicher inszenierten „Frankentag“ auf dem Hesselberg auf eine besonders harte Probe gestellt.
Abb. 46: Julius Streicher beim „Frankentag“ auf dem Hesselberg, ca. 1935
Der Hesselberg diente den Nationalsozialisten seit 1928 als Schauplatz für Propagandaveranstaltungen597. Nahmen Gemeindeglieder und Pfarrer daran anfangs noch begeistert Anteil, trug der Frankentag von 1935 erheblich zur Entfremdung von Partei und Protestanten bei598. Stein des Anstoßes war eine Rede Hermann Görings, der polemisch mit dem kirchlichen Protest gegen das Neuheidentum abrechnete, einen Fundamentalangriff auf Christentum, Kir-
595 Vgl. die Botschaft vom 19. 4. 1935 (Abdruck: H. Hermelink, Kirche, 256 f.). 596 Vgl. das Schreiben Wurms an Hitler vom 30. 3. 1935 (Abdruck: G. Sch fer, Landeskirche, Bd. 4, 203 f.). 597 Vgl. Greif, Wallfahrt. 598 Vgl. Greif, Flaggenstreit, 171.
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che und Pfarrer startete und die NS-Ideologie „unverhohlen an die Stelle der christlichen Glaubenslehren“599 setzte600. Die Rede provozierte zahlreiche kirchliche Proteste. Auch Meiser reagierte empört und hielt Göring vor, der Angriff auf den Glauben bringe die fränkischen Bauern in eine Kollision ihrer Pflichten als Staatsbürger und Christen601. In seinem Protestschreiben machte er zwar Zugeständnisse an die NS-Rasseideologie, bestritt aber den NS-Totalitätsanspruch602 und stellte klar, dass das Christentum „als göttliche Heilsgabe allen natürlichen Gaben übergeordnet“603 sei. Damit ging er erheblich weiter als die Leitung der Bekennenden Kirche und die Pfarrervereine, die gegen Göring vor allem die Verdienste der evangelischen Pfarrer im Ersten Weltkrieg und in der Weimarer Republik geltend machten604. An die Öffentlichkeit trat Meiser mit seinem Protest aber nicht; die empörten Pfarrer und Gemeinden versuchte der Landeskirchenrat vielmehr zu beschwichtigen und erinnerte sie „an den von Gott befohlenen Gehorsam gegen die Obrigkeit“605. Trotzdem warf die NS-Presse Meiser vor, er sei antinationalsozialistisch und fördere staatsfeindliche Bestrebungen606. Die „Frankentage“ blieben für Meiser vor allem deswegen ein Problem, weil der Staat aus diesem Anlass die Beflaggung von Kirchengebäuden einforderte607. Der Landeskirchenrat versuchte sich zunächst durch unpräzise Anweisungen aus der Affäre zu ziehen, sah sich 1938 dann aber gezwungen, die Beflaggung anzuordnen, weil im Vorjahr 16 Pfarrer wegen Nichtbeflaggung angezeigt worden waren. Damit verband er die Hoffnung, dass Streicher sich in seinen Hetzreden künftig mäßigen würde. Da dies nicht geschah, erhob Meiser beim zuständigen Regierungspräsidenten gegen die Beflaggung Einspruch, erhielt jedoch keine Antwort608. Als der Regierungspräsident 1939 erneut Beflaggung anordnete, sah Meiser die Möglichkeiten kirchlichen Protests als erschöpft an und ließ die Anordnung widerspruchslos an die Dekanate weiterreichen609. Weitere Konfliktfelder, bei denen Meiser sich zum Widerspruch gerufen sah, waren die Zurückdrängung des kirchlichen Einflusses auf die Jugend610, 599 Greif, Wallfahrt, 421 f. 600 Teilabdruck der Rede vom 23. 6. 1935 bei Gauger, Chronik, Bd. 3, 526, 528; vgl. dazu und zum Folgenden Kremmel, Pfarrer, 487–491; Greif, Wallfahrt, 420–427. 601 Vgl. das Schreiben Meisers an Göring vom 29. 6. 1935 (LAELKB, LB 0.2.0004-608; Abdruck mit falscher Datierung: H. Hermelink, Kirche, 259–261). 602 Vgl. Tçllner, Frage, 172–174. 603 Vgl. oben Kap. III, Anm. 601. 604 Vgl. Gauger, Chronik, Bd. 3, 528, 530, 532, 534, 536. 605 Schreiben des Landeskirchenrats gez. Meiser vom 28. 6. 1935 (zit. nach Greif, Wallfahrt, 423). 606 Vgl. JK 3 (1935), 704. 607 Vgl. dazu und zum Folgenden Greif, Wallfahrt, 427–438; Ders., Flaggenstreit, 172–176. 608 Schreiben des Landeskirchenrats gez. Meiser vom 7. 9. 1938 (zit. nach Greif, Wallfahrt, 437). 609 Vgl. das Schreiben des Landeskirchenrats mit hsl. Unterzeichnung Meisers an die mittelfränkischen Dekanate vom 12. 6. 1939 (EvAG M nchen, A 30. 3/1). 610 Vgl. unten Kap. III A.2.3.4.
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Versammlungsverbote von Bekenntnisveranstaltungen611, der Ausschluss von Geistlichen bei Begräbnisfeiern der SA612 und Redeverbote, die über Geistliche verhängt wurden613. Mehrfach protestierte er auch gegen die Ausschaltung der Kirche aus den Medien und besonders gegen die Beseitigung der christlichen Morgenfeiern, die vom Reichssender München übertragen wurden. Nach dem bayerischen Kirchenkampf von 1934 gerieten die Morgenfeiern verstärkt ins Visier der NS-Machthaber: Sie zensierten die Texte und bestimmten die Auswahl der Redner, strichen die Honorare und dünnten die Sendetermine aus, bis die Ausstrahlung 1939 schließlich ganz entfiel614. Pochte der Landeskirchenrat 1937 noch auf die von Hitler verbürgten Rechte der Kirche und drohte mit einem „Sturm der Empörung“615, als die Morgenfeier am Karfreitag abgesetzt wurde, war von derart kämpferischen Tönen zwei Jahre später nichts mehr zu vernehmen. Die Kirche war zu diesem Zeitpunkt so sehr in die Defensive gedrängt, dass Meiser gegen die Abschaffung der Morgenfeiern nur noch mit den Bedürfnissen von Alten, Kranken und Diasporaprotestanten argumentierte616. Den letzten Versuch, die Wiedereinführung der Morgenfeiern zu erreichen, startete er kurz nach Kriegsbeginn, wobei er darauf hinwies, dass der Rundfunk auch die Bedürfnisse derjenigen bedienen müsse, „die in solchen Zeiten ihre Kraft aus dem christlichen Glauben holen“617. Die Antwort war eine höhnische Mitteilung des Senders, es werde bereits jeden Sonntag „eine aus tiefster deutscher Religiosität kommende Morgenfeier“ ausgestrahlt, in der „die höchsten ethischen Werte“ vermittelt würden618. Schärfer als in seinen Eingaben und Kundgebungen kritisierte Meiser die Ausschaltung des christlichen Glaubens aus der Öffentlichkeit von der Kanzel aus619. Besonders mutig äußerte er sich in einer Predigt Ende Mai 1936, die er aus Anlass des Anschlusses der sächsischen Landeskirche an den Lutherrat620 611 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 499 f. 612 Vgl. das Schreiben Meisers an Göring vom 17. 11. 1936 (LAELKB, LB 0.2.0004-608; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 2, 1637 f.). 613 Vgl. das Schreiben Meisers an die Gestapo Berlin vom 31. 1. 1939 (LALKB, KKE 33; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 2, 1811 f.). 614 Vgl. R. Schieder, Religion, 144–171. 615 Schreiben des Landeskirchenrats an den Reichssender München vom 17. 2. 1937 (EvAG M nchen, A 30. 2). 616 Vgl. das Schreiben des Landeskirchenrats gez. Meiser an den Reichssender München vom 27. 2. 1939 (LAELKB, DW 2099; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 2, 1436 f.); vom 13. 5. 1939 (enthalten im Schreiben der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Rundfunk an alle Dekanate vom 16. 5. 1939: LAELKB, DW 2099; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 2, 1438 f.). 617 Schreiben Meisers an den Reichssender München vom 9. 9. 1939 (zit. nach R. Schieder, Religion, 146, Anm. 52). 618 Schreiben des Reichssenders München vom 15. 9. 1936, wiedergegeben im Schreiben des Landeskirchenrats an die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Rundfunk vom 23. 9. 1939 (EvAG M nchen, A 30. 3; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 2, 1440). 619 So auch das Urteil von Kremmel, Pfarrer, 442. 620 Vgl. J. Fischer, Landeskirche, 57–61.
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in Dresden hielt. Das Verhältnis zum NS-Staat war gerade besonders gespannt, weil der Reichskirchenminister sich gegen den Anschluss ausgesprochen hatte621. Trotzdem prangerte Meiser „die Zurückverweisung der Kirche hinter die Mauern ihrer Gotteshäuser“ an und setzte die Kirchenpolitik des NSStaates mit der marxistischen Religionspolitik gleich622. Die Predigt mündete in eine kaum verklausulierte Kampfansage an die antichristliche NS-Politik: „Je mehr man uns verstummen machen möchte, desto lauter wollen wir rufen […]. Der Besuch des Gotteshauses wird zum Zeugnis. Verbietet man uns den Besuch, wir kommen trotzdem und zeugen. Verbietet man uns das Abendmahl, wir kommen und zeugen. […] Entzieht man die Jugend der Kirche, wir führen sie ihr dennoch zu und zeugen.“623
Angesichts solcher Äußerungen verwundert es nicht, dass Meiser bei den Gemeinden als unerschrockener Kämpfer galt und sich beim NS-Regime den Ruf eines Staatsfeinds erwarb, so dass er in Sachsen und Thüringen 1937 kurzerhand zur persona non grata erklärt wurde624. Mit diesem Ruf befand er sich in bester Gesellschaft mit dem bruderrätlichen Flügel der Bekennenden Kirche625; im Vergleich blieben seine Proteste und die seiner Bündnispartner aber hinter denen der Bruderräte zurück. Weder Meisers Proteste als bayerischer Landesbischof noch die Verlautbarungen des Lutherrats und der Kirchenführerkonferenz benannten das vom NS-Regime begangene Unrecht so klar wie die Bruderräte in der vertraulichen Denkschrift der Zweiten Vorläufigen Kirchenleitung an Hitler626 oder in den Worten des Kirchentags der Bekennenden Kirche an die Gemeinden von 1938627, wo nicht nur die Zurückdrängung der Kirche, sondern auch die Existenz von Konzentrationslagern und der staatlich verordnete Rassenhass auf die Juden angeklagt wurden. 2.3.4 Kampf um den kirchlichen Einfluss auf Kinder und Jugendliche Nach dem Willen der NS-Machthaber sollten Kinder und Jugendliche ausschließlich im Sinne der NS-Ideologie erzogen werden628. Dabei stand ihnen der Einfluss der Kirchen im Weg, den diese über Bekenntnisschulen, Religi621 Vgl. das Schreiben Kerrls an den Vorsitzenden des Reichskirchenausschusses vom 26. 5. 1936 (Abdruck: ebd., 225 f.; vgl. auch Verantwortung, Bd. 2, 231 f.). 622 Vgl. die Predigt vom 28. 5. 1936 (Abdruck: H. Meiser, Kirche, Kampf, 92–97, Zitat: 92). 623 Ebd., 96. 624 Vgl. Helasepp , Bekenntnisgemeinschaft, 215; vgl. auch das Schreiben des sächsischen Reichsstatthalters Martin Mutschmann an Meiser vom 1. 11. 1937 (EvAG M nchen, A 30. 2; Abdruck u. a.: H. C. Meiser, Bischof, 144). 625 Vgl. den Lagebericht Breits auf der Sitzung des Lutherrats am 25. 11. 1937 (Verantwortung, Bd. 3, 691). 626 Vgl. oben Kap. III, Anm. 495. 627 Abdruck: KJ 1933–1944, 266–268. 628 Vgl. Eilers, Schulpolitik, 3.
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onsunterricht und kirchliche Jugendarbeit ausübten. Ein Ziel des NS-Regimes war es, die Bekenntnisschulen zu Gunsten der Gemeinschaftsschule zu beseitigen. Bei ihrer Agitation für die Gemeinschaftsschule argumentierten die Nationalsozialisten, die Bekenntnisschulen würden den konfessionellen Frieden gefährden und die Volksgemeinschaft zerstören629. In Bayern war der Bestand der Bekenntnisschulen zwar durch den Staatskirchenvertrag von 1924 garantiert630, das NS-Regime setzte den Hebel jedoch bei einer Verordnung von 1919 an, nach der Eltern jährlich zwischen Bekenntnis- und Gemeinschaftsschule wählen konnten und die in vier Städten immer noch galt631. Die flächendeckende Beseitigung der Bekenntnisschulen, zu der die Partei ohne Rechtsgrundlage auch sog. Schulabstimmungen nutzte, vollzog sich in den Jahren 1935 bis 1938632. Meiser, der in der Bekenntnisschule den wichtigsten Garanten für die evangelische Erziehung von Kindern und Jugendlichen sah, musste diesen Schultyp schon zum Jahreswechsel 1933/34 verteidigen, als die fränkische Gauleitung in Nürnberg erstmals für die Gemeinschaftsschule agitierte633. In einer Kanzelerklärung erinnerte er an die gesetzliche Verankerung der Bekenntnisschule und appellierte an die Eltern, entschieden an der Bekenntnisschule festzuhalten; da er zu diesem Zeitpunkt noch große Hoffnungen in den NS-Staat setzte, benannte er allerdings nicht die Partei als Urheber der Kampagne, sondern sprach in glatter Verkehrung der Tatsachen – als wären die Gegner der Bekenntnisschule noch die selben wie in Kaiserreich und Weimarer Republik – vom „Einbruch eines liberalistischen Geistes“ und bekundete die Hoffnung, „daß die evangelische Schule einen reichen Beitrag zu dem verheißungsvollen Werk unseres Führers zu geben vermag“634. Als die NS-Machthaber ihren Feldzug gegen die Bekenntnisschulen 1935 intensivierten, fiel sein Protest deutlich schärfer aus, er vermied es aber erneut, Partei und Staat öffentlich für den Schulkampf haftbar zu machen. Bischof und Landeskirchenrat sprachen im Herbst 1935 zwar unverblümt aus, dass mit der Gemeinschaftsschule eine antichristliche Schule installiert werden sollte; die Schuld daran wiesen sie aber nicht dem NS-Regime, sondern der deutschgläubigen Bewegung zu635. Zudem betonten sie auch jetzt wieder, dass die evangelische Bekenntnisschule die „Pflegestätte unerschütterlicher
629 630 631 632 633 634
Vgl. Sonnenberger, Kulturkampf, 280. Vgl. Huber / Huber, Staat, Bd. 4, 678. Vgl. M ller-Rolli, Schulpolitik, 110. Vgl. Sonnenberger, Kulturkampf, 280–324. Vgl. Kremmel, Pfarrer, 533. Kanzelabkündigung für den 17. 12. 1933 (EvAG M nchen, A 30. 1/1; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 2, 1669 f.). 635 Vgl. das Rundschreiben an sämtliche Geistliche vom 30. 10. 1935 (EvAG M nchen, A 30. 1/1; Abdruck: M ller-Rolli, Schulpolitik, 140–143).
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Staatstreue“636 sei. Ähnlich argumentierten Bischof und Landeskirchenrat auch noch in einem Wort von Anfang 1936637. Meiser Proteste litten unter der Fehleinschätzung, dass es nur Einzelne oder Teile der Partei waren, die kirchenfeindlich agierten, nicht aber der NS-Staat selbst, und dass sich die Kirchenfeinde zu Unrecht auf Hitler und die Staatsautorität beriefen638. Dabei verkannte er, dass Partei und Staat im totalen NSStaat längst nicht mehr zu trennen waren639. Deshalb appellierte er auch an staatliche Stellen, als die Nationalsozialisten bei der Nürnberger Schulwahl 1936 mit Drohungen, Zwang und Terror Druck auf Eltern und Lehrer ausübten640. Begünstigt wurde seine Fehleinschätzung, weil der unverschleierte Kampf gegen die Bekenntnisschule in Bayern erst mit der Ernennung von Gauleiter Adolf Wagner zum Kultusminister im Dezember 1936 einsetzte641. Zusätzlich geschwächt wurde Meisers Position durch die Wahl seiner Bündnispartner. Zwar versuchte der Landeskirchenrat den Kampf um die Bekenntnisschule durch die – wenn auch relativ spät erfolgte – Beauftragung von Kurt Frör und Helmut Kern seit Sommer 1936 schlagkräftig zu organisieren642, Meiser lehnte jedoch ein gemeinsames Vorgehen mit dem bruderrätlichen Flügel der Bekennenden Kirche und der katholischen Kirche ab und trug so dazu bei, dass es nicht zu einer geschlossenen kirchlichen Front kam. Im Bemühen, die letzten Reste staatlich anerkannten Kirchenregiments zu erhalten, arbeitete er stattdessen mit dem Reichskirchenausschuss zusammen und unterzeichnete eine schwache Resolution der nicht-deutschchristlichen Kirchenführer643, die deutlich hinter den bruderrätlichen und selbst hinter seinen eigenen Protesten zurückblieb644. Als es den Nationalsozialisten in Nürnberg durch Zwang und Terror im Frühjahr 1937 schließlich gelang, die Gemeinschaftsschule durchzusetzen645, nahm Meiser aber kein Blatt mehr vor den Mund, sprach öffentlich von „Vergewaltigung“ und machte dafür nicht mehr Liberale oder Deutschgläubige, sondern die zuständige Regierung verantwortlich646. Nach der Um636 Ebd. 637 Bekanntmachung des Landeskirchenrats vom 23. 1. 1936 (ABlELKB 1936, 9 f.). 638 Vgl. das Rundschreiben Meisers an die Pfarrer und Religionslehrer vom 20. 3. 1936 (EvAG M nchen, A 30. 1/1). 639 Vgl. Nicolaisen, Bischof, 40. 640 Vgl. die bei Kremmel, Pfarrer, 547, erwähnten Schreiben Meisers an das Kultusministerium und an Rust vom 11. 2. 1936 (Teilabdruck des Schreibens an Rust bei Sonnenberger, Kulturkampf, 297). 641 Vgl. ebd., 307. 642 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 552. 643 Vgl. die Entschließung „Zur kirchlichen Lage“ vom 20. 11. 1936 (Abdruck: K. D. Schmidt, Dokumente, Bd. 2, 1154–1156); vgl. auch Kremmel, Pfarrer, 550–552. 644 Vgl. vor allem die oben Kap. III, Anm. 495, erwähnte Denkschrift der VKL II. 645 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 553. 646 Kanzelabkündigung Meisers für den 9. 5. 1937, überliefert im Rundschreiben des Landeskirchenrats vom 4. 5. 1937 (EvAG M nchen, A 30. 2; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 2, 1687 f.).
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wandlung der oberbayerischen Bekenntnis- in Gemeinschaftsschulen647 legte er sich in einem Streitgespräch mit Kultusminister Wagner an648, wobei er freilich nicht mehr erreichte, als dass der Minister ihm siegesgewiss entgegenhielt: „Um Sie kümmert sich niemand mehr, uns aber strömen die Massen zu.“649 Ebenso wenig halfen Beschwerden gegen die Drohungen und Manipulationen der Partei bei der Beseitigung der fränkischen Bekenntnisschulen im Dezember 1937650. Ganz vergeblich blieb Meisers Protest allerdings nicht: Auch wenn die Bekenntnisschulen 1938 verloren waren, trug er doch dazu bei, „daß dem Nationalsozialismus die weltanschauliche Indoktrinierung der Bevölkerung, vor allem auf dem Lande, kaum gelang“651. Außer den Bekenntnisschulen nahm das NS-Regime auch den Religionsunterricht ins Visier. Was hier geplant war, führte Meiser das Beispiel der 1934 eröffneten NS-Oberschule Starnberger See vor Augen: Nachdem er sich 1936 vergeblich bemüht hatte, den dortigen Religionsunterricht unter kirchliche Kontrolle zu bringen, musste er schon bald darauf zusehen, wie dieser ganz eingestellt wurde; ebenso wenig gelang es ihm 1939, auf die Adolf-HitlerSchule an der Ordensburg Sonthofen Einfluss zu nehmen, an der von Anfang an kein Religionsunterricht stattfand652. Während die Partei an ihren Kaderschmieden leichtes Spiel hatte, Religion als ordentliches Lehrfach der Schule653 auszuschalten, betrieb das Regime an den staatlichen Schulen ab 1935 eine Nadelstichpolitik gegen den Religionsunterricht654. Meiser protestierte im Sommer 1936 gegen die Reduzierung von Unterrichtsstunden und verwies dabei auf die Wut in den Gemeinden, die sich an dieser Maßnahme entzündet hatte655. Im Jahr darauf wandte er sich gegen die Praxis, Geistliche durch Schüler ausspionieren zu lassen, um ihnen wegen angeblich staatsfeindlicher Äußerungen den Religionsunterricht zu entziehen656. Die Beseitigung der Bekenntnisschulen nahm er Anfang 1938 zum Anlass, umfassende Forderungen für den Religionsunterricht an den Gemeinschaftsschulen zu erheben657. Als diese Eingaben nichts ausrichteten und 647 648 649 650 651 652 653 654 655 656 657
Vgl. Sonnenberger, Kulturkampf, 318. Am 2. 7. 1937 (vgl. Baier / Henn, Chronologie, 188; Kremmel, Pfarrer, 554). Zit. nach Daumiller, Schatten, 75. Vgl. das Schreiben des Landeskirchenrats an das bayerische Kultusministerium vom 28. 1. 1938 (Abdruck: Schmid, Wetterleuchten, 318–329). Sonnenberger, Kulturkampf, 327. Vgl. Baier, Kirche in Not, 197–205. Vgl. Huber / Huber, Staat, Bd. 4, 677–679. Vgl. Eilers, Schulpolitik, 22–28; Hunsche, Kampf, 455–508; vgl. auch die in Dokumente, Bd. 3, 109 f., 207 f., 247–249, und Dokumente, Bd. 4, 91, 272 f., abgedruckten Erlasse und Verordnungen. Vgl. das Schreiben des Landeskirchenrats gez. Meiser an das bayerische Kultusministerium vom 30. 6. 1936 (EvAG M nchen, A 30. 1/2; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 2, 1679). Vgl. das Schreiben des Landeskirchenrats gez. Meiser an das bayerische Kultusministerium vom 13. 7. 1937 (LAELKB, KKU 11/V; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 2, 1688 f.). Vgl. das Schreiben des Landeskirchenrats gez. Meiser an das bayerische Kultusministerium vom 31. 1. 1938 (EvAG M nchen, A 30. 3/2; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 2, 1689–1691).
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1939 dann auch noch die Stundenzahl für den Religionsunterricht um die Hälfte reduziert wurde, wandte er sich schließlich in einer Kanzelerklärung an die Gemeinden, in der er die Eltern dazu aufforderte, von nun an verstärkt selbst für die religiöse Erziehung der Kinder zu sorgen658. Wiederholt verteidigte Meiser das Alte Testament, das für die NS-Agitation ein wichtiger Angriffspunkt gegen den Religionsunterricht war. Für den NSChefideologen Alfred Rosenberg stand fest, dass es abgeschafft werden müsse, weil es das deutsche Volk „geistig zu Juden […] mache“659. In einigen deutschen Ländern wurde die Behandlung des Alten Testaments im Unterricht 1936 verboten660. Dazu kam es in Bayern nicht, aber als der „Stürmer“ das Alte Testament im Herbst 1936 als „Gefahr in unserer Jugenderziehung“ diffamierte und den Hetzartikel eines Oberschulrats abdruckte, protestierte Meiser wegen „Störung des religiösen Friedens“ und verlangte, dass der Schulrat zur Rechenschaft gezogen wurde661. 1938 gingen Bischof und Landeskirchenrat dann an die kirchliche Öffentlichkeit und konterten den Vorwurf, der alttestamentliche Unterricht „diene der Verherrlichung des jüdischen Volkes“, mit der Feststellung, der Unterricht diene allein der Ehre Gottes662. Auch in seinen Erklärungen zur Bekenntnisschule und zum Religionsunterricht wagte Meiser es nicht, den NS-Staat und seinen „Führer“ so direkt als Urheber der antichristlichen Maßnahmen zu benennen, wie es der bruderrätliche Flügel der Bekennenden Kirche tat663. Er agierte vielmehr stets so, dass sich die Landeskirche nicht der Verfolgung durch das NS-Regime aussetzte und das Risiko einging, in ihren Rechten und Handlungsmöglichkeiten noch weiter beschnitten zu werden. Stattdessen bemühte er sich um legale Ersatzlösungen oder unterlief staatliche Anordnungen. Dies gilt auch für sein Vorgehen im Bereich der kirchlichen Jugendarbeit. Hier war Meiser 1933 zwar noch in seiner alten Frontstellung gegen Bolschewismus und Freidenker befangen664, erkannte aber früh, dass die Jugendorganisationen der Partei die kirchlichen Jugendverbände existentiell bedrohten665. Angesichts der Ankündigung des Regimes, die gesamte Jugend 658 Kanzelerklärung vom 15. 6. 1939 (Abdruck: H. Meiser, Kirche, Kampf, 114 f.). 659 Rosenberg, Mythus, 603. 660 Z. B. in Thüringen und Sachsen (vgl. Verantwortung, Bd. 2, 344, Anm. 15) und teilweise auch in Württemberg (vgl. den Erlass des Kultministers vom 28. 4. 1937; Abdruck: Dokumente, Bd. 4, 49 f.). 661 Schreiben des Landeskirchenrats an das Reichskirchenministerium vom 9. 9. 1936 (EvAG M nchen, A 30. 1/2; Abdruck: K. D. Schmidt, Dokumente, Bd. 2/2, 1028 f., Zitate: 1028). 662 Bekanntmachung des Landesbischofs und des Landeskirchenrats vom 13. 12. 1938 (ABlELKB 1938, 145). 663 Vgl. z. B. die oben Kap. III, Anm. 493, erwähnte Kundgebung. 664 Vgl. das „Grußwort des Herrn Landesbischofs an die evangelische Jugend“ vom 23. 6. 1933 (ABlELKB 1933, 101). 665 So rechnete er bereits Anfang April 1933 damit, dass „der Staat an den Lebensnerv der evangelischen Jugend herangreifen wird“ (Zitat aus der oben Kap. III, Anm. 21, erwähnten Niederschrift).
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in einer NS-Staatsjugend zusammenfassen zu wollen, stellte er sich auf den Standpunkt, dass die kirchliche Jugend erhalten bleiben müsse, meinte aber zugleich, dass die Kirche einen volksmissionarischen Auftrag an der Parteijugend zu erfüllen habe666. Deshalb ernannte er einen Sonderbeauftragten für Jugendarbeit und einen weiteren für Volksmission an HJ und BDM667. Als der Reichsbischof das Evangelische Jugendwerk Ende 1933 an die HJ preisgab, protestierte Meiser im Namen der nicht-deutschchristlichen Kirchenführer zwar gegen Müllers Alleingang668, nahm die Eingliederung in die HJ aber schließlich hin, weil er sich sonst offen gegen den staatlichen Willen gestellt hätte669. Im Februar 1934 wurde die Eingliederung in Bayern vollzogen; von jetzt ab war die Jugendarbeit ausschließlich Sache der Landeskirche und der Kirchengemeinden670. Meisers neue Strategie lautete, die Gemeindejugend schlagkräftig zu organisieren und auszubauen. Dazu erließ der Landeskirchenrat im Frühjahr 1934 Richtlinien und traf zugleich Regelungen für die immer noch erhoffte kirchliche Tätigkeit in der HJ671, obwohl sich dies längst als Illusion herausgestellt hatte672. Außerdem errichtete Meiser das Amt eines Landesjugendpfarrers673, das der Landeskirchenrat mit Heinrich Riedel674 besetzte, der ähnlich wie Meiser aus der Frontstellung gegen die sozialistische Gottlosenbewegung kam675. Der Bischof wies Riedel an, er „solle alles aufbieten, Jugend für Christentum und Kirche zu gewinnen“676, war sich dabei aber der Schwierigkeiten dieser Aufgabe bewusst. Der NS-Staat legte der kirchlichen Jugendarbeit dann auch einen Stein nach dem anderen in den Weg677. Dies prangerte Meiser in einer Predigt vom Frühjahr 1936 ungewöhnlich scharf an und forderte die Gemeinde dazu auf, die Jugend der Kirche jetzt erst recht zuzuführen678. Scharf protestierte er auch, als der bayerische Innenmi666 Vgl. das Rundschreiben des Landeskirchenrats an alle Dekanate vom 20. 7. 1933 (EvAG M nchen, A 30. 1). 667 Heinrich Grießbach und Ernst Fikenscher (vgl. Schwab, Jugendarbeit, 343). 668 Vgl. das von Meiser gezeichnete Schreiben an Müller vom 31. 12. 1933 (Abdruck: Priepke, Jugend, 198 f.). 669 Vgl. Kremmel, Pfarrer, 223–233. 670 Vgl. die Bekanntmachung „Eingliederung des Evangelischen Jugendwerks in die H.J. bzw. den B.D.M.“ vom 10. 2. 1934 (ABlELKB 1934, 13–15). 671 Vgl. die Bekanntmachung „Evangelische Gemeindejugendarbeit“ vom 18. 5. 1934 (ebd., 87 f.). 672 Vgl. Riedel, Kampf, 121 f. 673 Vgl. die Bekanntmachung des Landesbischofs vom 26. 4. 1934 (ABlELKB 1934, 77). 674 Vgl. oben Kap. III, Anm. 329. 675 Vgl. Mensing, Lutheraner, 425. 676 Riedel, Kampf, 119. 677 Vgl. die Verordnung des Politischen Polizeikommandeurs im bayerischen Innenministerium vom 30. 7. 1935 (Abdruck: Dokumente, Bd. 3, 20 f.); die Rundverfügung der Bayerischen Politischen Polizei vom 1. 8. 1935 (Abdruck: ebd., 35 f.); sowie den Bericht des Bayerischen Innenministers an Reichsstatthalter von Epp betr. evangelische Jugendlager vom 7. 9. 1936 (Abdruck: ebd., 237 f.). 678 Vgl. die oben Kap. III, Anm. 622, erwähnte Predigt.
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nister der Gemeindejugendarbeit sämtliche konfessionellen Veranstaltungen außerhalb von Kirchen oder kirchenähnlichen Räumen verbot679; Meiser befürchtete, dieses Verbot bedeute das Ende der kirchlichen Jugendarbeit680 und kündigte dem Minister an, die Kirche könne die Beschränkung auf gottesdienstliche Räume nicht akzeptieren und werde ihre Veranstaltungen so weiterführen wie bisher681. Er entschied sich dann jedoch für eine Maßnahme, die das Verbot unterlief, ohne den Boden der Legalität zu verlassen. Das Bemühen um Legalität war nicht nur für Meiser, sondern für die evangelische Jugend im ganzen Reich charakteristisch, die durch die Einhaltung staatlicher Vorschriften zusätzlichen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen hoffte682. Als der Münchner Bezirksjugendpfarrer Leonhard Henninger Meiser vorschlug, eine Jugendund Freizeitenkirche zu bauen, die sich auch für Veranstaltungen und Mahlzeiten nutzen ließ und Schlafmöglichkeiten bot683, stimmte Meiser diesem Vorschlag sofort zu und sorgte für die Finanzierung des Baus. Die Jugend- und Freizeitenkirche in Eichenau wurde im Sommer 1937 eingeweiht und führte bis zum endgültigen Verbot konfessioneller Lager 1940684 Freizeiten und Rüstzeiten durch. Dabei kam es freilich häufig zu staatlichen Schikanen, die Meiser zur Intervention veranlassten; so setzte er sich schon kurz nach der Einweihung erfolgreich bei Minister Wagner für die neue Kirche ein, als die Münchner Gestapo alle Freizeiten bis auf weiteres verbot685. Meiser entwickelte sich bei der kirchlichen Jugend, die die schikanöse Behandlung durch den NS-Staat hautnah erlebte, schnell zu einer hoch verehrten Identifikationsfigur. Den Kontakt zur Jugend hielt er z. B. durch Grußworte und Karten mit der Jahreslosung, die er gemeinsam mit dem Landesjugendpfarrer versandte. Die identitätsstiftende Rolle, die er für die kirchliche Jugend einnahm, zeigte sich bereits im bayerischen Kirchenkampf vom Herbst 1934, noch mehr aber sieben Jahre später an seinem 60. Geburtstag, als ihn eine Flut von Glückwunschschreiben und Geschenken aus den Reihen der Gemeindejugend erreichte686. Das Bild des aufrecht kämpfenden Bischofs prägte sich beim kirchlichen Nachwuchs tief ein und trug mit dazu bei, dass Meiser in den ersten Nachkriegsjahrzehnten ausschließlich positiv erinnert und Gegenstand großer Verehrung wurde.
679 Vgl. die Rundverfügung vom 29. 2. 1936 (Abdruck: Dokumente, Bd. 3, 180); vgl. auch den Erlass der Bayerischen Politischen Polizei vom 2. 5. 1936 (Abdruck: Baier, Christen, 511 f.). 680 Vgl. Honigschnabel, Jugend- und Freizeitenkirche, 11. 681 Vgl. Riedel, Kampf, 181 f. 682 Vgl. Priepke, Jugend, 122 f. 683 Vgl. dazu und zum Folgenden Honigschnabel, Jugend- und Freizeitenkirche. 684 Vgl. den Runderlass des Reichsführers-SS und Chefs der deutschen Polizei vom 9. 5. 1940 (Abdruck: Dokumente, Bd. 5, 160 f.). 685 Vgl. Honigschnabel, Jugend- und Freizeitenkirche, 62, Anm. 70. 686 Vgl. dazu Riedel, Kampf, 95 f.
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Abb. 47: Jugend- und Freizeitenkirche in Eichenau, ca. 1937
2.4 Verhalten gegenüber der NS-Rassepolitik 2.4.1 Öffentliches Schweigen zur Diskriminierung, Entrechtung und Verfolgung von Juden Nach dem Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933 und dem wenige Tage später erfolgten Erlass des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“, auf dessen Grundlage jüdische Beamte in den Ruhestand versetzt oder entlassen wurden, sah Meiser in den ersten Monaten seiner Amtszeit zunächst keinen Anlass, sich für Juden einzusetzen, auch nicht für betroffene Gemeindeglieder687. Gründe dafür, einen öffentlichen Protest zu unterlassen, meinte er genug zu haben: So hielt er die sog. Judenfrage entsprechend seiner Stellungnahme von 1926688 nach wie vor für ein „wichtiges bevölkerungspolitisches Problem“689 und machte deshalb auch in der Forderung nach dem
687 Vgl. oben Kap. III A.1. 688 Vgl. oben Kap. II 4.6. 689 Votum Meisers auf der Sitzung des Landessynodalausschusses vom 4. 9. 1933 (zit. nach Kremmel, Pfarrer, 177).
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,Arierparagraphen‘ einen „berechtigten Kern“690 aus. Zudem schätzte er die Erfolgsaussichten kirchlichen Protests gering ein691 und glaubte 1933 noch, „dass der neue Staat die agitatorische Bekämpfung des Judentums abzustreifen im Begriffe sei“692. Mit seinem Schweigen blieb Meiser freilich von Anfang an hinter seinen Forderungen von 1926 zurück693. Damals hatte er noch gemeint, im Fall eines gewaltsamen Aktes müssten sich die Christen schützend vor die Juden stellen. Auch das Berufsbeamtengesetz war mit seinen Vorstellungen von 1926 nicht vereinbar: Er hatte zwar die Auffassung vertreten, Juden sollten öffentliche Ämter nur entsprechend ihres Bevölkerungsanteils verliehen werden, an eine Entlassung oder einen völligen Ausschluss aus Beamtenverhältnissen hatte er jedoch nicht gedacht. Weder die Diskrepanz zu seinen eigenen Forderungen noch die aus den Gemeinden an ihn herangetragenen Bitten „um ein klärendes Wort in der Arier- und Judenfrage“694 konnten ihn jedoch dazu veranlassen, sein öffentliches Schweigen zu brechen. Angesichts des Unrechts und der verheerenden Folgen für die Betroffenen versuchte er in den ersten beiden Jahren der NS-Herrschaft jedoch, durch direkte Interventionen Einfluss auf den NS-Staat zu nehmen. So beschloss der Landeskirchenrat im August 1933 auf einen Bericht Meisers über die Behandlung der sog. Nichtarier695, beim Staat vorstellig zu werden, womit vermutlich Reichsjustizminister Gürtner gemeint war696. Es gibt allerdings keinen Beleg dafür, dass dieser Beschluss auch umgesetzt wurde697. Im Frühjahr 1934 protestierte Meiser auf Anregung des Vorstands der Landeskirchenstelle Ansbach Friedrich von Praun698 dann gegen eine antisemitische Boykottaktion der NSDAP-Kreisleitung Ansbach-Feuchtwangen. Diese verlangte, keinen Handel mit Juden zu betreiben, jüdische Geschäfte, Arzt- und Anwaltspraxen nicht mehr zu betreten und Juden den Zugang zu deutschen Privatwohnungen zu verwehren. Für Zuwiderhandlungen hatte sie Parteiausschluss und öffentliche Bloßstellung angedroht699. Meiser bat Siebert 690 Schreiben Meisers an Strathmann vom 4. 10. 1933 (zit. nach dem Abdruck bei Fix, Glaubensgenossen, 150). 691 Vgl. das im Auftrag Meisers verfasste Schreiben Meinzolts an ein Gemeindeglied vom 8. 9. 1933 (LAELKB, LKR 0.2.0003–6615). 692 Vgl. oben Kap. III, Anm. 689. 693 Vgl. Hermle, Bagatellisierung, 66. 694 Protokoll über die Sitzung des Landessynodalausschusses vom 4. 9. 1933 (zit. nach Kremmel, Pfarrer, 177). 695 Vgl. oben Kap. III, Anm. 113. 696 Vgl. Baier, Landeskirche, 90. 697 Vgl. Fix, Glaubensgenossen, 35. 698 Vgl. W. Huber, Praun, 236; vgl. auch das Schreiben von Prauns an das Präsidium des Landeskirchenrats vom 23. 3. 1934 (LAELKB, LKR 0.2.0003-6615; Abdruck: W. Huber, Praun, 251). 699 Vgl. den Handzettel vom März 1934 (LAELKB, LKR 0.2.0003-6615; Abdruck: E.-L. Schmidt, Landeskirche, 47).
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Abb. 48: Schreiben Hans Meisers an Ministerpräsident Ludwig Siebert (erste Seite), 29. März 1934
dringend, die Aktion einstellen zu lassen, weil sie „die besten Teile der Bevölkerung, die sich aus voller Überzeugung dem Nationalsozialismus und dem Dritten Reich erschlossen haben, […] in eine ablehnende Haltung gegenüber dem heutigen Staat“ bringe; zugleich wies er darauf hin, „in welch krasser Weise die Aufforderung zu der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Schädigung der Juden den Gesetzen christlichen Handelns zuwiderläuft“700. Meisers Schreiben wurde von der Staatskanzlei zwar an das Wirtschaftsministerium weitergeleitet701, aber nicht beantwortet. In der Zeit von 1935 bis zum Kriegsbeginn, in der die Diskriminierung und Entrechtung der Juden mit den Nürnberger Rassegesetzen vom September 700 Schreiben Meisers vom 29. 3. 1934 (LAELKB, LKR 0.2.0003-6615; Abdruck mit falscher Datierung: E.-L. Schmidt, Landeskirche, 48; vgl. auch Kremmel, Pfarrer, 269; E.-L. Schmidt, Landeskirche, 28). 701 Vgl. die Postkarte der Staatskanzlei an den Landeskirchenrat vom 4. 4. 1934 (LAELKB, LKR 0.2.0003-6615).
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1935 weiter voranschritt und der antisemitische NS-Terror mit dem Novemberpogrom von 1938 in die Phase offener Verfolgung trat, scheint Meiser dann weder Interventionen beim NS-Staat noch öffentlichen Protest geplant zu haben. Zu den Nürnberger Gesetzen702 schwieg er nicht nur selbst, sondern warnte die außerbayerische Bekennende Kirche auch davor, die Entrechtung und Verfolgung von Juden öffentlich zu thematisieren. Dies gilt zumindest für die dritte altpreußische Bekenntnissynode Ende September 1935 in Steglitz703, deren Mitgliedern die mutige Denkschrift der Berliner Studienrätin Elisabeth Schmitz „Zur Lage der deutschen Nichtarier“704 vorlag705. Meiser sah „mit einiger Sorge“ auf die Synode, „wenn sie solche Dinge anschneiden will wie z. B. die Judenfrage“, und erhob seine Stimme „gegen ein selbstverschuldetes Martyrium“706. Auf diese Weise trug er neben Präses Karl Koch und anderen707 dazu bei, dass die Synode sich nicht zur Judenverfolgung äußerte708, sondern lediglich das Recht der Kirche zur Judentaufe verteidigte709. Nicht belegt hingegen ist die Behauptung, Meiser habe Koch bereits im Vorfeld der dritten Reichsbekenntnissynode in Augsburg im Juni 1935 dazu veranlasst, dafür zu sorgen, dass der Synode eine Denkschrift der Berlin-Zehlendorfer Wohlfahrtspflegerin Marga Meusel, in der sie die Bekennende Kirche zum Eintreten für rassisch verfolgte Christen aufforderte710, nicht vorgelegt wurde711. Nach dem Novemberpogrom 1938712 forderte von Pechmann Meiser flehentlich dazu auf, sein Schweigen zu brechen und sich gemeinsam mit der katholischen Kirche gegen die Judenverfolgung zu wenden713, denn – so von Pechmann – „davon, ob heute die christliche Kirche schweigt oder spricht, hängt nicht zuletzt für die Seele der bis zur Unerträglichkeit schwer geprüften Juden unausdenkbar viel ab“714. Meiser protestierte aber weder bei staatlichen Stellen noch wagte er es, das Pogrom öffentlich zu verurteilen715. Bei einer 702 703 704 705 706 707 708 709 710 711 712 713 714 715
Vgl. Gr ttner, Reich, 176 f. Vgl. W. Niemçller, Synode. Abdruck: Gailus, Herz, 223–242; vgl. auch ebd., 96–107. Vgl. Noss, Albertz, 322–327. Votum Meisers auf der Informationsbesprechung der VKL I am 13. 9. 1935 (zit. nach W. Niemçller, Synode, 120; vgl. auch Baier, Kirche und Judentum, 16; Ders., Landesbischof, 114 f., Anm. 39). Vgl. Gundlach, Brunotte, 142 f. Vgl. Fix, Glaubensgenossen, 20; Noss, Albertz, 326; und Hermle, Bagatellisierung, 61. Vgl. die Botschaft der Synode (Abdruck: W. Niemçller, Synode, 367–371). Vgl. Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 1, 337–346; Noss, Albertz, 316–319. Dies haben Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 2/1, 345, Anm. 65, ohne Beleg vermutet; aus dieser Vermutung wurde bei Hermle, Bagatellisierung, 61, eine Tatsache (vgl. Fix, Glaubensgenossen, 20, Anm. 9). Vgl. Gr ttner, Reich, 499–506. Vgl. die Schreiben an Meiser vom 14. und 15. 11. 1938 (Abdruck: Kantzenbach, Widerstand, 262–264). Zitat aus dem oben Kap. III, Anm. 713, erwähnten Schreiben vom 15. 11. 1938 (zit. nach ebd., 263). Vgl. Baier, Kirche und Judentum, 16; E.-L. Schmidt, Landeskirche, 29.
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Unterredung am 24. November 1938 versuchte von Pechmann erneut, ihn umzustimmen und zum Protest zu bewegen716. Dies lehnte Meiser unter Hinweis auf seine „amtliche Verantwortung“717 jedoch ab. Auch ein weiterer Vorstoß Ende Dezember 1938, bei dem von Pechmann nochmals darauf hinwies, „daß unsere Kirche sich einer schweren, auch folgenreichen Unterlassung schuldig macht“718, vermochte Meisers Haltung nicht zu ändern. Hinter Meisers Schweigen zur NS-Rassepolitik in den Jahren von 1935 bis 1938 standen wechselnde Motive, die mit der jeweiligen Phase der NS-Kirchenpolitik korrespondierten. Grundsätzlich folgte er der Überzeugung, die Kirche dürfe nach dem Schöpferwillen Gottes – wie in anderen Bereichen staatlichen Handelns auch – nicht in das Amt des Staates eingreifen. Diese Haltung entsprach weitgehend der Mehrheitsmeinung im deutschen Protestantismus, und zwar bis tief in die Bekennende Kirche hinein: Selbst Dietrich Bonhoeffer, der als einer der wenigen deutschen Theologen schon früh die Solidarität der Kirche mit den Opfern der NS-Rassepolitik einforderte, hielt die sog. Judenfrage „für eines der geschichtlichen Probleme, mit denen unser Staat fertig werden muss“, und meinte, der Staat sei berechtigt, hier „neue Wege zu gehen“719. 1933/34 spielte für Meiser neben der partiellen Zustimmung zur staatlich verordneten Eindämmung des öffentlichen Einflusses von Juden und der Illusion, bei den Ausschreitungen gegen Juden handele es sich um vorübergehende Erscheinungen, vor allem die brisante Lage der Landeskirche eine Rolle, die er mit einem Konflikt um die NS-Rassepolitik nicht zusätzlich belasten wollte720. 1935 kam noch die Furcht vor einem Zerwürfnis zwischen Kirche und NSStaat hinzu. Diese Sorge stand im Hintergrund, als Meiser vor der altpreußischen Bekenntnissynode in Berlin-Steglitz davor warnte, die NS-Rassepolitik zu thematisieren. Vorausgegangen waren schwere Auseinandersetzungen in der Bekennenden Kirche über eine Zusammenarbeit mit dem neu errichteten Reichsministerium für die kirchlichen Angelegenheiten721. Besonders der altpreußische Bruderrat sah in einer solchen Zusammenarbeit die Preisgabe der Beschlüsse der Reichsbekenntnissynode von Berlin-Dahlem722, während Meiser zu denjenigen Kräften gehörte, die ein Zusammenwirken von Kirche und NS-Staat für möglich und geboten hielten. Er befürchtete, die Steglitzer Synode würde Beschlüsse fassen, die eine Zusammenarbeit mit dem Ministerium von vornherein torpedieren und die Kirche selbst der Verfolgung
716 Vgl. das Schreiben von Pechmanns an Meiser vom 20./21. 12. 1938 (Abdruck: Kantzenbach, Widerstand, 266–268); vgl. auch Fix, Glaubensgenossen, 23, 25. 717 Kantzenbach, Widerstand, 267. 718 Zitat: ebd. 719 Zitate: Bonhoeffer, Kirche, 234. 720 Vgl. oben Kap. III, Anm. 689. 721 Vgl. dazu und zum Folgenden Besier, Kirchen, 302–326. 722 Vgl. unten Kap. III B.2.2.
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Abb. 49: Schreiben Wilhelm Freiherr von Pechmanns an Hans Meiser (erste Seite), 14. November 1938
aussetzen würden723. In diesem Kontext stand seine Warnung, mit einer Äußerung zur „Judenfrage“ begebe sich die Kirche in ein „selbstverschuldetes Martyrium“724.
723 Vgl. sein bei W. Niemçller, Synode, 120, zit. Votum auf der Informationsbesprechung der VKL I am 13. 9. 1935. 724 Zitat: ebd.
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Als das NS-Regime im November 1938 zur offenen Verfolgung der Juden überging, hatte die Bekennende Kirche einen zermürbenden Kampf mit dem NS-Staat hinter sich: Während der bruderrätliche Flügel in die Illegalität abgedrängt worden war und unter Repressalien und Verhaftungen litt, sahen sich die intakten Landeskirchen zahlreichen staatlichen Gängelungen und zunehmenden Einschränkungen ihrer Wirkungsmöglichkeiten ausgesetzt. Hinter Meisers Schweigen stand jetzt auch nicht mehr ein drohendes Zerwürfnis mit dem Staat, sondern seine Verantwortung für Bekenntnis und Ordnung der Landeskirche, für die Sicherstellung ihrer öffentlichen Verkündigung und den Schutz der Pfarrer und ihrer Familien. Auf die Verantwortung für die Kirche und ihre Pfarrer zog er sich schließlich bis zum Ende der NSHerrschaft zurück, wenn er um ein Wort gegen die Verfolgung und Vernichtung der Juden gebeten wurde725. Dieser Rückzug in die Defensive macht einmal mehr das Grundmotiv deutlich, das Meisers öffentlichem Schweigen in allen Phasen der NS-Rassepolitik zu Grunde lag: Oberste Priorität hatte für ihn die Verantwortung für die Kirche, nicht aber für die Opfer des NS-Regimes. Die tiefe „Angst, die Kirche […] könnte in ihren Wirkungsmöglichkeiten drastisch beschnitten werden, machte Meiser stumm“726 und ließ ihn übersehen, „dass die kirchliche Verantwortung für den Nächsten sich nicht über die gemeinsame Religions- oder Konfessionszugehörigkeit, über die Staatsangehörigkeit oder eine willkürliche ideologische Festlegung definiert“727. Die Verantwortung für außerkirchliche Opfer geriet freilich nicht nur Meiser aus dem Blick, sondern auch den anderen kirchlichen Entscheidungsträgern. Öffentlich schwiegen sich sämtliche Kirchenleitungen aus, was nicht nur für die intakten Kirchen von Württemberg und Hannover gilt, sondern auch für die leitenden Gremien des bruderrätlichen Flügels der Bekennenden Kirche. Zwar wandte sich die Zweite Vorläufige Kirchenleitung in ihrer Denkschrift an Hitler 1936 gegen den staatlich verordneten Judenhass728 und der Kirchentag der Bekennenden Kirche erklärte Ende 1938 seine Solidarität mit rassisch verfolgten Christen729; letztlich waren es aber auch hier nur Einzelne, die kirchlichen Protest und entschiedenen Einsatz für außerkirchliche Opfer des NS-Regimes forderten. Da keine Kirchenleitung öffentlich protestierte, bleibt es Spekulation, ob die von Meiser befürchteten Folgen tatsächlich eingetreten wären, wenn er seine Stimme erhoben hätte. Ein schriftlicher Protest aber wäre ihm auch nach dem Novemberpogrom möglich gewesen, wie das Beispiel seines württembergischen Kollegen zeigt: Wurm protestierte beim Reichsjustizminister 725 726 727 728 729
Vgl. unten Kap. III A.3.7. Hermle, Bagatellisierung, 66. Fix, Glaubensgenossen, 64. Vgl. oben Kap. III, Anm. 495. Vgl. oben Kap. III, Anm. 627.
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gegen das Pogrom730, ohne dass in Württemberg ein staatlicher Eingriff oder eine Verfolgungswelle erfolgt wäre. Immerhin zeigte Meiser sich im Fall des württembergischen Pfarrers Julius von Jan solidarisch, der zu den wenigen Geistlichen gehörte, die es wagten, das Novemberpogrom von der Kanzel aus zu verurteilen. Von Jan war daraufhin von Parteigenossen zusammengeschlagen, in Gestapohaft verschleppt und aus Württemberg ausgewiesen worden. Nach seiner Entlassung aus der Haft wurde er von Meiser nach Bayern eingeladen und nahm dort Pfarramtsvertretungen wahr731. 2.4.2 Verhinderung des kirchlichen ,Arierparagraphen‘ Im Herbst 1933 begannen die deutschchristlich geleiteten Landeskirchen mit der Übernahme des staatlichen ,Arierparagaraphen‘732 in die Kirche. Den Anfang machte die Evangelische Kirche der altpreußischen Union, wo „Nichtarier“ künftig nicht mehr als Pfarrer tätig sein durften733. Dieses Vorgehen erschütterte den deutschen Protestantismus weit über Altpreußen hinaus und wurde zum Anlass für die Gründung des Pfarrernotbunds, für den die Anwendung des ,Arierparagraphen‘ im Raum der Kirche den Bekenntnisstand verletzte734. Auch Meiser lehnte das altpreußische Vorgehen ab. Er selbst beabsichtigte zu keinem Zeitpunkt, die Zulassung zum geistlichen Amt von rassischen Kriterien abhängig zu machen, und sorgte dafür, dass der ,Arierparagraph‘ für die Amtsträger der bayerischen Landeskirche weder 1933 noch später eingeführt wurde735. In Bayern wurde die Frage nach der Übernahme des ,Arierparagraphen‘ zum ersten Mal im Vorfeld der Landessynode vom September 1933 akut, auf der sich die Zukunft der Landeskirche entschied736. Während die Auseinandersetzungen außerhalb Bayerns bereits tobten, nahm der Vorsitzende des NS-Pfarrerbundes Friedrich Klein das altpreußische Vorgehen zum Anlass, einen Antrag an die Landessynode vorzubereiten, den ,Arierparagraphen‘ einzuführen. Ein solcher Antrag hätte in der Synode zu zusätzlichen Verwerfungen, wenn nicht gar zur Spaltung geführt. Meiser gelang es in letzter Minute, Klein davon abzuhalten, den Antrag einzubringen737. Damit war die Einführung des ,Arierparagraphen‘ in Bayern vorerst abgewendet. Aus taktischen Gründen wollte Meiser dann auch nach der Synode öf730 Schreiben an Gürtner vom 6. 12. 1938 (LKA Stuttgart, D1/78; Abdruck: G. Sch fer, Landeskirche, Bd. 6, 116–118). 731 Vgl. Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 3/I, 69–92. 732 Vgl. oben Kap. III, Anm. 76. 733 Vgl. oben Kap. III, Anm. 78. 734 Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 1, 610–616. 735 Vgl. Baier, Kirche und Judentum, 14. 736 Vgl. oben Kap. III A.1.1. 737 Vgl. dazu Kremmel, Pfarrer, 161, 178; Tçllner, Frage, 54.
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fentliche Auseinandersetzungen über den ,Arierparagraphen‘ unterbunden wissen. Als 25 Nürnberger Pfarrer den Paragraphen als bekenntniswidrig verurteilten und Meiser zum Protest aufforderten738, verweigerte er sich dieser Aufforderung und verlangte, jede öffentliche Diskussion zu unterlassen. Damit wollte er wohl verhindern, dass die auf der Landessynode mühsam erreichte Einbindung der Deutschen Christen wieder zunichte gemacht wurde739. Meiser vermied es auch selbst, den ,Arierparagraphen‘ öffentlich zu thematisieren. So prangerte er in seinem Protest gegen die skandalösen Reden der Deutschen Christen im Berliner Sportpalast im November 1933740 zwar die Diffamierung des Alten Testaments und der paulinischen Rechtfertigungslehre an, nicht aber die dort zum wiederholten Mal erhobene Forderung nach Durchführung des ,Arierparagraphen‘741. Auch später vermied Meiser jedes Aufsehen um den ,Arierparagraphen‘. Als die pfälzische Kirchenleitung 1936 fälschlich behauptete, die bayerische Landeskirche verlange den Ariernachweis, reagierte er empört, denn er befürchtete, dass es zu neuen innerkirchlichen Konflikten und zu einer Beeinträchtigung der Beziehungen zu den Auslandskirchen kommen würde. Zugleich vereitelte er einen zweiten Versuch, den ,Arierparagraphen‘ in die Landeskirche einzuführen, und sorgte dafür, dass aus den Planungen für ein Pfarrergesetz ein Entwurf des Erlanger Oberbürgermeisters Hans Flierl verschwand, der einen ,Arierparagraphen‘ enthielt. Als Meiser 1939 die „Ordnung des geistlichen Amtes“ und die dazugehörigen Kirchengesetze742 erließ, enthielten diese dann auch keinen ,Arierparagraphen‘743. So konsequent Meiser die Einführung des ,Arierparagraphen‘ in die Kirche verhinderte, so zweischneidig war seine grundsätzliche Haltung zu diesem Paragraphen744. Diese Haltung geht aus seiner Reaktion auf das von der Erlanger Fakultät vorgelegte „Theologische Gutachten über die Zulassung von Christen jüdischer Herkunft zu den Ämtern der Deutschen Evangelischen Kirche“ vom 25. September 1933745 hervor. Im Gegensatz zu einem Gutachten der Marburger Theologischen Fakultät, das den ,Arierparagraphen‘ für die Kirche rundweg ablehnte746, gestanden die Verfasser des Erlanger Gutachtens Paul Althaus und Werner Elert nicht nur dem Staat, sondern auch der Kirche zu, die Zulassung zu ihren Ämtern von rassisch-biologischen Kriterien ab738 Vgl. das Schreiben Nürnberger Pfarrer an die Amtsbrüder vom 14. 9. 1933 (LAELKB, NL Kern, Georg 8.7.0042-1; vgl. auch Tçllner, Frage, 51–53). 739 Vgl. ebd., 55 f. 740 Vgl. oben Kap. III A.1.2. 741 Vgl. Tçllner, Frage, 117; Hermle, Bagatellisierung, 57. 742 Vom 27. 4. 1939 (ABlELKB 1939, 73–87). 743 Vgl. Tçllner, Frage, 259–283. 744 Vgl. dazu und zum Folgenden ebd., 56–65; Kremmel, Pfarrer, 178 f.; und Hermle, Bagatellisierung, 56 f. 745 Abdruck: K. D. Schmidt, Bekenntnisse, Bd. 1, 183–186; Fix, Glaubensgenossen, 135–139. 746 Abdruck: K. D. Schmidt, Bekenntnisse, Bd. 1, 178–182.
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hängig zu machen, und plädierten dafür, dass die Kirche „die Zurückhaltung ihrer Judenchristen von den Ämtern fordern“747 müsse. Dagegen ergriff Meiser Partei für die Pfarrer und Laien des Pfarrernotbunds, für die „mit der Annahme des Arierparagraphen der status confessionis gegeben“ war, und kritisierte, dass das Gutachten nicht stärker „die Irrtümer“ abwies, „die in der Linie einer Überspitzung des Arierparagraphen liegen“. Darüber hinaus gab er zu bedenken, dass „völkische Kreise“ mit dem ,Arierparagraphen‘ den „Begriff der Unterwertigkeit“ und einen „übersteigerte[n] Nationalismus“ verbanden. Dem setzte Meiser entgegen, der göttliche Schöpfungswille begründe zwar eine „rassische Andersartigkeit“ der Völker, nicht jedoch eine unterschiedliche Wertigkeit; die Verabsolutierung der Nation widersprach für ihn dem „Bekenntnis der Christenheit zu Christus als dem Herrn aller Völker“748. Im gleichen Atemzug aber gestand Meiser der Forderung nach dem ,Arierparagraphen‘ einen „berechtigten Kern“ zu, sofern diese sich auf „rein rassebiologische Erwägungen“ stützte749. Zusammen mit seinen Ausführungen vom Januar 1934 in Steinach, wo er es mit Blick auf den NS-Staat ausdrücklich begrüßte, „daß man das Blut wieder zu werten beginnt und das Volk auch in seinem biologischen Aufbau erzieherisch zu beeinflussen sucht“750, bedeutete dies „die Anerkennung einer prinzipiellen Legitimation des Arierparagrafen als Bestandteil eines staatlichen ,rassebiologischen‘ Erziehungswerkes“751. Folglich war es für Meiser auch keine Option, den NS-Staat zur Rücknahme des Paragraphen und der späteren Rassegesetzgebung zu bewegen – und zwar auch dann nicht, als diese Gesetzgebung das Weiteramtieren betroffener Amtsträger der Landeskirche gefährdete. 2.4.3 Umgang mit rassisch verfolgten Amtsträgern der Kirche Die Entrechtung und Verfolgung der Juden wirkte sich auch auf Kandidaten und Pfarrer der bayerischen Landeskirche aus, die selbst oder deren Ehefrauen unter die NS-Rassegesetze fielen. Die Zahl der Betroffenen war relativ gering; 1938 handelte es sich um 13 Geistliche752. Meiser stellte die Beschäftigung dieser Pfarrer nicht in Frage. Er musste aber handeln, wenn Parteifunktionäre und NS-Presse oder auch Gemeindeglieder die betroffenen Geistlichen attackierten. Ebenso war er zu Entscheidungen gezwungen, als sich die Reichskirche wegen der Beschäftigung von „Nichtariern“ einschaltete, 747 Zitat: ebd., 185. 748 Alle Zitate aus dem Schreiben Meisers an Strathmann vom 4. 10. 1933 (zit. nach dem Abdruck bei Fix, Glaubensgenossen, 150). 749 Zitate: ebd. 750 KELGB 59 (1934), 11. 751 Tçllner, Frage, 70; vgl. auch Hermle, Bagatellisierung, 56 f. 752 Vgl. Tçllner, Frage, 305–308; Landeskirchliches Archiv N rnberg, Bruder, 136.
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vor allem aber, als der NS-Staat die Zulassung von Geistlichen zur Erteilung von Religionsunterricht an öffentlichen Schulen vom Ariernachweis abhängig machte. Der erste Angriff auf einen Geistlichen, dessen Ehefrau halbjüdischer Abstammung war, richtete sich gegen den Pfarrer von Großengsee Georg Börner und seine Ehefrau Hilde. Dieser Fall war besonders brisant, weil Börners Frau die Tochter Kurt Eisners war. Als der „Stürmer“ im Herbst 1933 die Hetze gegen Börner einleitete, sah der Landeskirchenrat keinen Anlass, den Pfarrer abzuziehen; er wäre aber bereit gewesen, den von Börner vorübergehend geäußerten Wunsch nach Ruhestandsversetzung zu erfüllen oder ihm zur Ausreise zu verhelfen. Meiser trat im Fall Börner zwar nicht persönlich hervor, war aber insofern betroffen, als die NSDAP Börners Ehe propagandistisch ausschlachtete, um den Bischof zu diffamieren. Holz verbreitete 1936 die Lüge, Börner sei die rechte Hand Meisers gewesen, und die SS-Zeitschrift „Das schwarze Korps“ nutzte den Fall 1937 für ihre Zwecke, um die Bekennende Kirche und Meiser als judenfreundlich zu diffamieren753. Anders entschied der Landeskirchenrat, als der „Stürmer“ im Sommer 1935 gegen den Garmisch-Partenkirchener Pfarrer Ernst Lipffert hetzte, er überlasse seiner von einem jüdischen Vater abstammenden Frau Klementine den Unterricht an arischen Kindern. Die Hasswelle gegen Familie Lipffert, die daraufhin einsetzte, brachte den Landeskirchenrat unter Zugzwang. Er bewertete Lipfferts Amtsführung zwar positiv, stellte sich öffentlich aber nicht vor ihn und kritisierte, Lipffert habe seine Frau bei der Pfarramtsführung und in der Gemeinde zu weit hervortreten lassen. Als dann das Kultusministerium aus staatspolitischen Gründen die Versetzung Lipfferts verlangte, versetzte der Landeskirchenrat ihn in den zeitweiligen Ruhestand. Im Fall Lipffert schaltete sich Meiser persönlich ein: Er versuchte ihm Trost zu spenden und sicherte Lipffert zu, in den Pfarrdienst zurückkehren zu können, sobald es die Verhältnisse gestatten würden. Er setzte sich dann auch für die Berufung Lipfferts nach Himmelkron ein, die im Sommer 1936 erfolgte754. Diese Fälle zeigen, dass Meiser sein Verhalten gegenüber rassisch verfolgten Amtsträgern in den ersten Jahren der NS-Herrschaft im Wesentlichen an zwei Kriterien ausrichtete: Einerseits an der Rücksicht auf äußere Gegebenheiten, wozu sowohl die Stimmung in den Ortsgemeinden als auch die Frage gehörte, ob sich ein Fall im Einvernehmen mit Staat und Partei lösen ließ; andererseits aber auch an seiner Fürsorgepflicht als Dienstherr und oberster Seelsorger der Betroffenen. Zugleich vermied er alles, wodurch die jüdische Herkunft von Pfarrern oder ihren Ehefrauen bekannt geworden wäre. So beantwortete der Landeskirchenrat eine Anfrage des Reichskirchenausschusses vom Frühjahr 1936, wie viele Geistliche der Landeskirche im Sinne des Berufsbeamtenge753 Vgl. Tçllner, Frage, 330–341; Hermle, Bagatellisierung, 57. 754 Vgl. Tçllner, Frage, 179–238; Landeskirchliches Archiv N rnberg, Bruder, 137–139; Hermle, Bagatellisierung, 57 f.; und Dietzfelbinger, Mitarbeit, 34–73.
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setzes als „nichtarisch“ gelten würden, nur ausweichend und verzichtete im Gegensatz zu den deutschchristlichen Landeskirchen und zur intakten hannoverschen Kirche darauf, die Anfrage eilfertig zum Anlass für statistische Erhebungen zu nehmen755. 1938 trat dann allerdings eine neue Lage ein, die unmittelbare Folgen für die betroffenen Pfarrer hatte und die Kirchenleitung zum Handeln zwang. Am 14. März erließ die bayerische Regierung ein Gesetz, das die Zulassung von Pfarrern zur Erteilung von Religionsunterricht nicht nur von der Zustimmung der örtlichen Regierungspräsidenten abhängig machte, sondern auch davon, dass die Geistlichen und ihre Ehefrauen den Nachweis der arischen Abstammung erbrachten756. Andernfalls drohte ihnen zum 1. Januar 1939 der Entzug der Zulassung. Damit war der ,Arierparagraph‘ von Staats wegen faktisch auch in die bayerische Landeskirche eingeführt, denn die Erteilung des Religionsunterrichts gehörte zu den dienstlichen Pflichten der Pfarrer und Vikare757. Meiser stand klar vor Augen, dass es kaum eine Gemeinde gab, in der die Betroffenen noch eingesetzt werden konnten. Er protestierte jedoch nicht und nahm das Gesetz als gegeben hin. Stattdessen veranlasste der Landeskirchenrat jetzt doch noch eine Erhebung zur Feststellung der Betroffenen und beschloss deren Versetzung auf solche Stellen, auf denen sie keinen Religionsunterricht erteilen mussten. Zugleich begann die Suche nach Einzelfalllösungen, bei denen die Pfarrer im Dienst bleiben oder wenigstens ihre wirtschaftliche Grundlage behalten konnten. Diese Lösungen reichten von der Vertretung durch andere Pfarrer oder Zuweisung eines Vikars für den Religionsunterricht bis hin zur Ruheverstandsversetzung. An eine generelle Entfernung aus dem Dienst dachte Meiser nicht758. Als sich die Lage nach dem Novemberpogrom und einem Aufruf des NSLehrerbundes zur Niederlegung des Religionsunterrichts wegen angeblicher Judenverherrlichung im Herbst 1938 dann nochmals zuspitzte759, sah Meiser keine andere Möglichkeit mehr, als den Betroffenen zur Emigration zu verhelfen. Bis dahin sollten sie in den Wartestand versetzt und in einen Kurs gesandt werden, der ihnen Kenntnisse für den Dienst in einer ausländischen Kirche vermitteln sollte760. Auf diese Lösung kam Meiser nicht von ungefähr: Durch Pfarrer Hofmann, den er mit der Betreuung rassisch verfolgter Christen
755 Vgl. Tçllner, Frage, 244–247; Hermle, Bagatellisierung, 57. 756 Vgl. Amtsblatt des bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus Nr. 7 vom 25. 4. 1938, 145. 757 Vgl. Tçllner, Frage, 282–284. 758 Vgl. die Protokolle über die Sitzungen des Landeskirchenrats am 28./29. 6., 31. 10. / 1. 11. und 10. 11. 1938 (LAELKB, LKR 0.2.0003-676); vgl. auch Toellner, Frage, 305–308. 759 Vgl. ebd., 312. 760 Vgl. die Niederschrift über die Sitzung des Landeskirchenrats am 13./14. 12. 1938 (LAELKB, LKR 0.2.0003-676); Toellner, Frage, 312 f.
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beauftragt hatte761, war ihm bekannt, dass der Bischof von Chichester George Bell eine Hilfsaktion plante, die 40 Betroffenen und ihren Familien die Einreise nach England und die Beschäftigung in einer englischen Kirche ermöglichen sollte762. Diese Pläne zerschlugen sich jedoch. Stattdessen kam es zu Lösungen, die sich am jeweiligen Einzelfall orientierten. So versetzte der Landeskirchenrat den 68-jährigen Andreas Zwanzger in den Ruhestand, während sein Sohn Johannes auf Anregung Meisers Pfarrer Hofmann zur Seite gestellt wurde763. Im Fall Börner setzte Meiser sich beim Ortsgruppenleiter der NSDAP dafür ein, die Entziehung des Religionsunterrichts rückgängig zu machen764. Meiser schaltete sich auch ein, als der Augsburger Stadtvikar Wolfdietrich Schröter in die USA gehen wollte, und verschaffte ihm Kontakt zum Präsidenten der United Lutheran Church of North America Frederick H. Knubel765. Diese Lösungen federten meist zwar die schlimmsten Härten ab, in einigen Fällen brachten sie aber dennoch Leid über die Betroffenen und ihre Familien. Dies gilt insbesondere für Julius Steinmetz, den Meiser aus unklaren Gründen als einzigen rassisch verfolgten bayerischen Geistlichen in den Ruhestand versetzte und der erst nach dem Ende der NS-Herrschaft wieder ein Pfarramt erhielt766. Meiser war nicht nur in der eigenen Landeskirche gefordert, eine Strategie zum Umgang mit rassisch verfolgten kirchlichen Amtsträgern zu finden, sondern musste auch über die Übernahme außerbayerischer Geistlicher in den landeskirchlichen Dienst entscheiden. So bemühte sich die Lutherische Bekenntnisgemeinschaft Thüringen im Herbst 1935, den Pfarrer und Leiter des Thüringer Mädchenheims Bad Köstritz Werner Sylten nach Bayern zu vermitteln767. Nach einem diffamierenden Artikel des „Völkischen Beobachters“ verlor er seine Stelle am Mädchenheim und hatte als Bekenntnispfarrer auch keine Aussicht, in den Dienst der radikal deutschchristlichen Thüringer Kirche übernommen zu werden. Dabei war der dortigen Kirchenleitung noch gar nicht bekannt, dass er nach den NS-Rassegesetzen als Halbjude galt768. Dies legte die Thüringer Bekenntnisgemeinschaft allerdings offen, als sie die intakten Landeskirchen von Bayern, Württemberg und Hannover um die Übernahme Syltens bat. Das Gesuch scheiterte in allen drei Kirchen. Meiser
761 762 763 764 765
Vgl. unten Kap. III A.2.4.4. Vgl. Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 3/I, 280–299; Gerlach, Zeugen, 253–255. Vgl. Toellner, Frage, 313 f. Vgl. ebd., 350 f. Schröter wurde dann allerdings eingezogen und fiel 1940 in Frankreich (vgl. Hermle, Bagatellisierung, 59; Tçllner, Frage, 376–393). 766 Vgl. Hermle, Bagatellisierung, 58; Tçllner, Frage, 393–422. 767 Vgl. das Schreiben an den Landeskirchenrat vom 12. 10. 1935 (LAELKB, LKR 0.2.0003-1577). 768 Vgl. dazu und zum Folgenden Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 3/II, 305–330.
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unterzeichnete ein wohl von Sammetreuther formuliertes Schreiben769, in dem er juristisch argumentierte: Der Landeskirchenrat selbst sehe in Syltens Herkunft zwar kein Hindernis, benötige für die Übernahme außerbayerischer Geistlicher jedoch die Zustimmung des Staates770, die in diesem Fall nicht zu erwarten sei771. Sylten arbeitete dann für die Thüringer Bekenntnisgemeinschaft und im Büro Grüber772, bevor er 1942 in der Tötungsanstalt Schloss Hartheim ermordet wurde. 1939 lehnte der Landeskirchenrat auch das Übernahmegesuch des sächsischen Pfarrers Ernst Lewek ab, der sein Amt aus kirchenpolitischen und rassischen Gründen verloren hatte773.
Abb. 50: Pfarrer Werner Sylten
Einzelnen Betroffenen leistete Meiser jedoch im Stillen Hilfe oder beauftragte andere damit. So engagierte er sich dafür, dem wegen seiner jüdischen Her769 Vgl. das Konzept eines Antwortschreibens vom 23. 10. 1935 auf dem oben Kap. III, Anm. 767, erwähnten Schreiben. 770 Vgl. Tçllner, Frage, 241. 771 Vgl. das Schreiben Meisers an die Bekenntnisgemeinschaft vom 29. 10. 1935 (Abdruck: ebd., 243). 772 Vgl. unten Kap. III A.2.4.4. 773 Vgl. Tçllner, Frage, 243 f.; Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 3/I, 300–315.
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kunft zwangspensionierten Potsdamer Superintendenten Carl Gunther Schweitzer zur Emigration zu verhelfen774. Seit dem Novemberpogrom 1938 wurde Schweitzer mit Wissen Meisers in der Münchner Diakonissenanstalt versteckt. Meiser beauftragte Hugo Maser, Kontakt zu kirchlichen Stellen aufzunehmen, die Schweitzer zur Emigration verhelfen konnten775. Dabei kam Maser mit dem Büro Grüber in Kontakt, dem es im März 1939 gelang, Schweitzer die Emigration nach England zu ermöglichen. Während des Krieges war Meiser dann daran beteiligt, dass der Thüringer Pfarrer Hans Ziegler in der bayerischen Kirchenverwaltung untergebracht wurde, um ihn aus dem Blickfeld der Thüringer Kirchenleitung und der Gestapo zu bringen; Ziegler stammte ursprünglich aus Bayern und hatte zu Meisers Kandidaten am Nürnberger Predigerseminar gehört776. 2.4.4 Hilfe für rassisch verfolgte Christen Während Meiser dem Staat eine prinzipielle Berechtigung zugestand, die Rechte von „Nichtariern“ zu beschneiden, verbot sich ihm ein solches Vorgehen im Raum der Kirche. Aufgrund des Universalitätsanspruchs des Christentums stand für ihn außer Frage, dass Gemeindeglieder, die selbst oder deren Vorfahren zum Christentum konvertiert waren, vollgültige Glieder der Kirche waren. So ließ er Langenfaß einem besorgten „nichtarischen“ Gemeindeglied im Frühjahr 1933 mitteilen, dass er in „vollem Sinn evangelischer Christ“ sei und „in der Kirche entsprechend geachtet und behandelt“ werden müsse, weil sich die Kirche „nie darauf einlassen“ könne, dass „in ihr die Wirksamkeit des Sakraments der heiligen Taufe angezweifelt wird“777. Auf diesem Standpunkt blieb Meiser bis zum Ende der NS-Herrschaft778. Als die oberste Behörde der Reichskirche die Landeskirchen Ende 1941 dazu aufforderte, „nichtarische“ Christen vom Gemeindeleben auszuschließen, ignorierte der Landeskirchenrat diese Aufforderung und wies die Geistlichen an, die Seelsorge an den Betroffenen fortzuführen, sofern dies von diesen erwünscht sei779. Meiser wandte sich auch gegen die Ablehnung, die rassisch verfolgte Christen durch andere Gemeindeglieder erfuhren, und sah darin ein
774 Zum Werdegang Schweitzers und zu seiner Emigration vgl. Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 2/II, 212–225. 775 Vgl. Baier, Kirche in Not, 232 f., Anm. 17a. 776 Vgl. die schriftliche Auskunft des Zentralarchivs der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau vom 5. 12. 2019; vgl. auch Fiedler, Ziegler; Baier, Liebestätigkeit, 169. 777 Schreiben Langenfaß’ vom 10. 5. 1933 (zit. nach B hler, Kirchenkampf, 247). Zu einer ähnlichen Anfrage eines Gemeindeglieds 1935 vgl. Besier, Kirchen, 353. 778 Vgl. ebd.; Fix, Glaubensgenossen, 24, Anm. 25. 779 Vgl. Baier, Kirche in Not, 231 f.; Hermle, Bagatellisierung, 62 f.; vgl. auch Baier, Landeskirche, 92.
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Zeichen, „wie wenig unsere Gemeinden für den Gedanken echter christlicher Gemeinschaft reif sind“780. Trotz des klaren Bekenntnisses zum Verbleib der Betroffenen in der Kirche und seines Bedauerns über ihre Nöte781 vergingen aber mehr als fünf Jahre, bis Meiser sich entschloss, rassisch verfolgten Christen in größerem Umfang kirchliche Hilfe zukommen zu lassen. Zuvor versuchte er nur, einzelnen Betroffenen zur Emigration zu verhelfen782, etwa im Fall eines Nürnberger Diplomkaufmanns und eines weiteren Auswanderungswilligen, für die er sich 1936 im Zusammenhang einer USA-Reise bei Knubel verwendete783. Erst als die NS-Rassepolitik 1938 in offene Verfolgung überging und die betroffenen Gemeindeglieder in immer schwerere Notlagen gerieten, wurde ihm klar, dass auf Seiten der Kirche dringender Handlungsbedarf bestand. Mit seiner Entscheidung, den Betroffenen und ihren Angehörigen organisierte kirchliche Hilfe zu gewähren, setzte er im Herbst 1938 dann ein nach seinem bisherigen Verhalten in dieser „Deutlichkeit nicht zu erwartendes Zeichen“784. Der Anstoß dazu kam aus der außerbayerischen Bekennenden Kirche, die bisher ebenfalls weitgehend untätig geblieben war. Auf Anregung des badischen Pfarrers Hermann Maas hatte das Mitglied der Zweiten Vorläufigen Kirchenleitung Martin Albertz im Frühjahr 1938 den Berlin-Kaulsdorfer Pfarrer Heinrich Grüber beauftragt, Hilfe für rassisch verfolgte Christen zu organisieren. Grüber hatte daraufhin begonnen, um Mitarbeiter zu werben und ein deutschlandweites Netzwerk von Hilfsstellen aufzubauen. Ende 1938 mietete er in Berlin Räume für eine zentrale Hilfsstelle an, für die sich die Bezeichnung Büro Pfarrer Grüber einbürgerte. Diese Hilfsstelle versuchte, den Betroffenen zur Emigration zu verhelfen, nahm sich der materiellen Not von Armen und Erwerbslosen an, vermittelte Heimplätze für Alte und Kranke und leistete Seelsorge an den verzweifelten Menschen785. Am 26. September 1938 bat Grüber Meiser, ihm für die Arbeit an den rassisch verfolgten Christen einen Beauftragten aus der bayerischen Landeskirche zu benennen786. Meiser, der über Grübers Pläne bereits vom Lutherrat informiert worden war, veranlasste, dass Grübers Bitte schon zwei Tage später 780 Schreiben Meisers vom 16. 4. 1940 (zit. nach Tçllner, Frage, 411, Anm. 1817). 781 Vgl. das bei Kremmel, Pfarrer, 177, zit. Schreiben Meinzolts an ein betroffenes Gemeindeglied vom 8. 9. 1933. 782 In den Jahren von 1934 bis 1936 soll Meiser dem „Blutordensträger“ Hans Michael Schmidt, der Kontakte zu hohen Parteistellen in Berlin hatte, konspirativ Namenslisten von rassisch Verfolgten übergeben haben, um deren Emigration zu ermöglichen; außer durch eine mündliche Aussage von Schmidts Sohn sind diese Vorgänge allerdings nicht belegt (vgl. Kitzmann, Landesbischof, 222 f.). 783 Vgl. unten Kap. III B.5; Fix, Glaubensgenossen, 41; und Tçllner, Frage, 369, Anm. 1599. 784 Fix, Glaubensgenossen, 23. 785 Vgl. Ludwig, Seite, 15–86; Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 3/I, 93–107, 121–133. 786 Abdruck des Schreibens: Fix, Glaubensgenossen, 153; vgl. dazu und zum Folgenden ebd., 41–46; Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 3/I, 122–125; Baier, Liebestätigkeit, 148–151; und Tçllner, Frage, 359–361.
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im Landeskirchenrat behandelt wurde. Auf Vorschlag Meisers setzte der Landeskirchenrat den 1. Vereinsgeistlichen der Inneren Mission in München Friedrich Hofmann zum nebenamtlichen Beauftragten für rassisch verfolgte Christen ein787. Nach dem Novemberpogrom stellte sich dann schnell heraus, dass diese Beauftragung bei weitem nicht ausreichte, um der sprunghaft ansteigenden Zahl der Hilfsgesuche gerecht zu werden. Hofmann war stark überlastet und wurde deshalb bei Meiser vorstellig, um die Abstellung einer hauptamtlichen Kraft zu erreichen. Daraufhin setzte Meiser sich Ende November 1938 im Landeskirchenrat dafür ein, finanzielle Mittel in Höhe von mehreren tausend Reichsmark zur Verfügung zu stellen; auf Antrag Meinzolts wurde schließlich ein Betrag von 10.000,– RM aus landeskirchlichen Mitteln bewilligt. Die Unterstützung der bayerischen Arbeit an rassisch verfolgten Christen wurde bis 1945 fortgesetzt, zudem erhielt auch das Büro Pfarrer Grüber beachtliche Mittel. Einem Vorschlag Meisers folgend, beschloss der Landeskirchenrat im Rahmen der Diskussionen über die Verwendung „nichtarischer“ Pfarrer außerdem, den Thüngener Pfarrer Johannes Zwanzger788 zur Unterstützung Hofmanns nach München zu berufen. Kurz darauf folgte der Beschluss, den „halbjüdischen“ Steinheimer Pfarrer Hans-Werner Jordan789 – allerdings gegen dessen ausdrücklichen Willen – nach Nürnberg zu versetzen, um dort rassisch verfolgte Christen zu betreuen. Die Hilfsstellen in München und Nürnberg nahmen ihre Arbeit im Januar 1939 auf. Um nicht das Risiko einer sofortigen Schließung einzugehen, wurde die Hilfsstellentätigkeit bei der Reichsstelle für Auswanderungswesen und der Gestapo angemeldet790. Wie beim Büro Grüber lagen die Schwerpunkte der Arbeit bei seelsorgerlicher Betreuung, Hilfe bei der Emigration, Arbeitsplatzsuche, Hilfe bei der Wohnungssuche und Kontakten mit Behörden sowie der Unterbringung von Alten und Kranken in Heimen. Letzteres war ein besonderes Anliegen von Meiser, der Zwanzger mit der Errichtung eines Altenheims für rassisch verfolgte Christen beauftragte791. Bis zur Jahreswende 1940/41 wurden von der Münchner Hilfsstelle 530 Personen betreut, von denen 65 emigrieren konnten; in Nürnberg wanderten von ca. 360 betreuten Personen 61 aus792. Zwanzger übte seine Tätigkeit in München im Rahmen eines „überkon-
787 Als Direktor des Nürnberger Predigerseminars war Meiser Hofmanns Mentor gewesen; später hatte er dafür gesorgt, dass Hofmann die Stelle des Vereinsgeistlichen erhielt (vgl. Baier, Liebestätigkeit, 39 f.). 788 Zu Zwanzger, dessen „Rassestatus“ ungeklärt war, vgl. Tçllner, Frage, 352–355. 789 Vgl. ebd., 355–359. 790 Vgl. Fix, Glaubensgenossen, 46–48; Ders., Landesbischof, 227. 791 Vgl. Fix, Glaubensgenossen, 55 f.; vgl. auch die ebd., 165–192, abgedruckten Tätigkeitsberichte von Zwanzger und Jordan. 792 Vgl. Fix, Landesbischof, 232.
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Abb. 51: Hans-Werner Jordan und Johannes Zwanzger
fessionellen ,Netzwerks‘“793 aus und erstattete Meiser auf dessen Wunsch regelmäßig Bericht794. Die Bedeutung des Bischofs hob Zwanzger im Rückblick mehrfach hervor: Dabei stellte er das große persönliche Interesse Meisers heraus und betonte, wie hoch es die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Büro Pfarrer Grüber „unserem Herrn Landesbischof D. Meiser anrechneten, dass er das Ansehen der ganzen bayerischen Landeskirche hinter diese Arbeit stellte“795. Meiser sicherte Zwanzger seine Rückendeckung zu und forderte ihn auf, sich bei Fragen nach seinem Auftraggeber direkt auf ihn zu berufen. Außerdem plante Meiser eine Intervention bei Göring; dies scheiterte allerdings daran, dass Zwanzger nicht mehr das erforderliche Material zusammenstellen konnte, weil er im Herbst 1941 zum Militär eingezogen wurde796. Im Rückblick gestand Zwanzger zwar zu, wie wenig er für die Betroffenen tun konnte und dass seine Bemühungen oft vergeblich blieben, warf aber insgesamt ein positives Licht auf Meiser und die Landeskirche, die „unter allen Landeskirchen in Deutschland die einzige gewesen“ sei, „die die Not der Nichtarier zur Sache der ganzen Kirche gemacht hat, während andere Landeskirchen einen gewissen Abstand wahrten und diese Tätigkeit in der Regel privater Initiative überliessen“; die Hilfsstellen hätten „in verschiedenen 793 Fix, Glaubensgenossen, 58; vgl. auch Zwanzger, Jahre, 12 f. 794 Vgl. Fix, Glaubensgenossen, 49, Anm. 73; Baier, Liebestätigkeit, 166. 795 Bericht Zwanzgers an den Landeskirchenrat „Betreff: Betreuung der nichtarischen Christen“ vom 25. 8. 1945 (Abdruck: Fix, Glaubensgenossen, 188–192, Zitat: 189). 796 Vgl. Zwanzger, Jahre, 18.
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Fällen wirkliche Hilfe“ leisten und „Menschen vor dem sicheren Tode bewahren können“, wofür Meiser und Oberkirchenrat Greifenstein besonderer Dank gebühre797. Tatsächlich gab es keine Landeskirche, die in solchem Umfang organisierte Hilfe für rassisch verfolgte Christen leistete wie Bayern. Selbst die württembergische Landeskirche zögerte zunächst, bevor sie einen Beauftragten einsetzte und das Büro Grüber unterstützte798. Marahrens lehnte für Hannover von vornherein ab799 und auch bei den übrigen im Lutherrat organisierten Kirchen blieb das Echo auf Grübers Aufrufe enttäuschend800. Auf Distanz gingen auch die oberste Behörde der Reichskirche und der Centralausschuss für die Innere Mission801. In den deutschchristlich geleiteten Landeskirchen nahmen sich die Bruderräte der rassisch verfolgten Christen an802, hatten aber keine Möglichkeit, ihre Hilfsstellen auf kirchenamtlicher Ebene zu organisieren. Dazu waren nur die intakten Landeskirchen in der Lage. Bei der Hilfe für rassisch verfolgte Christen nutzte Meiser seinen Handlungsspielraum voll aus und trug damit maßgeblich zur Rettung von Menschenleben bei. Im Gegensatz zu Zwanzger äußerte sich Jordan über die Hilfsstellenarbeit vernichtend: Jordans Urteil war von der Frustration über seine persönliche Lage und die Zwangsversetzung gefärbt803, er sah aber erheblich schärfer, welche zusätzliche Belastung es für die Betroffenen darstellte, „dass die Kirche als Gesamtheit sich der nichtarischen Christen nie öffentlich angenommen und sich nie öffentlich zu ihnen bekannt“804 hatte. Damit war auch Meiser angesprochen – und nicht weniger musste ihn Jordans Frage treffen, ob die beiden Hilfsstellen für rassisch verfolgte Christen letztlich „nicht nur Morphium für das Gewissen der Kirche“805 seien. Angesichts von Meisers starkem Engagement war dieser Vorwurf zwar ungerecht, aber mit dem Hinweis auf das jahrelange Ausbleiben einer öffentlichen Solidaritätsbekundung legte Jordan treffsicher den Finger in die Wunde. Tatsächlich hatte Meiser so lange geschwiegen und mit der Organisation kirchlicher Hilfe abgewartet, bis die Kirche „selbst für die Hilfe für die ,Glaubensbrüder in Not‘ nur noch geringe Handlungsspielräume hatte“806. Die Hilfsstellen wurden erst installiert, als die Möglichkeiten, Betroffenen zur Emigration zu verhelfen oder wenigstens ihr Leid zu lindern, ständig geringer 797 Zitate aus dem oben Kap. III, Anm. 795, erwähnten Bericht (Fix, Glaubensgenossen 192). 798 Vgl. Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 3/I, 125 f., 227; vgl. auch G. Sch fer, Landesbischof, 149 f. 799 Vgl. Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 3/I, 239–241. 800 Vgl. ebd., 246–248. 801 Vgl. ebd., 227–235, 241–245. 802 Vgl. ebd., 127–130. 803 Vgl. Tçllner, Frage, 371. 804 Notiz Meisers über ein Gespräch mit Jordan am 28. 3. 1939 (Abdruck bei Fix, Glaubensgenossen, 193 f., Zitat: 193). 805 Ebd., 194. 806 Ebd., 64.
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wurden, weil sich die NS-Rassepolitik – bis hin zum Auswanderungsverbot 1941 und den Deportationen in die Vernichtungslager – in rascher Folge radikalisierte. Gravierender noch aber war, dass Meiser nur für rassisch verfolgte Christen, nicht aber für Juden kirchlichen Handlungsbedarf sah. Dies schmälert nicht die Rettung von mehr als hundert Menschenleben und auch nicht den großen Mut, der den kirchlichen Beteiligten abverlangt wurde; „angesichts des unermesslichen Leids“ aber, dem die Juden ausgesetzt waren, konnte „selbst die engagierte Hilfe für ,Judenchristen‘ […] nur wie ein Feigenblatt wirken“807.
3. Landesbischof im Krieg (1939 bis 1945) 3.1 Loyalität zu Volk und Vaterland Meiser befürchtete bereits seit dem ersten Tag von Hitlers Herrschaft einen neuen Krieg808. Als diese Befürchtungen mit dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939 und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs809 wahr wurden, machte sich bei ihm ebenso wenig Kriegsbegeisterung breit wie im übrigen deutschen Protestantismus810. Nach seinen Erlebnissen an der Front 1914/15 und anschließend als Pfarrer in München waren ihm die Schrecken moderner Kriegsführung und die Folgen für die Zivilbevölkerung noch stärker bewusst als bei Beginn des Ersten Weltkriegs. Zudem rechnete er damit, dass der NS-Staat seine antikirchlichen Ziele auch im Krieg weiterverfolgen würde811. Trotzdem glaubte er wie die gesamte protestantische Führungselite von den Deutschen Christen bis zur Bekennenden Kirche, die Beteiligung an Hitlers Krieg sei eine Pflicht, die Christen für Volk und Vaterland zwingend zu leisten hätten812. Ähnliche Positionen vertraten auch die katholischen Bischöfe813. Meiser trat bei Kriegsbeginn nicht mit einem eigenen Wort an die Gemeinden heran. Nachdem er Anweisungen für die geistliche Versorgung der Gemeinden und die Fürbitte für „Führer, Heer und Volk“ gegeben hatte814, 807 Hermle, Bagatellisierung, 67. 808 Vgl. das oben Kap. I, Anm. 9, erwähnte Interview. 809 Zum Zweiten Weltkrieg vgl. Evans, Reich, Bd. 3; Beevor, Weltkrieg; und R.-D. M ller, Weltkrieg. 810 Vgl. Oelke, Kirchen, 119 f.; Hermle / Thierfelder, Herausgefordert, 510. 811 Vgl. Baier, Kirche in Not, 59. 812 Vgl. Lienemann, Frieden, 41; vgl. auch die bei Brakelmann, Kirche, 126–135, abgedruckten Verlautbarungen kirchlicher Gremien und Führungspersönlichkeiten. 813 Vgl. Blaschke, Kirchen, 203–205. 814 Vgl. die Bekanntmachung „Kirchliche Maßnahmen im Krieg“ vom 1. 9. 1939 (ABlELKB 1939, 149 f., Zitat: 149).
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übernahm er vielmehr eine Kundgebung der Reichskirche815. Nach der polnischen Niederlage ließ er zum Erntedankfest erneut eine reichskirchliche Abkündigung von den bayerischen Kanzeln verlesen, in der von einer „reichen Ernte“ auf den „polnischen Schlachtfeldern“ die Rede war816. Den verheerenden Inhalt dieser Kanzelabkündigung schrieb Helmut Baier 1968 versehentlich dem Landeskirchenrat – und damit auch dem Bischof selbst – zu817. Mit der Übernahme der staatsloyalen Kundgebungen der Reichskirche wollte Meiser vermutlich die Verbundenheit der Landeskirche mit dem deutschen Gesamtprotestantismus demonstrieren. Dies bedeutete allerdings nicht, dass er dazu bereit gewesen wäre, die innerkirchlichen Konflikte angesichts des Krieges ruhen zu lassen und die Bemühungen um einen kirchlichen „Burgfrieden“ zu stützen, den die bisher widerstreitenden kirchenpolitischen Gruppen nun allseits verkündeten818; vielmehr soll er die Proklamation eines Burgfriedens durch die Reichskirche verhindert haben, weil es in Fragen des Bekenntnisses „vor Gott kein Moratorium gegen könne“819. In seinen eigenen Äußerungen setzte Meiser signifikant andere Akzente als die Leitung der Reichskirche. Zwar war auch er der Überzeugung, dass es für das deutsche Volk bei Hitlers Krieg „um eine Entscheidung auf Leben und Tod“ ging und dass die Kirche sich „in unzertrennlicher Schicksalsgemeinschaft“ mit dem Volk befand820; einen Aufruf aber, in der die Reichskirche in martialischem Ton dazu aufrief, zu den „Waffen aus Stahl […] unüberwindliche Kräfte aus dem Worte Gottes“821 zu reichen, übernahm er für Bayern nicht; ebenso wenig bediente er sich des NS-Jargons der deutschchristlichen Kirchenleitungen822. Meiser dagegen äußerte sich in seiner ersten Predigt nach Kriegsbeginn ähnlich wie im August 1914823: Auch jetzt wieder zeichnete er apokalyptische Schreckensbilder, nach denen Krieg nichts Anderes bedeutete 815 Vgl. das Wort des Leiters der Deutschen Evangelischen Kirchenkanzlei und des Geistlichen Vertrauensrats vom 2. 9. 1939 (GBlDEK 1939, Ausgabe B, 100), das auf Anordnung Meisers und des Landeskirchenrats auch in den bayerischen Gemeinden verlesen werden sollte (ABlELKB 1939, 151). 816 Kanzelabkündigung vom 28. 9. 1939 (GBlDEK 1939, Ausgabe B, 109), deren Verlesung der Landeskirchenrat mit Rundschreiben vom 29. 9. 1939 anordnete (EvAG M nchen, A 30. 3/1). 817 Vgl. Baier, Christen, 341. 818 Vgl. Melzer, Vertrauensrat, 83–85; Meier, Kirchenkampf, Bd. 3, 101–103. 819 Votum Meisers nach einem Bericht Heydrichs, zit. nach Melzer, Vertrauensrat, 84. 820 Grußwort des Landesbischofs an die Geistlichen vom 18. 9. 1939 (ABlELKB 1939, 153 f.; Abdruck u. a.: Brakelmann, Kirche, 129–131; zit. nach dem Abdruck bei H. Meiser, Kirche, Kampf, 119). 821 Aufruf des Leiters der Deutschen Evangelischen Kirchenkanzlei und des Geistlichen Vertrauensrats vom 2. 9. 1939 (GBlDEK 1939, Ausgabe B, 99; Wiederabdruck: Hermle / Thierfelder, Herausgefordert, 548). 822 Vgl. den Aufruf des Thüringer Landesbischofs Martin Sasse vom 1. 9. 1939 (Thüringer Kirchenblatt und Kirchlicher Anzeiger. Gesetz- und Nachrichtenblatt der Thüringer evangelischen Kirche 1939, Ausgabe B, 103). 823 Vgl. oben Kap. II 2.
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als „Entbehrung, Sorge, Krankheit, Schmerz, Trauer und Tod“. Den Fokus legte er auf den Dienst, den die Kirche im Krieg leisten sollte; dieser Dienst bestand für ihn vor allem darin, dass sie „ihres heiligen Trostamtes“ walten und „den Frieden der Ewigkeit“ verkündigen sollte824. In diesem Sinne instruierte Meiser auch die Pfarrer, als er in einem Grußwort das Predigt- und Seelsorgeprogramm für den Krieg vorgab825. Danach sollten nicht aktuelle politische oder militärische Ereignisse im Mittelpunkt der Verkündigung stehen, sondern „weltüberlegene Ewigkeitsgedanken“826. Damit meinte er die Bezeugung der zentralen reformatorischen Botschaft, nämlich die Versöhnung mit Gott durch den Kreuzestod Christi. Dementsprechend machte er den Pfarrern zur Pflicht, „die Augen der Gemeinde auf […] Gott zu richten, dessen Gnade und Barmherzigkeit triumphiert, auch da, wo unsere Augen nur Rätsel, Leid und Dunkel sehen“827. Zudem rief er dazu auf, in einem bußfertigen Tonfall zu predigen. Auf den seelsorgerlich-geistlichen Aspekt beschränkte er sich meist auch in seinen späteren Worten an die Geistlichen828. Meisers Programm war weit von der NS-Kriegsrhetorik entfernt und enthielt auch keine Jubelarien auf den „Führer“. Allerdings spielte auch Meisers Programm dem NS-Staat in die Hände, insofern es nicht nur der Erlangung des persönlichen Heils dienen, sondern auch die Bereitschaft der Gemeindeglieder zur Erfüllung ihrer vermeintlich christlichen Kriegspflichten fördern sollte. Dies kam besonders in einer Anordnung zu Hitlers Geburtstag im April 1940 zum Ausdruck, in der es hieß: „Die Gemeinden unserer Landeskirche […] geloben aufs Neue, den Dienst, zu dem sie der Herr der Kirche berufen hat, mit ganzer Treue auszurichten. Sie sehen darin ihren Beitrag zu dem Werke des Führers, daß sie durch die Botschaft von Jesus Christus den deutschen Menschen hinführen zu den Quellen der Kraft, ihn stark machen für den Kampf, ihn freudig machen zu allem Opfer.“829
Noch deutlicher wurde die systemstützende Funktion des seelsorgerlichen Dienstes der Kirche, als Meiser im Juni 1940 unter dem Eindruck des erfolgreichen Westfeldzugs vor dem Pfarrerverein über die Perspektiven des Pfarrberufs sprach. Dabei betonte er zwar, der Pfarrer müsse sich künftig auf seine geistlichen Funktionen konzentrieren und „wahrhafter Priester und treuer Seelsorger“830 sein, hob aber hervor, die gegenwärtige Stunde erfordere 824 Zitate aus der Predigt Meisers am 3. 9. 1939 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-58 [Nr. 1327]). 825 Vgl. oben Kap. III, Anm. 820. 826 Zit. nach Meiser, Kirche, Kampf, 119. 827 Ebd., 120. 828 Vgl. z. B. sein Wort an die Amtsbrüder vom 7. 4. 1940 (EvAG M nchen, A 30. 3/1). 829 Bekanntmachung vom 17. 4. 1940 (ABlELKB 1940, 33). 830 Ansprache Meisers auf der Tagung des bayerischen Pfarrervereins am 26. 6. 1940 (zit. nach Baier, Kirche in Not, 262).
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Abb. 52: Grußwort Hans Meisers an die Geistlichen (Auszug), 18. September 1939 „das Gelöbnis, daß auch wir evangelischen Pfarrer bereit sind, uns in die Schicksalsgemeinschaft unseres Volkes willig hineinzustellen und, wie immer in solchen Entscheidungsstunden der Nation, uns unserer Verpflichtung für das Ganze bewußt zu sein“,
und brachte die Gewissheit zum Ausdruck,
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„daß auch dieser Krieg bewähren wird, daß der Geist der Tapferkeit, der Treue, der Hingabe und der Vaterlandsliebe im evangelischen Pfarrhaus so gut seine Stätte hat wie in ungezählten anderen Häusern unseres Volkes“831.
Gerade diese Ansprache aber zeigt, dass sich Meisers Loyalität auf Volk und Vaterland richtete, nicht aber auf das NS-Regime selbst, zu dem er inzwischen in weite Distanz gerückt war: Er äußerte sich zwar euphorisch über die mit dem militärischen Erfolg vollzogene Revision von Versailles, erwähnte „Führer“, Staat und Partei aber mit keinem Wort832. Hier spiegelten sich die antichristliche Propaganda und die kirchenfeindlichen Maßnahmen des Regimes, die Meiser im Krieg zu einem enervierenden Defensivkampf gegen die Machthaber zwang, vor allem aber die Befürchtung, das NS-Regime werde die Kirchen auf den Status von religiösen Privatvereinen zurückdrängen, wie es sich im besetzten Polen im sog. Warthegau abzuzeichnen begann833. Die Furcht, das Regime plane die Vernichtung von Christentum und Kirche, brachte er dann auch explizit zum Ausdruck, indem er die „Entscheidungsschwere der weltgeschichtlichen Stunde“ nicht nur in militärischem Erfolg oder Misserfolg, sondern auch darin sah, „ob sie die völlige Lossagung unseres Volkes von Christus bringen wird oder ob auch die neue Welt […] ihre Knie vor Christus beugen wird“834. Vor der Öffentlichkeit der Gemeinden wagte es Meiser zu diesem Zeitpunkt freilich noch nicht, auf die Erwähnung Hitlers zu verzichten und damit die kirchliche Loyalität zum NS-Regime aufzukündigen835. Vielmehr ordnete er nach dem Westfeldzug Dankgottesdienste an, in denen „dem Führer des Reiches Adolf Hitler, dem Schöpfer und obersten Befehlshaber der sieggekrönten Wehrmacht“, gedankt und „um einen baldigen Endsieg zum Segen unseres geliebten Volkes“ gebetet wurde836. Nach der Revision von Versailles kam es aber zu einer einschneidenden Änderung in Meisers Verlautbarungen, denn seither beschränkte er sich auf das, was er theologisch für unbedingt geboten hielt, nämlich die kirchliche Fürbitte für das Staatsoberhaupt, sowie auf formelhafte Beschwörungen des Segens Gottes für Hitler. So verhielt er sich bis 1943, als Bischof und Landeskirchenrat zu Hitlers Geburtstag letztmalig anordneten, „im Allgemeinen Kirchengebet des Führers fürbittend [zu] gedenken und Gott [zu] bitten, daß er ihm mit seinem Geist und seiner Hilfe zur Seite stehe und sein Werk mit seinem Segen kröne“837. Im Gegensatz zu den Deutschen Christen, die bedingungslose Bekenntnisse 831 832 833 834 835 836
Zitate aus der Ansprache Meisers nach M nchenbach, Meiser, 354. Vgl. Baier, Kirche in Not, 261 f. Vgl. G rtler, Nationalsozialismus, 29–71. Zit. nach M nchenbach, Meiser, 354. Vgl. zum Ganzen Oelke, Begeisterung. Bekanntmachung vom 26. 6. 1940 „Dankgottesdienste anläßlich des Waffenstillstandes mit Frankreich“ (ABlELKB 1940, 61). 837 Vgl. die Bekanntmachung vom 15. 4. 1943 (ABlELKB 1943, 23).
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zu Hitler ablegten838, und abweichend von der Reichskirchenleitung, die sich für eine „kritiklose Übernahme staatlicher Propaganda“839 hergab840, unterließ Meiser zeitweise sogar die Fürbitte für Hitler wie vor allem bei Beginn des Rasse- und Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion: Während die Reichskirchenführung Hitler „die unwandelbare Treue und Einsatzbereitschaft der gesamten evangelischen Christenheit des Reiches“ versicherte und ihm überschwänglich dafür dankte, „unser Volk und die Völker Europas zum entscheidenden Waffengange gegen den Todfeind aller Ordnung und aller abendländisch-christlichen Kultur“ aufgerufen zu haben841, hüllte Meiser sich in Schweigen und übernahm jetzt auch nicht mehr die Kundgebungen der Reichskirche842. 1942 und 1944 gab er dann auch keine Anweisungen zur kirchlichen Begehung des „Führergeburtstags“ mehr heraus. Dies bedeutete freilich nicht, dass Meiser die Kirche von der Pflicht entbunden sah, Volk und Vaterland mit allen Kräften zu unterstützen. Im Gegenteil: Ausgehend von einem „religiös überhöhten Volksbegriff“, der den schöpfungsordnungstheologischen Ansätzen von Paul Althaus und Werner Elert nahestand843, sowie der Angst vor dem Bolschewismus erinnerte er die Pfarrer im Januar 1942 nach der ersten sowjetischen Gegenoffensive nachdrücklich an ihre patriotische Pflicht: „Wir stehen für unser Volk ein, […] weil wir vor Gott schuldig würden, wenn wir den Bluts- und Schicksalszusammenhang mit unserem Volk verleugneten. […] Die Folgen eines gegen den Bolschewismus verlorenen Krieges wären unausdenkbar.“844 Auf der Überzeugung, der Kampf für Volk und Vaterland sei unbedingte Christenpflicht, beruhte auch die Anordnung, hingerichteten oder verstorbenen Befehlsverweigerern, Deserteuren und „Wehrkraftzersetzern“ Gedächtnisgottesdienste zu verweigern845. Die deutsche Niederlage vor Stalingrad führte bei Meiser zu einer nochmaligen Zäsur in seinem öffentlichen Verhalten gegenüber dem NS-Staat. Ab Sommer 1943 gab er keine Weisungen mehr heraus, nach denen Pfarrer und Gemeinden Gottes Segen für Hitler oder den „Endsieg“ erbitten sollten. Dazu 838 Vgl. z. B. die Kundgebung der Thüringer Deutschen Christen vom 10. 8. 1941 (Abdruck: Hermle / Thierfelder, Herausgefordert, 561 f.). 839 Ebd., 511 f. 840 Vgl. Melzer, Vertrauensrat, 189–200. 841 Telegramm des Geistlichen Vertrauensrats an Hitler vom 30. 6. 1941 (Abdruck: KJ 1933–1944, 458; Wiederabdruck: Hermle / Thierfelder, Herausgefordert, 550 f.). 842 Nach Baier / Henn, Chronologie, 254, versandte Meiser gemeinsam mit Wurm sogar eine Gegenerklärung gegen das Ergebenheitstelegramm des Geistlichen Vertrauensrats. 843 Vgl. Mensing, Pfarrer, 189 f. (Zitat: 189). 844 Rundschreiben Meisers an die Pfarrer vom Januar 1942 (EvAG M nchen, A 30. 3/1); vgl. M nchenbach, Meiser, 354; vgl. auch das Rundschreiben des Landeskirchenrats vom 17. 12. 1942 mit dem Wort des Landesbischofs zum 1. Weihnachtsfeiertag (EvAG M nchen, A 30. 3/1). 845 Vgl. das Schreiben des Landeskirchenrats an das Dekanat Wassertrüdingen vom 18. 2. 1943 (vgl. Mensing, Pfarrer, 190; Baier / Henn, Chronologie, 265).
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trugen neben der militärischen Lage, den zunehmenden Kriegszerstörungen in Deutschland und der antikirchlichen Politik des Regimes auch seine Kenntnisse über die Morde an Kranken und Behinderten und die Vernichtung der Juden bei. Ein klares Signal seiner Distanz zum NS-Regime gab Meiser nach dem Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944: Während Marahrens die hannoverschen Pfarrer dazu aufforderte, im Kirchengebet „der gnädigen Bewahrung des Führers in Dank und Fürbitte“846 zu gedenken und als Mitglied der Reichskirchenführung ein beschämendes Ergebenheitstelegramm an Hitler mit verantwortete847, blieb Meiser im Gegensatz zum misslungenen Elser-Attentat von 1939848 stumm. Hier verhielt er sich wie sein württembergischer Kollege Wurm. Mit Wurm stimmte Meiser auch bei der Einschätzung der Lage in der Endphase des Krieges überein. In seinem letzten Rundschreiben vor Kriegsende vom Januar 1945 setzte Meiser Leitlinien für die gegenwärtigen und künftigen Aufgaben der Kirche und zeichnete die Deutungsmuster vor, mit denen er in der Nachkriegszeit die NS-Herrschaft und ihr katastrophales Ende interpretierte. Beide Bischöfe hielten an der Loyalität zum eigenen Volk fest und sahen es bis zur Kapitulation nicht als Aufgabe der Geistlichkeit an, das NS-Regime öffentlich anzuprangern. Vielmehr machten sie für Krieg, Zerstörung und millionenfachen Tod den Abfall von Gott und die Selbstvergötterung des Menschen, den Glauben an die Technik und den Verlust der christlichen Moral verantwortlich. Von der gleichen antiemanzipatorischen, ausschließlich an kirchlich-religiösen Kriterien orientierten Perspektive gesteuert wie schon bei der Beurteilung von politischen Ereignissen in Kaiserreich und Weimarer Republik, deuteten sie den Kriegsausgang als Gerichtshandeln Gottes über eine atheistisch gewordene Welt, an deren katastropalen Auswirkungen alle Völker gleichermaßen Schuld tragen sollten849. Bis der Chef der Reichskanzlei Hans Heinrich Lammers Wurm im Frühjahr 1944 verbot, bei Hitler und der Reichsregierung gegen die Kirchenpolitik und die Verbrechen des NS-Regimes zu protestieren850, benannte Wurm als Ursache der Katastrophe allerdings auch die Schuld, die das deutsche Volk auf sich geladen habe „durch die Art, wie der Kampf gegen Angehörige anderer 846 Wochenbrief August Marahrens’ vom 24. 7. 1944 (Abdruck: K ck, Lage, Bd. 3, 1709). 847 Vgl. Melzer, Vertrauensrat, 195. 848 Nach dem Attentat Georg Elsers auf Hitler im Münchner Bürgerbräukeller am 8. 11. 1939 hatte Meiser noch ein Dankgebet für die Bewahrung Hitlers angeordnet (vgl. das Rundschreiben des Landeskirchenrats an die Dekanate vom 9. 11. 1939: EvAG M nchen, A 30. 3/1; vgl. auch M nchenbach, Meiser, 352 f.). 849 Vgl. das Rundschreiben Meisers vom 22. 1. 1945 (Abdruck: H. Meiser, Kirche, Kampf, 164–171); den Hirtenbrief Wurms an die Pfarrer vom 16. 10. 1944 (Abdruck: G. Sch fer, Landesbischof, 464–473); Wurms Wort an die Stuttgarter Pfarrer vom 9. 8. 1943 (Abdruck: ebd., 456–459); und das Wort Wurms an die Reutlinger Gemeinde vom Januar 1945 (Abdruck: ebd., 476 f.). 850 Vgl. das Schreiben Lammers’ an Wurm vom 3. 3. 1944 (LKA Stuttgart, D1/110).
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Rassen und Völker vor dem Krieg und im Krieg geführt worden ist“851. Meiser hingegen sprach nur von einer „vor Gott und Menschen schuldig gewordene[n] Welt“852 und einer großen „Schuldverstrickung“853 vieler Menschen, ohne die Schuld jedoch konkret zu benennen. Dementsprechend unterschieden sich auch die Aufgaben, die die Bischöfe der Kirche zuwiesen: Während Wurm neben die Trostpredigt gleichberechtigt die Bußpredigt und das „Strafamt“854 der Kirche stellte, lag der Fokus in Meisers Rundschreiben auf dem Trost der Vergebung und der Versöhnung mit Gott. Für seine eindimensionale Geschichtsdeutung und die ganz auf die Vergebung gerichtete Verkündigung hat die jüngere Forschung Meiser scharf kritisiert. So urteilte Michael Renner, „Trost und Vergebung“ seien zwar „wesentliche Bestandteile der christlichen Lehre“, Meiser habe in seinem Rundschreiben vom Januar 1945 aber „eine Auseinandersetzung mit dem NSSystem […] bewußt umgangen“ und „eine Analyse der Rolle der evangelischen Kirchen im NS-Staat“ ausgeklammert855. Dieses Urteil mag für die spätere Geschichtspolitik Meisers weithin zutreffen, lässt aber die historische Situation außer Acht: Vor dem Hintergrund verwüsteter Städte, der katastrophalen Versorgungslage, des bevorstehenden Einmarsches alliierter Truppen und des bis zuletzt agierenden NS-Terrorapparats konnte Meiser es wohl kaum als seine vordringliche Aufgabe betrachten, das NS-System und die Rolle der Kirche im NS-Staat einer kritischen Analyse zu unterziehen. 3.2 Defensivkampf gegen den NS-Staat In den ersten Kriegsmonaten hoffte Meiser noch, die NS-Machthaber würde ihren kirchen- und christentumsfeindlichen Kurs korrigieren. Im Oktober 1939 stellte ihm Minister Wagner eine Besserung des Verhältnisses von Staat und Partei zur Kirche in Aussicht856 und Hitler erließ noch im Sommer 1940 eine Anweisung, nach der „alle nicht unbedingt notwendigen Maßnahmen zu vermeiden“ waren, „die das Verhältnis des Staates und der Partei zur Kirche verschlechtern könnten“857. Dies war freilich nur eine Taktik, die es Hitler ermöglichen sollte, den Krieg ungestört von inneren Konflikten zu führen und die Kirche für Kriegszwecke zu instrumentalisieren; zudem wurde die Anweisung von den Staats- und Parteistellen höchst unterschiedlich ausgelegt 851 Wort an die Stuttgarter Pfarrer vom 9. 8. 1943 (Abdruck: G. Sch fer, Landesbischof, 456–459, Zitat: 458). 852 H. Meiser, Kirche, Kampf, 166. 853 Ebd., 168. 854 G. Sch fer, Landesbischof, 469. 855 Renner, Nachkriegsprotestantismus, 118. 856 Vgl. Baier, Kirche in Not, 31 f. 857 Schreiben des Reichsinnenministers an die Reichsstatthalter und Oberpräsidenten vom 24. 7. 1940 (Abdruck: Dokumente, Bd. 5, 177).
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und gab ihnen auch weiterhin die Möglichkeit, „notwendige Maßnahmen“ durchzuführen858. So erlebte Meiser während des Krieges erneut, dass das NS-Regime seine Zusagen nicht hielt und die Kirche mit Einschränkungen, Verboten und dem Entzug von Privilegien in die Defensive trieb. Meiser setzte zwar seine Eingabenpolitik fort, musste aber immer häufiger auf kirchlich organisierte Ersatzlösungen ausweichen. Angesichts der Blockadehaltung des NS-Regimes, das kirchliche Eingaben ignorierte oder abschlägig beschied, blieb Meiser oft auch nur noch übrig, sich den staatlichen Anweisungen zu beugen und sie an die Pfarrer weiterzureichen. Mit öffentlichen Protesten hielt er sich noch stärker zurück als zuvor; dabei beschränkte er sich meist auf indirekte Kritik oder bemühte sich, staatliche Maßnahmen so an die Gemeindeglieder zu vermitteln, dass es nicht zur Beunruhigung oder zu Alleingängen Einzelner kam. In seinen Predigten hingegen äußerte er sich kritischer. Ein herausragendes Beispiel für die Methoden, mit denen das NS-Regime gegen Kirche und Christentum vorging, ist der Schulbereich und besonders der Religionsunterricht, der immer weiter reduziert wurde859. Den Anfang machte das Regime an den Berufsschulen, wo der Religionsunterricht Ende 1939 zu Gunsten der „fachliche[n] und nationalpolitische[n] Erziehung“ beseitigt wurde860. Im Frühjahr 1940 entfiel der Religionsunterricht dann auch in den oberen Klassen der Höheren Schulen; dies wurde mit kriegsbedingtem Lehrermangel und der Notwendigkeit begründet, die „wehrwichtigen Unterrichtsgebiete“ zu stärken861. Den Lehrermangel beförderte der NS-Staat noch, indem er zahlreichen Pfarrern die Zulassung zum Religionsunterricht entzog862. Zudem wurde der Religionsunterricht durch die Entfernung der Note aus den Zeugnisheften entwertet863. Die kirchliche Präsenz an den Schulen wurde ferner durch die Ersetzung des Schulgebets durch NS-Sprüche und Lieder864, die Entfernung von Kruzifixen865 und das Verbot von Schulgottesdiensten866 eingeschränkt. Gegen diese und andere Maßnahmen protestierte Meiser beim bayerischen Kultusministerium oder regte – sofern es sich um Maßnahmen der Reichsregierung handelte – Eingaben der obersten Behörde der Reichskirche an867. 858 Vgl. ebd., XVI–XIX. 859 Vgl. ebd., XXVIf. 860 Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus an die Regierungspräsidenten vom 4. 12. 1939 (BayHStA, MK 42054; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 2, 1701). 861 Runderlass des Reichserziehungsministers vom 20. 3. 1940 (Abdruck: Dokumente, Bd. 5, 130). 862 Vgl. Baier / Henn, Chronologie, 254. 863 Vgl. die Bekanntmachung des Landeskirchenrats vom 25. 2. 1942 (ABlELKB 1942, 31). 864 Vgl. das Schreiben Adolf Wagners vom 23. 4. 1941 (Teilabdruck: Klingler, Dokumente, 28). 865 Vgl. ebd. 866 Vgl. Baier / Henn, Chronologie, 265. 867 Z. B. bei der Entfernung der Religionsnote aus den Zeugnisheften (vgl. Baier, Kirche in Not, 177).
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Bei seinen Protesten berief er sich meist auf Rechtsbestände wie z. B. die Verankerung des Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach der Schule, die der NS-Staat formal nicht aufgehoben hatte868; er berief sich auch auf Aussagen Hitlers, nach denen Partei und Staat sich religiös neutral verhalten sollten, und verwies auf den Schaden, den kirchenfeindliche Aktionen für die Geschlossenheit des Volkes im Krieg anrichten würden869. Die Berufung auf Rechtsbestände und auf Aussagen Hitlers führte freilich nicht zu einem Kurswechsel des NS-Regimes. Nur in Einzelfällen hatten kirchliche Protestnoten noch Erfolg, z. B. beim Verbot kirchlicher Schulaufnahme- und Schulentlassungsfeiern, das nach einer Beschwerde des Landeskirchenrats ausgesetzt wurde870. Bei Maßnahmen von Staat und Partei, die die ganze evangelische Kirche betrafen, legte er nicht in eigenem Namen Protest ein, sondern setzte auf gesamtkirchliche Eingaben, vor allem auf solche der Kirchenführerkonferenz. Dies gilt z. B. für eine Denkschrift an Hitler vom 9. Dezember 1941, in der Wurm im Auftrag der Konferenz die antikirchliche NS-Politik verurteilte871. Im Gegensatz zu anderen Mitgliedern der Konferenz gab Meiser sein Einverständnis auch zu Protesten, die über den kirchenpolitischen Bereich hinausgingen, wie vor allem beim Schreiben an Hitler vom 16. Juli 1943, in dem Wurm sich gegen die Judenvernichtung wandte872. Allerdings wird am Beispiel dieser Eingaben deutlich, dass Meiser sich nicht mehr wie 1933/34 als Sprecher der nicht-deutschchristlichen Kräfte exponierte; diese Rolle übernahm jetzt vielmehr Wurm873. Auch wenn die beiden Bischöfe ihr Vorgehen gegenüber dem NS-Staat oft abstimmten874, gemeinsam bei Reichsministerien vorsprachen875 und ihre Landeskirchen seit Kriegsbeginn verstärkt zusammenarbeiteten876, blieb Meiser hinter den Protesten Wurms zurück. Da der Protest beim NS-Staat kaum noch Wirkung zeigte, bemühte Meiser sich um kirchliche Ersatzlösungen. So ließ er an Stelle des Religionsunterrichts kirchlichen Unterweisungsunterricht einführen. Seine Hoffnung auf ein Entgegenkommen des Staates erfüllte sich jedoch nicht: Als er das Kultusministerium bat, dafür Schulräume zur Verfügung zu stellen, handelte er sich eine
868 Vgl. das Schreiben des Landeskirchenamts an das Bayerische Kultusministerium, den Kreisdekanen und Dekanen mit Rundschreiben vom 9. 7. 1942 zur Kenntnis übersandt (EvAG M nchen, A 30. 3). 869 Vgl. das Schreiben des Landeskirchenamts an das Reichskirchenministerium vom 10. 5. 1941 (LAELKB, KDB 2.2.0003-5; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 2, 1659–1662). 870 Vgl. Baier, Kirche in Not, 175 f.; Baier / Henn, Chronologie, 266 f. 871 Abdruck: G. Sch fer, Landesbischof, 276–279; vgl. auch unten Kap. III A.3.7. 872 Vgl. unten Kap. III, Anm. 1055. 873 Vgl. auch H. Hermelink, Kirche, 506. 874 Vgl. ebd., 538. 875 Vgl. ebd., 558. 876 Vgl. Baier, Kirche in Not, 312–314.
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Absage ein877, sodass nichts anderes übrig blieb, als die Unterweisung außerhalb der Schule zu organisieren878. Eine organisatorische Meisterleistung vollbrachte die von Meiser geführte Kirchenleitung, als die bayerische Staatsregierung 1941 den staatlichen Kirchensteuerabzug abschaffte879. Die Kirchenleitung reagierte mit dem zügigen Aufbau einer eigenen Kirchensteuerorganisation und errichtete 19 Steuerämter; obwohl das NS-Regime diese Ämter torpedierte, arbeitete die kirchliche Steuerverwaltung bereits im ersten Jahr mit großem Erfolg, so dass es nicht zu der vom Staat erhofften finanziellen Abschnürung der Kirche kam880. In der Öffentlichkeit hielt sich Meiser mit Protesten gegen die kirchenfeindliche Politik des NS-Regimes zurück. Neben Befürchtungen, offener Protest werde den Staat erst recht zum Vorgehen gegen die Kirche veranlassen, war es die Überzeugung, die Kirche sei Volk und Vaterland unbedingte Loyaliät schuldig, die sich jetzt besonders hemmend auswirkte. Diese Überzeugung brachte ihn in einen tiefen Zwiespalt zwischen der Wahrung kirchlicher Interessen und patriotischer Loyalität, zumal das Regime viele kirchenfeindliche Maßnahmen mit tatsächlichen oder vermeintlichen Kriegsnotwendigkeiten begründete. Der Zwiespalt zeigte sich z. B. bei seiner Reaktion auf die erzwungene Abnahme von Kirchenglocken zu Kriegszwecken: Einerseits stimmte der Landeskirchenrat die Gemeinden auf Zustimmung zur Abnahme der Glocken ein881, andererseits protestierte Meiser scharf, als die NS-Propaganda fälschlich behauptete, jeder Gemeinde bleibe mindestens eine Glocke erhalten und besonders wertvolle Glocken würden verschont882. Meisers Loyalität zu Volk und Vaterland wurde allerdings überstrapaziert, als das NS-Regime wegen angeblicher kriegswirtschaftlicher Erfordernisse 1941 fast die gesamte kirchliche Presse verbot883. Im Vorfeld hatte er gemeinsam mit Wurm und Vertretern der Bruderräte noch versucht, das drohende Verbot aufzuhalten, und sich bereit erklärt, die kirchliche Presse im gleichen Maße wie die weltliche zurückzufahren; als die zuständigen staatlichen Stellen diesen Vorschlag ablehnten, machte er keinen Hehl daraus, dass er das Verbot für unverhältnismäßig hielt, und kündigte weitere kirchliche Interventionen an884. Da er meinte, das Verbot behindere die Verkündigung des Evangeliums, stimmten Bischof und Kirchenleitung die Gemeinden jetzt 877 Vgl. das Rundschreiben des Landeskirchenrats an die Kreisdekane und Dekane vom 23. 4. 1940 (EvAG M nchen, A 30. 3). 878 Vgl. das Rundschreiben des Landeskirchenrats an die Pfarrer vom 13. 7. 1940 (ebd.). 879 Vgl. das Gesetz über die Erhebung von Kirchensteuern vom 1. 12. 1941 (ABlELKB 1941, 95–97). 880 Vgl. Baier, Kirche in Not, 21–24. 881 Vgl. das bei Mensing, Pfarrer, 189, zit. Rundschreiben an die Pfarrämter vom 17. 12. 1941. 882 Vgl. das Schreiben des Landeskirchenrats an das bayerische Kultusministerium vom 27. 1. 1942 (BayHSta, MK 36964; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 2, 1249 f.). 883 Vgl. Baier, Kirche in Not, 248 f. 884 Vgl. das Rundschreiben des Landeskirchenrats vom 23. 5. 1941 (EvAG M nchen, A 30. 3).
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auch nicht auf Zustimmung ein, sondern forderten sie dazu auf, selbst in die Bresche zu springen und zu lebendigen Boten zu werden885.
Abb. 53: Kanzelverkündigung zu Pfingsten 1941 (Auszug)
Wie schon in den Vorkriegsjahren schlug sich Meisers Unmut am deutlichsten in seinen Predigten nieder. Besonders offen griff er die Beseitigung des Christentums zu Gunsten der NS-Ideologie am Reformationsfest 1941 an: „400 Jahre stand Deutschland im hellen Lichte der Christusbotschaft. Aber nun müssen wir auf einmal hören, daß zu lange schon das deutsche Volk diesem Christus dienstbar war. Nun auf einmal befindet man: Sein Name ist ein Unheilsname, sein Geist ein Verderbensgeist, sein Kreuz eine Beleidigung des germanischen Ehrgefühls. Und durch Wort und Schrift wird verkündet: Wir haben kein Recht, unseren Führungsanspruch in Europa anzutreten, solange wir nicht den Mut haben, die Mächte einer fast 2000jährigen geistigen und politischen Gemeinschaftsidee auf revolutionäre Art zu überwinden und die neue nationalsozialistische Idee an ihre Stelle zu setzen. Dem Deutschen unserer Tage bleibt darum die immerwährende Aufgabe und heilige Verpflichtung, alle Lebenserscheinungen unseres Volkes mit nationalsozialistischem revolutionären Geist zu erfüllen und innerhalb Deutschlands alle Traditionen der alten Welt zu beseitigen. Das ist die radikale Verneinung des Christentums.“886
Meiser blieb nicht bei scharfer Kritik an der antichristlichen NS-Politik stehen, sondern verband damit die Aufforderung an die Gemeinde, das Evangelium standhaft weiter zu verkündigen: „Und wenn man es uns verbietet, wir 885 „Kanzelerklärung für Pfingsten“ 1941 (ebd.). 886 Predigt vom 2. 11. 1941 (Abdruck: H. Meiser, Kirche, Kampf, 121–126, Zitat: 122).
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müssen es dennoch sagen. Wir sagen es der Jugend, wir predigen es auf den Kanzeln, wir bezeugen es an den Gräbern.“887 Zugleich machte er den Gemeindegliedern deutlich, dass sie um des Wortes Gottes willen Verfolgung erleiden müssten: „Um des Wortes willen wurde der Herr selbst ans Kreuz gebracht. Um des Wortes willen wurde die Gemeinde Jesu zu allen Zeiten bedrängt, verfolgt, verlacht und verflucht. Und nun kommt die große Bewährungsprobe. Nun kommt die Frage: Willst Du mit dem Wort Gottes verbunden bleiben, es komme, was da wolle?“888
Angesichts des immer radikaler werdenden NS-Terrors waren dies mutige Worte. Die antichristliche Politik des NS-Regimes führte bei Meiser allerdings auch in den letzten Kriegsjahren nicht zu politischer Opposition. Daran konnte auch die Erkenntnis nichts ändern, dass der NS-Staat – vor allem bei der Judenvernichtung und der Ermordung Kranker und Behinderter – gegen die elementarsten Grundsätze christlicher Ethik verstieß. Abgesehen davon, dass Meiser politischen Widerstand der Kirche nach wie vor für unzulässig hielt, hatte er dafür in der Phase der Radikalisierung des NS-Regimes noch weniger Handlungsspielraum als zuvor, wenn er die Kirche nicht in Gefahr bringen wollte. Allerdings erhoffte Meiser sich von hohen Wehrmachtoffizieren eine Intervention gegen das NS-Regime und machte dafür seinen Einfluss geltend. So gab er 1948 im Spruchkammerverfahren gegen Generaloberst Halder – zu dem er seit 1933 regelmäßig in Kontakt stand – in einem Entlastungszeugnis zu Protokoll, er habe mit Halder mehrfach darüber gesprochen, dass „weite Kreise von der Wehrmacht eine Änderung der unhaltbaren Zustände erwarten“889. Von Halder erhielt er auch Hinweise auf konspirative Planungen im Offizierskorps, ohne jedoch in Einzelheiten eingeweiht zu sein890. Meisers Aussage wird bestätigt durch Berichte des Mitglieds des Kreisauer Kreises Eugen Gerstenmaier, der in die Attentatspläne eingeweiht war und am 20. Juli 1944 verhaftet wurde891. Nach Gerstenmaier hofften Meiser und Wurm auf eine Intervention der Generäle und drängten sogar mehrfach darauf892. Ohne dafür weitere historische Quellen angeben zu können, hat Armin Rudi Kitzmann auf Grund von Gerstenmaiers Berichten893 und Meisers Aussage über seine Gespräche mit Halder den Schluss gezogen, Meiser und Wurm seien über den geplanten Umsturzversuch vom 20. Juli nicht nur informiert, sondern „durch Mit-Wissen und Mit-Planen“ sogar „darin verstrickt“ gewe887 888 889 890 891 892 893
Predigt Meisers am 13. 2. 1944 (Abdruck: ebd., 149–155, 151). Zitate: ebd., 153. Erklärung Meisers vom 13. 9. 1948 (LAELKB, LKR 0.2.0003-152). Vgl. ebd. Vgl. Gniss, Politiker, 121–152. Vgl. Gerstenmaier, Streit, 151, 604, Anm. 2. Vgl. Kitzmann, Landesbischof, 215–217.
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sen894. Für Meiser lassen die unpräzisen, retrospektiv und interessengeleitet verfassten Berichte ein solch weitreichendes Urteil jedoch nicht zu. Während Wurm durch Gerstenmaier tatsächlich in Kontakt zu Widerstandskreisen gebracht und unmittelbar vor dem Attentat auch von dem bevorstehenden Staatsstreich in Kenntnis gesetzt wurde895, lässt sich für Meiser lediglich festhalten, dass er von der Existenz militärischer Umsturzpläne wusste und sich für ein Eingreifen der Generalität stark machte; ein konkretes „Mitwissen“ und „Mitplanen“ für den 20. Juli hingegen ist nicht belegt. Meiser selbst hat eine Beteiligung am politischen Widerstand und am geplanten Tyrannenmord später dann auch bestritten896. 3.3 Engagement für kirchliche Verfolgte und Opfer des NS-Terrors Seit 1933 befand sich vor den Toren Münchens das Konzentrationslager Dachau. Die bayerische Kirchenleitung sah sich für die geistliche Versorgung der evangelischen Häftlinge zuständig und war von Anfang an darum bemüht, ihren Geistlichen Zugang zum Lager zu verschaffen und dort Gottesdienste und Seelsorge zu veranstalten, hatte damit aber keinen dauerhaften Erfolg897. Wegen angeblichen Missbrauchs durch die Häftlinge zog Himmler die Genehmigung zur Durchführung von Gottesdiensten in den Konzentrationslagern 1937 schließlich generell zurück898. Während des Zweiten Weltkriegs waren in Dachau dann neben zahlreichen Geistlichen aus besetzten Gebieten auch evangelische Pfarrer aus verschiedenen deutschen Landeskirchen inhaftiert. 1941/42 nahm das NS-Regime verstärkt evangelische Geistliche in Konzentrationslagerhaft, zudem wurden bisher andernorts inhaftierte Pfarrer nach Dachau überführt899. Meiser bemühte sich während des Kriegs vor allem um humanitäre Erleichterungen für die inhaftierten Geistlichen. An Weihnachten 1940 scheiterte er mit der Bitte, den evangelischen Pfarrern eine Weihnachtsbescherung zukommen zu lassen900. Nach Vorsprache bei staatlichen Stellen und der Lagerkommandantur konnte er aber einige Zugeständnisse wie die Erlaubnis zur 894 Ebd., 217. 895 Vgl. Gerstenmaier, Streit, 159–161, 189; Wurm, Erinnerungen, 170 f. 896 Vgl. sein Votum auf der geschlossenen Sitzung der bayerischen Landessynode am 12. 7. 1946 (auszugsweiser Abdruck: Mensing, Umgang, 192 f.). 897 Vgl. das Schreiben Hofmanns an den Landeskirchenrat vom 11. 3. 1935 (LAELKB, LKR 0.2.0003-2436; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 2, 1117 f.); das Schreiben des Vereins für Innere Mission München an den Landeskirchenrat vom 16. 7. 1936 (LAELKB, LKR 0.2.0003-2436; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 2, 1120 f.); und das Schreiben der Bayerischen Politischen Polizei an den Landeskirchenrat vom 14. 8. 1936 (LAELKB, LKR 0.2.0003-2436; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 2, 1121 f.). Vgl. auch Scherf, Kirche, 67–72 und 78–80. 898 Vgl. ebd., 82. 899 Vgl. ebd., 140–154; Weiler, Die Geistlichen; und Gerhardus / Mensing, Namen, 210–285. 900 Vgl. Baier, Kirche in Not, 114.
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Zusendung von Kleidung und Lebensmitteln erreichen901. Auf Anregung von Pfarrer Hofmann, den die Kirchenleitung bereits 1934 mit der Durchführung von Lagergottesdiensten beauftragt hatte902, setzte Meiser sich im Frühjahr 1941 dann für die Wiederaufnahme der Gottesdienste ein903; die Kommandantur lehnte dies jedoch mit der Begründung ab, dass „im Konzentrationslager Dachau bereits täglich evangelische und katholische Gottesdienste gehalten werden“904. Diese Gottesdienste waren freilich von den inhaftierten Geistlichen selbst organisiert und konnten von den übrigen Häftlingen nicht besucht werden. In Einzelfällen engagierte Meiser sich auch persönlich für inhaftierte Pfarrer und ihre Angehörigen: Dazu gehörte vor allem Niemöller, der 1941 von Sachsenhausen nach Dachau verlegt wurde905. Obwohl zwischen Meiser und Niemöller unversöhnliche theologische Gegensätze und tiefe persönliche Animositäten bestanden, hatte Meiser Niemöller nach dessen Verhaftung 1937 weder die persönliche noch die kirchliche Solidarität aufgekündigt: Zwar unterließ er es 1938 vor dem Prozess gegen Niemöller aus Furcht vor der Reaktion NS-naher Gemeindeglieder, die Gemeinden zu öffentlicher Fürbitte aufzufordern906; er wies aber die Pfarrer an, im persönlichen Gebet und im kleinen Kreis Fürbitte zu leisten907, und bekundete seine persönliche Anteilnahme in Schreiben an Niemöller und an dessen Ehefrau Else908. Er war auch dazu bereit, im Prozess gegen Niemöller als Zeuge der Verteidigung aufzutreten909. Nach der widerrechtlichen Verschleppung Niemöllers in ein Konzentrationslager gab er schließlich doch noch Anweisung zur öffentlichen Fürbitte910 und protestierte beim Reichsjustizminister911. Als Niemöller von Sachsenhausen nach Dachau verlegt wurde, bemühte er sich erfolglos um eine Besuchserlaubnis912. Meiser und seine Frau Elisabeth waren für Else Niemöller eine wichtige 901 Vgl. Scherf, Kirche, 164. 902 Vgl. oben Kap. III, Anm. 332. 903 Vgl. das Schreiben des Landeskirchenrats an die Lagerkommandantur vom 21. 4. 1941 (LAELKB, LKR 0.2.0003-2436; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 2, 1122); vgl. auch Baier, Kirche in Not, 114. 904 Vgl. das Schreiben der Kommandantur an den Landeskirchenrat vom 25. 4. 1941 (LAELKB, LKR 0.2.0003-2436; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 2, 1123). 905 Vgl. D. Schmidt, Niemöller, 156. 906 Vgl. Seiderer, Kirche, 709. 907 Vgl. das Schreiben Meisers an die Pfarrer vom 1. 2. 1938 (LAELKB, KKE 80; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 1, 666). 908 Vgl. die Schreiben Niemöllers an seine Frau Else vom 8. 12. und 30. 12. 1937 (Abdruck: M. Niemçller, Briefe, 150, 194); vgl. auch Verantwortung, Bd. 3, 781. 909 Vgl. Meisers Schreiben an Rechtsanwalt Horst Holstein vom 31. 1. 1938 (LAELKB, LB 0.2.0004446). 910 Schreiben des Landeskirchenrats an alle Pfarrämter vom 4. 3. 1938 (EvAG M nchen, A 30. 15; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 1, 667 f.). 911 Vgl. das Schreiben Meisers vom 19. 3. 1938 (LAELKB, LB 0.2.0004-446). 912 Vgl. Scherf, Kirche, 167.
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Anlaufadresse in München, wenn sie ihren Mann in Dachau besuchte. Von Dezember 1941 bis März 1943 war sie öfter im Hause Meiser zu Gast913. An den unversöhnlichen Standpunkten zwischen Meiser und Niemöller änderte das allerdings nichts: Diese prallten nach Niemöllers Befreiung sofort wieder aufeinander914. Neben Else Niemöller wandte sich auch Margarete Grüber an Meiser, die Ehefrau des seit Dezember 1940 in Dachau inhaftierten Pfarrers Heinrich Grüber; auf ihre Bitte hin setzte Meiser sich bei der Lagerkommandantur dafür ein, Grübers Gesundheitszustand überprüfen zu lassen915, und bemühte sich über Daumiller, Grüber und andere inhaftierte Pfarrer mit Büchern und Abendmahlsgeräten zu versorgen916. Trotz dieses Engagements wurde verschiedentlich behauptet, Meiser habe inhaftierten Pfarrern und kirchlichen Bediensteten in bestimmten Fällen seine Unterstützung versagt und sich nach dem Ende der NS-Herrschaft sogar gegen ein würdigendes Gedenken gestellt. So soll er sich geweigert haben, den 1943 verhafteten und kurz vor Kriegsende im Konzentrationslager Flossenbürg von den Nationalsozialisten ermordeten Dietrich Bonhoeffer in die Fürbittenliste aufzunehmen, weil er ihn für einen politischen Widerstandskämpfer hielt917. Diese Behauptung hat Kitzmann überzeugend widerlegt: Tatsächlich war es nicht Meisers, sondern Bonhoeffers eigener Wunsch, nicht auf der Fürbittenliste geführt zu werden – und zwar mit eben jener Begründung, die Meiser angelastet wurde, nämlich dass auf diese Liste nur solche gehörten, die wegen ihrer kirchlichen Tätigkeit verhaftet wurden, nicht aber auf Grund politischer Betätigung918. Eine Legende ist auch die bis in die jüngere Vergangenheit kolportierte Behauptung des Bonhoeffer-Vertrauten und -Biographen Eberhard Bethge, Meiser habe sich im April 1953 geweigert, an der Enthüllung einer Gedenktafel für Bonhoeffer in Flossenbürg teilzunehmen. Auch hier soll Meiser argumentiert haben, bei Bonhoeffer habe es sich „nicht um einen christlichen, sondern nur um einen politischen Märtyrer“919 gehandelt. Zwar scheint es der Landeskirchenrat 1951 tatsächlich abgelehnt zu haben, die ursprünglich auf Meisers späteren Amtsnachfolger Hermann Dietzfelbinger zurückgehende
913 Vgl. das „Tagebuch von Else Niemöller, geb. Bremer (v. 19. Nov. 1941 bis 6. Juli 1943) Aufstellung der wichtigsten bzw. bemerkenswertesten Einträge“ (Privatbesitz Heinz Hermann Niemöller). 914 Vgl. das Schreiben Meisers an Wurm vom 16. 8. 1945 (LAELKB, LB 0.2.0004-407); vgl auch Bentley, Niemöller, 204 f. 915 Vgl. das Schreiben Meisers vom 25. 3. 1942 (LAELKB, LB 0.2.0004-405; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 2, 1123). 916 Vgl. das Schreiben Meisers an Margarete Grüber vom 29. 1. 1943 (LAELKB, LB 0.2.0004-405; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 2, 1123 f.). 917 So – ohne Beleg – H. Blendinger, Aufbruch, 148. 918 Vgl. Kitzmann, Landesbischof, 225 f. 919 Bethge, Ohmmacht, 143 (ohne Beleg); zur Entstehung der Gedenktafel und den Vorgängen um deren Enthüllung vgl. Skriebeleit, Erinnerungsort, 253–259.
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Anregung zur Anbringung einer Gedenktafel in eigener Regie zu realisieren920; von einer Weigerung Meisers, an der Enthüllung teilzunehmen, kann jedoch keine Rede sein: Vielmehr war nicht der Bischof, sondern der zuständige Kreisdekan eingeladen; zudem hätte Meiser gar nicht teilnehmen können, weil er sich zu diesem Zeitpunkt auf einer Dienstreise in Italien befand921. Besonders schwerwiegende Vorwürfe hat Hasso von Haldenwang in seiner Biographie über den Direktor der Ansbacher Landeskirchenstelle Friedrich von Praun erhoben922. Von Praun hatte im bayerischen Kirchenkampf treu auf Seiten Meisers gestanden923 und war den Nationalsozialisten mehrfach negativ aufgefallen, u. a. weil er den Deutschen Gruß und die Beflaggung seines Dienstgebäudes mit der Hakenkreuzfahne verweigerte924. Zum Verhängnis wurde ihm 1943 eine unbedachte Äußerung in einem Luftschutzkeller: Weil er bemerkte, jetzt könne nicht mehr Görings Luftwaffe, sondern nur noch Gott helfen, wurde er auf Grund einer Denunziation verhaftet und vor dem Sondergericht Nürnberg angeklagt. Als sein Verfahren nach mehrmonatiger, qualvoller Haft an den Volksgerichtshof überwiesen wurde und ihm die Todesstrafe drohte, verstarb er im April 1944 unter bis heute ungeklärten Umständen in seiner Zelle. Als offizielle Todesursache wurde Selbstmord angegeben925. Zu Meisers Verhalten während der Haft von Prauns ist lediglich bekannt, dass er mit Rechtsanwalt Horst Holstein Kontakt aufnahm, der häufig für die Bekennende Kirche tätig war, und diesen davon in Kennntnis setzte, dass die Kirchenleitung beim Polizeipräsidenten um Auskunft über die gegen von Praun erhobenen Vorwürfe gebeten hatte926. Zudem besprach Meiser sich nach von Prauns Verhaftung regelmäßig mit dessen Ehefrau Irene927. Zu einem Besuch des Bischofs im Gefängnis kam es nicht928. Auch der Verhandlung vor dem Nürnberger Sondergericht blieb Meiser fern. Es waren aber der mit dem Fall betraute juristische Oberkirchenrat Richard Pflügel und der Nürnberger Vereinsgeistliche Julius Weichlein anwesend; der Verhandlung vorausgegangen waren Überlegungen, ob eine größere kirchliche Abordnung von Praun vor Gericht nicht eher schaden würde929. Nach dem Tod von Prauns war es dann Meiser selbst, der Irene von Praun die Todesnachricht überbrachte und 920 Vgl. ebd., 255; der Landeskirchenrat war in die Realisierung der Gedenktafel dann aber über den hauseigenen Baurat eingebunden (vgl. ebd., 257). 921 Vgl. Kitzmann, Landesbischof, 223–225. 922 Vgl. Haldenwang, Praun. 923 Vgl. ebd., 58–60. 924 Vgl. ebd., 47 f., 55. 925 Vgl. ebd., 90–134. 926 Vgl. ebd., 95. 927 Vgl. die Einträge in Meisers Amtskalender vom 29. 11. und 22. 12. 1943 sowie vom 25. 1., 15. 2. und 19. 3. 1944 (LAELKB, NL Meiser Hans 8.7.0008-207 und 208). 928 Vgl. Haldenwang, Praun, 139. 929 Vgl. ebd., 105–107.
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dafür sorgte, dass sie von Pflügel und dessen Frau nach Nürnberg ins Gefängnis begleitet wurde930. Auf Druck der Gestapo musste sich die Kirchenleitung verpflichten, auf der Trauerfeier „Ausführungen über die Straftat und die Haft“ zu unterlassen931, was von der Gestapo vor Ort auch überwacht wurde. Meiser lehnte es zwar ab, die Aussegnung persönlich zu übernehmen932, war aber trotz der Brisanz des Falls anwesend und würdigte in einer Trauerrede tief bewegt Persönlichkeit und Wirken des Verstorbenen; am Schluss deutete er den mutmaßlichen Selbstmord an, ohne diesen jedoch zu verurteilen933. Die Witwe von Prauns war über die kirchlichen Reden enttäuscht, weil sie meinte, ihr Mann sei als Märtyrer gestorben. Als sie an den Sarg trat und den Tod ihres Mannes durch die Rezitation von Seligpreisungen Jesu zum Märtyrertod stilisierte, verließen Meiser und sein Gefolge die Trauerfeier – möglicherweise aus Furcht, die Feier werde zur verbotenen politischen Demonstration geraten934. Zu einem Zerwürfnis zwischen Irene von Praun und Meiser kam es jedoch nicht: Nach dem Krieg korrespondierten sie gelegentlich935; zudem war von Praun das einzige kirchliche Opfer des NS-Terrors, das Meiser vor der Landessynode im Juli 1946 namentlich würdigte936. Nach von Prauns Biograph Hasso von Haldenwang soll das Verhalten des Bischofs ein Totalversagen gewesen sein: Er warf Meiser vor, er habe sich nicht für seinen Untergebenen eingesetzt937, sich um die Aussegnung „gedrückt“938, in der Trauerrede „ohne Not“939 die Selbstmordthese bestätigt und jedes menschliche Mitgefühl vermissen lassen940. Meisers würdigendes Gedenken von 1946 deutete er schließlich als Beleg, dass ihn nachträglich das Gewissen plagte941. Dazu hat der Pfarrer und Kirchenhistoriker Wolfgang Huber zutreffend festgestellt, dass es sich um eine „sachlich nicht gerechtfertigte Polemik“942 gegen Meiser handelt, die von den Quellen nicht gedeckt wird. Nach Huber diente von Haldenwang das Negativbild Meisers dazu, von Praun „nur um so
930 931 932 933 934 935 936 937 938 939 940 941 942
Vgl. ebd., 109. Vgl. den Beschluss des Landeskirchenrats vom 21. 4. 1944, zit. nach dem Abdruck ebd., 109. Vgl. ebd., 129. Abdruck der Rede: W. Huber, Praun, 270; vgl. auch den von Meiser gezeichneten Nachruf vom 2. 5. 1944 (ABlELKB 1944, 26.) Vgl. Haldenwang, Praun, 117–120; vgl. auch den Bericht Wolfgang Schaudigs über die Bestattung von Prauns am 22. 4. 1944 (Abdruck: W. Huber, Praun, 272–276, hier: 275). Vgl. den ebd., 277–279, abgedruckten Schriftverkehr. Vgl. Landessynode Ansbach 1946, 15. Vgl. Haldenwang, Praun, 135. Ebd., 129. Ebd., 119. Vgl. ebd., 139. Vgl. ebd., 141. W. Huber, Praun, 248.
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Abb. 54: Beschluss des Landeskirchenrats über die Trauerfeier für Friedrich von Praun, 21. April 1944
heller erstrahlen“943 zu lassen, um seine These zu stützen, von Praun sei ein „Märtyrer“944 und „Zeuge des Widerstands“945 gewesen, dem ein „gebührende[r] Platz in der Geschichte des Widerstands gegen den Nationalsozialismus“946 eingeräumt werden müsse. Angesichts der ungenügenden Quellenbasis und der methodischen Mängel der Biographie resümierte Huber, von Haldenwang habe eine Legende konstruiert, die weder Meiser noch von Praun gerecht werde, nämlich die Legende „vom ,antifaschistischen‘ Widerstandskämpfer, der von seinem Bischof im Stich gelassen wurde“947. Im Gegensatz zur Darstellung von Haldenwangs lassen die bloßen Fakten auch ganz andere Deutungen zu: Meisers Fernbleiben vom Gefängnis etwa könnte nicht mangelnder Solidarität, sondern anderen Faktoren geschuldet gewesen sein, z. B. Befürchtungen, ein Besuch werde von Praun schaden948; Meisers Abgang von der Trauerfeier könnte nicht aus Feigheit erfolgt sein, sondern um ein Eingreifen der Gestapo zu verhindern und die Witwe zu schützen949. Belege existieren weder für die eine noch für die andere Deutung. 943 944 945 946 947 948 949
Ebd., 244. Haldenwang, Praun, 11. So der Untertitel der Biographie von Haldenwangs. Haldenwang, Praun, 157. W. Huber, Praun, 249. Vgl. ebd., 245. Vgl. ebd., 238.
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Letztlich bedarf es aber keiner Spekulationen, um Meisers Verhalten zu erklären, denn es entsprach dem Muster, nach dem er sich auch bei der Verfolgung anderer kirchlicher Bediensteter verhielt: Der Bischof und seine Mitarbeiter versuchten bei Staats- und Parteistellen die Lage zu sondieren und den Betroffenen durch Fürsprache oder juristischen Beistand zu helfen; dabei bewegten sie sich stets nur im Rahmen des vom NS-Staat Erlaubten oder Geduldeten und vermieden jede direkte Konfrontation, um die Kirche und nicht zuletzt die Betroffenen selbst zu schützen950. Wesentlich andere Handlungsoptionen standen Meiser unter den Bedingungen des NS-Terrors der letzten Kriegsjahre auch kaum mehr zur Verfügung. 3.4 Aufrechterhaltung der geistlichen Versorgung Der Zweite Weltkrieg brachte für die geistliche Versorgung der Gemeinden erhebliche Beeinträchtigungen mit sich. Rasch entwickelte sich die steigende Zahl der Einberufungen von Pfarrern zum Hauptproblem. Zwei Jahre nach Kriegsbeginn beklagte Meiser die daraus resultierenden Einschränkungen von Gottesdiensten, Religionsunterricht und Bibelstunden; mancherorts stand nicht einmal mehr für Kasualien ein Pfarrer zur Verfügung951. Tatsächlich wurden im Verlauf des Kriegs knapp 50 % der Pfarrer eingezogen. Die Listen der gefallenen Theologen im Kirchlichen Amtsblatt wurden stetig länger; am Ende waren 275 gefallene Geistliche und 290 gefallene Pfarrerssöhne zu beklagen, hinzu kamen noch zahlreiche vermisste und kriegsgefangene Pfarrer952. Zu massiven Beeinträchtigungen führten auch die alliierten Flächenbombardements, denen zahlreiche Kirchen und kirchliche Gebäude zum Opfer fielen953. Von den Zerstörungen war auch die Kirchenleitung betroffen: In der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 1943 wurde das Dienstgebäude des Landeskirchenrats – in dem sich auch die Wohnung des Landesbischofs befand – bei einem Luftangriff so stark beschädigt, dass der Landeskirchenrat auf Antrag Meisers ein Ausweichquartier in der Ansbacher Landeskirchenstelle bezog. Im Februar 1944 wurde auch die Landeskirchenstelle zerstört und der Landeskirchenrat wich in provisorische Diensträume im Dekanat aus954. Meiser harrte mit dem Landeskirchenrat bis Kriegsende in Ansbach aus955. 950 Vgl. oben Kap. III A.2.2.4. 951 Vgl. die Kanzelabkündigung Meisers vom 25. 12. 1942 (Abdruck: H. Meiser, Kirche, Kampf, 136 f.). 952 Vgl. Nicolaisen, Herrschaft, 328 f.; Baier, Kirche in Not, 343–345. 953 Vgl. ebd., 346–382. 954 Vgl. den Bericht Theodor Kargs (Abdruck: Kirchenleitung, 90–92); Baier, Kirche in Not, 52. 955 Meiser behielt seinen Dienstsitz zwar in München, hielt sich aber meist in Ansbach auf (vgl. ebd.).
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Da Vertretungslösungen oder die Reaktivierung von Ruhestandspfarrern nicht ausreichten, um den Ausfall von Pfarrern zu kompensieren, mobilisierte Meiser die Gemeinden und forderte die kirchlichen Laien dazu auf, selbst die Initiative zu ergreifen und sich als Lektoren und Kindergottesdiensthelfer zur Verfügung zu stellen oder sich im Religionsunterricht und der Jugendarbeit, in der Seelsorge und bei Verwaltungsarbeiten zu engagieren956. Von großer Bedeutung wurde vor allem die Berufung kirchlicher Laien zu ehrenamtlichen Lektoren. Die ersten Lektoren berief Meiser bereits kurz nach Kriegsbeginn. Sie durften freilich nicht nach eigenem Gusto predigen, sondern mussten die Predigten, die ihnen zur Verlesung zugeteilt wurden, unverändert vortragen957. Möglich wurde die Schaffung des Lektorenamtes, weil nach der im selben Jahr von Meiser erlassenen „Ordnung des Geistlichen Amtes“ jedes getaufte und konfirmierte Gemeindeglied einzelne Aufgaben des geistlichen Amtes ausüben konnte958. Im Frühjahr 1941 erließ Meiser dann eine Ordnung für die Einführung von Lektoren959, nach der er erstmals im Mai 1941 eine Einführung vornahm960. Bei Kriegsende waren in Bayern schließlich ca. 600 Lektoren tätig961. Meiser sah im Lektorenamt zwar eine „Gelegenheit, das allgemeine Priestertum der Gläubigen durch die Tat zu erweisen“962, grenzte es aber scharf gegen das geistliche Amt ab und war nicht bereit, Lektoren die vollen Rechte dieses Amtes zu erteilen963. Die altpreußischen Bruderräte gingen hier erheblich weiter und gestanden ihren Laienpredigern u. a. die Sakramentsverwaltung zu964. In noch höherem Maß als bei männlichen Laien wirkte sich die Abgrenzung vom geistlichen Amt auf die Mitwirkungsmöglichkeiten von Frauen aus. Meiser ließ nicht einmal zu, dass sie als Lektorinnen tätig wurden965. Wortverkündigung durch Frauen im Gemeindegottesdienst war mit seinem schöpfungsordnungstheologisch überhöhten Geschlechterverständnis unvereinbar966. Er war jedoch auf die Mitarbeit von Frauen angewiesen und forderte sie deshalb zur aktiven Mitarbeit u. a. im Kindergottesdienst, in der 956 957 958 959 960 961 962 963 964 965 966
Vgl. die oben Kap. III, Anm. 951, erwähnte Kanzelabkündigung. Vgl. Stein, Laienpredigt, 59 f. Vgl. ABlELKB 1939, 74. Vgl. die Bekanntmachtung des Landeskirchenrats vom 21. 3. 1941 (ABlELKB 1941, 21 f.); die beigefügte Ordnung für die Lektoreneinführung (ebd., 22 f.); vgl. auch Stein, Laienpredigt, 60–62. Vgl. ebd., 61, Anm. 11. Vgl. Nicolaisen, Herrschaft, 328. Zitat aus der oben Kap. III, Anm. 959, erwähnten Bekanntmachung. Vgl. Stein, Laienpredigt, 62. Vgl. ebd., 70–82. Vgl. das Schreiben des Landeskirchenrats an die Dekanate vom 6. 12. 1943 (EvAG M nchen, A 30. 3/1; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 2, 1357 f.; vgl. auch Baier / Henn, Chronologie, 269). Vgl. oben Kap. I 8.
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Abb. 55: Rundschreiben des Landeskirchenrats mit hsl. Unterschrift Hans Meisers an sämtliche Dekanate betr. Lektorendienst (Auszug), 6. Dezember 1943
Alten- und Krankenseelsorge oder der Frauen- und Mütterarbeit auf967. Besonders die Pfarrfrauen wurden zur Mitarbeit herangezogen968. Meiser wusste den Dienst der Pfarrfrauen hoch zu schätzen969, untersagte ihnen allerdings Predigt, Sakramentsverwaltung und den Gebrauch des Pfarramtssiegels970. Die Beauftragung von Theologinnen mit den vollen Pfarramtstätigkeiten oder gar ihre Einsetzung ins geistliche Amt zog Meiser gar nicht erst in Erwägung. Für ihn wie für die gesamte Führungsschicht der Landeskirche war es undenkbar, dass Frauen den Pfarrberuf ausübten. Dies war auch unter Veit nicht anders gewesen: Seit den 1920er Jahren legten zwar einzelne Frauen das Erste Theologische Examen ab, die Kirchenleitung hatte es jedoch bewusst vermieden, Regelungen für ihre Anstellung im landeskirchlichen Dienst zu treffen971. So waren ihnen nur Tätigkeiten z. B. als Katechetin oder Jugendpflegerin geblieben. Daran hatte sich auch unter Meiser nichts geändert, vielmehr hatte sich die Situation der Theologinnen unter seiner Führung noch verschärft: So schlug er 1935 vor, sie sollten sich wie Diakonissen zu einem Mutterhaus zusammenschließen. Nachdem sie erstmals versucht hatten, sich zu organisieren, fiel im gleichen Jahr der Beschluss, Frauen nicht mehr zum landeskirchlichen Examen zuzulassen972. Als die Theologinnen dann Grundlinien für ein „Theologinnenamt“ ent-
967 Vgl. z. B. die „Richtlinien für die kirchliche Versorgung unserer Gemeinden in der Kriegszeit“ vom Februar 1943 (ABlELKB 1943, 9–12). 968 Vgl. die Bekanntmachung vom 14. 5. 1941 (ABlELKB 1941, 42). 969 Vgl. sein Rundschreiben an die im Kriegseinsatz befindlichen Geistlichen vom Januar 1942 (Abdruck: H. Meiser, Kirche, Kampf, 127–130). 970 Vgl. die oben Kap. III, Anm. 968, erwähnte Bekanntmachung. 971 Vgl. N tzel, Entwicklung, 364 f. 972 Vgl. die Entschließung Meisers und des Landeskirchenrats vom 28. 11. 1935 (ABlELKB 1935, 157); vgl. auch das bei N tzel, Entwicklung, 365, zit. Schreiben Meisers an Gerhard Jacobi vom 17. 2. 1936.
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warfen973, wurde dieser Beschluss 1939 zwar wieder aufgehoben; Meiser teilte den Frauen aber zugleich seine „erhebliche[n] theologische[n] und allgemeine[n] kirchliche[n] Bedenken“ mit, „ein Amt der Theologinnen zu schaffen“974. Erst als sich Langenfaß im November 1940 für die Theologinnen verwandte975, war Meiser bereit, Regelungen für die Beschäftigung theologisch gebildeter Frauen zu treffen – allerdings unter Ausschluss von Predigt und Sakramentsverwaltung, mit Frauen und Kindern als Zielgruppe und auch nur als Vikarinnen im Anstellungsverhältnis976. Bis er ein entsprechendes Kirchengesetz erließ, vergingen allerdings noch fast vier Jahre977. Mit seinem rigiden Geschlechtsrollenverständnis stand Meiser nicht allein. Selbst die altpreußische Bekennende Kirche lehnte es ab, Vikarinnen die volle Pfarramtsvertretung zu gewähren; sie durften zwar Sakramente verwalten, die Predigt im Gemeindegottesdienst aber blieb Männern vorbehalten und durfte von Frauen nur dann gehalten werden, wenn dafür kein Mann zur Verfügung stand978. Auch in Württemberg und Hannover blieb Vikarinnen die Pfarramtsvertretung verwehrt; hier wurden den Theologinnen jedoch in Ausnahmefällen die Sakramentsverwaltung und – in Hannover – sogar die Predigt im Hauptgottesdienst zugestanden979. Während in anderen Kirchen einzelne Theologinnen de facto Pfarramtsvertretungen wahrnahmen, war dies in Bayern – nicht zuletzt wegen Meisers Haltung – nicht der Fall980. 3.5 Kirchenleitung ohne Gemeindebasis Zu den Schwierigkeiten bei der Aufrechterhaltung der geistlichen Versorgung kamen noch verfassungsrechtliche Probleme hinzu, die das Gefüge der kirchenleitenden Organe und Meisers außerordentliche Vollmachten betrafen. Kurz nach Kriegsbeginn lief die Amtszeit der Landessynode aus981. Obwohl die Synode seit 1934 nicht mehr getagt hatte, stand die Kirchleitung vor der Frage, ob eine Neuwahl durchgeführt werden sollte; zudem stand zur Disposition, ob der Landesbischof auch weiterhin ohne Zustimmung anderer Instanzen Gesetze erlassen durfte. Diese Fragen waren nicht nur deshalb brisant, weil die Kirchenverfassung eine synodale Vertretung der Gemeinden erforderlich 973 Vgl. ebd., 366 f. 974 Schreiben Meisers an Liesel Bruckner vom 24. 3. 1939 (zit. nach ebd., 371). 975 Vgl. das Schreiben Langenfaß’ an das Münchner Kreisdekanat vom 21. 10. 1940 (LAELKB, BD München [I] 3.7.0033-409; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 2, 1342). 976 Vgl. N tzel, Entwicklung, 371. 977 Vgl. das „Kirchengesetz über das Dienstverhältnis der Vikarinnen (Vikarinnengesetz)“ vom 9. 10. 1944 (ABlELKB 1944, 55–57); vgl. auch N tzel, Entwicklung, 372–374. 978 Vgl. Herbrecht, Vikarinnenausschuß, 355–358. 979 Vgl. N tzel, Entwicklung, 374–377. 980 Vgl. ebd., 379. 981 Vgl. Baier, Kirche in Not, 61.
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machte, sondern auch deswegen, weil vom NS-Staat zu erwarten war, dass er jede Änderung des status quo zum Anlass nehmen würde, der Kirchenleitung seine Anerkennung zu entziehen. Angesichts des Dilemmas zwischen kirchenverfassungsrechtlichen Erfordernissen und den Schwierigkeiten, diese zu realisieren, zogen sich die Debatten über die Neubildung der Synode über Jahre hin. Dabei traten tiefgreifende Differenzen zwischen und innerhalb der kirchenleitenden Gremien zu Tage, in denen Meiser kräftigen Gegenwind erlebte. Diese Differenzen waren nicht neu: Vom Erlass des Ermächtigungsgesetzes982 bis Kriegsbeginn hatte sich das Schwergewicht in der Kirchenleitung auf Bischof und Landeskirchenrat verschoben – zum Missfallen des Landessynodalausschusses, der die Vertretung der Gemeinden in der Kirchenleitung unterrepräsentiert sah und sich nicht zum Befehlsempfänger des Landeskirchenrats degradieren lassen wollte. Meiser war zwar bereit, Vertreter des Ausschusses anzuhören, beanspruchte die letzte Entscheidungsgewalt aber für sich und den Landeskirchenrat. In den letzten Vorkriegsjahren fasste der Ausschuss dann zwar die Wiedereinberufung der Synode ins Auge, setzte dieses Vorhaben angesichts der kirchenpolitischen Entwicklung aber nicht um. Bis Kriegsbeginn blieb auch in der Schwebe, was nach Ablauf der Synodalperiode geschehen sollte983. Nach Kriegsausbruch verlangten NS-Synodale allerdings die Einberufung der Synode. Diesen gefährlichen Vorstoß konnte die Kirchenleitung mit Berufung auf den Kriegszustand abwenden: Meiser kam mit dem Landessynodalausschuss überein, dass eine Neuwahl unter den gegenwärtigen Umständen unmöglich sei; mit seinem Vorschlag, der Ausschuss solle an die Stelle der Synode treten, stieß er allerdings auf Ablehnung. Dies war ein Signal, dass der Bischof seine Auffassungen künftig nicht mehr ohne weiteres gegen den Willen anderer kirchenleitender Organe durchsetzen konnte984. Der zweite Vorstoß kam aus dem Landessynodalausschuss selbst, der im Sommer 1940 beim Landeskirchenrat die Neubildung der Synode beantragte. Der Ausschuss war inzwischen so stark dezimiert, dass er nicht mehr den Anspruch erheben konnte, die Gemeinden zu repräsentieren. Der Landeskirchenrat war allerdings nicht bereit, dem Antrag stattzugeben. Dagegen plädierten vor allem Breit und Meinzolt. Sie argumentierten u. a. mit der Möglichkeit eines Staatseingriffs, vor allem aber hielten sie die Synode für unnötig: Meinzolt glaubte hier Überreste eines kirchlichen Parlamentarismus zu sehen, den er trotz der negativen Erfahrungen mit dem NS-Staat immer noch für unzeitgemäß hielt985. Es ist bemerkenswert, dass Meiser sich jetzt in offenen Gegensatz zu seinen 982 983 984 985
Vgl. oben Kap. III A.1.1. Vgl. Henn, Führungswechsel, 398–402. Vgl. ebd., 402–406. Vgl. ebd., 406–422.
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engsten Mitstreitern setzte: Gegen die Mehrheit im Landeskirchenrat vertrat er die Auffassung, nach lutherischem Bekenntnis besitze die Synode ein stärkeres Gewicht, „als die augenblickliche Zeitmeinung ihr vielleicht zubilligt“986. Die lutherische Kirche habe sich zu allen Zeiten auf Amt und Gemeinde gegründet, weshalb beide auch in der Kirchenleitung vertreten sein müssten. Er verwies auf den „frommen Volksaufstand987 der Gemeinden von 1934 und stellte fest, die Landessynode sei „nicht aus dem demokratischen Prinzip geboren, sondern aus dem Wesen der Kirche“988. Folglich plädierte er dafür, den Versuch einer Neubildung zu wagen – nicht zuletzt deshalb, weil ihm klar war, dass der NS-Staat nach einem gewonnenen Krieg Neuwahlen zur Landessynode erst recht nicht zulassen würde. Von diesem Standpunkt ging Meiser auch später nicht ab989, konnte sich im Landeskirchenrat aber nicht durchsetzen. Das Ergebnis der Auseinandersetzungen war ein diplomatisch formulierter Kompromiss, der das Gesicht aller Beteiligten wahrte, den weiter bestehenden Dissens aber verschleierte: Landeskirchenrat und Landessynodalausschuss erklärten die Neubildung der Synode für wünschenswert, hielten jedoch fest, dass dies zum jetzigen Zeitpunkt nicht durchführbar sei; für den Fall, dass sich eine geeignete Gelegenheit ergeben sollte, wurde Meiser ermächtigt, gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Landessynodalausschusses die Frage der Neubildung der Synode nochmals zu prüfen. Damit war die Angelegenheit auf unbestimmte Zeit verschoben. Als Ende 1940 immer noch keine Lösung in Aussicht stand, stellte der Ausschuss das Ermächtigungsgesetz zur Disposition, um das synodale Element an der Kirchenleitung zu beteiligen. Vertreter des Ausschusses beklagten, in den vergangenen Jahren hätten Landessynode und Landessynodalausschuss kein Mitspracherecht gehabt, was nicht im Sinne der Landessynode gewesen sei, als sie das Ermächtigungsgesetz verabschiedet habe. Deshalb sollte nicht mehr die Anhörung des Landessynodalausschusses genügen, sondern Meiser sollte künftig nur noch mit dessen Zustimmung Gesetze erlassen können. Dasselbe Recht reklamierte Meinzolt auch für den Landeskirchenrat. Meiser sicherte daraufhin zu, ohne Zustimmung von Landessynodalausschuss und Landeskirchenrat keine Gesetze mehr zu erlassen990. Damit diese Zusicherung nicht so verstanden werden konnte, als habe er sich zuvor im Sinn des NS-Führerprinzips verhalten, stellte er zugleich fest, sich auch bisher stets der Zustimmung des Ausschusses versichert zu haben. Damit waren die Spannungen allerdings nicht ausgeräumt: Im Frühjahr 1941 monierte der 986 Votum Meisers auf der Sitzung von Landessynodalausschuss und Landeskirchenrat am 14. 6. 1940 (zit. nach ebd., 412). 987 Vgl. oben Kap. III, Anm. 220. 988 Henn, Führungswechsel, 413. 989 Vgl. sein ebd., 421, zit. Votum auf einer Besprechung mit Bogner am 7. 11. 1940. 990 Vgl. die Erklärung Meisers vom 28. 1. 1941 (Abdruck: ebd., 424).
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Ausschuss erneut, er werde vom Landeskirchenrat übergangen; Meiser warb zwar um Vertrauen, konnte die Kompetenzkonflikte zwischen den beiden Gremien aber nicht ausräumen. Als dann im Herbst 1941 zum wiederholten Mal die Neubildung der Synode zur Diskussion stand, sprach er sich nochmals für Neuwahlen aus, setzte sich aber wiederum nicht gegen Bedenken im Landeskirchenrat durch. Angesichts der Entwicklung des Kriegsgeschehens und der Annahme, Wahlen seien undurchführbar, stellte 1943 schließlich auch der Landessynodalausschuss die Neubildung der Synode zurück991. Wie das Beispiel Württembergs zeigt, war es allerdings keineswegs alternativlos, die Versuche zur Reaktivierung der Synode fallen zu lassen. In der Nachbarkirche lief die Amtsperiode des Landeskirchentags kurz vor Kriegsausbruch ebenfalls ab. Dort aber wurde die Amtsperiode verlängert und das Ausscheiden von Mitgliedern durch Ersatzleute ausgeglichen; dieser Regelung stimmte der NS-Staat zwar nicht zu, es erfolgte aber auch kein staatlicher Eingriff992. Es war freilich nicht Meiser anzulasten, dass die Frage der Synode in Bayern auf Eis gelegt wurde: Er war bereit, die möglichen Risiken einer Neuwahl einzugehen und verwies seine Widersacher im Landeskirchenrat ausdrücklich auf Württemberg993. Auf der ersten Nachkriegssynode 1946 in Ansbach konnte er deshalb zu Recht festhalten: „Von meiner Seite aus stand nicht das geringste Hindernis im Wege, zur Neubildung einer Synode zu schreiten.“994 Obwohl er dazu bereit war, die Synode neu zu bilden, und das Ermächtigungsgesetz im Kern aufweichte, musste er sich auf derselben Synode gegenüber dem Vorwurf rechtfertigen, das Führerprinzip aufgerichtet zu haben995. Die Frage, ob das Ermächtigungsgesetz eine politische Konzession an das NS-Führerprinzip darstellte, wurde während und nach der NS-Herrschaft innerkirchlich viel und kontrovers diskutiert996. Dass andere Themen wie das kirchliche Verhalten bei der Ermordnung von Kranken und Behinderten und vor allem bei der Judenvernichtung erst recht einer kritischen Betrachtung bedurft hätten, erkannten in der Landeskirche hingegen nur wenige997.
991 992 993 994 995 996 997
Vgl. ebd., 422–429. Vgl. G. Sch fer, Landeskirche, Bd. 6, 94–111. Vgl. Henn, Führungswechsel, 427. Landessynode Ansbach 1946, 13. Vgl. ebd., 12 f. Vgl. Henn, Führungswechsel, 434–443. So z. B. Friedrich Wilhelm Hopf, der in einer Predigt vom 6. 5. 1945 das Schweigen der Kirche zu den Euthanasie-Morden und zur Judenvernichtung anprangerte (vgl. Hopf, Rogate).
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3.6 Nichtöffentlicher Protest gegen die Ermordung von Behinderten und Kranken Im Herbst 1939 ordnete Hitler an, „dass nach menschlichem Ermessen unheilbar Kranken bei kritischster Beurteilung ihres Krankheitszustandes der Gnadentod gewährt werden kann“998. Dieser Geheimbefehl markierte den Beginn der euphemistisch als „Euthanasie“ verbrämten systematischen Ermordung von Behinderten und Kranken. Bis Kriegsende wurden insgesamt 200.000 Menschen als „lebensunwertes Leben“ vergast, erschossen oder mit Medikamenten umgebracht999. Davon betroffen waren auch Behinderte und Kranke, die in den Neuendettelsauer Pflegeanstalten lebten. Seit Spätsommer 1940 wurden hier ca. 1.700 Menschen in Meldebögen erfasst; bis 1941 wurden dann mehr als 1.200 in staatliche Anstalten verlegt und von dort in Tötungsanstalten verschleppt, wo die meisten ermordet wurden1000. Für Meiser stellten die Morde nicht nur eine elementare ethische Herausforderung dar, sondern betrafen ihn auch insofern, als sich ihm die bayerische Innere Mission und die Diakonissenmutterhäuser 1933 unterstellt hatten1001. Meiser intervenierte bereits am 23. Februar 19401002 bei Reichsstatthalter von Epp, dem er entsetzt berichtete, dass „in Anstalten untergebrachte Geisteskranke ohne Verständigung von Angehörigen oder Behörden und über den Kopf der Anstaltsleitung hinweg durch die Gestapo aus den Anstalten weggeschafft wurden und daß in einzelnen Fällen den Angehörigen bereits eine Urne mit der Asche und einem Begleitschreiben zugesandt worden sei, wonach der Kranke an irgendeiner Krankheit […] verstorben sei. Soviel er wisse, seien diese Sendungen aus Linz gekommen. Es sei nicht zweifelhaft, daß die Kranken dort gewaltsam zu Tode gebracht würden.“1003
Meiser sprach hier offen aus, was in der Bevölkerung seit kurzem im Flüsterton kolportiert wurde1004. Erfolg hatte er damit allerdings nicht: Von Epp sicherte ihm zwar eine Untersuchung zu, stieß bei den beteiligten Stellen aber
998 Abdruck dieses auf den 1. 9. 1939 zurückdatierten Geheimbefehls: Hermle / Thierfelder, Herausgefordert, 624. 999 Vgl. Schmuhl, Rassenhygiene, 190–304; Klee, Euthanasie; und Aly, Die Belasteten. 1000 Vgl. C.-R. M ller / H.-L. Siemen, Warum sie sterben; Nicolaisen, Herrschaft, 323–325; und Baier, Kirche in Not, 222–225. 1001 Vgl. Baier, Liebestätigkeit, 111–115; C.-R. M ller / H.-L. Siemen, Warum sie sterben, 12 f. 1002 Nach ebd., 111, Anm. 139, soll Meiser erst 1941 bei von Epp protestiert haben; die Datierung auf den 23. 2. 1940 geht aber zweifelsfrei aus Meisers Amtskalender hervor (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0007–204). 1003 Zitat aus der von Ministerialrat i. R. Fritz Schachinger aus dem Gedächtnis gefertigten Niederschrift über die Besprechung (Abdruck: Schmid, Wetterleuchten, 399 f.; Zitat: 399; vgl. auch Baier, Kirche in Not, 224; Nowak, Euthanasie, 142). 1004 Vgl. Nowak, Sozialarbeit, 251.
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auf Schweigen und stellte seine Nachforschungen ein, als offensichtlich wurde, dass die Mordaktion auf einen Befehl Hitlers zurückging.
Abb. 56: Niederschrift über den Protest Hans Meisers gegen die Morde an Kranken und Behinderten bei Reichsstatthalter Franz Ritter von Epp am 23. Februar 1940 (Auszug)
Als im September 1940 eine staatliche Kommission in Neuendettelsau erschien, um die dort untergebrachten Menschen zu erfassen und deren Verlegung in staatliche Anstalten vorzubereiten, wurde Meiser von Rektor Lauerer umgehend informiert1005. Der Zweck der Aktion war Lauerer völlig klar, nämlich dass „mit Rücksicht auf die Winterversorgung durch Nahrungsmittel, Kleiderstoffe, die Zahl der ,unnützen Esser‘ mit Beschleunigung verringert werden soll“1006. Deutlicher noch wurde der Schwabacher Dekan Christian Stoll, der Meiser im Dezember 1940 drastisch die Beunruhigung schilderte, die die Morde unter den Gemeindegliedern hervorriefen. Stoll sprach offen von „Anstaltstötungen“ durch Giftspritzen und Vergasungen1007. Sich so unmissverständlich zu äußern, war gefährlich1008; Geistliche, die öffentlich von den Morden sprachen, gerieten schnell ins Visier der Gestapo1009. 1005 Vgl. dazu C.-R. M ller / H.-L. Siemen, Warum sie sterben, 70–79. 1006 Schreiben Lauerers an Meiser vom 6. 9. 1940 (zit. nach ebd., 77). 1007 Schreiben Stolls an Meiser vom 21. 12. 1940 (LAELKB, LB 0.2.0004-405; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 2, 976 f.). 1008 Vgl. Fix, Glaubensgenossen, 48. 1009 Vgl. das Schreiben der NSDAP-Ortsgruppe Amorbach an die NSADP-Kreisleitung Miltenberg vom 7. 1. 1941 (BayHStA W rzburg, Gestapo Würzburg 16455; Abdruck bei Fix, Zustimmung, Bd. 2, 982 f.); das Verhörprotokoll der Gestapo mit Vikar Friedrich Weitzel vom
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Trotz der alarmierenden Nachrichten verurteilte Meiser die Morde ebenso wenig öffentlich wie andere kirchliche Verantwortliche; zudem sind außer dem Protest bei von Epp keine weiteren Interventionen Meisers belegt. Selbst den Pfarrern gegenüber hielt er sich bedeckt: Sie bekamen lediglich Anweisungen über die „Urnenbeisetzung von in Anstalten Gestorbenen“1010. Vor diesem Hintergrund fiel Meisers Antwort an Stoll überraschend aus: Er teilte nicht nur mit, Landeskirchenrat und Kirchenführerkonferenz hätten sich mehrfach mit der „Euthanasie“ befasst und beim Staat auf eine Abstellung des Mordens hinzuwirken versucht, sondern hielt darüber hinaus sogar fest, es könne „mit gutem Gewissen gesagt werden, daß geschehen ist, was geschehen konnte, um die Stimme der Kirche in dieser Sache nachdrücklich zu Gehör zu bringen“1011. Mit diesen Bemühungen meinte Meiser offenbar Proteste auf gesamtkirchlicher Ebene, in die Vertreter der Inneren Mission, nicht-deutschchristliche Kirchenführer und partiell auch die Führung der Reichskirche1012 involviert waren. Vor allem der Leiter der Bodelschwingh’schen Anstalten Bethel Friedrich von Bodelschwingh und der Leiter der Anstaltszweigstelle Lobetal Paul Gerhard Braune verhandelten mit dem NS-Staat über ein Ende des Mordens1013. Braune legte im Juli 1940 eine Denkschrift an Hitler vor1014, die zu einem „klassischen Dokument humanitären Widerstands in Nazideutschland“1015 wurde. Daneben bezog sich Meiser wohl auch auf Eingaben Wurms, der mehrfach bei Ministerien und der Wehrmacht gegen das staatliche Morden Einspruch erhob1016. Es ist zwar sicher, dass Meiser über diese Proteste informiert war; ob und inwiefern er daran persönlich Anteil hatte, ist jedoch unklar. Dass Meiser von sich aus offenbar keine Aktion mehr gegen die „Euthanasie“ startete, war vermutlich drei Faktoren geschuldet: Zum einen brachten sich kirchliche Beschwerdeführer in Gefahr1017, wie das Beispiel von Braune
1010 1011 1012 1013 1014 1015 1016 1017
30. 8. 1941 (BayStA W rzburg, Gestapo Würzburg 17016; Abdruck bei Fix, Zustimmung, Bd. 2, 984–986); vgl. auch Baier, Kirche in Not, 223, Anm. 55. Vgl. das Rundschreiben des Landeskirchenrats an die Dekanate vom 2. 12. 1940 sowie das beiliegende Formular für Urnenbeisetzungen (LAELKB, KKU 12/III; Abdruck bei Fix, Zustimmung, Bd. 2, 979–981). Schreiben an Stoll vom 30. 12. 1940 (LAELKB, LB 0.2.0004-405; Abdruck: Fix, Zustimmung, Bd. 2, 978). Vgl. Melzer, Vertrauensrat, 254–262. Vgl. Nowak, Euthanasie, 131–133. Abdruck u. a.: KJ 1933–1944, 399–406; Hermle / Thierfelder, Herausgefordert, 631–637; vgl. auch Nowak, Euthanasie, 133–135. Nowak, Sozialarbeit, 252. Vgl. z. B. die Schreiben Wurms an den Reichsinnenminister vom 19. 7. 1940 (Abdruck: G. Sch fer, Landesbischof, 119–124) und an den Befehlshaber des Wehrkreises V in Stuttgart vom 22. 10. 1940 (Abdruck: ebd., 133 f.). Vgl. Melzer, Vertrauensrat, 255.
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zeigte, der wegen seiner Denkschrift in Schutzhaft kam1018. Zudem wandte sich von Bodelschwingh gegen öffentliche Proteste der Kirche und bat darum, von Einzelaktionen abzusehen, um seine Verhandlungen mit dem NS-Staat und das Leben der Betroffenen nicht zu gefährden. Von Bodelschwingh brachte schließlich noch einen weiteren Punkt ins Spiel, der auch für Meiser eine Rolle spielte: Dem NS-Staat, der dringend Unterbringungskapazitäten für Parteiorganisationen, umgesiedelte Deutsche oder Kinderlandverschickung suchte, sollte kein Anlass gegeben werden, kirchliche Anstalten für eigene Zwecke zu beschlagnahmen1019.
Abb. 57: Verlegung von Behinderten aus der Pflegeanstalt „Schloss“ Bruckberg der Diakonissenanstalt Neuendettelsau in staatliche Heil- und Pflegeanstalten, Frühjahr 1941
Für die Neuendettelsauer Anstalten wurde diese Gefahr im Frühjahr 1941 akut, als der Reichsinnenminister anordnete, die Neuendettelsauer Häuser endgültig zu räumen und die verbliebenen Behinderten und Kranken in staatliche Anstalten zu verlegen, was nichts anderes als ihre Ermordung bedeutete1020. Auf alarmierende Berichte Lauerers und einen Beschluss des Landeskirchenrats, der das Schicksal der Betroffenen wohl für unabwendbar hielt, wurde Meiser jetzt aktiv: Im Mai 1941 versuchte er im Reichsinnenministe1018 Vgl. Nowak, Euthanasie, 135–137. 1019 Vgl. Hellmann, Bodelschwingh, 157–180. 1020 Vgl. C.-R. M ller / H.-L. Siemen, Warum sie sterben, 96–108.
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rium und im Auswärtigen Amt die Beschlagnahmung der Neuendettelsauer Anstalten abzuwenden1021. Durch geschickte Verhandlungen gelang ihm dies auch; ob er dabei das Schicksal der Behinderten und Kranken ansprach, ist nicht bekannt1022. Im Zeitraum von Juli 1940 bis November 1941 belief sich die bittere Bilanz schließlich auf 1.238 Verlegungen aus Neuendettelsau1023. Im Prinzip unterschied sich Meisers Verhalten nicht vom Verhalten der wenigen anderen kirchlichen Verantwortlichen, die sich überhaupt an Protesten beteiligten. Wie Kurt Nowak für sämtliche kirchlichen Beteiligten zutreffend analysierte, stand Meiser vor der Schwierigkeit, seine „ethische Grundhaltung“, nämlich die entschiedene Ablehnung der Morde, in der Praxis gegen den Willen des NS-Staates durchzusetzen; dabei war er als Träger institutioneller Verantwortung in besonderer Weise gezwungen, die „Wahl der Mittel“ für den Schutz des Lebens der Kranken genau abzuwägen1024. In dieser Situation entschied er sich wie Wurm1025, von Bodelschwingh und auch Braune für nichtöffentlichen Protest, schreckte aber davor zurück, sich dem staatlichen Mord bis zur letzten Konsequenz entgegenzustellen. Dies hätte nichts anderes als öffentlichen Widerstand der Kirche gegen den NS-Staat bedeutet – eine Konsequenz, die für Meiser theologisch nicht zulässig schien und zudem noch mit dem Risiko des Verlusts der kirchlichen Anstalten verbunden gewesen wäre. Allerdings hätte Meiser andere Handlungsoptionen gehabt, als seine Hoffnungen nach dem Protest bei von Epp auf die Verhandlungen von Bodelschwinghs und außerbayerische Eingaben beim NS-Staat zu setzen. Dies erwiesen die Proteste Wurms, der sich durch von Bodelschwinghs Warnung vor Einzelaktionen keineswegs von Eingaben an den Staat abhalten ließ, vor allem aber eine aufsehenerregende Predigt des katholischen Bischofs von Münster Clemens August Graf von Galen, der die vorsätzlichen Tötungen von Behinderten und Kranken im Sommer 1941 als Mord verurteilte1026. Neben den kirchlichen Protesten aus beiden Konfessionen und planungsstrategischen Überlegungen des NS-Regimes führte diese Predigt dazu, dass Hitler drei Wochen später den Stopp der Krankenmorde verfügte – inoffiziell wurden sie freilich als „wilde Euthanasie“ weitergeführt1027.
1021 Vgl. ebd., 111 f.; vgl. die Einträge in Meisers Amtskalender vom 12./13. 5. 1941 (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008–205). 1022 Nicolaisen, Herrschaft, 325, vermutete, dass dies nicht der Fall war. 1023 Vgl. C.-R. M ller / H.-L. Siemen, Warum sie sterben mußten, 157–160. 1024 Zitate: Nowak, Sozialarbeit, 252. 1025 Wurm wagte es später jedoch in einer Bußpredigt vom 17. 10. 1943, das Schweigen der Christen zur Vernichtung „lebensunwerten Lebens“ als Schuld zu brandmarken (vgl. G. Sch fer, Landesbischof, 144). 1026 Vgl. Nowak, Euthanasie, 161–172. 1027 Vgl. Nowak, Widerstand, 271.
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3.7 Verhalten angesichts von Judenverfolgung und Shoa Mit Kriegsbeginn verschärfte das NS-Regime seine menschenverachtenden Maßnahmen gegen Juden nochmals, bis im Oktober 1941 schließlich die systematischen Deportationen in die Vernichtungslager begannen1028. Nachdem sich die evangelische Kirche bisher in Schweigen gehüllt hatte, bat von Pechmann Meiser im November 1941 inständig, gemeinsam mit der katholischen Kirche beim Chef der Reichskanzlei gegen die Verfolgung vorstellig zu werden, eine Verfolgung, „die immer neue Mittel erfindet, um wehrlose und schuldlose Christen jüdischer Abstammung ganz ebenso wie Juden dergestalt zu quälen, daß sich schon der gesunde Sinn unseres Volkes dagegen empört“1029. Von Pechmann war bei dieser Bitte offenbar nicht bekannt, dass Wurm bereits mit dem katholischen Episkopat über eine gemeinsame Eingabe an die Reichsregierung verhandelte1030. Ohne ihm Einzelheiten mitzuteilen, antwortete Meiser von Pechmann kurz vor Weihnachten 1941, dass evangelische und katholische Kirche zwar keinen gemeinsamen Protest eingelegt, inzwischen aber getrennte Schritte unternommen hätten1031. Für die evangelische Seite bezog er sich dabei auf eine Denkschrift an Hitler vom 9. Dezember 1941, die Wurm verfasst und namens der Kirchenführerkonferenz persönlich in der Reichskanzlei übergeben hatte1032. In dieser Denkschrift stand freilich nicht die Judenverfolgung, sondern die antikirchliche Politik des NS-Staates im Vordergrund, die Wurm und Meiser befürchten ließ, die Parteileitung arbeite inzwischen gezielt auf „die Beseitigung des Christentums“1033 hin. Zur Judenverfolgung hieß es in der Denkschrift lediglich: „Vieles ist geschehen, was nur der feindlichen Propaganda nutzen konnte; wir rechnen dazu auch […] die sich steigernde Härte in der Behandlung der Nichtarier, auch derer, die sich zum christlichen Glauben bekennen“1034. Diese Worte waren dem Leid der Betroffenen in keiner Hinsicht angemessen, boten allerdings mehr, als nach den Verhandlungen der Kirchenführerkonferenz überhaupt noch zu erwarten gewesen war – hatte dort doch die Überzeugung vorgeherrscht, dass „irgendwelche Vorstellungen“ für Nichtarier ohnehin „vergeblich sein werden“1035. Im Vergleich zu Wurms Eingabe fand das ka1028 Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4, 889. 1029 Schreiben vom 8. 11. 1941 (Abdruck: Kantzenbach, Widerstand, 314 f., Zitat: 315). 1030 Vgl. Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 4/II, 364 f.; Volk, Akten, Bd. V, 630 f. (mit Anm. 4), 646, 650 f.; vgl. auch den Bericht Wurms über die Kirchenführerkonferenz vom 21. 10. 1941 (LAELKB, LB 0.2.0004-375). 1031 Schreiben Meisers an von Pechmann vom 22. 12. 1941 (LAELKB, LB 0.2.0004-329). 1032 Abdruck: G. Sch fer, Landesbischof, 275–279; H. Hermelink, Kirche, 539–542. 1033 Zitat aus dem oben Kap. III, Anm. 1030, erwähnten Bericht Wurms. 1034 G. Sch fer, Landesbischof, 277; vgl. auch Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 4/II, 366. 1035 Zitate aus dem oben Kap. III, Anm. 1030, erwähnten Bericht Wurms.
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Abb. 58: Schreiben Wilhelm Freiherr von Pechmanns an Hans Meiser (Auszug), 8. November 1941
tholische Pendant zwar deutlichere Worte gegen die Euthanasiemorde, erwähnte Juden explizit aber überhaupt nicht1036. Meiser war an der Vorbereitung der Denkschrift Wurms zwar beteiligt1037, trat aber nicht namentlich in Erscheinung. Auch als die Bischöfe Kenntnis von den Massenmorden in den Vernichtungslagern erhielten, war es nicht Meiser, der sich mit seinem Namen exponierte, sondern wiederum Wurm, der in zahlreichen Eingaben gegen die Judenvernichtung und andere Maßnahmen des Staates protestierte1038. An Aufforderungen zum Protest fehlte es Meiser freilich nicht: Zu Ostern 1943 überbrachten ihm Mitglieder des Kreises um 1036 Vgl. die Denkschrift des deutschen Episkopats an die Reichsregierung vom 10. 12. 1941 (Abdruck: Volk, Akten, Bd. V, 651–658; vgl. auch Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 4/II, 365). 1037 Vgl. H. Hermelink, Kirche, 538. 1038 Vgl. z. B. das Schreiben Wurms an den Reichskirchenminister vom 12. 3. 1943 (Abdruck: G. Sch fer, Landesbischof, 160–162); an den Reichsinnenminister vom 14. 3. 1943 (Abdruck ebd., 162 f.); und an Hitler vom 16. 7. 1943 (Abdruck: H. Hermelink, Kirche, 654–656); zu den Protesten Wurms vgl. auch Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 4/II, 254–282.
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den Münchner Verleger Albert Lempp eine von dem Ebersbacher Pfarrer Hermann Diem entworfene Denkschrift, die als Grundlage für einen öffentlichen Protest gegen die Verfolgung und den Massenmord an den Juden dienen sollte1039. Diese Denkschrift wurde als Münchner Laienbrief bekannt und stellte einen der „bedeutendsten Beiträge der zeitgenössischen Evangelischen Theologie zur NS-Judenverfolgung dar“1040. Die Überbringer der Denkschrift, Landgerichtsrat Emil Höchstädter und Prof. Dr. Wilhelm Hengstenberg, ernteten bei Meiser zwar weitgehende inhaltliche Zustimmung, er lehnte es jedoch ab, mit einem Protest an die Öffentlichkeit zu treten1041. Dabei berief er sich auf seine Verantwortung für die Landeskirche, die er mit einer Veröffentlichung der Gefahr der Verfolgung aussetzen würde. Zudem befürchtete er, dass sich die Maßnahmen gegen die Juden noch steigern würden, wie es im Jahr zuvor nach einem Protest des niederländischen katholischen Episkopats geschehen war1042. Schließlich verwies er auf die Hilfe, die die Kirchenleitung im Stillen für einzelne Juden leistete. Selbst der Hinweis der Überbringer, „daß durch das Schweigen der Kirche täglich hunderte, ja wahrscheinlich sogar Tausende von Juden in den KZ’s in Polen und sonstwo sterben müßten“1043, konnte Meisers Meinung nicht ändern. Ebenso wenig gelang dies Eugen Gerstenmaier, der sich in Kenntnis des Münchner Laienbriefs bei Meiser, Wurm und Marahrens für ein Wort der evangelischen Kirche gegen die Judenvernichtung einsetzte1044. Mit seiner Absage an eine öffentliche Kundgebung entschied sich Meiser einmal mehr zum Schutz der eigenen Institution und ihrer Bediensteten, deckte dann aber die Verantwortlichen des Laienbriefs, als dieser im Sommer 1943 in der Schweiz veröffentlicht wurde1045. Als das Reichskirchenministerium Meiser aufforderte, die Verfasser zu nennen1046, antwortete er, der Brief sei ihm nicht bekannt1047. Auf nochmalige Nachfrage des Ministeriums1048 räumte er dann zwar ein, dass er in der Schweizer Veröffentlichung ein Schreiben wiedererkenne, „das mir vor einigen Monaten etwa um die Osterzeit 1039 LKA Stuttgart, D1/108; Abdruck: Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 4/II, 652–655; vgl. auch ebd., 283–296; Rçhm / Thierfelder, Laienbrief; und Hçchst dter, Kreis. 1040 Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 4/II, 283. 1041 Vgl. dazu und zum Folgenden Hçchst dter, Kreis, 469 f. 1042 Nach dem Protest waren auch die bisher vom Abtransport verschont gebliebenen katholischen „Nichtarier“ verhaftet und deportiert worden (vgl. Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 4/ I, 464–466; Hermle, Antisemitismus, 366). 1043 Hçchst dter, Kreis, 470. 1044 Vgl. das Schreiben Gerstenmaiers an Meiser vom 22. 4. 1943 (LAELKB, LB 0.2.0004-405; Abdruck: Fix, Zustimmung, 589 f.); an Wurm vom 22. 4. 1943 (Abdruck: Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 4/II, 262–264); vgl. auch ebd., 265–267; Gerstenmaier, Streit, 147 f. 1045 Vgl. Schweizerischer E.P.D. Nr. 28 vom 14. 7. 1943. 1046 Vgl. das Schreiben des Ministeriums vom 16. 8. 1943 (Abdruck: Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 4/II, 294). 1047 Vgl. das Schreiben Meisers vom 8. 9. 1943 (Abdruck: ebd.). 1048 Vgl. das Schreiben des Ministeriums vom 20. 9. 1943 (Abdruck: ebd., 295).
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Abb. 59: Denkschrift des Münchner Lempp-Kreises an Hans Meiser „Münchner Laienbrief“ (Auszug), Ostern 1943
von 2 Herren“ übergeben wurde, behauptete aber, er sei „nicht in der Lage, die Namen nachträglich festzustellen“1049. Als die Gestapo schließlich zu einer Hausdurchsuchung erschien und Meiser verhörte, berief er sich auf sein Beichtgeheimnis1050. Meiser ließ den Laienbrief allerdings nicht in der Schublade verschwinden, sondern leitete ihn an Wurm weiter. Diesem gab der Brief den letzten Anstoß dazu, schriftlichen Protest beim NS-Staat einzulegen1051. Bis es dazu kam, vergingen jedoch noch drei Monate. Inzwischen befasste sich der Lutherrat mit den neuesten Maßnahmen des NS-Staates gegen Juden; ein Protest dieses von Meiser geleiteten Gremiums folgte daraus jedoch nicht1052. Die Kirchenführerkonferenz hingegen behandelte die Maßnahmen gegen rassisch verfolgte Christen und „Mischlinge“ und beschloss im Juni 1943, Marahrens solle sofort eine Eingabe an das Reichsinnenministerium richten1053. Wurms geplante Eingabe traf in der Kirchenführerkonferenz allerdings nicht auf ungeteilte Zustimmung: Meiser war dazu bereit, die Eingabe zu unterzeichnen, Marahrens jedoch nicht; wohl um den Dissens dem NS-Staat gegenüber nicht offen zu Tage treten zu lassen, einigten sich die Kirchenführer schließlich darauf, die Eingabe nur von einer Person unterschreiben zu lassen1054. Deshalb ging Wurms berühmtes Schreiben an Hitler und die Reichsregierung vom 16. Juli 19431055 ohne die Unterschrift Meisers hinaus. Wurm wandte sich in diesem Schreiben offen gegen die Vernichtungsmaßnahmen, die „im schärfsten Widerspruch zu dem Gebot Gottes“ stünden und „das 1049 Schreiben Meisers vom 24. 9. 1943 (Abdruck: ebd.). 1050 Vgl. Hçchst dter, Strudel, 230; Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 4/II, 296. 1051 Vgl. G. Sch fer, Landesbischof, 165, Anm. 34; Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 4/II, 260–269. 1052 Vgl. den Bericht Wilhelm Pressels über die Sitzung des Lutherrats am 1. 6. 1943 (LKA Stuttgart, D1/147; Teilabdruck: G. Sch fer, Landesbischof, 163 f.). 1053 Vgl. den Bericht Pressels über die Sitzung der Kirchenführerkonferenz am 2. 6. 1943 (LKA Stuttgart, D1/147; Teilabdruck: G. Sch fer, Landesbischof, 164). 1054 Vgl. Wurm, Erinnerungen, 168. 1055 Abdruck: Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 4/II, 664–666; H. Hermelink, Kirche, 654–656; Teilabdruck: G. Sch fer, Landesbischof, 164 f.
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Fundament alles abendländischen Denkens und Lebens“ verletzten, nämlich „das gottgegebene Urrecht menschlichen Daseins und menschlicher Würde überhaupt“1056. Obwohl keine von Wurms Eingaben Meisers Namen trug, wurde er nach Kriegsende gelegentlich in einem Atemzug mit seinem württembergischen Kollegen genannt. So berichtete Johannes Zwanzger, „alle Vorstellungen des Herrn Landesbischofs D. Meiser und des Herrn Landesbischofs D. Wurm“1057 gegen die Judenvernichtung seien vergeblich gewesen. Noch in den 1960er Jahren hieß es in populären Darstellungen, Meiser und Wurm hätten 1943 „offen und mutig ihre Stimme gegen die entsetzlichen Judenverfolgungen erhoben“1058. Davon kann freilich nur insofern die Rede sein, als Wurms Proteste teilweise mit Kenntnis und Zustimmung Meisers erfolgten. Nachdem jedoch keine Eingabe bekannt ist, die er selbst verantwortet hätte, blieb er hinter Wurm und sogar noch hinter Marahrens zurück, der sich im Januar 1943 gegen die zwangsweise Trennung von sog. Mischehen und die Missachtung der „Heiligkeit des Lebens“ wandte1059. Wie das Beispiel Wurms zeigt, nutzte Meiser hier seine Handlungsspielräume noch weniger aus als sein württembergischer Kollege1060, wohl weil „ihm Wurm als Sprecher der Bischöfe galt, der gegenüber dem Staat die als notwendig erachteten Schritte unternahm“1061. Öffentlich aber wagte es aus Furcht vor einem Angriff des NSStaates gegen die Kirche keiner der Bischöfe, den Massenmord an den Juden zu verdammen; dies blieb Einzelnen1062 und dem bruderrätlichen Flügel der Bekennenden Kirche überlassen1063. Zwei Monate nach Wurms Schreiben an Hitler sah Meiser sich dann doch noch zu einem Protest unter eigenem Namen veranlasst. Dieser Protest richtete sich allerdings nicht gegen die Judenvernichtung, sondern gegen ein Urteil des Reichsfinanzhofs, das der größten Bibelanstalt im deutschsprachigen Raum, der Privilegierten Württembergischen Bibelanstalt, den Status der Gemeinnützigkeit und die Steuerbegünstigung entzog1064. In der Urteilsbegründung hieß es, die „Herstellung und Verbreitung des Alten Testaments, 1056 Zitate nach Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 4/II, 665. 1057 Zitat aus dem oben Kap. III, Anm. 795, erwähnten Bericht Zwanzgers (zit. nach Fix, Glaubensgenossen, 191). 1058 Zentner, Geschichte, 77. 1059 Vgl. das Schreiben Marahrens’ an das Reichsinnenministerium vom 19. 1. 1943 (Abdruck: Kl gel, Landeskirche, Bd. 2, 202 f., Zitat: 203). 1060 Vgl. Hermle, Spielräume, 134. 1061 Ebd., 146. 1062 Z. B. dem rheinischen Geistlichen Helmut Hesse (vgl. Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 4/I, 310–329) und dem bayerischen Pfarrer Walter Höchstädter (vgl. ebd., 296–302). 1063 Vgl. das Wort der altpreußischen Bekenntnissynode an die Gemeinden zum Buß- und Bettag 1943 (Abdruck: KJ 1933–1944, 387 f.); die „Auslegung des fünften Gebots“ (Abdruck: ebd., 383–387; vgl. auch Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 4/II, 302–309). 1064 Vgl. dazu und zum Folgenden Bormann, Bibel; Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 4/II, 330–348; und Tçllner, Frage, 159–164.
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in dem die jüdische Rasse und ihre Geschichte verherrlicht wird“, sei „mit der nationalsozialistischen Weltanschauung nicht in Einklang zu bringen“; das Volk könne es nicht verstehen, „dass die Herausgabe und der Vertrieb einer Schrift, die das Judentum, mit dem es einen Kampf auf Leben und Tod führt, verherrlicht und als das auserwählte Volk Gottes darstellt, als gemeinnützig anerkannt und steuerbegünstigt werden“1065.
Das Urteil stellte eine ernsthafte Gefahr für die Kirche dar1066 und provozierte kirchlichen Protest. Auch Meiser legte jetzt entrüstet Verwahrung ein. In einem Schreiben an den Präsidenten des Reichsfinanzhofs vom 17. September 19431067 bestritt er vehement, dass das Alte Testament die Juden verherrlichen würde. Um diese Behauptung zu widerlegen, machte er das Alte Testament selbst zum Kronzeugen gegen das Judentum: Nach Meiser sollte es den „Kampf Gottes“ gegen den „nationale[n] und rassische[n] Eigendünkel des Volkes Israel, der sich über andere Völker erheben und die Völker ausbeuten zu dürfen glaubt“, dokumentieren; nirgendwo sonst würden „die üblen Eigenschaften dieses Volkes […] so leidenschaftlich gebrandmarkt und im Namen Gottes gestraft“. Kein Volk dieser Welt, „am wenigsten ein so eitles Volk wie das jüdische, würde zu seiner ,Verherrlichung‘ ein Buch schreiben lassen, das so wenig schmeichelhaft ist und seine Sünden so schonungslos ins Licht stellt“. Ferner bestritt Meiser dem Reichsfinanzhof das Recht, die Erwählung Israels gegen das Alte Testament anzuführen. Bei der Erwählung handele es sich um eine Glaubenstatsache, nach der „es Gott gefallen hat, sich ein Volk zu seinem besonderen Dienst zu erwählen und aus diesem Volk den Erlöser der Welt hervorgehen zu lassen“; über eine Glaubenstatsache aber könne ein Gericht nicht urteilen, zumal der Reichsfinanzhof übersehen habe, dass die Erwählung „nach der Verwerfung Christi durch Israel von den Juden auf die Christenheit übergegangen ist“. Abschließend hielt er nochmals fest, der Vorwurf des Reichsfinanzhofs sei unbegründet, denn Altes und Neues Testament dienten gleichermaßen „nur der Ehre Gottes, der gerade in der Geschichte des Volkes des A[lten] T[estaments] den Völkern der Erde ein warnendes Beispiel dafür gegeben hat, daß Er sich seine Ehre von keinem Volk, und wäre es auch ein auserwähltes Volk, nehmen und zur Ehre der Menschen mißbrauchen läßt“1068.
Bei dieser Argumentation folgte Meiser im Wesentlichen einem Gutachten der Tübinger Theologischen Fakultät, das Wurm nach dem Urteil des Reichsfi-
1065 1066 1067 1068
Zit. nach Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 4/II, 330. Vgl. ebd., 345. LAELKB, KDB 2.2.0003-5. Alle Zitate: ebd.
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nanzhofs angefordert hatte1069. Daneben lagen Meiser offenbar auch die Proteste Wurms und des Vorstands der Württembergischen Bibelanstalt vor1070. Meisers Schreiben, dem Tübinger Gutachten und dem Schreiben Wurms war eines gemeinsam: die antijüdische Argumentation, die in der jüngeren Forschung mehrheitlich als Beleg für antisemitische Einstellungen Meisers gewertet wurde – zumal er das Judentum in einer Situation angriff, in der ihm bekannt war, dass der Massenmord an den europäischen Juden in vollem Gange war, und weil er dazu auch noch die Heilige Schrift des Judentums benutzte1071. Auf dieser Linie lag vor allem das Urteil von Töllner, der Meiser zwar taktische Motive zugestand und ihm zugutehielt, dass er den Massenmord persönlich ablehnte, insgesamt aber zu dem Schluss kam, dass sein „Werben um das Verständnis des Präsidenten des Reichsfinanzhofs […] faktisch zu einer letztlich kaum eingeschränkten Hinnahme der nationalsozialistischen Judenpolitik“ führte, „ihre eliminatorische Konsequenz eingeschlossen“1072. Dieser These wurde von Lukas Bormann entschieden widersprochen1073. Bormann wandte sich dagegen, das Schreiben als „Hinnahme der verbrecherischen NS-Politik“1074 zu deuten und es „ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Haltung zum Judentum“1075 zu interpretieren. Dementgegen stellte er das Schreiben in den Kontext der „kirchlichen Bemühungen, der Urteilsbegründung des R[eichs]F[inanz]H[ofs] unter den Bedingungen der NS-Diktatur entgegenzutreten“1076. Bormann folgerte aus seiner Analyse, Meiser habe keine anderen Handlungsoptionen gehabt, weil positive Äußerungen zum Judentum 1942/43 wirkungslos geblieben wären, und meinte, das Schreiben sei „trotz aller Schwächen vor allem ein mutiger Protest gegen die christentumsfeindliche Radikalisierung des NS-Antisemitismus“1077 gewesen. Dieser Schluss trifft insofern zu, als Meisers Schreiben im unmittelbaren historischen Kontext in der Tat nichts Anderes darstellte als einen Protest gegen den Angriff des NS-Staates auf ein Fundament des Christentums. Bei Bormann – der wie schon in seiner Analyse der Stellungnahme Meisers zur sog. Judenfrage von 1926 von dem Interesse geleitet war, Meiser in den erinnerungskulturellen Debatten um die Meiser-Straßen vom Vorwurf des Antisemitismus zu entlasten1078 – gerät jedoch aus dem Blick, dass die antijüdi1069 Vgl. Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 4/II, 336–340, 346; Bormann, Bibel, 375–377. 1070 Vgl. ebd., 379–381. 1071 Vgl. Hermle, Bagatellisierung, 64; Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 4/II, 346 f.; und M nchenbach, Meiser, 348 f. 1072 Vgl. Tçllner, Frage, 161–163, Zitat: 163. 1073 Vgl. Bormann, Bibel. 1074 Ebd., 380. 1075 Ebd., 382. 1076 Ebd., 381. 1077 Ebd., 382. 1078 Vgl. oben Kap. II 4.6.2 b.
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schen Äußerungen, mit denen Meiser das Alte Testament zu retten versuchte, im weiteren Kontext des kirchlichen Antijudaismus standen, der bei der großen Mehrheit des deutschen Protestantismus die Sensibilität gegenüber der NS-Rassepolitik von Anfang an schwächte und in der Phase der Radikalisierung mitursächlich dafür wurde, dass kirchlicher Protest gegen den Massenmord gar nicht, nur halbherzig oder zu spät erfolgte. Zudem zeigt das Schreiben einmal mehr, dass für Meiser der Erhalt der Kirche oberste Priorität hatte und nicht der Einsatz für außerkirchliche Opfer des NS-Regimes. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass seine antijüdischen Äußerungen dem Wortlaut der Urteilsbegründung geschuldet waren und dass er sich mit seiner Argumentation, das Alte Testament sei judenfeindlich, auf dem Boden des nicht nur bei bayerischen Lutheranern üblichen kirchlichen Diskurses befand1079. Meiser kämpfte so zwar um „einen fundamentalen Bestandteil der christlichen Verkündigung, aber um den Preis, die Stimme nicht für die Menschen zu erheben, denen das Alte Testament ebenso Grundlage ihres Glaubens war wie den Christen“1080.
Altes Testament und Judentum waren auch die Themen von zwei Berufshilfen, die Meiser im Sommer 1944 an die bayerischen Pfarrer versenden ließ. Der ersten Berufshilfe ging eine antisemitische Hetzrede von Meisers Intimfeind Karl Holz voraus, der dabei zugleich gegen das Alte Testament und die Kirche polemisiert hatte1081. Wohl als Argumentationshilfe ließ Meiser den Pfarrern den Vortrag „Das christliche Verständnis des A[lten] T[estaments]“ zugehen, den der Jenaer Alttestamentler Gerhard von Rad am 13. Juni 1944 vor bayerischen Pfarrern gehalten hatte1082. Von Rad hatte leidenschaftlich dafür plädiert, am Alten Tesament festzuhalten, weil dessen „Ausschaltung […] unweigerlich eine Entstellung und Verkürzung der neutestamentlichen Christusbotschaft zur Folge“1083 habe. Dieses Plädoyer konnte auf die NSMachthaber nur als Provokation wirken1084. Einen knappen Monat später folgte dann allerdings eine Berufshilfe, die noch Wasser auf die menschenverachtenden Mühlen der NS-Rassepolitik goss: der Vortrag „Die Entstehung des Judentums“ des Tübinger Neutestamentlers und Antisemiten Gerhard Kittel1085. Kittel nahm eine führende Rolle in der Forschungsabteilung „Judenfrage“ des NS-Reichsinstituts für Ge1079 1080 1081 1082
Vgl. Tçllner, Frage, 163–166. Fix, Kirche, 131 f. Vgl. Baier, Kirche in Not, 235. Vgl. das Rundschreiben vom 17. 7. 1944: LAELKB, KKU 12/VII; vgl. auch Baier, Kirche in Not, 235; Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 4/II, 348–350. 1083 Zit. nach Baier, Kirche in Not, 235. 1084 Vgl. Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 4/II, 350. 1085 Vgl. das Schreiben des Landeskirchenrats gez. Meiser vom 12. 8. 1944 (LAELKB, KKU 12/VII; Abdruck des Vortrags: E. L. Schmidt, Landeskirche, 49–64; vgl. auch Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 4/II, 350–353; Baier, Kirche in Not, 235; und W. Kraus, Weg, 11–13).
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schichte des neuen Deutschlands ein1086 und hielt das Judentum für ein „den Volkskörper wie eine unheimliche Krankheit durchfressendes Gift“1087. Zwar lehnte auch er die Abschaffung des Alten Testaments ab; das Neue Testament aber war für ihn reinster Antijudaismus, das Christentum der Gegensatz zum Judentum. In seinem Vortrag hatte er dem Christentum vorgeworfen, durch das Zulassen der Judenemanzipation sich selbst preisgegeben und zur Entstehung einer zweiten Epoche des „Weltjudentums“ beigetragen zu haben. Es ist nicht bekannt, was Meiser dazu veranlasste, Kittels Vortrag als Berufshilfe zu versenden. Eberhard Röhm und Jörg Thierfelder haben vermutet, Meiser habe sich nach dem Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 politisch unverdächtig machen wollen1088. Auch Kitzmann deutete den Versand als taktische Maßnahme im Zusammenhang des 20. Juli; er ging allerdings weit über Röhm und Thierfelder hinaus, weil er eine Verwicklung Meisers und Wurms in das Attentat annahm, von der Meiser habe ablenken wollen; dies konnte er allerdings nicht überzeugend nachweisen1089. Kitzmanns These hingegen, die Verantwortung für die Berufshilfe habe bei Thomas Breit gelegen1090, trifft zu, denn es ist sicher belegt, dass es nicht Meiser, sondern Breit war, der sich darum bemühte, den Vortrag verwenden zu dürfen. Wie KarlHeinz Fix nachwies, widerlegt aber gerade dieser Vorgang alle Theorien, den Versand mit dem 20. Juli in Verbindung zu bringen, weil Breit die Genehmigung Kittels und des Verlages bereits im Mai 1944 vorlag1091. Kittels Vortrag war also längst vor dem Attentat als Berufshilfe vorgesehen. Der endgültige Versand an die Pfarrer erfolgte dann nicht unter dem Namen Breits, sondern unter dem von Meiser. Meiser war es auch, der sich vom Erlanger Systematiker Hermann Sasse harsche Kritik gefallen lassen musste. Sasse wies den Bischof darauf hin, dass Kittel dem NS-Staat wissenschaftliche Grundlagen für dessen Judenpolitik lieferte und die evangelische Theologie für diese Politik mit haftbar machte. Er warf Meiser vor, der Versand der Berufshilfe komme einer kirchlichen Legitimation von Kittels Positionen gleich, und warnte ihn, dass „das Maß von Mitschuld, das wir alle an gewissen Vorgängen haben“, schon zu groß sei, „als daß wir nun auch noch die Sünden des Herrn Kittel uns aufladen sollen“1092. Es ist nicht bekannt, ob Meiser nicht spätestens nach dieser Kritik Unbehagen über den Versand des Vortrags beschlich, ein Versand, der vor dem Hinter-
1086 1087 1088 1089 1090 1091
Vgl. Junginger, Kittel. Zitat aus Kittels 1933 erstmals erschienenem Buch „Die Judenfrage“ (zit. nach ebd., 84). Vgl. Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 4/II, 354. Vgl. oben Kap. III A.3.2. Vgl. Kitzmann, Landesbischof, 219. Vgl. das Schreiben Breits an den Kohlhammer-Verlag vom 3. 5. 1944; vgl. auch das Antwortschreiben des Verlags vom 5. 5. 1944 (LAELKB, LKR 0.2.0003-6615); Fix, Kirche, 134. 1092 Schreiben Sasses an Meiser vom 28. 8. 1944 (LAELKB, LB 0.2.0004–392; Abdruck: Fix, Zustimmung, 590 f.; vgl. auch Rçhm / Thierfelder, Juden, Bd. 4/II, 353 f.).
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grund des Massenmordes in den Vernichtungslagern erfolgte und ein Vorgang bleibt, der „zutiefst beschämend für die evangelische Kirche ist“1093.
B. Gesamtkirchliche Ämter und Funktionen 1. Verfassungsverhandlungen und Reichsbischofswahl Seit dem Rücktritt Veits im Frühjahr 1933 vertrat Meiser die bayerische Landeskirche in gesamtkirchlichen Gremien. Als er die gesamtkirchliche Bühne betrat, fielen die wesentlichen Entscheidungen über die künftige Gestalt des deutschen Gesamtprotestantismus im NS-Staat. Dabei stand der Zusammenschluss der Landeskirchen zu einer Reichskirche1094 im Zentrum. Anlass dafür war die revolutionäre politische Entwicklung und die Erwartung, die NS-Machthaber würden das Verhältnis von Kirche und Staat neu ordnen. Die Gründung einer Reichskirche forderten zwar Kirchenführer und Gemeinden verschiedenster Couleur, vor allem aber die NS-hörigen Deutschen Christen. Sie beanspruchten die Führung bei der Neugestaltung des Gesamtprotestantismus für sich und drohten mit der Anwendung revolutionärer Mittel. Die NS-Machthaber hielten sich offiziell zunächst zurück, drangen dann aber massiv auf das Zustandekommen der Reichskirche, weil sie die Kirche gleichschalten und den neuen Zusammenschluss zu einem willfährigen Instrument für ihre Zwecke machen wollten1095. Bei den unter Hochdruck geführten Debatten über Verfassung und Leitung der künftigen Reichskirche wurde Meiser in kurzer Zeit zu einer einflussreichen Figur und zeigte klares Profil: Er wollte die lutherischen Landeskirchen enger zusammenschließen und ihnen bei der Neugestaltung des deutschen Protestantismus die führende Position verschaffen. Dies wurde bereits im April 1933 deutlich: Er hielt zwar eine Reform der bisherigen Strukturen für erforderlich, plädierte aber für das Modell einer lutherisch dominierten Reichskirche, der sich Kirchen anderer Konfession unter Wahrung ihres jeweiligen Bekenntnisstandes anschließen konnten1096. Dies wollte auch die Konferenz der lutherischen Landeskirchenführer, deren Leitung Meiser kurz
1093 Ebd., 354. 1094 Bestrebungen, den deutschen Protestantismus enger zusammenzuschließen, hatte es bereits im 19. Jahrhundert gegeben, waren über die 1922 erfolgte Gründung des Deutschen Evangelischen Kirchenbundes (vgl. oben Kap. II, Anm. 274) bisher aber nicht hinausgekommen (vgl. Fleisch, Einigungsbestrebungen). 1095 Vgl. dazu und zum Folgenden Scholder, Kirchen, Bd. 1, 355–481; Meier, Kirchenkampf, Bd. 1, 90–108; und Verantwortung, Bd. 1, XX–XXXI. 1096 Vgl. ebd., XXIV.
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darauf übernahm und in deren Sinne er die Verhandlungen über die Reichskirchenverfassung zu beeinflussen versuchte1097. Ein Modell aber lehnte Meiser ab: Die Gestaltung der Reichskirche nach dem Vorbild der altpreußischen Union von 1817, bei der König Friedrich Wilhelm III. von Preußen Lutheraner und Reformierte zu einer unierten Kirche vereint hatte1098. Auf Grund seines neulutherischen Bekenntnisbegriffs war Meiser ein entschiedener Gegner der Union. Für ihn konnte eine Kirche nur dann im vollen Sinn als Kirche gelten, wenn sie ein einheitliches Bekenntnis besaß1099. Die altpreußische Union aber hatte kein einheitliches Bekenntnis, woraus für die lutherischen Kirchenführer folgte, dass sie keine Kirche war und aufgelöst werden musste. Meisers Bekenntnisbegriff wirkte sich nicht nur auf die Verhandlungen über die Reichskirche, sondern auf jede Form kirchlicher Zusammenschlüsse aus: Für ihn konnten sich nur Kirchen gleichen Bekenntnisses zu einer Kirche im eigentlichen Sinn vereinen; ein Zusammenschluss von Kirchen unterschiedlichen Bekenntnisses hingegen war nur in Form eines Bundes bzw. einer Föderation möglich. Dementsprechend setzte er bei den Debatten um die künftige Gestalt der Reichskirche alles daran, eine Union zu verhindern. Als er befürchten musste, der mit der Ausarbeitung der Reichskirchenverfassung beauftragte Ausschuss plane eine Neuauflage der Union, rief er die lutherischen Kirchenführer im Mai 1933 zu einer Besprechung in Würzburg zusammen, auf der er sein Programm einer lutherisch geprägten Reichskirche entfaltete. Die lutherischen Landeskirchen schlossen sich daraufhin „zu einem lutherischen Zweig innerhalb der werdenden Deutschen Evangelischen Kirche“1100 zusammen, klagten den Primat des lutherischen Bekenntnisses ein und forderten, dass die Führung der Reichskirche einem lutherischen Reichsbischof übertragen werden müsse. Seitdem war Meiser nicht mehr nur Vertreter seiner Landeskirche, sondern nahm unter den lutherischen Kirchen die Führungsposition ein und galt als deren Sprecher1101. Ende Mai 1933 kam es allerdings zu einer unerwarteten Wendung: Die Verfassungsverhandlungen wurden überlagert von Streitigkeiten über die Personalie des künftigen Reichsbischofs1102. Die Deutschen Christen wollten für dieses Amt, das noch gar nicht existierte, mit allen Mitteln ihren Schirmherrn, den Königsberger Wehrkreispfarrer und Hitlers Bevollmächtigen für Fragen der evangelischen Kirche Ludwig Müller durchsetzen. Dagegen 1097 Vgl. ebd., XXV. 1098 Zu Entstehung und Geschichte der Evangelischen Kirche der Union vgl. Geschichte, Bd. 1–2; vgl. auch N ssel, Unionen; Stiewe, Unionen. 1099 Vgl. Reese, Bekenntnis, 51–68. 1100 Beschluss der lutherischen Kirchenführer vom 14. 5. 1933 (zit. nach Verantwortung, Bd. 1, XXVIII). 1101 Vgl. ebd., XXIX. 1102 Vgl. dazu und zum Folgenden Bodelschwingh, Tage; Meier, Kirchenkampf, Bd. 1, 95–99; und Scholder, Kirchen, Bd. 1, 422–452.
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brachte die Jungreformatorische Bewegung, die eine politische Beeinflussung des kirchlichen Handelns ablehnte1103, den Leiter der Anstalten Bethel Friedrich von Bodelschwingh ins Spiel. Zwar fiel als möglicher Kandidat auch Meisers Name, dieser Vorschlag fand jedoch keinen Widerhall1104. Die Wahl zwischen Müller und von Bodelschwingh war richtungweisend: Auf der einen Seite der theologisch inkompetente Wunschkandidat Hitlers, bei dem die Gefahr bestand, dass Irrlehren in die Kirche eindrangen und diese zu einem hörigen Instrument der NS-Machthaber wurde, auf der anderen Seite der Garant des kirchlichen Bekenntnisses, der für einen seelsorgerlichen Stil und eine diakonische Kirche stand. Meiser neigte ursprünglich weder Müller noch von Bodelschwingh zu1105. Er war vielmehr überzeugt, dass eine Entscheidung über die Person des Reichsbischofs erst fallen könne, wenn die Kirchenverfassung abgeschlossen war1106. Die Deutschen Christen lancierten jedoch die Falschmeldung in die Presse, er habe der Nominierung Müllers bereits zugestimmt1107. Bei der entscheidenden Sitzung der landeskirchlichen Vertreter am 26./27. Mai 1933 votierte Meiser dann tatsächlich zunächst für Müller1108, weil er hoffte, die Deutschen Christen durch Einbindung domestizieren1109 und negative politische Folgen abwenden zu können1110. Diese Entscheidung führte zu einer scharfen Auseinandersetzung mit seinem künftigen Hauptkontrahenten in der Bekennenden Kirche, Niemöller1111. Meiser votierte schließlich doch noch für von Bodelschwingh, allerdings nur deswegen, weil er meinte, dass „nach außen […] möglichste Einmütigkeit über die Person herrschen“1112 müsse. Mit der Nominierung von Bodelschwinghs brach der Streit um die Person des künftigen Reichsbischofs allerdings erst richtig aus. Meiser gehörte zu denjenigen Kirchenführern, die rasch wieder von Bodelschwingh abrückten1113. Mit seinen Bischofskollegen Wurm, Schöffel und anderen gehörte er schließlich zu einem Kreis von Kirchenführern, die eine Nachprüfung der Vorgänge um die Wahl von Bodelschwinghs verlangten1114. Meisers Abrücken vom designierten Reichsbischof war zwar juristischen Aspekten geschuldet, 1103 Vgl. Neumann, Bewegung; Meier, Kirchenkampf, Bd. 1, 92 f. 1104 Vgl. G. Niemçller, Bekenntnissynode, Bd. 1, 41; Bentley, Niemöller, 71. 1105 Vgl. die Niederschrift Meinzolts über die Besprechung der lutherischen Kirchenführer am 26. 5. 1933 (LAELKB, LB 0.2.0004-365). 1106 Vgl. die Niederschrift Meinzolts „über Besprechungen in der Zeit vom 23.–25. Mai 1933 in Berlin“ (ebd.). 1107 Vgl. Bodelschwingh, Tage, 61; J. Schmidt, Niemöller, 62. 1108 Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 1, 435; Kremmel, Pfarrer, 128. 1109 Vgl. die oben Kap. III, Anm. 1105, erwähnte Niederschrift. 1110 Vgl. Bodelschwingh, Tage, 30. 1111 Vgl. ebd., 31. 1112 Niederschrift Meinzolts über die Besprechung der Vertreter der Landeskirchen am 27. 5. 1933 (LAELKB, LB 0.2.0004-365). 1113 Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 1, 435 f. 1114 Am 17. 6. 1933 (vgl. ebd., 437).
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darüber hinaus aber wollte er verhindern, in Konflikt mit den bayerischen NSPfarrern und Deutschen Christen zu geraten und in der eigenen Landeskirche ähnliche kirchenpolitische Kämpfe auszulösen wie in Norddeutschland1115. Zudem hegte er konfessionelle Vorbehalte gegen von Bodelschwingh, den er als Kandidaten der Union betrachtete. Vor allem aber fürchtete er, der NSStaat werde die formaljuristischen Mängel der Wahl zum Anlass nehmen, von Bodelschwingh die Anerkennung zu versagen1116. Von seiner Haltung ließ Meiser sich auch nicht abbringen, als Paul Althaus ihn dringend bat, sich auf von Bodelschwinghs Seite zu stellen, um damit den Sieg der Deutschen Christen zu verhindern1117. Den letzten Anstoß, von Bodelschwingh fallenzulassen, gaben Meiser dann Nachrichten, die Reichsregierung werde die Anerkennung von Bodelschwinghs verweigern und plane einen Staatseingriff, falls die Kandidatur von Bodelschwinghs nicht zurückgenommen werde1118. Dass es sich dabei nicht um eine leere Drohung handelte, stellten die NS-Machthaber unter Beweis, als sie im Juni 1933 während einer Sitzung der kirchlichen Leitungsgremien, auf der unter Hochdruck neuerlich über die Reichsbischofsfrage verhandelt wurde1119, in der altpreußischen Union einen Staatskommissar einsetzte1120. Wie stark Meisers Haltung von politischen Rücksichten und der Furcht vor dem Verlust der staatlichen Anerkennung der Kirche gesteuert war, zeigt ein Votum, das er noch vor Bekanntwerden des Staatseingriffs abgab: „Die Frage ist: tun wir der national-sozialistischen Bewegung den Dienst, den wir ihr tun sollen. Täuschen wir uns nicht über die Kraft dieser Bewegung! […] Wir stehen vor dem Problem Staat und Kirche. Verhindern wir den Ausbruch eines Konfliktes nicht, dann gibt es nur einen Weg, den in die Freikirche. Ich lehne die Verpflichtung, dies zu tun, für meine Kirche ab.“1121
Ebenfalls noch vor Bekanntwerden des Staatseingriffs beschlossen die lutherischen Kirchenführer, sich nicht von den Anhängern von Bodelschwinghs majorisieren zu lassen und notfalls die Führung zu übernehmen, um die angeschlagene Verbindung zum NS-Staat wieder zu kitten1122. Als der Staatseingriff bekannt wurde, setzten vor allem die von Meiser geführten Lutheraner 1115 1116 1117 1118 1119
1120 1121 1122
Vgl. Kremmel, Pfarrer, 129. Vgl. ebd., 131. Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 1, 440; Baier, Christen, 48. Vgl. die Mitschriften Meisers über telefonische Mitteilungen Kleins vom 23. 6. 1933 (Abdruck: Verantwortung, Bd. 1, 22, 38 f.). Vgl. die Mitschrift Meisers über die Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchenausschusses am 23./24. 6. 1933 (Abdruck: ebd., 23–38, 40, 48–54); über die Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchenauschusses mit dem Kirchenbundesrat am 24. 6. 1933 (Abdruck: ebd., 41–47). Vgl. Meier, Kirchenkampf, Bd. 1, 100 f.; Scholder, Kirchen, Bd. 1, 444–446, 453–455. Zit. nach Verantwortung, Bd. 1, 35, Anm. 30; Teilabdruck bei Scholder, Kirchen, Bd. 1, 447. Vgl. Verantwortung, Bd. 1, 39; Scholder, Kirchen, Bd. 1, 449.
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alles daran, von Bodelschwingh zum Rücktritt zu drängen1123. Mit dessen Rücktritt war der Weg für Müller frei. Da Meiser einen „historischen Augenblick im Verhältnis zwischen Staat und Kirche“ gekommen sah und meinte, jetzt müsse alles getan werden, „damit das Vertrauensverhältnis zwischen Staat und Kirche nicht in die Brüche geht“1124, tolerierten er und seine lutherischen Amtskollegen, dass Müller eigenmächtig die Berufung eines Ausschusses ankündigte, der die Reichskirchenverfassung zum Abschluss bringen sollte1125. Meiser forderte allerdings, Müller müsse den bisherigen Verfassungsausschuss beteiligen, und dafür sorgen, dass besonders radikale Deutsche Christen nicht die Oberhand in der Reichskirche gewinnen würden1126. Als Meiser erfuhr, dass es zu einer Einigung zwischen dem Verfassungsausschuss und Müller gekommen war und der Reichsinnenminister auf eine rasche Fertigstellung der Verfassung drängte1127, war er bereit, sich an den weiteren Verfassungsberatungen zu beteiligen. Diese Beratungen fanden unter massivem politischem Druck statt und führten in nur drei Sitzungstagen zum Abschluss der Verfassung. Dabei äußerte Meiser fundamentale Bedenken gegen den Verfassungsentwurf1128. Er bemängelte vor allem, der Entwurf sei in gefährlicher Nähe zu einer Union1129. Scharf kritisierte er auch die geplante Stellung des Reichsbischofs. Gegen die Übertragung des NS-Führerprinzips auf die Kirche verlangte er die Beteiligung eines Bischofsrates, die Stärkung der Synode und eine Regelung für die Absetzbarkeit des Reichsbischofs. Zudem wandte er sich gegen eine Verknüpfung von Führungsämtern in der Reichskirche und der altpreußischen Union1130. Durchsetzen konnte er seine Forderungen nicht; er erreichte lediglich, dass sie ins Schlussprotokoll aufgenommen wurden. Dies genügte ihm und den übrigen Kirchenführern, um dem politischen Druck nachzugeben und am 11. Juli 1933 die Verfassung der DEK zu unterzeichnen1131. Mit der Zustimmung zu dem „höchst problematische[n] Kompromiß“1132 zwischen NS-Führerprinzip und kirchlichem Bekenntnis, den die Verfassung darstellte, trug Meiser dazu bei, dass Hitler sein erstes kirchenpolitisches Ziel 1123 Vgl. ebd., 450; Bodelschwingh, Tage, 9. 1124 Votum Meisers auf der Besprechung lutherischer Kirchenführer mit Müller und anderen am 27. 6. 1933 (zit. nach Verantwortung, Bd. 1, 62, Anm. 27). 1125 Vgl. Meisers Mitschrift über die oben Kap. III, Anm. 1124, erwähnte Besprechung (Abdruck: ebd., 56–63; vgl. auch Scholder, Kirchen, Bd. 1, 459 f.). 1126 Vgl. sein Schreiben vom 27. 6. 1933 an Müller und ein weiteres, undatiertes Schreiben an Müller (LAELKB, LB 0.2.0004–365). 1127 Vgl. die Aktennotiz Meisers über ein Telefongespräch mit Pfarrer Klein vom 5. 7. 1933 (ebd.). 1128 Zur Entstehung des Verfassungsentwurfs vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 1, 475–477. 1129 Vgl. Meisers Schreiben an Hans Liermann vom 1. 7. 1933 (LAELKB, LB 0.2.0004-365). 1130 Vgl. die Mitschriften Meinzolts über die Beratungen am 7. und 8. 7. 1933 (ebd.); vgl. auch die Niederschriften über die Besprechungen am 8. und 10. 7. 1933 (BArch, R 79/27). 1131 Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 1, 478 f. 1132 Ebd., 479.
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Abb. 60: Reichsbischof Ludwig Müller bei der Eröffnung der Nationalsynode der DEK, September 1933
erreichen und darauf hoffen konnte, die Reichskirche für eine „Kirchenpolitik im nationalsozialistischen Sinn“1133 nutzen zu können. Folgenreicher jedoch war Meisers Verhalten in der Reichsbischofsfrage. Das akribische Abwägen politischer Folgen, die im Fall eines Beharrens auf von Bodelschwingh zu befürchten waren, und seine Rechtfertigung, die lutherischen Kirchenführer hätten „Tag und Nacht […] Gott angefleht, uns den rechten Weg zu weisen“1134, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass er mitverantwortlich dafür war, dass Müller Reichsbischof wurde und seine diktatorische Gewaltherrschaft aufrichten konnte. Die Entscheidung für Müller sollte Meiser schnell bereuen; später gab er zu, dass es sich um einen seiner größten Missgriffe gehandelt habe1135. Meisers Verhalten bei der Reichsbischofswahl und den Verfassungsverhandlungen ließ programmatisch die Grundsätze deutlich werden, nach denen er sein Verhalten in gesamtkirchlichen Zusammenhängen auch im weiteren Verlauf der NS-Herrschaft ausrichtete: Oberste Priorität hatten die Wahrung des lutherischen Bekenntnisses und der Zusammenschluss der lutherischen Kirchen; daneben stand die Bereitschaft zu föderalen Bündnissen mit Kirchen anderer Konfession. Letzteres war allerdings verbunden mit der 1133 Ebd., 481. 1134 Zit. nach ebd., 451. 1135 Vgl. Baier, Christen, 48.
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konsequenten Abwehr aller Zusammenschlüsse, die als kirchliche Union verstanden werden konnten. Schließlich wollte er die staatliche Anerkennung der Kirche erhalten und war deshalb bereit, dem kirchenpolitischen Willen des NS-Staates soweit entgegenzukommen, wie er es theologisch gerade noch für zulässig hielt. Diese Grundsätze befähigten ihn einerseits, mutig die bald einsetzende Reichsbischofsdiktatur Müllers zu bekämpfen und sich an vorderster Front bei der Entstehung der Bekennenden Kirche zu exponieren; andererseits aber führten sie zu zahlreichen fragwürdigen Kompromissen mit der NS-Kirchenpolitik und wurden mitursächlich für die Spaltung der Bekennenden Kirche.
2. Mitarbeit in der außerbayerischen Bekennenden Kirche 2.1 Treibende Kraft bei der Entstehung der Bekennenden Kirche Als Meiser am 27. November 1933 an der ersten deutschen Nationalsynode in Wittenberg teilnahm1136 und seine Stimme Ludwig Müller gab1137, war noch nicht zu erkennen, dass er in der kirchlichen Opposition gegen den neuen Reichsbischof schon bald eine Vorreiterrolle einnehmen würde. Anlass zur Opposition hätte es freilich schon genug gegeben: Zwischen der Verabschiedung der Verfassung der Reichskirche – der DEK – und der Nationalsynode lagen die von Hitler angeordneten Kirchenwahlen, bei denen die Deutschen Christen in den meisten Landeskirchen triumphale Siege errangen und unter teilweise skandalösen Umständen die Macht übernahmen1138, sowie die „braune“ Synode der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union, auf der Müller zum altpreußischen Landesbischof berufen und der ,Arierparagraph‘ für Pfarrer und Kirchenbeamte eingeführt wurde1139. Als Reaktion auf diese Vorgänge war unter Federführung Niemöllers die Gründung des Pfarrernotbunds erfolgt, der seine Mitglieder gegen die deutschchristlichen Irrlehren auf Schrift und Bekenntnis verpflichtete und den ,Arierparagraphen‘ für die Kirche strikt ablehnte1140. Die lutherischen Kirchenführer unter Meiser hingegen versicherten sich mit Rücksicht auf die ausländischen Kirchen lediglich, dass Müller den ,Arierparagraphen‘ auf der Nationalsynode nicht thematisieren würde1141. Wichtiger als der ,Arierparagraph‘ und die Distanzierung von den Deutschen Christen war es Meiser und 1136 1137 1138 1139 1140 1141
Vgl. den Eintrag in Meisers Amtskalender (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-197). Vgl. Meier, Kirchenkampf, Bd. 1, 114; vgl. auch Scholder, Kirchen, Bd. 1, 624–626. Vgl. ebd., 560–570; Meier, Kirchenkampf, Bd. 1, 103–106, 109–114. Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 1, 598–601; Meier, Kirchenkampf, Bd. 1, 110 f. Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 1, 610–613. Vgl. den Bericht Schöffels auf der Besprechung lutherischer Kirchenführer am 26. 9. 1933 (Abdruck: Verantwortung, Bd. 1, 108–110).
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seinen lutherischen Kollegen zu diesem Zeitpunkt noch, von Müller eine Erklärung zu erreichen, in der dieser sich zum lutherischen Bekenntnis stellte, und ihn dazu zu bewegen, die Personalunion von preußischem Bischof und Reichsbischof zu beenden, weil für sie ein lutherischer Reichsbischof nicht zugleich höchster Repräsentant einer Unionskirche sein konnte1142. Dazu urteilte Scholder zutreffend, die lutherischen Bischöfe seien dafür verantwortlich gewesen, dass die Nationalsynode trotz einer „Kette von Schwierigkeiten und Skandalen […] zu einem Bild der Einigkeit wurde“, weil sie immer noch „von der nationalen Sendung der lutherischen Kirche im Dritten Reich überzeugt“ gewesen seien und es ihnen lediglich um das lutherische Bekenntnis gegangen sei1143. Dass das Festhalten am lutherischen Bekenntnis innerkirchlich allerdings auch schlagkräftiges Widerstandspotential entfalten konnte, zeigte sich, als die Deutschen Christen beim Sportpalastskandal im November 1933 offen Häresien verkündeten: Jetzt, wo der Boden des Bekenntnisses verlassen war, sah Meiser sich zu lautstarkem Protest gerufen und schloss sich nicht nur mit den Bischöfen der intakten Kirchen, sondern auch mit den oppositionellen Kräften im Pfarrernotbund zur sog. Bekenntnisfront zusammen. Diese Front verlangte von Müller, seine Rechts- und Bekenntnisverletzungen abzustellen und für die Wiederherstellung verfassungs- und bekenntnisgemäßer Verhältnisse zu sorgen. Als sich alle Interventionen als vergeblich erwiesen, forderte sie schließlich seinen Rücktritt1144. Als „Sprecher“ der Bekenntnisfront exponierte sich Meiser1145. Die Bekenntnisfront war sich allerdings nur in einem Punkt einig, nämlich in der Opposition gegen den Reichsbischof. Sie zerbrach dann auch bereits Ende Januar 1934, als Meiser und andere Kirchenführer sich nach einem „Führerempfang“ auf massiven Druck Hitlers hin bereit erklärten, wieder mit dem Reichsbischof zusammenzuarbeiten1146. Damit verlor Meiser auch seine Sprecherrolle in der kirchlichen Opposition. Er erkannte seinen Schritt zwar umgehend als schweren Fehler1147; sein Verhalten machte jedoch deutlich, dass zwischen ihm und der kirchlichen Opposition um Niemöller grundlegende Differenzen bestanden, die das Verhältnis der unterschiedlichen Gruppen in der späteren Bekennenden Kirche dauerhaft belasten würden. Die erste Differenz betraf das Verhältnis zu den Deutschen Christen: Während Karl Barth im Vorfeld des Empfangs Deutsche Christen aller Couleur 1142 Vgl. das ebd., 102, Anm. 31, zit. Schreiben Meisers an Marahrens vom 23. 9. 1933; Meisers Mitschrift von der Sitzung der lutherischen Kirchenführer am 26. 9. 1933 (Abdruck: ebd., 102–108); vgl. auch die Protestnote der lutherischen Kirchenführer vom Vorabend der Nationalsynode (Abdruck: Gauger, Chronik, Bd. 1, 104). 1143 Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 1, 620 f. (Zitate: ebd.). 1144 Vgl. schon oben Kap. III A.1.2. 1145 Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 1, 701–742 (Zitat: Scholder, Kirchen, Bd. 2, 37). 1146 Vgl. oben Kap. III, Anm. 131. 1147 Vgl. schon oben Kap. III A.1.2.
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als Ketzer verurteilte und sie von der Kirchengemeinschaft faktisch ausschließen wollte, hielt Meiser es für geboten, die Gemeinschaft mit gemäßigten Deutschen Christen aufrechtzuerhalten1148. Die hier erstmals zu Tage tretende Frage, mit welchen kirchlichen Richtungen ein Zusammengehen möglich war, erwies sich in der Bekennenden Kirche künftig noch als Sprengsatz. Die zweite Differenz betraf das Verhältnis der Kirche zum Staat: Die kirchliche Opposition war sich zwar einig, dass die Kirche nicht zur Staatskirche werden dürfe; uneinig war sie sich hingegen, wie weit die Kirche dem kirchenpolitischen Willen des NS-Staates entgegenkommen durfte. Mit seinem Einknicken vor dem Reichsbischof stellte Meiser erneut unter Beweis, dass er die Grenzen dessen, was der Staat der Kirche zumuten konnte, erheblich weiter zog als die Kreise um Niemöller. Damit war ein weiterer Sprengsatz in die Bekennende Kirche gelegt. Wie schwer es Meiser fiel, die Rücksichten auf den NS-Staat fallenzulassen und endgültig mit der Reichskirchenregierung zu brechen, zeigt die Tatsache, dass es nach dem Empfang bei Hitler noch bis März 1934 dauerte, bis er sich offen für die kirchliche Opposition entschied – obwohl Müller das Einknicken der Bischöfe zum Anlass nahm, die Notbundpfarrer erst recht zu drangsalieren1149, und damit begann, die Landeskirchen durch Eingliederung in die DEK gleichzuschalten1150. Die fortgeführten Rechts- und Verfassungsbrüche Müllers, das Vorgehen gegen die Notbundpfarrer und der drohende Vertrauensverlust in seiner eigenen Landeskirche überzeugten Meiser schließlich, dass er einer Entscheidung nicht länger ausweichen konnte: Anfang März kündigten er und Wurm Hitler an, sie würden öffentlich vom Reichsbischof abrücken, und baten um eine erneute Aussprache1151. Hitler empfing die Bischöfe zwar, machte aber klar, dass er auf ihre Forderungen nicht eingehen und Müller nicht von sich aus absetzen würde1152. Diesmal knickte Meiser nicht ein. Vielmehr wurde er jetzt die „treibende Kraft“1153 bei der Entstehung der Bekennenden Kirche. Den Anstoß dazu gab ihm Eduard Putz, der ihm begeistert vom bekenntniskirchlichen Aufbruch im deutschen Westen berichtete1154. Meiser lud daraufhin Vertreter des Westens und anderer Regionen zu einem Treffen ein, bei dem er sich überzeugen ließ, dass die Zeit des Verhandelns mit der Reichskirchenregierung vorbei war und dem Zusammenschluss der bekennenden 1148 Vgl. die in Verantwortung, Bd. 1, 238, Anm. 2, zit. Voten Barths und Meisers auf der Besprechung nicht-deutschchristlicher Kirchenführer mit Theologieprofessoren und Vertretern des Pfarrernotbunds am 23. 1. 1934; vgl. auch Scholder, Kirchen, Bd. 2, 56. 1149 Vgl. ebd., 67–70. 1150 Vgl. Meier, Kirchenkampf, Bd. 1, 204–221. 1151 Vgl. das Memorandum Meisers und Wurms an Hitler vom 8. 3. 1934 (Abdruck: G. Sch fer, Landeskirche, Bd. 3, 90–94). 1152 Vgl. schon oben Kap. III A.1.2. 1153 Scholder, Kirchen, Bd. 2, 112. 1154 Vgl. schon oben Kap. III A.1.2.
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Kräfte absolute Priorität zukam1155. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass Partei und Gestapo sich aus den kirchlichen Auseinandersetzungen heraushalten würden1156, rief Meiser die wichtigsten Vertreter der bekenntnistreuen Kräfte zu einer Besprechung am 11. April 1934 nach Nürnberg zusammen – allerdings mit Ausnahme von Niemöller, dem Meiser die Schuld für das Fiasko beim „Führerempfang“ im Januar gab1157. Bei dieser Besprechung wurde ein Aktionsausschuss zur Zusammenfassung aller bekenntnistreuen Kräfte berufen, dessen Leitung der westfälische Präses Karl Koch übernahm. Damit war das künftige Leitungsgremium der Bekennenden Kirche geschaffen1158. Zugleich verständigten sich alle Beteiligten darauf, dass die Einsetzung des Aktionsausschusses keinen politischen Widerstand gegen das NS-Regime bedeuten sollte1159. Unmittelbar nach der Sitzung des „Nürnberger Ausschusses“ überschlugen sich die Ereignisse: Der neu berufene „Rechtswalter“ des Reichsbischofs August Jäger versuchte, die württembergische Landeskirche gewaltsam der Reichskirche zu unterwerfen und machte damit klar, dass die „Eingliederung“ auch vor den intakten süddeutschen Landeskirchen nicht haltmachen würde1160. Daraufhin ließ Meiser den Nürnberger Ausschuss erneut zusammenrufen und versöhnte sich um einer geschlossenen Zusammenarbeit willen jetzt auch mit Niemöller1161. Damit war die Front von lutherischen Bischöfen und Pfarrernotbund wiederhergestellt. Der Ausschuss entschied, bei einem Bekenntnisgottesdienst im Ulmer Münster ein Zeichen der Solidarität zu setzen und die neue Einheit der kirchlichen Opposition zu demonstrieren1162. Dieser Bekenntnisgottesdienst fand am 22. April 1934 statt und gilt als „Geburtsstunde der Bekennenden Kirche“1163. In Ulm verlas Meiser vor mehr als 5.000 Zuhörern eine Kundgebung, die als „Ulmer Erklärung“ in die Geschichte des „Kirchenkampfes“ einging und zur „Gründungsurkunde der Bekennenden Kirche“1164 wurde. Mit dieser Kundgebung setzten die bekennenden Kräfte ein öffentliches Signal gegen die Reichskirchenregierung und erklärten sich zur „rechtmäßige[n] evangelische[n] Kirche Deutschlands“1165. Damit war gesagt, dass die Bekenntniskräfte sich nicht als neue Kirche außerhalb der DEK verstanden, sondern den An1155 Zu diesem Treffen am 19. 3. 1934 in Frankfurt/Main vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 2, 102 f.; vgl. auch die Mitschrift Meisers (Abdruck: Verantwortung, Bd. 1, 252–268). 1156 Vgl. die Mitschrift Meisers über die Besprechung mit Hitlers Sonderbeauftragtem für Kirchenfragen Franz Pfeffer von Salomon am 22. 3. 1934 (Abdruck: ebd., 269–273). 1157 Vgl. Nicolaisen, Weg, 15 f. 1158 Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 2, 113; Baier, Ausschuß, 268–275; und Nicolaisen, Weg, 16 f. 1159 Vgl. das bei Baier, Ausschuß, 273, zit. Votum Meisers. 1160 Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 2, 111 f.; Meier, Kirchenkampf, Bd. 1, 449 f. 1161 Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 2, 113 f.; Baier, Ausschuß, 272 und 275. 1162 Vgl. Nicolaisen, Weg, 19. 1163 Vgl. oben Kap. III, Anm. 165. 1164 Scholder, Kirchen, Bd. 2, 114. 1165 Abdruck u. a. KJ 1933–1944, 65 f. (Zitat: 65).
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spruch erhoben, die allein legitime und wahre evangelische Kirche zu sein. Weil Wurm noch davor zurückschreckte, einen solch ungeheuren Anspruch zu erheben, überließ er die Verlesung der Kundgebung Meiser1166, der jetzt keine andere Möglichkeit mehr sah, als den „Weg der bekennenden Gemeinde“1167 zu gehen. Das Vorgehen der Bekenntniskräfte verteidigte Meiser sowohl gegenüber den Deutschen Christen1168 als auch gegenüber dem NSStaat1169. Auf die Reichskirchenregierung machte die Ulmer Erklärung freilich keinen Eindruck. Jäger, der in der DEK inzwischen die Macht an sich gerissen hatte, verfolgte ungehemmt sein Ziel, die Landeskirchen gleichzuschalten und eine „überkonfessionelle deutsche Nationalkirche“ zu schaffen, die „dem nationalsozialistischen Staat ohne Einschränkung zu Diensten sein sollte“1170. Wenige Tage nach dem Ulmer Bekenntnistag wurde die nassau-hessische Kirche eingegliedert1171, kurz darauf folgte auch Sachsen1172. Bis Mitte Mai 1934 waren dann mit Ausnahme von Bayern, Württemberg und bedingt auch Hannover alle Landeskirchen in die Reichskirche eingegliedert1173. Angesichts dieser Vorgänge leitete der Nürnberger Ausschuss Schritte zur Einberufung einer Reichsbekenntnissynode ein und nahm die Eingliederung von NassauHessen und Sachsen zum Anlass, diese Synode kurzfristig für Ende Mai 1934 nach Wuppertal-Barmen einzuberufen1174. Meiser stimmte diesem Vorgehen zwar zu, hegte aber Bedenken gegen eine geplante gemeinsame theologische Erklärung der Synode1175 und warnte energisch davor, ein konfessionsübergreifendes „gemeinsames Bekenntnis zu entwerfen“1176. Weil die Synode damit „die Hand zu einer nicht gewollten Union“1177 reichen würde, verlangte er, sie solle sich auf eine Stellungnahme zu aktuell drängenden Problemen wie dem Führerprinzip in der Kirche und den deutschchristlichen Irrlehren beschränken – Probleme, die durchaus wesentlich waren und schließlich auch Eingang in die theologische Erklärung fanden1178. Noch ein weiterer Punkt war für ihn zentral: Er forderte, die Be1166 Vgl. Scholder, Kirchen 2, 390, Anm. 222; Nicolaisen, Weg, 20 f. 1167 Schreiben Meisers an den Ulmer Dekan Theodor Kappus vom 28. 4. 1934 (zit. nach Baier, Ausschuß, 278). 1168 Vgl. ebd., 279. 1169 Vgl. das Schreiben Meisers an das Reichsinnenministerium vom 17. 5. 1934 (Abdruck: JK [2] 1934, 562–564). 1170 Scholder, Kirchen, Bd. 2, 159. 1171 Vgl. Meier, Kirchenkampf, Bd. 1, 428. 1172 Vgl. ebd., 486. 1173 Vgl. Nicolaisen, Weg, 5. 1174 Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 2, 171–175. 1175 Vgl. dazu und zum Folgenden G. Niemçller, Bekenntnissynode, Bd. 1, 60 f. 1176 Votum Meisers auf der Sitzung des Nürnberger Ausschusses am 7. 5. 1934 (zit. nach Nicolaisen, Weg, 66). 1177 Votum Meisers zit. nach ebd., 70. 1178 Vgl. Reese, Bekenntnis, 255.
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kennende Kirche müsse „in die Reichskirche hineingeschoben werden“1179, d. h. die Beschlüsse der Synode durften nicht auf die Gründung einer neuen Kirche neben der verfassten und staatlich anerkannten DEK hinauslaufen. Damit formulierte Meiser schon früh die generelle Linie, die von nun an sein Verhalten gegenüber der Bekennenden Kirche bestimmen sollte. In der Situation des Jahres 1934, wo Bekenntnis und Ordnung der Kirche durch die deutschchristliche Reichskirchenregierung vernichtet zu werden drohten, räumte er der Zusammenarbeit in der Bekennenden Kirche freilich Priorität ein und war deswegen zu einem Konsens bereit, den alle Beteiligten akzeptieren konnten. Dabei achtete er zwar penibel darauf, dass das lutherische Bekenntnis nicht verletzt wurde und nahm Einfluss auf die geplante theologische Erklärung1180, beteiligte sich aber aktiv an der Reichsbekenntnissynode in Wuppertal-Barmen1181 und verantwortete – im Gegensatz zu lutherischen Hardlinern aus seiner eigenen Landeskirche1182 – schließlich auch das bedeutendste kirchlich-theologische Dokument aus der Zeit des sog. Kirchenkampfs mit, nämlich die am 31. Mai 1934 verabschiedete „Theologische Erklärung zur gegenwärtigen Lage der Deutschen Evangelischen Kirche“1183. Zudem wurde er Mitglied des Reichsbruderrats, des leitenden Gremiums der Bekennenden Kirche1184. Nach der Synode war Meiser einerseits „ehrlich entschlossen […], an der Barmer Gemeinschaft festzuhalten“1185, andererseits aber zeichneten sich bereits Differenzen zur Bekennenden Kirche in den zerstörten Landeskirchen ab. Dass er zu Barmen stand, zeigen seine Bemühungen, die Formierung einer von lutherischen Theologen getragenen dritten Gruppe neben Bekennender Kirche und Deutschen Christen zu verhindern. Er sah in der Bildung einer gegen Barmen gerichteten lutherischen Front einen verhängnisvollen Schritt, der die Opposition gegen die Reichskirchenregierung gefährdete und es Unentschlossenen ermöglichte, „um eine eigentliche Entscheidung herumzukommen“1186. Erreichen konnte er nur wenig: Als Mitte Juni 1934 der von den Erlanger Theologen Althaus und Elert mit unterzeichnete „Ansbacher Ratschlag“ erschien, der gegen Barmen Position bezog1187, drängte er einzelne Beteiligte zwar dazu, nicht gegen die Bekennende Kirche zu agitieren; seine Bemühungen, die Erlanger für ein theologisches Gespräch über Barmen zu
1179 1180 1181 1182 1183 1184 1185 1186 1187
Votum Meisers zit. nach Nicolaisen, Weg, 67. Vgl. ebd., 27–59. Vgl. G. Niemçller, Bekenntnissynode, Bd. 1, 73–113; Scholder, Kirchen, Bd. 2, 181–190. Vgl. die Schreiben Sasses und Althaus’ an Meiser vom 21. 5. 1934 (Abdruck: Nicolaisen, Weg, 83–88). Abdruck u. a. KJ 1933–1944, 70–72. Vgl. G. Niemçller, Bekenntnissynode, Bd. 1, 94. Scholder, Kirchen, Bd. 2, 212; vgl. auch Kremmel, Pfarrer, 302. Schreiben Meisers an Georg Merz vom 13. 6. 1934 (LAELKB, LB 0.2.0004-400). Vgl. oben Kap. III, Anm. 175.
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Abb. 61: Sonderausgabe der Barmer Zeitung zur ersten Bekenntnissynode der DEK in Wuppertal-Barmen, Mai 1934
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gewinnen und einen Konsens herbeizuführen, verliefen jedoch im Sand1188. Auch der von Meiser geleitete lutherische Konvent der Bekenntnissynode, der die Barmer Erklärung vom lutherischen Bekenntnis her auslegen sollte, trat nur einmal zusammen und kam zu keinem Ergebnis1189. Erfolgreich hingegen verhinderte Meiser eine Zusammenarbeit der Erlanger und anderer Professoren mit der Reichskirchenregierung. Als Jäger lutherische Bischöfe und Professoren zu einer Verfassungsbesprechung einlud1190, initiierte Meiser im Vorfeld ein Treffen der eingeladenen Lutheraner, bei dem sich Althaus und Elert überreden ließen, die Teilnahme an der Besprechung abzusagen1191. So erreichte er wenigstens, dass sie sich nicht der Reichskirchenregierung andienten. Dass er nicht gewillt war, die Gemeinschaft der Bekennenden Kirche aufzukündigen oder sich auf eine Zusammenarbeit mit der Reichskirchenregierung einzulassen, machte Meiser schließlich auch gegenüber dem NS-Staat klar: Als die Nationalsynode in Wittenberg im August 1934 ein Gesetz beschloss, das die Leitungen der Landeskirchen entmachtete, forderte er den Reichsinnenminister dazu auf, diesem und anderen Kirchengesetzen die Anerkennung zu versagen und bekannte sich dabei explizit zur Barmer Reichsbekenntnissynode1192. Zugleich taten sich zwischen Meiser und besonders der altpreußischen Bekennenden Kirche erste Bruchlinien auf. Während die Altpreußen in ihrer zerstörten Landeskirche eigene Kirchenleitungsstrukturen aufzubauen begannen, die Zugehörigkeit zur Bekennenden Kirche von einer Verpflichtungserklärung abhängig machten und diese damit faktisch als neue Kirche neben der offiziellen Landeskirche konstituierten1193, lehnte Meiser ein solches Vorgehen für die intakten Landeskirchen ab, da sie ja noch bekenntnisgebundene und legale Kirchenleitungen besaßen. Aber auch in den zerstörten Kirchen erstrebte er eine Rückkehr zu verfassungsmäßigen Zuständen, anstatt durch den Aufbau bekenntniskirchlicher Parallelstrukturen die Verdrängung in die Freikirche zu riskieren. Vor allem die Verpflichtungserklärung war ihm ein Dorn im Auge1194. Dementgegen plädierte er dafür, die Türen auch solchen
1188 Vgl. G. Niemçller, Bekenntnissynode, Bd. 1, 130–132. 1189 Meiser berief nur eine vorbereitende Besprechung ein, auf der sich starke Differenzen zeigten (vgl. die Niederschrift Merz’ über die Besprechung am 13. 7. 1934: HA Bethel, 2/39–72; vgl. auch Verantwortung, Bd. 1, 299 f., Anm. 8). 1190 Vgl. den „Bericht über die erste Tagung des Verfassungsausschusses der Deutschen Evangelischen Kirche in Erfurt“ am 6./7. 7. 1934 (GBlDEK 1934, 105–109). 1191 Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 2, 213; G. Niemçller, Bekenntnissynode, Bd. 1, 131 f. 1192 Vgl. Meisers oben Kap. III, Anm. 187, erwähntes Schreiben an Frick. 1193 Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 2, 214–216. 1194 Vgl. Meisers Voten auf der Sitzung des Reichsbruderrats am 14. 6. 1934 (Niederschrift Fiedlers: LKA Bielefeld, 5, 1, Nr. 704 Fasc. 2); vgl. auch das bei Scholder, Kirchen, Bd. 2, 213, zit. Schreiben Meinzolts an Koch vom 6. 7. 1934.
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Kreisen offenzuhalten, die sich weder den Deutschen Christen noch der Bekennenden Kirche anschließen wollten1195. Noch ein Weiteres kam hinzu: Während in Altpreußen erste Stimmen die Barmer Erklärung als konfessionsübergreifende Grundlage werteten, auf der die DEK neu aufgebaut werden sollte1196, hielt Meiser mit Rücksicht auf die lutherische Barmen-Opposition in Bayern den verpflichtenden Charakter von Barmen möglichst gering1197. Die Furcht, Barmen könne die Geschlossenheit seiner Landeskirche sprengen, zeigte sich schon in der Zurückhaltung, mit der er die Erklärung bekannt machen ließ1198, mehr noch aber in der Weigerung, das Verhältnis der Landeskirche zur Bekennenden Kirche verbindlich festzulegen1199. Diese Differenzen traten allerdings zurück, als die Reichskirchenregierung im Herbst 1934 die Kirchenleitungen in Württemberg und Bayern gewaltsam zu stürzen versuchte. Meiser, der in der Opposition gegen den Reichsbischof nach wie vor die führende Rolle einnahm – auf Grund der einzigartigen Geschlossenheit der bayerischen Landeskirche stärker noch als Wurm1200 –, erfuhr während der Arretierung die Solidarität der gesamten Bekennenden Kirche1201. Seine Standhaftigkeit gründete sich allerdings nicht auf Barmen, sondern auf das lutherische Bekenntnis. Vor diesem Hintergrund hat WolfDieter Hauschild zu Recht geurteilt, es sei gerade das „Festhalten am historischen Bekenntnis“ gewesen, das Meiser und die von ihm geführten lutherischen Kräfte dazu befähigt habe, „eine Grundlegung der bekennenden Kirche und – in politischer Sicht – eine Blockade der Gleichschaltung“ zu leisten1202. Nach dem Zusammenbruch der Gleichschaltungspolitik aber wurde Meisers Festhalten am lutherischen Bekenntnis mitursächlich für die Spaltung der Bekennenden Kirche. 2.2 Mitverursacher der Spaltung der Bekennenden Kirche Während Meisers Arretierung im Herbst 1934 berief Koch die Reichsbekenntnissynode zum zweiten Mal ein. Sie tagte am 19./20. Oktober 1934 in 1195 Vgl. die Protokolle Asmussens und Fiedlers über die Sitzung des Reichsbruderrats am 2. 7. 1934 (LKA Bielefeld, 5, 1, Nr. 704 Fasc. 2). 1196 So etwa der junge Notbundpfarrer Kurt Scharf (vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 2, 214 f.). 1197 Vgl. ebd., 213; vgl. auch das bei G. Niemçller, Bekenntnissynode, Bd. 1, 198, zit. Votum Meisers auf der Besprechung des lutherischen Konvents der Bekenntnissynode am 13. 7. 1934. 1198 Vgl. oben Kap. III, Anm. 174; vgl. auch Kremmel, Pfarrer, 302. 1199 Vgl. das bei G. Niemçller, Bekenntnissynode, Bd. 1, 127 f., zit. Schreiben Meinzolts an Asmussen vom 12. 6. 1934. 1200 Vgl. Scholder, Kirchen, Bd. 2, 293. 1201 Vgl. unten Kap. III B.2.2. 1202 Hauschild, Selbstbewußtsein, 377.
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Berlin-Dahlem, rief das kirchliche Notrecht1203 aus und beschloss die Bestellung eines Notkirchenregiments, das die Leitung und Vertretung der DEK übernehmen sollte1204. Dieses Notkirchenregiment sollte aus einem Bruderrat und einem geschäftsführenden Rat bestehen. Nach diesem Muster sollten auch in den zerstörten Landeskirchen Notkirchenleitungen gebildet werden1205. Mit der Wiedereinsetzung von Meiser und Wurm waren Bayern und Württemberg dann zwar wieder intakt, nach dem Zusammenbruch der Gleichschaltungspolitik Müllers und Jägers bedurfte die DEK allerdings erst recht einer bekenntnisgemäßen Kirchenleitung. Die Vorstellungen in der Bekennenden Kirche, wie das bewerkstelligt werden sollte, gingen freilich weit auseinander. Während Vertreter der Bruderräte auf der konsequenten Durchführung der Dahlemer Beschlüsse bestanden, lehnte Meiser dies ab – und zwar nicht nur für seine eigene Kirche, sondern auch für die DEK. Die Differenzen wurden bereits im November 1934 sichtbar: Nachdem Niemöller und andere im Reichsbruderrat gefordert hatten, die Dahlemer Beschlüsse umzusetzen, stellte Meiser nicht nur Dahlem, sondern das gesamte Programm der Bekennenden Kirche zur Disposition: Er warf die Frage auf, ob die Bekennende Kirche noch den Anspruch erheben dürfe, „die allein rechtmäßige Leitung der DEK zu sein“, und wandte sich dagegen, „dass jemand die [Barmer] Theol[ogische] Erklärung unterschreiben muss, wenn er zu uns gehören will, und seine Beteuerung, er stehe zum Bekenntnis, nicht genügt“. Gegen Dahlem brachte er vor, dass sich die Voraussetzungen, unter denen die Synode entschieden habe, geändert hätten: Es gebe nicht nur wieder verfassungsgemäße Kirchenleitungen, sondern immer weitere Kreise würden sich „das Anliegen der Barmer und Dahlemer Front“ zu eigen machen. Zudem bestehe die Gefahr, das Volk zu überfordern, „das Frieden will“1206. Daraus ergab sich für Meiser für die DEK nur eine realistische Konsequenz: Zwar sollte die Bekenntnissynode eine Kirchenleitung herausstellen, dabei aber an die Reichskirchenverfassung anknüpfen und auch solche Kreise beteiligen, die Bedenken gegen die Barmer Erklärung hatten. Die Art, wie Meiser hier das „volkskirchliche Seziermesser“ führte und „alles, was die Bekennende Kirche seit Frühjahr 1934 theologisch auf die Beine gestellt hatte, für null und nichtig erklärt[e]“1207, war für die Verfechter von Barmen und Dahlem ein Schlag ins Gesicht. Meiser selbst schätzte die Lage allerdings so ein, dass ein kompromissloses Festhalten an Barmen und Dah1203 Vgl. Luther, Notrecht. 1204 Vgl. W. Niemçller, Bekenntnissynode Dahlem; Scholder, Kirchen, Bd. 2, 335–348. 1205 Vgl. die bei W. Niemçller, Bekenntnissynode Dahlem, 37 f., abgedruckte Botschaft der Synode; vgl. auch die Verordnung zur Ausführung der Beschlüsse der Synode vom 29. 10. 1934 (Abdruck: ebd., 39 f.). 1206 Alle Zitate aus dem Protokoll über die Sitzung des Reichsbruderrats am 9. 11. 1934 (LKA Bielefeld, 5, 1, Nr. 704 Fasc. 2); vgl. auch die Mitschrift Meisers (Abdruck: Verantwortung, Bd. 1, 348–357); Besier, Kirchen, 34–36. 1207 Ebd., 35.
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lem zum endgültigen Auseinanderbrechen der DEK führen und die Bekennende Kirche mangels staatlicher Anerkennung geradewegs in die Freikirche steuern würde. Diese Einschätzung teilten auch die Bischöfe der anderen intakten Kirchen und sogar Teile des Reichsbruderrats, so dass sich Meisers Vorstellungen schließlich durchsetzten: Am 22. November 1934 trafen Meiser, Wurm und Marahrens mit dem Reichsbruderrat eine „Vereinbarung über die Bestellung eines vorläufigen Kirchenregiments der Deutschen Evangelischen Kirche“, dessen Aufgabe es sein sollte, „gemäß den Botschaften der Bekenntnissynoden der Deutschen Evangelischen Kirche von Barmen und Dahlem auf der Grundlage von Bekenntnis und Verfassung die Deutsche Evangelische Kirche zu ordnen und in wahrer Einigkeit aufzubauen“1208.
Diese Lösung war ein Kompromiss, der sowohl die Anliegen der Bekenntnissynoden als auch die Anschlussfähigkeit an die Verfassung der DEKwahren sollte1209. Vor allem aber sollte so die staatliche Anerkennung sichergestellt werden, ohne die der Anspruch auf die Leitung der DEK nicht durchsetzbar war. Rücksichten auf den NS-Staat waren es auch, die zur Berufung von Marahrens zum Vorsitzenden der VKL führten1210. Die Bildung der VKL, besonders aber die Berufung von Marahrens, führten zur ersten Mikrospaltung der Bekennenden Kirche: Niemöller, Barth und andere traten vorübergehend aus dem Reichsbruderrat aus, weil Marahrens als Kandidat des Staates galt und keine Gewähr dafür bot, dass die neue Leitung im Sinne der Bekenntnissynoden handeln würde1211. Dies war ein hoher Preis, zumal die politischen Rücksichtnahmen nicht dazu führten, dass der NS-Staat die neue Leitung anerkannte1212. Den nächsten Schlag ins Gesicht der Verfechter von Barmen und Dahlem vollführte Meiser, als er sich einen Monat später an einem Vermittlungsversuch des ostpreußischen Oberpräsidenten und Mitglied des preußischen Kirchensenats Erich Koch beteiligte. Ziel dieses Versuchs war die Bildung einer neuen Reichskirchenleitung und die Wiederherstellung bekenntnis- und verfassungsgemäßer Zustände in der DEK1213. Meiser und Wurm, die sich – freilich vergeblich – die Zustimmung Hitlers erhofften, unterzeichneten eine Vereinbarung, in der zwar der Rücktritt des Reichsbischofs und der Ausschluss deutschchristlicher Irrlehren zur Bedingung gemacht wurde, von Barmen und Dahlem aber keine Rede war1214. Wilhelm Niesel, führendes 1208 Abdruck: KJ 1933–1944, 87 f. (Zitat: 88). 1209 So entsprach die Zusammensetzung der VKL I den Bestimmungen der Verfassung über die Zusammensetzung des Geistlichen Ministeriums (vgl. GBlDEK 1933, 3). 1210 Vgl. G. Niemçller, Bekenntnissynode, Bd. 1, 139–142. 1211 Vgl. ebd., 141; Besier, Kirchen, 38. 1212 Vgl. ebd., 40. 1213 Vgl. ebd., 50–52. 1214 Vereinbarung vom 20. 12. 1934 (Abdruck: G. Sch fer, Landeskirche, Bd. 4, 169 f.).
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Mitglied der altpreußischen Bekennenden Kirche, warf den Bischöfen daraufhin die „Preisgabe der Barmer und Dahlemer Botschaft“1215 vor. Deutlicher hätte Meiser in der Tat nicht demonstrieren können, dass jetzt, wo in Bayern und Württemberg wieder verfassungsgemäße Zustände herrschten, Barmen und Dahlem für ihn keine Priorität mehr hatten. Die von der Bekennenden Kirche gebildeten Bruderräte betrachtete er lediglich als Noteinrichtung, die möglichst schnell wieder verschwinden und verfassungsgemäßen Verhältnissen Platz machen sollte1216. Da er aber die Gemeinschaft mit der Bekennenden Kirche nicht aufkündigen wollte, stellte sich umso mehr die Frage, wie sich das immer noch ungeklärte Verhältnis der bayerischen Landeskirche zur Bekennenden Kirche gestalten sollte, welche Bedeutung den Beschlüssen der Reichsbekenntnissynoden zukam und ob es sich bei der Bekennenden Kirche nur um eine Kampfgemeinschaft oder um eine wirkliche Kirche handelte. Hier kam es 1935 zwischen Meiser und dem altpreußischen Bruderrat zu einer Polarisierung, die die Bekennende Kirche schließlich sprengte. Wie reserviert der bayerische Landesbischof einem auf Barmen und Dahlem fußenden Ausbau der Bekennenden Kirche gegenüberstand, zeigte sich besonders im Zusammenhang der Einberufung der dritten Reichsbekenntnissynode im Frühjahr 1935. Diese Synode sollte in Bayern stattfinden und die Spannungen ausräumen, die mit der Bildung der VKL aufgebrochen waren, das Verhältnis von VKL, Reichsbruderrat und Reichsbekenntnissynode klären und die „Geschlossenheit und Einheit der Bekennenden Kirche vor der Öffentlichkeit“1217 neu bezeugen. Anlass für die Synode waren aber nicht nur die internen Spannungen, sondern auch die Verfolgung von Bekenntnispfarrern, die nach einer Kundgebung der altpreußischen Bekenntnissynode gegen das Neuheidentum bisher ungekannte Ausmaße angenommen hatte1218, sowie Befürchtungen, der NS-Staat plane einen Staatseingriff und werde der Kirche eine Leitung oktroyieren1219. Auf Bitten Meisers wurde die Synode mehrfach verschoben1220. Er erklärte zwar, die Bekenntnissynode sei in Bayern gerne willkommen, verlangte aber die vorherige Klärung der Fragen nach einem gemeinsamen Abendmahl, der „konfessionellen Gliederung der Synode“ und der „Verpflichtungsformel der
1215 Memorandum Niesels vom 21. 12. 1934 (Abdruck: ebd., 168 f., Anm. 4). 1216 Vgl. das bei Besier, Kirchen, 66 f., zit. Votum Meisers auf der gemeinsamen Sitzung der VKL I und des Reichsbruderrats am 7. 3. 1935. 1217 Protokoll über die Ergebnisse einer Besprechung in Bad Oeynhausen am 17. 4. 1935 (Teilabdruck: W. Niemçller, Bekenntnissynode Augsburg, 17–19, Zitat: 18). 1218 Vgl. Besier, Kirchen, 61–63. 1219 Vgl. das oben Kap. III, Anm. 1217, erwähnte Protokoll; vgl. auch Besier, Kirchen, 73. 1220 Zur Vorgeschichte der Synode vgl. Meier, Kirchenkampf, Bd. 2, 44–50; Besier, Kirchen, 82–88.
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Synodalen“1221. Für Meiser wies die vorgesehene Verpflichtung1222 den Erklärungen der Bekenntnissynoden einen unzulässigen Rang zu, der sie „über die reformatorischen Bekenntnisse stellt und sie förmlich zum Schlüssel für das Verständnis dieser Bekenntnisse und damit auch zum Schlüssel für das Verständnis der Heiligen Schrift selbst macht“1223. Darüber hinaus verlangte er den Ausschluss Barths von der Synode, weil dieser gefordert haben sollte, die Schweiz müsse ihre Grenze gegen Deutschland sichern1224. Als eine Rede Hitlers angekündigt wurde, von der eine Stellungnahme zur Kirchenfrage erwartet wurde, bat Meiser nochmals um Verschiebung der Synode1225.
Abb. 62: Teilnehmer der dritten Bekenntnissynode der DEK in Augsburg, Juni 1935
Auf der Bekenntnissynode vom 4. bis 6. Juni 1935 in Augsburg1226 betonte er dann zwar die Gemeinschaft der bayerischen Landeskirche mit den außerbayerischen Kirchen, definierte diese aber lediglich als „Kampf- und Notgemeinschaft“ und erwähnte Barmen und Dahlem mit keinem Wort. Stattdessen 1221 Schreiben Meisers an Breit vom 29. 4. 1935 (LAELKB, LB 0.2.0004-368; Abdruck: W. Niemçller, Bekenntnissynode Augsburg, 22 f.). 1222 Zum Wortlaut der Formel vgl. das Schreiben Kochs an die Landes- und Provinzialbruderräte und an den Reichsbruderrat vom 13. 5. 1935 (Teilabdruck: ebd., 35 f., Zitat: 36). 1223 Schreiben Meisers an Koch vom 16. 5. 1935 (Abdruck: ebd., 37–39, Zitat: 39). 1224 Vgl. Meier, Kirchenkampf, Bd. 2, 46. 1225 Vgl. das oben Kap. III, Anm. 1223, erwähnte Schreiben Meisers an Koch. 1226 Vgl. Besier, Kirchen, 88–92; Meier, Kirchenkampf, Bd. 2, 50–59.
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wies er darauf hin, dass der „Dienst, den wir […] für das Ganze der Kirche zu leisten berufen sind“, nur „in dem Geist und der Ordnung, wie sie uns als einer bekenntnisgeprägten lutherischen Kirche geworden sind“, geschehen könne1227. Damit war ein Verständnis der Bekennenden Kirche als einer wirklichen Kirche ausgeschlossen. Um jeden Anschein einer Union zu vermeiden, beharrte er auf der Aufteilung der Synode in konfessionelle Konvente und löste damit kontroverse Diskussionen aus1228, in denen er sich des Vorwurfs erwehren musste, er wolle in die „Einigkeit förmlich einen Spaltpilz tragen“1229. Noch ein weiterer Punkt war für Meiser von zentraler Bedeutung: Als die Synode die intakten Landeskirchen dazu verpflichten wollte, die Pfarramtskandidaten aus zerstörten Kirchen zu prüfen, war er dazu zwar bereit, wehrte sich aber gegen eine Verpflichtung, weil so der Eindruck entstehe, „als nähme die Bekenntnissynode für sich in Anspruch, die Kompetenzen und die Zuständigkeit der verfassungsmäßigen Organe noch in intaktem Rechtszustand befindlicher Landeskirchen einfach außer Kraft zu setzen“1230. Dies hieß nichts Anderes, als dass er nicht gewillt war, seine Landeskirche den Leitungsgremien der Bekennenden Kirche zu unterstellen. In Augsburg wurde die Gemeinschaft der Bekennenden Kirche zwar noch einmal gerettet, die konfessionell bedingten Konflikte schwelten aber ungelöst weiter. Der Argwohn der Bruderräte gegen Meiser und seine lutherischen Bischofskollegen wurde noch zusätzlich befeuert durch den im Spätsommer 1934 gegründeten und von Meiser geleiteten Lutherischen Rat1231, der den Bestand der altpreußischen Union in Frage stellte und sich auf die Fahnen geschrieben hatte, „für eine große lutherische Kirche der deutschen Nation zu kämpfen“1232, sowie den Zusammentritt des Lutherischen Tages im Juli 1935 in Hannover, der die singuläre Bedeutung des lutherischen Bekenntnisses hervorhob und erneut auf der Durchführung der konfessionellen Gliederung der Reichsbekenntnissynode insistierte1233. Für die Bruderräte hatten die Lutheraner damit „wieder einen Sprengsatz entzündet“1234 und neben Bekenntnissynode und Vorläufige Kirchenleitung eine „dritte Instanz“1235 gesetzt, die unautorisiert in die Belange der DEK hineinredete. Auslöser für den Bruch in der Bekennenden Kirche wurde dann die KirBegrüßungsrede Meisers zit. nach W. Niemçller, Bekenntnissynode Augsburg, 104. Vgl. ebd., 145 f., 155 f., 182 f.; Besier, Kirchen, 89–91; und Reese, Bekenntnis, 300–306. Votum Meisers zit. nach W. Niemçller, Bekenntnissynode Augsburg, 182. Votum Meisers zit. nach ebd., 279. Vgl. unten Kap. III B.3.1. Kundgebung des Lutherischen Rates „zur Eingliederung lutherischer Landeskirchen“ vom 5. 10. 1934 (zit. nach Schneider, Zeitgeist, 70). 1233 Vgl. unten Kap. III B.3.1. 1234 Besier, Kirchen, 108. 1235 Votum Asmussens auf der gemeinsamen Sitzung von Reichsbruderrat und VKL I am 31. 7. 1935 (zit. nach Verantwortung, Bd. 1, 418). 1227 1228 1229 1230 1231 1232
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chenpolitik des NS-Staates, die im Sommer 1935 mit der Berufung Hanns Kerrls zum Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten in eine neue Phase trat1236. Die Bekennende Kirche stand jetzt vor der Frage, ob sie mit Kerrl zusammenarbeiten dürfe. Während der Pfarrernotbund sich dagegen aussprach, weil dies für ihn im Widerspruch zu Barmen und Dahlem stand, machte sich die VKL unter Marahrens daran, die Beschlüsse von Dahlem zu revidieren, um eine Zusammenarbeit mit dem Minister zu ermöglichen1237. Auch Meiser plädierte für die Zusammenarbeit, weil er die vom Minister angedrohte Trennung von Staat und Kirche verhindern wollte, allerdings nicht um jeden Preis: Er forderte von Kerrl die Freiheit der Kirche und warnte vor staatlichen Versuchen, die Gegensätze zwischen Deutschen Christen und Bekennender Kirche zu nivellieren und beide Gruppen in eine Kirche zu zwingen1238. Akut wurde die Frage der Mitwirkung an der staatlichen Kirchenpolitik im Herbst 1935, als Kerrl sog. Kirchenausschüsse einsetzte, die die Leitung der zerstörten Kirchen übernehmen und die Konflikte zwischen Deutschen Christen und Bekennender Kirche beenden sollten1239. Jetzt brachen die Gegensätze zwischen den Bischöfen der intakten Landeskirchen und besonders dem altpreußischen Bruderrat voll auf. Während letzterer sich weigerte, die Kirchenausschüsse als Leitung anzuerkennen, weil sie weder von der Kirche berufen noch an die Beschlüsse von Barmen und Dahlem gebunden waren1240, signalisierten die lutherischen Mitglieder der VKL Bereitschaft zu einer bedingten Zusammenarbeit1241. Meiser selbst wehrte einen Kirchenausschuss für Bayern zwar ab1242, hielt „die Übertragung der kirchenregimentlichen Befugnisse auf einen Landeskirchenausschuß in den zerstörten Gebieten“ aber „an sich nicht für bekenntniswidrig, solange der Ausschuß die Gewähr dafür bietet, daß er sich in seinen Maßnahmen an Schrift und Bekenntnis tatsächlich gebunden hält“1243. Die Bindung an Schrift und Bekenntnis war den bruderrätlichen Verfechtern von Barmen und Dahlem allerdings nicht genug: Sie verlangten die Bindung an die Bekenntnissynoden, die Zustimmung zur Barmer Erklärung, die Anerkennung der Organe der Bekennenden Kirche als allein rechtmäßige Leitung und die Ablehnung jeder Zusammenarbeit mit den Kirchenaus1236 Vgl. oben Kap. III, Anm. 523. 1237 Vgl. Besier, Kirchen, 312–316. 1238 Vgl. Meisers Mitschrift über die Besprechung mit Kerrl am 23. 8. 1935 (Abdruck: Verantwortung, Bd. 2, 1–11), vgl. auch Besier, Kirchen, 316–318. 1239 Vgl. schon oben Kap. III A.2.3.2. 1240 Vgl. die Entschließung des altpreußischen Bruderrats vom 9. 10. 1935 (Abdruck: K. D. Schmidt, Bekenntnisse, Bd. 2, 269 f.). 1241 Vgl. Besier, Kirchen, 349. 1242 Vgl. schon oben Kap. III A.2.3.2. 1243 Schreiben an den Reichskirchenausschuss vom 9. 1. 1936 (Abdruck: K. D. Schmidt, Dokumente, Bd. 2/1, 209–211, Zitate: 210).
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schüssen. Weil die lutherischen Mitglieder der VKL dafür keine Gewähr boten, setzte der Reichsbruderrat die Vorläufige Leitung im Januar 1936 faktisch ab und beschloss die Einberufung der Reichsbekenntnissynode1244. Für Meiser hatten die „Dahlemer Radikalen“ damit „die besonnener Denkenden gleichsam exkommuniziert“1245. Die Ursache sah er in der unterschiedlichen Bewertung der Bekenntnissynoden, die von den Dahlemern „geradezu als kirchenbildend angesehen und gewertet“ würden; für diese sei „gewissermaßen über die lutherische und reformierte Kirche hinaus ,die bekennende Kirche‘ entstanden, die Angehörige lutherischer, unierter und reformierter Kirchen unterschiedslos in sich schließt“. Dagegen sehe die bayerische Kirchenleitung allein die lutherischen Bekenntnisschriften als „kirchenbegründend und verpflichtend“ an. Zwar bekenne sich auch Bayern „zu den Bekenntnissynoden, aber wir wissen uns nicht so an sie gebunden, daß ihre Entscheidungen den Rang von Dogmen annehmen dürften [sic!], und lehnen die weithin versuchte nachträgliche Kanonisierung der Synodalbeschlüsse als unlutherisch ab“1246.
Für Meiser liefen die Forderungen der altpreußischen Majorität im Reichsbruderrat auf eine Unionskirche im vollen Sinne hinaus, für die nicht die Confessio Augustana, sondern die Beschlüsse von Barmen, Dahlem und Augsburg sowie die Unterschrift unter die rote Mitgliedskarte der Bekenntnisgemeinden bindend sein sollten. Deshalb sah er sich jetzt zum Widerstand gegen seine bruderrätlichen Verbündeten gerufen und plädierte angesichts der unvereinbaren ekklesiologischen Auffassungen für die „Liquidation des gesamten Unternehmens“1247. Auch eine neue Reichsbekenntnissynode stellte er in Frage, weil er befürchtete, sie werde nur die Differenzen sichtbar machen, und kündigte an, die bayerische Abordnung werde Beschlüssen, „die durch Majorisierung einer Minderheit zustandekommen sollten“1248, ihre Anerkennung verweigern. Meiser verweigerte dann auch tatsächlich die Anerkennung der Beschlüsse der vierten Reichsbekenntnissyode vom 18. bis 22. Februar 1936 in Bad Oeynhausen1249. Obwohl es dort in den wesentlichen Fragen zu keinem Konsens kam, wurde der neu gewählte Reichsbruderrat beauftragt, eine neue, 1244 Vgl. den Beschluss des Reichsbruderrats vom 3. 1. 1936 (Abdruck: ebd., 188 f.); vgl. auch das Schreiben der VKL I an die Kirchenregierungen und Bruderräte vom 4. 1. 1936 (Abruck: ebd., 189–191). 1245 Votum Meisers auf der Besprechung mit der VKL I am 16. 1. 1936 (zit. nach Verantwortung, Bd. 2, 170, Anm. 3). 1246 Alle Zitate aus dem Schreiben des bayerischen Landeskirchenrats an die Geistlichen und Religionslehrer vom 9. 1. 1936 (Abdruck: K. D. Schmidt, Dokumente, Bd. 2/1, 205–209). 1247 Zitat aus dem oben Kap. III, Anm. 1245, erwähnten Votum Meisers. 1248 Schreiben Meisers an Koch vom 14. 2. 1936 (zit. nach W. Niemçller, Bekenntnissynode Oeynhausen, 50). 1249 Vgl. Meier, Kirchenkampf, Bd. 2, 101–108; Besier, Kirchen, 423–426; und W. Niemçller, Bekenntnissynode Oeynhausen.
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zweite Vorläufige Kirchenleitung zu wählen, bei der es sich jetzt „um ein rein bekenntnissynodales Leitungsorgan“ handelte, in dem die altpreußische Bekennende Kirche „eindeutig das Sagen hatte“1250. Die intakten lutherischen Kirchen beteiligten sich daran nicht. Sie sahen sich weder im neuen Reichsbruderrat noch in der VKL II repräsentiert. Meiser ergriff daraufhin die Initiative und trieb seine Pläne für einen lutherischen Zusammenschluss voran: Er rief Vertreter lutherischer Kirchen zusammen, die sich im Lutherrat zusammenschlossen und eine eigene Leitung schufen1251. Von nun ab bestand in der Bekennenden Kirche ein Leitungsschisma, das die Spaltung zwischen dem sog. „bischöflichen“ bzw. „gemäßigten“ Flügel und dem altpreußisch dominierten „bruderrätlichen“, „radikalen“ oder „dahlemitischen“ Flügel auch organisatorisch besiegelte. Meiser gehörte zu den Mitverursachern dieser Spaltung. Hatte ihn sein Insistieren auf dem historischen lutherischen Bekenntnis1252 zuvor noch befähigt, zur treibenden Kraft auf dem Weg nach Barmen zu werden, sprengte es jetzt die Bekennende Kirche. Zwar trieb er den Keil von lutherischer Seite aus nicht allein in die Bekennende Kirche, aber kaum jemand vertrat den konfessionellen Standpunkt so kompromisslos wie er. Freilich entwickelte der dahlemitische Flügel im Prozess der Polarisierung nicht weniger starre Positionen, was einen Kompromiss letztlich unmöglich machte. Während die „Dahlemer“ die lutherischen Bischöfe – und allen voran den bayerischen – allein für die Spaltung verantwortlich machten1253 und ihnen vorwarfen, „einen ungeschichtlichen Fundamentalismus im Blick auf die lutherischen Bekenntnisschriften zu vertreten“1254, zog für Meiser hier eine „theologische Diktatur Dahlems“1255 herauf, der er sich genauso widersetzen zu müssen glaubte wie den Irrlehren der Deutschen Christen. Unter diesen Voraussetzungen war ein erneutes Zusammengehen der Bekennenden Kirche ausgeschlossen. Zu mehr als Kampf- und Aktionsbündnissen zwischen dem „bischöflichen“ und dem „bruderrätlichen“ Flügel kam es im weiteren Verlauf der NS-Herrschaft dann auch nicht mehr.
1250 Besier, Kirchen, 427. 1251 Vgl. unten Kap. III B.3.2. 1252 Vgl. die Kundgebung Meisers und des bayerischen Landeskirchenrats vom 10. 2. 1936 (Abdruck: K. D. Schmidt, Dokumente, Bd. 2/1, 347–358). 1253 Vgl. das bei Bentley, Niemöller, 149, zit. Schreiben Niemöllers an von Bodelschwingh vom 6. 4. 1936; G. Niemçller, Bekenntnissynode, Bd. 1, 127. 1254 Hauschild, Selbstbewußtsein, 379. 1255 Votum Meisers auf der Besprechung mit der VKL I am 16. 1. 1936 (zit. nach Verantwortung, Bd. 2, 179).
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3. Wegbereiter einer vereinten lutherischen Kirche Deutschlands 3.1 Zwischen Reichskirche, Bekennender Kirche und lutherischer Vereinigung Nachdem Meiser 1933 Landesbischof geworden war, wurde er innerhalb kurzer Zeit zur „führenden Gestalt der lutherischen Vereinigungsbestrebungen in Deutschland“1256. Dabei konnte er an die lutherischen Einigungsbestrebungen des 19. Jahrhunderts anknüpfen, die ihren Ausgang bei der lutherischen Opposition gegen die altpreußische Union von 1817 genommen hatten. Über lose Zusammenschlüsse war man aber nicht hinausgekommen1257. Im Zusammenhang der Gründung der DEK im Sommer 1933 verschaffte Meiser als „anerkannte[r] Sprecher der lutherischen Landeskirchen Deutschlands“1258 den lutherischen Einigungsbestrebungen zwar neuen Auftrieb, erzielte zunächst aber weder in der DEK noch unter den lutherischen Landeskirchen Fortschritte1259. Die bald nach Gründung der DEK einsetzende Gewalt- und Gleichschaltungspolitik der Reichskirchenregierung hinderte Meiser dann erneut daran, die lutherische Einigung voranzutreiben. Angesichts der Irrlehren der Deutschen Christen und der Gefahr, dass die Kirche zu einer religiösen Unterabteilung des NS-Staates umgebaut wurde, setzte er gezwungenermaßen andere Prioritäten, stellte die lutherischen Pläne zurück und engagierte sich in der Bekennenden Kirche1260. Dabei blieb er zwar stets darauf bedacht, dass aus der Bekennenden Kirche keine Unionskirche entstand, hielt aber an der Kampfgemeinschaft mit den anderen Bekenntniskräften fest. Dies galt auch, als sich die kirchenpolitische Situation im Sommer 1934 zuspitzte1261. Jetzt war es auch nicht Meiser, sondern Marahrens, der einen neuen lutherischen Zusammenschluss initiierte. Als dieser lutherische Kirchenführer, Professoren und Vertreter lutherischer Organisationen zu einer Besprechung am 24./25. August 1934 in Hannover zusammenrief1262, überging er Meiser offenbar1263 und informierte auch die Leitung der Bekennenden Kirche in Bad Oeynhausen nicht. Die Besprechung gilt als Gründungsversammlung des Lutherischen Rates1264. Meiser traf erst verspätet ein und ver1256 Schneider, Zeitgeist, 14. 1257 Zur Geschichte der lutherischen Einigungsbestrebungen bis 1933 vgl. ebd., 33–46; Fleisch, Werden, 15–23. 1258 Schneider, Zeitgeist, 47. 1259 Vgl. ebd., 47–54, und oben Kap. III B.1. 1260 Vgl. oben Kap. III B.2.1. 1261 Vgl. oben Kap. III A.1.2. 1262 Zu dieser Besprechung vgl. Schneider, Zeitgeist, 61–67. 1263 Vgl. Meier, Kirchenkampf, Bd. 1, 518. 1264 Vgl. Schneider, Zeitgeist, 62; zum Lutherischen Rat vgl. auch Fleisch, Werden, 25 f.
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langte, dass die Arbeit des Rates „nur im Einvernehmen mit Oeynhausen geschehen“1265 dürfe; zudem holte er das nach, was Marahrens versäumt hatte, und versuchte – allerdings vergeblich – leitende Persönlichkeiten der Bekennenden Kirche zu informieren und zu den Beratungen hinzuzuziehen1266. Andererseits war es ganz im Sinne Meisers, dass die Neugründung sich antiunionistisch positionierte und kirchenpolitisch „Neutrale“ für das Bekenntnisanliegen gewinnen wollte, d. h. solche Lutheraner, die nicht zu den Deutschen Christen gehörten, sich aber auch nicht auf Barmen verpflichten wollten. Zudem meinte Meiser, die Arbeit des Lutherischen Rates konstruktiv mit dem von ihm geleiteten lutherischen Konvent der Bekenntnissynode verbinden zu können1267. Nachdem auch Marahrens klarstellte, die Neugründung müsse mit der Oeynhausener Leitung der Bekennenden Kirche kooperieren1268, war Meiser nicht nur zur Mitarbeit bereit, sondern übernahm auch den Vorsitz des Lutherischen Rates1269. Von der Oeynhauser Leitung – vor allem von deren Mitarbeiter Hans Asmussen – wurde der Rat als Konkurrenzunternehmen empfunden, das die Einheit der Bekennenden Kirche gefährdete1270. Die lutherischen Parallelaktionen, die hier ihren Anfang nahmen, blieben dann auch ein Störfaktor, der von den anderen Kräften in der Bekennenden Kirche stets misstrauisch beäugt wurde. Vor dem Hintergrund des Kampfes gegen die Zwangseingliederung der süddeutschen Landeskirchen in die DEKwarb Meiser im Herbst 1934 dann für die Mitarbeit im Lutherischen Rat, da ein „schlagkräftiger Kreis bekenntnistreuer Lutheraner vorhanden sein“ müsse, „der der kämpfenden lutherischen Kirche beratend und fördernd zur Verfügung steht und […] alle lutherischen Kreise sammelt, die willens sind, im Glauben der Väter fest an der lutherischen Kirche festzuhalten“1271.
Entsprechend der Zielsetzung des Rates, kirchenpolitisch neutrale Lutheraner einzubinden, war bei Meisers Werbeaktion von Barmen oder der Bekennenden Kirche keine Rede. Dies galt auch für eine Kundgebung vom 5. Oktober 1934, in der sich der Lutherische Rat gegen die Eingliederung verwahrte, weil sie nichts anderes bedeute „als das Ende der lutherischen Kirchen in Deutschland“1272; hier argumentierte der Rat ausschließlich mit der Confessio
1265 1266 1267 1268 1269
Votum Meisers zit. nach Verantwortung, Bd. 1, 324, Anm. 13. Vgl. ebd., 322, Anm. 4, 325; vgl. auch G. Niemçller, Bekenntnissynode, Bd. 1, 206. Vgl. Verantwortung, Bd. 1, 324–326. Vgl. ebd., 322. Vgl. die ebd., 327, Anm. 27, zit. Niederschrift Stolls über die Sitzung des Arbeitsausschusses des Lutherischen Rates am 18. 9. 1934. 1270 Vgl. Schneider, Zeitgeist, 63. 1271 Rundschreiben Meisers vom 2. 10. 1934 (LKA Stuttgart, D1/182). 1272 K. D. Schmidt, Bekenntnisse, Bd. 1, 148; vgl. auch Schneider, Zeitgeist, 69 f.
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Augustana und formulierte erstmals offen seinen Plan, „mit allen Kräften für eine große lutherische Kirche der deutschen Nation zu kämpfen“1273. Nach seiner Wiedereinsetzung ins Amt machte Meiser schnell klar, dass er dem Kurs, den die Dahlemer Reichsbekenntnissynode eingeschlagen hatte, nicht zu folgen gedachte1274, und berief den Lutherischen Rat zu einer Sitzung ein, auf der die künftige lutherische Marschroute festgelegt wurde. Die Sitzung fand am 22. November 1934 statt, dem selben Tag, an dem es zur Vereinbarung über die Bildung der VKL I kam1275. Meiser betonte zwar die „enge Kampfgemeinschaft mit der ganzen bekennenden Kirche“ und hielt fest, es solle „unvergessen sein, was für den ganzen deutschen Protestantismus, auch für die […] lutherischen Kirchen der Pfarrernotbund und die Bruderräte gekämpft, gelitten und geleistet haben“1276; trotzdem erhoben sich Forderungen, spontan eine lutherische Kirche auszurufen. Mit Rücksicht auf die Bekennende Kirche kam es dazu zwar nicht, der Lutherische Rat proklamierte aber das „Ziel der lutherischen Kirche Deutschlands innerhalb der DEK“1277 und verabschiedete Richtlinien, in denen er „die Lutherische Kirche deutscher Nation“1278 als Fernziel festschrieb1279. Meiser saß zu diesem Zeitpunkt zwischen drei Stühlen: der DEK, der Bekennenden Kirche und der lutherischen Vereinigung. In diesem Spannungsfeld agierte er bis zur Spaltung der Bekennenden Kirche weiter. Bevor es zum endgültigen Bruch kam, wollte er keinen der drei Zusammenschlüsse aufgeben: Die Preisgabe der DEK hätte das Ende der staatlich anerkannten Volkskirche bedeutet; der Bekennenden Kirche fühlte er sich nicht nur aus taktischen Gründen, sondern auch aus Solidarität mit ihren verfolgten Gliedern und Dankbarkeit für ihren Einsatz im bayerischen Kirchenkampf verpflichtet. Ekklesiologisch zwingend geboten erschien ihm freilich nur die lutherische Vereinigung. Dementsprechend unterstützte er die VKL I1280 und arbeitete in der Bekennenden Kirche mit, trieb zugleich aber den lutherischen Zusammenschluss voran. So traf er im Februar 1935 mit Marahrens und Wurm eine Vereinbarung, nach der sich die hannoversche, bayerische und württembergische Landeskirche zum sog. Lutherischen Pakt zusammenschlossen1281. Der Pakt knüpfte an die Verfassung der DEK an und gründete sich auf die Hoffnung, der 1273 1274 1275 1276 1277 1278 1279 1280 1281
K. D. Schmidt, Bekenntnisse, Bd. 1, 148. Vgl. oben Kap. III B.2.2. Vgl. ebd. Niederschrift über die Tagung des Lutherischen Rates in Leipzig am 22. 11. 1934 (LKA Hannover, D 15 V 1/2); vgl. auch Schneider, Zeitgeist, 71–74. Zitat aus der oben Kap. III, Anm. 1276, erwähnten Niederschrift. Zit. nach Schneider, Zeitgeist, 73. Abdruck u. a. bei Stoll, Tag, 61. Vgl. Meisers Schriftverkehr im LAELKB, LB 0.2.0004-368. Abdruck der Vereinbarung vom 12. 2. 1935: JK 3 (1935), 213–215, vgl. auch Fleisch, Werden, 26.
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Reichskirche doch noch ein lutherisches Gepräge geben zu können. Die Aufgabe des Paktes sollte darin bestehen, Verwaltung, gottesdienstliche Ordnungen und Gesetzgebung der Mitgliedskirchen zu vereinheitlichen1282. Die Leitung hatte Marahrens; erst im Zweiten Weltkrieg ging die Federführung an Bayern über1283. In den folgenden Jahren konnten zwar einige gemeinsame Regelungen getroffen werden, seine eigentlichen Ziele erreichte der Pakt aber nicht, zumal sich keine weitere Landeskirche anschloss. Für die lutherische Vereinigung ungleich bedeutender wurde die theologische Arbeit des Lutherischen Rates und des Lutherischen Tages im Frühjahr und Sommer 1935. Im April berief Meiser den Lutherischen Rat nach längerer Pause wieder ein, um das Verhältnis von Kirche und Staat und die Einberufung einer lutherischen Synode zu beraten1284. Anlass waren Befürchtungen, der NS-Staat werde die Kirchenleitung an sich ziehen oder gar das landesherrliche Kirchenregiment wiedereinführen1285. Ergebnis der Besprechung1286 war eine Stellungnahme zum Verhältnis von Kirche und Staat1287, die nach Meiser „die unveräußerlichen Grundsätze“ enthielt, „die dem Bekenntnis unserer lutherischen Kirche entsprechen“1288. Unter Berufung auf die Confessio Augustana wurde hier ein Anspruch des Staates auf die Kirchenleitung bestritten und festgehalten, dass die Kirchenleitung allein Sache der Kirche sei; das landesherrliche Kirchenregiment sei nur eine zeitbedingte Erscheinung gewesen, die nicht in den lutherischen Bekenntnissen begründet und keineswegs auf die Gegenwart übertragbar sei. Positiv gestand der Rat dem Staat lediglich einen Anspruch auf Gehorsam, Treue und Fürbitte und Aufsichtsrechte über äußere Angelegenheiten der Kirche zu. War sich der Rat hier noch mit der übrigen Bekennenden Kirche einig1289, war das zweite Thema der Besprechung, die Einberufung einer lutherischen Synode, von großer Brisanz. Wurm warnte, eine solche Synode störe die „Konsolidierung der Bekennenden Kirche“1290. Auch Meiser sah das Vorhaben kritisch und wollte den Begriff Synode vermieden wissen, war aber bereit, gemeinsam mit Marahrens, Wurm und anderen führenden Lutheranern eine lutherische Reichssynode einzuberufen, die sich über das Verhältnis der lu1282 1283 1284 1285 1286
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Vgl. Schneider, Zeitgeist, 75–77; Kl gel, Landeskirche, Bd. 1, 256–259. Vgl. Baier, Kirche in Not, 321. Vgl. das Einladungsschreiben Meisers vom 4. 4. 1935 (LKA Oldenburg, I A 7). Vgl. Meier, Kirchenkampf, Bd. 2, 38–40; Verantwortung, Bd. 2, 389, Anm. 1. Zu dieser Besprechung am 9. 4. 1935 vgl. die Niederschrift Meisers und Stolls vom 15. 4. 1934 (LKA Hannover, D 15 V 1/2); die Mitschrift Kloppenburgs (LKA Oldenburg, A I 3 b); und die Mitschrift Meisers (Abdruck: Verantwortung, Bd. 2, 389 f.); vgl. auch Schneider, Zeitgeist, 77–86. Vgl. das Gutachten „Das Kirchenregiment nach dem Bekenntnis der Evang.-Luth. Kirche“ vom 9. 4. 1935 (Abdruck u. a.: Stoll, Tag, 61 f.; K. D. Schmidt, Bekenntnisse, Bd. 2, 89–91). Schreiben Meisers an die Mitglieder des Lutherischen Rates vom 11. 4. 1935 (LKA Oldenburg, I A 7). Vgl. Meier, Kirchenkampf, Bd. 2, 38. Votum Wurms zit. nach der oben Kap. III, Anm. 1286, erwähnten Mitschrift Kloppenburgs.
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therischen Synode zur Bekennenden Kirche und weitere zentrale Fragen äußern sollte. Meiser spielte im Vorfeld und auf der Synode selbst, die vom 2. bis 5. Juli 1935 als Deutscher Lutherischer Tag in Hannover stattfand, dann eine zentrale Rolle: Er ließ die diffizile Vertretung der Lutheraner aus der altpreußischen Union klären, nahm Einfluss auf das Programm, verantwortete die Einladung mit, wurde Mitglied des Direktoriums des Lutherischen Tages und übernahm auch dessen Präsidentschaft1291. In seiner Eröffnungsrede zeigten sich erneut die drei Pole, zwischen denen er sich bewegte: Er hob zwar den Willen zur lutherischen Vereinigung hervor, betonte aber die Loyalität zur VKL I und verwahrte sich dagegen, den Lutherischen Tag dazu zu benutzen, einen Keil in die Bekennende Kirche zu treiben. Zudem bezweifelte er, dass sich die vereinte lutherische Kirche bereits jetzt realisieren ließ, und hielt fest, der Lutherische Tag könne dafür lediglich eine Vorstufe sein1292. Die drei Pole bestimmten auch die kontroversen Debatten über das Verhältnis von lutherischer und Bekennender Kirche, von historischem Bekenntnis und aktuellem Bekennen sowie von Kirche und Staat und spiegelten sich schließlich in der programmatischen Erklärung des Lutherischen Tages über „Lehre, Gestalt und Ordnung der Evangelisch-Lutherischen Kirche“1293 wider. Danach hielt der Lutherische Tag daran fest, dass für die lutherische Kirche allein die Confessio Augustana, Luthers Katechismen und die Schmalkaldischen Artikel maßgeblich seien, mahnte aber, die lutherische Kirche sei durch das historische Bekenntnis jederzeit zum Bekennen aufgerufen. Ein Verständnis von DEK und Bekennender Kirche als Kirche schloss der Lutherische Tag implizit aus, kündigte die Gemeinschaft aber nicht auf, sondern verlangte die konfessionelle Aufgliederung der Reichsbekenntnissynode und der ihr unterstellten Organe. Er dankte Gott für die „Gemeinschaft des Bekennens“1294 mit den Reformierten – von Unierten war bezeichnenderweise keine Rede –, ließ aber offen, was dies für das Verhältnis von lutherischer und reformierter Kirche bedeutete, und bezog sich in diesem Zusammenhang auf die Präambel der Barmer Erklärung, ohne diese freilich namentlich zu erwähnen1295. Damit waren für Meiser die Voraussetzungen für die weitere Zusammenarbeit der Bekennenden Kirche umrissen, zugleich aber klar signalisiert, dass die Gemeinschaft nicht preisgegeben werden sollte. In der übrigen Bekennenden Kirche sah man die in Hannover erfolgte „öffentliche Präsentation der 1291 Vgl. Schneider, Zeitgeist, 86–116; Kl gel, Landeskirche, Bd. 1, 259–263; Besier, Kirchen, 107–109; Stoll, Tag; und Reese, Bekenntnis, 442; vgl. auch den Bericht Stolls über die Sitzung des Arbeitssausschusses des Lutherischen Rates am 6. 5. 1935 in Nürnberg (LKA Oldenburg, I A 7); zum Lutherischen Tag vgl. auch Fleisch, Werden, 27. 1292 Vgl. Schneider, Zeitgeist, 90 f. 1293 Vom 5. 7. 1935 (LKA Bielefeld, 5, 1 Nr. 762 Fasc. 1; Abdruck u. a.: Stoll, Tag, 45–47; K. D. Schmidt, Bekenntnisse, Bd. 2, 146 f.). 1294 Zit. nach ebd., 145. 1295 Vgl. Schneider, Zeitgeist, 113–115.
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,bekennenden lutherischen Kirche in Deutschland‘ in statu nascendi“1296 freilich anders. Asmussen griff Meiser schon im Vorfeld scharf an, weil der Lutherische Tag „weder als die Vertretung der lutherischen Kirche in Deutschland“ noch „als Angelegenheit der Bekennenden Kirche“ gelten könne1297. Meiser bezichtigte Asmussen daraufhin, „einen unheilvollen Zwiespalt“ zwischen Lutheranern und Bekennender Kirche „heraufzubeschwören“1298. Asmussen beharrte freilich auf seinem Standpunkt, hielt Meiser die Nichtbeteiligung des lutherischen Konvents der Bekenntnissynode und des Reichsbruderrats vor und nahm die Teilnahme von „Neutralen“ und Barmen-Gegnern als Beweis dafür, dass in Hannover bestenfalls eine zweite bekennende Kirche getagt habe, aber nicht die Bekennende Kirche von Barmen und Dahlem1299. Der NS-Staat hingegen nahm den Lutherischen Tag positiv auf. Meiser äußerte sich zwar weniger staatsloyal als Marahrens und machte den Teilnehmern durch die demonstrative Begrüßung der anwesenden Gestapo-Beamten klar, dass sie bespitzelt wurden1300, ließ aber ein Telegramm an Hitler beschließen, in dem die Versammlung versicherte, sie habe sich „erneut des Auftrags Gottes erinnert, den er der lutherischen Kirche in Deutschland zum Heil von Volk und Staat gestellt hat“1301. Zur Demonstration der Loyalität mit NS-Staat und „Führer“ erhob sich die Versammlung, als Meiser das Telegramm verlas. Zum guten Eindruck des NS-Staates trug vermutlich auch ein staatsloyaler Vortrag von Althaus bei, der bei den Teilnehmern allerdings keine ungeteilte Zustimmung fand1302. Der hannoversche Oberpräsident meldete schließlich befriedigt „eine positive Einstellung zum Führer und seinem Staat“1303. Dass Meiser in seiner Schlusspredigt davon sprach, die Kirche befinde sich im „Stand der Verfolgung“1304, nahmen die Gestapo-Beamten offenbar nicht als Regimekritik wahr. Nach dem Lutherischen Tag machte sich Meiser daran, die lutherische Vereinigung weiter voranzutreiben1305. Die Berufung von Reichskirchenminister Kerrl, die Einsetzung von Kirchenausschüssen und die darauf folgenden kirchlichen Konflikte1306 machten ihm jedoch einen Strich durch die Rechnung. Die Frage der Zusammenarbeit mit den Kirchenausschüssen vertiefte nicht nur die Kluft in der Bekennenden Kirche, sondern führte auch in den 1296 1297 1298 1299 1300 1301 1302 1303
Ebd., 115. Schreiben Asmussens an Meiser vom 30. 6. 1935 (LKA Bielefeld, 5, 1 Nr. 762 Fasc. 1). Schreiben Meisers an Asmussen vom 13. 7. 1935 (LAELKB, LB 0.2.0004-401). Schreiben Asmussens an Meiser vom 14. 7. 1935 (ebd.). Vgl. Schneider, Zeitgeist, 90. Zit. nach Stoll, Tag, 36. Vgl. Schneider, Zeitgeist, 105–108. Schreiben an das Reichserziehungsministerium vom 27. 7. 1935, zit. nach Besier, Kirchen, 109. 1304 Zit. nach dem Abdruck der Predigt in H. Meiser, Kirche, Kampf, 75. 1305 Vgl. Schneider, Zeitgeist, 116–122. 1306 Vgl. oben Kap. III B.2.2.
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lutherischen Gremien zur Zerreißprobe. Ende 1935 stellten sich Georg Merz, Hermann Sasse, Christian Stoll und andere auf den Standpunkt, eine Anerkennung der Kirchenausschüsse widerspreche den Grundsätzen des Lutherischen Rates und des Lutherischen Tages über das Verhältnis von Kirche und Staat. Sie forderten deshalb eine Stellungnahme, die sich klar gegen die Anerkennung der Ausschüsse aussprechen sollte. Dagegen stand eine Mehrheit, die für eine bedingte Zusammenarbeit mit den Ausschüssen plädierte1307. Zu dieser Mehrheit gehörte auch Meiser. Zwar hielt auch er es für unzulässig, die Kirchenausschüsse als Kirchenleitung anzuerkennen, meinte aber, dass „mit den Ausschüssen als einem Faktum einfach zu rechnen“ sei und dass sie als „Notzustand in der Kirche […] toleriert werden“ müssten – jedenfalls so lange sie nicht gegen das lutherische Bekenntnis handelten1308. Zudem rechnete er damit, dass die Gemeinden sich einem Widerstand gegen die Ausschüsse nicht anschließen würden. Zu einem Ausgleich der differierenden Positionen kam es nicht: Am Ende blieb Meiser nichts anderes übrig, als sichtlich erschüttert den Dissens festzustellen1309. Während die Ausschussfrage in der Bekennenden Kirche zum endgültigen Bruch führte, geschah dies innerhalb der lutherischen Gremien nicht. Merz meinte zwar für die „Entwicklung der Lutherischen Kirche“ einen „epochale[n] Einschnitt“1310 feststellen zu können, tatsächlich aber verschaffte die Spaltung der Bekennenden Kirche den lutherischen Einigungsbestrebungen unerwarteten Auftrieb und wurde für Meiser zum Anlass, die Gründung des historisch bedeutsamsten lutherischen Zusammenschlusses während der NSHerrschaft zu initiieren, des Rates der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands. 3.2 Initiator und Motor des Rates der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands 3.2.1 Lutherische Vereinigung zwischen Utopie und Wirklichkeit Nach der Reichsbekenntnissynode von Bad Oeynhausen im Februar 1936 war Meiser nicht bereit, die ohne Beteiligung der lutherischen Bischöfe gebildete Zweite Vorläufige Kirchenleitung anzuerkennen1311. Er wollte zwar vermeiden, 1307 Vgl. Schneider, Zeitgeist, 122–128; vgl. auch die Niederschrift Stolls „Tagung des Fortsetzungsausschusses des Deutschen Luther. Tages und des Lutherischen Rates“ am 16./ 17. 12. 1935 (LAELKB, NL Stoll, Christian, 101/88-8); sowie die Mitschriften Meisers von dieser Tagung (Abdruck: Verantwortung, Bd. 1, 131–151). 1308 Voten Meisers zit. nach der oben Kap. III, Anm. 1307, erwähnten Niederschrift Stolls. 1309 Vgl. ebd. 1310 Zitate aus dem undatierten Bericht Merz’ „Über die Berliner Sitzungen des Lutherischen Rates vom Dezember 1935“ (LAELKB, LKR 0.2.0003-8941). 1311 Vgl. Verantwortung, Bd. 2, 187, Anm. 1.
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dass die lutherischen Kräfte den förmlichen Bruch von sich aus vollzogen1312, sah aber dringenden Handlungsbedarf und rief zwei Tage nach der Synode Vertreter lutherischer Kirchen nach Würzburg zusammen1313. Dort setzte er sich zwar nicht für die Gründung eines lutherischen Leitungsgremiums ein, befürwortete aber die Erweiterung des Lutherischen Pakts1314 und schloss sich Vorschlägen an, eine Vertretung der lutherischen Kirchen zu errichten1315. Am 11. März 1937 brachte er dann Vertreter lutherischer Kirchengebiete, Gemeinden und Werke in Frankfurt/Main zusammen, wo sich die Gründung eines neuen lutherischen Gremiums vollzog, das im Gegensatz zum Lutherischen Rat nun auch Leitungsansprüche erhob1316. In Frankfurt betonte Meiser zwar die Verpflichtung, „wie bisher für die Brüder in den anderen Gebieten einzutreten“1317, stimmte der Bestellung eines lutherischen Leitungsgremiums aber zu. Damit war die Gründung des Rates der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands vollzogen, der diese Bezeichnung allerdings erst auf einer Sitzung am 18. 3. 19361318 erhielt, als der neue Rat eine Bekanntmachung über seine „Gründung, Aufgabe und Zusammensetzung“ beschloss1319. Danach verstand sich der Lutherrat als „gemeinsame geistliche Leitung für die lutherischen Kirchen und Werke […], die sich zur Bekennenden Kirche halten“1320, und berief sich sowohl auf die Verfassung der DEK als auch auf die Reichsbekenntnissynoden. Zwar wurde festgehalten, der Lutherrat solle in ständiger Fühlungnahme mit der Vorläufigen Kirchenleitung bleiben1321, faktisch bedeutete die Neugründung aber ein Konkurrenzunternehmen, mit dem die organisatorische Spaltung der Bekennenden Kirche besiegelt war. Auch wenn Meiser ursprünglich eine andere Lösung ins Auge gefasst hatte, ging die Gründung maßgeblich auf seine Initiative zurück. Den Vorsitz im Lutherrat übernahm Thomas Breit. Er formulierte gleich in dessen erster Sitzung das Ziel des neuen Gremiums, nämlich „die Vorbereitung eines lutherischen Kirchenregiments in Deutschland“1322 – ein Ziel, dem 1312 Vgl. sein Votum auf der Besprechung der bayerischen Delegation für Oeynhausen am 26. 2. 1936 (LAELKB, NL Bogner Wilhelm 8.7.0002-112). 1313 Vgl. oben Kap. III, Anm. 1311. 1314 Vgl. oben Kap. III B.3.1. 1315 Vgl. Meisers Mitschrift über die Besprechung am 27. 2. 1936 (Abdruck: Verantwortung, Bd. 2, 187–194); vgl. auch die Niederschrift Stolls (LAELKB, NL Stoll, Christian, 101/88-8). 1316 Vgl. Schneider, Zeitgeist, 131–134; vgl. auch die Mitschriften Meisers (Abdruck: Verantwortung, Bd. 2, 195–204); und Meinzolts (EvAG M nchen, NL Meinzolt 26). 1317 Votum Meisers zit. nach dem Bericht Merz’ (LAELKB, KKU 13/II). 1318 Vgl. Schneider, Zeitgeist, 134–138; vgl. auch das von Meiser gezeichnete Protokoll (Abdruck: Verantwortung, Bd. 2, 207–210); sowie die Niederschrift (Abdruck: K. D. Schmidt, Dokumente, Bd. 2/1, 503 f.). 1319 Abdruck: ebd., 504 f. 1320 Ebd., 505. 1321 Vgl. Verantwortung, Bd. 2, 210. 1322 Niederschrift über die 1. Sitzung des Lutherrats am 6. 4. 1936 (LKA Hannover, D 15 III 13).
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Abb. 63: Oberkirchenrat Thomas Breit, Vorsitzender des Lutherrats 1936–1938
Meiser zustimmte und zu dem er ausführte, dass „die Zeiten des alten Landeskirchentums doch wohl vorbei seien und daß die Landeskirchen sich daran gewöhnen müssen, Zuständigkeiten an eine einheitliche Leitung abzugeben“1323. Dies hieß nichts weniger, als dass Meiser grundsätzlich bereit war, das seit der Reformationszeit bestehende Landeskirchenprinzip zugunsten einer vereinten lutherischen Kirche Deutschlands aufzugeben. Diese Meinung teilten jedoch nicht alle Mitglieder des Lutherrats. Dies zeigte sich, als Ende November 1936 die „Grundbestimmungen“ zur Verhandlung kamen, die dem Lutherrat eine rechtliche Ordnung geben sollten1324. Dabei ging es wesentlich darum, ob sich der Lutherrat künftig als Bund lutherischer Kirchen oder als vereinte lutherische Kirche verstehen sollte1325. Während Marahrens, Breit und andere für die vereinte Kirche plädierten, hielt Meiser zwar am Ziel einer lutherischen Kirche Deutschlands fest, sah aber realistisch, dass diesem Ziel unüberwindbare politische und verfassungsrechtliche Hindernisse entgegenstanden. Prinzipielle Vorbehalte hingegen äußerte Wurm, der nicht zur Preisgabe des Landeskirchentums bereit war und 1323 Votum Meisers zit. nach dem Protokoll über die 2. Sitzung des Lutherrats am 9. 5. 1936 (ebd.). 1324 Abdruck der Grundbestimmungen vom 26. 11. 1936 bei K. D. Schmidt, Dokumente, Bd. 2/2, 1167–1169. 1325 Vgl. dazu und zum Folgenden Schneider, Zeitgeist, 170–175; vgl. auch die Mitschrift Meisers von der Sitzung des Lutherrats am 25./26. 11. 1936 (Abdruck: Verantwortung, Bd. 2, 367–389, hier: 387 f.).
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die geschichtlich gewachsenen Eigenarten der Landeskirchen hervorhob. Hier deutete sich bereits an, dass Württemberg der späteren VELKD nicht beitreten würde1326. Am Ende stand eine Kompromissformel, nach der das Ziel des Lutherrats in der „Ausgestaltung des Bundes zur evangelisch-lutherischen Kirche Deutschlands“ bestehen sollte, der sich die Mitgliedskirchen unter „Gewährleistung ihrer Eigenart […] als Sprengel“ einfügen sollten1327. Meiser trieb die Verwirklichung der vereinten lutherischen Kirche erst wieder voran, als das Reichskirchenministerium die Leitungen der intakten Landeskirchen im Frühjahr 1937 auf die Führung der laufenden Geschäfte beschränkte1328 und die konkurrierenden kirchlichen Leitungsgremien so zerstritten waren, dass gegenüber der kirchenfeindlichen Politik des NSStaates völlige Handlungsunfähigkeit drohte1329. Als Ausweg aus der verfahrenen Lage forderte jetzt nicht nur Breit, sondern auch Meiser die „Errichtung der Lutherischen Kirche Deutschlands“1330. Der Lutherrat vereinbarte daraufhin eine Überarbeitung der Grundbestimmungen und die Erstellung eines Entwurfs für eine Verfassung der evangelisch-lutherischen Kirche Deutschlands1331. Meiser blieb jedoch realistisch genug, um dazu festzuhalten, es müsse erst noch geprüft werden, inwieweit die Verfassungspläne „schrittweise schon verwirklicht“1332 werden könnten. Seine Skepsis war mehr als berechtigt, denn die Realisierung der vereinten lutherischen Kirche erwies sich angesichts der kirchenpolitischen Umstände als Utopie. Es kam lediglich noch zur Annahme der überarbeiteten Grundbestimmungen1333, denen Meiser im Gegensatz zur württembergischen Landeskirche, die im Vorfeld der Annahme noch erhebliche Bedenken vorbrachte und zahlreiche Änderungen durchsetzte1334, vorbehaltlos zuzustimmen bereit war, weil er meinte, im Moment komme alles darauf an, dass „wir […] den Lutherrat so sehr stärken als nur immer möglich“1335. Alle übrigen Vorhaben zum Ausbau des Lutherrats zur lutherischen Kirche Deutschlands – von einer lutherischen Synode1336 über den Aufbau eines lutherischen Predigerseminars 1326 Vgl. unten Kap. IV B.2. 1327 Vorläufige Grundbestimmungen vom 25./26. 11. 1937 (Abdruck: K. D. Schmidt, Dokumente, Bd. 2/2, 1167–1169, Zitate: 1167). 1328 Vgl. die „Dreizehnte Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Sicherung der Deutschen Evangelischen Kirche“ vom 20. 3. 1937 (GBlDEK 1937, 11 f.). 1329 Vgl. den Bericht Breits auf der Sitzung des Lutherrats am 22. 4. 1937 (Verantwortung, Bd. 3, 266–281). 1330 Votum Meisers auf der Sitzung des Lutherrats am 22. 4. 1937 (zit. nach ebd., 297). 1331 Vgl. das Protokoll über die Sitzung des Lutherrats am 22. 4. 1937 (LKA Hannover, D 15 III 13). 1332 Verantwortung, Bd. 3, 311. 1333 Vgl. Schneider, Zeitgeist, 174 f. 1334 Vgl. das Votum Hermann Müllers auf der Sitzung des Lutherrats am 14./15. 6. 1937 (Verantwortung, Bd. 3, 430 f.). 1335 Votum Meisers auf der Sitzung des Lutherrats am 14./15. 6. 1937 (zit. nach ebd., 430). 1336 Vgl. die Protokolle über die Sitzungen des Lutherrats vom 24./25. 5. und 21. 10. 1937 (LKA Hannover, D 15 III 13); Schneider, Zeitgeist, 179 f.
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bis hin zu einem zweiten Lutherischen Tag1337 – ließen sich wegen der Obstruktionspolitik des Reichskirchenministeriums1338, aber auch wegen interner Differenzen nicht realisieren. Meiser wurde rasch klar, dass auch die geplante Verfassung dieses Schicksal teilen würde. Im Januar 1938 lag zwar der Entwurf für einen Zusammenschluss zur „Lutherischen Kirche Deutschlands“1339 vor, fand aber weder bei ihm noch bei den übrigen Ratsmitgliedern Zustimmung1340. Meiser wollte die Entscheidung über die Bildung der vereinten lutherischen Kirche zwar nicht auf unbestimmte Zeit vertagen, sah aber praktische Schwierigkeiten und meinte, dass zuvor die vergiftete Atmosphäre zwischen Lutherrat und Vorläufiger Kirchenleitung bereinigt werden müsse. Zudem wandte er sich entschieden gegen den Vorschlag, einen lutherischen Primas zu berufen, weil damit das Führerprinzip in die Kirche eingeführt würde1341. Zu einer Entscheidung über eine Verfassung und damit über die Ausrufung der vereinten lutherischen Kirche kam es jetzt und auch im weiteren Verlauf der NS-Herrschaft nicht mehr. Um die Aktionsfähigkeit des Lutherrats gegenüber dem NS-Staat zu erhöhen, wurden Breit, Marahrens und Wurm stattdessen bevollmächtigt, für den Lutherrat „nach eigenem gewissenhaftem Ermessen zu handeln“1342. Breit, der sowohl den Entwurf für einen Zusammenschluss zur lutherischen Kirche als auch die Benennung eines lutherischen Primas angeregt hatte1343, war angesichts der stagnierenden Entwicklung des Lutherrrats und des mangelnden Rückhalts, den er bei den Bischöfen fand, zunehmend frustriert. Er scheint bereits zum Jahreswechsel 1937/38 seinen Rücktritt vom Amt des Lutherratsvorsitzenden erwogen zu haben1344. Seine Frustration galt auch Meiser persönlich. Als Breit im Sommer 1938 eine Strukturreform beantragte, die das Überleben des Rates sichern sollte, sprach Meiser zwar seine Sympathien für die Arbeit des von Breit geleiteten Berliner Sekretariats des Lutherrats aus, trug aber den Beschluss der Bischöfe mit, die Reformpläne abzulehnen1345. Im Juli 1938 beantragte Breit dann erstmals seine Rückberufung
1337 Vgl. ebd., 168. 1338 Vgl. ebd., 183–187. 1339 Vorlage Meinzolts zur Sitzung des Lutherrats am 27./28. 1. 1938 (EvAG M nchen, NL Meinzolt 30). 1340 Vgl. das Protokoll über die Sitzung des Lutherrats am 27./28. 1. 1938 (LKA Hannover, D 15 III 13); vgl. auch Schneider, Zeitgeist, 181 f. 1341 Vgl. die Mitschrift Meinzolts über die Sitzung des Lutherrats am 28. 1. 1938 (EvAG M nchen, NL Meinzolt 30); vgl. auch die Mitschrift Meisers (LAELKB, LB 0.2.0004-589). 1342 Vgl. Schneider, Zeitgeist, 182 f.; Zitat aus der Vorlage Fleischs „für die 25. Vollsitzung des Rates der Evang.-Luth. Kirche Deutschlands“ (LKA Hannover, D 15 III 13). 1343 Vgl. die oben Kap. III, Anm. 1341, erwähnte Mitschrift Meisers. 1344 Vgl. das Schreiben Hermann Müllers an Wurm vom 29. 1. 1938 (LKA Stuttgart, D1/188). 1345 Vgl. das Protokoll über die Sitzung des Lutherrats am 2. 6. 1938 (LKA Hannover, D 15 III 13); vgl. auch die Mitschrift Meisers (LAELKB, LB 0.2.0004-590).
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nach München1346. Als die Bischöfe dem Sekretariat dann noch den Auftrag entzogen, das Kirchenregiment für die künftige lutherische Kirche vorzubereiten, und Meiser Breits Bitte verweigerte, zur Fortführung der Arbeit des Lutherrats ein Büro in München aufzubauen, reichte Breit im September 1938 verbittert seinen Rücktritt ein1347. Eigentlich wollte Meiser Breit halten, akzeptierte den Rücktritt aber, weil es – wie er seinem langjährigen Mitarbeiter verärgert vorwarf – „unerträglich“ sei, andauernd „an die Versäumnisse und Fehler erinnert zu werden, deren wir nach Deiner Meinung zu bezichtigen sind und weil wir die ständige Drohung mit dem Rücktritt nicht mehr verkraften können“1348. Um den Rücktritt Breits nicht als Bankrotterklärung das Lutherrats erscheinen zu lassen, schlug das Sekretariat auf der Sitzung des Rates am 27. Oktober 1938 vor, den Vorsitz Meiser anzutragen. Meiser zögerte zunächst, nahm den Vorsitz auf Bitte der Lutherratsmitglieder aber schließlich an1349. Handlungsspielräume, um den lutherischen Zusammenschluss weiter voranzutreiben, hatte er freilich keine mehr: Das Reichskirchenministerium betrachtete den Lutherrat inzwischen als „rein polizeiliche Angelegenheit“1350 und auch intern kam es einige Monate später zu einer neuen schweren Krise, die den Lutherrat um ein Haar gesprengt hätte. Anlass für die Krise war ein neuer kirchenpolitischer Vorstoß des Reichskirchenministers. Im Frühjahr 1939 wollte Kerrl die DEK auf Basis einer Erklärung neu ordnen, die eine Synthese aus NS-Ideologie und christlichem Glauben darstellte und von Deutschen Christen, Neutralen und Bekennern gleichermaßen unterzeichnet werden sollte1351. Hatten die Bischöfe des Lutherrats zuvor noch eine von den nationalkirchlichen Deutschen Christen formulierte ähnliche Erklärung – die sog. Godesberger Erklärung – einmütig abgelehnt1352, kam es nicht nur in der Kirchenführerkonferenz, sondern auch im Lutherrat zum Eklat, als Marahrens Kerrls Erklärung im Alleingang unterzeichnete. Meiser und Wurm lehnten die Unterschrift ab, weil die Erklärung für sie keine Antwort auf die Frage gab, ob die evangelische Kirche eine Kirche „des biblisch reformatorischen Evangeliums bleiben“ sollte, weil sie die Lehrentscheidungen gegen die Deutschen Christen nivellierte und die Kirche solchen Kräften auslieferte, die unter der NS-Weltanschauung „nicht bloß eine 1346 Vgl. Schneider, Zeitgeist, 193; vgl. auch die Mitschrift Meisers von der Sitzung des Sekretariats mit den Bischöfen am 14. 7. 1938 (LAELKB, LB 0.2.0004-590). 1347 Vgl. das Schreiben Breits an Meiser vom 27. 9. 1938 (LKA Stuttgart, D1/118); vgl. auch Schneider, Zeitgeist, 193 f. 1348 Votum Meisers zit. nach dem Schreiben Breits an Meiser vom 5. 10. 1938 (LKA Stuttgart, D1/118). 1349 Vgl. die Mitschrift Meisers (LAELKB, LB 0.2.0004-590). 1350 Schreiben des Reichskirchenministers an Wurm vom 16. 2. 1939 (LKA Stuttgart, A126/ 1134). 1351 Vgl. Meier, Kirchenkampf, Bd. 3, 73–83. 1352 Vgl. das Rundschreiben Meisers an die Lutherratsmitglieder vom 5. 5. 1939 (EvAG M nchen, C 3. 26; vgl. auch Schneider, Zeitgeist, 197).
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völkisch-politische, sondern eine auch das religiöse Denken und Empfinden gestaltende Lehre verstehen, von der aus das Christentum als Fremdkörper bekämpft wird“1353. Im Lutherrat prallten die unterschiedlichen Standpunkte jetzt ähnlich unversöhnlich aufeinander. In der Sache blieb Meiser hart: Er war nicht einmal mehr dazu bereit, ein Argument Marahrens’ anzuerkennen, das von ihm selbst hätte stammen können – nämlich ob gegenüber dem Staat nicht alles getan werden müsse, um in Verhandlungen zu bleiben und auf diese Weise etwas für die Kirche zu erreichen. Zugleich vermied Meiser es jedoch, den offenen Bruch zu vollziehen, was unweigerlich zum Ende des Lutherrats geführt hätte, und ließ Marahrens die Möglichkeit zu erneuter Rechtfertigung offen1354. Es war vor allem Meisers Beharrlichkeit und Geschick zu verdanken, dass der Lutherrat bestehen blieb und den Krieg überdauerte. Die Krise von 1939 kostete den Rat allerdings seine „kirchenpolitische Schlagkraft“ und ließ ihn für den Rest der NS-Herrschaft zu einem „beratenden Repräsentationsgremium“ verkümmern1355. Zwar kam es gelegentlich noch zu Diskussionen über die „Schaffung der Lutherischen Kirche Deutschlands“1356 und der stellvertretende Vorsitzende des Lutherrats Paul Fleisch legte Anfang 1941 Vorarbeiten für eine lutherische Kirchenverfassung vor1357, Meiser war jedoch bewusst, dass der Traum von einer vereinten lutherischen Kirche vorerst ausgeträumt war. Statt sich auf die aussichtslosen lutherischen Pläne zu versteifen, beteiligte er sich an Wurms Bemühungen um eine Einigung aller bekenntnistreuen Kräfte in der DEK1358. Am Ziel einer vereinten lutherischen Kirche hielt Meiser freilich auch weiterhin fest und setzte bald nach Kriegsende alles daran, dass aus der Utopie Wirklichkeit wurde1359. 3.2.2 Verhältnis zur „bruderrätlichen“ Bekennenden Kirche Meiser bezweifelte schon vor der Gründung des Lutherrats im März 1936, dass künftig noch ein Zusammengehen mit den Bruderräten möglich war. Ganz wollte er die durch die Zweite Vorläufige Kirchenleitung repräsentierten Bruderräte jedoch nicht aufgeben, sondern sie „davor bewahren, in die Frei-
1353 Rundschreiben Meisers und Wurms vom 1. 8. 1939 (Abdruck: G. Sch fer, Landeskirche, Bd. 6, 499–503, Zitate: 501). 1354 Vgl. die Mitschrift Meisers über die Sitzung des Lutherrats am 3. 7. 1939 (LAELKB, LB 0.2.0004-578); vgl. auch Schneider, Zeitgeist, 198–200. 1355 Zitate: ebd., 200. 1356 Mitschrift Meisers über die Sitzung des Lutherrats am 17. 10. 1940 (LAELKB, LB 0.2.0004352). 1357 Vgl. Schneider, Zeitgeist, 202. 1358 Vgl. unten Kap. III B.4. 1359 Vgl. unten Kap. IV B.2.
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kirche abgedrängt zu werden“1360. Um die Fäden nicht völlig abreißen zu lassen, plädierte er trotz der vergifteten Atmosphäre dafür, den Reichsbruderrat – obgleich selbst nicht mehr dessen Mitglied – von lutherischer Seite aus vorläufig noch zu beschicken. Vor einer neuen Kooperation stand für ihn freilich eine „theologische Klärung innerhalb der Bekennenden Kirche“1361, zu der es jedoch nur in Form eines unversöhnlichen Schlagabtauschs kam: Für die Vorläufige Leitung hatte der Lutherrat kein Recht, sich als Vertretung der bekennenden lutherischen Kirchen zu betrachten, während der Lutherrat den Anspruch der VKL II bestritt, die rechtmäßige Leitung der DEK zu sein1362. Meiser hielt die Überwindung der Konflikte zwar für notwendig, bestand aber wie zuvor auf einer „Beschränkung […] in der […] Bewertung von Barmen und Dahlem, die zunächst nicht mehr sein […] sollten als eine theologische Erklärung bezw. konkrete Entfaltung der historischen Bekenntnisse in einer ganz bestimmten Situation“1363. Zu einer theologischen Klärung kam es nicht. Vielmehr erreichte das Verhältnis von Lutherrat und Vorläufiger Leitung im Herbst 1936 einen neuen Tiefpunkt: Wegen der ungeklärten Vorgänge um die Veröffentlichung der Denkschrift der VKL II an Hitler1364 erklärte der Lutherrat auf Wunsch Meisers1365 sämtliche Beziehungen zur Vorläufigen Leitung für ruhend1366. Damit wollte Meiser wohl vermeiden, dass der Lutherrat in die Ermittlungen der Gestapo wegen der Denkschrift hineingezogen wurde. Zugleich aber trat er beim NS-Staat für die Verantwortlichen der Denkschrift ein: So protestierte er gegen die Behauptung der NS-Propaganda, die evangelische Kirche setze sich für Verbrecher ein1367, und nahm das Verbot einer Kundgebung, in der die VKL II die Öffentlichkeit über die Denkschrift informierte1368, zum Anlass, Kerrl mitzuteilen, die Kundgebung bringe „ein wahrhaft ernst zu nehmendes, auch
1360 Votum Meisers auf der Besprechung mit der VKL I am 16. 1. 1936 (zit. nach Verantwortung, Bd. 2, 170, Anm. 3). 1361 Niederschrift Stolls über die Besprechung mit Vertretern lutherischer Kirchen am 27. 2. 1936 (LAELKB, NL Stoll, Christian, 101/88-8). 1362 Vgl. den bei K. D. Schmidt, Dokumente, Bd. 2/1, 509–513, 525 f., sowie K. D Schmidt, Dokumente, Bd. 2/2, 892–911, 947–949, abgedruckten Schriftverkehr. 1363 Niederschrift über eine Besprechung mit Friedrich Müller, Forck und Pressel am 18. 8. 1936 (LAELKB, NL Stoll, Christian, 101/88-8). 1364 Vgl. oben Kap. III, Anm. 495. 1365 Vgl. Meisers Votum auf der Sitzung des Lutherrats am 6. 11. 1936 (LAELKB, NL Bogner, Wilhelm 8.7.0002-115); vgl. auch das Rundschreiben des Kreisdekanats Nürnberg an die Pfarrämter vom 15. 10. 1936 (EvAG M nchen, A 30. 7). 1366 Vgl. das Schreiben des Lutherrats an die VKL II vom 7. 11. 1936 (Abdruck: K. D. Schmidt, Dokumente, Bd. 2/2, 1143). 1367 Vgl. das bei Besier, Kirchen, 1057, Anm. 580, erwähnte Schreiben Meisers an die Geschäftsstelle der „Antibolschewistischen Schau“ vom 28. 11. 1936. 1368 Vgl. oben Kap. III, Anm. 493.
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uns bewegendes unabdingbares Anliegen der Kirche aus tiefer Sorge heraus zum Ausdruck“1369. Der Rücktritt des Reichskirchenausschusses1370 und der Wahlerlass Hitlers vom Februar 19371371, der eine Zwangsvereinigung der Bekennenden Kirche mit den Deutschen Christen befürchten ließ, machte dann allen Beteiligten klar, dass es umgehend zu einer neuen Kooperation kommen musste. Die Bedingungen nannten Meiser und Wurm schon bei einem Gespräch mit der VKL II im Januar 1937: Diese sollte klarstellen, dass die Barmer Erklärung nicht gleichrangig mit den reformatorischen Bekenntnissen sei und nicht unionistisch ausgenutzt werden dürfe; zudem sollte sie ihre exklusiven Kirchenleitungsansprüche aufgeben1372. Im März stellten Lutherrat und VKL II dann alle Differenzen zurück und bildeten eine Arbeitsgemeinschaft1373, die Meiser allerdings schon kurz darauf wieder konterkarierte, indem er sich an einem Beschluss der Kirchenführerkonferenz beteiligte, die ohne Rücksprache mit der VKL II ein neues Vertretungsgremium einsetzte1374. Weil diesem Gremium auch ein Mitglied des altpreußischen Landeskirchenausschusses angehörte, kam es erneut zum Eklat, denn aus Sicht der VKL II hatten die Bischöfe damit den altpreußischen Kirchenausschuss als Kirchenleitung anerkannt und den Kirchenleitungsanspruch der altpreußischen Bekennenden Kirche untergraben1375. Obwohl er von bruderrätlicher Seite – besonders von Niemöller – scharf angegriffen wurde1376, hielt Meiser an der Zusammenarbeit fest und bemühte sich um eine Lösung der Konflikte zwischen altpreußischem Bruderrat und Landeskirchenausschuss1377. Er sah jedoch nicht ein, warum an der gemeinsamen Front von Lutherrat und VKL II gegen die NS-Kirchenpolitik nicht auch solche Kräfte beteiligt werden sollten, die zwar nicht auf dem Boden von Barmen und Dahlem standen, denen aber dennoch nicht Bekenntniswidrigkeit vorgeworfen werden konnte1378. Hier setzten sich ungebrochen die ungelösten theologischen Differenzen im Bekenntnis- und Kirchenverständnis 1369 Schreiben Meisers an das Reichskirchenministerium vom 21. 8. 1936 (zit. nach Besier, Kirchen, 1058, Anm. 608). 1370 Vgl. ebd., 631–637; Meier, Kirchenkampf, Bd. 2, 142–147. 1371 Abdruck des Erlasses vom 15. 2. 1937: GBlDEK 1937, Ausgabe A, 11; vgl. auch Besier, Kirchen, 638–655; Meier, Kirchenkampf, Bd. 2, 148–151. 1372 Zu dieser Besprechung am 20. 1. 1937 vgl. die Mitschrift Meisers (Abdruck: Verantwortung, Bd. 2, 492–513); vgl. auch die Niederschrift Wurms (Abdruck: G. Sch fer, Landeskirche, Bd. 4, 895 f.; K. D. Schmidt, Dokumente, Bd. 2/2, 1324 f.). 1373 Vgl. Verantwortung, Bd. 3, 21; Meier, Kirchenkampf, Bd. 3, 27. 1374 Vgl. Verantwortung, Bd. 3, 22. 1375 Vgl. ebd., 262 f., Anm. 1. 1376 Vgl. das Schreiben Niemöllers an Meiser vom 17. 4. 1937 (LKA Hannover, D 15 I 6). 1377 Vgl. die Niederschrift Meisers über ein Treffen mit Müller und Jacobi am 14. 4. 1937 (LKA Stuttgart, D1/136); vgl. auch das Schreiben Meisers an Breit vom 14. 4. 1937: LAELKB, LB 0.2.0004-347. 1378 Vgl. die Mitschrift Gaugers über die Besprechung lutherischer Kirchenführer mit Vertretern der VKL II am 23. 4. 1937 (LKA Hannover, D 15 I 5).
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fort, die bereits zur Spaltung der Bekennenden Kirche geführt hatten. Es war letztlich nur der nochmaligen Verschärfung der NS-Kirchenpolitik zu verdanken, dass sich Lutherrat, VKL II und Kirchenführerkonferenz im Juli 1937 überraschend zum sog. Kasseler Gremium zusammenschlossen1379. Als reines Aktionsgremium zur Abwehr der NS-Kirchenpolitik genoss die Kasseler Vereinigung Meisers volle Unterstützung; er exponierte sich zwar nicht an führender Stelle, bestimmte aber den Kurs des Gremiums mit und stand hinter dessen Protesten, die sich u. a. gegen die Kirchenpolitik des Reichskirchenministers und die kirchen- und christentumsfeindliche Agitation Alfred Rosenbergs richteten1380. Parallel zur Zusammenarbeit von Lutherrat und VKL II setzten sich die Auseinandersetzungen über die Bedeutung von Barmen und die Kirchenleitungsansprüche der bruderrätlichen Bekennenden Kirche mit unverminderter Härte fort. Dabei pochte Meiser zwar weiterhin darauf, dass die Beschlüsse der Bekenntnissynoden nicht kanonisiert werden dürften und die Zusammenarbeit von Lutherrat und VKL II nur als Kampfbündnis möglich sei, plädierte aber kontinuierlich für die Aufrechterhaltung der Verbindung zu den Bruderräten, wenn andere Lutherratsmitglieder die Beziehungen längst verärgert kappen wollten. So stimmte er schon zu einem Zeitpunkt, als die Beziehungen zwischen Lutherrat und VKL II offiziell noch ruhten, ein Loblied auf „die tapferen Pfarrer aus der Union“ an und stellte sich strikt gegen eine Trennung „von den Brüdern von Dahlem“1381. Als verschiedene Lutherratsmitglieder das Kasseler Gremium in Frage stellten, war es neben Breit erneut Meiser, der die Überzeugung vertrat, der Lutherrat dürfe „der Vorläufigen Kirchenleitung die Gemeinschaft nicht kündigen“1382. Da beide Seiten unversöhnlich an ihren Positionen festhielten, wurde das Kasseler Gremium schon Ende 1937 arbeitsunfähig und zerbrach 1938 endgültig1383. Den letzten Sargnagel in die Beziehungen von Lutherrat und VKL II aber trieb der NS-Staat, und zwar im Zusammenhang der Krise, die Hitler mit
1379 Vgl. Meisers Mitschriften über die Besprechungen zwischen Kirchenführerkonferenz, Lutherrat und VKL II am 5./6. 7. 1937 in Kassel (Abdruck: Verantwortung, Bd. 3, 515–533, 542–551). 1380 Vgl. Meier, Kirchenkampf, Bd. 3, 26–31. 1381 Votum Meisers auf der Sitzung des Lutherrats am 26. 2. 1937 (zit. nach Verantwortung, Bd. 3, 149). 1382 Votum Meisers auf der Sitzung des Lutherrats am 25. 11. 1937 (zit. nach ebd., 703). 1383 Während der Lutherrat erklärte, er lehne eine „Gleichsetzung des Weges der Bekennenden Kirche mit dem Weg der Vorläufigen Leitung“ ab (Schreiben des Lutherrats an die VKL II vom 6. 11. 1937: LKA Leer, Kirchenordnungen, Kirchengemeinde- und Synodalordnung, Nr. 20 Vol. I), ließ die VKL II verlauten, dass ihr Weg tatsächlich mit dem Weg der Bekennenden Kirche gleichzusetzen sei, und proklamierte jetzt wieder den Anspruch, die Leitung der gesamten DEK zu sein (vgl. das Schreiben der VKL II an den Lutherrat vom 9. 12. 1937: LKA Hannover, D 15 I 6).
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Abb. 64: Entwurf einer Erklärung der Landesbischöfe August Marahrens, Hans Meiser, Theophil Wurm und Julius Kühlewein zur Gebetsliturgie der VKL II, 29. Oktober 1938
seinen Plänen zur Zerschlagung der Tschechoslowakei auslöste1384. Als im September 1938 ein Kriegsausbruch bevorzustehen schien, gab die VKL II eine Gebetsliturgie heraus, die von der NS-Propaganda als Sabotage diffamiert wurde. Der Reichskirchenminister nutzte dies für seine kirchenpolitischen Ziele aus und setzte Meiser, Wurm, Marahrens und den badischen Landesbischof Julius Kühlewein so massiv unter Druck1385, dass sie eine Erklärung unterschrieben, in der sie die Gebetsliturgie „aus religiösen und vaterländischen Gründen“ missbilligten und sich „von den für diese Kundgebung ver1384 Vgl. dazu und zum Folgenden Meier, Kirchenkampf, Bd. 3, 53–60; Schneider, Zeitgeist, 189–192. 1385 Vgl. die Aufzeichnung Meisers über die Besprechung mit Kerrl am 29. 10. 1938 (LAELKB, LB 0.2.0004-578).
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antwortlichen Persönlichkeiten“ trennten1386. Meiser trat vor dem Minister zwar für die Verantwortlichen der Gebetsliturgie ein1387 und nahm sie „gegen den Vorwurf staatsverrätischen Verhaltens ausdrücklich in Schutz“1388; trotz aller nachträglichen Rechtfertigungsversuche blieb an ihm jedoch zum wiederholten Mal der Vorwurf kleben, Verrat an der Bekennenden Kirche begangen zu haben. Der Lutherrat hingegen sprach ihm und den anderen Bischöfen „seinen Dank für das in schwierigster Lage eingenommene mannhafte Verhalten aus“1389. Zu einer Wiederannäherung zwischen den beiden Flügeln der Bekennenden Kirche kam es erst 1940, als sich Meiser und Wurm mit Vertretern der Bruderräte trafen und Möglichkeiten gemeinsamen Handelns sondierten1390. Um den Weg für eine Zusammenarbeit frei zu machen, eröffneten die beiden Bischöfe dem Reichskirchenminister im September 1940, dass sie sich an ihre Erklärung von 1938 nicht mehr gebunden fühlten und die Beziehungen zur VKL II wieder aufnehmen würden1391. Dennoch versuchte der NS-Staat 1941, die Erklärung in einem Verfahren gegen Mitglieder der VKL II als Belastungsmaterial zu verwenden; Meiser und Wurm verhielten sich mit den Betroffenen jedoch solidarisch und machten entlastende Aussagen1392. Eine ähnlich intensive Zusammenarbeit von lutherischen Bischöfen und Bruderräten, wie sie von 1934 bis 1936 in der Bekennenden Kirche und 1937/38 in den Kampfbündnissen von Lutherrat und VKL II stattgefunden hatte, resultierte aus der Wiederannäherung aber nicht. Es verwundert nicht, dass führende „dahlemitische“ Bruderratsvertreter Meiser für einen kompromissbehafteten Umfaller, ja für einen Verräter an der Bekennenden Kirche hielten, und dass sie den Lutherrat, der sich im bayerischen Landesbischof wie in keinem Zweiten verkörperte, für die Spaltung und deren Fortdauer allein verantwortlich machten. Die negative Sicht auf Meiser speiste sich aus seiner Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den Kirchenausschüssen, seinen Distanzierungen von der VKL II und seiner Weigerung, seine eigene Landeskirche und den Lutherrat in das Gefüge der Bekennenden Kirche einzuordnen. Zudem scheuten die von Meiser mitverantworteten Kundgebungen des Lutherrats „vor einer direkten Anklage der nationalso1386 Erklärung vom 29. 10. 1938: BArch, R5101/23707; Abdruck u. a.: H. Hermelink, Kirche, 455. 1387 Vgl. die Mitschrift Stahns über die Verhandlungen zwischen Kerrl und den Bischöfen am 29. 10. 1938 (Abdruck: Dokumente, Bd. 4, 241–245, hier: 244). 1388 Schreiben Meisers, Wurms und Marahrens’ an Kerrl vom 18. 11. 1938 (zit. nach H. Hermelink, Kirche, 456). 1389 Beschluss des Lutherrats vom 18. 11. 1938 (zit. nach Schneider, Zeitgeist, 190). 1390 Vgl. die Mitschriften Meisers über die Besprechungen am 7. 6. und 8./9. 7. 1940 (LAELKB, LB 0.2.0004-578). 1391 Vgl. H. Hermelink, Kirche, 457. 1392 Vgl. ebd.; vgl. auch das Schreiben Meisers an Dibelius vom 7. 4. 1941 (EvAG M nchen, C 3. 29).
Wegbereiter einer vereinten lutherischen Kirche Deutschlands
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zialistischen Staatsführung“ zurück1393 und verzichteten im Unterschied zur Denkschrift der VKL II und zu den Worten des Kirchentags der Bekennenden Kirche von 19381394 auf Kritik an Unrecht und Verbrechen des NS-Regimes1395. Am negativen Bild konnten auch die Zeichen der Solidarität, die Meiser im Fall der Inhaftierung und Ermordung von Bekenntnispfarrern1396, vor allem aber durch die bayerischen Hilfsaktionen für die verfolgte Bekennende Kirche in deutschchristlichen Kirchengebieten setzte, nur temporär etwas ändern. Zu diesen Hilfsaktionen gehörten die Einsätze bayerischer Geistlicher in der Kirchenprovinz Ostpreußen, den Landeskirchen von Mecklenburg und Thüringen, der Kirchenprovinz Sachsen sowie der altlutherischen Kirche von Schlesien/Westpreußen, außerdem die Examinierung von außerbayerischen Kandidaten der Bekennenden Kirche, die sich nicht von ihren deutschchristlichen Kirchenbehörden prüfen lassen wollten. In der Tat waren dies eindrucksvolle Beispiele solidarischer Hilfe, an denen Meiser wesentlichen Anteil hatte1397. Freilich richtete sich die Mehrzahl dieser Hilfsaktionen auf lutherische Landeskirchen oder Lutheraner in unierten Kirchengebieten, sodass es sich dabei in erster Linie um praktizierte innerlutherische Solidarität handelte.
Abb. 65: Bericht Wilhelm Grießbachs über die kirchliche Lage in Ostpreußen (Auszug), 24. November 1937
Die Bruderräte konnten allerdings nicht wissen, dass es vor allem Meiser war, der im Lutherrat gegen gewichtige andere Stimmen wiederholt Solidarität mit 1393 1394 1395 1396
Vgl. Schneider, Zeitgeist, 160–169 (Zitat: 166). Vgl. oben Kap. III, Anm. 627. Vgl. Niesel, Kirche, 152 f. So versicherte Meiser nach der Inhaftierung Niemöllers dessen Frau Else seiner Anteilnahme (vgl. Verantwortung, Bd. 3, 781) und entsandte nach dem Tod Paul Schneiders im Konzentrationslager Buchenwald einen Beauftragten, um an dessen Grab ein Bibelwort zu sprechen (vgl. das Schreiben Breits an Meiser vom 31. 7. 1939: LAELKB, LKR 0.2.0003-639). 1397 Vgl. G. M ller, Bekennende Kirche konkret; Ders., Bekennende Kirche Provinz Sachsen.
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den verfolgten Bruderräten einforderte und kontinuierlich für die Zusammenarbeit mit der Vorläufigen Leitung warb. Vor allem aber nahmen die „Dahlemer“ nicht wahr, dass sie nicht weniger starrsinnig als Meiser an ihrer ekklesiologischen Position festhielten und sich im Besitz einer letztgültigen Wahrheit wähnten; tatsächlich trugen ihr Beharren auf den Beschlüssen der Reichsbekenntnissynoden und ihre exklusiven Kirchenleitungsansprüche im gleichen Maße zur fortdauernden Spaltung der Bekennenden Kirche bei wie Meisers Festhalten am historischen lutherischen Bekenntnis, sein von der lutherischen „Unionsphobie“1398 gesteuertes Verhalten und seine kirchliche Realpolitik gegenüber dem NS-Staat. Den Ausweg aus der verfahrenen Lage wies dann auch keine der zerstrittenen Parteien, sondern Theophil Wurm mit seinem Kirchlichen Einigungswerk.
4. Beteiligung am Kirchlichen Einigungswerk Ab Herbst 1941 kam es zu einem neuen Versuch, die zersplitterte evangelische Kirche zu einigen und bekenntnisgemäße Leitungen in der DEK und den zerstörten Landeskirchen zu schaffen. Die Initiative dazu ging von Wurm aus, der zu diesem Zeitpunkt nicht nur in Lutherrat und Kirchenführerkonferenz, sondern auch im bruderrätlichen Flügel der Bekennenden Kirche Vertrauen genoss1399. Anlass waren die Vorgänge im deutsch besetzten Warthegau, wo das NS-Regime die Kirchen auf den Status von religiösen Privatvereinen herabdrückte und im Vorgriff auf die Zeit nach dem vermeintlich gewonnenen Krieg das Christentum letztlich beseitigen wollte1400. Wurms Bemühungen um die Einigung von nicht-deutschchristlichen Kirchenführern, Bruderräten und kirchlichen Verbänden wurden unter dem Namen Kirchliches Einigungswerk bekannt1401. Als Basis des Einigungswerks dienten 13 programmatische Sätze über „Auftrag und Dienst der Kirche“, die 1942 mehrfach überarbeitet und an Ostern 1943 mit 86 Unterschriften veröffentlicht wurden1402. Das Einigungswerk gewann deshalb historische Bedeutung, weil es keine Episode blieb, sondern nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer „entscheidenden Voraussetzung für das Zustandekommen der Evangelischen Kirche in Deutschland“1403 wurde. Hauschild, Selbstbewußtsein, 379. Vgl. Thierfelder, Einigungswerk, 50. Vgl. oben Kap. III, Anm. 833. Vgl. dazu und zum Folgenden die detaillierte Darstellung von Thierfelder, Einigungswerk. Vgl. den Aufruf „An die Pfarrer und Gemeinden in der Deutschen Evangelischen Kirche“; die mit diesem Aufruf veröffentlichte Fassung der 13 Sätze (LAELKB, LB 0.2.0004-392; Abdruck u. a.: KJ 1933–1944, 423 f.); vgl. auch das Rundschreiben Meisers vom 28. 5. 1943 (LAELKB, LB 0.2.0004-392). 1403 Thierfelder, Einigungswerk, 1.
1398 1399 1400 1401 1402
Beteiligung am Kirchlichen Einigungswerk
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Meiser war in Wurms Pläne von Anfang an involviert und meinte ebenso wie dieser, dass jetzt „neue Wege eingeschlagen werden sollten, um die innere Einigkeit aller, die ernstlich Kirche wollen, neu zu festigen und dem Staat gegenüber das Lebensrecht der Kirche wirksamer zu vertreten“1404. Diese neuen Wege begannen sich erstmals im November 1941 abzuzeichnen, als Wurm und Meiser sich mit Vertretern der Bruderräte trafen und Wurm mit der Durchführung der geplanten Einigung beauftragt wurde. Dabei sollte ihm auch Meiser zur Seite stehen1405. Diesem kamen jedoch schon bald Bedenken, denn er witterte erneut die Gefahr einer kirchlichen Union1406. Als Wurm seine Pläne Anfang 1942 in München vorstellte, signalisierte Meiser zwar Bereitschaft zur Zustimmung, insistierte aber darauf, dass die neue Einigung unter keinen Umständen die Ziele des Lutherrats konterkarieren dürfe; zudem verlangte er den Rücktritt der VKL II, weil er befürchtete, andernfalls werde auch die neue Vereinigung an deren Leitungsansprüchen scheitern1407. Es dauerte dann noch ein halbes Jahr, bis Meiser sich offiziell am Einigungswerk beteiligte und seine Unterschrift unter die Sätze über „Auftrag und Dienst der Kirche“ setzte. Bevor er sich entschied, holte er die Zustimmung des Landeskirchenrats ein1408 und ließ sich von Paul Althaus beraten; erst als dieser ihm versicherte, dass Wurms Sätze „keinen Ansatz zu einem Unionsbekenntnis“1409 enthielten, kündigte er Wurm trotz bleibender Bedenken seine Unterschrift an. Dabei stellte er allerdings klar, dass er seine Unterschrift nicht geben könne, wenn die „Sätze ein Bekenntnis über die Kirche darstellen oder zu einem solchen ausgewertet werden sollten“, und gab seiner Erwartung Ausdruck, „daß die Sätze nicht wie die Theologische Erklärung von Barmen Ursache neuer Spaltung, sondern wirklich Mittel der Einigung werden“1410. Nachdem er sich positiv entschieden hatte, trat Meiser dem Beirat des Einigungswerks bei1411 und kämpfte überraschend klar gegen Widerstände, die sich dem Erfolg des Unternehmens entgegenstellten. Dabei leitete ihn die Befürchtung, dass die Bedrückung der Kirche im NS-Staat noch weiter zunehmen und es dann zu spät für einen Einigungsversuch sein würde. Angesichts der „tausend Bedenken“ gegen die Aktion Wurms mahnte jetzt ausgerechnet der bayerische Bischof, der von seinen bruderrätlichen Gegnern oft genug des landeskirchlichen Partikularismus und des starrsinnigen Konfes1404 Schreiben Wurms und Meisers an Marahrens vom 24. 7. 1941 (Abdruck: G. Sch fer, Landesbischof, 320–322, Zitat: 322). 1405 Vgl. Thierfelder, Einigungswerk, 64 f. 1406 Vgl. das Schreiben Wurms an Meiser vom 2. 1. 1942 (Abdruck: G. Sch fer, Landeskirche, Bd. 6, 867 f.). 1407 Vgl. die Niederschrift über die Besprechung zwischen Wurm und dem bayerischen Landeskirchenrat am 19. 1. 1942 (LAELKB, LB 0.2.0004-391; Abdruck: G. Sch fer, Landeskirche, Bd. 6, 868–870; vgl. auch Baier, Kirche in Not, 305). 1408 Vgl. ebd., 306. 1409 Schreiben Althaus’ an Meiser vom 13. 7. 1942 (LAELKB, LB 0.2.0004-392). 1410 Schreiben Meisers an Wurm vom 17. 7. 1942 (ebd.). 1411 Vgl. Thierfelder, Einigungswerk, 126.
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Abb. 66: Schreiben Hans Meisers an Theophil Wurm, 17. Juli 1942
sionalismus bezichtigt worden war, zur Einigkeit und fragte resigniert, „ob dem deutschen Protestantismus überhaupt noch zu helfen ist und ob nicht […] wirklich erst die Gottlosen kommen und dem Faß den Boden ausschlagen müssen, bis unsere kirchlichen Kreise sich auf ihre Aufgabe besinnen“1412. Widerstände regten sich auch im Lutherrat. Hier bemühte sich Meiser vor allem darum, den stellvertretenden Vorsitzenden Fleisch von seiner abwehrenden Haltung abzubringen1413. Als auch das Reichskirchenministerium das
1412 Schreiben Meisers an Georg Kern vom 27. 1. 1943 (LAELKB, LB 0.2.0004-392). 1413 Vgl. das Schreiben Meisers an Fleisch vom 20. 7. 1942 (ebd.); vgl. auch Schneider, Zeitgeist, 208; Thierfelder, Einigungswerk, 158 f.
Beteiligung am Kirchlichen Einigungswerk
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Einigungswerk zu torpedieren versuchte, beteiligte Meiser sich zudem an einem Protest der lutherischen Bischöfe1414. Dieses Engagement bedeutete freilich nicht, dass Meiser seine Überzeugung aufgegeben hätte, dass sich nur Kirchen gleichen Bekenntnisses zu einer Kirche zusammenschließen konnten. Dies zeigte sich, als der Beirat des Einigungswerks 1944 die Versendung eines Fragenkatalogs beschloss, der darauf zielte, das gegenseitige Misstrauen der dem Einigungswerk angeschlossenen Gruppen abzubauen und Perspektiven für die kirchliche Neugestaltung nach dem Krieg zu gewinnen1415. Eine wesentliche Frage dieses Katalogs, die die Mitglieder des Einigungswerks theologisch durcharbeiten sollten, richtete sich auf das Verhältnis von Kirchenordnung und Bekenntnis und besonders darauf, ob verschiedene Konfessionen durch eine gemeinsame Kirchenordnung zusammengefasst werden könnten1416. Daraufhin kam es auch in der bayerischen Landeskirche zu einer Diskussion, bei der die Ablehnung einer gemeinsamen Kirchenordnung überwog1417. Im Herbst 1944 rief Meiser dann namhafte bayerische Geistliche zu einer Besprechung zusammen1418, auf der zwar festgehalten wurde, dass „die im Kirchenkampf gewonnene Waffenbrüderschaft mit den Reformierten nicht vergessen werden“ dürfe, im Wesentlichen aber Übereinstimmung herrschte, dass es „vom Bekenntnis her keine gemeinsame Kirchenordnung für die luth[erische] und d[ie] refomierte Kirche geben“ könne1419. Dasselbe Ergebnis hatte auch eine zweite Besprechung im Dezember 1944, auf der das abschließende bayerische Votum formuliert wurde1420; basierend auf dem Grundsatz, dass „die lutherische Kirche mit Kirchen anderer Schriftauslegung und deshalb anderen Bekenntnissen keine gemeinsame Kirchenordnung haben kann“, hieß es darüber hinaus noch, dass ein Zusammenschluss konfessionsverschiedener Kirchen nur „den Charakter einer freien brüderlichen Föderation (Kirchenbund)“ haben könne und dass die Barmer Erklärung „nicht als ein neues Unionsbekenntnis für die künftige Kirche betrachtet“ werden dürfe1421. Damit war klar, dass von Meiser auch nach Kriegsende kein Abweichen von der Linie zu erwarten war, die er seit 1933 konsequent verfolgt hatte: Für ihn durfte die Neugestaltung des deutschen Gesamtprotestantismus auch unter 1414 Vgl. ebd., 137. 1415 Vgl. ebd., 223–232. 1416 Abdruck des Fragenkatalogs: ebd., 288–290; vgl. auch das zwischen Ostern und Pfingsten 1944 versandte Anschreiben des Kirchlichen Einigungswerks (Abdruck: ebd., 286). 1417 Vgl. Baier, Kirche in Not, 309 f. 1418 Vgl. Meisers Einladungsschreiben vom 21. 9. 1944 (LAELKB, LB 0.2.0004-392). 1419 Niederschrift über die Besprechung am 5. 10. 1944 im Diakonissenhaus Augsburg (ebd.). 1420 Vgl. die Niederschrift über die Besprechung am 7. 12. 1944 in Augsburg (ebd.). 1421 „Erklärung bayerischer Pfarrer zur Frage: Kirchenordnung und Bekenntnis“ vom 7. 12. 1944 (ebd.; Abdruck: Baier, Kirche in Not, 425–427); vgl. auch den Aktenvermerk Meisers vom 18. 12. 1944 (LAELKB, LB 0.2.0004-392).
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neuen politischen Vorzeichen nicht zu einer Vereinigung konfessionsverschiedener Kirchen führen, sondern lediglich eine Föderation zur Wahrnehmung gemeinsamer Interessen gegenüber Staat und Öffentlichkeit zum Ergebnis haben – eine Föderation, die gegenüber der DEK von 1933 und sogar gegenüber dem Kirchenbund von 1922 einen Rückschritt darstellte1422. Obwohl Meiser das Einigungswerk Wurms unterstützte, wurde hier unübersehbar deutlich, dass die beiden Bischöfe, die von Beginn der NS-Herrschaft bis in den Krieg eng zusammengearbeitet hatten, unterschiedliche Ziele verfolgten und ihre Wege im Auseinandergehen begriffen waren.
5. Engagement im Lutherischen Weltkonvent Meiser beteiligte sich nicht nur an innerdeutschen, sondern auch an weltweiten kirchlichen Zusammenschlüssen. Die beginnende ökumenische Zusammenarbeit der Kirchen verschiedener Länder und Nationen betrachtete er schon seit den 1920er Jahren als Gebot der Stunde; seine Sympathien galten freilich in erster Linie dem Lutherischen Weltkonvent1423, denn hier arbeiteten ausschließlich Kirchen lutherischen Bekenntnisses zusammen1424. Im November 1933 wurde Meiser in das Exekutivkomitee des Lutherischen Weltkonvents berufen1425. Der Weltkonvent, der erstmals 1923 in Eisenach getagt hatte, war ein weltweiter Zusammenschluss lutherischer Kirchen1426. Die internationale Ausrichtung war für Meiser kein Problem: Nach den Kategorien der Schöpfungsordnungstheologie sah er die jeweiligen Kirchen zwar in erster Linie dazu berufen, dem „eigenen Volke die Kräfte des Glaubens zu vermitteln“, meinte aber, das deutsche Luthertum könne „für seine eigene gesunde Weiterentwicklung“ auf den „Zusammenhang mit dem Weltluthertum nicht verzichten“1427. Meiser Mitarbeit im Exekutivkomitee begann dramatisch: Für den 12. bis 19. November 1934 war eine Sitzung des Komitees in München geplant1428, die fast abgesagt worden wäre, weil Meiser einen Monat zuvor in Hausarrest gesetzt wurde1429. Nach ausländischen Protesten1430 bat ihn das Reichsinnen1422 Vgl. Baier, Kirche in Not, 310. 1423 Vgl. H. Meiser, Gegenwartsaufgaben, 3. 1424 Vgl. die Kundgebung Meisers und des Landeskirchenrats vom 10. 2. 1936 (Abdruck: K. D. Schmidt, Dokumente, Bd. 2/1, 347–353, hier: 352). 1425 Vgl. Verantwortung, Bd. 1, 122, Anm. 2; Nelson, Rise, 270; und Schmidt-Clausen, Weltkonvent, 140; vgl. auch das Protokoll Marahrens’ über die Sitzung des Exekutivkomitees vom 8. bis 17. 11. 1933 in Hannover (LAELKB, LB 0.2.0004-469). 1426 Vgl. Schmidt-Clausen, Weltkonvent, 42–84; Grundmann, Weltbund, 335–343. 1427 Schreiben Meisers an John Alfred Morehead vom 4. 5. 1934 (LAELKB, LB 0.2.0004-469). 1428 Vgl. die Schreiben Meisers an Jørgensen vom 12. und 14. 9. und das Auswärtige Amt vom 2. 10. 1934 (ebd.). 1429 Vgl. oben Kap. III A.1.3.
Engagement im Lutherischen Weltkonvent
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ministerium um Verlegung der Sitzung nach Hannover1431; auf dieses Manöver, dass der Gesichtswahrung des NS-Regimes vor dem Ausland dienen sollte, antwortete er, „daß, so lange die Beraubung meiner persönlichen Freiheit anhält und ich nicht wieder in vollem Umfang in meine verfassungsmäßigen Rechte eingesetzt bin, die Abhaltung der Tagung […] weder in München noch in Hannover möglich ist“1432. Nach seiner Enthaftung fand die Sitzung dann doch noch statt. Dabei berichteten Meiser und Marahrens ausführlich über die kirchenpolitische Entwicklung in Deutschland1433. Meiser sprach auch bei einer Veranstaltung zu Ehren des Exekutivkomitees in der Münchner LudwigMaximilians-Universität und schloss seine Rede unter dem tosenden Applaus von ca. 2.000 Studenten und Professoren mit der Feststellung: „Es ist besser, das Recht auf seiner Seite zu haben, und sei es auch um den Preis des Martyriums, als im Unrecht zu sein und sich allgemeiner Zustimmung zu erfreuen.“1434 Mit diesen mutigen Worten wollte er allerdings keinen politischen Dissens zum NS-Staat demonstrieren. Vielmehr vermieden es Meiser und Marahrens vor dem Exekutivkomitee strikt, den Eindruck zu erwecken, ihr Widerstand gegen die Gleichschaltung mit der Reichskirche richte sich gegen das NSRegime selbst1435. Für Meiser war es undenkbar, das Ansehen Deutschlands und der NS-Regierung vor dem Ausland zu beschädigen. Deshalb lehnte er es auch ab, auf der Tagung des Lutherischen Weltkonvents vom 13. bis 20. Oktober 1935 in Paris1436 das Thema Staat und Kirche zu behandeln1437. Dazu teilte er Marahrens mit: „Wir können unmöglich auf französischem Boden über ein Thema verhandeln, bei dem […] die Ausprägung der Staatsidee im Nationalsozialismus nicht ausser Betracht bleiben kann. Wie sollen wir aber […] über das Verhältnis von Staat und Kirche im Ausland so reden können, dass wir die augenblicklich bestehenden Schwierigkeiten nicht verschweigen und doch unserem Volk und der Würde unseres Staates nichts vergeben.“1438
In Paris, wo Meiser zum Mitglied des neu gewählten Exekutivkomitees und Marahrens zum Präsidenten des Lutherischen Weltkonvents berufen wurde1439, sprach Meiser die kirchliche Verfolgungserfahrung in totalen 1430 1431 1432 1433 1434 1435 1436
Vgl. Nelson, Rise, 272. Telegramm vom 20. 10. 1934 (LAELKB, LB 0.2.0004-469). Schreiben Meisers an Ministerialdirektor Buttmann vom 21. 10. 1934 (ebd.). Vgl. Besier, Kirchen, 36 f.; Schmidt-Clausen, Weltkonvent, 172–174. Zit. nach ebd., 172. Vgl. das bei Besier, Kirchen, 37, zit. Schreiben von Lars W. Boe an Meiser vom 13. 12. 1934. Vgl. Grundmann, Weltbund, 350–354; Schmidt-Clausen, Weltkonvent, 174–197; vgl. auch die Mitschriften Meisers von den Besprechungen des Exekutivkomitees in Paris am 13. und 21. 10. 1935 (Abdruck: Verantwortung, Bd. 2, 48–59). 1437 Vgl. das Schreiben Meisers an Morehead vom 23. 4. 1934 (LAELKB, LB 0.2.0004-469). 1438 Schreiben vom 23. 4. 1934 (ebd.). 1439 Vgl. Schmidt-Clausen, Weltkonvent, 197.
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Weltanschauungsdiktaturen und auch seine eigene Arretierung dann allerdings offen an: „Es ist nicht so, daß unser Herz nicht bebte und zagte, wenn die Stunde der Verfolgung über uns kommt und wir mit unserer ganzen Existenz in die Entscheidung gefordert sind, wenn der Blick auf Frau und Kinder fällt und die Gedanken an unsere und ihre Zukunft uns bestürmen, wenn die Sicherheiten alle dahinsinken, auf die wir bis dahin unser Leben gestützt haben, und der Glaube im vollen Sinne des Wortes zum Risiko, zum tollkühnen Wagnis wird.“1440
Der Vortrag war nichts weniger als ein Aufruf, konsequent am Glauben festzuhalten – notfalls bis zum Martyrium. Die Urheber der Verfolgung aber, die totalitären Regime in Deutschland und der Sowjetunion, nannte er nicht beim Namen und machte sich so für den NS-Staat politisch unangreifbar. Geradezu als Apologeten des NS-Staates verhielten sich Meiser und Marahrens ein Jahr später, als das Exekutivkomitee vom 29. September bis 6. Oktober 1936 in New York tagte1441. Für New York als Tagungsort hatte Meiser selbst sich eingesetzt und auch dafür gesorgt, dass seine Frau mitreisen konnte1442. Obwohl die Reise für Meiser persönlich mit einem Schicksalsschlag endete1443, wurde der Amerika-Aufenthalt zu einem der eindrücklichsten Erlebnisse seines bisherigen Lebens: Er schwärmte über die Aufbauleistungen, die die USA in kurzer Zeit „in die vorderste Linie der Zivilisation“ gerückt hätten, über das vielfältige kirchliche Leben und die tiefe Kirchlichkeit der amerikanischen Bevölkerung sowie über die Freiheit, die die Kirchen genossen1444. Nach der Sitzung des Exekutivkomitees reiste die deutsche Delegation – Meiser, Marahrens und der Generalsekretär des Lutherischen Weltkonvents Hanns Lilje – weiter nach Philadelphia, Washington, St. Louis, St. Antonio und Columbus. Auf der Reise, die von großer medialer Aufmerksamkeit begleitet wurde1445, trafen sie mit amerikanischen Kirchenvertretern zusammen, 1440 Vortrag Meisers vom 13. 10. 1935 (LAELKB, LB 0.2.0004-477; Hektographie: LAELKB, LB 0.2.0004-470; Abdruck: H. Meiser, Kirche, Kampf, 77–83, Zitat: 81; vgl. auch SchmidtClausen, Weltkonvent, 176–178). 1441 Vgl. die Mitschrift Meisers (Abdruck: Verantwortung, Bd. 2, 285–313); vgl. auch die offizielle Niederschrift im LAELKB, LB 0.2.0004-478. 1442 Vgl. seine Schreiben an Knubel vom 13. 3. und 6. 6. 1936 (LAELKB, LB 0.2.0004-470); an Marahrens vom 25. und 29. 8. 1936 (LAELKB, LB 0.2.0004-478). 1443 In den USA erreichte Meiser die Nachricht, dass seine Mutter Betty schwer erkrankt war und er sofort nach Deutschland zurückkehren musste (vgl. das Telegramm des National Lutheran Council an Meiser vom 15. 10. 1936: ebd.). Er traf am 23. 10. 1936 in Deutschland ein (vgl. den Eintrag in Meisers Amtskalender: LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-200) und verabschiedete sich noch von seiner Mutter (vgl. sein Schreiben an Knubel vom 19. 4. 1937: LAELKB, LB 0.2.0004-471), bevor sie am 12. 11. 1936 verstarb (vgl. die oben Kap. I, Anm. 5, erwähnte schriftliche Auskunft). 1444 Schreiben an die bayerischen Pfarrer vom 15. 10. 1936 (LAELKB, LB 0.2.0004-478; Abdruck: AELKZ [69] 1936, 1050 f. [Zitat: ebd., 1050]). 1445 Vgl. Besier, Kirchen, 576.
Engagement im Lutherischen Weltkonvent
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hielten Vorträge, besuchten kirchliche Einrichtungen und nahmen an lutherischen Synoden teil1446.
Abb. 67: August Marahrens, Elisabeth und Hans Meiser bei der Überfahrt in die USA, 1936
Höhepunkt war ein Empfang bei Präsident Fanklin D. Roosevelt, der in Begleitung des deutschen Botschafters stattfand. Dabei stand die Bedeutung des Luthertums im Mittelpunkt; Politik und Kirchenpolitik im NS-Deutschland hingegen kamen nicht zur Sprache1447. Danach aber fragten um so mehr die amerikanischen Journalisten: Sie wollten vor allem wissen, wie die deutschen Besucher die Gefahr eines Krieges in Europa einschätzten und wie sich der Nationalsozialismus auf die Kirche auswirkte. Die Antworten fielen im Sinne des NS-Staates aus: Meiser und Marahrens stellten Hitler als Friedensgaranten und seine Aufrüstungspolitik als friedenssichernde Präventivmaßnahme dar; statt die Bedrückung der Kirche im NS-Staat anzuklagen, berichteten sie euphemistisch, der Nationalsozialismus habe eine Belebung des kirchlichen Lebens bewirkt und die Kirche auf ihre Grundlagen zurückgeführt1448. Auch vor den amerikanischen Kirchenvertretern bemühten sie sich um eine 1446 Vgl. den Entwurf „Bericht über die Tagung des Exekutiv-Komitees des Luth. Weltkonvents und die damit verbundene Vortragsreise von Landesbischof D. Marahrens, Landesbischof D. Meiser, Generalsekretär Dr. Lilje“ (LAELKB, LB 0.2.0004-478); vgl. auch das Schreiben Liljes an Meiser vom 31. 10. 1936 (ebd.). 1447 Zu diesem Empfang am 8. 10. 1936 vgl. Besier, Kirchen, 576 f. 1448 Vgl. den oben Kap. III, Anm. 1446, erwähnten Bericht.
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Entscheidungen (1933 bis 1945)
positive Darstellung der Verhältnisse im NS-Deutschland1449. Dies zeigen die Reaktionen der amerikanischen Lutheraner auf den deutschen Besuch: So dankte Frederick Knubel Meiser nach der Reise dafür, dass seine Anwesenheit „von wirklichem Wert für die deutschen Interessen“ gewesen sei und „zahlreiche Mißverständnisse über die Absichten der deutschen Regierung“ aufzuklären geholfen habe1450. Für das politische Wohlverhalten sprach das Auswärtige Amt den deutschen Vertretern nach ihrer Rückkehr seinen Dank aus1451. Zu einer Verbesserung der kirchenpolitischen Lage in Deutschland führte dies freilich nicht. Meiser musste sich sogar gegen Diffamierungen der Deutschen Christen zur Wehr setzen, er habe sich bei Roosevelt für die Millionen bedankt, die „Amerika der sog. Bekenntniskirche […] für ihren volksverräterischen Kampf geschenkt“ habe1452. Ein wiederkehrendes Thema während Meisers USA-Besuch war die Judenverfolgung1453, die u. a. im Exekutivkomitee zur Sprache kam. Das Komitee sah sich allerdings nicht für Juden, sondern nur für rassisch verfolgte Christen zuständig, deren verzweifelte Lage Marahrens eindrücklich schilderte. Meiser wurde auf der Reise klar, dass die Kirchen des Lutherischen Weltkonvents von den deutschen Kirchen dringend Hilfe für die Betroffenen erwarteten1454.Während es in seiner eigenen Landeskirche noch zwei Jahre dauerte, bis er für organisierte Hilfe sorgte1455, nutzte er seine Kontakte zu amerikanischen Lutheranern schon jetzt, um einzelnen rassisch verfolgten Christen zu helfen. So verwandte er sich bei Knubel für einen notleidenden evangelischen Schriftleiter, um ihm zur Emigration zu verhelfen oder wenigstens Arbeitsaufträge zu verschaffen1456. Im Frühjahr 1938 bat er Knubel und den Executive Director beim National Lutheran Council Ralph Long dann darum, einem auswanderungswilligen Juristen und Kaufmann bei der Gründung einer Existenz in den USA behilflich zu sein1457. Nach der Amerika-Reise nahm Meiser an allen Sitzungen des Exekutivkomitees teil, bis weitere Treffen durch den Krieg unmöglich wurden. Er war Referent für die lutherischen Minderheitskirchen in Österreich, Rumänien, Jugoslawien und Brasilien1458, vor allem aber beteiligte er sich an den Bemü1449 So Besier, Kirchen, 578 f.; der genaue Inhalt von Meisers Bericht vor dem Exekutivkomitee über die kirchliche Lage in Deutschland ist jedoch nicht bekannt (vgl. Verantwortung, Bd. 2, 295 mit Anm. 29). 1450 Zit. nach Besier, Kirchen, 580. 1451 Vgl. das Schreiben des Auswärtigen Amtes an Marahrens vom 5. 12. 1936 (LAELKB, LB 0.2.0004-478). 1452 Schreiben Meisers an den Evangelischen Oberkirchenrat Stuttgart vom 5. 6. 1937 (ebd.). 1453 Vgl. Besier, Kirchen, 578. 1454 Vgl. Verantwortung, Bd. 2, 299 f. 1455 Vgl. oben Kap. III A.2.4.4. 1456 Vgl. das Schreiben Meisers an Knubel vom 6. 6. 1936 (LAELKB, LB 0.2.0004-470); und vom 19. 4. 1937 (LAELKB, LB 0.2.0004-471). 1457 Vgl. das Schreiben Meisers an Knubel und Long vom 12. 4. 1938 (ebd.). 1458 Vgl. Verantwortung, Bd. 2, 50; vgl. auch das Schreiben Meisers an den österreichischen
Engagement im Lutherischen Weltkonvent
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Abb. 68: Das Exekutivkomitee des LWK bei der Sitzung auf Schloss Waldenburg, Mai 1939
hungen, den Lutherischen Weltkonvent, der bisher nicht mehr als „eine periodisch wiederkehrende Vollversammlung“1459 war, als verfasste Institution zu etablieren. Auf der Sitzung des Komitees 1937 in Amsterdam1460 legte Lilje einen Verfassungsentwurf vor und initiierte damit eine Entwicklung, die 1947 in die Gründung des Lutherischen Weltbunds mündete1461. Meiser wurde Mitglied des Verfassungsausschusses, der sich zunächst mit Liljes Verfassungsentwurf1462 und 1938 in Uppsala1463 dann mit modifizierten Entwürfen aus Amerika und Skandinavien1464 befasste. 1939 beriet der Ausschuss in Waldenburg schließlich einen nochmals überarbeiteten Entwurf, der angenommen und dem für 1940 in Philadelphia geplanten Weltkonvent zur
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Kirchenpräsidenten und die Bischöfe in Rumänien und Jugoslawien vom 22. 8. 1936 (LAELKB, LB 0.2.0004-478). Oelke, Lilje, 339. Vgl. die offizielle Niederschrift (LAELKB, LB 0.2.0004-479); vgl. auch die Mitschrift Meisers (Abdruck: Verantwortung, Bd. 3, 562–587). Vgl. Oelke, Lilje, 337–346; Schmidt-Clausen, Weltkonvent, 202–214. Vgl. die Stellungnahme „Betrifft Entwurf einer Verfassung des Lutherischen Weltkonvents“ vom 26. 8. 1937 (LAELKB, LB 0.2.0004-479). Vgl. die offizielle Niederschrift (LAELKB, LB 0.2.0004-480); vgl. auch die Mitschrift Meisers (LAELKB, LB 0.2.0004-590). Abdruck bei Schmidt-Clausen, Weltkonvent, 249–255.
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Entscheidungen (1933 bis 1945)
Beschlussfassung vorgelegt werden sollte1465 – ein Plan, der sich durch den Kriegsausbruch allerdings zerschlug. Meiser setzte sich in den Verfassungsverhandlungen vor allem dafür ein, dass dem Weltkonvent nur Kirchen, nicht aber freie Werke beitreten konnten, und plädierte dafür, die Bekenntnisresolution des Eisenacher Weltkonvents von 19231466 beizubehalten1467. Während Meiser den Lutherischen Weltkonvent uneingeschränkt unterstützte1468, stand er den Bemühungen, einen aus konfessionsverschiedenen Kirchen bestehenden weltweiten Ökumenischen Rat der Kirchen zu schaffen, erheblich reservierter gegenüber. Hier agierte er analog zu seinem Verhalten gegenüber der DEK und der Bekennenden Kirche: Er war zwar zur Mitarbeit bereit und beteiligte sich auch an Planungen für die – vom NS-Staat schließlich verhinderte – deutsche Beschickung der Weltkonferenzen für Praktisches Christentum und Glaube und Kirchenverfassung 1937 in Oxford und Edinburgh1469, stellte sich aus konfessionellen Gründen aber auf den Standpunkt, dass „ein echter Zusammenschluss nur auf der Grundlage des gleichen Bekenntnisses“1470 möglich sei und der geplante Weltkirchenrat ausschließlich in föderativer Form verwirklicht werden könne. Als das Exekutivkomitee des Lutherischen Weltkonvents 1936 in New York eine neue Ära einleitete und sich für den ökumenischen Dialog öffnete, trug Meiser diesen Beschluss mit, denn das Komitee band die Mitarbeit in der Ökumene an Voraussetzungen, die eine unionistische Vereinigung mit Kirchen anderer Konfession ausschlossen1471. Nachdem die ökumenischen Tagungen von 1937 die Gründung des Ökumenischen Rates der Kirchen beschlossen hatten, mahnte Meiser freilich zur Zurückhaltung1472 und trug wiederum die Haltung des Exekutivkomitees mit, das zwar einer Mitarbeit im verfassunggebenden Ausschuss des Ökumenischen Rates zustimmte, anstelle einer regionalen Gliederung aber auf einer Vertretung nach Kirchen und Bekenntnissen bestand1473 und die Entscheidung über eine Beteiligung am Weltkirchenrat dem geplanten Weltkonvent in Philadelphia überlassen woll1465 Vgl. die offizielle Niederschrift (LAELKB, LB 0.2.0004-481); vgl. auch die Mitschrift Meisers (LAELKB, LB 0.2.0004-578); Abdruck des Verfassungsentwurfs: Schmidt-Clausen, Weltkonvent, 255–257. 1466 Abdruck bei Grundmann, Weltbund, 338. 1467 Vgl. die oben Kap. III, Anm. 1463, erwähnte Niederschrift. 1468 Vgl. den Schriftverkehr zwischen Meiser und Lilje im LAELKB, LB 0.2.0004-471. 1469 Vgl. Rouse / Neill, Geschichte, Bd. 2, 37–43, 242–251; Frieling, Bewegung, 187–204; und Boyens, Kirchenkampf, Bd. 1, 156–165; zu Meisers Beteiligung an der geplanten Beschickung der Konferenzen vgl. die Unterlagen im LAELKB, LB 0.2.0004-486. 1470 Schreiben Meisers an Pehrsson vom 16. 10. 1937 (LAELKB, LB 0.2.0004-471). 1471 Vgl. Grundmann, Weltbund, 354–361; Schmidt-Clausen, Weltkonvent, 223–229. 1472 Vgl. sein oben Kap. III, Anm. 1470, erwähntes Schreiben an Pehrsson. 1473 Vgl. die im August 1937 in Amsterdam beschlossenen „Leitsätze über die Beziehung des Lutherischen Weltkonvents zu den ökumenischen Bewegungen“ (LKA Hannover, L 3 I, Nr. 42); vgl. auch den Beschluss des Exekutivkomitees vom Mai 1938 „Zu den ökumenischen Beziehungen“ (LKA Kiel, NL Wester, Reinhard Nr. 315).
Engagement im Lutherischen Weltkonvent
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te1474. An Meisers Haltung änderte sich auch nach dem Zweiten Weltkrieg nichts: Er forderte eine Gliederung des Ökumenischen Rates nach Bekenntnissen, musste sich schließlich aber gegen seine Überzeugung auf einen Kompromiss einlassen1475.
1474 Vgl. die oben Kap. III, Anm. 1465, erwähnte Niederschrift. 1475 Vgl. die Schreiben Meisers an Michelfelder vom 29. 9. 1947 und 4. 2. 1949 (LAELKB, LB 0.2.0004-487); vgl. auch unten Kap. IV B.3.
IV. Weichenstellungen (1945 bis 1955/56) A. Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern 1. Kirchenleitung zwischen Restauration und partieller Modernisierung Nach dem Ende der NS-Herrschaft stand zu keinem Zeitpunkt ernsthaft zur Debatte, ob Meiser im Amt des Landesbischofs verbleiben könne. Vor allem seine Standhaftigkeit im bayerischen Kirchenkampf von 1934 machte ihn nahezu unangreifbar. Anfänglich gab es unter Pfarrern und auch bei der amerikanischen Militärregierung zwar einzelne Stimmen, die ihn für nicht mehr tragbar hielten; im Vergleich zur überwältigenden Mehrzahl von Pfarrern und Gemeindegliedern, die loyal zu Meiser standen, war die Zahl seiner Kritiker jedoch verschwindend klein1. Nicht zuletzt profitierte er davon, dass die Militärregierung die Kirchen als einzige weitgehend intakt gebliebene deutsche Großorganisationen als Ansprechpartner benötigte. So bedeutete das Ende der NS-Herrschaft für die Landeskirche selbst keine historische Zäsur. Der relativ bruchlose Übergang, den sie von der NS-Herrschaft in die Besatzungszeit und die junge Bundesrepublik vollzog, verkörperte sich vor allem in der Person des Landesbischofs2.
Abb. 69: Militärische Ausreiseerlaubnis für Hans Meiser, 18. Juli 1945
1 Vgl. H. Blendinger, Aufbruch, 112–116. 2 Vgl. Mensing, Schuldfrage, 138.
Kirchenleitung zwischen Restauration und partieller Modernisierung
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Meiser blieb bis zu seinem Rücktritt 1955 nicht nur im Amt, sondern hielt auch weiterhin „bei sämtlichen Entscheidungen der kirchenleitenden Gremien […] die Fäden in der Hand“3. Deshalb gilt die Geschichte der Landeskirche in der Dekade von 1945 bis 1955 zu Recht als „Ära Meiser“4. Formal erfuhr seine Stellung allerdings eine einschneidende Änderung, denn auf der ersten Nachkriegssynode vom 9. bis 13. Juli 1946 in Ansbach gab er die außerordentlichen Vollmachten zurück, die ihm die Landessynode 1933 übertragen hatte. Damit war der verfassungsrechtliche Status quo aus der Zeit vor der NS-Herrschaft wiederhergestellt; die ebenfalls 1933 eingeführte Bezeichnung „Landesbischof“ hingegen wurde beibehalten5. Meiser besaß jetzt zwar keine autoritären Vollmachten mehr, an seinem Amtsverständnis, nach dem einem Bischof die letzte Entscheidungsgewalt zustand, änderte dies jedoch nichts. Das zeigt seine Ansprache zur Amtseinführung von Gottfried Noth, in der er dem neuen sächsischen Landesbischof 1953 zurief: „Wohl bist Du in Deinem Amt allezeit an den Rat und die Mitbestimmung Deiner Mitarbeiter gewiesen, und gewiß kannst Du Dein Amt nicht recht führen, ohne zugleich den Willen der synodalen Organe Deiner Kirche ernstlich zu beachten. Aber […] Du weißt so gut wie wir alle, wie gerade in kritischen Zeiten […] die letzte Verantwortung immer auf den leitenden Mann der Kirche fällt.“6
Dass Meiser seine – weiter mit einem autoritären Führungsstil gepaarte7 – dominante Stellung halten konnte, war vor allem deshalb möglich, weil er das Netzwerk aus treuen Gefolgsleuten, das er seit 1933 installiert hatte8, durch eine gezielte Personalpolitik aufrechterhielt, während seine Kritiker als Querulanten behandelt wurden und keinen Zugang zu Führungspositionen erhielten9. Beispiele für diese Personalpolitik sind die 1945 und 1946 erfolgten Berufungen von Wilhelm Bogner und Christian Stoll zu Oberkirchenräten, mit denen Meiser zwei Persönlichkeiten in den Landeskirchenrat holte, die während der NS-Herrschaft loyal hinter ihm gestanden hatten10. Umso schwerer wog für Meiser der Verlust, als beide 1946 bei einem Autounfall ums
3 Ebd. 4 H. Blendinger, Aufbruch, 24; der Begriff „Ära Meiser“ wurde erstmals in einem Nachruf auf Meiser verwendet (Nürnberger Evangelisches Gemeindeblatt Nr. 25 vom 17. 6. 1956, 3). 5 Vgl. Landessynode Ansbach 1946, 12 f.; ABlELKB 1946, 90; und Henn, Führungswechsel, 430–434. 6 Ansprache am 21. 10. 1953 in Meißen (Abdruck: H. Meiser, Kirche, Kampf, 259–264, Zitat: 260). 7 Vgl. Henn, Führungswechsel, 345; Baier, Landesbischof, 102. 8 Vgl. oben Kap. III A.2.1. 9 Vgl. z. B. das Schreiben Kerns an Steinbauer vom 31. 1. 1946 (Abdruck: Steinbauer, Zeugnis, Bd. 4, 194 f.). 10 Vgl. die Bekanntmachung vom 26. 3. 1945 (ABlELKB 1945, 15); die Bekanntmachung vom 28. 2. 1946 (ABlELKB 1946, 21).
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Weichenstellungen (1945 bis 1955/56)
Leben kamen11. Sie wurden im Jahr darauf ersetzt durch Otto Bezzel und Heinrich Riedel, die ebenfalls loyal zu Meiser standen12. Zudem griff er auch jetzt wieder auf Beauftragte und Verbindungsleute zurück: Friedrich Langenfaß war für die Beziehungen zur amerikanischen Militärregierung in Bayern zuständig13 und Kirchenrat Adolf Rusam führte Verhandlungen mit der bayerischen Staatsregierung14; bei der Gründung der CSU beauftragte Meiser den Industriellen Johannes Semler, die evangelischen Interessen zu vertreten15.
Abb. 70: Sitzung des Landeskirchenrats im kleinen Sitzungssaal, 1952
Meisers Dominanz ging erst in seinen letzten beiden Amtsjahren zurück, als seine Kräfte alters- und krankheitsbedingt nachließen; zu diesem Zeitpunkt hatte er mit Hilfe seines Netzwerks die Weichen für den Kurs der Landeskirche aber schon gestellt. Die Gleise, auf die er die Landeskirche lenkte, sollten seiner eigenen Aussage nach zu einer Erneuerung der Kirche führen: So meinte er auf der Landessynode 1946, die Kirche stehe „vor einer riesengroßen Aufgabe. Sie heißt Neuaufbau unserer Kirche von Grund auf, nach innen und außen, denn 11 12 13 14 15
Vgl. ABlELKB 1946, 135; Baier, Tradition, 723. Vgl. die Bekanntmachung vom 31. 1. 1947 (ABlELKB 1947, 15). Vgl. Nicolaisen / Vollnhals, Kirche, 134. Vgl. unten Kap. IVA.3.1 und Kap. IVA.3.3. Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 20; Mensing, Schuldfrage, 149; und Mintzel, CSU, 547, Anm. 7.
Kirchenleitung zwischen Restauration und partieller Modernisierung
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Gott hat uns nicht hindurchgerettet, daß nun alles beim Alten bleibt“16. Hermann Blendinger, der sein Pfarramt noch unter Meiser antrat und zu der von Barth geprägten Generation kritischer junger Geistlicher gehörte17, zog ein knappes halbes Jahrhundert später allerdings eine Bilanz, die Meiser ein vernichtendes Zeugnis ausstellte: Die letzten zehn Amtsjahre des Bischofs seien keine Phase der Erneuerung, sondern der „Stagnation und Restauration“18 gewesen. Dieses Urteil wird den historischen Fakten insofern gerecht, als Meiser in vielen Bereichen tatsächlich einen rückwärtsgewandten Kurs fuhr. Dies gilt zunächst für die Kirchenverfassung: Nach der Rückgabe der Ermächtigung sah er keinen akuten Anlass, die Verfassung zu reformieren19 – erst recht nicht im Sinn einer Demokratisierung der Kirche20. Auch was das Verhältnis von Kirche und Staat anging, verhielt er sich restaurativ: Die Aufgabe der Nachkriegsregierungen sollte darin bestehen, die in der NS-Zeit verlorengegangenen Rechte und Wirkungsmöglichkeiten der Kirche wiederherzustellen. Die Kirche selbst sollte sich auch in der parlamentarischen Demokratie nicht politisch betätigen dürfen. Zwar meinte Meiser nach den Erfahrungen der NSHerrschaft, die Kirche müsse verstärkt öffentliche Verantwortung wahrnehmen; dies bedeutete für ihn aber vor allem, gegen die Massenentnazifizierung zu protestieren, sich für ehemalige Nationalsozialisten zu engagieren und der Entnazifizierung der Pfarrer zu widersetzen, während überlebende Opfer des NS-Regimes nur selten in seinen Blick gerieten. Im Kontext der Entnazifizierung mündeten Meisers anfängliche Schuldbekenntnisse zudem in eine apologetische Geschichtspolitik, die einer kritischen Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit der Landeskirche für Jahrzehnte im Weg stand21. Rückwärtsgewandt blieb Meiser auch in konfessioneller und theologischer Hinsicht: An seinem lutherisch-konfessionellen Kurs änderte sich nichts; das Ende der NS-Herrschaft gab ihm vielmehr das Signal, die lang gehegten Pläne für eine vereinte lutherische Kirche Deutschlands in die Tat umzusetzen, während seine Mitarbeit in der EKD wie zuvor in der DEK und der Bekennenden Kirche stets unter dem Vorbehalt stand, dass die EKD nicht als Kirche verstanden werden durfte. Konfessionelle Gründe ließen ihn auch gegenüber dem ÖRK reserviert bleiben, während er sich am LWB mit vollem Einsatz beteiligte22. Als der bayerische Bruderrat Meisers konfessionalistischen Kurs 1947 kritisierte und forderte, die Barmer Erklärung müsse in die künftige Verfassung der VELKD aufgenommen werden, konterte er, „daß der Kir16 Predigt über Ps 80, 15–20 vom 9. 7. 1946 (Abdruck: H. Meiser, Kirche, Kampf, 177–182, Zitat: 178). 17 Vgl. H. Blendinger, Aufbruch, 7. 18 Ebd., 24. 19 Vgl. Landessynode Ansbach 1946, 12. 20 Vgl. H. Meiser, Kirche, Kampf, 180. 21 Vgl. unten Kap. IVA.2.–IVA.5. 22 Vgl. unten Kap. IV B.1.–IV B.3.
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chenkampf auch ohne Barmen vom Lutherischen Bekenntnis her hätte geführt werden können“23. Es blieb auch nach 1945 dabei: Für Meiser hing alles am historischen lutherischen Bekenntnis, Barmen hingegen durfte kein Bekenntnisrang zugemessen werden, weshalb er die Bedeutung der Barmer Erklärung auch beständig zu minimieren versuchte24. Als Hüter des kirchlichen Bekenntnisses erwies Meiser sich auch, als 1948 das Programm zur Entmythologisierung des Neuen Testaments bekannt wurde, das Rudolf Bultmann Anfang der 1940er Jahre entworfen hatte25 und nun hohe Wellen schlug26. Das Programm rief bei den meisten bayerischen Theologen heftige Abwehrreaktionen hervor27. Für Meiser hebelte es die Heilstatsachen von der Menschwerdung Christi bis hin zu dessen Auferstehung und Wiederkehr aus. Auf der Generalsynode der VELKD 1952 hielt er dazu fest, dass die „lutherische Kirche zu der Theologie Bultmanns […] niemals ja sagen“ könne, weil sie „zu einer […] Verkürzung der biblischen Botschaft“ führe28. Die Synode fasste einen Beschluss, der ganz in Meisers Sinne ausfiel29, und 1953 rief die Bischofskonferenz der VELKD die Gemeinden dazu auf, an den biblischen Tatsachen festzuhalten30. Keinen Millimeter vorwärts bewegte sich auch Meiser Haltung zur Rolle von Frauen. Hier blieb er seinen schöpfungsordnungstheologisch begründeten Positionen verhaftet, nach denen Frauen an Ehe und Familie, an ihre Rolle als Mutter und an dienende Berufe gewiesen sein sollten31. Die in Art. 3 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland festgeschriebene Gleichberechtigung von Mann und Frau war kein Thema, mit dem er sich befasst oder das ihn gar zu Konsequenzen veranlasst hätte. Seine Perspektive blieb vielmehr auf Frauen in ihrer Rolle als Ehefrauen und Mütter beschränkt. So rief er angesichts des Kalten Krieges32 und der demographischen Entwicklung 1954 zur Familiengründung auf und meinte, „jede gebärfähige Frau“ müsse „mindestens drei, wenn nicht vier Kindern das Leben schenken“, wenn die „Widerstandskraft gegen die vom Osten herdrängenden Völker“ erhalten bleiben solle33.
23 Votum Meisers auf einer Besprechung mit Bruderratsvertretern am 13. 6. 1947 (zit. nach H. Blendinger, Aufbruch, 85. 24 Vgl. Schulze, Weg, 50 f. 25 Vgl. Schmithals, Bultmann, 393 f. 26 Vgl. KJ 1951, 185–221. 27 Vgl. H. Blendinger, Aufbruch, 188–196. 28 Bischofsbericht vom 25. 4. 1952 (Abdruck: H. Meiser, Kirche, Kampf, 248–258, Zitate: 251). 29 Vgl. den Beschluss zur Entmythologisierung vom 29. 4. 1952 (ABlELKB 1952, 71). 30 Vgl. die Kundgebung der Bischofskonferenz der VELKD zur Frage der Entmythologisierung des Neuen Testaments (ABlELKB 1953, 135). 31 Vgl. oben Kap. I 8. 32 Vgl. Westad, Krieg; Stçver, Krieg. 33 Zitate aus einem Vortrag Meisers vom 17. 12. 1954 (zit. nach Renner, Nachkriegsprotestantismus, 349; vgl. auch Mensing, Schuldfrage, 153).
Kirchenleitung zwischen Restauration und partieller Modernisierung
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Außer im Zusammenhang des Bayerischen Mütterdienstes34 befasste Meiser sich mit dem Thema Frauen noch im Rahmen der Diskussionen zum Schwangerschaftsabbruch. Als sich Vergewaltigungen durch US-Soldaten häuften und betroffene Frauen bei Pfarrern Rat suchten, forderte er im Sommer 1945 ein Gutachten der Erlanger Theologischen Fakultät an, das enge Grenzen für einen Schwangerschaftsabbruch zog35. Die von den Vergewaltigungen ausgelöste Diskussion über eine Reform des § 218 veranlassten Meiser im Juli 1947 schließlich dazu, eine Stellungnahme des Landeskirchenrats herauszugeben, in der wie im Erlanger Gutachten fast alle Indikationen ausgeschlossen wurden. Eine Abtreibung sollte selbst bei Vergewaltigung unzulässig sein, zumal Meiser eine Vergewaltigung für schwer nachweisbar hielt und unterstellte, manche Frauen würde eine Vergewaltigung vortäuschen, um sich eines ungewollten Kindes zu entledigen. Einzig zulässig war für ihn eine medizinische Indikation36. Was die Mitwirkung von Frauen in der Kirche anging, vollzog Meiser nach 1945 sogar noch einen Rückschritt gegenüber seinen früheren Positionen37. Als auf der Landessynode von 1947 das passive Wahlrecht für Frauen diskutiert wurde, stellte er sich auf den Standpunkt: „Was ist die Aufgabe der Synode? Es ist ihre Aufgabe, Herrschaft auszuüben. […] Von der Schöpfungsordnung Gottes aus ist es nicht die Bestimmung der Frau, Herrschaft auszuüben. Ich kann mich nicht damit einverstanden erklären, daß man die Frau in ein Amt, in dem Herrschaft ausgeübt wird, beruft.“38
Während die Stimmung in Synode und Landeskirchenrat in den folgenden Jahren umschlug, hielt Meiser an seiner Position fest und verhinderte noch 1951, dass Frauen das passive Wahlrecht erhielten, weil er das Einströmen emanzipatorischer Strömungen befürchtete39. Es ging maßgeblich auf seinen Einfluss zurück, dass es noch bis 1958 dauerte, bis Frauen Mitglied der Landessynode werden konnten40. Keinen Fortschritt gab es auch für akademisch gebildete Theologinnen. In den Diskussionen der ersten Nachkriegsjahre über das Amt der Vikarinnen in der EKD41 nahm Meiser entsprechend seiner Haltung während der NS-Zeit42 eine besonders restriktive Position ein und wandte sich entschieden gegen die 34 Meiser hatte den Mütterdienst bereits 1933 unterstützt (vgl. H. Blendinger, Aufbruch, 163). 35 Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 346 f.; vgl. auch Protokolle, Bd. 1, 208 mit Anm. 268. 36 Vgl. die Stellungnahme vom 22. 7. 1947 (ABlELKB 1947, 71 f.; vgl. auch M. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 349 f.; Mensing, Schuldfrage, 152). 37 Vgl. oben Kap. II 3.4. 38 Votum Meisers zit. nach Renner, Nachkriegsprotestantismus, 353. 39 Vgl. ebd., 353–355. 40 Vgl. H. Blendinger, Aufbruch, 162; Mensing, Schuldfrage, 154. 41 Vgl. Zeiss-Horbach, Kirche, 141–144. 42 Vgl. oben Kap. III A.3.4.
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Übertragung des geistlichen Amtes an Frauen. Dazu hielt er auf der Landessynode 1947 fest: „Unsere Vikarinnen sind in ihrem Dienst auf das Dienen beschränkt, sie sind vom Pfarramt ausgeschlossen.“43 Dementsprechend brachte das bayerische Vikarinnengesetz von 195444 auch keinen wesentlichen Fortschritt gegenüber der Fassung von 1944. Diese Linie verfolgte Meiser auch in der VELKD: Als dort ab 1949 Debatten über die Stellung der Vikarinnen einsetzten, insistierten er und Oberkirchenrat Wilhelm Ferdinand Schmidt auf einer strikten Abgrenzung des Amtes der Vikarinnen vom Pfarramt und verwehrten Frauen den Zugang zum Pfarramt. Der bayerische Einfluss war in den Richtlinien der VELKD über die Dienstverhältnisse von Vikarinnen, die ein Jahr nach Meisers Rücktritt verabschiedet wurden, dann auch nicht zu übersehen45. Dennoch greift es zu kurz, Meisers Nachkriegswirken nur als Stagnation und Restauration zu beschreiben. Allein schon der von Meiser vollzogene Beitritt zu VELKD und EKD bedeutete für die Landeskirche einen grundlegenden verfassungsrechtlichen Wandel: Die Gesetzgebung der VELKD hatte nun Vorrang vor der landeskirchlichen Gesetzgebung; unter bestimmten Voraussetzungen galt dies auch für das Recht der EKD46. Vor allem aber stand er angesichts der katastrophalen Lage am Ende des Zweiten Weltkriegs vor Herausforderungen, die in der Geschichte der Landeskirche einmalig waren. Vor dem Hintergrund seines Alters und seiner Ämterhäufung erstaunt es umso mehr, wie rasch und tatkräftig er sich diesen Herausforderungen stellte47. Dies gilt für den kirchlichen Wiederaufbau, besonders aber im Hinblick auf die kirchliche Hilfe für die nach Bayern einströmenden Flüchtlinge und Vertriebenen48. Zudem förderte er auch zukunftsträchtige neue Entwicklungen. Dies war etwa bei der Evangelischen Akademie im Schloss Tutzing der Fall. Als in Deutschland ab 1945 evangelische Akademien entstanden, war Meiser dafür schnell aufgeschlossen. Die Akademien sollten berufsbegleitend tätig werden, das Gespräch mit den Wissenschaften aufnehmen und als Orte des freien Dialogs zwischen Kirche und kirchenfernen gebildeten Eliten „im Lichte des Evangeliums“ Antworten auf „zentrale Lebensfragen wie gesellschaftliche Konflikte“ finden49. Die Tutzinger Arbeit begann bereits im Herbst 1946, zunächst noch als Freizeitenheim für Russlandheimkehrer; seit Frühjahr 1947 fanden Tagungen für verschiedene Berufsgruppen statt, die den Beginn der Akademiearbeit markierten. Meiser persönlich kündigte im Mai 1947 eine Ärztetagung an, lud zur Einweihungsfeier ein und sprach im Juni bei der 43 44 45 46 47 48 49
Zit. nach Zeiss-Horbach, Kirche, 191. Kirchengesetz vom 10. 5. 1954 (ABlELKB 1954, 66–68). Vgl. Zeiss-Horbach, Kirche, 275–282. Vgl. H bner, Verfassungs- und Verwaltungsstrukturen, 378 f. Vgl. Mensing, Schuldfrage, 138. Vgl. unten Kap. IVA.6. Vgl. Scheilke, Akademien (Zitate: 249); Boventer, Akademien, 1213 f.
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Abb. 71: Einladung zur Eröffnung des Evangelischen Freizeitenheims Schloss Tutzing, 1947
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Eröffnung der zunächst noch „Evangelisches Heimkehrer- und Freizeitenheim“ genannten Akademie50. Als der Mietvertrag auslief, setzten zähe Kaufverhandlungen ein, bei denen auch alternative Standorte erwogen wurden. Meiser hielt jedoch an Schloss Tutzing fest und nutzte sein Ansehen, um bei der Militärregierung, vor allem aber bei amerikanischen lutherischen Kirchen finanzielle Hilfe zu erbitten. Es war nicht zuletzt seiner Unterstützung zu verdanken, dass der Ankauf 1949 schließlich gelang; 1950 wurde die Akademie dann förmlich durch Kirchengesetz errichtet51. In Meisers letzten Amtsjahren erfolgte auch die Errichtung anderer Einrichtungen der Erwachsenenbildung wie der Evangelischen Heimvolkshochschulen auf dem Hesselberg und in Pappenheim52. Besonders stark engagierte Meiser sich bei der Gründung der kircheneigenen Augustana-Hochschule in Neuendettelsau. Kirchliche Hochschulen hatten – neben der 1905 ins Leben gerufenen Theologischen Hochschule in Bethel – zuvor schon in Berlin und Wuppertal existiert. Sie wurden während der NS-Herrschaft in Ausführung der Beschlüsse der Augsburger Reichsbekenntnissynode 1935 gegründet, um Theologiestudenten ein bekenntnisgemäßes Studium zu ermöglichen, das die Bekennende Kirche wegen der Besetzung von Lehrstühlen mit Deutschen Christen nicht mehr an allen staatlichen theologischen Fakultäten gewährleistet sah53. Die Hochschulen in Berlin und Wuppertal wurden vom NS-Staat sofort nach ihrer Gründung verboten und führten ihre Tätigkeit in der Illegalität bis 1941 weiter; der offizielle Lehrbetrieb konnte erst nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgenommen werden54. Die Initiative zur Gründung der Augustana-Hochschule ging nicht von Meiser, sondern von dem früheren Leiter der Theologischen Schule Bethel und Würzburger Dekan Georg Merz aus, der auch die Hauptlast bei der Realisierung des Hochschulprojekts trug und Gründungsrektor wurde55. Nach Merz’ Vorstellungen sollte die neue Hochschule die kirchen- und gemeindenahe Ausbildung der künftigen Pfarrer gewährleisten56, wissenschaftliche Theologie mit Kirche, Mission und Diakonie verzahnen, Lehramt und Predigtamt 50 Vgl. das Schreiben Meisers an die bayerischen Ärzte vom Mai 1947; das Programm der Einweihungsfeier am 15. 6. 1947; und das Einladungsschreiben Meisers zur Einweihung vom Mai 1947 (LAELKB, LKR 0.2.0003-4097). 51 Vgl. Roepke / Ow, Besitz, 62–70; Bçttcher, Rechts- und Bildungswesen, 402 f.; vgl. auch die Unterlagen im LAELKB, LKR 0.2.0003-4162. 52 Vgl. Bçttcher, Rechts- und Bildungswesen, 403. 53 Vgl. den Beschluss der dritten Reichsbekenntnissynode vom 4. bis 6. 6. 1935 zur „Vorbildung und Prüfung der Pfarrer der Bekennenden Kirche“ (Abdruck: KJ 1933–1944, 96 f., hier: 97). 54 Zu Entstehung und Geschichte der Kirchlichen Hochschulen vgl. Ruhbach, Hochschulen; Merz, Hochschulen; und Baldus, Hochschulen, 1805 f. 55 Vgl. Lichtenfeld, Merz, 681–689. 56 Vgl. die Denkschrift Merz’ über die Gründung einer kirchlichen Studienfakultät (LAELKB, LKR 0.2.0003-4946; vgl. auch die Schreiben Merz’ an den Landeskirchenrat vom 16. 10. und 11. 11. 1946: ebd.).
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Abb. 72: Gründungsurkunde der Augustana-Hochschule Neuendettelsau mit Unterschrift Hans Meisers, 10. Dezember 1947
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sowie Pfarrerausbildung und Pfarrerfortbildung verbinden und ein gemeinsames Leben von Lehrenden und Studenten ermöglichen57. Diese Vorstellungen waren ganz in Meisers Sinn. Nachdem die Landessynode die Errichtung der Hochschule 1947 beschlossen hatte58, erreichte er in kurzer Zeit deren staatliche Zulassung59, und zwar als einzige evangelische Hochschule in Deutschland, „deren Status von Beginn an durch Kirchen- und Staatsgesetz geregelt“60 war. Zur Einweihungsfeier im Dezember 1947 lud Meiser hochrangige Persönlichkeiten aus Politik und Kirche ein61 und hielt die Eröffnungspredigt62. Damit war sein Engagement aber noch nicht beendet. Da die Theologische Fakultät Erlangen ein Konkurrenzunternehmen witterte und Merz scharf anging63, versuchte Meiser zwischen der Fakultät und der Augustana-Hochschule zu vermitteln64. Vor allem aber bemühte er sich erfolgreich um die Unterbringung der Hochschule in Gebäuden einer ehemaligen Munitionsanstalt in Neuendettelsau65. Als die Hochschule die Gebäude im Frühjahr 1949 bezog, betonte Merz dann auch „die große und stetige Teilnahme des Kirchenregiments, insbesondere des Herrn Landesbischofs an der Gründung und am Aufbau der Hochschule“66. Zu einem partiellen Wandel kam es ferner in Meisers Verhältnis zur weltanschaulichen und konfessionellen Konkurrenz – und zwar gerade zu jener Konkurrenz, die er stets als besonders große Gefahr für die evangelische Kirche betrachtet hatte. Dies betraf zum einen die Sozialdemokratie, mit der er in einen Dialog trat67, vor allem aber die katholische Kirche. Wenige Tage nach Kriegsende pochte Meiser beim Münchner Oberbürgermeister Karl Scharnagl zwar darauf, dass dieser sich – besonders bei Stellenbesetzungen – für die strikte Wahrung konfessioneller Parität einsetzen solle, betonte aber zugleich, dass „die gemeinsamen Kampferlebnisse der beiden Kirchen […] nicht wieder verloren gehen“ und künftig „ein loyales und verständnisvolles Zusam57 Vgl. Ruhbach, Hochschulen, 431 f. 58 Vgl. das „Kirchengesetz über die Errichtung einer Theologischen Hochschule in Neuendettelsau-Heilsbronn“ vom 7. 5. 1947 (ABlELKB 1947, 42; vgl. auch Bçttcher, Rechts- und Bildungswesen, 404). 59 Vgl. das Schreiben Meisers an das Bayerische Kultusministerium vom 27. 5. 1947; das Schreiben der amerikanischen Militärregierung für Bayern an Meiser vom 15. 10. 1947 (LAELKB, LKR 0.2.0003-4946). 60 Ruhbach, Hochschulen, 431. 61 Vgl. die Einladungsschreiben Meisers vom 20. 11. 1947 (LAELKB, LKR 0.2.0003-4946). 62 Abdruck: H. Meiser, Kirche, Kampf, 229–235. 63 Vgl. Lichtenfeld, Merz, 684 f., Anm. 54. 64 Vgl. das Schreiben Meisers an die Erlanger Fakultät vom 3. 2. 1948 (LAELKB, LKR 0.2.00034873). 65 Vgl. das Schreiben Meisers an die amerikanische Militärregierung vom 2. 6. 1948; an das Landesamt für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung vom 29. 6. 1948 (LAELKB, LKR 0.2.0003-3660). 66 Undatierter Bericht Merz’ „Aus der Chronik der Augustana-Hochschule. Einzug in der [sic!] Wohngelände der ,Muna‘“ (LAELKB, LKR 0.2.0003-4873). 67 Vgl. unten Kap. IVA.5.
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menarbeiten ermöglichen“ sollten68. Tatsächlich hatte die Bedrückung durch den NS-Staat zu ersten Kontaktaufnahmen von evangelischer und katholischer Kirche geführt; Meiser selbst hatte sich im Sommer 1938 mit Kardinal Michael Faulhaber getroffen69. Kurz nach Kriegsende ergriff Meiser die Initiative und meldete sich bei Faulhaber zu einem Gespräch an70, das am 23. Juni 1945 stattfand. Dabei waren sich Bischof und Kardinal in vielen Punkten einig: Beide sahen den Bolschewismus als die größte aktuelle Bedrohung an, beide forderten die Wiederherstellung der staatskirchenrechtlichen Regelungen von vor 1933, beide wollten ein Wiederaufleben der früheren konfessionellen Auseinandersetzungen vermieden wissen und in gegenseitiger Fühlungnahme bleiben71. Vor allem aber waren sie sich in ihrer Ablehnung der amerikanischen Entnazifizierungspolitik einig; auf diesem Gebiet kam es bereits 1945 zu einem Novum, nämlich gemeinsamen Protesten von evangelischem Bischof und katholischem Kardinal72. Ein weiteres wichtiges Feld interkonfessioneller Zusammenarbeit wurde die kirchliche Arbeit an Flüchtlingen und Vertriebenen; Meiser war aber auch in anderen Fällen zur Zusammenarbeit bereit73. Dies bedeutete allerdings nicht, dass Meiser sein Misstrauen gegen die katholische Kirche überwunden hätte. Schon die Tatsache, dass der Landeskirchenrat einen 1922 begonnenen Akt „Unduldsamkeit und Übergriffe der katholischen Kirche“ weiterführte74, belegt seinen weiter bestehenden Argwohn. Dieser zeigte sich regelmäßig, z. B. als er 1947 „Beschwerden und Klagen der evangelischen Bevölkerung über den wachsenden katholischen Einfluss“ im Landeskirchenrat zur Sprache brachte75 und 1948 einem Dekan untersagte, von der katholischen Kirche finanzielle Hilfe für die Instandsetzung einer Kirche anzunehmen76. Selbst bei solchen Angelegenheiten, die auf den ersten Blick gar keine konfessionellen Fragen berührten, witterte Meiser katholische Dominanz77. Sein Misstrauen sah Meiser erst recht bestätigt, als die deutsche Bevölkerung auf dem Katholikentag in Fulda 1954 an das „unbefleckte Herz Mariens“ geweiht werden sollte; Meiser ergriff als Leitender Bischof der VELKD bereits im Vorfeld des Katholikentags die Initiative und 68 Zitate aus der Niederschrift Meisers über die Besprechung am 17. 5. 1945 (LAELKB, LB 0.2.0004-610). 69 Vgl. Pfister, Partner, 158–163. 70 Vgl. ebd., 164. 71 Vgl. die Niederschrift Meisers (LAELKB, LB 0.2.0004-610); vgl. auch Pfister, Partner, 167–169. 72 Vgl. unten Kap. IVA.3.1. 73 Vgl. unten Kap. IVA.5 und IVA.6. 74 LAELKB, LKR 0.2.0003-6656 und 6642. 75 Vgl. den Protokollauszug der Sitzung des Landeskirchenrats am 22. 5. 1947 (LAELKB, LKR 0.2.0003-6642). 76 Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 333. 77 So wandte er sich 1949 gegen die Gründung einer vierten bayerischen Landesuniversität Bamberg-Regensburg, weil er befürchtete, die geplante Universität sei im Kern katholisch und gefährde die Universität Erlangen (vgl. ebd., 226–231).
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setzte sich an die Spitze des protestantischen Protests gegen die Weihe, die auch von Seiten der EKD als Übergriff auf den protestantischen Bevölkerungsteil beurteilt wurde78.
2. Vergangenheitsbewältigung zwischen Schuldbekenntnissen und apologetischer Geschichtspolitik Im Mai 1945 nutzte Meiser die erste Möglichkeit, um den Pfarrern Anweisungen zu geben, welche Aufgaben sie jetzt vordringlich in Angriff zu nehmen hätten. Dabei machte er klar, dass es nicht Aufgabe der Kirche sein könne, „den Blick in die Vergangenheit richtend durch verdammende Urteile anderer nur die eigene Haltung zu rechtfertigen“, sondern dass jetzt „mit Tatkraft und Entschlossenheit an den Wiederaufbau“79 gegangen werden müsse. Dass für Meiser der Wiederaufbau höchste Priorität hatte80, kann angesichts der Nöte in den ersten Nachkriegsjahren nicht verwundern; in der Marschroute, die er hier vorgab, deutete sich aber bereits an, dass Bischof, Kirchenleitung und Gemeinden die Aufarbeitung der Vergangenheit und die Frage nach einer kirchlichen Mitverantwortung für die NS-Herrschaft „nicht als ein vordringliches Problem der Kirche als moralischer Institution begriffen“81. Dies bedeutet nicht, dass Meiser keine Schuldbekenntnisse abgelegt hätte. Vielmehr stellte er schon in einem Wort an die Gemeinden zu Pfingsten 1945 fest, dass Taten geschehen seien, „wie sie die Hölle ausströmt“, wies auf „Ungezählte aus dem eigenen Volk und aus fremden Völkern und Rassen“ hin, „die am Tag der Rechenschaft anklagend aufstehen“ würden, und resümierte: „Wir haben den Wind des Bösen gesät und müssen nun den Sturm der Leiden ernten“82. Meiser forderte die Gemeinden auf, das eigene Leid nicht mit dem Leid anderer Völker aufzurechnen, sondern die eigene Schuld zu bekennen. Dieser Aufruf war verbunden mit einer geschichtstheologischen Deutung der gegenwärtigen Lage als Gericht Gottes, das alle Völker betreffen und eine Folge des Abfalls von Gott sein sollte. Das Wort Meisers war charakteristisch für eine Vielzahl kirchlicher Verlautbarungen der unmittelbaren Nachkriegszeit: Schuld wurde nicht geleugnet, aber nicht konkret benannt, eine sachliche
78 Vgl. das Rundschreiben des Sekretariats des Leitenden Bischofs vom 11. 9. 1954; und Meisers Erklärung „Zur Weihe des deutschen Volkes an das unbefleckte Herz Mariens“ (LAELKB, LKR 0.2.0003-6642; Abdruck: ELKZ 8 [1954], 289 f.; vgl. auch Protokolle, Bd. 8, 347). 79 Rundschreiben des Landeskirchenrats und Meisers vom 7. 5. 1945 (LAELKB, LB 0.2.0004-518). 80 Vgl. sein Schreiben an Hugo von Feilitzsch vom 28. 2. 1946 (LAELKB, LB 0.2.0004-62). 81 Vollnhals, Kirche, 135. 82 Zit. nach dem Rundschreiben an sämtliche Pfarrämter vom 22. 5. 1945 (LAELKB, LB 0.2.0004518).
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Analyse der NS-Herrschaft und ihrer Verbrechen unterblieb und auch die kirchliche Mitverantwortung wurde nicht oder nur unzureichend reflektiert83. Als Mitglied des Rates der EKD verantwortete Meiser im Oktober 1945 dann die sog. Stuttgarter Schulderklärung mit, die den Weg für die Wiederaufnahme der Beziehungen zur weltweiten Ökumene freimachte84. Der Rat stellte sich in eine „Solidarität der Schuld“ mit dem deutschen Volk und bekannte: „Durch uns ist unendliches Leid über viele Völker und Länder gebracht worden. […] Wohl haben wir lange Jahre hindurch im Namen Jesu Christi gegen den Geist gekämpft, der im nationalsozialistischen Gewaltregiment seinen furchtbaren Ausdruck gefunden hat; aber wir klagen uns an, daß wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben.“85
Die Erklärung gewann ihre kirchenhistorische Bedeutung durch den Satz über das Leid, das Deutschland über viele Völker und Länder gebracht hatte. Es war Niemöller zu verdanken, dass dieser Satz Aufnahme in die Erklärung fand86. Da die Erklärung nicht zur Veröffentlichung bestimmt war, plante Meiser ursprünglich nicht, sie Pfarrern und Gemeinden bekannt zu machen. Sie gelangte jedoch an die Presse und löste scharfe Kontroversen aus, in deren Mittelpunkt der Vorwurf stand, der Rat habe ein politisches kollektives Schuldbekenntnis abgelegt, die Solidarität mit dem eigenen Volk aufgekündigt und sich auf die Seite der Siegermächte gestellt87. Deshalb sah Meiser sich im März 1946 gezwungen, die Erklärung im Amtsblatt bekanntzugeben. In einem Kommentar betonte er ähnlich wie Lilje, Dibelius und Asmussen88, die Erklärung sei „ein Wort von C h r i s t e n an C h r i s t e n “, rede „nicht im Namen des deutschen Volkes oder seiner Regierung“ und nehme erst recht „nicht zur Frage der politischen Kriegsschuld als solcher Stellung“; an der Kernaussage der Erklärung, dem Schuldbekenntnis, rüttelte er jedoch nicht89. Von sich aus hätte Meiser die Erklärung freilich nicht noch einmal thematisiert, denn er meinte, der Rat habe für die Gesamtkirche ein für alle Mal das Erforderliche gesagt. Dies zeigte sich im Sommer 1946, als er es ablehnte, einen Bußruf an die Gemeinden90 oder ein neues Schuldbekenntnis zu for-
83 84 85 86 87 88 89 90
Vgl. Vollnhals, Landeskirche, 148. Vgl. Protokolle, Bd. 1, 23–25, 38–55; Greschat, Schuld, 91–94, 106–109. Erklärung vom 18./19. 10. 1945 (zit. nach Protokolle, Bd. 1, 60). Vgl. Greschat, Schuld, 94. Vgl. ebd., 110. Vgl. ihre ebd., 132–143, 224, 253, abgedruckten Stellungnahmen. Alle Zitate: ABlELKB 1946, 29. Vgl. sein Votum auf der Ratssitzung vom 1./2. 5. 1946, wo er den Entwurf für ein Wort an die Gemeinden ablehnte und dazu ausführte: „Das Volk nimmt einen Bußruf, wie ihn der Entwurf enthält, nicht mehr an, es ist zu viel geschehen inzwischen“ (zit. nach Protokolle, Bd. 1, 492).
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mulieren91, und bei einer Ansprache vor Vertretern des Weltluthertums, in der er sich zwar hinter die Erklärung stellte, aber darum bat, sie nicht wiederholen zu müssen92. Damit setzte er sich einmal mehr in Gegensatz zu Niemöller, der die Erklärung zum Entsetzen der Mehrheit der kirchlichen Verantwortlichen in den ersten beiden Nachkriegsjahren einer breiten Öffentlichkeit vermittelte und damit in und außerhalb der Kirche Entrüstung auslöste; dabei trieb ihn die Überzeugung, die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit sei eine unerlässliche Voraussetzung für den Neuanfang93. Im Juli 1946 musste Meiser vor der Landessynode Rechenschaft über das Verhalten der Kirchenleitung in der NS-Herrschaft ablegen. Dabei gestand er Versäumnisse und Versagen ein. So führte er in seiner Eröffnungspredigt aus: „Nicht wir haben die Kirche gerettet. An uns hätte sie sterben können. Wir haben oft genug versagt.“94 Im Bischofsbericht gab er zu: „Wir alle müssen […] bekennen, daß wir manche Entscheidung heute anders treffen würden, wenn wir sie nochmals zu treffen hätten, und daß wir einander mancherlei zu vergeben haben.“95 Die Eingeständnisse bezogen sich freilich nur auf das Verhalten der Kirchenleitung gegenüber der Kirchenpolitik des NS-Staates und die internen Kämpfe der Bekennenden Kirche. Dass die Kirchenleitung nicht klarer gegen die NS-Verbrechen Stellung bezogen hatte, rechtfertigte er mit dem Hinweis auf die massive Gefahr, der sie die Kirche damit ausgesetzt hätte96. Auch auf der Synode stellte er die Aufarbeitung der Vergangenheit nicht in das Zentrum des kirchlichen Neuanfangs. Dies zeigte sich, als einige Synodale auf kirchliches Versagen hinwiesen und zur Buße aufriefen97. Meiser wollte zwar „der letzte sein, der hier Dinge zu beschönigen versucht, an denen man wohl sein Leben lang als an schweren bitteren Wunden trägt“, bezweifelte aber, „ob es wirklich unsere Pflicht ist, diese Wunden […] immer wieder aufzubinden, um sie jedermann sehen zu lassen“; echte Buße erweise sich „nicht bloß durch Schuldbekenntnisse“, sondern darin, „daß man die Fehler […] in Zukunft vermeidet“. Insbesondere lehnte er es ab, sich „ständig zur Buße rufen zu lassen von Leuten“, die „außer jeder Verantwortung standen“, und sich dafür zu entschuldigen, dass die Kirchenleitung nicht ins Konzentrationslager gekommen war98. Kein Versäumnis sah er darin, dass der kirchliche Widerstand nicht in politischen Widerstand und Tyrannenmord gemündet war; dazu verwies er 91 92 93 94 95 96 97 98
Vgl. Greschat, Schuld, 271. Vgl. unten Kap. IV, Anm. 103. Vgl. Greschat, Schuld, 184–211. Predigt vom 9. 7. 1947 (Abdruck: H. Meiser, Kirche, Kampf, 177–182, Zitat: 177). Landessynode Ansbach 1946, 9. Vgl. ebd., 10. Vgl. Mensing, Umgang, 191 f. Alle Zitate aus Meisers Votum auf der geschlossenen Sitzung der Synode am 12. 7. 1946 (zit. nach ebd., 192 f.).
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auf Beispiele aus der Kirchengeschichte, in der evangelische Christen „durch stilles Aushalten“ mehr für die Kirche erreicht hätten als diejenigen, „die entgegen der Weisung des Herrn das Evangelium auf des Schwertes Spitze gestellt haben“99. Meisers Positionen erwiesen sich als mehrheitsfähig: Landesbischof, Landeskirchenrat und Synode verabschiedeten ein Wort an die Gemeinden, das zwar eine Mithaftung für die deutschen Verbrechen einräumte, aber noch weniger konkret ausfiel als Meisers Schuldeingeständnisse vor der Synode und auch hinter der Stuttgarter Erklärung zurückblieb100. Umso mehr überrascht, dass Meiser wenige Tage später die Verbrechen an den Juden ansprach. Nach der Landessynode reiste er nach Uppsala, wo er an einer Sitzung des Exekutivkomitees des Lutherischen Weltkonvents teilnahm. Er wusste, dass es auch vor dem Weltluthertum einer Erklärung bedurfte, wenn die Beziehungen wiederhergestellt werden sollten101, und dass es nach dem Rücktritt Marahrens’ als Präsident des Weltkonvents seine Aufgabe war, diese Erklärung zu liefern102. In Uppsala stellte Meiser die Vergehen an den Juden in den Mittelpunkt der deutschen Schuld: „Der Zusammenbruch ist uns zu einer religiösen Erfahrung geworden. Nun müssen wir uns selbst unter das Gericht Gottes stellen. Wir dürfen nicht die Sünden der anderen bekennen, sondern nur unsere eigenen. Wir nehmen alles als ein Gericht Gottes hin, weil unser Volk die Juden so schlecht behandelt hat. Als unsere eigenen Kirchen brannten und zerstört wurden, erinnerten wir uns, daß das deutsche Volk die jüdischen Synagogen einriß und mit Feuer verbrannte. […] Nun müssen wir zu einer tiefen Verwirklichung unserer Reue und dahin kommen, daß wir Gott um Vergebung bitten.“103
Angesichts von Ausmaß und Bestialität der Verbrechen an Juden befremdet Meisers Wortwahl104; dass er die Verbrechen aber überhaupt ins Zentrum rückte, ging weit über das hinaus, was der Rat der EKD ausgesprochen hatte. Sein Schuldbekenntnis war freilich ebenso wenig öffentlich wie die Stuttgarter Erklärung und wurde im Gegensatz zu dieser auch nicht bekannt. Eine öffentliche Schulderklärung der Landeskirche, wie sie 1948 die sächsische Landessynode abgab105, veranlasste Meiser nicht. Er ließ 1946 aber eine Resolution des ÖRKveröffentlichen, die ein Eingeständnis kirchlichen Versagens enthielt106, und trug 1950 die Erklärung der Synode der EKD zur Schuld an 99 100 101 102 103
Zitate: ebd. Abdruck des Wortes: ABlELKB 1946, 83–85; vgl. Mensing, Umgang, 194. Vgl. das Schreiben Meisers an Erling Eidem vom 13. 5. 1946 (LAELKB, LB 0.2.0004-492). Vgl. das Schreiben Michelfelders an Meiser vom 16. 2. 1945 (ebd.). Undatiertes masch. Manuskript der Ansprache Meisers am 26. 7. 1946 (LAELKB, LB 0.2.0004492). 104 Vgl. Nicolaisen, Meiser, 258, Anm. 23. 105 Vgl. Hermle, Kirche, 334–339. 106 Abdruck der Resolution „über Antisemitismus und die Judenfrage“: ABlELKB 1946, 55; vgl. auch Hermle, Kirche, 296–301.
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Abb. 73: Manuskript der Rede Hans Meisers auf der Sitzung des Exekutivkomitees des LWK in Uppsala (Auszug), 26. Juli 1946
Israel mit107. Dass Meiser zu dieser Erklärung stand, zeigt sein Schreiben an einen Juden, in dem er auf die Erklärung verwies und sein Bedauern aussprach, dass „ein nicht geringer Teil des Volkes tatsächlich leider an der Schuld der vergangenen Jahre, namentlich auch gegenüber dem Judentum, vorübergeht“108. Meiser kann folglich nicht vorgeworfen werden, er habe „zu seinem eigenen Versagen und dem der Kirchenleitung […] nie gesprochen“, wie es in jüngerer Zeit behauptet worden ist109. Allerdings bot seine Form der Vergangenheitsbewältigung keine Ansätze für eine kritische Analyse der Rolle der Kirche in 107 Abdruck der Erklärung: ABlELKB 1950, 53; vgl. auch Meisers Anweisung vom 5. 5. 1950 (LAELKB, LKR 0.2.0003-6615); Hermle, Kirche, 348–365. 108 Schreiben Meisers an Salomon Heinemann vom 19. 5. 1950 (LAELKB, LB 0.2.0004-541). 109 So vor allem die tendenziöse Darstellung von H. Blendinger, Aufbruch, 56–63 (Zitat: ebd., 58).
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der NS-Herrschaft und behinderte „eine nüchterne Auseinandersetzung mit den eigenen NS-Verstrickungen“110. Einer sachlichen Aufarbeitung stand schon die dämonologische Geschichtsdeutung im Weg, nach der die NSHerrschaft und ihre Verbrechen ausschließlich Folge des Abfalls von Gott gewesen sein sollten111. Meiser war neben Wurm, Dibelius, Asmussen und vielen weiteren Protagonisten des deutschen Protestantismus ein typischer Vertreter dieser Geschichtsdeutung112. Die monokausale Erklärung der NSHerrschaft als Folge der Säkularisierung113 blendete alle anderen Faktoren aus und stand einer Aufarbeitung der Rolle im Weg, die die Kirchenleitung besonders durch ihre anfängliche Zustimmung und ihre Loyalitätsbekundungen eingenommen hatte. Hinzu kam noch Meisers apologetische Geschichtspolitik, die Schuldvorwürfe abwehren sollte. Sie war ausschließlich auf den kirchlichen Widerstand gegen die NS-Kirchenpolitik sowie gegen deutsch- und antichristliche Ideologien fokussiert und versperrte ebenfalls den Blick auf das systemstabilisierende Verhalten der Kirchenleitung114. Ein charakteristisches Beispiel ist der von Meiser und Wurm bereits während des Zweiten Weltkriegs gehegte Plan, ein „Kirchliches Weißbuch“ herauszugeben, das den kirchlichen Widerstand belegen sollte. Diesen Plan begann Meiser im Sommer 1945 umzusetzen, als er um Zusendung entsprechender Dokumente bat115. Vorausgegangen war ein Gespräch mit der Rechtsabteilung der amerikanischen Militärregierung, die „Unterlagen über die Rechtsbrüche der Partei gegenüber der Kirche“ zu erhalten wünschte116. Ergebnis war 1947 die von Meiser in Auftrag gegebene Quellensammlung von Heinrich Schmid „Apokalyptisches Wetterleuchten“117, die erklärtermaßen apologetischen Charakter trug118; 1950 folgte die historisch solide gearbeitete Dokumentation „Kirche im Kampf“ von Heinrich Hermelink119. Meisers Geschichtspolitik ging über die einseitige Fokussierung auf den kirchlichen Widerstand gegen NS-Kirchenpolitik und ideologische Gegner aber noch hinaus. Dies deutete sich schon Ende 1945 bei einer Fragebogenaktion des Landeskirchenrats an, bei der die Pfarrer Auskunft geben sollten, welche Maßnahmen das NS-Regime gegen sie ergriffen hatte120. Wolfgang 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120
Mensing, Pfarrer, 214. Vgl. Ludwig, Deutung, 39–41. Vgl. Mensing, Pfarrer, 214. Vgl. Greschat, Rechristianisierung, bes. 7 f.; Pçpping, Abendland, 242, 270; vgl. auch unten Kap. IVA.5. Vgl. Mensing, Pfarrer, 215 f. Vgl. Vollnhals, Kirche, 135, Anm. 79; H. Hermelink, Kirche, 5. Vermerk Meisers über den Antrittsbesuch von Oberst Wilson P. Colberg am 4. 6. 1945 (LAELKB, LB 0.2.0004-610). Vgl. Schmid, Wetterleuchten. Vgl. ebd., 2 f. Vgl. H. Hermelink, Kirche. Fragebogen überliefert u. a. im PfA Warmensteinach 6; vgl. auch Mensing, Sieger, 285 f.
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Abb. 74: Flugblatt „Was war die ,Bekennende Kirche‘ oder ,Bekenntnisfront‘ in den Jahren 1934–1945?“ (erste Seite), 10. Dezember 1946
Niederstraßer – einer der wenigen bayerischen Pfarrer, die Konzentrationslagerhaft erlitten hatten121 – befürchtete, die Aktion solle dazu dienen, die 121 Vgl. Mensing, Amt.
Einsatz für ehemalige Nationalsozialisten
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Landeskirche als Hort politischen Widerstands zu erweisen122. Diese Befürchtung bewahrheitete sich Ende 1946 insofern, als Bischof und Landeskirchenrat ein Urteil des Kassationshofs im bayerischen Staatsministerium für Sonderaufgaben123 dazu nutzten, um die Bekennende Kirche – und damit auch die bayerische Landeskirche – in einem Flugblatt als Widerstandsbewegung gegen den Nationalsozialismus darzustellen124. Diese Bewertung wurde aus bruderrätlichen Kreisen teils massiv bestritten125 und stand auch im Widerspruch zu Meisers eigener Aussage, dass der kirchliche Widerstand eben nicht in politischen Widerstand gemündet sei. Meisers Geschichtspolitik hatte Folgen, die von ihm selbst wohl nicht beabsichtigt waren: Die Gleichsetzung von Kirchenkampf und Widerstand behinderte nicht nur für Jahrzehnte die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit, sondern führte auch dazu, dass der Bischof und seine Landeskirche als Bastionen des Widerstands wahrgenommen wurden126. Ursprünglich hatte Meiser jedoch ein anderes Ziel: Die Stilisierung der Bekennenden Kirche zur Widerstandsbewegung erfolgte vor dem Hintergrund der Entnazifizierung; die Behauptung, die Mitgliedschaft in der Bekennenden Kirche sei gleichbedeutend mit der Zugehörigkeit zu „einer Kampf- und Widerstandsbewegung“ gewesen, die „im Widerspruch zum Nationalsozialismus“127 stand, sollte betroffenen Pfarrern und Gemeindegliedern ein Mittel in die Hand geben, um sich in den Entnazifizierungsverfahren wirksam verteidigen zu können.
3. Einsatz für ehemalige Nationalsozialisten 3.1 Protest gegen die Massenentnazifizierung Nach Kriegsende führte die amerikanische Besatzungsmacht zügig erste Maßnahmen zur Entnazifizierung durch128. Meiser macht sich vor amerikanischen Vertretern von Anfang an zum Fürsprecher von Betroffenen und bat um „möglichste Milde in der Behandlung der P[artei]g[eno]s[sen]“129. Als Hauptargument gegen eine strenge Bestrafung führte er die „Gefahr der 122 Vgl. sein Schreiben an den Landeskirchenrat vom 7. 1. 1946 (PfA Warmensteinach 6). 123 Zu diesem Urteil vom 14. 10. 1946 vgl. Vollnhals, Kirche, 279, Anm. 197; Ludwig, Deutung, 55. 124 Vgl. das Flugblatt „Was war die ,Bekennende Kirche‘ oder ,Bekenntnisfront‘ in den Jahren 1934–1945?“ vom 10. 12. 1946 (LAELKB, LKR 0.2.0003-180). 125 Vgl. Ludwig, Deutung, 55 f. 126 Vgl. Schulze, Meiser, 198–200. 127 Zitate aus dem oben Kap. IV, Anm. 124, erwähnten Flugblatt. 128 Vgl. Vollnhals, Kirche, 45 f. 129 Niederschrift Meisers über die Besprechung mit Landeen am 15. 5. 1945 (LAELKB, LB 0.2.0004-610).
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Bolschewisierung“130 an. Als dann ab Ende Juni 1945 die erste große Entlassungswelle einsetzte und sich die Entnazifizierungsdirektiven fortschreitend verschärften, stieß dies auf deutscher Seite auf breite Ablehnung131. Jetzt verschärfte sich auch Meisers Ton: Gegenüber seinen amerikanischen Gesprächspartnern meinte er, die USA sollten „lieber Deutschland für die letzten Weltauseinandersetzungen gewinnen, als es vor den Kopf stoßen“132, und warnte, Amerika werde „von der Geschichte zur Verantwortung gezogen, wenn es schuldig werde am Untergang des christlichen Abendlandes“133. Die amerikanische Entnazifizierungspolitik veranlasste Meiser zu einem Schritt, den er bei der NS-Judenverfolgung und -vernichtung stets abgelehnt hatte, nämlich zum gemeinsamen Protest von evangelischer und katholischer Kirche. Aus seiner Begegnung mit Faulhaber im Juni 1945 war ihm bekannt, dass der Kardinal dieselbe Haltung einnahm wie er; beide lehnten die schematische Dienstentlassung sowie die automatische Inhaftierung allein auf Grund der Mitgliedschaft in bestimmten NS-Organisationen ab134. Bei einem zweiten Treffen vereinbarten Meiser und Faulhaber eine Eingabe für Parteiund SS-Mitglieder sowie – auf Wunsch Meisers – für inhaftierte Industrielle an die Amerikanische Militärregierung für Deutschland135. In dieser Eingabe vom 20. Juli 1945 plädierten sie für die Wahrung von „Gerechtigkeit und Menschlichkeit“ und baten darum, „die Schuld der einzelnen durch persönliche Überprüfung, also nicht pauschal zu bemessen“136. Im Dezember 1945 folgte eine zweite Eingabe, in der Meiser und Faulhaber sich für beschleunigte Verfahren und vorzeitige Haftentlassungen einsetzten; dabei argumentierten sie, Betroffene könnten nicht für etwas bestraft werden, das während der NSZeit nicht verboten gewesen sei137. Meisers Haltung zur Entnazifizierung – Zustimmung zur Bestrafung erwiesener NS-Täter und Ablehnung pauschaler Verurteilungen – entsprach der Haltung praktisch aller kirchlichen Führungskräfte. Dies gilt auch für die Argumente, die er gegen die Methoden der Entnazifizierung vorbrachte: Der Hinweis auf die kommunistische Gefahr, der Appell an Gerechtigkeit und Menschlichkeit, die Forderung nach Feststellung individueller Schuld und der Verweis auf den abendländischen Rechtsgrundsatz nulla poena sine lege 130 Niederschrift Meisers über die Besprechung mit Landeen und Major Marshall Mason Knappen am 19. 5. 1945 (ebd.). 131 Vgl. Vollnhals, Kirche, 46–48. 132 Niederschrift Meisers über seine Besprechung mit einem ungenannten US-Amerikaner am 14. 7. 1945 (LAELKB, LB 0.2.0004-610). 133 Niederschrift Meisers über seine Besprechung mit Landeen am 21. 7. 1945 (ebd.). 134 Vgl. die oben Kap. IV, Anm. 71, erwähnte Niederschrift Meisers. 135 Vgl. den Aktenvermerk Meisers vom 18. 7. 1945 (LAELKB, LB 0.2.0004-610); vgl. auch Pfister, Partner, 169–171; Vollnhals, Kirche, 137. 136 Abschrift im LAELKB, LKR 0.2.0003-6802; Abdruck: Vollnhals, Entnazifizierung, 30 f. 137 Vgl. das Schreiben Meisers und Faulhabers an die Amerikanische Militärregierung für Deutschland vom 7. 12. 1945 (LAELKB, LKR 0.2.0003-6802; Abdruck: Vollnhals, Entnazifizierung, 47 f.).
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Abb. 75: Schlussabsatz der Eingabe Meisers und Faulhabers an die Amerikanische Militärregierung für Deutschland (englische Fassung), 7. Dezember 1945
fanden sich auch in den Verlautbarungen anderer kirchlicher Verantwortlicher138. Die kirchliche Kritik war freilich problematisch, denn sie konterkarierte schon kurz nach Ende der NS-Herrschaft das Ziel der amerikanischen Entnazifizierungspolitik, nämlich die „Einsetzung demokratisch gesinnter Herrschafts- und Funktionseliten“139 in Staat und Verwaltung; zudem stand dem Eintreten für ehemalige Nationalsozialisten kein vergleichbarer Einsatz für die Opfer des NS-Regimes gegenüber140. Hinzu kam noch, dass die kirchlichen Verantwortlichen nicht im Blick hatten, wie das Engagement für Nationalsozialisten auf NS-Opfer und ihre Angehörigen wirken musste. Darauf machte bezeichnenderweise Pfarrer Waldemar Link aufmerksam, dessen „nichtarische“ Verwandte ermordet worden waren141: Link bestritt Meiser jedes Recht dazu, die Stimme öffentlich für Nationalsozialisten zu erheben, nachdem er während der NS-Herrschaft zur Verfolgung und Vernichtung der Juden öffentlich geschwiegen hatte142. Im landeskirchlichen Mainstream kam es allerdings zur gegenteiligen Argumentation: Als die amerikanische Entnazifizierungspolitik mit dem „Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus“ im Frühjahr 1946 in 138 Vgl. das Schreiben Wurms an die Amerikanische Militärregierung für Württemberg-Baden vom 25. 7. 1945 (Abdruck: ebd., 33 f.); an die Amerikanische Militärregierung für Deutschland vom 3. 10. 1945 (Abdruck: ebd., 37–43). 139 Ebd., 50. 140 Vgl. Vollnhals, Kirche, 140; vgl. auch unten Kap. IVA.4. 141 Vgl. Vollnhals, Kirche, 138. 142 Vgl. das Schreiben Links an den Landeskirchenrat vom 26. 8. 1945 (Abdruck: Vollnhals, Entnazifizierung, 32 f.).
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eine neue Phase trat143, forderte Frör den Landeskirchenrat zum Protest auf, damit der Kirche „nicht wieder, wie etwa in der Judenfrage, der Vorwurf gemacht werden könne, daß sie geschwiegen hat“144; ähnlich äußerte sich auch Meisers Berater Walter Künneth145. Zum Protest musste Meiser freilich schon nicht mehr aufgefordert werden, denn die gesamte Führungsspitze der EKD lief gegen das Befreiungsgesetz Sturm146. Es übertrug die Säuberung zwar deutschen Stellen, stellte aber eine Verschärfung dar, weil jetzt die gesamte erwachsene Bevölkerung erfasst wurde, die politische Säuberung mit Bestrafung und Sühne verknüpft wurde und für ehemalige Nationalsozialisten ein vorläufiges Beschäftigungsverbot im öffentlichen Dienst galt147. Dagegen protestierte Wurm als Vorsitzender des Rates der EKD in Absprache mit Meiser und anderen Kirchenführern in einem Schreiben an die Amerikanische Militärregierung für Deutschland vom 26. April 1946148; wenige Tage später folgte eine von Meiser mitverantwortete Entschließung des Rates der EKD, die das Gesetz für rundweg ungeeignet erklärte, „zu wirklich gerechten Ergebnissen zu führen“149. Im Frühjahr 1947 verlangte Meiser dann zusammen mit den übrigen Bischöfen der amerikanischen Besatzungszone grundlegende Modifikationen des Gesetzes, weil dessen Durchführung zu Massenverelendung und Renazifizierung führe150. Obwohl es zu zahlreichen Abmilderungen des Gesetzes kam und sich die Verfahren faktisch zu einer „Mitläuferfabrik“ entwickelten151, hielt der kirchliche Proteststurm an und kumulierte kurz vor Abschluss der Entnazifizierung in einem Boykottaufruf Niemöllers vom Februar 1948152. In dessen Folge erklärten auch die Bischöfe der amerikanischen Zone, das Gesetz bewirke „schweres Unrecht“ und stehe „einer echten politischen Säuberung geradezu im Weg“153. In Bayern intervenierte Meiser vor allem bei dem für die Entnazifizierung zuständigen Staatsministerium für Sonderaufgaben. Charakteristisch für
143 Vgl. Vollnhals, Kirche, 60–68. 144 Schreiben Frörs an den Landeskirchenrat vom 16. 3. 1946 (Abdruck: Vollnhals, Entnazifizierung, 112 f., Zitat: 112). 145 Vgl. Mensing, Umgang, 191. 146 Vgl. Vollnhals, Kirche, 69–84. 147 Vgl. Vollnhals, Entnazifzierung, 99 f.; Ders., Kirche, 51. 148 Abdruck u. a. Protokolle, Bd. 1, 528–535; Vollnhals, Entnazifizierung, 118–123; vgl. auch Ders., Kirche, 73–75. 149 Abdruck der Entschließung vom 2. 5. 1946 u. a. in Protokolle, Bd. 1, 502–504 (Zitat: 503). 150 Abdruck des Schreibens an die Amerikanische Militärregierung für Deutschland und die Länderregierungen vom 21. 4. 1947 u. a. bei Vollnhals, Entnazifizierung, 184–188. 151 Vgl. Vollnhals, Kirche, 94–120, 156–170. 152 Vgl. die Kanzelabkündigung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau vom 1. 2. 1948 (Abdruck: Vollnhals, Entnazifizierung, 202 f.). 153 Erklärung vom 6. 2. 1948 (LAELKB, LKR 0.2.0003-144; Abdruck: Vollnhals, Entnazifizierung, 218 f.).
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seine zahlreichen Eingaben154 waren zwei Schreiben, die er gemeinsam mit Synodalpräsident Wilhelm Eichhorn verantwortete und die den Argumenten der gesamtkirchlichen Proteste folgten. Im Herbst 1946 gestanden Meiser und Eichhorn die Notwendigkeit einer politischen Säuberung zu, beklagten aber Mängel bei der Durchführung der Verfahren und Unkenntnis über widerständiges Verhalten der Kirche während der NS-Herrschaft. Sie verlangten die Beachtung elementarer Grundsätze des Strafrechts und forderten: „Sühnemaßnahmen müssen auch einmal ein Ende nehmen.“155 Anfang 1947 kritisierten Meiser und Eichhorn dann, die Durchführung der Verfahren beschädige das Rechtsbewusstsein, fördere Denunziantentum, erschüttere die moralischen Grundlagen von Volk und Staat, behindere den Wiederaufbau, vernichte unnötig Existenzen und verbaue dem deutschen Volk die Zukunft156. Im Sonderministerium stießen Meisers Proteste auf offene Ohren. Seine Beauftragten wie vor allem Rusam gingen dort von Herbst 1946 bis Sommer 1948 ein und aus, wobei Meiser die Gespräche auf höchster Ebene meist selbst führte157. Dabei herrschte grundsätzliches Einvernehmen zwischen Bischof und Ministerium158. Es kam zu einer regelrechten Kooperation: So ließ Meiser sich beraten, ob der Zeitpunkt für eine öffentliche Kanzelerklärung gekommen war159, und erbat sich Instruktionen, welche Themen er bei einem Gespräch mit einem Vertreter der amerikanischen Kirchen vorbringen sollte160; der Minister verschaffte Meisers Beauftragten Zugang zu den Referenten des Ministeriums, bemühte sich um die Erfüllung der Forderungen des Bischofs und intervenierte auf Meisers Wunsch in zahlreichen Spruchkammerverfahren zu Gunsten Betroffener161. Da Meiser mit Hilfsgesuchen geradezu überschwemmt wurde, machte er sich beim Ministerium und der Besatzungsmacht zum Fürsprecher von Einzelpersonen und deren Angehörigen, die ihre Existenzgrundlage verloren hatten oder interniert wurden. In vielen Fällen war er bereit, sich persönlich einzusetzen, vor allem durch Entlastungszeugnisse oder schriftliche Einga154 Vgl. z. B. die bei Vollnhals, Entnazifizierung, 101, Anm. 180, und Renner, Nachkriegsprotestantismus, 130, erwähnten Eingaben vom 16. 4. und 3. 5. 1947. 155 Schreiben des Landeskirchenrats gez. Eichhorn und Meiser an den Staatsminister für Sonderaufgaben vom 31. 10. 1946 (LAELKB, LKR 0.2.0003-165). 156 Vgl. das Schreiben Eichhorns und Meisers an das Sonderministerium vom 10. 1. 1947 (Abdruck: Vollnhals, Entnazifizierung, 169–172). 157 Vgl. die undatierte Aufstellung „Besprechungen von Beauftragten des Landeskirchenrats mit dem bayerischen Sonderministerium“ (LAELKB, LKR 0.2.0003-175). 158 Vgl. die Niederschrift Rusams über die Besprechung zwischen Meiser und Minister Alfred Loritz am 27. 2. 1947 (ebd.). 159 Vgl. ebd. 160 Vgl. die Niederschrift Rusams über die Besprechung zwischen Meiser und Loritz am 23. 5. 1947 (ebd.). 161 Vgl. die oben Kap. IV, Anm. 158, erwähnte Niederschrift; vgl. auch die Niederschriften Rusams über die Besprechungen Meisers mit Loritz’ Nachfolger Ludwig Hagenauer am 11. 10. und 6. 11. 1947 sowie am 20. 2. 1948 (LAELKB, LKR 0.2.0003-175).
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Abb. 76: Aktenvermerk über die Besprechung Hans Meisers mit Sonderminister Anton Pfeiffer betr. Entnazifizierung (Auszug), 22. November 1946
ben. Dabei argumentierte er meist mit dem kirchlichen Engagement der Betroffenen oder ihrem Einsatz für die Kirchenleitung im Kirchenkampf162. Er trat jedoch nicht für solche Bittsteller ein, die ihm nicht persönlich und auch nicht über Dritte bekannt waren163. Weil er meinte, bei den Spruchkammern handele es sich um politische Gerichte, lehnte er es – selbst im Fall des Erlanger Neutestamentlers Hermann Strathmann164 – ab, vor den Spruchkammern als Entlastungszeuge oder Sachverständiger aufzutreten165 und unterstützte Pfarrer, die sich ebenfalls weigerten, als Zeugen aufzutreten166. Bei seinen Protesten gegen die Massenentnazifizierung ging Meiser davon aus, die Kirche habe den – durchaus legitimen – Auftrag, Betroffenen beizustehen und Barmherzigkeit anzumahnen; darüber hinaus meinte er, nach den 162 Vgl. den Schriftverkehr im LAELKB, LB 0.2.0004-561 und 562. 163 Vgl. z. B. sein Schreiben an einen Oberingenieur vom 5. 6. 1946 (LAELKB, LB 0.2.0004-561). 164 Gegen Strathmann – eigentlich ein NS-Gegner – wurde Anklage erhoben, weil er sich 1940 positiv zu Kriegserfolgen Hitlers geäußert hatte (vgl. Hass, Strathmann, 415–430). 165 Vgl. z. B. die Schreiben Meisers an Strathmann vom 18. 12. 1947 und vom 12. 1. 1948 (LAELKB, LB 0.2.0004-562). 166 Vgl. die Niederschrift Rusams über die Besprechung mit Hagenauer am 20. 2. 1948: LAELKB, LKR 0.2.0003-175.
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kirchlichen Versäumnissen während der NS-Herrschaft müsse die Kirche ihre Stimme gegen das vermeintliche Unrecht erheben. Hier war er sich mit der gesamten deutschen kirchlichen Führungselite einig. Die vereinte kirchliche Opposition sah zwar tatsächliche Mängel der Massenentnazifizierung und erkannte realistisch, dass eine Integration von ehemaligen Nationalsozialisten für die Zukunft unumgänglich war; trotz aller gegenteiligen Beteuerungen untergrub sie aber das Bewusstsein für die Notwendigkeit der politischen Säuberung, blendete den Anteil der Einzelnen an der NS-Herrschaft aus und beförderte den allgemeinen Verdrängungsprozess, der in die Schlussstrichmentalität der 1950er Jahre mündete167. War dies allein schon eine Zumutung für die NS-Opfer, galt dies erst recht für das kirchliche Engagement für NSund Kriegsverbrecher. 3.2 Engagement für NS- und Kriegsverbrecher Im November 1945 begannen mit dem Verfahren gegen die Hauptkriegsverbrecher die Nürnberger Prozesse, die nach zwölf weiteren Prozessen – den sog. Nachfolgeprozessen – gegen Ärzte, Juristen, Industrielle, Wehrmachtoffiziere, Einsatzgruppen und Angehörige von NS-Ministerien im April 1949 endeten168. Meiser brachte die Prozesse bereits im Dezember 1945 im Rat der EKD zur Sprache und forderte, es müsse klargestellt werden, dass die Führung der evangelischen Kirche „mit diesem Gericht nichts zu tun“ habe, „bei dem Ankläger und Richter dieselben Personen sind“; zudem wandte er sich dagegen, dass Kirchenvertreter sich dem Gericht als Belastungszeugen zur Verfügung stellten169. Bis in die 1950er Jahre übte Meiser als Landesbischof und gemeinsam mit der Führungsspitze der EKD massive Kritik an den Prozessen und machte sich in mehreren Fällen zum Fürsprecher von NSTätern. Dabei handelte er wie bei der Massenentnazifizierung nicht nur im Einvernehmen mit den führenden Vertretern beider christlicher Konfessionen, sondern befand sich auch „in Übereinstimmung mit großen Teilen der deutschen Gesellschaft“170. Im Sommer 1946 griff er zunächst die Verfahren gegen die KZ-Wachmannschaften an, weil sie den Befehlsnotstand ungenügend berücksichtigten und nicht hinreichend zwischen den verschiedenen Funktionen des KZ-Personals unterschieden171. 1947 verwandte er sich für Kriegsverbrecher, die an diejenigen osteuropäischen Länder ausgeliefert werden sollten, in denen sie 167 Vgl. Vollnhals, Kirche, 119 f.; Ders., Entnazifizierung, 195 f., 241–243. 168 Vgl. Weinke, Prozesse. 169 Vgl. die Voten Meisers im Rat der EKD am 13./14. 12. 1945 (Protokolle, Bd. 1, 211 f., Zitate: 211). 170 Mensing, Umgang, 196. 171 Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 132 f.; vgl. auch das bei Klee, Persilscheine, 59 f., erwähnte Schreiben Meisers an die Kirchenkanzlei der EKD vom 27. 9. 1946.
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Verbrechen begangen hatten172. Im Frühjahr 1948 beklagte er bei General Lucius D. Clay gemeinsam mit anderen Bischöfen juristische Mängel und verglich die Entkleidung angeklagter Offiziere von ihren militärischen Rängen mit den Methoden des NS-Regimes bei der Aburteilung der Offiziere vom 20. Juli 1944173. Schließlich bat er 1949 Mitglieder des US-Senats um Aussetzung der Vollstreckung von Todesurteilen174. Meiser engagierte sich nicht nur für Gruppen, sondern auch für einzelne NS-Täter. Dabei führte er als Hauptargument stets die christliche Überzeugung und Kirchenbindung der Betroffenen an. Besonders intensiv bemühte er sich um den ehemaligen ersten Staatssekretär im Auswärtigen Amt Ernst von Weizsäcker, der wegen Mitwirkung an der Deportation französischer Juden 1949 zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde175. Zu von Weizsäckers Gunsten brachte Meiser vor, dieser sei stets ein Freund der Kirche gewesen, habe in Opposition zum antichristlichen Kurs der Partei gestanden und verfolgten Juden geholfen176. Ähnlich argumentierte er auch bei Reichsfinanzminister Lutz Graf Schwerin von Krosigk, der 1949 als Kriegsverbrecher zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde177. Meiser bat Clay um Aufhebung des Urteils oder gnadenweise Herabsetzung der Strafe, weil von Krosigk überzeugter Christ gewesen sei178. Bei Generalfeldmarschall Wilhelm List, der 1948 wegen Kriegsverbrechen zu lebenslanger Haft verurteilt wurde179, sollte neben dessen kirchlicher Haltung allein schon sein Einsatz für die Heeresseelsorge als Erweis dienen, dass er gegen die Absichten des NS-Regimes gehandelt habe180. Ein besonderer Fall war der Jurist und Ministerialrat im Reichsjustizministerium Wilhelm von Ammon, der 1947 wegen Mitwirkung an Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde181. Von Ammon war Meiser gut bekannt, weil er mit dessen Vater, Oberkirchenrat Maximilian von Ammon, zusammengearbeitet hatte und befreundet gewesen war. Meiser reichte beim Hohen Kommissar John McCloy ein von mehr als 1.000 Personen unterzeichnetes Gnadengesuch an Präsident Harry S. Truman ein und bat um Haftentlassung. Dabei berief er sich nicht nur auf von Ammons christliche Gesinnung, sondern zog auch die Urteilsbegründung und das Strafmaß in Zweifel182. Die Solidarität mit von Ammon blieb über dessen Begnadigung 1951 hinaus bestehen: Der Landeskirchenrat 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182
Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 134. Vgl. ebd., 135; vgl. auch Klee, Persilscheine, 64. Vgl. Meisers Schreiben vom 25. 4. 1949 (LAELKB, LKR 0.2.0003-3265). Vgl. Klee, Personenlexikon, 666. Vgl. die Eingabe Meisers an General Clarence R. Huebner vom 15. 6. 1949 (LAELKB, LKR 0.2.0003-3265); vgl. auch den weiteren Schriftverkehr ebd. Vgl. Klee, Personenlexikon, 574. Vgl. die Eingabe Meisers an Clay vom 25. 4. 1949 (LAELKB, LKR 0.2.0003-3265). Vgl. Klee, Personenlexikon, 374 f. Vgl. die Bestätigung Meisers vom 5. 12. 1947 (LAELKB, LB 0.2.0004-561). Vgl. Klee, Personenlexikon, 16. Vgl. das Schreiben Meisers an McCloy vom 30. 8. 1949 (LAELKB, LKR 0.2.0003-3265).
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Abb. 77: Bestätigung Hans Meisers für Generalfeldmarschall Wilhelm List, 5. Dezember 1947
übernahm ihn danach in den kirchlichen Dienst und übertrug ihm 1957 die Leitung der Landeskirchenstelle in Ansbach183. Meiser weigerte sich jedoch, für solche NS-Täter einzutreten, die kirchenfeindlich agiert hatten, hauptverantwortlich für NS-Verbrechen waren oder nachweislich selbst Verbrechen begangen hatten. So lehnte er es strikt ab, bei den Nürnberger Prozessen als Entlastungszeuge für Gestapo-Angehörige aufzutreten184. Erst recht nicht war er dazu bereit, sich für Haupttäter wie den SS-Obergruppenführer und Chef des SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamts Oswald Pohl185 sowie den SS-Gruppen- und Einsatzgruppenführer Otto
183 Vgl. W. Huber, Praun, 240 f., Anm. 56. 184 Vgl. das Schreiben von Rechtsanwalt R. Merkel an Meiser vom 26. 2. 1946; vgl. auch das Antwortschreiben Meisers vom 1. 3. 1946 (LAELKB, LB 0.2.0004-62). 185 Vgl. Klee, Personenlexikon, 467.
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Ohlendorf186 zu engagieren, die wegen ihrer Beteiligung an der Judenvernichtung hingerichtet wurden187. Meisers Eingaben für von Weizsäcker, Schwerin von Krosigk und von Ammon wurden Teil des „Memorandum[s] by the Evangelical Church in Germany on the Question of War Crimes Trials before American Military Courts“188, das von Wurm, Niemöller und Prälat Karl Hartenstein für den Rat der EKD verantwortet und im Februar 1950 an McCloy übergeben wurde. Das Memorandum war besonders problematisch, weil es die Sicht der Verurteilten und ihrer Verteidiger übernahm189. Die Übergabe erfolgte, als sich die politische Lage grundlegend geändert hatte, denn inzwischen herrschte der Kalte Krieg190. Die kirchlichen Vertreter konzentrierten sich nun auf Amnestie-191 und Begnadigungsgesuche192. Dies gilt auch für Meisers Eingaben wie sein Schreiben an den amerikanischen Landkommissar George Shuster vom September 1950, in dem er bat, die Prozesse rasch zum Abschluss zu bringen und die Vollstreckung von Todesurteilen zu beenden193. Als er zur Jahreswende 1950/51 in zwei Eingaben an McCloy um Begnadigung von zum Tod Verurteilten bat194, warnte er vor einer Beschädigung des Verhältnisses der Bundesrepublik zum Westen und argumentierte mit der Abschaffung der Todesstrafe in der Bundesrepublik195. Ein weiteres Feld, auf dem Meiser sich für NS-Täter engagierte, war die seelsorgerliche Betreuung von Internierten und Inhaftierten. Er bemühte sich darum, landeskirchlichen Pfarrern Zugang zu Lagern und Gefängnissen zu verschaffen, und erreichte 1948, dass im Nürnberger Gerichtsgefängnis ein bayerischer Pfarrer zugelassen wurde196. Schon im Sommer 1945 ließ Meiser einem inhaftierten SS-Lazarettarzt auf dessen Bitte um seelsorgerliche Betreuung internierter SS-Angehöriger durch den theologischen Hilfsreferenten im Landeskirchenrat Pfarrer Andreas Wittmann ausrichten, dass „es für die Kirche ganz selbstverständlich“ sei, „sich um die SS-Männer genauso zu kümmern wie um jeden anderen“197. 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197
Vgl. ebd., 443. Vgl. das oben Kap. IV, Anm. 108, erwähnte Schreiben Meisers. Vgl. Memorandum. Vgl. Klee, Persilscheine, 87–93; Protokolle, Bd. 4, 11. Vgl. oben Kap. IV, Anm. 32. Vgl. z. B. die mit Beteiligung Meisers verabschiedeten Entschließungen des Rates der EKD vom 6. 12. 1950 (Abdruck: Protokolle, Bd. 4, 378–383). Vgl. Lepp, Tabu, 60. Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 131 mit Anm. 86. Vgl. Protokolle, Bd. 5, 107, Anm. 21. Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 137 f. Vgl. das Schreiben Dibelius’ an Meiser vom 11. 2. 1948; vgl. auch das Antwortschreiben Meisers vom 19. 2. 1948 (LAELKB, LB 0.2.0004-63). Im Auftrag Meisers verfasstes Schreiben Wittmanns an Pfarrer Ludwig Nicol vom 3. 8. 1945 (LAELKB, LB 0.2.0004-333; ebd. auch das Schreiben des SS-Lazarettarztes Herbert Matuscyk an Meiser vom 6. 7. 1945).
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Hier verhielt Meiser sich entsprechend christlicher Tradition und der früheren Praxis im Strafvollzug, nach denen die Seelsorge an Gefangenen zu den selbstverständlichen Aufgaben der Kirche gehörte198. Problematisch wurde die Seelsorge an NS-Tätern allerdings durch das mangelnde Bewusstsein für die Verbrechen der Täter und die Leiden der Opfer. Dafür ist der Hinweis Wittmanns, die Kirche werde ihren Dienst SS-Angehörigen ebenso wenig verweigern wie früher den Sozialdemokraten, ein beredtes Beispiel: Wittmann brachte diesen Vergleich, weil Sozialdemokratie und SS sich beide durch ihre Kirchenfeindlichkeit ausgezeichnet hatten, bemerkte aber nicht, dass er NSTäter und Opfer in einen Topf warf und ausblendete, dass Sozialdemokraten von SS-Angehörigen in den Konzentrationslagern geschunden und gequält worden waren199. Bei der seelsorgerlichen Betreuung von Gefängnis- und Lagerinsassen wurde Meiser auch persönlich tätig und predigte von 1946 bis 1949 gelegentlich in den Internierungslagern Dachau, Moosburg und Hammelburg sowie im Nürnberger Gerichtsgefängnis und im Kriegsverbrechergefängnis Landsberg am Lech. Wie in allen seinen Predigten stand dabei die Evangeliumsverkündigung mit dem Zuspruch von Gnade und Vergebung im Mittelpunkt. Bei der Deutung der NS-Vergangenheit und der katastrophalen Lage nach Kriegsende leugnete er zwar nicht die Schuld, die Deutsche auf sich geladen hatten, folgte aber durchgängig den Mustern seiner Schuldbekenntnisse: Er benannte die Schuld nicht konkret, führte die Entartung des NSDeutschland auf menschliche Hybris und die Abwendung von Gott zurück und deutete die Situation der Gefangenen als Gericht Gottes. Im Gegensatz zu seinen Schuldbekenntnissen war in seinen Ansprachen vor NS-Tätern von den Opfern keine Rede200. Kritik an der Justiz der Siegermächte ließ er in seinen Predigten erst in späteren Stadien der Besatzungsherrschaft und besonders nach Gründung der Bundesrepublik durchblicken201. Unverblümt verurteilte er die Prozesse nur intern, so wie nach seinem Besuch im Nürnberger Gerichtsgefängnis, als er im Landeskirchenrat ausführte, es sei „zweifellos ein Unrecht […], die vor Gericht gezogenen Männer als Verbrecher zu stempeln. Sie sind im Grunde die
198 Vgl. Stubbe, Gefangenenfürsorge, 144–146. 199 Vgl. auch Klee, Persilscheine, 13. 200 Vgl. die Predigten am 31. 12. 1946 und 15. 6. 1947 in Dachau (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-61 [Nr. 1461 und 1472]); die Predigt in Moosburg am 27. 7. 1947 (Abdruck: H. Meiser, Kirche, Kampf, 208–213); das Grußwort an Internierte in Hammelburg vom 27. 11. 1947; sowie die Predigten am 29. 2. 1948 in Nürnberg und am 24. 12. 1949 in Landsberg (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-61 und 62 [Nr. 1483, 1497 und 1550]). Der transkribierte Text der Predigten ist zugänglich unter http://www.landesbischof-meiser.de/dokumente/lager predigten.php (zuletzt abgerufen am 1. 3. 2018). 201 Vgl. die oben Kap. IV, Anm. 200, erwähnten Predigten vom 27. 7. 1947, 29. 2. 1948 und 24. 12. 1949.
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bedauernswerten Opfer politischer Aktionen.“202 Dies hieß nichts weniger, als dass NS-Täter Opfer gewesen sein sollten; von daher war es nur folgerichtig, dass Landeskirchenrat und Evangelisches Hilfswerk sich 1949 gemeinsam mit der katholischen Kirche an einem Anwaltsbüro in Nürnberg beteiligten, das mit teils konspirativ gesammelten Geldern den Landsberger Gefangenen und ihren Angehörigen half, und dass Meisers Mitarbeiter Daumiller, Rusam und Riedel einem interkonfessionellen Komitee kirchlicher Würdenträger beitraten, das die Gefangenen publizistisch und juristisch unterstützte203. Wie die gesamte Führungsspitze der EKD glaubte Meiser bei seinem Einsatz für NS- und Kriegsverbrecher, die Kirche sei von Gott gefordert, für Recht und Gerechtigkeit einzutreten204. Obwohl er und seine Kollegen stets beteuerten, keinesfalls Schuldige einer Bestrafung entziehen zu wollen, stellte das gut organisierte und vernetzte kirchliche Engagement faktisch jedoch eine „einseitige Parteinahme“205 für NS-Täter dar. Hier wurde die traditionelle kirchliche Verbundenheit mit den alten kirchlich gebundenen, bürgerlichnationalkonservativen Eliten wirksam; sie machte die kirchlichen Verantwortlichen blind für die Mitverantwortung dieser Eliten an der NS-Herrschaft, führte zur Marginalisierung ihrer Beteiligung an den NS-Verbrechen und versperrte den Blick auf die Opfer. Wie die Opfer das kirchliche Engagement für NS-Täter wahrnahmen, zeigt exemplarisch die Klage eines Nürnberger Bürgers, der Konzentrationslagerhaft erlitten hatte und der dem Landeskirchenrat 1948 verbittert vorwarf: „Wo sind denn die Herren im Dritten Reich mit Courage geblieben? […] Leider war es doch in der Kirche so, daß am Altar, vorwiegend wiederum am evangelischen, für Führer und Reich gebetet wurde. […] Auch nach meiner Rückkehr aus dem KZ habe ich von der Kanzel nur gehört, daß für die armen Kriegsgefangenen und die armen Flüchtlinge gesprochen wird. Keiner hat je an uns gedacht und erwähnt, daß wir zurück sind aus der Tyrannei. Wir sind die Vergessenen, aber um so fester wollen wir an diese Unterlassungssünde denken.“206
3.3 Widerstand gegen die Entnazifizierung der Pfarrerschaft Von der politischen Säuberung war auch die Kirche betroffen. In der ersten Phase der Entnazifizierung vom Kriegsende bis zum Erlass des Befreiungsgesetzes ging die amerikanische Militärregierung allerdings noch davon aus, 202 Votum Meisers auf der Sitzung des Landeskirchenrats am 2. 3. 1948 (zit. nach Renner, Nachkriegsprotestantismus, 134). 203 Vgl. Kellenbach, Schuld, 279 f., 304, Anm. 10; Klee, Persilscheine, 72–82; und Mensing, Umgang, 198. 204 Vgl. die Einleitung in das oben Kap. IV, Anm. 188, erwähnte Memorandum. 205 Kellenbach, Schuld, 279. 206 Schreiben vom Februar 1948 (zit. nach Vollnhals, Entnazifizierung, 230).
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dass die Kirche solche Pfarrer, die Mitglieder der NSDAP oder anderer NSOrganisationen gewesen waren, von sich aus entfernen würde, und respektierte die kirchliche Autonomie207. Anfangs schien es, als bestehe über die Entnazifizierung der sog. PG-Pfarrer zwischen Meiser und der Militärregierung Einvernehmen: Im Juni 1945 einigten sie sich darauf, dass die bayerischen Pfarrer den 131 Fragen umfassenden Fragebogen ausfüllen sollten, den alle Inhaber von Schlüsselpositionen zur Überprüfung ihrer politischen Belastung beantworten mussten208.
Abb. 78: Auflistung Hans Meisers für den Fragebogen der amerikanischen Militärregierung (Auszug), 1945
Auch Meiser musste den Fragebogen ausfüllen209. Da er weder der Partei noch einer ihrer Organisationen angehört hatte, gab es formal keinen Anlass, ihn von seinem Amt zu entheben. Allerdings versuchten 1945 einige oppositionelle Pfarrer mit Hilfe des Counter Intelligence Corps gegen ihn vorzugehen 207 Vgl. ebd., 54. 208 Vgl. Vollnhals, Kirche, 46; vgl. auch den Vermerk Meisers über sein Gespräch mit Landeen am 20. 6. 1945 (LAELKB, LB 0.2.0004-610). 209 Vgl. die hsl. Auflistung Meisers „Fragebogen f[ür] Mil[itär]regierung“; die masch. „Beilage I zum Fragebogen von D. Hans Meiser“ mit Angaben zu „Veröffentlichungen und Reden“; sowie die masch. „Beilage II zum Fragebogen von D. Hans Meiser“ über „Reisen oder Wohnsitz im Ausland“ (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-1).
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und erhoben u. a. den Vorwurf, er habe sich dem NS-Regime nicht entschieden genug entgegengestellt. Meiser protestierte daraufhin empört bei der Militärregierung und verlangte die Vorlage belastenden Materials210. Im Juni 1945 empfahl ein Offizier der Militärregierung für Bayern, Meiser solle wegen seiner Haltung zum NS-Staat vorerst keine kirchenamtliche Tätigkeit mehr ausüben dürfen211. Zudem machte im Dezember 1945 ein Pfarrer die Militärregierung auf Meisers staatsloyale Äußerungen zum „Anschluss“ Österreichs aufmerksam. Meiser meinte dazu, er habe nicht Hitler verherrlicht, sondern lediglich den kirchlichen Auftrag erfüllt, der Obrigkeit Respekt und Gebet zukommen zu lassen. Die Militärregierung ließ ihn unbehelligt – vermutlich deswegen, weil sie ihn benötigte und ein Vorgehen gegen den Bischof ihrem kirchenfreundlichen Kurs widersprochen hätte212. Schon im Frühsommer 1945 zeichnete sich ab, dass Meiser PG-Pfarrer nicht ohne weiteres aus dem Amt entfernen würde. Sein Kriterium für die Säuberung der Kirche war nicht die Zugehörigkeit zur NSDAP, sondern vielmehr, ob ein Pfarrer Deutscher Christ gewesen war oder sich gegen die Kirchenleitung gestellt hatte. Der Landeskirchenrat ging zwar gegen einige verbliebene deutschchristliche Pfarrer vor, sagte nicht-deutschchristlichen PG-Pfarrern aber Unterstützung zu und beschloss, Pfarrer nur dann zu belangen, wenn sich ihre Parteimitgliedschaft negativ auf die Gemeindearbeit ausgewirkt hatte. Als die Militärregierung Druck auszuüben begann, legte ihr der Landeskirchenrat im November 1945 eine imposant erscheinende Statistik über Maßnahmen gegen deutschchristliche Pfarrer vor, die die geringe Zahl tatsächlich erfolgter Disziplinarmaßnahmen verschleierte. Das Vorgehen von Bischof und Landeskirchenrat traf – bis hin zur Pfarrerbruderschaft – auf die Zustimmung von Pfarrern und Gemeinden und fand 1946 auch die Billigung der Landessynode213. Nachdem die Militärregierung Meiser mehrfach zur Entlassung von PGPfarrern aufgefordert hatte, legte er ihr Anfang 1946 seinen Standpunkt dar. Dabei stützte er sich auf ein Gutachten Künneths, der die Kirchenleitung dazu aufgefordert hatte, die betroffenen Geistlichen kompromisslos zu verteidigen, „jede Form politischer Terrorisierung des kirchlichen Lebens abzuweisen und der im Bekenntniskampf von Gott geschenkten neuen Einsicht in Wesen und Auftrag der Kirche gehorsam zu sein“214. Meiser brachte zur Verteidigung der Pfarrer vor, sie hätten „dem NS-Geist tapfer und zähe Widerstand geleistet“ und die Parteimitgliedschaft erfolgreich dazu genutzt, ihren christlichen Einfluss geltend zu machen. Sie hätten sich der NSDAP angeschlossen, „als 210 211 212 213 214
Vgl. den oben Kap. IV, Anm. 208, erwähnten Vermerk Meisers. Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 143 mit Anm. 53. Vgl. ebd., 124 f. Vgl. Vollnhals, Kirche, 141–148. „Theologisches Gutachten über die Stellungnahme der Kirche zur Parteizugehörigkeit von Geistlichen“ vom 26. 10. 1945 (Abdruck: Vollnhals, Entnazifizierung, 67–71, Zitat: 71; vgl. auch Ders., Kirche, 142–144).
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diese noch eine Partei wie andere auch zu sein schien und in ihrem Programm sittliche, sogar christlich-religiöse Ziele bekanntgab“, und gehofft, „durch ihr Bleiben die guten Kräfte […] in der Partei […] stärken und ihnen doch noch zum Siege verhelfen zu können“215. Sie seien jedoch betrogen und getäuscht worden. Eine Entlassung von PG-Pfarrern komme nur in Frage, wenn sie gegen Schrift und Bekenntnis verstoßen, sittliche Vergehen begangen oder Ordnung und Gesetze der Kirche verletzt hätten. Zudem könne eine Entlassung nur nach kirchlichem Recht und Bekenntnis erfolgen. Dieser Stellungnahme hätte es schon gar nicht mehr bedurft, um der Militärregierung klarzumachen, dass Meiser nicht beabsichtigte, bei der Entnazifizierung von PG-Pfarrern zu kooperieren. Im Gegensatz zur katholischen Kirche verschleppte er die meisten Fälle und weigerte sich, den Entlassungsforderungen der Militärregierung nachzukommen. Dies beurteilte ein Offizier im Frühjahr 1946 als Sabotage216. Die Militärregierung griff daraufhin die Fälle von zehn schwer belasteten Pfarrern heraus, um ein Exempel zu statuieren, scheiterte jedoch erneut am Widerstand Meisers. Mitte 1946 hatte er von mehr als 150 Geistlichen und kirchlichen Angestellten, die nach den Entnazifizierungsrichtlinien zur Entlassung vorgesehen waren, noch keinen einzigen aus dem Dienst entfernt. Die Militärregierung scheute allerdings davor zurück, unpopuläre Maßnahmen gegen den Bischof zu ergreifen, und hoffte, das Problem werde sich auf dem Weg über die Verfahren vor den deutschen Spruchkammern lösen, die nach dem Befreiungsgesetz gebildet wurden217. Gegen Meiser selbst fand kein Spruchkammerverfahren statt. Er musste zwar den obligatorischen Meldebogen ausfüllen218, konnte aber wahrheitsgemäß sämtliche Fragen verneinen, die ihn hätten belasten können, und erhielt im April 1946 den Bescheid, dass er vom Befreiungsgesetz nicht betroffen war219. An seiner Haltung zur Entnazifizierung der Kirche änderte das Gesetz nichts. Wie bei der Massenentnazifizierung und dem Einsatz für NS- und Kriegsverbrecher befand er sich bei seiner Ablehnung in voller Übereinstimmung mit den Führungsspitzen anderer Landeskirchen und der EKD. So verkündete der Rat der EKD Anfang Mai 1946, dass allein die Kirche das Recht habe, „in das Geistliche Amt zu berufen und es abzuerkennen“220; zwar wies der Rat die Pfarrer an, sich vor den Spruchkammern zu verantworten und
215 Alle Zitate aus dem Schreiben Meisers vom 25. 1. 1946 (Abdruck: Vollnhals, Entnazifizierung, 73 f.). 216 Vgl. Vollnhals, Kirche, 148. 217 Vgl. ebd., 148–156. 218 Vgl. den von Meiser ausgefüllten undatierten masch. „Meldebogen auf Grund des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. 3. 1946“ (LAELKB, LB 0.2.0004–518). 219 Vgl. den Bescheid des öffentlichen Klägers bei der Spruchkammer München vom 2. 4. 1946 (Privatarchiv Familie Meiser; vgl. auch A B. M ller, Meiser, 284). 220 Entschließung des Rates der EKD vom 2. 5. 1946 (Abdruck: Protokolle, Bd. 1, 501).
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Abb. 79: Meldebogen Hans Meisers nach dem Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus (erste Seite), 1946
staatlichen Maßnahmen zu beugen, nahm davon aber solche Maßnahmen aus, die das Pfarramt betrafen221. 221 Vgl. die Entschließung des Rates der EKD zur Durchführung der Selbstreinigung der Kirche vom 2. 5. 1946 (Abdruck: ebd., 505 f.).
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Für die Vorbereitung der Spruchkammerverfahren ließ Meiser den Geistlichen jede mögliche Hilfe zukommen und unterstützte auch die kirchlichen Beamten, Angestellten und Arbeiter222. Bischof und Landeskirchenrat stellten den Pfarrern juristische Hilfe in Aussicht und kündigten Entlastungsgutachten an223. Sie verbreiteten ein Flugblatt, das die Bekennende Kirche als Widerstandsorganisation gegen den Nationalsozialismus darstellte224 und machten auf das Urteil des bayerischen Kassationshofs225 aufmerksam, nach dem es sich bei der Bekennenden Kirche um eine Widerstandsbewegung im Sinne des Befreiungsgesetzes handeln sollte226. Sie gaben Spruchkammerurteile gegen Geistliche bekannt227 und erteilten Anweisungen, wie sich Pfarrer verhalten sollten, die von kirchenfeindlichen Spruchkammermitgliedern voreingenommen behandelt wurden228. Als das Sonderministerium kurzfristig ankündigte, dass sämtliche Verfahren gegen Geistliche im September 1946 abgeschlossen sein sollten, empfahlen Bischof und Landeskirchenrat, Entlastungszeugen beizubringen und einen Rechtsanwalt zu beauftragen229. Die Ankündigung des Sonderministeriums kam nicht von ungefähr: Da gegen die PG-Pfarrer immer noch nichts Substantielles geschehen war, riss der Militärregierung im Herbst 1946 der Geduldsfaden; sie setzte dem Ministerium nicht nur den Termin, sondern ordnete auch an, dass Pfarrer, die von den Spruchkammern noch nicht entlastet waren, nicht mehr amtieren und vor allem nicht mehr predigen durften. Auf Anordnung der Militärregierung blieb Meiser Anfang Oktober 1946 nichts anderes mehr übrig, als 20 Pfarrer anzuweisen, sich bis zum Abschluss ihrer Verfahren der Dienstgeschäfte zu enthalten230. Die Zuspitzung der Lage rief den Rat der EKD auf den Plan, der als einhellige Meinung aller Landeskirchen bekanntgab, dass der Staat nicht das Recht habe, das Pfarramt zu entziehen und Predigtverbote auszusprechen. Die Kirche werde selbst prüfen, ob das Pfarramt zu entziehen sei, und bitte Militärregierung und Staat, diese Auffassung zu respektieren231. Mit Rückendeckung der EKD wagte es die bayerische Kirchenleitung Mitte Oktober 222 Vgl. das Rundscheiben des Landeskirchenrats gez. Meiser an sämtliche Dekanate vom 18. 6. 1946 (LAELKB, LKR 0.2.0003-144). 223 Vgl. das Rundscheiben des Landeskirchenrats gez. Meiser an sämtliche Dekanate vom 27. 5. 1946 (ebd.). 224 Vgl. oben Kap. IV, Anm. 124. 225 Vgl. oben Kap. IV, Anm. 123. 226 Vgl. die Rundschreiben des Landeskirchenrats vom 29. 7. und 11. 12. 1946 (LAELKB, LKR 0.2.0003-144). 227 Vgl. das Rundschreiben des Landeskirchenrats vom 7. 11. 1946 (ebd.). 228 Vgl. das Rundschreiben des Landeskirchenrats vom 4. 10. 1946 (LAELKB, LKR 0.2.0003-145). 229 Vgl. das Rundschreiben des Landeskirchenrats vom 6. 9. 1946 (LAELKB, LKR 0.2.0003-144). 230 Vgl. den Eilbrief an die für die betreffenden Pfarrer zuständigen Dekanate und das Rundschreiben des Landeskirchenrats an sämtliche Dekanate vom 4. 10. 1946 (LAELKB, LKR 0.2.0003-145). 231 Vgl. die Grundsätze des Rates zur Entnazifizierung vom 10./11. 10. 1946 (Abdruck: Protokolle, Bd. 1, 661 f.).
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1946 dann, auf Konfrontationskurs zu gehen und wies einen Teil der betroffenen Pfarrer an, ihre Amtsgeschäfte in vollem Umfang weiterzuführen232. Die Zuspitzung der Lage veranlasste Meiser nicht dazu, seine Haltung zu überdenken und im Weiteramtieren von PG-Pfarrern ein Problem zu erkennen. Vielmehr nahm er den für die meisten Betroffenen günstigen Ausgang der Spruchkammerverfahren als Beleg, „daß die politische Belastung unserer Geistlichen weit geringeren Umfang besitzt als von vielen Seiten angenommen“ und „daß im Zuge der Selbstreinigung der Kirche die wirklich belasteten Geistlichen fast sämtlich schon ausgeschieden sind und infolgedessen nur noch eine geringe Anzahl von Fällen zu bereinigen bleibt“233. Was diese Fälle anging, vertrat er die Auffassung, „Sühnemaßnahmen müss[t]en auch einmal ein Ende nehmen“234. Dementsprechend setzte Meiser sich – von wenigen Ausnahmen abgesehen – von Herbst 1946 bis zum Abschluss der Entnazifizierung dafür ein, solche Spruchkammerurteile abzumildern, in denen Pfarrer in erster Instanz als belastet oder minderbelastet eingestuft worden waren. Dazu nutzten er und Rusam vor allem die guten Beziehungen zum Sonderministerium. Meiser warnte vor Verhaftungen und Suspendierungen, führte Klage über die Besetzung von Spruchkammern und nahm Einfluss auf einzelne Verfahren. Dabei brachte er für die PG-Pfarrer vor, sie hätten sich kirchlich einwandfrei verhalten und im Kirchenkampf bewährt, oder er verwies darauf, wegen des Flüchtlingszustroms könne die Kirche keinen einzigen Pfarrer entbehren. Er erreichte zahlreiche Zugeständnisse, kam umgekehrt aber auch dem Ministerium entgegen, indem er sich zur Versetzung von minderbelasteten Pfarrern bereit erklärte. Im Zusammenspiel mit dem Wohlwollen des Ministeriums und dem beginnenden Kalten Krieg235, der die US-Regierung neue Prioritäten setzen ließ, hatte Meiser aus seiner Sicht einen durchschlagenden Erfolg: Im Januar 1949 war von den ursprünglich als belastet oder minderbelastet eingestuften Pfarrern nur noch ein geringer Teil übrig, die Masse politisch belasteter Pfarrer hingegen galt als erfolgreich entnazifiziert236. Für Meiser war der Widerstand gegen die Entnazifizierung von PG-Pfarrern die logische Konsequenz aus der Zeit der NS-Herrschaft, aus der er wie die gesamte Führungsriege der EKD die Lehre gezogen hatte, dass der Staat nicht über die Besetzung des Pfarramts bestimmen dürfe. Hinzu kam noch, dass er persönlich und andere Mitglieder der Kirchenleitung PG-Pfarrern zum Verbleib in der NSDAP geraten hatten, was jetzt ein Eintreten für die Betroffenen erforderlich machte. Nicht zuletzt war er der Überzeugung, viele Pfarrer 232 233 234 235 236
Vgl. Vollnhals, Kirche, 163. Schreiben Meisers an Althaus vom 10. 10. 1946 (LAELKB, LKR 0.2.0003-144). Schreiben Meisers an Wurm vom 29. 10. 1946 (ebd.). Vgl. oben Kap. IV, Anm. 32. Vgl. Vollnhals, Kirche, 163–170; vgl. auch die Niederschriften über die Besprechungen Meisers mit den Sonderministern Pfeiffer, Loritz und Hagenauer am 22. 11. und 11. 12. 1946 sowie am 27. 2., 23. 5., 11. 10. und 6. 11. 1947 (LAELKB, LKR 0.2.0003-175).
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Abb. 80: Niederschrift über eine Besprechung Hans Meisers mit Sonderminister Ludwig Hagenauer betr. Spruchkammerverfahren gegen Geistliche (Auszug), 11. Oktober 1947
seien aus Idealismus in die Partei eingetreten, die ihnen als Bollwerk gegen den Verfall des Volkes und den Bolschewismus erschienen sei, um dann Opfer von Irrtum und Täuschung zu werden, so dass eine Bestrafung zu Unrecht erfolge237. Damit aber marginalisierte er die antidemokratische Haltung der PGPfarrer ebenso wie das systemstabilisierende Wirken der Betroffenen in ihren Gemeinden.
4. Umgang mit überlebenden rassisch verfolgten Christen und Juden Im Blick auf überlebende Opfer des NS-Regimes trifft auch für Meiser das Urteil von Clemens Vollnhals zu, dass dem kirchlichen Einsatz „für die ehemaligen Nationalsozialisten kein vergleichbares Engagement für die Opfer des NS-Regimes, für das Millionenheer der rassisch und politisch Verfolgten und ihrer Angehörigen gegenüberstand“238. Dies zeichnete sich bereits in den ersten Nachkriegsmonaten ab, als Meiser sich bei der Besatzungsmacht und 237 Vgl. Vollnhals, Kirche, 280. 238 Ebd., 140; vgl. auch Nicolaisen / Vollnhals, Kirche, 136; Mensing, Umgang, 198; und H. Blendinger, Aufbruch, 67.
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bayerischen Politikern zum Anwalt der einheimischen Bevölkerung machte, Opfer des NS-Regimes aber nur als Störfaktor oder Bedrohung erwähnte. So klagte er bei der Militärregierung über das „Ausländerproblem“ – womit wohl ehemalige Zwangsarbeiter und ausländische Kriegsgefangene gemeint waren – und musste sich zurechtweisen lassen, dass Deutschland „die Ausländer wider ihren Willen ins Land geholt und schlecht behandelt“ habe, sodass jetzt z. B. Plünderungen „gleichsam als Entschädigung für erlittene Unbillen [sic!] geduldet werden“ müssten239. Äußerungen, die einen ähnlichen Mangel an Sensibilität für NS-Opfer erkennen lassen, waren von Meiser später nicht mehr zu vernehmen. In das Zentrum seiner Agenda rückten die überlebenden Opfer aber trotzdem nicht. Ende 1945 wies ihn der bayerische Staatskommissar für die Betreuung der Juden Hermann Aumer auf die Lage der ehemals rasseverfolgten evangelischen Christen hin und bat ihn um kirchliche Hilfe240. Meiser antwortete, die Pfarrämter würden ohnehin Hilfe leisten, sagte aber kirchliche Unterstützung zu und machte die Geistlichen darauf aufmerksam, dass es zu ihren Aufgaben gehöre, rasseverfolgte Christen zu betreuen241. Im Mai 1946 erschien dann im Kirchlichen Amtsblatt eine Resolution des ÖRK, in der „Christen jüdischer Herkunft“ zugesichert wurde, dass „die Kirche stets ihre Zuflucht“ bleiben und ihnen der „kirchliche Dienst für geistliche und materielle Hilfe […] überall zur Verfügung“ stehen würde242. Einen eigenen Aufruf zur Hilfe für ehemals rasseverfolgte Christen startete Meiser nicht. Auch neue Hilfsstellen, wie sie nach Kriegsende in anderen Landeskirchen entstanden243, rief er nicht ins Leben. Wohl in Anknüpfung an die bisherigen bayerischen Hilfsstellen244 wurde jedoch ab 1945 in München durch die Innere Mission und in Nürnberg durch das Hilfswerk Unterstützung für Betroffene geleistet245. Allerdings scheint Meiser die Arbeit an ehemals rasseverfolgten Christen nicht mit vergleichbar großem persönlichem Engagement und ähnlicher Anteilnahme begleitet zu haben wie die früheren Hilfsstellen. Auch sein Verhältnis zum Berliner „Büro Pfarrer Grüber“, das bei Kriegsende als Hilfsstelle für ehemals Rasseverfolgte wieder tätig geworden war246, kühlte ab. Weil diese Hilfsstelle keine direkte kirchliche Einrichtung war247, verweigerte der Landeskirchenrat 1954 eine finanzielle Unterstützung248; auf eine an 239 Zitate: Niederschrift Meisers über den Antrittsbesuch von Major Edward F. D’Arms am 12. 7. 1945 (LAELKB, LB 0.2.0004-610). 240 Vgl. Landeskirchliches Archiv N rnberg, Bruder, 200. 241 Vgl. Mensing, Umgang, 199; Hermle, Kirche, 159. 242 ABlELKB 1946, 55. 243 Vgl. Hermle, Kirche, 155–158, 162–182. 244 Vgl. oben Kap. III A.2.4.4. 245 Vgl. dazu und zum Folgenden Hermle, Kirche, 158–162. 246 Vgl. Ludwig, Seite, 140–160. 247 Vgl. Hermle, Kirche, 171. 248 Vgl. den Aktenvermerk Riedels vom 5. 5. 1954; das Rundschreiben der Stuttgarter Hilfsstelle
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Meiser persönlich gerichtete Bitte erhielt sie aber eine einmalige Spende249. Besondere Zuwendungen an ehemals rasseverfolgte Christen oder gar eine Wiedergutmachung lagen ebenso wenig in seinem Horizont wie bei den kirchlichen Verantwortlichen der anderen Landeskirchen. Siegfried Hermle hat das geringe kirchliche Engagement damit erklärt, dass „man die Judenchristen nicht zu einer speziellen Gruppe innerhalb der Kirche abstempeln“250 und damit erneut diskriminieren wollte; zugleich sah er jedoch Verdrängungsmechanismen am Werk, weil besondere Zugeständnisse einem Eingeständnis des kirchlichen Versagens während der NS-Herrschaft gleichgekommen wären. Tatsächlich wollte auch Meiser vermeiden, dass die Kirche auf die Anklagebank geriet. Dies zeigt seine Kontroverse mit dem HolocaustÜberlebenden und Staatskommissar für rassisch, politisch und religiös Verfolgte Philipp Auerbach vom Herbst 1947251. Als Auerbach ihn auf die kirchlichen Versäumnisse an den NS-Opfern hinwies, hielt er dem Staatskommissar empört vor, er wisse offenbar nicht, dass die Landeskirche „während der Verfolgungszeit bis zum Kriegsende 2 Geistliche ausschließlich für die Betreuung nicht-arischer Christen eingesetzt und ihnen als einzige Landeskirche nicht geringe Mittel zur Verfügung stellte“252. Die jüngere Forschung hat in dieser Antwort Unredlichkeit und Selbstgerechtigkeit gesehen253; zutreffender dürfte sie jedoch als Selbstimmunisierung zu beurteilen sein. Berechtigt hingegen ist Katharina von Kellenbachs Feststellung, Meisers Reaktion sei ein „Indiz für die fehlende Anteilnahme an der Lebenswirklichkeit jüdischer Überlebender“254. In der Tat blendete Meiser aus, dass Auerbachs Kritik nicht auf die kirchliche Hilfe für rasseverfolgte Christen, sondern auf die mangelnde Unterstützung von Juden zielte. Das Schicksal überlebender Juden und das Verhältnis von Christentum und Judentum waren dann auch keine Themen, die Meiser zu entschlossenem Handeln veranlasst hätten. Diesbezügliche kirchenamtliche Aktivitäten lassen sich für die bayerische wie für andere Landeskirchen nur wenige verzeichnen; noch geringer ist die Zahl der Fälle, in die Meiser sich persönlich einschaltete. Andererseits hatten einige Vorgänge, in die Meiser involviert war, wegweisende Bedeutung: So ließ er 1946 die Resolution des Vorläufigen Ausschusses des ÖRK „über Antisemitismus und die Judenfrage“ im Kirchlichen Amtsblatt veröffentlichen255 und beteiligte sich 1950 an der Erklärung der
249 250 251 252 253 254 255
für Rasseverfolgte vom 4. 3. 1954; und den u. a. von Niemöller und Heinemann unterzeichneten Aufruf zur Unterstützung der Berliner Hilfsstelle (LAELKB, LKR 0.2.0003-6615). Vgl. das Schreiben der Hilfsstelle für ehemals Rasseverfolgte an Meiser vom 9. 11. 1954; vgl. auch das Schreiben des Landeskirchenrats an die Hilfsstelle vom 22. 11. 1954 (ebd.). Hermle, Kirche, 366. Vgl. dazu und zum Folgenden Kellenbach, Schuld, 288 f.; Mensing, Umgang, 201 f. Schreiben Meisers an Auerbach vom 14. 10. 1947 (zit. nach Kellenbach, Schuld, 290). Vgl. ebd.; ähnlich auch Mensing, Umgang, 202. Kellenbach, Schuld, 292. Vgl. oben Kap. IV, Anm. 106.
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Synode der EKD zur Schuld an Israel256. Beide Erklärungen stellten mit ihrer klaren Distanzierung vom Antisemitismus neue Weichen im Verhältnis von Kirche und Judentum257. Daneben befasste Meiser sich 1947 mit einer privaten Initiative zur Schaffung einer Organisation zur Bekämpfung des Antisemitismus258. 1948 stand er außerdem vor der Frage, ob er ein Zeichen gegen den nach wie vor schwelenden Antisemitismus setzen und die Schändungen jüdischer Friedhöfe öffentlich verurteilen sollte, wie es zwei katholische Bischöfe bereits getan hatten259; es dauerte dann zwar noch bis 1951, bis die Gemeinden aufgefordert wurden, unbetreute jüdische Friedhöfe in ihren Schutz zu nehmen260, dies stellte aber immerhin eine „erste zaghafte Äußerung der Kirchenleitung zur Wiedergutmachung“261 dar. Nach Björn Mensing war die auffällige „Stille“, mit der Meiser und die übrigen kirchlichen Verantwortlichen das Thema Juden behandelten, Folge „des ungeklärten Verhältnis[ses] zum Judentum“262. Dass hier ein Problem von historischer Bedeutung vorlag, war Meiser allerdings bewusst. Deshalb war er auch bemüht, „an der Überwindung der Kluft zwischen den Anhängern des christlichen und des jüdischen Glaubens, die wir als das Erbe einer bösen Vergangenheit überkommen haben, nach Kräften mitzuarbeiten“263. Leider ist nicht überliefert, um welche Bemühungen es sich dabei handelte. Die wenigen bekannten Fakten über seine Beschäftigung mit dem Verhältnis von Christentum und Judentum lassen aber erkennen, dass er das Problem nicht durch eine Aufarbeitung des Zusammenhangs von christlichem Antijudaismus und NS-Rasseantisemitismus oder durch praktische Hilfe wie die materielle Unterstützung von Juden lösen wollte, sondern als religiös-theologisches Thema betrachtete und auch nach dem Zivilisationsbruch der Shoa an der Judenmission festhielt. Damit stand er nicht allein: Eine Diskussion im Rat der EKD zeigt, dass die gesamte Führungsriege des deutschen Protestantismus der Judenmission verhaftet blieb. Als die Bremer Kirchenleitung im Herbst 1945 eine Kollekte für den Wiederaufbau der dortigen Synagoge empfahl, bestand zwar Einmü256 Vgl. oben Kap. IV, Anm. 107. 257 Zur Neuordnung des Verhältnisses von Kirche und Judentum nach dem Zweiten Weltkrieg vgl. Oelke, Schuld, bes. 9–13. 258 Vgl. den Aktenvermerk Meisers über ein Gespräch mit von Pannwitz vom 26. 11. 1954 (LAELKB, LKR 0.2.0003-6615). 259 Vgl. das Schreiben Daumillers an den Landeskirchenrat vom 19. 5. 1948; den Beschluss des Landeskirchenrats auf seiner Sitzung vom 24. bis 27. 5. 1948; das Schreiben Auerbachs an Meiser vom 28. 5. 1948; sowie den Beschluss des Landeskirchenrats auf seiner Sitzung vom 14./ 15. 6. 1948 (ebd.). 260 Vgl. das Rundschreiben des Landeskirchenrats an sämtliche Dekanate vom 16. 1. 1951 (ebd.; vgl. auch E. L. Schmidt, Landeskirche, 37). 261 Mensing, Schuldfrage, 145. 262 Ebd. 263 Schreiben Meisers an Ohrenstein vom 21. 2. 1950 (zit. nach dem Abdruck bei H. C. Meiser, Bischof, 122).
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tigkeit, dass es sich bei der Zerstörung der Synagogen um einen Frevel gehandelt habe, der Rat lehnte es aber ab, in der Kirche für einen Synagogenbau zu sammeln264. Dahinter stand der Glaube, Christen hätten keine Hilfe zum Wiederaufbau jüdischer Kultstätten zu leisten, sondern Juden zu Christus zu rufen265. Neue Perspektiven für das Verhältnis von Christentum und Judentum bot dies freilich nicht. Vielmehr sah der Rat den jüdischen Glauben weiter als christlich zu missionierende, „überwundene Religion“266 an und nahm dabei nicht wahr, dass „hier ganz einfach ein Stück Wiedergutmachung zu leisten, ein Zeichen der Solidarität aufzurichten“267 war. Da auch die Kirchen des ÖRK noch bis Anfang der 1960er Jahre an der Judenmission festhielten268, verwundert es nicht, dass Meiser meinte, eine Klärung des Verhältnisses von Christentum und Judentum herbeiführen zu können, ohne dabei von der Judenmission abzugehen. 1947 erkannte er die „Arbeitsgemeinschaft für lutherische Judenmission“ als landeskirchliches Werk an, die zwar die kirchliche Mitschuld an den Verbrechen gegen die Juden bekannte, deren Hauptziel aber in der Bekehrung von Juden zum Christentum bestand269. An Aktivitäten, die einer Annäherung von Christentum und Judentum dienen sollten, war Meiser selbst nicht direkt beteiligt; in der Münchner „Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit“ arbeitete aber sein Vertrauter Langenfaß mit270 und zu den Tagungen des „Deutschen evangelischen Ausschusses für Dienst an Israel“271 entsandte der Landeskirchenrat den Pfarrer und Judenmissionar Wilhelm Grillenberger272. Meiser war allerdings penibel darauf bedacht, dass bei derartigen Aktivitäten nichts geschah, was die Kirche in ein schlechtes Licht rückte. Dies zeigte sich, als die Evangelische Akademie Tutzing im Herbst 1949 eine Tagung zum Thema Christentum und Judentum plante273. Die Einladung, die unter Meisers Namen erfolgte und die ihm in der Forschung noch bis in die 1980er Jahre zugeschrieben wurde274, setzte ein bahnbrechendes Zeichen: Sie bekannte die Mitverantwortung der Christen an der Vergangenheit, verabschiedete sich von der Verwerfungstheorie und forderte zum Dialog mit dem Judentum auf275. 264 Vgl. dazu und zum Folgenden Protokolle, Bd. 1, 121 f., 199 f.; vgl. auch Hermle, Kirche, 269 f. 265 Vgl. Protokolle, Bd. 1, 214. 266 Hermle, Kirche, 270. 267 Ebd. 268 Vgl. E. L. Schmidt, Landeskirche, 36–41; vgl. auch Hermle, Kirche, 371. 269 Vgl. E. L. Schmidt, Landeskirche, 32–34; Bohne, Hopf, 130 f.; vgl. auch Hermle, Kirche, 159–161. 270 Vgl. Mensing, Umgang, 200. 271 Vgl. Hermle, Kirche, 213–251. 272 Vgl. die Schreiben des Landeskirchenrats an Grillenberger vom 25. 9. 1948 und 20. 11. 1950 (LAELKB, LKR 0.2.0003-6615). 273 Vgl. dazu und zum Folgenden Hermle, Kirche, 344–348. 274 Vgl. R. Rendtorff / H.-H. Henrix, Kirchen, 546. 275 Vgl. den Abdruck des Schreibens ebd., 547.
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Meiser wurde von der Einladung völlig überrascht. Er nahm allerdings weniger am Inhalt als an der Tatsache Anstoß, dass er den Text weder verfasst noch unterzeichnet hatte. Der Leiter der Akademie Gerhard Hildmann, der für die Einladung verantwortlich war, wurde deshalb sofort zum Landesbischof zitiert und zurechtgewiesen. Der Landeskirchenrat erwog sogar eine Absage der Tagung, zog die Einladung dann aber doch nicht zurück. Um zu verhindern, dass die Tagung einen unerwünschten Verlauf nahm, beorderte die Kirchenleitung sechs Pfarrer nach Tutzing und hielt auch die Teilnahme eines Vertreters des Landeskirchenrats für erforderlich, damit „unglückliche Entgleisungen im Blick auf die Kirchenleitung vermieden“276 wurden. Hildmann wurde von Meiser instruiert, „unnötige Schuldbekenntnisse“277 zu unterlassen. Es war also nicht das in der Einladung entfaltete zukunftsweisende Programm über das Verhältnis von Christentum und Judentum, das Meiser auf den Plan rief, sondern die Furcht, Bischof und Landeskirchenrat könnten wegen ihres Verhaltens während der NS-Herrschaft angeklagt werden. Dass die Einladung offiziell mit dem Namen des Landesbischofs verbunden war und die Tagung einen für alle Seiten erfreulichen Verlauf nahm, trug vermutlich mit zur positiven Wahrnehmung Meisers durch Repräsentanten des Judentums in Bayern bei. Dies gilt vor allem für den Münchner Ober- und bayerischen Landesrabbiner Aaron Ohrenstein, der in Tutzing referierte und bei einer persönlichen Begegnung einen hervorragenden Eindruck von Meiser gewann278. Wahrscheinlich war Ohrenstein und anderen jüdischen Vertretern auch Meisers mutiges Verhalten im bayerischen Kirchenkampf von 1934 bekannt; zudem hatten sie wohl Kenntnis vom Abbruch der Münchner Matthäuskirche279, so dass sie Meiser als Gegner des NS-Regimes betrachteten. Ein weiterer Grund, der zur positiven Wahrnehmung Meisers beigetragen haben könnte, zeigte sich schon 1947 bei der Einweihung der neuen Münchner Synagoge280: In den dort gehaltenen Reden hieß es, Christen und Sozialisten seien die einzigen gewesen, von denen verfolgte Juden während der NSHerrschaft Hilfe erfahren hätten281.
276 „Aktenvermerk. Betreff: Tagung ,Christentum und Judentum‘ in Tutzing; hier: zusätzliche Teilnahme evang. Theologen“ (zit. nach Hermle, Kirche, 347). 277 „Aktenvermerk. Betreff: Gemeinsame Besprechung über die Tagung ,Christentum und Judentum‘ in Tutzing am 29. 10. 49, vormittags 10 Uhr“ (zit. nach ebd.). 278 Vgl. das Glückwunschschreiben Ohrensteins zu Meisers 69. Geburtstag vom 16. 2. 1950 (Abdruck: H. C. Meiser, Bischof, 121). 279 Vgl. oben Kap. III A.2.2.3. 280 Meiser war zur Einweihung eingeladen (vgl. das Einladungsschreiben vom 20. 4. 1947: LAELKB, LKR 0.2.0003–6615), nahm aber nicht teil, weil er sich in Ansbach aufhielt; stattdessen entsandte der Landeskirchenrat Wilhelm Ferdinand Schmidt (vgl. A. B. M ller, Meiser, 286). 281 Vgl. die Aktennotiz Wilhelm Ferdinand Schmidts vom 22. 5. 1947 (LAELKB, LKR 0.2.00036615).
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Abb. 81: Einladung der Israelitischen Kultusgemeinde in München an Hans Meiser zur Einweihung der neuen Synagoge, 20. April 1947
5. Einflussnahme auf den politischen Neuaufbau Nach Ende des Zweiten Weltkriegs befand Meiser sich in der privilegierten Lage, dass die amerikanische Militärregierung den Kirchen als einzigen intakt gebliebenen deutschen Großorganisationen wohlwollend gegenüberstand und die kirchlichen Verantwortlichen für den demokratischen Neuaufbau als
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bevorzugte Ansprechpartner behandelte282. So hatte er Gelegenheit, sich dafür einzusetzen, die vom NS-Regime entzogenen Rechte und öffentlichen Einflussmöglichkeiten der Kirche wiederzugewinnen, und auf den politischen Neuaufbau einzuwirken.
Abb. 82: Niederschrift Hans Meisers über seine ersten Begegnungen mit Captain William Martin Landeen von der amerikanischen Militärregierung (Auszug), 8./ 9. Mai 1945
Er wurde schon am 8. Mai 1945 in Ansbach abgeholt und nach München gebracht, weil die Militärregierung seine Anwesenheit wünschte. Captain William M. Landeen, Leiter der Religious Affairs Section der amerikanischen Militärregierung in Bayern, erklärte ihm, die Militärregierung sei der Kirche wohlgesonnen, und bat um Personalvorschläge für die Besetzung höherer Staatsämter283. Die Unterredungen mit Landeen bildeten den Auftakt einer Reihe von Gesprächen mit Vertretern der amerikanischen Militärregierung, Politikern der bayerischen Staatsregierung und den Bürgermeistern von München und Nürnberg sowie mit Kardinal Faulhaber, die im Frühjahr und 282 Vgl. Nicolaisen / Vollnhals, Kirche, 134. 283 Vgl. die Niederschriften Meisers über die Besprechungen mit Landeen am 8./9. und 15. 5. 1945 (LAELKB, LB 0.2.0004-610).
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Sommer 1945 stattfanden. Dabei machte Meiser sich zum Anwalt der deutschen Bevölkerung und versuchte kirchliche Interessen durchzusetzen. Er bat u. a. um die Wiederherstellung der Regelungen des bayerischen Staatskirchenvertrages von 1924 und die Sicherstellung der kirchlichen Finanzen284. Was den staatlichen Neuaufbau in Bayern anging, insistierte Meiser auf der Durchsetzung konfessioneller Parität. Die Bitte der Militärregierung um Personalvorschläge für Regierungsämter und das Justizwesen285 gab ihm wie auch Faulhaber Gelegenheit, auf die Besetzung staatlicher Ämter Einfluss zu nehmen. Für Regierungsposten nannte Meiser acht evangelische Persönlichkeiten286, von denen aber nur zwei berücksichtigt wurden: Ministerialdirektor Karl August Fischer erhielt die Verwaltung des Innenministeriums, Meinzolt wurde Staatsrat im Kultusministerium. Dies war für Meiser ein unbefriedigendes Ergebnis, zumal auf Vorschlag Faulhabers der langjährige BVPFunktionär Fritz Schäffer Ministerpräsident wurde, was Meiser die Wiederaufnahme katholischer Repressionspolitik befürchten ließ. Besonders problematisch gestalteten sich seine Vorschläge für die Justiz: Hier litt Meiser unter der hohen politischen Belastung evangelischer Bewerber; von seinen Vorschlägen berücksichtigte die Militärregierung deshalb auch nur einen kleinen Teil287. Eigene politische Vorstellungen für die Gestaltung des staatlichen Neuaufbaus hatte Meiser nicht. Fest stand für ihn nur, dass das neue Staatswesen nicht kommunistisch sein durfte, weshalb er die Militärregierung auch beständig vor einer drohenden Bolschewisierung warnte. Wie aus einem Gespräch mit Schäffer hervorgeht, konnte er sich auch nicht für eine Separation Bayerns und die Wiedererrichtung der bayerischen Monarchie erwärmen288. Meiser sah schon bei Kriegsende realistisch, dass es zur Wiederzulassung politischer Parteien und zum Aufbau eines demokratischen Staatswesens kommen würde. Die demokratische Staatsform stellte er jetzt und auch später nicht in Frage; für ihn ging es vielmehr darum, den evangelischen Einfluss auf Staat, Politik und Gesellschaft zu sichern. Um dies zu gewährleisten, befasste er sich bereits im Mai 1945 mit der Frage der Gründung einer evangelischen Partei289. Als sich in der zweiten Jahreshälfte 1945 die Wiederzulassung von Parteien abzeichnete und von katholischer Seite die Gründung einer interkonfessio284 Vgl. dazu und zum Folgenden die Niederschriften Meisers aus dem Zeitraum vom 8. 5. bis 21. 7. 1945 (ebd.). 285 Vgl. Meisers Niederschrift über die Besprechung mit Oberst Colberg am 4. 6. 1945 (ebd.). 286 Vgl. das Schreiben Meisers an Oberst Charles E. Keegan vom 25. 5. 1945; vgl. auch die beifügte Vorschlagsliste (ebd.). 287 Vgl. Nicolaisen / Vollnhals, Kirche, 134 f. 288 Vgl. die Niederschrift Meisers über die Besprechung mit Schäffer am 11. 6. 1945 (LAELKB, LB 0.2.0004-610); zu Erwägungen über die Wiedererrichtung der bayerischen Monarchie vgl. F rber, Bayern. 289 Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 16.
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nellen christlichen Partei angeregt wurde, beriet Meiser sich im August 1945 mit Universitätstheologen und führenden Geistlichen, ob die evangelische Seite sich beteiligen solle290. Dabei meinte er, dass die Kirche nicht dazu berufen sei, politische Urteile abzugeben; andererseits aber wollte er das politische Feld nicht den Katholiken, erst recht aber nicht Sozialisten und Kommunisten überlassen. Ein greifbares Ergebnis hatte die Besprechung nicht. Auf der Kirchenkonferenz von Treysa Ende August 1945 war Meiser dann jedoch an Beratungen über ein – nicht verabschiedetes – „Wort zur Verantwortung der Kirche für das öffentliche Leben“ beteiligt, das sich für „ein politisches Zusammengehen beider Konfessionen auf dem Boden christlicher Union“291 aussprach. Dies war ein Plädoyer für die entstehende CDU bzw. in Bayern die CSU292. Meiser blieb allerdings skeptisch, weil er befürchtete, die Union würde katholisch dominiert werden, näherte sich der CSU dann aber an, denn sie schien ihm die einzige Möglichkeit zu bieten, kirchliche Interessen in der Politik durchzusetzen293. Das Treysaer Wort war von der Erkenntnis getragen, Christen müssten nach der NS-Herrschaft weit stärker als bisher politische Verantwortung übernehmen. Diese Erkenntnis spiegelte sich auch in Meisers Wort zu den bayerischen Kommunalwahlen von Anfang 1946. Er schärfte den Gemeindegliedern ein, dass für Christen Wahlpflicht bestehe und dass sie die Politiker auch nach den Wahlen nicht aus ihrer Verantwortung entlassen dürften294. Im Gegensatz zum Treysaer Wort gab Meiser aber keine Parteiempfehlung und blieb damit seiner Überzeugung treu, dass zwar der einzelne Christ, nicht aber die Kirche als solche politisch tätig werden dürfe. Trotzdem war Meisers Wort ein politisches Votum, denn es bedeutete faktisch nichts weniger als die Anerkennung der neu entstehenden parlamentarisch-demokratischen Strukturen. Seine grundlegende Staatsauffassung änderte Meiser deshalb aber nicht: Das Wort fußte nicht auf einer neuen evangelischen Staatslehre, sondern auf dem überkommenen Verständnis des Staates als von Gott eingesetzter Obrigkeit. Wie sich die Wahrnehmung öffentlicher Verantwortung künftig gestalten sollte, entfaltete Meiser im Juli 1946 auf der Landessynode: Die Kirche sollte Staat, Politik und Gesellschaft den Primat Gottes vor Augen halten und zur Erfüllung des Willens Gottes ermahnen295. Ähnlich äußerte er sich auch in seiner Rede zur Eröffnung des bayerischen Landtags Ende 1946. Hier stellte er 290 Vgl. die Niederschrift Dietzfelbingers „über die Besprechung betr. politische Besinnung“ mit Schieder, Althaus, Strathmann, Sasse und anderen am 14. 8. 1945 in Erlangen (LAELKB, LB 0.2.0004-62). 291 Abdruck: Besier / Ludwig / Thierfelder, Kompromiß, 325–328 (Zitat: 328). 292 Vgl. Nicolaisen / Vollnhals, Kirche, 138. 293 Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 19–21. 294 Vgl. das Rundschreiben des Landeskirchenrats gez. Meiser vom 17. 1. 1946 (LAELKB, LB 0.2.0004-62; Abdruck: ABlELKB 1946, 13). 295 Vgl. Landessynode Ansbach 1946, 23.
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die Weltlage und den Zusammenbruch Deutschlands als Ergebnis eines globalen Säkularisierungsprozesses dar, der die Menschheit an den Abgrund geführt habe; folglich entscheide sich der Neuaufbau daran, ob anerkannt werde, dass über allen Bereichen des öffentlichen Lebens „der fordernde und gebietende Gotteswille“ stehe. Die Rede mündete in die Mahnung, die Abgeordneten sollten ihre „Aufgabe als christliche Politiker“ erfüllen296. Diese Rede zeigt, dass hinter Meisers Verständnis vom öffentlichen Auftrag der Kirche ein althergebrachtes Deutungsmodell stand. Danach sollte die Ursache allen Übels in der Säkularisierung liegen und eine Besserung nur durch eine Rechristianisierung der Gesellschaft zu erreichen sein. Dieses Deutungsmodell fand sich keineswegs nur bei Meiser und war auch kein spezielles Phänomen des deutschen Protestantismus; vielmehr hatte in der ökumenischen Bewegung schon in den 1920er Jahren die Überzeugung geherrscht, die Christenheit müsse gegen den Säkularismus kämpfen und Rechristianisierung betreiben. 1945 wurden Säkularisierung und Rechristianisierung bei Protestanten und Katholiken dann gleichermaßen zentrale Deutungskategorien für die Gegenwart, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen westeuropäischen Ländern297. Für die Wahrnehmung der öffentlichen Verantwortung schloss Meiser ein direktes politisches Engagement von Kirchenleitung und Pfarrern aus. Nachdem der Landeskirchenrat schon kurz vor Kriegsende beschlossen hatte, dass Pfarrer keine politischen Ämter annehmen dürften298, ließ Meiser die Geistlichen 1946 wissen, dass auch eine Parteimitgliedschaft unerwünscht sei, „weil damit die unabhängige Stellung des Pfarrers in seiner Gemeinde in Frage gestellt“ werde; aus dem gleichen Grund durften Pfarrer auch nicht in Spruchkammern, Gemeinderäte und Kreistage eintreten299. Nach Gründung der Bundesrepublik wurde diese Regelung noch verschärft: Nachdem der Ansbacher Pfarrer Heinrich Seiler gegen den Willen Meisers bei der Bundestagswahl 1949 für die CSU kandidiert hatte300, erließ die Landessynode ein als „lex Seiler“ bekannt gewordenes Kirchengesetz, nach dem Pfarrer in den Wartestand treten mussten, wenn sie von einer Partei als Kandidat für ein öffentliches Amt aufgestellt wurden301. Auch Meiser selbst folgte in der Öffentlichkeit dem Gebot der parteipolitischen Neutralität. Dies gilt auch für seine seltenen Worte zu politischen 296 Vgl. die Rede Meisers am 16. 12. 1946 (Abdruck: H. Meiser, Kirche, Kampf, 204–207, Zitate: 205 f.). 297 Vgl. Greschat, Rechristianisierung. 298 Vgl. Nicolaisen / Vollnhals, Kirche, 137. 299 Schreiben des Landeskirchenrats gez. Meiser an sämtliche Dekanate vom 28. 6. 1946 (LAELKB, LKR 0.2.0003-144); vgl. auch Renner, Nachkriegsprotestantismus, 35. 300 Vgl. ebd., 35–37; Mensing, Schuldfrage, 149; vgl. auch Schlemmer, Aufbruch, 353. 301 Vgl. das „Kirchengesetz über die politische Betätigung der Pfarrer, Kandidaten und Vikarinnen“ vom 23. 9. 1950 (ABlELKB 1950, 115); vgl. auch Renner, Nachkriegsprotestantismus, 37–39.
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Wahlen302. Eine Ausnahme war sein Aufruf zur Bundestagswahl von 1949, in dem er indirekt eine Wahlempfehlung für die CSU abgab303. Die öffentliche Zurückhaltung täuscht allerdings darüber hinweg, dass Bischof und Landeskirchenrat auch zu anderen Wahlen über Kundgebungen berieten, die aber nicht unter dem eigenen, sondern im Namen anderer kirchlicher Organisationen wie dem Männerwerk hinausgingen304. Der parteipolitischen Neutralität entsprach es auch, dass Meiser nicht an Veranstaltungen teilnahm, die von Parteien organisiert wurden305. Um kirchliche Interessen durchzusetzen, nahm er aber Einfluss auf evangelische Abgeordnete306 und unterhielt Kontakte zu Parteien. Wie schon in den früheren politischen Systemen entschied sich sein Verhältnis zu Parteien nicht an deren allgemeiner politischer Programmatik, sondern an ihrer Haltung zu Christentum und Kirche. Dies zeigt sich besonders an Meisers Verhältnis zur FDP307. Er hatte zwar Beziehungen zu einigen FDP-Synodalen und zum Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion Hans Wellhausen308; Einigkeit zwischen ihm und den Liberalen bestand aber lediglich in Bezug auf die Entnazifizierung309. Die Kluft zwischen Meiser und der FDP beruhte einerseits auf Meisers Überzeugung, der Liberalismus sei verantwortlich für die Säkularisierung310, andererseits auf der Gegnerschaft der FDP gegen die Bekenntnisschule sowie auf liberalen Forderungen nach einer Trennung von Staat und Kirche311. Zu einer Aussprache zwischen Bischof und hohen Parteivertretern kam es erst 1954312. Dabei wurden die Differenzen allerdings ebenso wenig überwunden wie die Ansichten über die Grundlagen, auf denen Staat und Gesellschaft beruhen sollten: Während für den FDP-Vorsitzenden Thomas Dehler die Rechtsstaatlichkeit und die Freiheit des Individuums die unab302 Nach den Kommunalwahlen von 1946 meldete er sich erst wieder zur Bundestagswahl 1949 (vgl. unten Kap. IV, Anm. 303) und zu den Landtagswahlen 1954 zu Wort (vgl. seinen Aufruf vom November 1954 [LAELKB, LKR 0.2.0003-116]; Renner, Nachkriegsprotestantismus, 85; und Mensing, Schuldfrage, 148). 303 Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 83; vgl. auch Mensing, Schuldfrage, 148. 304 So bei den bayerischen Landtagswahlen 1950 (vgl. den Beschluss des Landeskirchenrats vom 11. 11. 1950: LAELKB, LKR 0.2.0003-116); den bayerischen Kommunalwahlen 1952 (vgl. den Beschluss des Landeskirchenrats vom 28./30. 1. 1952: ebd.); und der Bundestagswahl 1953 (vgl. den Beschluss des Landeskirchenrats vom 13./15. 7. 1953: LAELKB, LKR 0.2.0003-7). 305 Vgl. das Schreiben Hermann Ehlers’ an Meiser vom 29. 2 1952; vgl. auch das Antwortschreiben Meisers vom 8. 3. 1952 (ebd.). 306 Vgl. die Einladungsschreiben Meisers an evangelische Landtagsabgeordnete vom 19. 2. und 10. 10. 1951 (LAELKB, LKR 0.2.0003-116). 307 Vgl. dazu und zum Folgenden Renner, Nachkriegsprotestantismus, 75–79. 308 Vgl. den Schriftwechsel zwischen Meiser und Wellhausen (LAELKB, LB 0.2.0004-63). 309 Vgl. das Schreiben des bayerischen FDP-Landesverbands an Meiser vom 2. 4. 1948; vgl. auch das Antwortschreiben Meisers vom 12. 4. 1948 (LAELKB, LKR 0.2.0003–144). 310 Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 75; Mensing, Schuldfrage, 151. 311 Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 215 f. 312 Vgl. die Niederschrift Otto Bezzels über die Besprechung am 20. 2. 1954 (LAELKB, LB 0.2.000463).
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dingbare Grundlage darstellten, konnte diese für Meiser nur in der Bindung an Gott bestehen313.
Abb. 83: Niederschrift Otto Bezzels über ein Gespräch Hans Meisers mit dem Bundesvorsitzenden der FDP Thomas Dehler (Auszug), 20. Februar 1954
Einen Wandel hingegen erfuhr Meisers Verhältnis zur Sozialdemokratie. Um christliches Wählerpotential zu erschließen, suchten führende bayerische SPD-Politiker eine Annäherung an die Kirchen. Meiser reagierte positiv auf die Gesprächsbereitschaft der SPD und führte Besprechungen mit SPD-Ministerpräsident Wilhelm Hoegner, bei denen es u. a. darum ging, die gegenseitigen Angriffe einzustellen und eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen der SPD-geführten Staatsregierung und der Kirche zu erreichen. Indem er mit der SPD wie mit anderen Parteien in einen Dialog trat, demonstrierte Meiser parteipolitische Neutralität, signalisierte aber zugleich, dass sich die CSU der Loyalität der Kirche keineswegs sicher sein konnte314. Meisers Öffnung gegenüber der SPD war in erster Linie taktischen Motiven geschuldet, wollte er doch vor allem seine schulpolitischen Ziele durchsetzen. Trotz Hoegners kirchenfreundlichem Kurs kam es jedoch gerade auf diesem Gebiet zu Spannungen. Besonders empfindlich reagierte Meiser, als die SPD die Eltern gegen die Bekenntnisschule aufzubringen versuchte315. Dennoch 313 Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 216 f. 314 Vgl. ebd., 58–67. 315 Vgl. ebd., 220–223.
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ließ er den Dialog nicht abreißen; so beriet er sich 1950 mit einem bayerischen SPD-Abgeordneten über die geplante Landtagskoalition von SPD und CSU316 und bemühte sich 1951 mit dem bayerischen SPD-Vorsitzenden Waldemar von Knoeringen um eine Beilegung der Konflikte in der Schulfrage317. Meiser scheint seine Erzfeindschaft gegen die Sozialdemokratie spätestens 1954 überwunden zu haben, als Hoegner erneut Ministerpräsident wurde318 – ohne dabei freilich ernsthafte Sympathien für die SPD zu entwickeln.
Abb. 84: Hans Meiser bei einer Besprechung mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner und Oberkirchenrat Wilhelm Bogner, Januar 1946
Enger als zu FDP und SPD, aber tief gespalten war Meisers Verhältnis zur CSU. Einerseits sah er hier seine Kernanliegen – vor allem die Sicherung der Bekenntnisschule und der konfessionellen Lehrerbildung – noch am ehesten gewahrt, andererseits verdächtigte er die CSU, eine Nachfolgeorganisation der aggressiv katholischen ehemaligen BVP zu sein. Der konfessionelle Proporz in der CSU wurde nicht nur für Meiser selbst, sondern auch innerhalb der Partei zu einem explosiven Dauerthema: Während Meiser bis weit in die 1950er Jahre kritisierte, die CSU setze die Protestanten zurück319, tobten in der Partei zwischen dem Vorsitzenden Josef Müller, der einen interkonfessionellen Kurs verfolgte, und den erzkatholischen ehemaligen BVP-Mitgliedern Schäffer und Alois Hundhammer konfessionelle Kämpfe, von denen vorübergehend die 316 Vgl. den Aktenvermerk Otto Bezzels „Betreff: Bayerische Landtagspolitik“ vom 14. 12. 1950 über die Besprechung vom 13. 12. 1950 (LAELKB, LKR 0.2.0003-116); vgl. auch Mensing, Schuldfrage, 151. 317 Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 223. 318 Vgl. Mensing, Schuldfrage, 151. 319 Vgl. den in Evangelische Verantwortung Jg. 1 Nr. 2 vom April 1953, 14, zit. Synodalbericht Meisers.
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Bayernpartei profitierte. Es waren aber nicht nur konfessionelle Gründe, die Meisers Verhältnis zur CSU zwiespältig bleiben ließen: So sah er sich auch gegenüber der CSU zur Neutralität verpflichtet, war sich zugleich aber bewusst, dass er die Union nicht nur zur Durchsetzung evangelischer Interessen, sondern auch als Bollwerk gegen Sozialdemokraten, Liberale und Bayernpartei benötigte320. Dies führte dazu, dass er der CSU zwar keine direkte Schützenhilfe leistete, umgekehrt aber alles unterließ, was ihr – wie die Gründung einer evangelischen Splitterpartei – hätte schaden können. Dazu gehörte auch, dass er nicht auf das Werben der Bayernpartei einging321. Einen offenen Bruch mit der CSU vermied Meiser selbst dann, wenn die Beziehungen zwischen Kirche und Partei auf die Zerreißprobe gestellt waren. Dies war z. B. 1950 der Fall, als Meinzolt von seinem Amt als Staatsrat im Kultusministerium zurücktreten wollte, weil Kultusminister Hundhammer katholische Interessen verfolgte und Meinzolt wiederholt überging. Meiser war gegen den Rücktritt, weil er den Zugang der Landeskirche zum Kultusministerium gefährdet sah und eine Schwächung der evangelischen Gruppe in der CSU sowie Stimmverluste der Union bei den Landtagswahlen befürchtete322. Auch im Fall eines Eklats, dessen Wogen bis zu Bundeskanzler Konrad Adenauer hochschlugen, war Meiser um Schadensbegrenzung bemüht. Als im Vorfeld der Bundestagswahlen von 1953 in Ochsenfurt eine Fabrik eingeweiht wurde, weigerte sich der Würzburger Erzbischof Julius Döpfner, die kirchliche Weihezeremonie zusammen mit dem evangelischen Dekan durchzuführen. Dieser Vorfall führte zu einer aufgeheizten öffentlichen Diskussion und gefährdete den Erfolg der CDU/CSU bei evangelischen Wählern. Meiser kritisierte zwar das Verhalten Döpfners; er stellte den Vorfall aber als rein kirchlich-theologische Angelegenheit dar und gab gemeinsam mit Döpfner eine Erklärung heraus, in der die Bischöfe ihr Bedauern über den parteipolitischen Missbrauch des Vorfalls zum Ausdruck brachten323. Aus Meisers Haltung zu CSU, SPD und FDP geht bereits hervor, welches Gebiet für ihn das wichtigste war, auf dem die Kirche öffentliche Verantwortung wahrnehmen sollte: Dies war die Bildungspolitik, denn hier hatte das NSRegime der Kirche vernichtende Schäden zugefügt. Meiser setzte alles daran, den Einfluss der Kirche auf Bildung und Erziehung wiederzugewinnen und zu sichern. Dies war für ihn deckungsgleich mit der Restitution der Bekenntnisschule und der konfessionellen Lehrerbildung. Wie die Kirchenkonferenz von Treysa vom August 1945 zeigte, legten auch alle anderen Kräfte in der EKD großes Gewicht auf die Bildungspolitik und waren sich einig, dass das 320 Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 16–34; Mensing, Schuldfrage, 149 f. 321 Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 80 f.; den Aktenvermerk Rusams über eine Besprechung zwischen Meiser und einer Vertreterin der Bayernpartei am 26. 1. 1950 (LAELKB, LKR 0.2.0003-116); sowie den Aktenvermerk Otto Bezzels über eine Besprechung mit Abgeordneten der Bayernpartei am 14. 8. 1951 (ebd.). 322 Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 44–48. 323 Vgl. ebd., 48–52; KJ 1953, 122–130; vgl. auch Mensing, Schuldfrage, 152.
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Schulwesen christlich gestaltet werden müsse; während Meiser sich aber eindeutig auf die Bekenntnisschule festlegte324, forderte der Bruderrat der EKD als allgemeine Schulform die christliche Simultanschule325 und wollte die Entscheidung zwischen christlicher Gemeinschaftsschule und Bekenntnisschule von den jeweiligen Verhältnissen abhängig machen326. Bei der Verwirklichung seiner bildungspolitischen Ziele kam Meiser anfangs entgegen, dass sich die amerikanische Militärregierung mit eigenen Bildungsprogrammen zunächst zurückhielt, dass er katholische Kirche und bayerische Politiker auf seiner Seite hatte327 und dass die Bekenntnisschule in der bayerischen Verfassung vom 2. Dezember 1946 verankert wurde328. Zwar erkannte die Militärregierung die Verfassung an, verfolgte dann aber Pläne für eine Reform des deutschen Schulsystems, die Meisers Absichten zuwiderlief: Basierend auf einem Report amerikanischer Pädagogen vom September 1946 wollte sie auf dem Bildungs- und Erziehungssektor die konsequente Trennung von Staat und Kirche herbeiführen; dazu gehörte auch die Abschaffung der Bekenntnisschule, weil diese aus amerikanischer Sicht konfessionelle Konflikte, Intoleranz und antidemokratische Tendenzen beförderte. Als die Militärregierung diese Pläne 1947 bekanntmachte und umsetzen wollte329, stieß sie auf den Widerstand einer Allianz aus beiden Kirchen und bayerischen Regierungspolitikern, in der sich Meiser in vorderster Front exponierte. Anfang 1948 protestierte er bei der amerikanischen Militärregierung, die USA verstießen gegen das von ihnen selbst propagierte bildungs- und erziehungspolitische Selbstbestimmungsrecht und ignorierten die von der Militärregierung genehmigte Verfassung; vor allem aber kritisierte er, mit der Bekenntnisschule torpedierten die USA einen Schultyp, der als einziger dazu geeignet sei, christliche Persönlichkeiten heranzuziehen, die gegen einen neuen Abfall von Gott wie in der NS-Herrschaft gefeit seien330. Mit demselben Argument versuchte er auch die Gemeindeglieder hinter sich zu bringen, die keineswegs geschlossen zur Bekenntnisschule standen331. Dabei übersah er freilich, dass eine christliche Erziehung auch gefestigte Christen keineswegs gegen den Nationalsozialismus immunisiert hatte. Im Gegensatz zur Zeit der NS-Herrschaft hatte Meiser mit seinem Kampf 324 Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 224. 325 Vgl. den Beschluss des Bruderrats zur Schulfrage vom 24. 8. 1945 (Abdruck: Besier / Ludwig / Thierfelder, Kompromiß, 176 f.). 326 Vgl. die Beschlussvorlage zur Schulfrage vom 31. 8. 1945 (Abdruck: ebd., 313). 327 Vgl. die Bekanntmachung Meisers betr. Bekenntnisschule vom 26. 2. 1947 (ABlELKB 1947, 25 f.). 328 Vgl. dazu und zum Folgenden Renner, Nachkriegsprotestantismus, 183–196. 329 Vgl. die Direktive der amerikanischen Militärregierung für Deutschland vom 8. 1. 1947 (Abdruck: M ller-Rolli, Schulpolitik, 437 f.); vgl. auch die Erläuterungen vom 12. 2. 1947 (Abdruck: ebd., 438–441). 330 Vgl. sein Schreiben vom 26. 1. 1948 (Abdruck: ebd., 480–484; vgl. auch Renner, Nachkriegsprotestantismus, 194 f.). 331 Vgl. Meisers Wort an die Gemeinden zu Pfingsten 1949 (ABlELKB 1949, 54).
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für die Bekenntnisschule schließlich Erfolg: Da die USA Westdeutschland im Kalten Krieg332 als Verbündeten suchten, ließ die Militärregierung ihre Pläne fallen – nicht zuletzt auf Grund der „Haltung von Politikern, Kirchen und Teilen der Bevölkerung“333. Dies zeigte sich im Zusammenhang des geplanten Schulorganisationsgesetzes. Die Militärregierung wandte sich zunächst gegen die privilegierte Stellung, die ein Gesetzentwurf Hundhammers der Bekenntnisschule einräumte. Nach Interventionen Meisers und Faulhabers räumte der amerikanische Hochkommissar McCloy dann jedoch ein, dass die Entscheidungsgewalt über die Bekenntnisschule allein beim bayerischen Staat liege. Mit der Verabschiedung des Gesetzes im August 1950334 war die Bekenntnisschule dann offiziell anerkannt335. Meiser blieb jetzt nur noch, die evangelischen Eltern für die Bekenntnisschule zu mobilisieren336. Dazu initiierte er bereits 1948 die Gründung evangelischer Elternschaften und wies die Pfarrer Anfang 1951 an, die Eltern dafür zu gewinnen, ihre Kinder für die Bekenntnisschule einzuschreiben337. Um den Fortbestand der Bekenntnisschule zu sichern, hielt er zudem kategorisch an der konfessionellen Lehrerbildung fest. In den harten politischen Kämpfen der 1950er Jahre über eine gesetzliche Regelung der Lehrerbildung insistierte Meiser darauf, dass Volksschullehrer nicht an Universitäten, sondern nur an pädagogischen Hochschulen mit konfessioneller Ausrichtung ausgebildet werden dürften338. Die Verabschiedung des bayerischen Lehrerbildungsgesetzes von 1958339, das die Ausbildung von Volksschullehrern weitgehend in seinem Sinne festschrieb, erlebte Meiser nicht mehr. Im Gegensatz zu seinem bildungspolitischen Engagement blieben zwei medienpolitische Initiativen Meisers erfolglos. 1948 scheiterten seine in Kooperation mit der katholischen Kirche und der EKD erfolgten Bemühungen um die Gründung eines interkonfessionellen christlichen Rundfunksenders in Bamberg340. Besonders intensiv setzte er sich für die „Allgemeine Rundschau“ ein, eine fränkische evangelische Tageszeitung, die ihr Erscheinen 1941 hatte einstellen müssen. Meiser hoffte mit einer Tageszeitung mehr Leser zu erreichen als über die kirchliche Presse; zudem war der Erhalt einer evangelischen Zeitung für ihn ein Renommierprojekt gegenüber der katholischen Publizistik. Trotz Gegenstimmen und scharfer Auseinandersetzungen in den kir332 333 334 335 336 337
Vgl. oben Kap. IV, Anm. 32. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 196. Vgl. das „Gesetz über die Organisation der Volksschulen“ vom 8. 8. 1950 (ABlELKB 1951, 2–7). Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 200–202. Vgl. dazu und zum Folgenden ebd., 202–205. Vgl. die Bekanntmachung Meisers betr. Schulorganisationsgesetz vom 2. 1. 1951 (ABlELKB 1951, 1 f.). 338 Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 205–215. 339 Vgl. das „Gesetz über die Ausbildung für das Lehramt an Volksschulen“ vom 14. 6. 1958 (BGVBl 1958, 133 f.). 340 Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 246–262; vgl. auch Protokolle, Bd. 2, 564, Anm. 30.
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chenleitenden Gremien versuchte er die Zeitung auch dann noch zu retten, als sie wirtschaftlich längst am Abgrund stand. Als die „Rundschau“ 1951 verkauft werden musste, war dies für Meiser eine schwere persönliche Niederlage341. Während er alles unternahm, um den öffentlichen Einfluss der Kirche sicherzustellen, hielt Meiser sich in politischen Fragen, die keine kirchlichen Interessen berührten, meist zurück. Eine Ausnahme bildeten die Debatten um Wiederbewaffnung und Westintegration der Bundesrepublik, die nicht nur „den inneren Frieden des jungen Weststaates zu zerstören“ drohten, sondern auch die EKD „an den Rand ihrer Existenz“ brachten342. Während die Befürworter vor allem die Bedrohung durch die Sowjetunion ins Feld führten, meinten die Gegner, Remilitarisierung und Westintegration machten die Wiedervereinigung Deutschlands unmöglich; für die evangelische Kirche kam noch hinzu, dass diese Maßnahmen die östlichen Landeskirchen und die gesamtdeutsche Einheit der EKD gefährdeten. Meiser stellte sich zwar auf den Standpunkt, es handele sich um eine rein politische Frage, zu der die Kirche nicht Stellung beziehen dürfe, positionierte sich indirekt aber doch auf Seiten der Befürworter – auch wenn er dabei nicht so eindeutig hervortrat wie der Leiter des Hilfswerks der EKD und das CDUMitglied des Bundestags Eugen Gerstenmaier. Als Gegner von Wiederbewaffnung und Westintegration exponierten sich vor allem Niemöller und der Geschäftsführer des Bruderrats der EKD Herbert Mochalski. Das Mitglied des Rates der EKD und Synodalpräses Gustav Heinemann trat wegen Adenauers Wiederaufrüstungspolitik sogar von seinem Amt als Bundesinnenminister zurück343. Die Frage der Wiederbewaffnung wurde nach Ausbruch des Koreakrieges im Juni 1950 akut. Im August sprach sich der Rat der EKD gegen die Stimme Meisers344 klar gegen die Remilitarisierung aus345. Als Niemöller dann zwei Monate später in einem offenen Brief scharf die Wiederaufrüstungspolitik Adenauers kritisierte346, kam es zum offenen Dissens. Meiser ließ den Landeskirchenrat erklären, die Kirche müsse zwar in bestimmten Situationen „vom Wort Gottes her ein kritisches Wort zur Politik oder zur Staatsführung“ sagen, dürfe dabei aber nicht in das Amt Obrigkeit eingreifen; darüber hinaus sei es der Kirche verwehrt, Christen die Entscheidung „in politischen Tagesfragen“ abzunehmen oder „im Namen des Evangeliums politische Entscheidungen aufz[uz]wingen“347. Als die EKD im November 1950 die Wogen mit 341 342 343 344 345
Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 262–279. Zitate: Lepp, Tabu, 106. Vgl. ebd., 102–151, 164–190. Vgl. ebd., 112; Fix, Kirchenbund, 133. Vgl. die Erklärung des Rates der EKD vom 27. 8. 1950 (Abdruck u. a.: Protokolle, Bd. 4, 275 f.). 346 Vgl. das Schreiben Niemöllers an Adenauer vom 4. 10. 1950 (Abdruck: KJ 1950, 174). 347 Zitate aus der Erklärung des Landeskirchenrats vom 24. 10. 1950 (Abdruck: ebd., 193).
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einer Erklärung zu glätten versuchte, die kirchliche Amtsträger zur Zurückhaltung in politischen Fragen aufrief und feststellte, „daß die Gemeinschaft im Glauben nicht die Einheitlichkeit der politischen Urteile einschließt“348, glaubte Meiser nicht, dass sich Niemöller davon beeindrucken lassen würde, und kündigte an, dass er „nicht noch einmal um eines Scheinfriedens willen in ähnlicher Zurückhaltung […] verharren“349 werde. In der Sache selbst übte Meiser zunächst Neutralität. So führte er bei einem Besuch von Vertretern der evangelischen Kirche bei Adenauer am 5. November 1951350 aus, die Kirche „solle und wolle sich […] nicht in politische Entscheidungen einmischen“, sondern müsse sich auf ihren Auftrag beschränken, Verkündigung zu treiben und „Fürbitte für die Männer [zu] leisten, die die politische Verantwortung tragen“351. In diesem Sinne fiel auch die Kundgebung der Bischofskonferenz der VELKD „Die politische Verantwortung der Kirche“ vom März 1952 aus. Sie lehnte es ab, „Politikern konkrete Weisungen zu geben“, und erinnerte daran, dass es nach der Zwei-ReicheLehre unzulässig sei, „die Grenze zu verwischen, die zwischen Kirche und Welt, zwischen christlicher Gemeinde und politischer Ordnung“ bestehe352. Zum Zeitpunkt dieser Kundgebung hatte Meiser den Boden der Neutralität allerdings gerade verlassen. Anlass war eine Moskau-Reise Niemöllers Anfang 1952, die von der Presse und vom Bundeskanzler, aber auch von kirchlicher Seite scharf kritisiert wurde, weil sie als „Parteinahme für die Sowjetunion“353 aufgefasst wurde. Auch Meiser stellte sich gegen die Reise und ließ via VELKD verlauten, „die lutherischen Kirchen seien entschlossen, der drohenden Politisierung der Evangelischen Kirche in Deutschland mit allen Mitteln zu widerstehen“354. Kurz darauf tat er allerdings genau das, was er Niemöller vorwarf, und nahm politisch Stellung: Er unterzeichnete eine Kundgebung, die von Befürwortern der Wiederbewaffnung initiiert war und trotz scheinbarer Neutralität den Eindruck erweckte, die westdeutschen Kirchen bejahten die Wiederaufrüstung355. Zudem forderte Meiser – wenn auch erfolglos – neben
348 Erklärung des Rates und der Kirchenführerkonferenz vom 17. 11. 1950 (Abdruck: ebd., 223 f., Zitat: 223). 349 Vgl. M. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 153 (Zitat aus dem ebd., 167, Anm. 25, zit. Schreiben Meisers an Dibelius vom 27. 11. 1950). 350 Vgl. die Mitschrift Meisers (LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008-62 [Nr. 1526]; vgl. auch KJ 1951, 175–181; Lepp, Tabu, 134–136; und Renner, Nachkriegsprotestantismus, 149 f.). 351 Votum Meisers zit. nach KJ 1951, 181. 352 Kundgebung vom 12. 3. 1952 (Abdruck: KJ 1952, 27–33; Zitate: 27). 353 Lepp, Tabu, 139. 354 Zitat aus der „Neuen Zeitung“ vom 25. 1. 1952 (Abschrift: LAELKB, LB 0.2.0004-513); vgl. auch Renner, Nachkriegsprotestantismus, 155, 167 mit Anm. 32. 355 Vgl. die Kundgebung „Wehrbeitrag und christliches Gewissen“ vom Februar 1952 (Abdruck: KJ 1952, 14–17); vgl. auch das Protestschreiben westdeutscher Kirchenführer vom März 1952 an die Unterzeichner der Kundgebung (Abdruck: ebd., 17 f.); sowie Renner, Nachkriegsprotestantismus, 157 f.
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dem Ratsvorsitzenden Dibelius und anderen Ratsmitgliedern Niemöllers Rücktritt vom Amt des Leiters des Kirchlichen Außenamtes der EKD356. Neben Niemöller geriet im Frühjahr 1952 auch Mochalski in Meisers Visier. Zum Stein des Anstoßes wurde das von Mochalski mitinitiierte „Westdeutsche Treffen der jungen Generation“ Anfang März 1952. Eine auf diesem Treffen beschlossene Erklärung forderte zum Widerstand gegen die Wiederbewaffnung auf357. Das Treffen war selbst im Bruderrat umstritten und gab auch nicht die Mehrheitsmeinung der evangelischen Jugend wieder358. Meiser wurden vom Verfassungsschutz Informationen zugespielt, nach denen das Treffen kommunistisch unterwandert war und Mochalski Verbindungen zu politischen Stellen in der DDR und in die Sowjetunion haben sollte359. Die Konsequenz konnte für Meiser nur lauten, dass Mochalski als Geschäftsführer des Bruderrats zurücktreten musste360. Nachdem die bayerischen Vertreter – mit Unterstützung von Hannover und der Mehrheit der ostdeutschen Kirchen – im Juli 1952 beantragt hatten, Mochalski abzusetzen, gab er seinen Posten schließlich auf361. Der Rücktritt ging freilich nicht allein auf die bayerische Initiative zurück: Durch seine einseitigen politischen Stellungnahmen und die Methoden, mit denen er seine Ansichten öffentlich machte, hatte Mochalski sich auch bei Mitgliedern des Bruderrats genügend Feinde gemacht362. Ein letztes Mal trat Meiser hervor, als im Bundestag im Dezember 1954 die Ratifizierung der Pariser Verträge verhandelt wurde. Nach diesen Verträgen sollte der Besatzungsstatus aufgehoben und der Bundesrepublik die Souveränität zuerkannt werden; damit verbunden war ein Wehrbeitrag der Bundesrepublik und die Einbindung in das nordatlantische Bündnissystem363. Im Vorfeld übersandten einige Kirchenführer und Theologieprofessoren eine Eingabe an die Bundestagsabgeordneten, in denen sie bestritten, dass „der Staat von Gott her das Recht in Anspruch nehmen dürfe, solche Gesetze zu beschließen“364. Ingeborg Geisendörfer, CSU-Bundestagsabgeordnete und Ehefrau des bayerischen Pfarrers Robert Geisendörfer, bat Meiser darum, 356 Vgl. die Mitschrift Meisers über die Besprechung mit Dibelius, Hartenstein, Niemöller und Niesel am 19. 5. 1952 (Abdruck: Buchhaas-Birkholz, Weg, 155–160); vgl. auch Meisers Mitschrift über die Sitzung des Rates der EKD am 19. 6. 1952 (Abdruck: ebd., 160–166); sowie Protokolle, Bd. 6, 159 f. mit Anm. 31, 255 f. 357 Abdruck der Erklärung: KJ 1952, 25. 358 Vgl. Lepp, Tabu, 141. 359 Vgl. den Aktenvermerk Meisers „Betreff: Pfarrer Mochalski – Darmstadt“ vom 9. 4. 1952 (LAELKB, LB 0.2.0004-513). 360 Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 159–162. 361 Vgl. Buchst dt, Kirche, 252. 362 Vgl. das Schreiben der württembergischen Bekenntnisgemeinschaft an Beckmann, Böhm, Kloppenburg, Niesel und Scharf vom 5. 11. 1951 (LKA Stuttgart, D31/92); vgl. auch das Schreiben Erwin Wilkens’ an Adolf Wischmann vom 26. 6. 1952 (LAELKB, KDM 2.2.0004159). 363 Vgl. Lepp, Tabu, 185. 364 Eingabe vom 8. 12. 1954 (Abdruck: KJ 1954, 87 f.).
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beim Bundestag zu intervenieren365, was dieser auch umgehend tat: Als ein SPD-Abgeordneter die Eingabe am 15. Dezember 1954 in die Bundestagsdebatte einbrachte, verlas der CSU-Abgeordnete Gerhard Wacher eine Erklärung Meisers, nach der die Eingabe „nicht als Stellungnahme der Evangelischen Kirche in Deutschland im ganzen angesehen werden“ dürfe366. Faktisch stützte Meiser damit nun auch im entscheidenden Moment die Politik Adenauers367.
6. Versorgung und Integration von Flüchtlingen und Vertriebenen Ab 1945 strömten ca. 12,5 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene in die vier Besatzungszonen368, davon knapp zwei Millionen nach Bayern369. Angesichts des anfänglichen Ausfalls anderer deutscher Institutionen waren beide Konfessionen gefordert, den Betroffenen seelsorgerlich und materiell zu helfen. Die Zahl der evangelischen Flüchtlinge, deren Versorgung und Integration die bayerische Landeskirche zu schultern hatte, belief sich auf ca. 700.000, was einem Zuwachs der evangelischen Bevölkerung um ein Drittel entsprach370. Bei der kirchlichen Versorgung und Integration von Flüchtlingen und Vertriebenen spielte Meiser eine herausragende Rolle371. Nachdem er vom Kultusminister um Hilfe gebeten worden war372 und die Militärregierung signalisiert hatte, dass sie die Lebensmittelversorgung Bedürftiger nicht als ihre Angelegenheit betrachtete373, besprach er Ende Juni 1945 mit dem Rektor der Rummelsberger Diakonenanstalt Karl Nicol und einigen Pfarrern die Errichtung einer zentralen kirchlichen Hilfsorganisation. Bereits am 17. Juli 1945 erfolgte die Gründung des „Evangelischen Hilfswerks der Inneren Mission“374. Kurz darauf rief Meiser die Gemeinden zur Mithilfe auf375. Die Errichtung einer kirchlichen Hilfsorganisation erfolgte in Bayern früher als in anderen Landeskirchen; einige Grundsätze des bayerischen Hilfswerks wurden zum Vorbild für das am 31. August 1945 gegründete Hilfswerk der EKD376. 365 366 367 368 369 370 371 372 373 374 375 376
Vgl. den Aktenvermerk Ernst Fikenschers vom 14. 12. 1954 (LAELKB, LB 0.2.0004-445). Vgl. die Protokollauszüge aus der Bundestagssitzung (ebd.); KJ 1954, 88–92 (Zitat: 89). Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 165. Vgl. Baier, Flüchtling, 364. Vgl. Mensing, Schuldfrage, 146. Vgl. Kornrumpf, Bayern, 164; Renner, Nachkriegsprotestantismus, 11; und A. B. M ller, Meiser, 290. Vgl. Daumiller, Schatten, 104. Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 308. Vgl. Meisers Niederschrift über seine Besprechung mit Captain Landeen am 15. 5. 1945 (LAELKB, LB 0.2.0004-610); vgl. auch Renner, Nachkriegsprotestantismus, 309. Vgl. Baier, Flüchtling, 371; Kornrumpf, Bayern, 158–160; und Rudolph, Kirche, Bd. 1, 54–56. Vgl. den bei Kornrumpf, Bayern, 159, zit. Aufruf Meisers vom August 1945. Zum Hilfswerk der EKD vgl. Wischnath, Kirche.
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1946 appellierte Meiser an Industrielle, dafür zu sorgen, dass Flüchtlinge nicht „Gegenstand der öffentlichen und freien Wohlfahrt“ blieben, sondern „positiv in das Wirtschaftsleben eingefügt“ würden377. Kurz nach Gründung der Bundesrepublik forderte er Wohnungsbauprogramme, die Ansiedlung von Industrie auf dem Land sowie die Errichtung von Lehrlingsheimen und Internaten, um der Perspektivlosigkeit der Flüchtlingsjugend entgegenzusteuern378. 1951 richtete er auf Bitte von Bundesvertriebenenminister Hans Lukaschek eine Petition an den Europarat, eine Zweigstelle der Weltbank in der Bundesrepublik zu errichten379; dies begründete er mit der Gefahr der Bolschewisierung, die auch andere hohe kirchliche Repräsentanten wie Gerstenmaier oder der hannoversche Landesbischof Hanns Lilje heraufbeschworen und das christliche Abendland bedrohen sollte380. Ein großes Verdienst Meisers bestand darin, dass er den Flüchtlingen und Vertriebenen das Gefühl vermittelte, in der Landeskirche willkommen zu sein, und die Einheimischen dazu anhielt, ihre Ablehnung der heimatlosen Neuankömmlinge aufzugeben. So kündigte er den Flüchtlingen und Vertriebenen zu Weihnachten 1945 an, die Kirche wolle sie „spüren lassen, daß wir in der Gemeinschaft des Glaubens an den Herrn […] Euch helfen und raten, so gut wir können“; zugleich versprach er, „daß wir auch unsere Gemeinden aufrufen, als Christen, die denselben himmlischen Herrn haben wie Ihr, an Euch zu handeln und Euch Raum zu geben, wieder einzuwurzeln“381. Dieses Versprechen löste er im April 1946 ein, als er die Gemeinden früher als die Leitungen anderer Landeskirchen dazu aufforderte, den Flüchtlingen eine Heimat zu geben382. Da die Flüchtlinge auch weiterhin unter Abweisung und Benachteiligungen durch die Einheimischen litten, sah Meiser sich noch mehrfach zur Intervention veranlasst. Besonders eindrücklich brachte er seine Anteilnahme 1949 bei einem Flüchtlingsgottesdienst in Passau zum Ausdruck, wo er ausführte: „Ich grüße Euch als Bischof der Landeskirche, der Ihr nun zugehört, nicht als die Fremdlinge, die wir am liebsten nicht bei uns sähen, nicht als die lästigen Eindringlinge, um die sich kümmern mag, wer will, sondern als die Brüder und Schwestern in Christo, die unserem Herzen genauso nahe stehen wie alle die anderen, die schon immer bei uns waren.“383 377 Schreiben vom 25. 2. 1946 (LAELKB, LKR 0.2.0003-3915). 378 Vgl. das Rundfunkinterview „Landesbischof D. Meiser über aktuelle Flüchtlingsprobleme“ vom 28. 6. 1949 (LAELKB, LB 0.2.0004-335). 379 Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 343 f.; Fix, Kirchenbund, 132; und Protokolle, Bd. 5, 441, Anm. 31; vgl. auch den ebd., 489 f., abgedruckten Vermerk Rankes vom 27. 11. 1951; sowie die ebd., 490–493, abgedruckte Begründung Meisers. 380 Vgl. Rudolph, Kirche, Bd. 1, 123–125. 381 Zitate aus dem Rundschreiben an sämtliche Dekanate vom 3. 12. 1945 (LAELKB, LKR 0.2.00033928). 382 Vgl. Rudolph, Kirche, Bd. 1, 220, Anm. 22. 383 Predigt vom 15. 5. 1949 (Abdruck: H. Meiser, Kirche, Kampf, 241–247, Zitat: 241).
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Im selben Jahr rief er Einheimischen und Vertriebenen ins Gewissen, sich gegenseitig „in wirklicher brüderlicher Liebe und Hilfsbereitschaft […] das für alle so schwere Dasein wenigstens einigermaßen zu erleichtern“384. Die Verbundenheit der Kirche mit Flüchtlingen und Vertriebenen unterstrich er zudem durch Reisen in die sog. Flüchtlingsdiaspora385. Meisers Bereitschaft, Flüchtlingen und Vertriebenen Heimatrecht zu gewähren, war allerdings mit der Forderung verbunden, sich Bekenntnis und Ordnung der Landeskirche unterzuordnen. Dies entsprach zwar dem in allen Landeskirchen gültigen Kirchenrecht, wonach Zuziehende automatisch Glied der jeweiligen Territorialkirche wurden386, für Meiser spielte aber noch ein anderer Faktor eine wichtige Rolle: Zwar waren die Flüchtlinge und Vertriebenen meist Glieder lutherischer Gemeinden gewesen387, mehr als die Hälfte stammte aber aus unierten Kirchen388. Meiser wollte ausschließen, dass die Landeskirche „durch die Union infiltriert“389 wurde, und ließ auch nicht zu, dass Pfarrer und Gemeindeglieder aus Unionskirchen eigene Gemeinden oder kirchliche Parallelstrukturen aufbauten. Dazu führte er 1946 aus, die Landeskirche erwarte von den Flüchtlingen, dass „sie nicht im Rahmen unserer Landeskirche ein Sonderdasein führen und etwa gar Sonderkirchen bilden wollen, sondern […] mit unseren Gemeinden zu einem Ganzen verschmelzen“390. Dies bedeutete einerseits die volle kirchliche Integration, andererseits aber auch, dass Flüchtlinge und Vertriebene gottesdienstliche und kirchliche Traditionen ihrer Heimat aufgeben mussten. Um zu verhindern, dass die Neuankömmlinge das Profil der Landeskirche veränderten, verwehrte er ihnen in den ersten Nachkriegsjahren die volle Partizipation an gemeinde- und kirchenleitenden Funktionen und war nicht dazu bereit, Neuwahlen vorzunehmen oder die Wahlgesetze zu ändern. Er gestand ihnen lediglich zu, beratend an Kirchenvorstandssitzungen teilzunehmen; 1949 sollten dann neben zwei bereits ordentlich vertretenen Flüchtlingen weitere sieben mit beratender Stimme in die Synode berufen werden391. Auch die 1948 erfolgte Berufung des ehemaligen schlesischen Superintendenten Hellmuth Bunzel zum Beauftragten für kirchliche Vertriebenenarbeit bedeutete keine Kursänderung392. Die „Richtlinien für den kirchlichen Dienst an den Heimatvertriebenen“, die Meiser im Herbst 1949
384 385 386 387 388 389 390 391 392
Zitat aus dem oben Kap. IV, Anm. 378, erwähnten Rundfunkinterview. Vgl. Baier, Flüchtling, 368; A. B. M ller, Meiser, 290; und Daumiller, Schatten, 102 f. Vgl. Baier, Flüchtling, 366. Vgl. ebd., 369. Vgl. Mensing, Schuldfrage, 146. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 315. Landessynode Ansbach 1946, 21 f.; vgl. auch Renner, Nachkriegsprotestantismus, 318. Vgl. ebd., 321–328. Vgl. Baier, Flüchtling, 370; Renner, Nachkriegsprotestantismus, 320.
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erließ393, enthielten dann zwar einige Zugeständnisse, ließen am „uneingeschränkten Primat der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche“394 aber keinen Zweifel395.
Abb. 85: „Richtlinien für den kirchlichen Dienst an den Heimatvertriebenen“ (Auszug), 14. November 1949
Meisers Misstrauen galt anfangs besonders geflüchteten und vertriebenen Geistlichen. So beklagte er Ende 1945, die Landeskirche habe „mit den Flüchtlingspfarrern schlimmste Erfahrungen gemacht“, weil einige Schlesier geplant hatten, „eine eigene Kirche mit eigener Kirchenleitung“396 zu gründen397. Da für die Flüchtlinge nicht genügend Geistliche vorhanden waren, war Meiser aber schon bald bereit, sog. Ostpfarrer anzustellen und schließlich ganz in den landeskirchlichen Dienst zu übernehmen. Um zu verhindern, dass dadurch fremde Einflüsse oder Betrüger in die Landeskirche eindrangen, mussten diese sich allerdings einem Kolloquium unterziehen, was zwar auch in anderen lutherischen Landeskirchen der Fall war, von den Betroffenen aber als Demütigung empfunden wurde398. Nachdem sich die Ostpfarrer als integrationswillig erwiesen hatten, öffnete Meiser ihnen in den 1950er Jahren auch den Aufstieg in die kirchliche Hierarchie und ernannte 1953 den ersten hei-
393 Vgl. die Richtlinien vom 14. 11. 1949 (ABlELKB 1949, 134–136); vgl. auch die Entwürfe im LAELKB, LKR 0.2.0003-3918. 394 Renner, Nachkriegsprotestantismus, 325. 395 Vgl. den Protokollauszug der Sitzung des Landeskirchenrats vom 21. bis 24. 11. 1949 (LAELKB, LKR 0.2.0003-3918). 396 Votum Meisers auf der Sitzung des Rates der EKD am 13./14. 12. 1945 (Protokolle, Bd. 1, 129). 397 Vgl. Roepke, Protestanten, 433. 398 Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 312 f.
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matvertriebenen Pfarrer zum Dekan399. Bei Meisers Ausscheiden aus dem Amt waren dann alle Ostpfarrer in Bayern beschäftigt400. Die Flüchtlings- und Vertriebenenarbeit war ein weiteres Feld, auf dem es zu Ansätzen einer Zusammenarbeit von Meiser und Faulhaber kam. Diese beschränkte sich nicht nur auf die gegenseitige Überlassung von Kirchen für Gottesdienste. Da durch den massenhaften Zustrom bisher rein evangelische oder katholische Gebiete konfessionell durchmischt wurden, bemühten Meiser und Faulhaber sich seit Ende 1945 bei der bayerischen Regierung um die Verteilung von Flüchtlingen und Vertriebenen nach Konfessionen401. 1946 nahm Meiser ein Angebot an, gemeinsam mit Faulhaber die Schirmherrschaft über das Flüchtlingswerk des Bayerischen Roten Kreuzes auszuüben; zudem war er bereit, mit dem Kardinal das Patronat über ein sudetendeutsches Flüchtlingswerk auszuüben402. Obwohl Meiser konstatierte, der Flüchtlingszustrom habe „die Beziehungen der beiden Konfessionen zueinander wesentlich verbessert“403, verhinderte seine Furcht vor katholischer Dominanz aber die Gründung einer ökumenisch organisierten Flüchtlings- und Vertriebenenhilfe404. Meisers kirchliche Integrationspolitik wurde ein Erfolgsmodell: Am Ende standen 232 neue Pfarrstellen, 113 neue Gemeinden, vier neue Dekanate, ein neuer Kirchenbezirk sowie 300 eingestellte Ostpfarrer und 700 neue katechetische Hilfskräfte405. Nach anfänglicher Kritik und Enttäuschung überwog bei Flüchtlingen und Vertriebenen zum Schluss die Dankbarkeit für den Bischof, der ihnen das Heimatrecht in der Landeskirche gewährt hatte406. Der Preis, den sie dafür zahlen mussten – die Aufgabe der kirchlichen Identität ihrer Ursprungskirchen und die Assimilation an die bayerische Landeskirche – hatte auch politische Folgen: Die vollständige Integration in die Landeskirche relativierte Ansprüche und Hoffnungen auf die Rückkehr in die verlorene Heimat407. Diese Folge dürfte Meiser durchaus bewusst gewesen sein, denn er ging schon frühzeitig davon aus, dass „das Gebiet zwischen OderNeiße-Linie und der alten Reichsgrenze uns wohl kaum erhalten bleiben wird“408.
399 Vgl. Kornrumpf, Bayern, 146 f. 400 Vgl. Baier, Flüchtling, 368–370; Mensing, Schuldfrage, 146; vgl. auch die Unterlagen im LAELKB, LKR 0.2.0003-1575. 401 Vgl. Pfister, Partner, 173 f.; Baier, Flüchtling, 368. 402 Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 329 f.; Rudolph, Kirche, Bd. 1, 83 f. 403 Zitat aus dem oben Kap. IV, Anm. 378, erwähnten Rundfunkinterview. 404 Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 330–335. 405 Vgl. Baier, Flüchtling, 367. 406 Vgl. Renner, Nachkriegsprotestantismus, 322 mit 379, Anm. 182. 407 Vgl. Mensing, Schuldfrage, 146; Renner, Nachkriegsprotestantismus, 318. 408 Schreiben Meisers an Sieghard Prinz von Schoenaich-Carolath vom 18. 1. 1946 (LAELKB, LB 0.2.0004-518).
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B. Mitgestalter des deutschen Nachkriegsprotestantismus 1. Zweischneidige Mitarbeit in der Evangelischen Kirche in Deutschland Nach dem gesamtkirchlichen Fiasko der vergangenen 12 Jahre war den meisten kirchlichen Verantwortlichen 1945 klar, dass jetzt nicht einfach Verfassung und Ordnung der DEK wiederhergestellt werden konnten, sondern dass es zu einer grundlegenden Neugestaltung des deutschen Gesamtprotestantismus kommen musste. Die Vorstellungen darüber, wie sich die Neugestaltung vollziehen sollte, gingen freilich weit auseinander. Die Position, mit der Meiser in den Prozess der Neuordnung ging, konnte kaum überraschen: Er war zwar bereit, die Gemeinschaft mit den nicht-lutherischen Landeskirchen aufrechtzuerhalten, sah jetzt aber die Stunde gekommen, den lang ersehnten Zusammenschluss der lutherischen Landeskirchen zu einer vereinten lutherischen Kirche Deutschlands zu realisieren. Nachgeordnet konnten sich dann lutherische, reformierte und unierte Kirchen zu einer Föderation zusammenschließen, die freilich nicht den Anspruch erheben durfte, eine Kirche zu sein. Die Entwicklung ging allerdings schnell in eine andere Richtung, als Meiser und der stellvertretende Vorsitzende des Lutherrats Paul Fleisch hofften409. Weil Meiser die Gemeinschaft mit den nicht-lutherischen Landeskirchen nicht aufkündigen wollte, stimmte er der Einberufung einer von Wurm geplanten Kirchenkonferenz zu, die über den Neuaufbau des deutschen Gesamtprotestantismus verhandeln sollte410. Zugleich lud er zur ersten Nachkriegssitzung des Lutherrats ein, die Ende August 1945 unmittelbar vor der geplanten Kirchenkonferenz stattfand411. Auf dieser Sitzung legte Meiser dem Lutherrat die entscheidende Frage vor, nämlich „ob man jetzt bereit sei, die Vereinigte deutsche luth[erische] Kirche zu schaffen“412. Ausgerechnet sein langjähriger Weggefährte Wurm stellte sich gegen ihn: Wie sich schon in den letzten Jahren der NS-Herrschaft abgezeichnet hatte, hielt er die Zeit für die Ausrufung der lutherischen Kirche nicht für gekommen, wollte erst die Kirchenkonferenz abwarten und vereitelte so die Verwirklichung der lutherischen Pläne. Ergebnis der Sitzung war ein Kompromiss: Der Lutherrat erklärte einerseits seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit reformierten und unierten Kirchen in der Form eines Bundes, bekundete andererseits aber seinen Willen, „bei der Neuordnung der DEK die Lutherische Kirche Deutschlands zur 409 Vgl. Schneider, Zeitgeist, 212. 410 Vgl. Smith-von Osten, Treysa, 37. 411 Vgl. Schneider, Zeitgeist, 212–215; Besier / Ludwig / Thierfelder, Kompromiß, 179–211; und Smith-von Osten, Treysa, 92–101. 412 Ergebnisprotokoll Fleischs (zit. nach Schneider, Protokolle, 14).
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Darstellung zu bringen“413. Auf der Kirchenkonferenz vom 27. bis 31. August 1945 in Treysa gelang Meiser allerdings auch die Umsetzung dieses Vorhabens nicht: Ohne dass der lutherische Plan berücksichtigt worden wäre, kam es zur Gründung der EKD414. Sie war zunächst nur ein Provisorium und bestand im Wesentlichen aus einem neuen Leitungsgremium – dem ersten, vorläufigen Rat der EKD –, der die EKD vertreten und eine endgültige Ordnung erarbeiten sollte415. Damit war ein Präjudiz für die künftige Gestalt der Gesamtkirche geschaffen, das Meiser nichts Gutes erwarten ließ. Dazu trug vor allem die Delegation des Reichsbruderrats bei, die neben Vertretern von Lutherrat, Einigungswerk und Kirchenführerkonferenz in Treysa erschien und viele ihrer Vorstellungen durchsetzen konnte. In Treysa brachen die ekklesiologischen Differenzen zwischen dem von Meiser geführten lutherischen Flügel der Bekennenden Kirche und den Bruderräten416 wieder voll auf und machten sich in einer zermürbenden Debatte um Meisers Ratsmitgliedschaft Luft. Während die Vertreter des Lutherrats darauf bestanden, dass er Mitglied des Rates der EKD werden müsse, lehnten die Bruderratsvertreter dies ab, weil er für sie keine Gewähr dafür bot, dass die Anliegen der Bekennenden Kirche gewahrt würden, und weil sie bezweifelten, dass er überhaupt dazu bereit war, sich auf einen interkonfessionellen Zusammenschluss im Sinne Wurms einzulassen. Die Spannungen spitzten sich so zu, dass Meiser bereits auf gepackten Koffern gesessen haben soll417 und die Konferenz zu scheitern drohte. Am Ende stand ein Kompromiss: Wurm wurde zum Vorsitzenden, Niemöller zum stellvertretenden Vorsitzenden und Meiser zum Mitglied und einem der Sprecher des zwölfköpfigen Rates bestellt. Mit dieser personellen Konstellation, in der sich höchst unterschiedliche Konzeptionen verkörperten, zeichnete sich bereits ab, dass die Arbeit des Rates spannungsgeladen sein würde; Wolf-Dieter Hauschild beschrieb die EKD deshalb als „Konfliktgemeinschaft“418 – eine Beschreibung, die nicht nur für die Gründungsphase, sondern für die gesamte erste Nachkriegsdekade zutrifft. Meiser stimmte den Beschlüssen von Treysa zwar zu, das Ergebnis war für ihn aber unbefriedigend. Besonders empörte er sich über das Auftreten der Bruderratsvertreter419; erschwerend kam für ihn noch hinzu, dass in Treysa
413 Erklärung des Lutherrats vom 26./27. 8. 1945 (Abdruck: ebd., 25 f., Zitat: 25). 414 Vgl. dazu und zum Folgenden Smith-von Osten, Treysa, 102–140; Besier / Ludwig / Thierfelder, Kompromiß, 212–328; und Protokolle, Bd. 1, XXI–XXVII. 415 Vgl. die „Vorläufige Ordnung“ der EKD vom 31. 8. 1945 (Abdruck u. a.: Protokolle, Bd. 1, 12–15). 416 Vgl. oben Kap. III B.2.2. 417 Vgl. Smith-von Osten, Treysa, 119, Anm. 16. 418 Vgl. Hauschild, Konfliktgemeinschaft, bes. 309. 419 Vgl. das Schreiben Meisers an Fleisch vom 18. 9. 1945 (Abdruck: Besier / Ludwig / Thierfelder, Kompromiß, 381 f.).
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Abb. 86: Bestallungsurkunde Hans Meisers zu einem der Sprecher des ersten, vorläufigen Rates der EKD, 31. August 1945
seine Freundschaft zu Wurm „auf die härtete Zerreissprobe“420 gestellt wurde. Die Bildung der lutherischen Kirche Deutschlands trieb er von nun an ohne Württemberg voran421. Die kirchliche Öffentlichkeit in Bayern erfuhr von den Auseinandersetzungen freilich nichts. Meiser versandte vielmehr einen tendenziösen Bericht, in dem es schien, als hätten die Sitzung des Lutherrats und die Kirchenkonferenz die gleichen Ziele verfolgt; zudem fehlte ein Hinweis auf die konstitutive Rolle des Bruderrats bei der Gründung der EKD, vor allem aber eine Aussage dazu, dass die Kirchenkonferenz nicht nur einen Kirchenbund beschlossen, sondern ausdrücklich die „kirchlich gegründete innere Einheit“ der EKD betont hatte422. Der fehlende Hinweis auf die kirchliche Einheit der EKD war symptoma420 Schreiben Hermelinks an Wurm vom 3. 9. 1945 (Abdruck: ebd., 370). 421 Vgl. ebd., 31, und unten Kap. IV B.2. 422 Vgl. Smith-von Osten, Treysa, 145–153 (Zitat: 149); vgl. auch das Schreiben Asmussens an Meiser vom 3. 11.; das Schreiben Niemöllers an Meiser vom 21. 12. 1945; und das Schreiben Bogners an Asmussen vom 15. 3. 1946 (LAELKB, LB 0.2.0004-407).
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tisch für Meisers ceterum censeo, das in den nächsten zehn Jahren seine Mitarbeit im Rat der EKD bestimmte und das Karl-Heinz Fix mit der Überschrift „Kirchenbund – nicht Kirche“423 treffend auf den Punkt gebracht hat: Sein Beitrag zu Wesen und Gestalt der EKD bestand wesentlich darin, zu verhindern, dass diese sich zu mehr als einer Föderation entwickelte und als Kirche verstanden werden konnte424. Zudem wollte er sich von der EKD nicht davon abhalten lassen, nun doch noch zur Bildung einer vereinten lutherischen Kirche Deutschlands zu schreiten. Zwar konnte Meiser seine Positionen nur zum Teil durchsetzen, als Führungsgestalt der lutherischen Landeskirchen hatte seine Stimme aber großes Gewicht, sodass bei Entscheidungen über die künftige Gestalt der EKD kein Weg an ihm vorbeiging. Meiser versuchte schon frühzeitig, die EKD rechtlich auf einen Kirchenbund festzulegen. Im Januar 1946 kündigte er die baldige Gründung einer vereinten lutherischen Kirche an und legte einen Antrag vor, nach dem der Rat erklären sollte, dass es sich bei der EKD um eine „Föderation von Bekenntniskirchen“ handele, die nicht mehr aus Landeskirchen bestehen, sondern im Sinne der Drei-Säulen-Theorie425 auf einer lutherischen, einer reformierten und einer unierten Kirche basieren sollte426. Dabei stellte er sogar in Frage, ob der Name „Evangelische Kirche in Deutschland“ beibehalten werden könne, weil die EKD als Bund unterschiedlicher Bekenntnisse nicht als Kirche bezeichnet werden könne. Meisers Antrag wurde flankiert von einem Verfassungsentwurf für die EKD, den Fleisch ausgearbeitet hatte427. Der Rat war mehrheitlich freilich nicht dazu bereit, einen Schritt zu gehen, der die EKD ein für alle Mal auf eine Föderation reduziert hätte. Er bekräftige lediglich das Recht der Landeskirchen sich zusammenzuschließen, wollte aber gleichzeitig gewährleistet wissen, dass derartige Zusammenschlüsse nicht die Einheit der EKD zerstörten428. Damit musste Meiser zwar eine weitere Niederlage hinnehmen; seine Ankündigung aber, die lutherischen Kirchen würden sich nunmehr zusammenschließen, hing von nun ab wie ein Damoklesschwert über dem Rat. Als Meiser den Lutherratskirchen im Mai 1946 ohne Kenntnis der übrigen Ratsmitglieder einen Verfassungsentwurf für die VELKD zusandte429, spitzte sich die Lage so zu, dass der Rat in eine schwere Krise geriet. Zusätzlich befeuert wurden die Spannungen durch einen Aufsatz Stolls, der die EKD noch stärker minimalisierte als Meiser430, und umgekehrt durch eine Rede Niemöllers, der 423 424 425 426 427 428 429 430
Fix, Kirchenbund, 120. Vgl. Protokolle, Bd. 1, XXXI. Vgl. ebd., 334, Anm. 57. Vgl. das Referat Meisers „Die konfessionelle Frage innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland“ (Abdruck: ebd., 366–370, Zitat: 369). Abdruck: ebd., 370–374. Vgl. ebd., 323. Vgl. unten 4.2.2. Vgl. Stoll, Lage; vgl. auch Smith-von Osten, Treysa, 182–188.
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die lutherischen Pläne scharf verurteilte und betonte, dass Barmen das einzige Bekenntnis sei, auf das sich eine einige Kirche gründen könne; in seiner Rede beklagte sich Niemöller zudem in verletzender Weise über „die Kirchenmänner“, die im Kirchenkampf „keine klare kirchliche Stellung“ eingenommen hätten, was besonders auf Meiser zielte431. Nach einer gescheiterten Krisensitzung des Rates im Juni 1946432 kam es auf Initiative des Bruderrats der EKD zu zwei Besprechungen zwischen Bruderrat und Lutherrat, bei denen die künftige Gestalt der EKD und die Bedeutung des lutherischen Zusammenschlusses für die Gesamtkirche im Zentrum standen. Beim ersten Gespräch am 25. Juni 1946 in Neuendettelsau versicherte Meiser, die lutherischen Kirchen würden an der Einheit der EKD festhalten und auf eine Blockbildung verzichten433. Daraufhin kam es zu einer scheinbaren Einigung, die allerdings nicht lange vorhielt. Beim zweiten Gespräch am 18. Dezember 1946 prallten die Fronten wieder unversöhnlich aufeinander: Befeuert durch einen neuen Verfassungsentwurf für die VELKD434, hielten die Bruderratsvertreter dem Lutherrat vor, die EKD gar nicht ernsthaft zu wollen, während Meiser wie schon während der NS-Herrschaft meinte, der Bruderrat wolle eine Unionskirche schaffen435. Im Januar 1947 legte der Bruderrat dann eine Kompromissformulierung vor. Er sprach sich zwar gegen die VELKD aus, veröffentlichte aber eine Erklärung, die den Lutheranern insofern entgegenkam, als hier von der EKD als einem „Bund von bekenntnisbestimmten evangelischen Kirchen“ die Rede war und die Möglichkeit einer bekenntnismäßigen Gliederung der Unionskirchen offengehalten wurde436. Der Heidelberger Systematiker Edmund Schlink meinte daraufhin, die Gefahr einer Unionskirche sei gebannt, und bat Meiser, mit der Gründung der VELKD so lange zu warten, bis die Verhältnisse in der EKD geklärt seien437. Meiser war über die Erklärung zwar erfreut, lehnte die Bitte Schlinks aber ab und kündigte an, dass die lutherischen Kirchen, „um aus den schier endlosen Debatten endlich einmal herauszukommen, voranschreiten“438 würden. Zugleich signalisierte er aber auch Entgegenkommen. Am 4. Juni 1947 verabschiedete der Lutherrat eine Entschließung, in der es hieß: 431 Vgl. die Aktennotiz Matthes’ vom 21. 6. über Niemöllers Rede in Crailsheim am 17. 6. 1946 (Abdruck: Protokolle, Bd. 1, 622–625, Zitate: 623). 432 Zu dieser Sitzung am 21./22. 6. 1946 vgl. ebd., 577–584. 433 Vgl. Smith-von Osten, Treysa, 205–208. 434 Verfassungsentwurf vom 12. 9. 1946 (Abdruck: Schneider, Protokolle, 166–176). 435 Vgl. das Protokoll (Abdruck: ebd., 220–235); vgl. auch Smith-von Osten, Treysa, 237–240; Protokolle, Bd. 1, 728, Anm. 27. 436 Vgl. die „Gedanken zur Ordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland“ (Abdruck: KJ 1945–1948, 73–79, Zitat: 78; vgl. auch Smith-von Osten, Treysa, 241–245). 437 Vgl. ebd., 245 f. 438 Schreiben Meisers an Schlink vom 18. 4. 1947 (LAELKB, LB 0.2.0004-408); vgl. auch Smithvon Osten, Treysa, 246 f.
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„Die VELKD will innerhalb der EKD in brüderlicher Gemeinschaft mit den übrigen evangelischen Kirchen in Deutschland bleiben. Sie fühlt sich mitverantwortlich für das gesamte evangelische Kirchentum in Deutschland und würde es als einen Schaden […] ansehen, wenn die […] Gemeinschaft zerbrechen würde.“439
Diese Entschließung verlas Meiser auf der Kirchenversammlung am 5./6. Juni 1947 in Treysa, auf der sich nach monatelangen Streitigkeiten440 das weitere Schicksal der EKD entschied441. Die Entschließung sorgte zwar für neuen Zündstoff442, eröffnete aber die Möglichkeit zu einem Kompromiss. So nahm dann auch die Erklärung der Kirchenversammlung „Zur innerkirchlichen Lage“, in der der Rat beauftragt wurde, „möglichst bald einer verfassunggebenden Kirchenversammlung den Entwurf einer Ordnung der EKD […] vorzulegen“, ausdrücklich Bezug auf die Entschließung des Lutherrats443. Nach der Treysaer Kirchenversammlung geriet Meiser allerdings von Seiten der Ultra-Lutheraner in der eigenen Landeskirche unter Beschuss, weil es in der Erklärung der Kirchenversammlung hieß, die EKD stehe „auf dem Boden der in Barmen getroffenen Entscheidungen“. Zudem definierte die Erklärung die EKD nicht nur als Kirchenbund, sondern sprach davon, dass „sich in diesem Bund im gemeinsamen Hören auf das Wort Gottes Kirche im Sinne des neuen Testaments verwirklicht“; hinzu kam noch, dass Gemeindeglieder nicht mehr vom Abendmahl ausgeschlossen sein sollten, „weil sie einem anderen in der EKD geltenden Bekenntnis angehören“444. Für Sasse, Elert und den Schwabacher Konvent stellte dies eine Nivellierung der gegenseitigen Verwerfungen der Reformationszeit und eine Verletzung des lutherischen Bekenntnisses dar. Ihr Protest führte dazu, dass sich Meisers Position in den Debatten über die verfassunggebende Kirchenversammlung und die Grundordnung der EKD, die nach der Treysaer Kirchenversammlung einsetzten, wieder verhärtete445 und dass er alles daran setzte, das Zustandekommen der Grundordnung hinauszuzögern. So protestierte er im August 1947 gegen den ersten „Entwurf für eine Verordnung über die verfassunggebende Kirchenversammlung der EKD“446
439 Entschließung „zu dem Entwurf der Verfassung der Vereinigten Evang.-Luth. Kirche vom 12. September 1946“ (LAELKB, LB 0.2.0004-412; Abdruck: Schneider, Protokolle, 285–287, Zitat: 285). 440 Vgl. Smith-von Osten, Treysa, 251–276. 441 Zu Verlauf und Ergebnissen der Kirchenversammlung vgl. ebd., 277–293; vgl. auch Protokolle, Bd. 2, XV. 442 Vgl. Gundlach, Brunotte, 374. 443 Abdruck der Erklärung u. a.: Protokolle, Bd. 2, 195 f., Zitat: 196. 444 Zitate: ebd. 445 Vgl. Smith-von Osten, Treysa, 300–308; vgl. auch Wurm, Erinnerungen, 191 f. 446 Entwurf vom 10. 6. 1947 (Abdruck: Protokolle, Bd. 2, 234–237).
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und kritisierte den Entwurf scharf als „restlose[n] Synodalismus“447, weil der Kirchenversammlung Vorrang vor den Landeskirchen eingeräumt werde und die konfessionelle Frage nicht genügend berücksichtigt sei. Der Entwurf scheiterte genauso am Widerstand Meisers wie der erste Entwurf für eine Grundordnung der EKD448. Meiser monierte, dass der föderative Charakter der EKD nicht konsequent zur Geltung komme, und kritisierte, dass weder die Bedeutung von Barmen noch das Abendmahlsverständnis geklärt seien449. Im November bat er Wurm schließlich, vor einer Klärung der theologischen Differenzen „möge nicht mehr mit solch drängender Eile nach einer Fertigstellung und Annahme der Verfassung der EKD gestrebt werden“450. Seinen Verzögerungskurs setzte Meiser auch 1948 fort. Im Januar enthielt er sich bei der Beschlussfassung über die Verordnung über das Zustandekommen der Grundordnung451 der Stimme, weil nur die Landeskirchen, nicht aber eine allgemeine Kirchenversammlung den Zusammenschluss zur EKD herbeiführen könnten452. Ende Januar bat er Wurm dann um Verschiebung der für Mai anberaumten verfassunggebenden Kirchenversammlung453. Als im März ein neuer Entwurf für eine Grundordnung vorlag, der den Forderungen des Lutherrats nach einem rein föderativen Charakter der EKD weit entgegenkam454, übersandte Meiser eine Stellungnahme des Lutherrats, die zwar grundsätzliches Einverständnis signalisierte, aber zahlreiche Abänderungsvorschläge enthielt, die auch den letzten Verdacht des Unionismus ausräumen sollten455. Ende März meinte Meiser, der Zeitpunkt für eine endgültige Ordnung sei verfrüht und bis zur endgültigen Klärung der theologischen Fragen könne für die EKD nichts anderes als ein vorläufiges Statut in Frage kommen456. Im April fasste er seine Forderungen bei einer wegweisenden Besprechung über den Grundordnungsentwurf dann noch einmal zusammen457. 447 Votum Meisers auf der Ratssitzung am 5./6. 8. 1947, zit. nach ebd., 264, Anm. 78; vgl. auch Smith-von Osten, Treysa, 309–319. 448 Abdruck des Entwurfs vom 29. 8. 1946 u. a.: Protokolle, Bd. 2, 319–329; Schneider, Protokolle, 362–373; vgl. auch Smith-von Osten, Treysa, 322–332. 449 Vgl. sein bei Schneider, Protokolle, 327, abgedrucktes Votum auf der Sitzung des Lutherrats am 15./16. 10. 1947. 450 Schreiben Meisers an Wurm vom 10. 11. 1947 (Abdruck: ebd., 341 f., Zitat: 342). 451 Abdruck dieser Verordnung vom 14. 1. 1948 u. a.: Protokolle, Bd. 2, 368–371. 452 Vgl. ebd., 360 mit Anm. 27; vgl. auch das Schreiben des Landeskirchenrats gez. Meiser an die Kirchenkanzlei der EKD vom 12. 1. 1948 (LAELKB, LB 0.2.0004-409). 453 Vgl. das Schreiben Meisers an Wurm vom 30. 1. 1948 (Abdruck: Schneider, Protokolle, 413 f.). 454 Vgl. den Entwurf vom 9. 3. 1948 (Abdruck: Protokolle, Bd. 2, 401–410; vgl. auch Smith-von Osten, Treysa, 354 f.). 455 Vgl. das Schreiben des Lutherrats gez. Meiser an die Kirchenkanzlei der EKD vom 18. 3. 1948 (LAELKB, LB 0.2.0004-409; Abdruck: Schneider, Protokolle, 473–478; vgl. auch Smith-von Osten, Treysa, 356–358). 456 Schreiben Meisers an die Kirchenkanzlei der EKD vom 24. 3. 1948 (LAELKB, LB 0.2.0004-409). 457 Vgl. die Niederschrift über die Besprechung des Verfassungsausschusses der EKD mit Vertretern des Lutherrats, des Bruderrats, der reformierten und unierten Kirchen sowie der
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Obwohl er nicht alle Änderungswünsche durchsetzen konnte, ging es doch maßgeblich auf Meisers Einfluss zurück, dass die endgültige Fassung der Grundordnung den föderativen Charakter der EKD festschrieb und die Bekenntnisgrundlage der Gliedkirchen unangetastet ließ458. Dies ermöglichte es ihm, auf der Kirchenversammlung vom 9. bis 13. Juli in Eisenach459 der Grundordnung schließlich zuzustimmen, obwohl sie zugleich „die bestehende Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit“ betonte und die „von der ersten Bekenntnissynode in Barmen getroffenen Entscheidungen“ bejahte460. Die Zustimmung dürfte Meiser umso leichter gefallen sein, als von der Lutherischen Generalsynode, die unmittelbar vor der Kirchenversammlung getagt hatte, die Verfassung der VELKD angenommen worden war461. Im September 1948 beschloss die bayerische Landessynode den Beitritt zur EKD462, freilich nicht ohne dabei noch einmal festzustellen, dass die Mitgliedschaft in der VELKD Vorrang habe, dass die Landeskirche in Bezug auf ihr Bekenntnis und ihre Außenbeziehungen autonom bleibe und dass sie stets über die Wahrung des Bundescharakters der EKD wachen werde463. Nachdem Meiser auf der ersten Tagung der ersten Synode der EKD im Januar 1949 in den neuen Rat gewählt worden war464, betrachtete er es dann auch als seine wesentliche Aufgabe, über die Einhaltung der von der Landessynode genannten Grenzlinien zu wachen465. Zwar arbeitete er in der EKD in vielen Angelegenheiten konstruktiv mit, vertrat im Rat allerdings massiv die Interessen der VELKD und trug so dazu bei, dass auch der erste verfassungsmäßige Rat der EKD eine „Konfliktgemeinschaft“466 blieb. Die härtesten Konflikte im neuen Rat trugen Meiser und Niemöller aus. Meiser führte gegen Niemöller und das von ihm geleitete Kirchliche Außenamt einen regelrechten Kleinkrieg. Als im Frühjahr 1949 das Personal des Außenamts aufgestockt werden sollte, beantragte er eine drastische Senkung des Haushaltansatzes467. Im Frühjahr 1950 beklagte er dann die mangelnde Anbindung des Außenamts an die EKD und kritisierte, dass das Amt sich dem
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Kirchenkanzlei der EKD am 10./11. 4. 1948 (ebd.; vgl. auch Smith-von Osten, Treysa, 359–363). Text der Grundordnung vom 13. 7. 1948: ABlEKD 1948, 233–238; Abdruck nach anderer Vorlage u. a.: Protokolle, Bd. 2, 524–534; vgl. auch Brunotte, Grundordnung, bes. 110–132. Vgl. Eisenach 1948; Smith-von Osten, Treysa, 364–381. Zitate aus der Grundordnung nach Protokolle, Bd. 2, 524. Vgl. unten Kap. IV B.2. Vgl. ABlELKB 1948, 98. Vgl. ebd., 99. Vgl. Bethel 1949, 157; vgl. auch Protokolle, Bd. 3, 9; Fix, Kirchenbund, 121. Zum Verhalten Meisers in der Amtsperiode des ersten ordnungsgemäßen Rates der EKD vgl. Fix, Kirchenbund. Vgl. oben Kap. IV, Anm. 418. Vgl. Protokolle, Bd. 3, 18, 157 f., Anm. 35; vgl. auch das ebd., 162 abgedruckte Schreiben Meisers an den Rat vom 6. 4. 1949.
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Abb. 87: Der Rat der EKD in Stuttgart, 1949
Anschluss von Auslandsgemeinden an den LWB entgegenstellte468. Als das Außenamt 1951 Leitungsansprüche gegenüber deutschen Auslandsgemeinden in Italien erhob und damit einen Eklat auslöse, drohte Meiser mit der Gründung eines eigenen Außenamts der VELKD sowie der Sperrung der für das Außenamt vorgesehenen Umlagezahlungen an die EKD469. Auf dieser Linie lag 1952 auch Meisers Weigerung, einer Erhöhung der Personal- und Sachkosten des Außenamts zuzustimmen470. Neue Konflikte zwischen VELKD und Außenamt entzündeten sich 1953 an der Besetzung einer Stelle an den deutschsprachigen Gemeinden in Großbritannien. Jetzt setzte Meiser durch, dass das Amt Auslandspfarrer künftig nur noch dann mit der Vertretung der EKD gegenüber Auslandskirchen beauftragen durfte, wenn der Rat zugestimmt hatte471. Zugleich beantragte er, dass ein Teil der von der Bundesregierung für die kirchliche Auslandsarbeit der EKD gezahlten Mittel an die VELKD gehen sollte472. Als der Bund die Mittel erhöhte, forderte Meiser einen Teil der Erhöhung für die VELKD ein473. 1954 468 Vgl. Protokolle, Bd. 4, 110 f., Anm. 44. 469 Zu den Einzelheiten vgl. Protokolle, Bd. 5, 26 f., 262–265, 392 f., 439 f., 483; Protokolle, Bd. 6, 89 f. 470 Vgl. ebd., 85. 471 Vgl. Protokolle, Bd. 7, 28–30, 495 f., 549 f. 472 Vgl. ebd., 495, 521 f., 529–532, 550. 473 Vgl. Protokolle, Bd. 8, 474.
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stellte er im Rat dann kritische Anfragen zur kirchlichen Auslandsarbeit in Frankreich, Italien und Schweden474 und forderte aus konfessionellen Gründen personelle Veränderungen im Außenamt475.
Abb. 88: Teilnehmerausweis Hans Meisers für die Kirchenkonferenz und die Synode der EKD im Januar 1949 in Bethel
Ein weiteres Konfliktfeld zwischen Meiser und Niemöller war die deutsche Vertretung im ÖRK. Auf der Synode der EKD im Januar 1949 bezweifelte Meiser, dass die EKD die deutschen Kirchen vertreten könne, weil sie keine Kirche sei476. Damit konterkarierte er einen Konsens in der Synode, die Niemöller mit der Vertretung der EKD vor der Ökumene beauftragen wollte – und zwar als Ausgleich dafür, dass er nicht Vorsitzender des neuen Rates geworden war477. Meisers Votum veranlasste Niemöller dazu, die Beauftragung abzulehnen478. Kurz darauf beschloss die VELKD, ihre Gliedkirchen sollten sich einzeln beim ÖRK zur Mitgliedschaft anmelden, die Anmeldung aber über die EKD einreichen479. Durch dieses Vorgehen sah das Kirchliche Außenamt die 474 475 476 477 478 479
Vgl. ebd., 188 f. Vgl. ebd., 40 f., 292, 437, 449–451. Vgl. Bethel 1949, 264 f. Vgl. Protokolle, Bd. 3, 9–11. Vgl. Bethel 1949, 266–268. Vgl. Lutherische Generalsynode 1949, 155–157; vgl. auch den Beschluss der Bischofs-
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Mitgliedschaft der EKD im ÖRK gefährdet und hielt die Anmeldungen zurück. Daraufhin erklärte Meiser, dass die EKD als solche nicht im ÖRK vertreten bleiben könne480. Ihren Höhepunkt erreichten die Konflikte in der Frage, ob die Kirche zu politischen Angelegenheiten Stellung nehmen dürfe; Meiser versuchte 1952 gemeinsam mit anderen Ratsmitgliedern, Niemöller wegen dessen politischer Äußerungen zum Rücktritt vom Amt des Leiters des Außenamts zu drängen481. Hinter den Auseinandersetzungen zwischen Meiser und Niemöller standen letztlich wieder die konfessionellen Spannungen, die quer durch den Rat hindurchgingen und dessen gesamte Amtszeit bis 1955 bestimmten. Mit Rücksicht auf diese Spannungen verzichtete der Ratsvorsitzende Dibelius im Januar 1950 darauf, anlässlich einer Ratssitzung in Halle/Saale eine gemeinsame Abendmahlsfeier von Lutheranern, Reformierten und Unierten zu veranstalten. Dibelius und der sächsische Landesbischof Hugo Hahn rechneten damit, dass Meiser an der Feier nicht teilnehmen würde, was den Rat schwer belastet und der DDR Argumente gegen die gesamtdeutsche EKD geliefert hätte. Vor allem aber befürchteten sie, Meiser werde daraus den Schluss ziehen, als nächstes werde eine gemeinsame Abendmahlsfeier auf der Synode der EKD stattfinden, die dann als Beweis dafür ausgeschlachtet werden würde, dass die EKD eben doch eine Kirche und nicht nur ein Kirchenbund sei482. Dibelius tat gut daran, Meiser nicht zu provozieren, denn in dessen Visier gerieten selbst Angelegenheiten, bei denen die Konfessionsfrage gar nicht zur Debatte stand. Dies war z. B. der Fall, als Reinold von Thadden-Trieglaff 1949 einen Deutschen Evangelischen Kirchentag plante und zur Dauereinrichtung machen wollte. Meiser sah hier sogleich wieder die Gefahr des Unionismus heraufziehen, weil er meinte, der Kirchentag werde womöglich dazu benutzt, „um die Tendenzen nach einer einheitlichen deutschen Kirche, die durch die Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland nicht befriedigt worden seien, nun gewissermaßen hintenrum zu fördern“483. Aus konfessionellen Gründen wandte Meiser sich 1953/54 auch gegen eine Disziplinarordnung der EKD; er lehnte eine die Landeskirchen bindende Regelung von Disziplinarfragen durch die EKD ab, weil er hier die Bekenntnisverpflichtung der Pfarrer berührt sah484.
480 481 482 483 484
konferenz der VELKD vom 2. 5. 1949 (Protokoll: LAELKB, LB 0.2.0004-359) und unten Kap. IV B.2. Vgl. Protokolle, Bd. 3, 30, 181 f. mit Anm. 21–26. Vgl. oben Kap. IVA.5. Vgl. das Schreiben Dibelius’ an Kreyssig vom 20. 12. 1949; das Schreiben Hahns an Kreyssig vom 29. 12. 1949 (Abdruck: Protokolle, Bd. 4, 83–86). Vgl. Protokolle, Bd. 3, 184 mit Anm. 33 (Zitat: ebd.), 272 mit Anm. 12. Vgl. den Beschluss der Kirchenleitung der VELKD vom 9. 6. 1953 (LAELKB, LB 0.2.0004–359); das Schreiben Meisers an den Rat der EKD vom 9. 1. 1954 (Abdruck: Berlin-Spandau 1954, 524 f.); Protokolle, Bd. 7, 30 und 540 f.; und Protokolle, Bd. 8, 62.
Zweischneidige Mitarbeit in der Evangelischen Kirche in Deutschland
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In Reinkultur brachte Meiser sein konfessionelles Credo 1951 auf den Punkt, als sein Ratskollege und Präses der altpreußischen Generalsynode Lothar Kreyssig die Kirchenleitung der VELKD bat, zur geplanten Neuordnung der altpreußischen Union Stellung zu nehmen. Meiser urteilte, der vorgesehene Verfassungsentwurf lasse eine klare Bekenntnisgrundlage vermissen, und plädierte deshalb dafür, auf eine Neuordnung zu verzichten und die Union in Konfessionskirchen aufzulösen485. Kreyssig antwortete, eine Auflösung der altpreußischen Union komme nicht in Frage, weil es sich bei ihr um eine Kirche im vollen Sinne handele; für eine Kirche seien nicht die historischen Bekenntnisse konstitutiv, sondern die reine Predigt des Evangeliums und die rechte Verwaltung der Sakramente486. Meiser beharrte freilich darauf, dass für eine Kirche der Bekenntnisstand konstitutiv sei, und warf Kreyssig vor, die Neuordnung der altpreußischen Kirche laufe auf eine Konsensusunion hinaus, ohne dass zuvor die seit der Reformationszeit bestehenden Lehrdifferenzen zwischen Lutheranern und Reformierten ausgeräumt worden seien487. Da keine Aussicht auf eine Einigung bestand, verzichtete die altpreußische Kirchenleitung auf eine Erwiderung. Zu einer Einigung kam es auch nicht im Rat der EKD: Dibelius bemühte sich 1954 zwar, das konfessionelle Gespräch wieder in Gang zu bringen und das Verhältnis von EKD und VELKD zu klären, konnte die Spannungen aber nicht ausräumen488. Im Zuge dieser Bemühungen beleuchtete Wurms Nachfolger Martin Haug kritisch den Weg der EKD seit ihrer Gründung 1948 und forderte zur Stärkung der Gemeinsamkeit auf. Als Haug der VELKD dabei vorwarf, sie sei mit ihrer Formierung zu eilig vorgeprescht, bringe sich nicht genügend in die EKD ein und verschließe sich den Argumenten anderer Kräfte, erklärte Meiser dazu kurz und bündig: „Man lasse uns sein, was wir sind: Lutheraner!“489 Damit stellte er einmal mehr klar, dass mit ihm eine Weiterentwicklung der EKD zu einer wirklichen Kirchengemeinschaft nicht zu machen sein würde. Für Meiser war und blieb Kirche im vollen Sinn allein die VELKD.
485 Vgl. das Schreiben Meisers an Kreyssig vom 15. 2. 1951 (Abdruck: KJ 1951, 48–50). 486 Vgl. das Schreiben Kreyssigs an Meiser vom 18. 5. 1951 (Abdruck: ebd., 51–56). 487 Vgl. das Schreiben Meisers an Kreyssig vom 13. 9. 1951 (Abdruck: ebd., 57–62); vgl. auch die Niederschrift über die Sitzung der Bischofskonferenz der VELKD vom 5. 9. 1951: LAELKB, LB 0.2.0004-359. 488 Vgl. Protokolle, Bd. 8, 8 f. 489 Votum Meisers auf der Ratssitzung am 10./11. 11. 1954 zit. nach ebd., 398, Anm. 10; vgl. ebd., 397 f.
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2. Motor der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands Nachdem Meisers Pläne, eine vereinte lutherische Kirche Deutschlands auszurufen, im Sommer 1945 vorerst gescheitert waren490, verfolgte er dieses Ziel beharrlich weiter. Für ihn waren die reformatorischen Lehrunterschiede zwischen Lutheranern und Reformierten keine Nebensache, die durch die im Kirchenkampf gewachsene Gemeinschaft überholt gewesen wäre. Vielmehr war er überzeugt, bei den konfessionellen Differenzen ginge es um die letzte, biblische Wahrheit. Dieser Wahrheit aber kam für ihn das lutherische Bekenntnis am nächsten. Diese Überzeugung brachte Meiser auf der Landessynode im Juli 1946 mit einem Zitat von Wilhelm Löhe auf den Punkt: „Die lutherische Kirche ist, weil sie Wort und Sakrament in reinem Bekenntnis hält, die Brunnenstube der Wahrheit […], hier ist […] nicht stückweise, sondern völlig […] die klare Wahrheit des Evangeliums. Was andere Gemeinschaften an Wahrheiten besitzen, vereinigt sich hier zur Wahrheit. Die vollkommene, im Feuer der Jahrhunderte bewährte, die Welt überwindende Wahrheit befindet sich hier!“491
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Meiser auch nach Gründung der EKD auf rasche Verwirklichung der vereinten lutherischen Kirche drängte. Dabei konnte er allerdings nicht mehr frei agieren: Seine Aktivitäten waren vielmehr mit der Entwicklung in der EKD verquickt492, was ihn zu zahlreichen Kompromissen zwang. Zudem war aus seiner „fehlgeschlagenen Offensive des Sommers 1945 […] eine permanente Verteidigungsposition geworden“493, auf der er unter starkem Legitimitätsdruck wieder und wieder rechtfertigen musste, wozu es nach der Gründung der EKD eigentlich noch einer gesonderten lutherischen Kirche bedürfe. Am Ende stand dann auch nicht die ursprünglich erhoffte vereinte lutherische Kirche, in der sämtliche lutherischen Landeskirchen als Sprengel aufgingen, sondern ein mit den anderen Kräften in der EKD und den Mitgliedskirchen des Lutherrats mühsam ausgehandelter institutioneller Kompromiss, an dem sich nicht einmal alle lutherischen Landeskirchen beteiligten494. Anfangs hoffte Meiser allerdings, es werde schnell gelingen, eine Verfassung für die VELKD zu entwerfen und die Mitgliedskirchen des Lutherrats zur Annahme zu bewegen. Im Mai 1946 übersandte er den angeschlossenen Kir-
490 491 492 493 494
Vgl. oben Kap. IV B.1. Landessynode Ansbach 1946, 26. Vgl. Schneider, Zeitgeist, 248. Hauschild, Selbstbewußtsein, 389. Vgl. ebd., 384 f.
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chen einen Verfassungsentwurf495 und rief sie dazu auf, nunmehr „mit der Tat zu bewähren“, was die lutherischen Kirchen seit dem 19. Jahrhundert „geplant und ersehnt“ hätten496. Der Verfassungsentwurf löste bei den Kirchen außerhalb des Lutherrats eine Flut ablehnender Äußerungen aus und führte im Rat der EKD zu einer schweren Krise497. Vor allem aber provozierte der Entwurf die definitive Absage der württembergischen Landeskirche, die sich jetzt klar „zur Einigung der Ev. Kirche in Deutschland […] auf Grund einer echten biblischen Unität mit dem Ziel einer endgültigen Gestalt und Ordnung, einer echten Kirchengemeinschaft“498 bekannte. Als Meiser im September 1946 im Lutherrat die Stellungnahmen der Mitgliedskirchen zum Verfassungsentwurf bekanntgab, berichtete er sichtlich getroffen über die Absage der württembergischen Landeskirche499. Mit der Berufung auf eine konfessionsübergreifende „biblische Unität“500 hatte Württemberg für ihn den Boden des reformatorischen Bekenntnisses verlassen. Die Preisgabe der lutherischen Vereinigungspläne zugunsten eines gesamtkirchlichen Gebildes ohne Bekenntnisgrundlage lehnte Meiser strikt ab, weil dies seiner Auffassung nach bedeutete, dass „im Land Luthers die lutherische Kirche zu Grabe getragen wird“501. Für den Fall, dass die lutherischen Kirchen durch äußeren Druck oder Majorisierung in ein bekenntnisloses Kirchengebilde hineingezwungen werden sollten, befürchtete er zudem, dass es anstelle der von Württemberg intendierten kirchlichen Einheit auch noch zu einer Spaltung innerhalb des Lutherrats und zur Abwanderung lutherischer Kirchengebiete in eine vereinte lutherische Freikirche kommen werde502. Trotz des Dissenses mit Württemberg gelang es Meiser, die übrigen Lutherratsmitglieder darauf einzuschwören, den Weg zur vereinten lutherischen Kirche weiterzugehen. Der Lutherrat beschloss, den Verfassungsentwurf jetzt den Synoden der Mitgliedskirchen vorzulegen503. Da Meiser bewusst war, dass es nicht nur in der EKD, sondern auch in den Lutherratskirchen Bedenken gegen die lutherische Vereinigung gab, regte er zudem ein umfassendes Maßnahmenpaket an, das den Standpunkt des Lutherrats fundieren und vermitteln sollte504. Meiser versuchte auch Württemberg zu überzeugen und übersandte dem Evangelischen Oberkirchenrat in Stuttgart Gutachten von 495 496 497 498 499 500 501 502 503 504
Abdruck des Verfassungsentwurfs vom 30. 4. 1946: Schneider, Protokolle, 45–54. Schreiben Meisers vom 20. 5. 1946 (Abdruck: ebd., 72 f., Zitate: 73). Vgl. oben Kap. IV B.1. Schreiben des Evangelischen Oberkirchenrats Stuttgart an den Lutherrat vom 10. 7. 1946 (Abdruck: Schneider, Protokolle, 118–125, Zitate: 121; vgl. auch Schneider, Zeitgeist, 235–243). Auf der Sitzung am 12./13. 9. 1946 (vgl. Schneider, Protokolle, 77–81, 97–99). Zu diesem Begriff vgl. Schneider, Zeitgeist, 237; Smith-von Osten, Treysa, 229–233. Votum Meisers zit. nach Schneider, Protokolle, 86. Vgl. ebd., 83. Vgl. ebd., 89. Vgl. ebd., 92.
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Elert, Merz und Sasse, in denen der Vorwurf erhoben wurde, die „biblische Unität“ laufe auf eine Union hinaus505. Meisers Hoffnung, Württemberg doch noch zum Umdenken zu bewegen506, erfüllte sich jedoch nicht: Wurm bemühte sich zwar um Schadensbegrenzung und wollte Meiser mit dem Zugeständnis ködern, die EKD solle ein lutherisches Gepräge erhalten, warnte aber vor der Schaffung eines lutherischen Zusammenschlusses, bevor die Verhältnisse in der EKD geklärt seien507. Nicht weniger scheiterte Meisers Plan, die Landeskirchen kurzfristig für die Annahme des Verfassungsentwurfs zu gewinnen508. Vielmehr zogen sich die Debatten über die Verfassung der VELKD noch bis 1948 hin. Außer in Württemberg wurden auch in den Lutherratskirchen Braunschweig, Sachsen, Lübeck, Thüringen, Schleswig-Holstein und der Lutherischen Klasse in Lippe Vorbehalte gegen eine vereinte lutherische Kirche und deren baldige Ausrufung laut. Diese Vorbehalte speisten sich vor allem aus dem ungeklärten Verhältnis von VELKD und EKD, aber auch aus der Lage der lutherischen Landeskirchen in der sowjetischen Besatzungszone und Befürchtungen, die Schaffung der VELKD werde die Lutheraner aus der altpreußischen Union verprellen. Neben dem Verhältnis von VELKD und EKD konzentrierten sich die Debatten in und außerhalb der Lutherratskirchen auf die Frage nach dem Verhältnis der VELKD zur Barmer Erklärung, auf das Verhältnis von bischöflichen und synodalen Elementen in der Verfassung der VELKD und die Frage nach einer möglichen Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft in der EKD509. Auch in seiner eigenen Landeskirche blies Meiser Gegenwind entgegen. Oppositionelle Pfarrer um Walther Fürst und Karl-Heinz Becker ließen ihren Bischof wissen, dass sie für die VELKD keine Mitverantwortung übernehmen würden und dass sie die EKD nicht als Kirchenbund, sondern als Kirche betrachteten510. Die Pfarrbruderschaft stellte die VELKD zwar nicht grundsätzlich in Frage, forderte aber ein Bekenntnis zur Barmer Erklärung und zur EKD511. Der Münchner Pfarrkonvent plädierte dafür, die Verabschiedung der Verfassung so lange zu verschieben, bis die Differenzen im deutschen Luthertum beseitigt seien512. Meiser versuchte die Reihen im Spätsommer 1947 505 Abdruck der Gutachten ebd., 140–166; vgl. auch Schneider, Zeitgeist, 238–240. 506 Vgl. das Schreiben Meisers an den Evangelischen Oberkirchenrat Stuttgart vom 19. 9. 1946 (Abdruck: Schneider, Protokolle, 184 f.). 507 Vgl. die Schreiben Wurms an Meiser vom 1. 10. und von Anfang Oktober 1946 (Abdruck: ebd., 192–194); das Schreiben Wurms an den Lutherrat vom 23. 11. 1946 (Abdruck: ebd., 214–219); sowie Schneider, Zeitgeist, 241–243. 508 Vgl. das Schreiben Meisers vom 7. 10. 1946 (Abdruck: Schneider, Protokolle, 183 f.). 509 Vgl. Schneider, Zeitgeist, 221–227. 510 Vgl. das Schreiben Fürsts vom 25. 10. 1946 (LAELKB, LB 0.2.0004-408). 511 Vgl. das Wort der Pfarrbruderschaft an die Amtsbrüder zu Pfingsten 1947 (LAELKB, LB 0.2.0004-428); vgl. auch H. Blendinger, Aufbruch, 82, 85. 512 Vgl. die Stellungnahme des Münchner Pfarrkonvents vom 5. 6. 1947 (LAELKB, LB 0.2.0004428).
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auf Dekans- und Pfarrkonferenzen zu schließen513, konnte aber nicht alle Pfarrer überzeugen: Fürst, Becker und Karl-Gerhard Steck warfen ihm vor, er befinde sich auf einem Irrweg, der bereits die Bekennende Kirche zerstört habe und jetzt auch die entstehende Einheit der EKD zu zerstören drohe514. Als sich die Kontroversen vor der Kirchenversammlung von Treysa vom Juni 1947515 zuspitzten, drängte Meiser, die lutherischen Kirchen dürften sich nicht länger vom Zusammenschluss zur vereinten lutherischen Kirche abhalten lassen516. Daraufhin empfahl der Lutherrat den angeschlossenen Kirchen, den Verfassungsentwurf ihren Synoden zur Annahme vorzulegen. Angesichts der Angriffe auf die lutherischen Pläne versicherte der Lutherrat zugleich, die VELKD wolle die Gemeinschaft mit den Kirchen in der EKD aufrechterhalten und bekenne sich zu Barmen – allerdings nicht im Sinn einer auf die Barmer Erklärung gestützten unionistischen Einheitskirche. Außerdem erklärte sich der Lutherrat zu theologischen Gesprächen über eine Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft bereit und sagte zu, nicht in lutherische Gemeinden in Unionskirchen eingreifen zu wollen517. Im Oktober 1947 musste Meiser jedoch zugestehen, dass die Annahme der Verfassung der VELKD sogar in seiner eigenen Landessynode unsicher war518. Um jetzt doch noch zur Annahme der Verfassung und zur Konstituierung der VELKD zu gelangen, schlug Meiser ein Prozedere vor, nach dem die Synoden zuerst den Beitritt zur VELKD erklären sollten, bevor der endgültige Verfassungstext von einer Generalsynode festgelegt wurde. Nach der Ratifizierung durch die Gliedkirchen sollte sich die VELKD dann endgültig konstituieren519. Meisers Vorschlag wurde vom Lutherrat angenommen und machte den Weg für die Gründung der VELKD frei, was auch für die bayerische Landeskirche galt: Ende Oktober 1947 stimmte die Landessynode der Bildung der VELKD zu520 und legte einen eigenen Verfassungsentwurf vor, in dem sich die Forderungen der innerbayerischen Opposition deutlich widerspiegelten521. Die Debatten schlugen zwar noch monatelang hohe Wellen und die verfassunggebende Generalsynode musste mehrfach verschoben werden, im Juli 1948 erreichte Meiser aber doch noch sein Ziel: Kurz vor der Verabschiedung der Grundordnung der EKD nahm die lutherische Generalsynode in Eisenach 513 Vgl. die Protokollauszüge der Sitzungen des Landeskirchenrats am 20. 8. und 1./3. 10. 1947 (LAELKB, LKR 0.2.0003-456). 514 Vgl. den offenen Brief vom Oktober 1947 (ebd.). 515 Vgl. oben Kap. IV, Anm. 441. 516 Auf der Sitzung des Lutherrats am 4. 6. 1947 (vgl. Schneider, Protokolle, 270–277). 517 Vgl. die Entschließung zum Verfassungsentwurf der VELKD vom 4. 6. 1947 (Abdruck: ebd., 285–287). 518 Vgl. ebd., 321. 519 Vgl. ebd., 333 f.; vgl. auch das Schreiben Meisers an die Gliedkirchen vom 11. 11. 1947 (Abdruck: ebd., 342–344). 520 Vgl. ABlELKB 1947, 97. 521 Vgl. den Abdruck des Entwurfs ebd., 98–101.
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Abb. 89: Teilnehmerausweis Hans Meisers für die Generalsynode der VELKD im Juli 1948 in Eisenach
die Verfassung der VELKD einstimmig an522. Als sich auf der ersten ordnungsgemäßen lutherischen Generalsynode im Januar 1949 in Leipzig die 522 Vgl. Lutherische Generalsynode 1948, 122.
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VELKD konstituierte, wurde Meiser zum Leitenden Bischof gewählt523. Damit fanden die lutherischen Vereinigungsbemühungen des 19. Jahrhunderts ihren Abschluss, was wesentlich dem bayerischen Landesbischof zu verdanken war. Meiser selbst sah in der Realisierung der VELKD die Krönung seines Lebenswerks: Als Bischofskonferenz und Kirchenleitung der VELKD im Februar 1951 eine Festsitzung aus Anlass von Meisers 70. Geburtstag veranstalteten, führte er aus, die Verwirklichung der VELKD sei „das größte Geschenk seines Lebens“524. Tatsächlich jedoch war die VELKD von 1948 „eine vom Ansatz her eigentlich mißlungene Konzeption“525. Sie überwand das Landeskirchenprinzip ebenso wenig wie es ihr gelang, alle lutherischen Landeskirchen einzubinden. So schlossen sich die lutherischen Landeskirchen von Württemberg und Oldenburg sowie die altlutherischen Freikirchen der VELKD gar nicht, Lübeck erst mit einem knappen Jahr Verspätung an526. Außer der Behauptung, die VELKD sei im Gegensatz zur EKD eine wirkliche Kirche, mangelte es ihr an theologischer Substanz527. Hinzu kam noch, dass die Parallelexistenz zweier evangelischer Großorganisationen schon innerkirchlich, erst recht aber einer breiten Öffentlichkeit kaum zu vermitteln war528. Mit seiner Feststellung, die reformatorischen Lehrdifferenzen seien keineswegs überwunden, hatte Meiser im Prinzip zwar recht; dies ließ ihn jedoch die Frage übersehen, ob die Umsetzung eines ekklesiologischen Programms aus dem konfessionellen Luthertum des 19. Jahrhunderts tatsächlich das geeignete Mittel war, um den der Kirche in der Notlage der ersten Nachkriegsjahre und im geteilten Nachkriegsdeutschland gestellten Herausforderungen zu begegnen und ihr Gehör zu verschaffen529. Meiser amtierte bis 1955 als Leitender Bischof der VELKD. An seinem Amtssitz in München wurde ein Sekretariat eingerichtet, dessen Geschäftsführung Pfarrer Hagen Katterfeld übernahm und das für die Beziehungen zu den Amtsstellen des Lutherischen Kirchenamts der VELKD in Hannover und Berlin zuständig war530. Unter Meisers Führung standen vor allem solche Maßnahmen im Fokus, die auf das Zusammenwachsen der Gliedkirchen und damit die Kirchwerdung der VELKD zielten. Dazu gehörten u. a. die Vereinheitlichung der kirchlichen Gesetzgebung, die Schaffung eines einheitlichen Kirchengesangbuchs, eine gemeinsame Agende, die Herstellung eines ein523 524 525 526 527 528
Vgl. Lutherische Generalsynode 1949, 104 f.; Schneider, Zeitgeist, 232. Niederschrift der Festsitzung am 12. 2. 1951 (LAELKB, LB 0.2.0004-359). Hauschild, Selbstbewußtsein, 385. Vgl. Schneider, Zeitgeist, 230 mit Anm. 122. Vgl. ebd., 232–235. Vgl. das Interview des Bayerischen Rundfunks mit Meiser vom 1. 2. 1949 (LAELKB, LB 0.2.0004-434). 529 Vgl. Fix, Kirchenbund, 135. 530 Schreiben Brunottes an die VELKD-Kirchenleitungen und die Mitglieder von Bischofskonferenz und Kirchenleitung vom 1. 6. 1955 (LAELKB, LKR 0.2.0003-458).
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heitlichen Katechismustextes und die Erarbeitung einer kirchlichen Lebensordnung. Meiser setzte sich besonders für die Förderung lutherischer Publikationsorgane ein, sorgte für die Unterstützung der Weimarer Lutherausgabe und schaltete sich auch in die Bibelrevision ein531. In politischen Fragen profilierte sich die Leitung der VELKD unter Meiser als Verfechterin der politischen Enthaltsamkeit der Kirche und begründete dies mit der Zwei-Reiche-Lehre. So führte Meiser vor der Generalsynode 1952 aus, die lutherische Kirche verleugne zwar nicht den Öffentlichkeitsauftrag der Kirche, müsse aber „auf klare Unterscheidung des weltlichen von dem geistlichen, des staatlichen von dem kirchlichen Bereich dringen“ und habe für die Entscheidung in „politische[n] Ermessensfragen […] weder Auftrag noch Vollmacht“; dies müsse sie vielmehr denjenigen überlassen, „denen Gott das Amt der Obrigkeit gegeben hat“532. Mit Blick auf die Wiederbewaffnungsdebatte533 wandte er sich entschieden gegen die Politisierung der Kirche, weil sie „damit von ihrem eigentlichen Auftrag, Botin des Heils und des ewigen Evangeliums zu sein“534, immer weiter abkomme. Diese Ausführungen zeigen exemplarisch, dass von der Leitung der VELKD während Meisers Amtszeit keine Impulse für eine grundlegende Neubesinnung über das Verhältnis von Staat und Kirche und über den Öffentlichkeitsauftrag der Kirche ausgingen – im Gegensatz zur EKD, wo Niemöller, Heinemann und andere ein neues Verständnis des Öffentlichkeitsauftrags der Kirche entwickelten und „in Abkehr von der Duldung und Nichteinmischung gegenüber dem nationalsozialistischen Staat“ jetzt „das kirchliche Wächteramt im Hinblick auf das politische Vorgehen des Staates“ herausstellten535. Umso mehr trat Meiser als Leitender Bischof der VELKD hervor, wenn es um die Reinheit des Evangeliums ging. Dies galt nicht nur innerevangelisch – etwa im Blick auf das Programm zur Entmythologisierung des Neuen Testaments536 –, sondern auch in Bezug auf die Lehrentwicklung der katholischen Kirche. Während der Rat der EKD im November 1950 schwieg537, als Papst Pius XII. die leibliche Aufnahme Mariens in die himmlische Herrlichkeit zum Dogma erhob, verlas Meiser eine von Schlink und Künneth vorbereitete Erklärung der Lutherischen Bischofskonferenz538, in der es hieß, das MarienDogma habe weder einen Grund in der Heiligen Schrift noch in den Lehren der 531 Vgl. Lutherische Generalsynode 1949–1954; vgl. auch die im LAELKB, LB 0.2.0004-359, überlieferten Niederschriften der Sitzungen der Kirchenleitung und der lutherischen Bischofskonferenz von 1949 bis 1954. 532 Zitate: Lutherische Generalsynode 1952, 46 f. 533 Vgl. oben Kap. IVA.5. 534 Lutherische Generalsynode 1952, 48. 535 Zitate: Oelke, Begeisterung, 304 f. 536 Vgl. oben Kap. IVA.1. 537 Vgl. KJ 1950, 57. 538 Vgl. die Niederschrift über die Sitzung der Kirchenleitung der VELKD am 26. 8. 1950 (LAELKB, LB 0.2.0004-359).
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Abb. 90: Die Landesbischöfe Niklot Beste, Wilhelm Halfmann, Reinhard Wester, Hugo Hahn und Hans Meiser auf der Generalsynode der VELKD vom 24. bis 29. April 1952 in Flensburg
alten Kirche, widerspreche dem Evangelium und schädige nachhaltig das Verhältnis der christlichen Kirchen zueinander539. 1954 war es erneut Meiser, der – diesmal mit nachträglicher Billigung des Rates der EKD – als Leitender Bischof der VELKD protestierte, als das deutsche Volk auf dem Katholikentag an das unbefleckte Herz Mariens geweiht werden sollte540. Ein konfliktreicher Dauerbrenner blieb das Verhältnis der VELKD zur EKD. Wo für Meiser die Prioritäten lagen, machte er bereits im Frühjahr 1949 klar, als er eine Kürzung des Haushalts der EKD um 30 % beantragte; deutlicher als durch seine Bemerkung, „daß ein gesundes Verhältnis zwischen der Bedeutung einer Organisation und den Lasten, die man für sie zu tragen hat, bestehen“ müsse, hätte er die EKD kaum marginalisieren können541. Dahinter stand selbst ein halbes Jahrzehnt nach Gründung der VELKD noch immer die Furcht, bruderrätliche Kreise wollten die EKD in eine „unionistische Gesamtkirche umwandeln“542. Trotz dieser Furcht war Meiser gewillt, die konfessionellen Differenzen in 539 Vgl. den Abdruck der Erklärung im KJ 1950, 58–60. 540 Vgl. oben Kap. IVA.1. 541 Zitate aus dem Schreiben Meisers an die Gliedkirchen der VELKD vom 1. 4. 1949 (LAELKB, LKR 0.2.0003-456). 542 Bischofsbericht Meisers auf der Generalsynode 1954 (zit. nach Lutherische Generalsynode 1954, 37).
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der EKD zu überwinden, verlangte aber, die reformatorischen Lehrunterschiede müssten „ehrlich überwunden“ werden und dürften nicht „einfach verharmlost oder vertuscht oder in Abrede gestellt werden“543. Ein Zeichen dieses Willens waren die Bemühungen der VELKD, Lehrgespräche zwischen lutherischen und Theologen aus der Union herbeizuführen544. Realistische Erfolgsaussichten dafür bestanden jedoch kaum, da Meiser apodiktisch an seiner Überzeugung festhielt, dass „gerade unsere lutherischen Väter der Mitte der heiligen Schrift am nächsten standen und darum am besten davon zu zeugen in der Lage sind, was es um das Evangelium ist“545. Faktisch tat er dann auch mehr dafür, die konfessionellen Differenzen hervorzuheben als diese auszuräumen. So versuchte er mit Berufung auf das Bekenntnis die Kompetenzen der EKD zu beschneiden und Interessen der VELKD durchzusetzen. Dies war z. B. der Fall, als er aus konfessionellen Gründen gegen das geplante Disziplinargesetz der EKD Front machte546, aber auch bei der Betreuung von deutschen Auslandsgemeinden. Meiser beanspruchte für die VELKD das Recht, eine eigene Auslandsarbeit zu betreiben, weil auch diese „der Ausrichtung an einem bestimmten Bekenntnis“547 bedürfe. Dies kollidierte freilich mit den Zuständigkeiten des Kirchlichen Außenamts der EKD. Nach zähen Auseinandersetzungen stimmten die Vertreter der VELKD dem Diasporagesetz der EKD548 1954 zwar zu, Meiser betonte aber, die Zustimmung sei davon abhängig, dass „das Außenamt […] so umgewandelt wird, daß auch unserer lutherischen Kirche ein mitentscheidender Einfluß auf die Tätigkeit des Außenamtes […] gewährt wird“549. Ein weiteres Feld, auf dem Meiser konfessionelles Öl ins Feuer goss, war die Vertretung der EKD und ihrer Gliedkirchen im ÖRK550. Dazu fasste die Lutherische Generalsynode im Januar 1949 einen doppeldeutigen Beschluss, nach dem sich die Gliedkirchen der VELKD beim ÖRK einzeln anmelden, sich aber durch Vermittlung des Rates der EKD – und damit durch das Kirchliche Außenamt der EKD – vertreten lassen sollten551. So wurde auch verfahren552, 543 Bischofsbericht Meisers auf der Generalsynode 1951 (zit. nach Lutherische Generalsynode 1951, 16). 544 Vgl. z. B. den Beschluss auf der gemeinsamen Sitzung der Kirchenleitung und der Bischofskonferenz der VELKD vom 10. 6. 1953 (LAELKB, LB 0.2.0004-359). 545 Bischofsbericht Meisers auf der Generalsynode 1952 (zit. nach Lutherische Generalsynode 1952, 41). 546 Vgl. oben Kap. IV B.1. 547 Bischofsbericht Meisers auf der Generalsynode 1954 (zit. nach Lutherische Generalsynode 1954, 34). 548 Vgl. den Abdruck dieses Kirchengesetzes vom 18. 3. 1954 im KJ 1954, 7–9. 549 Bischofsbericht Meisers auf der Generalsynode 1954 (zit. nach Lutherische Generalsynode 1954, 35). 550 Vgl. schon oben Kap. IV B.1. 551 Vgl. oben Kap. IV, Anm. 479. 552 Vgl. das Schreiben Meisers an die Kirchenkanzlei der EKD vom 5. 2. 1949 (LAELKB, LKR 0.2.0003-456).
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bis die Konflikte zwischen Meiser und Niemöller 1952 einen Höhepunkt erreichten: Jetzt forderte Meiser die Gliedkirchen auf, ihre Vertretung gegenüber dem ÖRK nicht mehr durch das Außenamt der EKD, „sondern durch das Lutherische Kirchenamt wahrnehmen zu lassen“553. Weil Meiser es nicht auf einen Bruch ankommen lassen wollte, blieb es zwar bei einer Drohung554; die ständigen Querelen um die Vertretung im ÖRK zeigten aber ebenso wie die Beschlüsse der Kirchenleitung der VELKD über die Beschickung der Konferenzen des ÖRK – nach denen es am wichtigsten schien, mit welcher Konfession die lutherischen Vertreter bei der Anmeldung registriert wurden555 –, dass Meisers Verhältnis zum ÖRK nicht weniger von konfessionellen Gesichtspunkten gesteuert war als sein Verhältnis zur EKD.
3. Konfessionell bestimmte Mitarbeit in der weltweiten Ökumene Der Zweite Weltkrieg machte die Verwirklichung der bereits in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre beschlossenen Pläne für die Gründung eines Weltkirchenrats und für die Umwandlung des Lutherischen Weltkonvents in eine verfasste Institution unmöglich. Nach Kriegsende wurden die ökumenischen Fäden jedoch rasch wieder aufgenommen. 1947 kam es in Lund zur Gründung des LWB, 1948 folgte in Amsterdam die Gründung des ÖRK. Meiser war in beide Gründungen involviert und wurde Mitglied in bedeutenden Gremien der neuen Organisationen. Obwohl er beide Zusammenschlüsse begrüßte, richteten sich seine Sympathien aus konfessionellen Gründen in erster Linie auf den LWB. Meiser, seit 1933 Mitglied im Exekutivkomitee des Lutherischen Weltkonvents, war es im Dezember 1945 unmöglich, aus Deutschland auszureisen und an der ersten Nachkriegssitzung des Exekutivkomitees in Kopenhagen556 teilzunehmen. Er hatte aber schon vor Kriegsende Kontakt zu Sylvester Clarence Michelfelder, der Hanns Lilje 1945 als Exekutivsekretär des Weltkonvents ablöste557. Michelfelder streckte den deutschen Kirchen im Juli 1945 in einer Botschaft die Hand zur Versöhnung aus558 und begegnete Meiser im Oktober 1945 persönlich, als der Rat der EKD die Stuttgarter Schulderklärung 553 Schreiben Meisers an die Gliedkirchen vom 30. 7. 1952 (LAELKB, LKR 0.2.0003-457); vgl. auch die Niederschrift über die Sitzung der Kirchenleitung am 29. 7. 1952 (LAELKB, LB 0.2.0004359). 554 Vgl. die Niederschriften über die Sitzungen der Kirchenleitung und der Bischofskonferenz vom 11. 2. und der Kirchenleitung vom 24. 3. 1953 (ebd.). 555 Vgl. die Niederschrift über die Sitzung der Kirchenleitung vom 24./25. 11. 1953 (ebd.). 556 Vgl. Schmidt-Clausen, Weltkonvent, 235 f. 557 Vgl. das Schreiben Michelfelders an Meiser vom 16. 2. 1945 (LAELKB, LB 0.2.0004-492); zur Ablösung Liljes vgl. Schmidt-Clausen, Weltkonvent, 241. 558 Vgl. ebd., 234 f.
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ablegte559. Michelfelder wurde zum eigentlichen Motor der Gründung des LWB560 und hatte dabei Meisers volle Unterstützung. Bis zum Tod Michelfelders 1951 arbeiteten sie eng zusammen561. In einem Punkt war Meiser allerdings anderer Meinung als Michelfelder, nämlich in Bezug auf die Mitgliedschaft Marahrens’ im Exekutivkomitee. Marahrens hatte sich wegen seines Verhaltens gegenüber dem NS-Staat nicht nur in der Bekennenden Kirche, sondern auch in der Ökumene unmöglich gemacht562. 1945 trat er zwar als Präsident des Lutherischen Weltkonvents zurück, nicht aber von seinem Sitz im Exekutivkomitee. Das Exekutivkomitee beschloss im Dezember 1945, ihn zum Ausscheiden aufzufordern563; bei der Einladung zur Sitzung des Komitees 1946 wurde er dann übergangen564. Obwohl auch Meisers Verhältnis zu Marahrens schwer beschädigt war, bat er darum, Marahrens Gelegenheit zu geben, von sich aus zurückzutreten565 – ähnlich wie er Marahrens zwar den Rücktritt von seinem Amt als hannoverscher Landesbischof nahelegte, trotzdem aber dafür plädierte, ihn mit Respekt zu behandeln und ihm den Rücktritt selbst zu überlassen566. Als das Exekutivkomitee vom 24. bis 26. Juli 1946 in Uppsala tagte, gelang es Meiser als einzigem deutschen Mitglied, nach Schweden zu reisen. Auf dieser Sitzung wurde die Arbeit an der künftigen Verfassung abgeschlossen und die Gründungsversammlung des LWB für 1947 in Lund anberaumt567. Auf der Anreise wurde Meiser von Gerstenmaier begleitet und bekam starke antideutsche Ressentiments zu spüren568. Meiser war schon im Vorfeld der Sitzung bewusst, dass er als einziger Repräsentant der deutschen Lutheraner bei der ersten offiziellen Nachkriegsbegegnung mit Vertretern des Weltluthertums zur NS-Vergangenheit Stellung nehmen musste; nach einem überraschend herzlichen Empfang durch den neuen Präsidenten des Weltkonvents Erling Eidem legte er ein Schuldbekenntnis ab, das den Weg für die Mitarbeit der deutschen lutherischen Kirchen im Weltkonvent freimachte569. Michelfelder bezog Meiser und Lilje dann in die Vorbereitung von Lund ein
559 560 561 562 563 564 565 566 567 568 569
Vgl. oben Kap. IVA.2.; Schjørring, Michelfelder, 428. Vgl. ebd., 429. Vgl. H. Blendinger, Aufbruch, 106; J. Schieder, Meiser, 87. Vgl. Besier, Selbstreinigung, 111–158. Vgl. Schmidt-Clausen, Weltkonvent, 235–237. Vgl. das Schreiben Erling Eidems an die Mitglieder des Exekutivkomitees vom 8. 3. 1946 (LAELKB, LB 0.2.0004-492). Vgl. das Schreiben Meisers an Eidem vom 13. 5. 1946 (ebd.). Vgl. die Schreiben Meisers an Marahrens und an Wilhelm Mahner vom 23. 11. 1945 (Abdruck: Besier, Selbstreinigung, 234–238); Vollnhals, Entnazifizierung, 54; und Melzer, Vertrauensrat, 333. Vgl. Grundmann, Weltbund, 361; Schmidt-Clausen, Weltkonvent, 241 f. Vgl. Gerstenmaier, Streit, 262. Vgl. oben Kap. IVA.2.; Nelson, Rise, 384 f.; vgl. auch das Protokoll der Sitzung im LAELKB, LB 0.2.0004-492.
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und stimmte mit ihnen sein Konzept ab570. Bei der Auswahl der deutschen Vertreter nahmen Meiser und Lilje Schlüsselpositionen ein571. Da sie nur Delegierte aus Lutherratskirchen vorsahen, kam es zum Streit zwischen Meiser und Asmussen; am Ende wurden aber auch Lutheraner aus Kirchen berücksichtigt, die nicht im Lutherrat vertreten waren572. Meiser reiste als Leiter der deutschen Delegation nach Lund573 und setzte sich auf der Versammlung, die vom 30. Juni bis 6. Juli 1947 stattfand574, vorbehaltlos für die Umwandlung des Weltkonvents in den Lutherischen Weltbund ein575. Er wurde in das Exekutivkomitee des LWB gewählt und bald darauf Vorsitzender des Deutschen Nationalkomitees, dessen Vorsitz ab 1950 mit dem Amt des Leitenden Bischofs der VELKD verknüpft war576. Zudem gab er 1948 den offiziellen deutschen Berichtband über Lund heraus577. Meiser bewertete die Gründung des LWB als herausragendes kirchengeschichtliches Ereignis578 und meinte, die Versammlung werde dazu beitragen, „Deutschland aus seiner furchtbaren Isolierung herauszuführen“579. In der Tat entspannten seine guten Beziehungen zu den amerikanischen Kirchen das Verhältnis der deutschen lutherischen Kirchen zum Ausland; er übersah jedoch die Ablehnung, die aus den NS-Verbrechen resultierte und in den außerdeutschen Kirchen noch weit verbreitet war. Dies zeigte sich im Frühjahr 1949, als er an einer Besprechung über die Gründung einer vom LWB getragenen lutherischen Fakultät teilnahm. Meiser plädierte für die Ansiedlung in Deutschland, weil es geeignete Theologen besitze und im Zentrum der Konflikte mit dem Kommunismus, den westlichen Demokratien, der katholischen Kirche und dem Calvinismus stehe; dagegen wandte der Däne Alfred Jørgensen die Erinnerung an die deutschen Verbrechen an anderen Ländern ein. Jørgensens Votum war zugleich ein Signal dafür, dass Deutschland als Stammland der Reformation keineswegs mehr selbstverständlich die Führung im Weltluthertum beanspruchen konnte580. Meiser blieb für die deutsche Vertretung auch nach Lund eine zentrale Figur 570 Vgl. Schjørring, Michelfelder, 429. 571 Vgl. die Unterlagen im LAELKB, LB 0.2.0004-472; zur Rolle Liljes bei der Gründungsversammlung des LWB in Lund vgl. Oelke, Bischof. 572 Vgl. Smith-von Osten, Treysa, 179. 573 Vgl. das Schreiben Michelfelders an Wilhelm Maurer vom 28. 4. 1947; das Schreiben Meisers an Georg Prater vom 12. 5. 1947 (LAELKB, LB 0.2.0004-472). 574 Vgl. Schjørring, Lund; zur vorhergehenden Sitzung des Exekutivkomitees am 28./29. 6. 1947 vgl. das Protokoll im LAELKB, LB 0.2.0004-473. 575 Vgl. J. Schieder, Meiser, 85. 576 Vgl. Schneider, Protokolle, 317, 331 f.; Grundmann, Weltbund, 422–425. 577 Vgl. H. Meiser, Weltbund. 578 Vgl. Meisers Einleitung ebd., 5. 579 H. Meiser, Gesamtbericht, 96. 580 Vgl. das „Memorandum über die vom Exekutivkomitee des Lutherischen Weltbundes geplante Internationale Lutherische Theologische Fakultät. Ergebnis der Beratung des vom Exekutivkomitee beauftragten kleinen Ausschusses“ am 29. 4. 1949 (LAELKB, LB 0.2.0004-483).
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Abb. 91: Eröffnungssitzung der Tagung des Exekutivkomitees des LWB in Wien, 14. Februar 1955
und nahm im Exekutivkomitee Einfluss auf die weitere Entwicklung des LWB581. Als die Evangelische Akademie Tutzing 1950 Gastgeber des Komitees war582, wurde er Mitglied einer Kommission, die für die Neuaufnahme von Kirchen in den LWB zuständig war583. Er trug die Botschaft des Exekutivkomitees „an die Welt über Frieden und Krieg“584 mit und beteiligte sich intensiv an den Planungen für die zweite Vollversammlung des LWB in Hannover 1952585. Die bedeutende Rolle, die Meiser im Weltluthertum einnahm, kam besonders 1951 zum Ausdruck, als ihm von der Capital University in Columbus/Ohio die Ehrendoktorwürde verliehen wurde586. Auf der Vollversammlung 1952 wurde Meiser dann als Mitglied des Exekutivkomitees bestätigt, die Wahl Liljes zum Präsidenten des LWB markierte jetzt aber einen Generationswechsel587. Seinen Abschied aus dem Weltluthertum gab Meiser
581 Vgl. Meisers Tagungsunterlagen für die Sitzungen des Komitees 1948 in Schloss Hoekelum, 1949 in Oxford, 1950 in Tutzing und 1951 in Genf (LAELKB, LB 0.2.0004-482 bis 485). 582 Vgl. das Protokoll der Sitzung vom 1. bis 9. 8. 1950 (LAELKB, LB 0.2.0004-484). 583 Vgl. J. Schieder, Meiser, 86. 584 Text der Botschaft überliefert im oben Kap. IV, Anm. 582, erwähnten Protokoll. 585 Vgl. oben Kap. IV, Anm. 583. 586 Vgl. die oben Kap. IV, Anm. 524, erwähnte Niederschrift. 587 Zur zweiten Vollversammlung des LWB in Hannover vgl. Otte, Hannover; vgl. auch die Berichterstattung in der ELKZ 6 (1952), 285–295.
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kurz vor seinem Rücktritt vom Amt des bayerischen Landesbischofs mit einer Predigt auf der Sitzung des Exekutivkomitees im Februar 1955 in Wien588. Parallel zu den Vorbereitungen für die Gründung des LWB liefen nach Kriegsende auch die Planungen für die Gründung eines Weltkirchenrates, die auf der ersten Vollversammlung des ÖRK 1948 in Amsterdam vollzogen wurde589. Grundsätzlich bejahte Meiser den ÖRK. So betonte er nach der Gründung des LWB, das Luthertum habe „stets mit der Treue zum eigenen Bekenntnis die rechte oekumenische Weite verbunden“; darum wolle es sich in die „Gemeinschaft der ganzen Christenheit auf Erden“ einfügen und sei „erfüllt von dem heiligen Eifer für die Einigkeit aller derer, die den Namen Christi bekennen“590. Dementsprechend gehörte Meiser 1948 zu den deutschen Delegierten in Amsterdam591, wurde Mitglied des Zentralausschusses des ÖRK592 und nahm an dessen Sitzungen 1949 in Chichester/England und 1951 in Rolle/Schweiz teil593; zudem beteiligte er sich an den Vorbereitungen der zweiten Vollversammlung des ÖRK 1954 in Evanston/USA594 und war für die Benennung der lutherischen Delegierten aus Deutschland zuständig595, konnte aus gesundheitlichen Gründen aber nicht teilnehmen596. Trotz seiner Mitarbeit war Meisers Verhältnis zum ÖRK wegen konfessioneller Vorbehalte ähnlich gespalten wie sein Verhältnis zur EKD. Nachdem er sich schon in der NS-Herrschaft auf den Standpunkt gestellt hatte, dass der geplante weltweite Zusammenschluss konfessionsverschiedener Kirchen keine Kirche, sondern nur eine Föderation sein könne597, war es ihm in der Gründungsphase des ÖRK besonders wichtig, dass aus dem ÖRK nicht mehr als „ein Rat ,der Kirchen‘“ wurde, in dem „jede Kirche ihre volle Autonomie“ behalten sollte598. Zudem forderte er eine Mitgliedschaft nach Konfessionen und nicht nach Ländern599 – eine Forderung, die 1937 schon das Exekutivkomitee des Lutherischen Weltkonvents erhoben hatte600 und die sich 1947 auch der Lutherrat zu eigen machte601. Dieser Forderung widersprach es 588 Abdruck dieser Predigt vom 13. 2. 1955: H. Meiser, Kirche, Kampf, 265–271. 589 Vgl. L psen, Dokumente; Visser ’t Hooft, Vollversammlung. 590 Zitate aus dem undatierten Manuskript Meisers „Luthertum in Lund“ (LAELKB, LB 0.2.0004472). 591 Vgl. Protokolle, Bd. 2, 398. 592 Vgl. die Mitgliederliste „The Central Committee of the World Council of Churches September 1948“ (LAELKB, LB 0.2.0004-500). 593 Vgl. Meisers Reise- und Tagungsunterlagen (ebd. und im LAELKB, LB 0.2.0004-501). 594 Vgl. Evanston; Hoffnung. 595 Vgl. Protokolle, Bd. 7, 227, 255, 259, 654. 596 Vgl. den Auszug aus der Niederschrift über die Sitzung des Landeskirchenrats am 19. 3. 1954 (LAELKB, LKR 0.2.0003-3274; vgl. auch Protokolle, Bd. 8, 18, 134, 169, 188). 597 Vgl. oben Kap. III B.5. 598 Zitate: H. Meiser, Gesamtbericht, 97. 599 Vgl. das Schreiben Meisers an Michelfelder vom 29. 9. 1947 (LAELKB, LB 0.2.0004-487). 600 Vgl. oben Kap. III B.5. 601 Vgl. den Beschluss des Lutherrats vom 15./16. 10. 1947 (Abdruck: Schneider, Protokolle, 317).
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freilich, dass die deutschen Kirchen im ÖRK durch die EKD vertreten wurden, was zu einer Dauerfehde mit dem Kirchlichen Außenamt der EKD führte602. Meisers konfessionell bedingte Distanz zum ÖRK kam besonders auf einer ökumenischen Arbeitstagung im Februar 1951 in Rummelsberg zum Ausdruck: Er betonte die ungeklärten theologischen Differenzen zwischen den Konfessionen und warnte davor, auf der Basis von enthusiastischen „frommen Empfindungen“ alle konfessionellen „Grenzen und Zäune unbedenklich nieder[zu]reißen“, weil auf diesem Weg „die Frage der biblischen Wahrheit“ nivelliert würde603. Das Insistieren auf den konfessionellen Differenzen brachte den Lutheranern herbe Kritik ein und führte dazu, dass Meiser auch in der Ökumene in eine Verteidigungsposition geriet. So beklagte er sich bitter, als der Generalsekretär des ÖRK Willem Adolf Visser ’t Hooft den Lutheranern konfessionelle Selbstgenügsamkeit vorwarf. Dem hielt Meiser entgegen, den Lutheranern gehe es um eine „heilige Verpflichtung […], die uns unser Bekenntnis auferlegt“; deshalb sei es nicht länger hinnehmbar, dass „man uns […] dauernd mit einem moralischen Makel behaften will, weil wir nicht mit fliegenden Fahnen in das Lager der Calvinisten und Anglikaner gehen“604. Wie in der EKD beabsichtige Meiser allerdings zu keinem Zeitpunkt, die Zusammenarbeit im ÖRK aufzugeben. Dies zeigte sich exemplarisch im September 1954, als im Landeskirchenrat konfessionelle Vorbehalte gegen den ÖRK laut wurden. Meiser schloss sich einem Votum an, nach dem mit dem ÖRK zwar „keine enthusiastischen Hoffnungen verknüpft werden“ dürften, dass es „aber nicht richtig wäre, die Zusammenarbeit mit den anderen Kirchen aufzugeben“, weil sonst der gegenseitige Informationsaustausch und das gemeinsame geistliche Wachstum zum Erliegen kämen605. Meiser sah jedoch noch einen wichtigeren Grund für das Festhalten am ÖRK: Entsprechend seiner Überzeugung, das lutherische Bekenntnis komme der biblischen Wahrheit am nächsten, sah er eine besondere Sendung des Luthertums in der Ökumene, nämlich den „Ruf zur Heiligen Schrift als der Mitte des geistlichen Lebens in der Christenheit“606.
C. Ruhestand Meiser trat im Alter von 74 Jahren und nach knapp 22 Jahren Amtszeit aus gesundheitlichen Gründen als Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern zurück und ging zum 1. Mai 1955 hoch dekoriert in den 602 603 604 605
Vgl. oben Kap. IV B.1. Grußwort Meisers am 20. 2. 1951 (zit. nach der Mitschrift im LAELKB, LB 0.2.0004-487). Schreiben Meisers an OKR Friedrich Hübner vom 26. 8. 1952 (ebd.). Zitate nach dem Auszug aus der Niederschrift über die Sitzung des Landeskirchenrats am 21. 9. 1954 (LAELKB, LKR 0.2.0003-3274). 606 Ebd.
Ruhestand
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Ruhestand607. Zu seinen Auszeichnungen aus der ersten Nachkriegsdekade gehörte die Ehrenbürgerschaft der Stadt Ansbach608, die Ehrendoktorwürde der Capital University in Columbus/Ohio609 und das große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland610; an seinem letzten Tag im Amt wurde ihm zudem das Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen611. Mit Hochachtung und Verehrung berichteten sowohl die kirchliche als auch die Tagespresse über das Ausscheiden des langjährigen Bischofs612. Sein Ruhestand dauerte kaum mehr als ein Jahr und war von Krankheit gekennzeichnet. Schon im April 1955 konnte er wegen eines Krankenhausaufenthalts nicht an der Lutherischen Generalsynode teilnehmen, wo er als Leitender Bischof der VELKD verabschiedet werden sollte613, und musste im Mai auch der Einführung seines Nachfolgers im Amt des bayerischen Landesbischofs Hermann Dietzfelbinger fernbleiben. Soweit es ihm möglich war, erledigte er Korrespondenz, empfing Besucher, besprach sich mit ehemaligen Mitarbeitern und tauschte sich mit seinem Amtsnachfolger aus. Zusammen mit seiner Frau Elisabeth besuchte er regelmäßig Gottesdienste an seinem Alterswohnsitz in München-Solln, unternahm Ausflüge, besuchte Verwandte und Freunde und verbrachte einen Urlaub in Südtirol. Höhepunkte seines Ruhestands waren die Feier zum 400. Jubiläum des Augsburger Religionsfriedens im September in Augsburg, vor allem aber die Einweihung der neuen Münchner Matthäuskirche, bei der er die Einweihungspredigt hielt614. Der Abriss der Münchner Matthäuskirche durch die Nationalsozialisten 1938 war für Meiser ein schwerer Schlag gewesen615. Nachdem die NSMachthaber ihre Zusage nicht eingehalten hatten, für einen Neubau an anderer Stelle zu sorgen, hatte die Kirchenleitung nach Kriegsende mit dem Münchner Oberbürgermeister und der Bayerischen Staatsregierung über die Übernahme der Baukosten und einen neuen Standort verhandelt; der Staat übernahm dann zwar die Kosten, erkannte aber nur einen moralischen, nicht aber einen rechtlichen Anspruch auf Wiedergutmachung an. Was den Standort des Neubaus anging, einigten sich alle Beteiligten auf einen Platz am Sendlinger Tor616. Meiser war besonders wichtig, dass die neue Matthäuskirche weithin sichtbar war, Platz für größere kirchliche Veranstaltungen bot und 607 Vgl. A. B. M ller, Meiser, 294. 608 Vgl. die „Niederschrift über die außerordentliche Stadtratssitzung am Donnerstag, den 29. November 1951 um 17 Uhr im Sitzungssaal des Stadthauses“ (Privatarchiv Familie Meiser). 609 Vgl. oben Kap. IV B.3. 610 Vgl. die Verleihungsurkunde vom 9. 1. 1952 (Privatarchiv Familie Meiser). 611 Vgl. die Verleihungsurkunde vom 30. 4. 1955 (ebd.). 612 Vgl. z. B. das Evangelische Gemeindeblatt für München Nr. 18 sowie den Münchner Merkur vom 1. 5. 1955. 613 Vgl. Lutherische Generalsynode 1955, 155–164. 614 Vgl. Meisers persönlichen Kalender von 1955 (Privatarchiv Familie Meiser). 615 Vgl. oben Kap. III A.2.2.3. 616 Vgl. Eine Kirche, 78 f.
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Abb. 92: Urkunde über die Verleihung des Großkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland an Hans Meiser, 30. April 1955
Ruhestand
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Abb. 93: Hans Meiser als Ruhestandspfarrer bei der Hochzeit seines Neffen Franz Renner mit Annemarie Schaarmann, 12. August 1955
keinen Mehrzwecksaal, sondern einen sakralen Gottesdienstraum erhielt617. Die Grundsteinlegung erfolgte im November 1953; die Einweihung fand am 27. November 1955 statt618. 617 Vgl. das Schreiben Meisers an Hermann Strathmann vom 8. 12. 1950 (LAELKB, LB 0.2.000463). 618 Vgl. Eine Kirche, 83.
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In seiner Einweihungspredigt sprach Meiser über das Bibelzitat, das bereits das Portal der alten Matthäuskirche geziert hatte: „Dein Wort ist die Wahrheit“. Er rekapitulierte zunächst die Ereignisse von 1938 und deutete den Abriss jetzt als Zeichen eines Vernichtungsfeldzugs des NS-Staates gegen die Kirche. Er nutzte seine Predigt allerdings nicht dazu, um die Einweihung als Symbol für einen Triumph der Kirche über den Nationalsozialismus zu deuten. Vielmehr rief er der Gemeinde ins Gewissen, dass die neue Kirche nichts anderes als ein Ort der Verkündigung und des Hörens auf das Wortes Gottes sei, ein Ort, der im Gegensatz zum Wort Gottes ebenso wieder untergehen könne wie die alte Matthäuskirche619.
Abb. 94: Grab Hans Meisers auf dem St. Johannisfriedhof in Nürnberg
Mit der Einweihungspredigt verabschiedete Meiser sich von der Münchner Gemeinde. Später war er nicht mehr dazu in der Lage, Predigten zu über619 Vgl. den Abdruck der Predigt: H. Meiser, Kirche, Kampf, 272–278.
Ruhestand
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nehmen. 1956 verschlechterte sich sein Zustand so stark, dass er weitgehend zur Untätigkeit verdammt war und auch sein Vorhaben, eine Autobiographe zu verfassen, nicht mehr verwirklichen konnte. Schwer herzkrank, litt er von seinem 75. Geburtstag an dauerhaft an Infekten und wurde nicht mehr gesund. Die letzten Tage seines Lebens verbrachte Hans Meiser unter einem Sauerstoffzelt, bevor er am 8. Juni 1956 in München an Herzversagen starb620.
620 Vgl. das oben Kap. I, Anm. 9, erwähnte Interview.
V. Wertungen 1. Verehrung Wie keine zweite kirchenleitende Persönlichkeit in Deutschland genoss Meiser bei seinen Zeitgenossen Hochachtung, Verehrung und Dankbarkeit. Während der NS-Herrschaft ging die Verehrung im Wesentlichen noch von Gemeindegliedern und Pfarrern der bayerischen Landeskirche aus, zudem erwarb er sich im Weltluthertum hohes Ansehen. In der jungen Bundesrepublik wurde Meiser dann auch von Politikern und Medien als verehrungswürdige Persönlichkeit wahrgenommen, und zwar nicht nur in Bayern, sondern auch im Bund. Die Politik zeigte ihre Hochschätzung durch die Verleihung der Ehrenbürgerwürde und von Verdienstorden1. Die Verehrung erreichte nach Meisers Tod ihren Höhepunkt und mündete in mehreren bayerischen Städten in die Benennung von Straßen nach dem verstorbenen Landesbischof2. Die Hochschätzung Meisers hatte ihren historischen Ursprung im bayerischen Kirchenkampf vom Herbst 19343. Seine umjubelten öffentlichen Auftritte, die Bekenntnisgottesdienste und demonstrationsartigen Massenveranstaltungen sowie der Protest von Gemeindegliedern beim NS-Staat schufen eine gemeinschaftlich erlebte Schlüsselerfahrung, die sich tief in die kollektive Erinnerung der Landeskirche eingrub und für Jahrzehnte identitätsstiftende Wirkung entfaltete. Vor allem aber führte der „fromme Volksaufstand“4 gegen Meisers Absetzung zu einer in Deutschland einmaligen Identifikation der Gemeindeglieder mit ihrem Bischof und ließ Meiser zur Symbolfigur für Mut und Standhaftigkeit werden. Ihren ersten sinnfälligen Ausdruck fand seine Hochschätzung schon während des bayerischen Kirchenkampfes in der Aufstellung von Bildern des Landesbischofs in den Privathaushalten von Gemeindegliedern5. Das Aufstellen der Bilder hatte konfessorischen Charakter, allerdings nur im Sinne eines kirchenpolitischen Bekenntnisses, nicht aber einer politischen Fundamentalopposition gegen den NS-Staat6. In der Nachkriegszeit und der jungen Bundesrepublik setzte sich die Verehrung Meisers durch die Gemeindeglieder ungebrochen fort. Der Landesbischof bot sich den Gemeindegliedern, die vielfach treue Anhänger und 1 2 3 4 5 6
Vgl. oben Kap. IV C. Vgl. dazu und zum Folgenden Oelke, Erinnerungskultur, 211–218; Schulze, Meiser, 197–200. Vgl. oben Kap. III A.1.3. Vgl. oben Kap. III, Anm. 220. Vgl. oben Kap. III, Anm. 267; H. Meiser, Kirche, Kampf, 13. Vgl. Oelke, Erinnerungskultur, 217.
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Wähler Hitlers gewesen waren, gerade deshalb als Gegenstand der Verehrung an, weil „auch er Hoffnungen auf Hitler gesetzt hatte und doch genügend Distanz entwickelte, um die Kirche intakt zu halten“7; zudem konnten sich diejenigen Gemeindeglieder, die im bayerischen Kirchenkampf für Meiser protestiert hatten, durch die Verehrung des Bischofs vergewissern, während der NS-Herrschaft auf der „richtigen“ Seite gestanden und sich selbst „widerständig“ verhalten zu haben8. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs speiste sich die Verehrung nicht mehr allein aus dem Gemeinschaftserlebnis des bayerischen Kirchenkampfs, sondern wesentlich auch aus Meisers Solidarität mit der notleidenden Bevölkerung, seinem tatkräftigen Engagement beim Wiederaufbau und seinen Leistungen bei der Integration von Flüchtlingen und Vertriebenen sowie der Gründung der VELKD. Einige Zeitgenossen sahen in Meisers Wirken beim kirchlichen Wiederaufbau sogar seine eigentliche Lebensleistung9. Nicht zuletzt spielte auch Meisers große Nähe zur kirchlichen Basis eine Rolle, die sich seiner persönlichen, von Zeitgenossen als väterlich beschriebenen Ausstrahlung10 und der Tatsache verdankte, dass er sogar für einfache Gemeindeglieder ansprechbar war und deren Briefe meist persönlich beantwortete11. Die Bewertung von Meisers Verhalten während der NS-Zeit erfuhr im ersten Nachkriegsjahrzehnt eine fundamentale Wandlung. Obwohl er selbst stets daran festhielt, dass sein Widerstand gegen die Gleichschaltung der Landeskirche und die NS-Kirchenpolitik keine politische Opposition darstellen sollte, wurde er nun partiell als politischer Opponent gegen den Nationalsozialismus bewertet. Daran hatte zwar auch seine eigene Geschichtspolitik einen Anteil, nach der die Bekennende Kirche eine Widerstandsbewegung gewesen sein sollte12, die Umdeutung seiner Rolle in der NS-Zeit ging aber nicht von ihm selbst oder von kirchlichen Akteuren aus. Vielmehr waren es Politiker, die die Verehrung Meisers in der protestantischen Bevölkerung unkritisch aufgriffen und bei Glückwunschadressen und öffentlichen Ehrungen des Landesbischofs nicht zwischen kirchenpolitischem und politischem Widerstand differenzierten. Ein Hauptakteur bei der Umdeutung Meisers war der SPD-Politiker und Münchner Oberbürgermeister Thomas Wimmer13. Wimmer, während der NSZeit mehrfach verhaftet und im Konzentrationslager Dachau inhaftiert, attestierte Meiser 1951 zum 70. Geburtstag, er habe „in der schweren Zeit diktatorischer Willkür unerschrocken Widerstand“ geleistet und „damit Unge-
7 8 9 10 11 12 13
Jasper, Gutachten, 82. Vgl. Schulze, Meiser, 200. Vgl. J. Schieder, Meiser, 5. Vgl. Oelke, Erinnerungskultur, 217, Anm. 43; J. Schieder, Meiser, 54. Vgl. ebd., 99. Vgl. oben Kap. IVA.2. Vgl. Hanko, Wimmer.
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zählten ein leuchtendes Vorbild“ gegeben14. Andere wie der Ansbacher Oberbürgermeister Friedrich Böhner – Bruder des früheren Vizepräsidenten des Münchner Landeskirchenrats Karl Böhner und ehemals NSDAP-Mitglied15 – stellten Meiser als NS-Opfer dar und untermauerten auf diese Weise das Bild vom NS-Gegner. So begründete Böhner die Verleihung der Ehrenbürgerwürde der Stadt Ansbach an Meiser 1951 u. a. damit, dass der Bischof trotz der „schwere[n] Unbill“ und des „mannigfache[n] Leid[s]“, das er während der NS-Herrschaft – insbesondere während seiner Arretierung – erlitten habe, „seine klare Zielrichtung immer beibehalten“ und durch seine „große Seelenstärke“ zahlreichen Menschen „inneren Halt“ gegeben habe16. Ihren Gipfel erreichte die Verehrung Meisers nach seinem Tod 1956. Als sein Leichnam am 11. Juni in der Münchner Matthäuskirche aufgebahrt wurde, zogen tausende Gemeindeglieder am Sarg vorbei. Zur Trauerfeier erschienen zahlreiche Landesbischöfe, der bayerische Ministerpräsident, die Staatsregierung, Landtags-, Senats-, und Bundestagsmitglieder sowie Vertreter von Hochschulen, Wirtschaft und Bundeswehr; auch die katholische Kirche war vertreten, allerdings nur durch die zweite Garde17. Ähnliche Szenen wiederholten sich am folgenden Tag bei Meisers Beisetzung in Nürnberg. Auch hier zogen tausende Gemeindeglieder am Sarg vorbei; der Trauergottesdienst in der prominent besetzten Friedenskirche war so überfüllt, dass er über Lautsprecher ins Freie übertragen werden musste. Beim Trauerzug zum Johannisfriedhof, auf dem Meiser bestattet wurde, drängte die Menschenmenge sogar die Polizei zur Seite, um sich dem Zug anzuschließen, an dem neben dem Landeskirchenrat Vertreter der kirchlichen Jugend, ca. 500 Pfarrer sowie zahlreiche Diakone und Diakonissen teilnahmen18. Die meisten kirchlichen Trauerredner hoben Meisers Verdienste hervor und nannten dabei an erster Stelle sein Verhalten im bayerischen Kirchenkampf. So führte der Präsident der Landessynode Meinzolt aus, Meiser habe „sich als Schutz und Schild vor die Gemeinde gestellt“19, und Meisers Nachfolger Landesbischof Dietzfelbinger meinte, der Verstorbene sei während der NS-Herrschaft für „Freiheit und Recht“ eingetreten und habe „sich der Bedrohten angenommen“20. Der Vorsitzende des Rates der EKD Dibelius betonte zudem Meisers Bedeutung für den deutschen Gesamtprotestantismus, weil er 14 Zitate aus dem Schreiben des Stadtrats der Landeshauptstadt München an Meiser vom 16. 2. 1951 (Privatarchiv Familie Meiser). 15 Vgl. Woller, Gesellschaft, 111–113; vgl. auch die schriftliche Auskunft des Stadtarchivs Ansbach vom 28. 2. 2020. 16 Zitate aus der Niederschrift über die außerordentliche Sitzung des Ansbacher Stadtrats am 29. 11. 1951 (Privatarchiv Familie Meiser). 17 Vgl. Blätter für Innere Mission in Bayern, 9. Jg., Heft 6 vom Juni 1956, 5; Süddeutsche Zeitung Nr. 140 vom 12. 6. 1956; sowie Nürnberger Nachrichten Nr. 135 vom 12. 6. 1956. 18 Vgl. Blätter für Innere Mission in Bayern, 9. Jg., Heft 6 vom Juni 1956, 8–10; Nürnberger Zeitung Nr. 135 vom 13. 6. 1956, 1–3. 19 Blätter für Innere Mission in Bayern, 9. Jg., Heft 6 vom Juni 1956, 7. 20 Zitate: ebd., 6.
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Abb. 95: Trauerzug mit dem Sarg Hans Meisers von der Nürnberger Friedenskirche zur St. Johanniskirche, 12. Juni 1956
„in der allerschwersten Zeit des Kirchenkampfes in München gestanden und damit der Christenheit seines Vaterlandes einen entscheidenden Dienst geleistet habe“21. Der Leitende Bischof der VELKD und Präsident des LWB Lilje erwähnte darüber hinaus noch die weltweite Bedeutung Meisers und die Beharrlichkeit, mit der der Verstorbene den Zusammenschluss der lutherischen Landeskirchen zu VELKD vorangetrieben hatte22. Oberkirchenrat Schieder – als ehemaliger enger Mitarbeiter Meisers mit den Vorgängen im sog. Kirchenkampf präzise vertraut – sah in seiner Trauerpredigt allerdings Rechtfertigungsbedarf. Er betonte zunächst Meisers persönliche Verbundenheit mit der Stadt Nürnberg und schilderte das Leid, das der Verstorbene durch seine Verhaftung und die Diffamierungskampagnen während der NS-Zeit, den Verlust befreundeter Mitarbeiter und die schweren Erkrankungen in den letzten Lebensjahren erlitten habe23. Im Folgenden hob Schieder jedoch nicht Meisers Verdienste hervor, sondern griff die zeitgenössischen Vorwürfe auf, die der bruderrätliche Flügel der Bekennenden Kirche und landeskirchliche Opponenten wie vor allem Steinbauer24 gegen Meiser erhoben hatten, und verteidigte dessen Verhalten während der NS-Herrschaft. 21 Ebd. 22 Vgl. ebd. 23 Vgl. den Abdruck der Predigt im Nürnberger Evangelischen Gemeindeblatt Nr. 25 vom 17. 6. 1956, 1 f. 24 Vgl. oben Kap. III A.2.2.4.
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Ohne konkrete Versäumnisse zu benennen, gestand Schieder dabei zu, dass der Verstorbene sich gegenüber dem NS-Staat oft zögerlich verhalten und es nicht gewagt habe, aus der Defensive in die Offensive zu gehen. Er entschuldigte dieses Verhalten mit dem Hinweis auf Charaktereigenschaften Meisers, der keine Kämpfernatur gewesen sei, und führte – ganz im Sinne der von Meiser selbst vertretenen Obrigkeitslehre – aus, für den verstorbenen Bischof sei es wesentlich gewesen, dass „durch den Kirchenkampf nicht die Ordnung des Staates zerstört werde“. Ähnlich wie von Bodelschwingh habe er „nie der lieblose Kritiker des Staates“ sein wollen, sondern „der ,getreue Eckart‘, der – wenn es sein muß – zu einem bestimmten Handeln des Staates nein sagt“. Letzteres habe Meiser auch eindrucksvoll getan, als er „in einer schicksalsschweren Stunde“ – gemeint war der Empfang bei Hitler im März 193425 – „dem Gewaltigsten der damaligen bösen Zeit gegenüber ein männliches Nein gesagt“ habe26. Zudem sah Schieder sich genötigt, Meisers lutherisch-konfessionellen Kurs zu verteidigen, der während der NS-Herrschaft mitursächlich für die Spaltung der Bekennenden Kirche geworden war27 und nach dem Zweiten Weltkrieg zur Entstehung der Doppelstruktur von EKD und VELKD geführt hatte28. Schieder räumte zwar ein, dass Meiser sich unermüdlich für die lutherische Kirche eingesetzt und denjenigen Kräften im deutschen Protestantismus widerstanden habe, „die in enthusiastischem Schwung den ganzen deutschen Protestantismus einschmelzen wollten in eine große evangelische Reichskirche“, führte für den Verstorbenen aber ins Feld, dass „die Waffenbrüderschaft mit den unierten und reformierten Kirchen“ für ihn ein „Herzensanliegen“ gewesen sei und dass er mit „den anderen evangelischen Kirchen“ stets „getreue Nachbarschaft gehalten“ habe29. Die innerkirchliche Kritik, die in Schieders Predigt und – noch verhaltener – in einem Nachruf des Pfarrers der Münchner Matthäuskirche Loy30 durchschien, tat der Hochschätzung Meisers keinen Abbruch. Im Gegenteil: Auf politischer Seite befestigten die Massenaufläufe bei den Trauerfeiern das widerständige Bild Meisers noch. Von der Anteilnahme der Bevölkerung sichtlich beeindruckt, würdigte Landtagspräsident Ehard, der Meiser 1952 das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland überreicht31 und an der Münchner Trauerfeier teilgenommen hatte, den Verstorbenen bei einer Gedenkstunde im bayerischen Landtag als „Symbol der Glaubenstreue und des Bekennertums“ sowie als Mann, der im Nationalsozialismus allen „An25 26 27 28 29 30
Vgl. oben Kap. III A.1.2. Zitate aus der oben Kap. V, Anm. 23, erwähnten Predigt, 2. Vgl. oben Kap. III B.2.2. Vgl. oben Kap. IV B.1 und 2. Zitate aus der oben Kap. V, Anm. 23, erwähnten Predigt, 2. Abdruck: Evangelisches Gemeindeblatt für München, 59. Jg., Nr. 26 vom 24. 6. 1956, 224; vgl. auch Schobel, Benennung, 18. 31 Vgl. A. B. M ller, Meiser, 293 f.
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griffen auf Bekenntnis und Kirchenordnung“ und „auf die sittliche Ordnung unseres Volkes“ eine Standhaftigkeit entgegengesetzt habe, die „weit über seinen Wirkungskreis hinaus zum Vorbild“ geworden sei. Darüber hinaus lobte Ehard, Meiser habe sich in der Nachkriegszeit „mit unermüdlicher Tatkraft“ für Flüchtlinge und Vertriebene eingesetzt32 und als einer der ersten dazu beigetragen, den Deutschen „allmählich wieder Freunde und Helfer in der Welt zu gewinnen“33. Ungebrochen positiv meldete sich auch Wimmer zu Wort, der unter dem Eindruck der Trauerfeiern vor dem Münchner Stadtrat hervorhob, Meiser sei eine „einmalige Persönlichkeit“ gewesen, die während der NS-Herrschaft „nicht nur Mut gezeigt“ habe, sondern „darüber hinaus allen ein gutes Vorbild“ gewesen sei34. Auf kommunalpolitischer Ebene waren es neben Meisers Verhalten in der NS-Zeit zudem noch lokalspezifische Aspekte, die ihm Dankbarkeit, Verehrung und Hochschätzung einbrachten. So hob der Ansbacher Oberbürgermeister Karl Burkhardt in einem Kondolenzschreiben hervor, die Ansbacher Bevölkerung werde nicht vergessen, dass der Bischof bis zum Ende des Krieges in der Stadt ausgeharrt und den Bürgern Liebe und Fürsorge gespendet habe; zudem habe er an Ansbach als Tagungsort der Landessynode festgehalten und für einen Neubau der Landeskirchenstelle gesorgt35. Der Oberbürgermeister von Bayreuth Hans Rollwagen führte aus, seine Stadt habe Meiser die Errichtung der Kirchenmusikschule, des Predigerseminars und die Planung einer Kirche zu verdanken36. Insgesamt herrschte unter bayerischen Landes- und Lokalpolitikern breiter Konsens, dass Meiser „unerschrocken […] gegen Gewalt und Tyrannei“37 aufgetreten und wegen „seiner vorbildlichen Haltung im Dritten Reich und nach dessen Zusammenbruch“38 dauerhaft erinnerungswürdig sei. In der Folge wurden in Ansbach, Bayreuth, Kulmbach, München, Nürnberg, Pfaffenhofen an der Ilm, Pullach bei München, Schwabach, Schwandorf und Weiden in der Oberpfalz Straßen nach dem Verstorbenen benannt. In München kündigte Wimmer bereits am 12. Juni 1956 an, dass eine Straße Meisers Namen erhalten solle39. Zur Begründung hieß es, Meiser sei „ein furchtloser 32 Vgl. oben Kap. IVA.6. 33 Zitate aus der Niederschrift über die 67. Sitzung des bayerischen Landtags am 26. 6. 1956 (https://www.bayern.landtag.de/webangebot2/webangebot/protokolle;jsessio nid=1818358B08FD2FFDE3086BC41FD6EAA8?execution=e1s1 [zuletzt abgerufen am 21. 2. 2020]). 34 Zitate aus dem Protokoll über die Sitzung des Stadtrats am 12. 6. 1956 (zit. nach Schobel, Benennung, 5). 35 Vgl. das Schreiben an Elisabeth Meiser vom 9. 6. 1956 (Privatarchiv Familie Meiser). 36 Vgl. das Schreiben an Elisabeth Meiser vom 9. 6. 1956 (ebd.). 37 Beileidsbezeugung des stellvertretenden bayerischen Ministerpräsidenten Josef Baumgartner, zit. nach Nachrichten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, 11. Jg., Nr. 11/12 vom Juni 1956, 173. 38 Beileidsbezeugung Hoegners, zit. nach ebd. 39 Vgl. Schobel, Benennung, 5.
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Gegner des Nationalsozialismus“40 gewesen; ferner wurde ihm die Gründung der VELKD als Verdienst zugerechnet. Zu Debatten, ob Meiser dieser Ehrung würdig sei, kam es im Münchner Stadtrat nicht. Strittig waren lediglich der Standort, der genaue Name der Straße sowie die Frage, ob es sich bei einer Straßenbenennung um eine Ehrung oder nur um einen Verwaltungsakt handele. Nachdem der Landeskirchenrat auf die historische Bedeutung des Dienstgebäudes des Landeskirchenrats in der Arcisstraße 13 hingewiesen hatte, wo Meiser nicht nur seinen Amts- und Wohnsitz gehabt, sondern auch „die Kundgebungen entgegengenommen“ habe, „die ihm während des Kirchenkampfes, namentlich zur Zeit seiner Verhaftung, entgegengebracht wurden“41, beschloss der Stadtrat im März 1957 schließlich die Umbenennung des südlichen Teils der Arcisstraße in „Meiserstraße“. Die Benennung wurde am 1. August 1957 vollzogen42. Auch im Nürnberger Stadtrat blieben grundsätzliche Diskussionen darüber aus, ob Meiser für die Benennung einer Straße die geeignete Persönlichkeit sei. So erinnerte sich ein ehemaliges SPD-Stadtratsmitglied, bei der Beschlussfassung über die „Bischof-Meiser-Straße“ im März 1957 habe keine Debatte stattgefunden; die Ratsmitglieder seien vielmehr unhinterfragt davon ausgegangen, „dass Meiser ein Widerstandskämpfer war, weil sein Name immer im Zusammenhang mit dem Kirchenkampf 1934 gefallen war“43. Der Beschluss des Stadtrats erfolgte mit verschwindend geringen Gegenstimmen und kam außerhalb der Tagesordnung in nichtöffentlicher Sitzung „sozusagen auf Zuruf zustande“44. Nicht wesentlich anders verliefen die Straßenbenennungen in anderen Städten. So fasste der Schwabacher Stadtrat 1960 einstimmig und ohne Debatte den Beschluss, eine Straße in einer Neubausiedlung „Hans-MeiserStraße“ zu nennen45. Mit dieser Straße sollte daran erinnert werden, dass Meiser „1934 im 3. Reich widerrechtlich abgesetzt worden war“46. Als 1964 in Pfaffenhofen an der Ilm in einem Neubaugebiet vier Straßen nach Widerstandskämpfern benannt wurden, erfolgte der Stadtratsbeschluss, einer dieser Straßen den Namen „Bischof-Meiser-Straße“ zu geben, wiederum einstimmig
40 Amtliche Erläuterung (zit. nach ebd., 8). 41 Zitate aus dem Aktenvermerk „Betreff: Bischof Meiser-Straße“ vom 8. 3. 1957 (zit. nach ebd., 13). 42 Vgl. ebd., 6–14. 43 Zit. nach Stegemann, Schwierigkeiten, 123. 44 Bericht des Nürnberger Oberbürgermeisters Ulrich Maly auf der Stadtratssitzung am 24. 1. 2007 (zit. nach Stadt N rnberg / Ev.-Luth. Dekanat N rnberg, Umbenennung, 94); vgl. auch das Schreiben des Stadtarchivs Nürnberg an Hans Christian Meiser vom 2. 2. 2007 (Privatarchiv Familie Meiser). 45 Vgl. das Protokoll über die Sitzung des Schwacher Stadtrats am 11. 11. 1960 (Stadtarchiv Schwabach, Stadtratsprotokolle, 11. 11. 1960, Top 4). 46 Vermerk der Schwabacher Stadtverwaltung vom 9. 11. 1960 (Stadtarchiv Schwabach, Hauptamt Abgabe 1994).
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und ohne Debatte47. Die Begründung lautete, Meiser habe „unter dem Kirchenkampf während des 3. Reiches sehr zu leiden“48 gehabt. Einstimmig fielen im April 1957 ferner der Beschluss des Ansbacher Stadtrats, die Jägerstraße in „Bischof-Meiser-Straße“ umzubenennen49, sowie der Beschluss der Gemeinde Pullach von 1958, eine neu ausgebaute Straße „Bischof-Meiser-Straße“ zu nennen; Pullach stellte allerdings insofern einen Sonderfall dar, als die Benennung im Hinblick auf die geplante Ansiedlung des Prediger- und Studienseminars der VELKD – des heutigen Theologischen Studienseminars Pullach – erfolgte50.
Abb. 96: Bischof-Meiser-Straße in Pullach im Isartal, Sitz des Theologischen Studienseminars der VELKD
Während die Kommunalpolitiker mit den Straßenbenennungen die eindimensionale Erinnerung an Meiser als eines furchtlosen Widerstandskämpfers zementierten, konnte die bayerische Kirchenleitung die zeitgenössische innerkirchliche Kritik nicht ignorieren und lieferte ein differenzierteres Bild, das freilich apologetische Ziele verfolgte. Die quasi kirchenamtliche Erinne47 Vgl. die schriftliche Auskunft des Stadtarchivs Pfaffenhofen/Ilm vom 7. 10. 2014. 48 Protokoll über die Sitzung des Stadtrats am 16. 4. 1964 (zit. nach der oben Kap. V, Anm. 47, erwähnten schriftlichen Auskunft des Stadtarchivs). 49 Vgl. Oelke, Erinnerungskultur, 214, Anm. 26. 50 Vgl. Deprosse / M nzing, Straßennamen, 22.
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rung an den verstorbenen Bischof wurde festgeschrieben in einem vom Münchner Claudius-Verlag angeregten Gedenkband, mit dessen Herausgabe der Landeskirchenrat Schieder beauftragte. An diesem semi-biographischen, teilweise in anekdotischer Form verfassten Sammelband arbeiteten neben Schieder auch andere ehemalige Mitarbeiter und Weggefährten Meisers wie Riedel, Putz und Merz sowie Vertreter der VELKD und des LWB mit51. Landeskirchliche Opponenten und außerbayerische Kritiker hatten bei der offiziösen Erinnerung an Meiser keine Stimme. Der Gedenkband setzte die Linie fort, die sich bereits in den Trauerpredigten Schieders und Dietzfelbingers abgezeichnet hatte. Meiser erschien auch hier im Wesentlichen als verehrungswürdiges Vorbild, das standhaft über Bekenntnis und Selbstständigkeit der Landeskirche gewacht und sich der Bedürftigen angenommen hatte; eine Glorifizierung als offensiver NS-Gegner unterblieb jedoch. Wie schon in seiner Trauerpredigt griff Schieder die Vorwürfe der Bruderräte auf, Meiser sei für den Bruch in der Bekennenden Kirche verantwortlich gewesen, habe sich nur für den äußeren Bestand seiner eigenen Landeskirche eingesetzt, sei stets in der Defensive verblieben und habe in den entscheidenden kirchenpolitischen Situationen versagt. Um diese Vorwürfe zu entkräften, verwies Schieder auf Meisers entschiedenen Protest nach dem Sportpalastskandal, seine führende Rolle auf dem Ulmer Bekenntnistag und die mutige Konfrontation mit Hitler beim „Führerempfang“ im März 193452. Meisers öffentliches Schweigen zu NS-Verbrechen erklärte Schieder mit dessen „tief begründete[r] Angst, irgendwie die Staatsautorität zu zerstören“53. Dazu führte Schieder erneut das Beispiel von Bodelschwinghs an, der gegen den staatlichen Mord an Behinderten und Kranken ebenfalls nicht lauthals von der Kanzel protestiert, sondern den politisch Verantwortlichen ihr Unrecht hinter den Kulissen deutlich gemacht habe. Dieses Vorgehen legitimierte Schieder theologisch mit Röm 13, wonach es der Kirche zwar nicht verwehrt sei, Kritik an staatlichen Maßnahmen zu üben, allerdings nicht mit dem Ziel, den Staat zu zerstören. Auch Apk 13, wo ein totaler Staat beschrieben werde, erlaube es der Kirche nicht, gegen den Staat „auf die Barrikaden zu gehen“54. Die bruderrätliche Kritik an den kirchenpolitischen Kompromissen Meisers – vor allem in der Kirchenausschussfrage55 – konterte Schieder mit dem Hinweis auf Apg 12, wonach Petrus kein schlechterer Bekenner gewesen sei als Jakobus, nur weil Petrus aus dem Gefängnis befreit worden und nicht wie Jakobus den Märtyrertod gestorben sei – und Meiser kein schlechterer Bekenner als die Verfechter von Barmen und Dahlem, weil er es nicht riskieren 51 52 53 54 55
Vgl. J. Schieder, Meiser, 5 f. Vgl. ebd., 51 f. ebd., 53. ebd. Vgl. oben Kap. III B.2.2.
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Abb. 97: Umschlagseite von Julius Schieders Gedenkband „D. Hans Meiser. Wächter und Haushalter Gottes“, 1956
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wollte, durch totale Verweigerung jeder kirchenpolitischen Zusammenarbeit mit dem NS-Staat auch noch die letzten legitimen Reste in der Kirche zu zerstören56. Um theologischen Laien den in der Bekennenden Kirche und der EKD stark umstrittenen lutherisch-konfessionellen Kurs Meisers und sein Insistieren auf dem Zusammenschluss der lutherischen Landeskirchen zur VELKD verständlich zu machen, enthielt Schieders Gedenkband schließlich noch ein Kapitel über das lutherische Bekenntnis, das Meisers konfessionell bedingte Entscheidungen während und nach der NS-Zeit theologisch legitimierte57. Obwohl Politiker und Kirchenvertreter Meisers Verhalten im Nationalsozialismus unterschiedlich bewerteten, hatte die frühe Erinnerung an den verstorbenen Bischof ein gemeinsames Merkmal, dem wesentliche Bedeutung zukommt: Beide Seiten blendeten die Defizite Meisers – wie die Loyalitätsbekundungen an den NS-Staat58, die antisemitischen Stereotype in seiner Stellungnahme zur sog. Judenfrage von 192659, das öffentliche Schweigen zur Verfolgung und Vernichtung der Juden60 und die mangelnde Sensibilität für die millionenfachen Opfer der NS-Verbrechen, die auch noch nach Kriegsende bestehen blieb61 – gleichermaßen aus. Auf politischer Seite spielten dabei vermutlich auch mangelnde Kenntnisse über Meisers Verhalten in der NS-Zeit eine Rolle. Im Gegensatz zu den kirchlichen Insidern des „Kirchenkampfes“ dürften den Politikern in erster Linie diejenigen Aspekte seines Handelns bekannt gewesen sein, die öffentliche Aufmerksamkeit erregt hatten und ihn als entschiedenen Opponenten gegen den NS-Staat erscheinen ließen: die Diffamierungskampagnen der NSPresse, in denen Meiser als Staatsfeind dargestellt wurde62, die spektakulären Vorgänge um seine Absetzung, die in eine innenpolitische Niederlage des NSRegimes mündeten63, sowie der aufsehenerregende Abriss der Münchner Matthäuskirche, der als direkter Affront des NS-Regimes gegen den unbotmäßigen Bischof interpretiert werden konnte64. Entscheidend für die nahezu kritiklose Verehrung Meisers aber war ein Faktor, der für Politik, Gesellschaft und Kirche in der jungen Bundesrepublik gleichermaßen charakteristisch war: Die frühe Erinnerung an Meiser fügte sich „substantiell […] in die Bemühungen der Deutschen“ ein, „mit der Dynamik des Wirtschaftswunders die Vergangenheit hinter sich zu lassen und
56 57 58 59 60 61 62 63 64
Vgl. J. Schieder, Meiser, 54. Vgl. ebd., 66–75. Vgl. oben Kap. III A.2.2.1. Vgl. oben Kap. II 4.6. Vgl. oben Kap. III A.2.4.1 und 3.7. Vgl. oben Kap. IVA.4. Vgl. oben Kap. III A.2.1. Vgl. oben Kap. III A.1.3. Vgl. oben Kap. III A.2.2.3.
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vergessen zu machen“65. Meiser wurde zum Gegenstand der für die Ära Adenauer insgesamt typischen Vergangenheitspolitik, deren Ziel es war, einen Schlussstrich unter die NS-Vergangenheit zu ziehen66. Ergebnis war ein eindimensionales Bild Meisers, in dem seine Defizite entweder vollständig ignoriert oder nur selektiv benannt und durch theologische Legitimation marginalisiert wurden.
2. Kritische Aufarbeitung Das öffentliche Interesse an Meiser erlosch zwar ab Ende der 1950er Jahre, das Bild vom widerständigen Bischof hielt sich im identifikationsstiftenden Traditionsbestand der Landeskirche aber noch erheblich länger. Von der innerund außerkirchlichen Öffentlichkeit zunächst unbemerkt, begann sich dieses Bild im wissenschaftlichen Bereich ab Ende der 1960er Jahre fundamental zu wandeln. Waren die frühen Kirchenkampfdarstellungen und die Memorialliteratur über Meiser noch von den Beteiligten des „Kirchenkampfes“ selbst verantwortet worden und dementsprechend in deren Perspektiven verhaftet geblieben, machten sich Angehörige der nachfolgenden Generation im Rahmen der gesellschaftspolitischen Debatten um Schuldfrage und Vergangenheitsbewältigung in den 1960er Jahren daran, die Rolle der Kirchen und ihres Führungspersonals in der NS-Zeit sowie die kirchliche Vergangenheitspolitik in der Besatzungszeit und der Ära Adenauer kritisch zu analysieren und neu zu bewerten67. Jetzt wurden auch die bayerische Landeskirche und ihr früherer Landesbischof zum Gegenstand kritischer wissenschaftlicher Forschung, wobei mit jeder neuen Publikation stärker Versäumnisse und Defizite Meisers zu Tage traten68. Genährt von den ersten Forschungsergebnissen begann auch im kirchlichen Raum Kritik aufzukeimen, die sich in sehr verhaltener Form erstmals beim Meiser-Jubiläum 1981 vor einer breiteren Öffentlichkeit niederschlug. Einerseits konnte Landesbischof Johannes Hanselmann für die Kirchenleitung noch ungebrochen feststellen, die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern gedenke „in Dankbarkeit des 100. Geburtstages ihres ersten Landesbischofs“69, andererseits zogen sich die kritischen Anfragen indirekt aber schon wie ein roter Faden durch den Vortrag Dietzfelbingers beim Festakt am 15. Februar in der Evangelischen Akademie Tutzing. Dietzfelbinger, der – gesteuert von „amtsbrüderlicher Loyalität“ – ein 65 66 67 68
Oelke, Erinnerungskultur, 218. Vgl. Frei, Vergangenheitspolitik. Vgl. dazu und zum Folgenden Oelke, Erinnerungskultur, 219–223; Schulze, Meiser, 201 f. Zu den Einzelheiten der wissenschaftlichen Entwicklung vgl. oben Abschnitt 2 der Einleitung; vgl. auch Schulze, Verhalten, 304–307. 69 Memoriam, 9.
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„konventionell positives Bild Meisers“70 lieferte, versuchte die Kritik durch „großzügige Generalisierung“71 zu plausibilisieren und relativieren. Er mahnte, gegenwärtige Maßstäbe für das Verhalten von Christen könnten nicht an die Vergangenheit angelegt werden, weil auch scheinbar unveränderliche Maßstäbe stets relativ blieben. Er verwies darauf, dass Meisers Entgegengekommen gegenüber dem NS-Staat einer Denkweise geschuldet gewesen sei, die die meisten damaligen Theologen geteilt hätten und die dem Neuen Testament nicht eo ipso widersprechen würde. Zu Meisers öffentlichem Schweigen zur Judenverfolgung und -vernichtung brachte Dietzfelbinger vor: „Hier müssen wir von unser aller Schuld und Versagen reden, von der mangelnden Abwehr des militanten Antisemitismus schon in den zwanziger Jahren bis hin zu dem Unvermögen, in den vierziger Jahren noch Widerstand zu leisten“72. Retrospektiv mag es erstaunen, dass das offizielle Gedenken der Kirchenleitung von 1981 noch weitgehend an der positiven Bewertung des früheren Landesbischofs festhielt, obwohl die zentralen Kritikpunkte – die systemstützende Bejahung des NS-Staates, der kompromissbehaftete Kurs gegenüber der NS-Kirchenpolitik, der unterbliebene öffentliche Protest gegen die NSVerbrechen und die antisemitischen Ressentiments, die zu mangelndem kirchlichen Widerstand gegen die NS-Rassepolitik geführt hatten – von der Forschung bereits benannt worden waren und Kantzenbach vier Jahre zuvor festgestellt hatte, dass es in der bayerischen Landeskirche „nur wenige Einzelne waren“, die in der NS-Zeit für die „entscheidenden Probleme einen klaren Blick hatten“73 – womit implizit gesagt war, dass Meiser nicht zu diesen „Einzelnen“ gehörte. Zum Zeitpunkt des Jubiläums war das positive Bild Meisers in der Landeskirche aber noch tief verwurzelt und es bestand offenbar eine starke mentale Hemmschwelle, den vormals so verehrten Bischof in ein negatives Licht zu setzen. Dies zeigt selbst Münchenbachs bahnbrechende Teilbiographie von 197674, die – wäre sie veröffentlicht worden – das positive Bild schon damals zum Einsturz gebracht hätte75. Im Gegensatz zum zeittypischen „moralisierenden Investigationsgestus der Jahre nach 1970“76 stimmte Münchenbach zum Schluss seiner kritischen historischen Analyse überraschend versöhnliche Töne an und bilanzierte, durch die Verteidigung der Selbstständigkeit der Landeskirche und einer bekenntnisgemäßen Verkündigung habe Meiser „dem deutschen Protestantismus einen Dienst von größtem Wert
70 71 72 73 74 75
Zitate: Oelke, Erinnerungskultur, 225. ebd., 226. Memoriam, 73. Zitate: Kantzenbach, Einzelne, 107. Vgl. M nchenbach, Meiser. Vgl. auch Oelke, Erinnerungskultur, 220, der in Bezug auf die Teilbiographie Münchenbachs von einem „Qantensprung“ für die Erforschung Meisers spricht. 76 Bauer, Wellhausen, 133.
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geleistet“ und dazu beigetragen, dass im NS-Deutschland „der Wert einer christlichen Geistigkeit erhalten blieb“77. Gleichwohl markierte das Jubiläum einen tiefgreifenden Wandel in der Beurteilung Meisers. Die Rechtfertigungsversuche Dietzfelbingers lassen erkennen, dass das Bild vom widerständigen Bischof bereits irreversible Risse bekommen hatte. Dies war ein Zeichen dafür, dass die Beteiligten des „Kirchenkampfes“ die Deutungshoheit über die NS-Vergangenheit verloren hatten und sich nun der Kritik der jüngeren Generation stellen mussten. Analog zur gesamtgesellschaftlichen Entwicklung, wo die 68er-Generation ins Berufsleben eintrat und sich auf den „Marsch durch die Institutionen“ machte, vollzog sich auch in der Kirche ein Generationswechsel, der sich massiv auf ihren Umgang mit der jüngsten Geschichte auswirkte. In Gesellschaft und Kirche setzte gleichermaßen eine Entwicklung ein, für die ein „fortwährende[s] Bedürfnis nach […] Vergewisserung über die Vergangenheit“ kennzeichnend wurde, in deren Verlauf es „in immer kürzeren Abständen“ zu „Wellen intensiver öffentlicher Diskussion[en]“ kam und die „Intensität der […] Erregung über vermeintliche“ und tatsächliche „Fehlleistungen […] stetig“ wuchs78. Im Kontext dieser Entwicklung trübte sich auch das Bild Meisers ein. Es kam zu Polarisierungen und schließlich zu Forderungen nach erinnerungskulturellen Konsequenzen. Als sich Meisers Todestag 1996 zum 40. mal jährte, kochte der Streit um die NS-Vergangenheit in der Kirche bereits so hoch, dass sich Oberkirchenrat Martin Bogdahn auf einem Studientag am 11. Mai in München zu der Mahnung genötigt sah, weder Schuldzuweisungen noch Rechtfertigungen könnten „der schwierigen Frage der Mitverantwortung an historischer Schuld gerecht werden“79. Er gab seiner Hoffnung Ausdruck, der Studientag werde „vorurteilsfreies Verstehen“80 ermöglichen und nicht mit einer „Urteilsverkündung“81 enden. Inhaltlich hob Bogdahn zwar Meisers Verdienste im bayerischen Kirchenkampf hervor, räumte mit Blick auf dessen öffentliches Schweigen zur Shoa aber schonungslos ein, der frühere Bischof habe sich „in der Liebe zu seiner Kirche […] zur Lieblosigkeit gegenüber Schwachen und Hilfsbedürftigen“82 gezwungen gesehen. Für die Bewertung Meisers stellte der Studientag einen Meilenstein dar. Auf der Basis umfassender Quellen- und Literaturkenntnis, die selbst solche Werke umfasste, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht publiziert waren83, entwarf der Kirchenhistoriker und Leiter der Münchner Forschungsstelle für Kirchliche Zeitgeschichte Nicolaisen ein differenziertes, ambivalentes Bild 77 78 79 80 81 82 83
Zitate: M nchenbach, Meiser, 360 f. Alle Zitate: Oelke, Erinnerungskultur, 224 f. Bogdahn, Einführung, 13. Ebd. Ebd., 15. Ebd., 14. Vor allem die Monographie von Mensing, Pfarrer.
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Meisers, das in seinen Grundzügen auch heute noch bestehen kann84. Nicolaisen benannte die Verdienste des Bischofs ebenso klar wie seine Defizite und urteilte, Meisers Verhalten könne nach der neueren Widerstandsforschung nicht als politischer Widerstand gewertet werden, sondern nur als „Resistenz“ im Sinn einer „Herrschaftsbegrenzung des Nationalsozialismus“; ferner gestand er zu, dass Meiser wie die gesamte Bekennende Kirche durch das „faktische Arrangement mit dem Nationalsozialismus“ dazu beigetragen habe, „das Hitler-Regime aufzuwerten und zu stabilisieren“85. Zwei Jahre nach dem Studientag drang der in Wissenschaft und Kirche brodelnde Streit um Meiser in die außerkirchliche Öffentlichkeit. Jetzt erschallte erstmals der Ruf nach erinnerungskulturellen Konsequenzen. Anlass war eine Erklärung der bayerischen Landeskirche vom 24. November 1998, in der die Landessynode die Mitschuld der Landeskirche an der Verfolgung und Vernichtung der Juden bekannte, Meiser dabei aber nicht namentlich erwähnte86. Bereits im Vorfeld zog der Journalist Hans Holzhaider in der Süddeutschen Zeitung die Linie zum früheren Landesbischof und bezichtigte ihn „entsetzliche[r] antisemitische[r] Ausfälle“87. Am Tag der Verabschiedung der Erklärung legte Holzhaider nach und griff die – in dieser Form unzutreffende – Behauptung von Synodalpräsident Dieter Haack auf, Meiser sei einer von vielen Kirchenfunktionären, denen „auch in den Jahren nach dem Krieg die Einsicht in ihr Fehlverhalten gefehlt“88 habe. Zwei Tage später beklagte Holzhaider, wie schwer es Landesbischof Hermann von Loewenich offensichtlich gefallen sei, über das „allgemein formulierte Schuldbekenntnis hinaus endlich auch ganz konkret den Namen Hans Meisers zu nennen, dessen Bild nach wie vor das Zimmer des Bischofs an seinem Amtssitz in der nach Meiser benannten Straße in München schmückt“; Holzhaiders Artikel mündete in die Frage, ob die Landeskirche „den Namen gerade dieses Mannes, der seiner Kirche wahrlich keine Ehre gemacht hat, heute noch wie ein Markenzeichen vor sich her tragen“89 dürfe. Diese rhetorische Frage wurde von den Lesern in großer Eindeutigkeit beantwortet: Mitte Dezember veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung eine Reihe von Leserbriefen, in denen die Entfernung des Straßenschildes an der nach Meiser benannten Straße in München gefordert wurde90. Bereits Anfang Dezember beantragte die Fraktion von Bündnis 90 / Die Grünen / Rosa Liste im Münchner Stadtrat die Umbenennung der „Meiserstraße“. Dabei warf sie 84 So auch Oelke, Erinnerungskultur, 227. 85 Vgl. Nicolaisen, Bischof (Zitate: ebd., 58). 86 Abdruck der Erklärung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern zum Thema Christen und Juden: W. Kraus, Weg, 177–185. 87 Holzhaider, Herbstsynode. 88 Holzhaider, Landessynode. 89 Beide Zitate: Holzhaider, Meilenstein. 90 Vgl. die mit dem Titel „Das Schild ,Meiserstraße‘ muß verschwinden“ versehene Rubrik Leserbriefe in der Süddeutschen Zeitung vom 14. 12. 1998, L7.
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dem früheren Bischof Antisemitismus, Kriegsverherrlichung sowie mangelnde Einsicht in sein Fehlverhalten vor und schloss daraus, dass er keineswegs als Gegner des Nationalsozialismus betrachtet werden könne91. Damit wurde Meiser zu einem der Fälle, „an denen die deutsche Vergangenheit vor 1945 in einem lokalen Horizont exemplarisch aufgearbeitet werden sollte“92. Diese Form der Aufarbeitung zeichnete sich neben einem hohen Maß öffentlicher Erregung vor allem dadurch aus, dass die ambivalente Bewertung, die Nicolaisen entworfen hatte, eindimensional zu Ungunsten des früheren Bischofs aufgelöst wurde. Wie die Presseberichterstattung und die inhaltliche Begründung des Antrags auf Umbenennung der Münchner „Meiserstraße“ zeigen, kam es dabei zu Simplifizierungen, einseitigen Interpretationen, selektiver Zitierweise, falschen Zuschreibungen und ahistorischen Urteilen. Genau hier setzten zwei offizielle Stellungnahmen an, die eine differenzierte Sichtweise einforderten und für den Erhalt der Meiserstraße plädierten. Die bayerische Kirchenleitung stellte fest, die Lebensleistung Meisers lasse sich nicht auf seine Artikelserie zur sog. Judenfrage von 1926 reduzieren, zumal diese ambivalent gewesen sei und nicht zum Judenhass, sondern zur christlichen Nächstenliebe aufgerufen habe. Meisers Verhalten während der NSHerrschaft könne zwar als zu staatsloyal beurteilt werden und der Bischof habe – insbesondere durch das Unterlassen öffentlicher Proteste gegen die Judenvernichtung – auch keine durchgängige Fundamentalopposition geleistet, er könne aber dennoch nicht als NS-hörig bezeichnet oder der Kollaboration mit dem NS-Staat bezichtigt werden. Vielmehr habe Meiser sich „zwischen den Extremen der totalen Unterwerfung und des Märtyrertums“ auf einer „Skala ethisch verantwortbaren Überlebens“ bewegt, „das sich seiner ethischen Zweideutigkeit […] durchaus bewußt war“. Seine wesentliche Leistung, an die die „Meiserstraße“ zurecht erinnere, habe darin bestanden, sich trotz zahlreicher gegen ihn gerichteter Diffamierungskampagnen und staatlicher Verbote, vor allem aber „trotz der Prägung durch eine traditionelllutherische Obrigkeitstreue zur Opposition gegen das Hitler-Regime“ durchzuringen „und so die Kirche vor der Gleichschaltung“ zu bewahren93. Noch eindeutiger fiel das Votum des Stadtarchivs München aus. Es wies den Vorwurf des Antisemitismus zurück und urteilte, Meisers Artikelserie von 1926 habe nicht „Antisemitismus fördern und bestärken, sondern im Gegenteil den Anhängern der völkischen Bewegung innerhalb der evangelischlutherischen Landeskirche deutlich machen“ sollen, „was kirchlicherseits 91 Vgl. Oelke, Erinnerungskultur, 227 f. 92 Ebd., 228. 93 Alle Zitate aus der „Stellungnahme der Evang.-Luth. Kirche in Bayern zum Antrag auf Umbenennung der Meiserstraße“, übersandt mit Schreiben des Ständigen Vertreters des Landesbischofs der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern Kreisdekan Dr. Martin Bogdahn an die Landeshauptstadt München – Kommunalreferat – Vermessungsamt vom 9. 2. 1999 (Privatarchiv Familie Meiser).
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nicht mehr geduldet werden könne.“ Unhaltbar seien auch der gegen Meiser erhobene Vorwurf der Kriegsverherrlichung, der auf Fehlinterpretationen beruhe, sowie die Behauptung, Meiser habe auch nach dem Krieg keine Einsicht in sein Fehlverhalten gehabt, was durch diverse Schuldbekenntnisse widerlegt sei. Das Archiv stellte fest, die den Vorwürfen zugrunde gelegten Zitate seien „sämtlich aus dem Kontext gerissen“ und „in einseitiger Weise zu historisch nicht haltbaren Anklagepunkten umgeformt“ worden; im Gegensatz zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen habe Meiser „seine Gegnerschaft zum Nationalsozialismus und der vom Nationalsozialismus unterstützten ,Deutschen Christen‘ […] konsequent deutlich gemacht und gelebt“, sodass kein Grund für eine Umbenennung der „Meiserstraße“ vorliege94. Für eine Umbenennung sprach sich nur die Stadtbibliothek München aus. Ihr Votum stützte sie ausschließlich auf die Defizite Meisers, wie sie auf dem Münchner Studientag benannt worden waren – vor allem die antisemitische Polemik in der Artikelserie von 1926, das Schweigen zur Shoa, die systemstützende Loyalität zum NS-Staat und das Engagement für ehemalige Nationalsozialisten in der Nachkriegszeit. Die Verdienste Meisers berücksichtigte die Stadtbibliothek hingegen nicht95. Der Ältestenrat der Stadt München folgte schließlich den Stellungnahmen von Landeskirche und Stadtarchiv und lehnte im März 1999 eine Umbenennung ab. Der Antrag wurde zurückgezogen. Im gleichen Monat schloss sich auch der Verkehrsausschuss der Stadt Nürnberg der landeskirchlichen Stellungnahme an und lehnte die von den Grünen beantragte Umbenennung der Nürnberger „Bischof-Meiser-Straße“ ab96. Damit setzte sich auf erinnerungskultureller Ebene zur Jahrtausendwende noch einmal eine ambivalente Bewertung Meisers durch und es schien sich eine Versachlichung der Diskussion abzuzeichnen, die Wissenschaftler für den Umgang mit der NS-Vergangenheit angesichts des Versterbens der Zeitzeugen generell prognostizierten97. Tatsächlich jedoch waren die gescheiterten Anträge auf Straßenumbenennung nur das Vorspiel für eine Demontage Meisers, die ebenso beispiellos verlief wie seine Verehrung in den 1950er Jahren.
94 Schreiben des Stadtarchivs München an das Kommunalreferat der Stadt München Vermessungsamt Abt. III / Straßenbenennung zur „Umbenennung der Meiserstraße Antrag 1202 der Stadtratsfraktion DIE GRÜNEN/RL“ vom 24. 2. 1999 (http://www.landesbischof-meiser.de/ downloads/Gutachten.pdf [zuletzt abgerufen am 6. 11. 2019]; Zitate: ebd.). 95 Vgl. das Schreiben der Direktion der Münchner Stadtbibliothek an das Kommunalreferat Vermessungsamt Abt. III / Straßenbenennung betr. Umbenennung der Meiserstraße vom 3. 2. 1999 (Privatarchiv Familie Meiser). 96 Vgl. H. C. Meiser, Bischof, 12. 97 Vgl. Oelke, Erinnerungskultur, 228–230.
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3. Demontage Als die bayerische Kirchenleitung anlässlich des doppelten Jubiläums von Meisers Geburts- und Sterbejahr 2006 ein Gedenkjahr plante, brachen die Debatten um die nach Meiser benannten Straßen erneut aus. Die Kirchenleitung bemühte sich zwar redlich um ein differenziertes Gedenken, wozu eine Ausstellung des Landeskirchlichen Archivs, eine Vortragsreihe im Nürnberger Haus der evangelischen Kirche „eckstein“ und ein biographischer Sammelband gehörten98; diese Bemühungen gingen jedoch in der öffentlichen Erregung unter, als ein Nürnberger Boulevardblatt im Frühjahr 2006 mit dem diffamierenden Aufmacher „Skandal in Nürnberg – Kirche feiert Nazi-Bischof“99 moralisch und emotional hoch aufgeladene Debatten bisher ungekannten Ausmaßes in Gang setzte. An den stark polarisierten Kontroversen, die „schnell in Skandalisierungen, in eine Schlacht um Zitate, in Kirchen- und Protestantismuskritik, in Intoleranz und Polemik“100 abglitten, beteiligten sich neben der Presse NS-Opfer, Politiker, Wissenschaftler, die Kirchenleitung, Mitglieder der Familie Meiser sowie eine breite inner- und außerkirchliche Öffentlichkeit. Die Debatten endeten in den beiden bedeutendsten bayerischen Metropolen – München und Nürnberg – mit der Entnennung der Meiser-Straßen101. Gegenüber den früheren Auseinandersetzungen zeichneten sich die Kontroversen nicht nur durch eine nochmals gesteigerte Intensität der öffentlichen Erregung, sondern vor allem durch eine radikalisierte Bewertung Meisers aus. Waren ihm bisher im Wesentlichen Defizite und Versäumnisse angelastet worden, wurde er jetzt sogar zu den NS-Tätern gerechnet. So urteilte der Nürnberger Stadtrat und 1. Vorsitzende der Nürnberger Israelitischen Kultusgemeinde Arno S. Hamburger, der selbst noch schwer unter der Verfolgung durch die Nationalsozialisten und der Ermordung naher Verwandter in den Konzentrationslagern gelitten hatte, Meiser habe „wie Julius Streicher schon in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit seinen Äußerungen, mit Lügen und Verleumdungen über uns Juden den geistigen Grundstein dafür gelegt […], dass Millionen meiner Glaubensschwestern und -brüder ermordet wurden“102.
Empört über das von Landesbischof Friedrich verfasste Vorwort des ansonsten kritischen biographischen Sammelbands, in dem mit Rücksicht auf kirchliche Meiser-Verehrer von einem würdigen Gedenken an Meiser die Rede 98 99 100 101 102
Vgl. Greif, Schweigen; Herold / Nicolaisen, Meiser. Titelblatt der Abendzeitung Nürnberg Nr. 53/9 vom 4./5. 3. 2006. Fix, Glaubensgenossen, 5. Vgl. dazu und zum Folgenden Schulze, Meiser, 203–206. Schreiben Hamburgers an Johannes Friedrich vom 4. 4. 2006 (Privatarchiv Familie Meiser).
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war103, warf Hamburger die Frage auf, ob man eines Mannes würdig gedenken könne, der „Mitverursacher millionenfaches Mordes“104 gewesen sei, und forderte Konsequenzen, wenn das Verhältnis zwischen Judentum und Christentum nicht beschädigt werden solle. Besonderer Stein des Anstoßes war der für den Todestag Meisers am 8. Juni von der Kirchenleitung geplante Gedenkgottesdienst. Friedrich, der sich um das Verhältnis von Christen und Juden hoch verdient gemacht hatte105, bemühte sich umgehend um Schadensbegrenzung. Angesichts der in und außerhalb der Kirche aufflammenden Kritik beschwichtigte er, bei dem geplanten Gottesdienst solle es sich keinesfalls um einen „Jubel-Gottesdienst“ handeln, und etikettierte den Gedenkgottesdienst zum „Bedenk-Gottesdienst“ um. Zudem kündigte er ein unabhängiges Gutachten an, das sich mit der Gedenkwürdigkeit Meisers befassen sollte106, sowie ein Schuldbekenntnis über das kirchliche Schweigen zur Judenverfolgung und -vernichtung, das im Rahmen des Gottesdienstes abgelegt werden sollte107. Auf diesem Weg gelang es Friedrich zwar, die Spannungen mit Hamburger beizulegen108; jetzt schaltete sich jedoch der Neutestamentler und Vorsitzende des Grundfragenausschusses der bayerischen Landessynode Stegemann ein und forderte mit zugespitzten, sachlich problematischen Argumenten vehement die Absage des Gottesdienstes, weil „Meiser die antisemitisch-völkische Verwirrung des deutschen Volkes in der Bayerischen Landeskirche geteilt, vertreten und gefördert“ habe, „der Bekennenden Kirche in den Rücken gefallen“ und „nie zum öffentlichen Bekenntnis der Einsicht in diese Verwirrung gekommen“ sei109. Unter dem öffentlichen Druck – vor allem aus der Kirche selbst110 – sagte Friedrich den Gottesdienst schließlich ab111. Die Nürnberger Grünen nahmen die Kontroversen zum Anlass, beim Stadtrat die Umbenennung der „Bischof-Meiser-Straße“ zu beantragen. Dabei griffen sie teilweise historisch nicht haltbare Vorwürfe112 auf und argumentierten, Meiser habe Nationalsozialismus und Antisemitismus geduldet, sei nicht gegen die NS-Verbrechen vorgegangen, habe sich nach dem Zweiten 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112
Vgl. Herold / Nicolaisen, Meiser, 8. Zitat aus dem oben Kap. V, Anm. 102, erwähnten Schreiben Hamburgers. Vgl. Olschewski, Bischof. Vgl. Przybilla, Gemeinde (Zitate: ebd.). Vgl. den Artikel „Landeskirche will Schuld bekennen. Gestern klärendes Gespräch um Bischof Meiser“ (Süddeutsche Zeitung Nr. 101 vom 3. 5. 2006, 49). Vgl. ebd. Schreiben Stegemanns an Friedrich und andere vom 11. 5. 2006 (zit. nach Stegemann, Schwierigkeiten, 129). Außer durch das Schreiben Stegemanns wurde Friedrich innerkirchlich auch noch durch einen Kommentargottesdienst in der Nürnberger Lorenzkirche über Meisers Verhältnis zu Juden unter Druck gesetzt (vgl. ebd.). Vgl. H. Frank, Wege; Greif, Atmosphäre. Z. B. den unzutreffenden Vorwurf, Meiser habe sich geweigert, an der Enthüllung einer Gedenktafel für Bonhoeffer teilzunehmen (vgl. oben Kap. III A.3.3).
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Weltkrieg nicht mit seinem Verhalten während der NS-Zeit auseinandergesetzt und sei auch nicht gegen ein Büro113 eingeschritten, das inhaftierte NS-Täter unterstützte114. Mit diesen und anderen Vorwürfen befasste sich das vom Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly in Absprache mit dem Nürnberger Stadtdekanat in Auftrag gegebene Gutachten des Historikers und Politologen Jasper vom Juli 2006, das den erinnerungskulturellen Akteuren eine eindeutige Grundlage für ihre Entscheidung liefern sollte115. Jasper analysierte in groben Zügen die Biographie und das Wirken Meisers, gab aber nicht das erhoffte eindeutige Votum zur Straßenumbenennung ab. Vielmehr resümierte er, die Benennung von 1957 reflektiere „Meisers großes Ansehen als eindrucksvolle Persönlichkeit und die damalige ehrliche Zustimmung zu seinen Leistungen als Bischof […] in schwierigen Zeiten“116. Nach heutigem Erkenntnisstand würde zwar keine Straße mehr nach Meiser benannt werden, eine Umbenennung enthielte jedoch ein „Unwerturteil“117 und müsse zwangsläufig die Überprüfung weiterer Straßennamen nach sich ziehen. Eine Beibehaltung des Namens hingegen, bei der auch die kritischen Aspekte von Meisers Wirken deutlich würden, könne einen konstruktiven Beitrag zur Erinnerungskultur leisten. Auf der Basis von Jaspers Gutachten empfahl der Nürnberger Dekanatsausschuss der Stadt, die Straße nicht umzubenennen, weil Meiser sonst „in einem erheblichen Maß ,unwürdiger‘ sein müsste, im öffentlichen Gedächtnis der Stadt zu erscheinen, als viele andere Persönlichkeiten“, plädierte aber zugleich dafür, „es nicht einfach nur beim bestehenden Straßennamen zu belassen, sondern ergänzend dazu Anstöße für die Auseinandersetzung mit unserer Geschichte zu geben“118. Im Gegensatz zum Wortlaut des Gutachtens legten diese Stellungnahme und die Berichterstattung in der Presse119 den Schluss nahe, Jasper habe sich eindeutig gegen die Umbenennung ausgesprochen. Diesen Eindruck vermittelte auch ein offener Brief des Erlanger Kirchenhistorikers Hamm, der Jaspers Urteilen widersprach und meinte, Meiser habe
113 Zu diesem Anwaltsbüro vgl. oben Kap. IVA.3.2. 114 Vgl. den Antrag „Rolle und Handeln des früheren evangelischen Landesbischofs Hans Meiser und Straßenbenennung. Antrag zur Behandlung im Stadtrat, Sitzung 10. Mai 2006“ (Privatarchiv Familie Meiser). 115 Vgl. Jasper, Gutachten. 116 Ebd., 84. 117 Ebd., 83. 118 „Stellungnahme des evangelischen Dekanatsausschusses Nürnberg zur Benennung der ,Bischof-Meiser-Straße‘“ vom 13. 7. 2006 (Privatarchiv Familie Meiser; Abdruck: Stadt N rnberg / Dekanat N rnberg, Umbenennung, 89–91). 119 Vgl. z. B. den Artikel „Bischof-Meiser-Straße nicht umbenennen. Die Landeskirche schließt sich dem Gutachten Gotthard Jaspers über den ehemaligen Landesbischof an“ (Sonntagsblatt Nr. 30 vom 23. 7. 2006, 19).
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die „verheerendsten Kräfte der deutschen Geschichte unterstützt“, vor allem durch die „Förderung des Antisemitismus, eines homogenisierenden und ausgrenzenden Volksgemeinschaftsideals, eines antidemokratischen, autoritären Führerstaats, eines geschichtstheologisch aufgeladenen Militarismus, der Verdrängung der Schuldfrage nach 1945 und eines Verhaltens, das prinzipiell die ehemaligen Anhänger des NS-Regimes begünstigte und dessen Gegner benachteiligte“120.
Im Hinblick auf die Straßenbenennung urteilte Hamm, dafür dürfe ausschließlich die Frage entscheidend sein, „in welchem Maße gegenwärtige“ Benennungen „von den Nachfahren der ehemaligen Opfer der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft als verletzend, beleidigend und diffamierend empfunden werden“121. Mit seinem offenen Brief positionierte Hamm sich neben Stegemann als ein Hauptakteur auf Seiten der kirchlich-theologischen Befürworter der Straßenumbenennungen. Dabei argumentierte er vor allem mit dem Vorwurf, Meiser habe seine Äußerungen über das Judentum nie öffentlich bedauert und revidiert122. Diesen Vorwurf erhob auch die kircheneigene Augustana-Hochschule in Neuendettelsau, als sie Mitte Juli 2006 überraschend das dortige Meiser-Haus entnannte123 und damit ein Präjudiz schuf, das umso größere Signalwirkung entfaltete, als der Beschluss durch eine Indiskretion umgehend an die Presse gelangte124. Obwohl die Hochschule beteuerte, die zeitliche Koinzidenz zwischen dem Gutachten Jaspers und der Entnennung des MeiserHauses sei Zufall, fühlte Jasper sich brüskiert und sah in der Veröffentlichung einen gezielten Akt, um Einfluss auf die Stadtratsentscheidung zu nehmen125. Für den Hochschulbeschluss und dessen Veröffentlichung machte Jasper Stegemann persönlich verantwortlich. Noch mehr aber empörte er sich über Hamm, dem er Fehlinterpretationen vorwarf, die man „keinem Studienanfänger […] durchgehen lassen“ würde. Gegen Hamm stellte Jasper fest, die These vom unrevidierten Antisemitismus Meisers sei durch dessen Beteiligung an mehreren Schulderklärungen klar widerlegt126. Als Stegemann einige 120 Zitate aus dem Offenen Brief Hamms an Jasper vom 25. 7. 2006 (http://www.augustana.de/ar chiv/2006/20060724_Hamm_Stellungnahme.pdf [zuletzt abgerufen am 9. 5. 2016]). 121 Zitate: ebd. 122 Vgl. ebd. 123 Vgl. die „Erklärung des Rektors der Augustana Hochschule zum Beschluss des Hochschulsenats vom 14. Juli 2006“ vom 17. 7. 2006 (http://www.augustana.de/downloads/Meiser-Erklae rung%20d.Rektors.pdf [zuletzt abgerufen am 9. 5. 2016]). 124 Vgl. den Artikel „Neuer Name für das Meiser-Haus?“ in der Nürnberger Zeitung vom 15. 7. 2006. 125 Vgl. Jaspers’ Nachbemerkung zu seinem Gutachten vom 14. 11. 2006 (Stadt N rnberg / Dekanat N rnberg, Umbenennung, 85–87, hier: 85). 126 Vgl. den Artikel „Bürgerentscheid über Meiserstraßen? Professor Jasper weist TheologenKritik an seinem Gutachten zu Straßen-Umbenennung zurück“ (Sonntagsblatt Nr. 33 vom 13. 8. 2006, 10).
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Monate später noch nachlegte127, Meiser als „klassische[n] Vertreter“ des „,eliminatorischen‘ Antisemitismus“128 bezeichnete und dabei u. a. auf Meisers Schreiben an den Reichsfinanzhof von 1943129 Bezug nahm, änderte Jasper im November 2006 jedoch seine Position und plädierte nun für eine kommentierte Umbenennung der Nürnberger „Bischof-Meiser-Straße“130. Von der Dynamik der Auseinandersetzungen überrollt, sah die bayerische Kirchenleitung den Ereignissen – besonders bei der Entnennung des MeiserHauses in Neuendettelsau – oft nur hilflos zu. Auf der Landessynode im November 2006 rekapitulierte Friedrich die Entwicklung und erläuterte die Pläne der Kirchenleitung für das gescheiterte Meiser-Gedenkjahr, bei dem von Anfang an nicht an ein Jubelgedenken gedacht gewesen sei131. Er begab sich allerdings auf theologisches Glatteis, als er zu begründen versuchte, warum die Kirchenleitung zur Frage der Straßenumbenennung keine Empfehlung aussprach: Dazu berief er sich auf die Zwei-Reiche-Lehre und stellte fest, Straßenbenennungen seien weder Sache eines Bischofs noch der Kirche überhaupt. Hier argumentierte Friedrich im Grundsatz theologisch ähnlich problematisch wie Meiser132. Friedrich plädierte für eine differenzierte historische Analyse und urteilte, „Meiser als Nazibischof zu titulieren“ sei „genauso zeitgeistig und unangemessen wie die Forderung nach einem Schlussstrich unter die Vergangenheitsbewältigung oder eine pauschale Rechtfertigung der Politik Meisers“. In diesem Zusammenhang kündigte Friedrich ein Symposion an, auf dem sich zeigen werde, „ob Meiser nach wie vor als Bischof einer intakten Kirche gelten“ könne oder „ob er ein mitschuldiger Antisemit und Versager war und unsere Kirche mit ihm – oder ob die Wahrheit nicht eben doch differenzierter zu sehen ist und nicht schwarz-weiß“133. Während Friedrich die Bewertung Meisers dem Symposion überlassen wollte, nutzte Stegemann die Gelegenheit, um vor der Synode zu einem Rundumschlag gegen Meiser auszuholen, der in ein klares Plädoyer für die Straßenumbenennung mündete134. Während das von Friedrich angekündigte wissenschaftliche Symposion dann erst im Oktober 2008 – und damit nach den Stadtratsentscheidungen in Nürnberg und München – zustande kam135, fand bereits am 20. Januar 2007 eine eintägige Fachtagung statt, die von der Stadt Nürnberg und dem Dekanat Nürnberg veranstaltet wurde und auf der namhafte Wissenschaftler referier-
127 128 129 130 131 132 133 134 135
Vgl. Stegemann, Schwierigkeiten. Ebd., 130. Vgl. oben Kap. III A.3.7. Vgl. Jaspers oben Kap. V, Anm. 125, erwähnte Nachbemerkung. Abdruck des Bischofsberichts: Verhandlungen Rummelsberg November 2006, 21–23. So auch das Urteil von Kitzmann, Reizperson, 16 und 25, Anm. 64. Zitate: Verhandlungen Rummelsberg November 2006, 22 f. Vgl. ebd., 31–33. Vgl. den Tagungsband Hamm / Oelke / Schneider-Ludorff, Spielräume.
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ten136. Dazu gehörte wieder Nicolaisen, der im Wesentlichen bei dem ambivalenten Bild Meisers blieb, das er 1996 entworfen hatte137, sein Urteil aber vor allem im Hinblick auf Meisers Haltung zum Judentum verschärfte; der historische Befund ließ für ihn sowohl eine Beibehaltung als auch eine Umbenennung der „Bischof-Meiser-Straße“ zu. Der Jenaer Historiker Nobert Frei stellte den kirchlichen Einsatz für NS- und Kriegsverbrecher dar, der „die Bereitschaft zu einer offenen selbstkritischen Debatte über die NS-Vergangenheit […] für lange Zeit weitgehend zunichte gemacht“138 habe. Der Systematiker und Ethiker Reiner Anselm referierte über grundlegende ethische Aspekte politischen Gedenkens und empfahl, „den Straßennamen beizubehalten und dazu in einer […] Tafel die Motive für die Benennung der Straße festzuhalten – ebenso wie die kritischen Anfragen an die Person Meisers“139. Demgegenüber plädierte der Historiker Eckart Dietzfelbinger vom Nürnberger Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände für eine kommentierte Umbenennung, weil die Straßenbenennung der 1950er Jahre von „gänzlicher Unsensibilität gegenüber der Geschichte der jüdischen Gemeinde […] in Nürnberg“ zeuge und mit „dem Anspruch der Stadt Nürnberg als ,Stadt des Friedens und der Menschenrechte‘ […] nicht vereinbar“ sei140. Dies nahm der Nürnberger Regionalbischof Stefan Ark Nitsche zum Anlass für die spontane Ankündigung, die Kirche werde eine kommentierte Umbenennung akzeptieren141. Der Nürnberger Dekanatsausschuss, der im Sommer 2006 noch für eine Beibehaltung des Straßennamens plädiert hatte und dabei davon ausgegangen war, dass die Beibehaltung „einer differenzierten Auseinandersetzung mit unserer Geschichte dienen würde“, schloss sich Nitsches Votum drei Tage nach der Fachtagung an, riet von einer Kommentierung jedoch ab142. Die kirchliche Zustimmung, die auch der CSU-Bezirksvorsitzende und Synodale Günther Beckstein signalisierte, machte es bei der entscheidenden Sitzung am 24. Januar 2007 im Nürnberger Stadtrat dann auch Angehörigen der CSU-Fraktion möglich, für die Umbenennung zu stimmen143. Entsprechend der Ankündigung Friedrichs, als Bischof werde er sich nicht zu Straßenbenennungen äußern, blieb ein Votum der Münchner Kirchenleitung aus. Unter dem unmittelbaren Eindruck der Fachtagung erfolgte die Rückbenennung der „Bischof-Meiser-Straße“ in Spitalgasse im Nürnberger Stadtrat 136 Abdruck der Vorträge und Reden: Stadt N rnberg / Dekanat N rnberg, Umbenennung, 6–49. 137 Vgl. Nicolaisen, Bischof. 138 Stadt N rnberg / Dekanat N rnberg, Umbenennung, 33. 139 Zit. nach der überarbeiteten Fassung des Vortrags (Anselm, Ethik, 38 f.). 140 Zitate: Stadt N rnberg / Dekanat N rnberg, Umbenennung, 39. 141 Vgl. Heilig-Achneck, Kirche. 142 Vgl. den Beschluss vom 23. 1. 2007 (Abdruck: Stadt N rnberg / Dekanat N rnberg, Umbenennung, 91). 143 Vgl. ebd., 95 f.
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mit großer Mehrheit bei nur vier Gegenstimmen144. In der vorhergehenden Diskussion hob Oberbürgermeister Maly hervor, Meisers Verhalten sei historisch zwar „im Licht der damaligen Zeit zu würdigen“, müsse vom Stadtrat aber politisch „im Lichte der heutigen Zeit“145 bewertet werden. Für die Entnennung der Straße waren neben der Haltung Meisers zum Judentum auch dessen Verhalten bei der Entnazifizierung und die Lage der Straße im ehemaligen jüdischen Viertel mitentscheidend, vor allem aber „die Geschichte der Stadt Nürnberg als Stadt der Verkündung der Rassegesetze und der Reichsparteitage, die heute nach erfolgreichem Bemühen Stadt des Friedens und der Menschenrechte ist“146. Die Gegner der Umbenennung hingegen beklagten das Schweigen von Landesbischof Friedrich und blieben bei ihrer Haltung, „dass Meiser ein gedenk- und bedenkwürdiger Mann“ sei, „der gerade in seiner Gespaltenheit in seinen Schatten- aber auch in seinen Lichtseiten als Straßenname hätte erhalten werden sollen“147. In München, wo Bündnis 90, Grüne und Rosa Liste wenige Tage nach dem Nürnberger Stadtratsbeschluss einen Antrag auf Umbenennung der „Meiserstraße“ stellten148 und Oberbürgermeister Christian Ude eine Sitzung des Ältestenrats der Stadt ankündigte149, brach die Kirchenleitung dann ihr Schweigen. Die Oberkirchenrätin und Leiterin des Landeskirchenamts Karla Sichelschmidt plädierte Ende Januar 2007 dafür, den Straßennamen beizubehalten, weil er an den historischen Ort erinnere, an dem es 1934 zu öffentlichen Demonstrationen für den arretierten Bischof gekommen sei150. Friedrich hingegen hielt auch jetzt noch daran fest, die Kirche habe sich aus Straßenbenennungen herauszuhalten, und kündigte erneut ein wissenschaftliches Symposion über Meiser an151. Auf Beschluss des Landeskirchenrats bezog schließlich aber auch der Landesbischof Position und sprach sich für den Erhalt der „Meiserstraße“ aus. Dazu stellte er fest, dass die in München geltenden Kriterien für eine Straßenumbenennung – wie Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Rassismus und Kriegsverbrechen – auf Meiser nicht zuträfen und dass seit der Ablehnung der Umbenennung 1999 keine neuen Gesichtspunkte aufgetaucht seien, die eine Umbenennung rechtfertigen würden. Zudem beklagte er die mit einer Umbenennung verbundenen Härten für die Anlieger, hob Meisers Ambivalenzen und dessen Einsatz für rasseverfolgte Christen hervor und bewertete die „Beibehaltung des Namens“ als „unverzichtbare[n] Baustein in der Aufar144 145 146 147 148 149
Vgl. Kitzmann, Reizperson, 15. Stadt N rnberg / Dekanat N rnberg, Umbenennung, 94. Ebd., 97. Ebd., 98. Vgl. den Antrag vom 30. 1. 2007 (Privatarchiv Familie Meiser). Vgl. den Artikel „Wirbel um eine Straße. Der ,Fall‘ Hans Meiser wird auch in München neu verhandelt werden“ (Abendzeitung München vom 27./28. 1. 2007, 9). 150 Vgl. Kitzmann, Reizperson, 17. 151 Vgl. J. Friedrich, Konsequenzen.
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beitung der Geschichte eines Stadtviertels, in der ,Braunes Haus‘ und Landeskirchenamt nur einen Steinwurf von einander entfernt lagen“152. Auf den erinnerungskulturellen Wert der „Meiserstraße“ verwies auch der Münchner Bezirksausschuss Maxvorstadt, in dessen Gebiet die Straße lag. Er lehnte die Umbenennung ebenfalls ab, weil damit die Chance auf „politisches Lernen am authentischen, historischen Ort“ vergeben werde. Statt einer Umbenennung schlug er ein umfassendes Maßnahmenpaket für politische Bildungsarbeit vor, das u. a. aus Erläuterungstafeln, der Vernetzung des (damals noch in Planung befindlichen) NS-Dokumentationszentrums mit dem Sitz des Landeskirchenamts und eine Dauerausstellung zu Meiser im Landeskirchenamt bestehen sollte. Auch inhaltlich sah der Ausschuss keine zwingenden Gründe für die Umbenennung. Er meinte vielmehr, Meiser habe sich „im Spannungsfeld von Zivilcourage und Verantwortung gegenüber der Kirche als Gesamtheit“ bewegt und für seine Bewertung dürfe „nicht ein nachträglich konstruiertes Idealbild zum Maßstab gemacht werden“. Zudem verwies der Ausschuss darauf, dass eine Umbenennung den Maßstab für „vorwerfbares Verhalten“ verschiebe und in der Folge zahlreiche andere Straßen auf den Prüfstand gestellt werden müssten153. Neben kirchlichen und politischen Institutionen begannen sich auch einzelne Mitglieder der Familie Meiser, Theologen, Pfarrer und Kirchengemeinden gegen die Straßenumbenennung zu formieren. So konterte Meisers Enkel Hans Christian den Vorwurf, sein Großvater habe keinen politischen Widerstand geleistet, schon auf der Nürnberger Fachtagung mit dem Hinweis, der Bischof „hätte bei offener Kritik Kopf und Kragen riskiert und die gesamte Kirche in Gefahr gebracht“154. Im Mai versuchte der Kirchenhistoriker und braunschweigische Altlandesbischof Müller den Vorwurf zu entkräften, Meiser sei ein antisemitischer Nationalprotestant gewesen155. Im Juni legte der Kirchenvorstand der Münchner Christuskirche in einem offenen Brief Protest ein und die Adventkirche übersandte dem Stadtrat auf Initiative von Kitzmann eine Unterschriftensammlung gegen die Umbenennung156. Kurz vor der entscheidenden Stadtratssitzung provozierte Pfarrer Ulrich Wagner dann Oberbürgermeister Ude, indem er eine Parallele zwischen der gegen Meiser gerichteten NS-Hetzkampagne vom September 1934157 und den aktuellen Forderungen demokratischer Politiker nach Umbenennung der „Meiserstra-
152 Schreiben Friedrichs an das Münchner Kommunalreferat vom 21. 5. 2007 (Privatarchiv Familie Meiser); vgl. auch den Artikel „Eindeutige Position. Landeskirche: Meiserstraße in München soll ihren Namen behalten“ (Sonntagsblatt Nr. 22 vom 3. 6. 2007, 10). 153 Alle Zitate aus dem Schreiben des Bezirksausschusses Maxvorstadt an das Münchner Kommunalreferat vom 25. 6. 2007 (Privatarchiv Familie Meiser). 154 Heilig-Achneck, Kirche. 155 Vgl. G. M ller, Landesbischof. 156 Vgl. S. Petersen, Protest. 157 Vgl. oben Kap. III A.1.3.
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ße“ zog158; außerdem forderte Wagner den Landesbischof auf, die Gemeinden zu einem öffentlichen Protest gegen die Umbenennung aufzurufen, was dieser umgehend ablehnte159. Seiner Verärgerung über den Vergleich mit der NS-Hetzkampagne von 1934, den vor Wagner schon der Kirchenhistoriker und Studiendirektor Dietrich Blaufuß gezogen hatte160, machte Ude bei der Beschlussfassung am 18. Juli 2007 im Münchner Stadtrat mit deutlichen Worten Luft161. An diesem Tag stand eine Sitzungsvorlage des Kommunalreferats / Vermessungsamts zur Diskussion, in der es hieß, die Ehrung durch einen Straßennamen könnten „nur verdiente Bürgerinnen und Bürger“ erhalten, „nicht jedoch solche, die den Antisemitismus gefördert und gestützt haben und deren Ehrung […] geeignet ist, den Ruf der Landeshauptstadt München nachhaltig zu schädigen“; abschließend hieß es, die Stadt habe „ein berechtigtes Interesse daran, mit diesen Taten nicht (mehr) in Verbindung gebracht zu werden“162. Diese Formulierungen gingen auf eine Vorlage zur Umbenennung der Münchner Von-Trotha-Straße zurück, die im Jahr zuvor wegen der Verantwortung von General Lothar von Trotha für den Völkermord an den Hereros entnannt worden war163, und stempelten Meiser zum Täter. In der Stadtratsdiskussion setzte Ude sich vehement für die Umbenennung der „Meiserstraße“ ein, machte die Kirche – angefangen bei der Entnennung des Meiser-Hauses in Neuendettelsau – dafür verantwortlich, dass die Diskussion überhaupt ins Rollen gekommen war, und widersprach allen Argumenten, die gegen die Umbenennung vorgebracht wurden. Für Ude repräsentierte Meiser die „Summe dessen, was man als Versagen der deutschen Eliten bezeichnen kann, die die größte zivilisatorische Katastrophe der Menschheitsgeschichte erst ermöglicht hat“164. Er warf Meiser Antisemitismus in einer „unglaublich aggressiven und menschenverachtenden Form“, Schweigen zu den NS-Verbrechen an den Juden, „Verweigerung der kritischen Auseinandersetzung“ und seinen Einsatz für NS- und Kriegsverbrecher vor165. Gegen eine Beibehaltung der „Meiserstraße“ zu politischen Bildungszwecken 158 Vgl. den offenen Brief Wagners an Ude und die Mitglieder des Stadtrats vom 2. 7. 2007 (http:// www.landesbischof-meiser.de/downloads/Brief-Wagner-01.pdf [zuletzt abgerufen am 21. 11. 2019]). 159 Vgl. Kitzmann, Reizperson, 19. 160 Blaufuß hatte die Entnennung der Nürnberger „Bischof-Meiser-Straße“ in einem Leserbrief vom Februar 2007 als „zeitgemäße Variante der Nazi-Parole ,Fort mit Bischof Meiser‘“ bezeichnet (Nürnberger Zeitung vom 8. 2. 2007, 14). 161 Vgl. das Protokoll der öffentlichen Sitzung des Stadtrates München am 18. 7. 2017, 96 (Privatarchiv Familie Meiser). 162 Zitate nach Kitzmann, Reizperson, 21. 163 Vgl. Seite 9 der Sitzungsvorlage des Kommunalreferats / Vermessungsamts Nr. 2–08 V 07308 (https://www.muenchen-transparent.de/dokumente/797765 [zuletzt abgerufen am 21. 11. 2019]); vgl. auch Kitzmann, Reizperson, 21. 164 Zitat aus dem oben Kap. V, Anm. 161, erwähnten Protokoll, 98. 165 Zitate: Ebd.
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brachte Ude vor, ein Straßenname habe noch „niemals zu kritischer Aufarbeitung eingeladen“166. Er wollte auch nicht das angekündigte Symposion abwarten, verwies darauf, dass sich die Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland Charlotte Knobloch für eine Umbenennung ausgesprochen hatte, und meinte, wenn die Landeskirche Nürnberg als ehemaliger „Stadt der Reichsparteitage“ die Umbenennung zugestanden habe, könne sie dies „doch nicht im Ernst der Hauptstadt der Bewegung, was München leider gewesen ist, versagen“167.
Abb. 98: Umbenennung der Münchner Meiserstraße in Katharina-von-Bora-Straße, 2010
Den Verdiensten Meisers maßen Ude und die SPD-Fraktion keinen Wert bei, weil sie nur seiner eigenen Institution und rassisch verfolgten Christen gegolten hätten168. Dem Votum der SPD für die sofortige Entnennung der „Meiserstraße“ schlossen sich die Fraktionen von Bündnis 90 / Grünen / Rosa Liste und Linken an; kritische Stimmen aus der CSU, die vergeblich beantragte, vor einer Entscheidung noch das Symposion abzuwarten, sowie aus FDP, ÖDP, Freien Wählern und von parteifreien Stadtratsmitgliedern fanden 166 Ebd., 96. 167 Ebd., 100. 168 Vgl. ebd., 100–108.
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keine Mehrheit. Als der Bezirksausschuss Maxvorstadt erneut dafür plädierte, den Straßennamen beizubehalten und „im Umfeld des Königsplatzes ein[en] zentrale[n] historisch politische[n] Lernort für die Jugend- und Erwachsenenbildung“169 zu schaffen, trieb Ude die finale Abstimmung sichtlich voran170. Sie endete mit dem Beschluss, die Meiserstraße zu entnennen und den Kommunalausschuss mit der Neubenennung der Straße zu befassen171. Zugleich kündigte Ude an, die Landeskirche an der Neubenennung beteiligen zu wollen172. Die Gegner der Umbenennung sahen sich nach der Entnennung der Münchner „Meiserstraße“ zu symbolträchtigen Akten veranlasst, die Meisers Gedenkwürdigkeit demonstrieren sollten. So ließ Pfarrer Wagner im Mai 2008 den Gemeindesaal der Carolinenkirche als Zeichen „gegen das fehlende Geschichtsbewusstsein der Landeskirche“173 in „Bischof Meiser Saal“ benennen. Im selben Jahr publizierte Hans Christian Meiser sein umstrittenes Buch „Der gekreuzigte Bischof“, in dem er seinen Großvater gegen die im Zuge der Umbenennungen erhobenen Vorwürfe verteidigte und die provozierende These aufstellte, Meiser sei „Opfer (kirchen)politischer Interessen geworden“ wie schon 1934/35, „damals allerdings als Opfer von Nationalsozialisten“174. 2009 lud er dann zu einer Veranstaltung „75 Jahre Besetzung des Landeskirchenamtes durch die Nationalsozialisten“ ein, auf der Kitzmann und Bormann neue Forschungsergebnisse präsentierten175, die Meiser entlasten sollten176. Die Entnennung der Münchner Meiserstraße hatte zudem ein juristisches Nachspiel. Nachdem die Kirchenleitung mit Berufung auf ein unter Verschluss gehaltenes juristisches Gutachten177 davon Abstand genommen hatte, gegen die Umbenennung gerichtlich vorzugehen178, klagte Hans Christian Meiser vor dem Münchner Verwaltungsgericht. Er sah „postmortale Persönlichkeitsrechte“ seines Großvaters verletzt und wollte dessen Rehabilitation erreichen179. Der Kirchenleitung warf er vor, falsche Angaben über das juristische Gutachten gemacht zu haben: Während die Kirchenleitung behaupte, nach dem Gutachten bestünden kaum Erfolgsaussichten für eine Klage, habe 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179
Ebd., 134. Vgl. ebd., 138–140. Vgl. Kitzmann, Reizperson, 22. Vgl. Springer, Namen. Vgl. den Artikel „Saal statt Straße. Carolinenkirche München benennt Gemeindesaal nach Landesbischof Meiser“ (Sonntagsblatt Nr. 19 vom 11. 5. 2008, 19). H. C. Meiser, Bischof (Klappentext). Vgl. Kitzmann; Landesbischof; Bormann, Stürmer. Vgl. die Einladung zu dieser Veranstaltung am 9. 10. 2009 (EvAG M nchen, Meiser Rezeption). Vgl. Bahners, Unglück. Vgl. den Artikel „Keine Klage gegen Umbenennung. Dekanat diskutiert Pfarrer Karl Alt als möglichen neuen Namensgeber für die Münchener Meiserstraße“ (Sonntagsblatt Nr. 46 vom 18. 11. 2007, 16). Vgl. S. Petersen, Frage der Gerechtigkeit (Zitat: ebd.).
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dieses tatsächlich das Gegenteil festgestellt, nämlich „dass eine Klage sehr wohl aussichtsreich wäre, da seitens der Stadt München große Ermessensfehler vorlägen“180. Das Verwaltungsgericht sah die postmortale Menschenwürde Meisers jedoch nicht verletzt und lehnte die Klage im November 2008 ab181. Im März 2010 wies dann auch das Bayerische Verwaltungsgericht die Klage ab und stellte dazu fest, die gesetzlichen Vorschriften über die Benennung von Straßen hätten „rein ordnungsrechtlichen Charakter“ und „dienten nicht dem Schutz der Ehre von namensgebenden Personen, wenn Gemeinden Straßen wieder umbenennen“182. Schließlich kam es in München auch noch im Zusammenhang der Neubenennung der „Meiserstraße“ zu Kontroversen. Da Friedrich nach dem Entnennungsbeschluss des Stadtrats ankündigte, die Kirchenleitung werde sich an der Namensfindung nicht beteiligen, blieb es Politikern, kirchlichen Journalisten und Theologen sowie dem Münchner evangelischen Dekanat überlassen, Vorschläge zu machen. Sie brachten verschiedene Namensgeber ins Gespräch183, bis die Dekanatssynode Luthers Ehefrau Katharina von Bora vorschlug und dies mit der Vorbildfunktion begründete, die von Bora aufgrund ihres sozialen Engagements und ihres Mutes, eigene Überzeugungen zu vertreten, auch in der Gegenwart zukomme. Diesem Vorschlag folgte der Münchner Stadtrat und beschloss im Februar 2008 die Umbenennung der „Meiserstraße“ in „Katharina-von-Bora-Straße“184, die wegen der zu diesem Zeitpunkt noch anhängigen Klage Hans Christian Meisers jedoch erst 2010 vollzogen wurde. Die Benennung nach Katharina von Bora stieß rasch auf harsche Kritik. So warf Kitzmann treffsicher die Frage auf, ob von Bora nicht Antisemitin gewesen sei. Darauf verwies auch der Münchner Systematiker Friedrich Wilhelm Graf, der die Benennung polemisch als „Provinzposse […] mit tatkräftiger Unterstützung der Leitung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern“ bezeichnete. Nachdem die Kirchenleitung schon vor der Umbenennung der Meiserstraße „viel zeithistorische Unbildung demonstriert“ habe, lasse sie mit der Benennung nach von Bora jetzt auch noch einen eklatanten „Mangel an reformationshistorischer Bildung erkennen“, denn Luthers Frau sei wohl „noch judenfeindlicher als ihr Mann gewesen“. Graf regte ein Entwidmungsverfahren für die Katharina-von-Bora-Straße an und meinte, bei einer nochmaligen Umbenennung dürfe der Landeskirche „kein Vorschlagsrecht mehr eingeräumt werden“185. Die Kritik blieb folgenlos. 180 Vgl. Maier-Albang / K ppner, Viele. 181 Vgl. S. Petersen, Frage der Ehre. 182 Pressemitteilung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. 3. 2010 (http://www.vgh. bayern.de/media/bayvgh/presse/pm_2010-02-03.pdf [zuletzt abgerufen am 10. 2. 2020]). 183 Vgl. den oben Kap. V, Anm. 178, erwähnten Artikel im Sonntagsblatt; vgl. auch Springer, Namen. 184 Vgl. S. Petersen, Frage der Gerechtigkeit. 185 Alle Zitate: Graf, Umbenennung.
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Neben Nürnberg und München kam es auch in anderen Städten zu Debatten über die nach Meiser benannten Straßen. Sie wurden mit ähnlichen Argumenten geführt, hatten aber bisher keine Umbenennungen zur Folge. In Ansbach wurde 2006 ein entsprechender Antrag abgewiesen, weil der Stadtrat mehrheitlich die Auffassung vertrat, „dass man aus heutiger Sicht von niemandem verlangen dürfe, sich zum Märtyrer zu machen“186. Anfang 2013 scheiterte auch ein neuer Antrag der Wählergemeinschaft Offene Linke, die „Bischof-Meiser-Straße“ wegen antisemitischer Äußerungen umzubenennen, ebenso wie der Antrag eines parteilosen Bürgermeisters, der Straße einen Doppelnamen nach Meiser und von Praun zu geben187. Vorausgegangen war eine Stellungnahme der bayerischen Kirchenleitung, die sich – unkritisch den Thesen von Kitzmann und Bormann anschließend – gegen eine Umbenennung ausgesprochen hatte, weil keine neuen Gesichtspunkte vorlägen, die eine Revision des Beschlusses von 2006 begründen könnten; vielmehr sei inzwischen belegt, dass Meisers Artikelserie von 1926 zur sog. Judenfrage eine Verteidigungsschrift gegen die Judenhetze des „Stürmer“ gewesen sei, dass Meiser zum Widerstandsnetzwerk des 20. Juli 1944 gehört und wesentlich zur Rettung von 126 Rasseverfolgten beigetragen habe188. In Bayreuth beantragte die Stadtratsratsfraktion der Grünen 2007 die Umbenennung der dortigen „Hans-Meiser-Straße“, nachdem die Israelitische Kultusgemeinde die Benennung der Straße nach Bonhoeffer angeregt hatte. Dies begründeten die Grünen mit dem Vorwurf des Antisemitismus. Demgegenüber erinnerte der Bayreuther Regionalbischof Wilfried Beyhl an die Verdienste Meisers und setzte sich für eine differenzierte Erinnerung in Form einer Erinnerungstafel ein189. Der Stadtrat entschied sich Ende 2010 gegen die Umbenennung190. Zuvor setzte er eine städtische Kommission ein191 und ließ sich von Bormann beraten, der 2008 vor dem Stadtrat den AntisemitismusVorwurf bestritt und seine These vertrat, Meisers Artikelserie von 1926 habe „zwar gemäß den im Nationalprotestantismus verbreiteten antimodernen Vorurteilen angebliche Wirkungen jüdischen Denkens und Handelns in Wirtschaft und Kultur als soziales Problem“ dargestellt, aber „den politischen Antisemitismus“ verurteilt und die Christen dazu aufgerufen, „sich schützend vor die Juden zu stellen“192. Schien es 2010 noch, als seien die Debatten in 186 Neigenfind, Ansbach. 187 Vgl. Staffen-Quandt, Straßenschild. 188 Vgl. das Schreiben von Oberkirchenrat Hans-Peter Hübner an die Ansbacher Oberbürgermeisterin und die Ansbacher Bürgermeister vom 26. 10. 2012 (Privatarchiv Familie Meiser). 189 Vgl. den Artikel „,Entnennung‘ ist ,Entehrung‘. Oberfrankens Regionalbischof zur HansMeiser-Straße in Bayreuth“ (Sonntagsblatt Nr. 39 vom 30. 9. 2007, 12). 190 Vgl. Martin, München. 191 Vgl. den Artikel „Bayreuth diskutiert Umbenennung der Hans-Meiser-Straße“ vom 29. 10. 2007 (https://www.nordbayern.de/2.242/2.233/bayreuth-diskutiert-umbenennungder-hans-meiser-strasse-1.891637 [zuletzt abgerufen am 14. 11. 2019]). 192 Zitate nach Bahners, Unglück.
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Bayreuth damit beendet, erwogen die Grünen 2013 erneut, die Umbenennung der „Hans-Meiser-Straße“ zu erwirken193. Die jüngste Forderung nach Umbenennung stammt vom November 2019; wie zu Beginn der Debatten in Nürnberg und München lässt auch die neue Diskussion historische Differenzierungen vermissen, operiert mit historisch in dieser Weise unhaltbaren Behauptungen und katapultiert die Debatte auf einen wissenschaftlich überholten Stand zurück194. In Weiden in der Oberpfalz votierte 2007 der Stadtjugendring für eine Umbenennung der dortigen „Meiserstraße“, weil Meiser sich antisemitisch geäußert und den Krieg glorifiziert habe. Für die Umbenennung plädierte besonders ein SPD-Stadtrat, der Meiser als Unterstützer der Nationalsozialisten beurteilte und es für unerträglich hielt, mit einer Straße an den früheren Bischof zu erinnern, während dies bei Bonhoeffer nicht der Fall sei. Der Stadtrat sprach sich 2008 zwar einstimmig für eine Umbenennung aus, übertrug den Fall aber einer Arbeitsgruppe, die sich schließlich mit Zweidrittelmehrheit gegen die Umbenennung entschied und zugleich empfahl, mit Schildern und Einträgen im Adressbuch auf die Ambivalenzen von Persönlichkeiten wie Meiser zu verweisen und so einen aktiven Beitrag zur Erinnerungskultur zu leisten195. Nicht umbenannt wurden auch die nach Meiser benannten Straßen in Kulmbach, Pfaffenhofen an der Ilm, Schwabach, Schwandorf und Pullach. Insgesamt zeigt die Entwicklung seit 2006, dass eine differenzierte Erinnerung an Meiser, die – vor allem um eines nachhaltigen politischen Lerneffektes willen, aber auch mit Blick auf den vielschichtigen historischen Befund – von erinnerungskulturellen Akteuren, Kirchenvertretern und Wissenschaftlern wiederholt angemahnt worden ist196, im Kontext polarisierter Debatten nur in Ausnahmefällen durchsetzbar ist. Einigkeit scheint unter den meisten Beteiligten nur darüber zu bestehen, dass heute keine Straße mehr nach Meiser benannt werden würde197. Die Frage nach der Umbenennung bestehender Meiserstraßen aber führt – wie die jüngsten Kontroversen in Bayreuth zeigen198 – nach wie vor zu Polarisierungen, die kaum Differenzierungen zulassen und nach eindeutigen Werturteilen und klaren erinnerungskulturellen Entscheidungen verlangen. Ergebnis der polarisierten Debatten sind konträre Entscheidungen der zuständigen Stadträte, die in Bayern einen Flickenteppich von beibehaltenen und umbenannten Meiser-Straßen hinterlassen haben. 193 Vgl. Benrath, Debatte. 194 Vgl. den im Nordbayerischen Kurier vom 25. 11. 2019, 20, unter der Überschrift „Das ist scheinheilig“ abgedruckten Leserbrief von Heinz Ponnath; vgl. auch Engelbrecht, Meiser. 195 Vgl. Gammanick, Meiser; Baumg rtner, Stadtrat. 196 Vgl. z. B. Oelke, Meiser. 197 Vgl. das oben Kap. V, Anm. 115, erwähnte Gutachten von Jasper sowie Anselm, Ethik, 35. 198 Vgl. die Leserbriefe im Nordbayerischen Kurier vom 27. 1. 2020, 20; vom 3. 2. 2020, 20; und vom 7. 2. 2020, 20.
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Die Schwierigkeiten, eine differenzierte Erinnerung zu realisieren, verdanken sich zunächst der Tatsache, dass die NS-Zeit „durch ihr unfassbares Unrechts- und Verbrechenspotential“ bis in die Gegenwart nicht so bewältigt werden konnte, „dass sie ihre Brisanz hätte verlieren können“199, ferner den divergierenden Perspektiven und Interessen unterschiedlicher gesellschaftlicher, politischer und kirchlicher Akteure, vor allem aber dem Wesen der Erinnerungskultur selbst: Wenn Entscheidungen über Gedenkwürdigkeit und Ehrungen im öffentlichen Raum gefordert sind, geht es generell weniger darum, „eine intensive Auseinandersetzung um die historische Figur“ zu führen oder den „außerordentlichen Verdiensten einer bestimmten Person gerecht zu werden“, sondern vielmehr darum, das „gegenwärtige Selbstverständnis“ der jeweiligen Städte und Ortschaften zu formulieren und Signale zu setzen, „welche Handlungen und Verhaltensweisen eine Gesellschaft für anerkennenswert hält“200. Auch in den Debatten um die nach Meiser benannten Straßen ging und geht es weniger um die historische Person als um die Selbstvergewisserung von aktuellen Werthaltungen der Erinnernden201. Wie bereits ausgeführt, war in Nürnberg ein wesentliches Motiv der Straßenumbenennung das Bedürfnis, sich von der früheren „Stadt der Reichsparteitage“ zu distanzieren und den Ruf als „Stadt des Friedens und der Menschenrechte“202 zu behaupten. In Bayreuth meinte der Initiator der neuesten Kontroverse, angesichts des in der Bundesrepublik aktuell stark zunehmenden Antisemitismus wäre eine Umbenennung „ein klares Statement der Stadt Bayreuth gegen Antisemitismus“203. Hier wird mit zwei Werten argumentiert, die heute zu Recht als unverhandelbar betrachtet werden und für aktuelle erinnerungskulturelle Entscheidungen zentrale Bedeutung haben: Dass menschenverachtenden Ideologien wie dem Nationalsozialismus mit entschiedener Opposition begegnet werden muss und dass Antisemitismus in keiner Form geduldet werden kann. Die historische Person Meisers aber lässt sich im Wertesystem der gegenwärtigen Erinnerungskultur nicht ohne weiteres eindeutig verorten. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Werte, für die er in den 1950er Jahren geehrt wurde – der Einsatz für die Reinheit des Bekenntnisses und die Selbstständigkeit der Kirche, das Engagement für Angehörige der eigenen Institution und des „eigenen Volkes“ sowie die Gründung einer gesamtdeutschen lutherischen Konfessionskirche – heute gesellschaftlich und selbst im kirchlichen Raum kaum mehr vermittelbar sind.
199 200 201 202 203
Zitate: Oelke, Erinnerungskultur, 231. Zitate: Anselm, Ethik, 29 f. Vgl. Schulze, Meiser, 197. Vgl. oben Kap. V, Anm. 140 und 146. Leserbrief von Heinz Ponnath im Nordbayerischen Kurier vom 3. 2. 2020, 20.
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Zwischen der beispiellosen Verehrung Meisers in den 1950er Jahren und der radikalen Demontage in den letzten beiden Jahrzehnten besteht in erinnerungskultureller Hinsicht allerdings eine Parallele: Sowohl die öffentlichen Ehrungen in der frühen Bundesrepublik – bei denen Meisers Versäumnisse und Defizite ignoriert wurden – als auch die jüngst vollzogenen Tilgungen der Erinnerung an den ersten bayerischen Landesbischof aus dem öffentlichen Raum – die Meisers Verdienste nivellieren – werden in ihrer Eindeutigkeit der Komplexität des historischen Befundes nicht gerecht und blenden wesentliche Aspekte der historischen Person aus. Somit ist die Rezeptionsgeschichte Meisers ein herausragendes Beispiel dafür, dass erinnerungskulturelle Entscheidungen oft weniger über ihre historischen Gegenstände, dafür aber umso mehr über die Werte ihrer jeweiligen Zeit aussagen204.
204 Vgl. Schulze, Meiser, 206.
Zusammenfassung I. Meiser erhielt seine grundlegenden Prägungen im deutschen Kaiserreich. In seinem Elternhaus bekam er eine deutschnationale Erziehung im Sinn der antisozialistischen und antidemokratischen Monarchie unter Wilhelm II. Neben dem Kaiser galt die Loyalität der Familie auch dem bayerischen Königshaus. Sie pflegte die für das Bürgertum charakteristischen antisemitischen Stereotype, zu denen im Religionsunterricht Elemente des christlichen Antijudaismus hinzutraten. Meisers religiöse Sozialisation erfolgte im lutherisch-konfessionellen Milieu der bayerischen Landeskirche, das von der neulutherischen Erlanger Theologie des 19. Jahrhunderts bestimmt war. Er erlebte eine Staatskirche, die die monarchische Staatsordnung theologisch überlegitimierte und strukturelle Änderungen in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft als Verstoß gegen die Ordnungen Gottes betrachtete. In der Schule wurde Meiser von antiken Wertvorstellungen geprägt und deutschnational indoktriniert. Im Religionsunterricht lernte er den christlichen Glauben ausschließlich nach den Lehren der Erlanger Theologischen Schule kennen. Dabei wurde ihm ein unkritischer Obrigkeitsgehorsam vermittelt, der abweichend von der reformatorischen Lehre kein Widerstandsrecht gegen eine widergöttlich agierende Obrigkeit kannte. Im Theologiestudium kollidierten Meisers juvenile Glaubensüberzeugungen mit der wissenschaftlichen Theologie, vor allem der historischen Kritik und dem theologischen Liberalismus. Aus dem Studium ging er als Gegner „moderner“ theologischer Ansätze und als konfessioneller Lutheraner hervor, für den das lutherische Bekenntnis der christlichen Wahrheit am nächsten kam. Als Lehrvikar in Weiden, exponierter Vikar in Haßfurt und Stadtvikar in Würzburg erhielt Meiser weitere grundlegende Prägungen. Er erlebte die Kirche in der Defensive und erwarb Feindbilder, die er teilweise nie mehr überwand. Dazu gehörten die katholische Kirche, die erstarkende weltanschauliche Konkurrenz, die zunehmenden Säkularisierungstendenzen und die Sozialdemokratie, gegen die er an der Überzeugung festhielt, ein sozialer Ausgleich lasse sich nur durch die Verchristlichung von Staat, Gesellschaft und Individuum erreichen. Unter Meisers Verdikt fiel auch die Frauenrechtsbewegung: Er hielt Mann und Frau zwar für gleichwertig vor Gott, eine Gleichstellung lehnte er aber ab, weil Mann und Frau schöpfungsbedingt verschieden seien und unterschiedliche Aufgaben hätten. Durch sein Festhalten an der traditionellen kirchlichen Lehre sowie seine Loyalität zu Kirche und monarchischem Staat, aber auch durch seine Fähigkeit, das Vertrauen der Gemeindeglieder zu gewinnen und vermittelnd zu wirken, erwarb er sich bei der Kirchenleitung rasch einen hervorragenden Ruf.
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II. Als Vereinsgeistlicher des Landesvereins für Innere Mission folgte Meiser dem sozialethischen Programm Wicherns. Er engagierte sich in der kirchlichen Jugendarbeit, die durch staatliche Initiativen, die sozialdemokratische Arbeiterjugend und die Jugendbewegung bedroht war. Darauf reagierte er mit der Zentralisierung der kirchlichen Jugendarbeit, schuf den Verband evangelischer Erziehungsanstalten und gründete evangelische Jugendhilfen. Er erkannte die Bedeutung der Tagespresse und initiierte nach dem Vorbild anderer Landeskirchen und des Evangelischen Pressverbands für Deutschland die Gründung eines evangelischen Presseverbandes für Bayern. Zur Abwehr der Kirchenaustrittsbewegung organisierte er apologetische Veranstaltungsreihen und Massenversammlungen. Dabei lernte er, neue Vorhaben vor der kirchlichen Öffentlichkeit zu vertreten, Einfluss auf Entscheidungsprozesse der Kirchenleitung zu nehmen, Massenmedien zu nutzen und kirchliche Interessen gegenüber dem Staat zu behaupten. Zudem vernetzte er sich in der Landeskirche in höherem Maß als gewöhnliche Gemeindepfarrer. Bei Beginn des Ersten Weltkriegs spannte Meiser die Innere Mission für den Krieg ein, zeichnete den Krieg im Gegensatz zur allgemeinen Kriegsbegeisterung und zur protestantischen Kriegspredigt jedoch als Apokalypse. Während er als Feldgeistlicher in Frankreich antifranzösische Ressentiments hegte, unterließ er es nach seiner Rückkehr, den Kriegsgegner zu diskreditieren. Stattdessen wandte er sich gegen die religiöse Überhöhung der Nation und des Heldentodes für das Vaterland zu Werten von Ewigkeitsrang. Auch als Münchner Gemeindepfarrer hielt er der Verabsolutierung des Nationalen den Universalitätsanspruch des Evangeliums entgegen, forderte die Gemeinde zugleich aber zum Kriegseinsatz und zur Loyalität zu Kaiser und Reich auf. Die Revolution verurteilte er als Verstoß gegen die göttliche Ordnung. Für die Demokratie zunächst aufgeschlossen, veranlassten ihn die antikirchliche Politik der bayerischen SPD-Regierung und der Versailler Vertrag dann jedoch zu scharfem Protest. Nach dem Ersten Weltkrieg war Meiser als Mitglied der verfassunggebenden Generalsynode und des Landessynodalausschusses an der kirchlichen Neuordnung beteiligt. Als Vertreter der jüngeren Pfarrergeneration, die autoritäre Führungsstrukturen forderte, trug er dazu bei, dass in der Kirchenverfassung ein starkes Leitungsamt verankert wurde, das er ab 1933 selbst bekleidete. Sein synodales Engagement sorgte für eine weitere Vernetzung mit bedeutenden kirchlichen Persönlichkeiten und katapultierte ihn auf die Stelle des Gründungsrektors des Nürnberger Predigerseminars. Dort erzog er die Kandidaten zur Unterordnung unter Lehre und Ordnung der Kirche. Unter ihm wuchs eine Pfarrergeneration heran, die sich mehrheitlich loyal zur Landeskirche stellte, der Kirchenleitung unterordnete und die Landeskirche bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts prägte. Wie fast alle Kräfte des deutschen Protestantismus sah Meiser nach dem Ende des Staatskirchentums die Stunde der Kirche gekommen. Er entwarf eine euphorische Schau auf die Möglichkeiten der Kirche, deren Kehrseite aller-
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dings die Ablehnung der Weimarer Republik war. In einer Stellungnahme zur sog. Judenfrage wandte er sich gegen den Antisemitismus des „Stürmer“, transportierte zugleich aber antisemitische Stereotype weiter, die ab 1933 zu mangelnder kirchlicher Sensibilität gegenüber der NS-Rassepolitik und deren Opfern führten. Organisatorisch und methodisch leistete Meiser als Seminardirektor Herausragendes, setzte aber keine neuen theologischen Akzente. Wohl gerade weil er wie kaum ein anderer den landeskirchlichen Mainstream verkörperte, schien er nun reif für den Aufstieg in die Kirchenleitung. Als Oberkirchenrat und Schulreferent wachte Meiser über die kirchliche Linientreue der Lehrkräfte und verhinderte im Einklang mit dem Landeskirchenrat, dass Theologinnen qualifizierte Beschäftigungsmöglichkeiten erhielten. Durch seine Personalpolitik und seine Einflussnahme auf neue Lehrbücher prägte er die Glaubensvorstellungen mehrerer Schülergenerationen und damit das Gesicht der gesamten Landeskirche bis in die Bundesrepublik. In der Endphase der Weimarer Republik prangerte er den vermeintlichen Verfall von Gesellschaft und Kultur an. Für ihn war die Republik wegen ihrer mangelnden Fundierung im Christentum nicht dazu in der Lage, ihrer Ordnungsfunktion nachzukommen. Diese Aufgabe sollten nun die Gemeindeglieder übernehmen: Basierend auf einer durchgängigen Negation der Republik schärfte Meiser ihnen ein, sie dürften sich dem Staat zwar nicht widersetzen, sollten sich aber dem kulturellen und moralischen Verfall entgegenstellen. Zum Nationalsozialismus nahm Meiser als erstes Mitglied der Kirchenleitung Stellung. Er warnte, die NSDAP stehe in der Gefahr, Volk und Staat zu vergotten und den Menschen zu einer von allen religiösen Bindungen gelösten Bestie zu machen, meinte aber, die Kirche müsse den christlichen Kräften in der NSDAP zum Durchbruch verhelfen. Zudem unterstützte er Bestrebungen, mit der NSDAP ins Gespräch zu kommen. Obwohl er sich zu keinem Zeitpunkt positiv zur NSDAP äußerte, setzte er damit ein Signal, das ihn als offen für den Nationalsozialismus erscheinen ließ. Dies war neben seiner Treue zu Bekenntnis und Ordnung der Kirche eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass ihm 1933 die Führung der Landeskirche übertragen wurde. III. Mit Meisers Amtsantritt als Landesbischof war die Bejahung des NSStaates durch die Landeskirche und die Ausblendung der außerkirchlichen Opfer des NS-Terrors verbunden. Seine Bereitschaft, das NS-Regime anzuerkennen, verdankte sich den für den deutschen Protestantismus weitgehend typischen Vorbehalten gegen die Weimarer Republik. Zudem glaubte er, die NS-Machthaber würden Staat und Gesellschaft wieder auf eine christliche Basis stellen, sich aber gegen die Kirche wenden, wenn sie sich nicht zum NSStaat bekannte. Für die Integrität der Landeskirche erwies sich Meisers Amtsantritt als Glücksfall: Seinem taktischen Geschick und seiner Integrationsfähigkeit war es zu verdanken, dass die Landeskirche nicht den Deutschen Christen in die Hände fiel. Der Preis dafür waren die Verdrängung Veits, die
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Installation eines autoritären Bischofsamtes und Zugeständnisse an NSPfarrer und Deutsche Christen. Während Meiser die Landeskirche zusammenhalten konnte, zwang ihn die kirchenpolitische Entwicklung im Reich zu einer Entscheidung zwischen dem deutschchristlichen Reichsbischof und der entstehenden Bekennenden Kirche. Er setzte sich zunächst an die Spitze der kirchlichen Opposition, erklärte sich unter Hitlers Druck dann aber wieder zur Zusammenarbeit mit dem Reichsbischof bereit. Endgültig sagte er sich vom Reichsbischof erst los, als dieser die Landeskirchen zwangsweise gleichschaltete. Jetzt bot Meiser Hitler offen die Stirn und trug wesentlich zur Konstituierung der Bekennenden Kirche bei, gab zugleich aber Loyalitätserklärungen an den NS-Staat ab. Dieses zwiespältige Verhalten war für ihn kein Widerspruch: Nach seinem neulutherischen Verständnis der Zwei-Reiche-Lehre sah er sich zwar nicht zur Einmischung in staatliche Belange befugt; wenn der NS-Staat aber über deutschchristliche Mittelsmänner in die Kirche hineinregierte, musste er als Hüter des Bekenntnisses Widerstand leisten. Deshalb widersetzten er und sein Netzwerk sich im Herbst 1934 mutig der Zwangseingliederung der Landeskirche in die Reichskirche, mobilisierten die Gemeinden und brachten Hitler seine erste innenpolitische Niederlage bei. Da für Meiser eine Beschädigung des Staates durch die Kirche theologisch genauso unzulässig war wie die Beschädigung des kirchlichen Bekenntnisses durch den Staat, schärfte er den Gemeinden nach Hitlers Niederlage umso mehr die Treue zu „Führer“ und NS-Staat ein. Die Gratwanderung zwischen Staatsloyalität und Protest setzte Meiser auch in der Phase der konsolidierten NSHerrschaft fort. Weil er glaubte, die Kirche sei selbst einer schlechten Obrigkeit Gehorsam und Fürbitte schuldig, bekundete er vielfach die Treue der Kirche zum NS-Staat, schärfte den Gemeinden Staatstreue ein und wirkte damit systemstabilisierend. In den Treuebekundungen schwangen aber auch theologische Vorbehalte gegen die Verabsolutierung von Staat, Volk und Nation und versteckte Kritik an der kirchenfeindlichen Politik des NS-Staates mit. Um die staatlich anerkannte Volkskirche zu erhalten, kam Meiser dem NSStaat weiter entgegen als der sog. radikale Flügel der Bekennenden Kirche und ging zahlreiche Kompromisse ein, die in der Landeskirche nicht unwidersprochen blieben. Einzelne Pfarrer und Laien, die meist von Barth geprägt waren, folgten seinen Anweisungen nicht und prangerten den NS-Staat offen an, was Meiser als Gefahr für die Kirche betrachtete. Abweichler, die in Konflikt mit dem NS-Regime gerieten, unterstützte er zwar, ergriff aber auch Disziplinarmaßnahmen, die dem Schutz der Kirche und der Betroffenen selbst dienen sollten. Selten kompromisslos verhielt Meiser sich hingegen, wenn die bekenntnisgemäße Kirchenleitung bedroht war. Konsequent wehrte er jeden Versuch des NS-Regimes ab, sich die Landeskirche durch Staatseingriffe zu unterwerfen. Protest legte Meiser immer dann ein, wenn der Staat in die Kirche hineinzuregieren und ihren öffentlichen Einfluss auszuschalten versuchte. Er
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protestierte gegen die antichristliche Propaganda und kirchenfeindliche Maßnahmen, bestritt den NS-Totalitätsanspruch und kämpfte für den Erhalt der Bekenntnisschulen. Im Gegensatz zu den „radikalen“ Bruderräten wagten es Meiser und seine Verbündeten im bischöflichen Flügel der Bekennenden Kirche aber nicht, die Konzentrationslager und den staatlich verordneten Rassenhass anzuprangern. Wie die Führungspersönlichkeiten anderer Landeskirchen schwieg er zu den Nürnberger Gesetzen 1935 und zum Novemberpogrom 1938. Hatte ihn anfangs noch die brisante Lage der Landeskirche an einem Protest gegen die NS-Rassepolitik gehindert, leitete ihn jetzt die Angst, ein öffentliches Wort würde zum Bruch zwischen Staat und Kirche führen. Nach dem Novemberpogrom befürchtete er, kirchlicher Protest werde schweren Schaden für die Kirche und ihre Mitarbeiter nach sich ziehen. Der Übernahme des staatlichen „Arierparagraphen“ in die Landeskirche verhinderte Meiser jedoch, da er es für bekenntniswidrig hielt, die Besetzung des Pfarramts von rassischen Kriterien abhängig zu machen. Allerdings sprach er dem Staat nicht das Recht ab, in seinem Bereich den „Arierparagraphen“ einzuführen. Dies hatte zur Folge, dass er das NS-Regime nicht zur Rücknahme der Rassegesetzgebung aufforderte, und zwar auch dann nicht, als Amtsträger der Landeskirche gefährdet wurden. So blieb Meiser nur noch übrig, die Folgen der NS-Rassepolitik abzumildern. Seine Einzelfalllösungen federten zwar die größten Härten ab, brachten aber dennoch Leid über Betroffene und ihre Familien. Rassisch verfolgte Geistliche aus anderen Landeskirchen übernahm Meiser nicht, da dazu ein staatliches Plazet nötig war; im Verborgenen half er jedoch einzelnen Betroffenen bei der Emigration. Rassisch verfolgte Gemeindeglieder waren für Meiser vollwertige Glieder der Kirche. Deshalb wehrte er alle Versuche ab, sie von den Gemeinden auszuschließen. Organisierte Hilfe richtete er jedoch erst 1938 ein. Die bayerischen Hilfsstellen leisteten hunderten Betroffenen Beistand und retteten einem Teil durch Hilfe zur Emigration das Leben. Meiser handelte dabei so entschieden wie kein anderer Landesbischof. Sein Einsatz kann aber nicht darüber nicht hinwegtäuschen, dass er das Thema zuvor nur dilatorisch behandelt hatte und kirchlicher Hilfe nur noch geringe Handlungsspielräume blieben. Im Zweiten Weltkrieg blieb Meiser staatsloyal, ging wegen der kirchenfeindlichen Politik und der Staatsverbrechen aber zunehmend auf Distanz zum NS-Regime. Anfangs übernahm er noch systemkonforme Verlautbarungen der Reichskirche, seine eigenen Stellungnahmen unterschieden sich aber wesentlich von der NS-Kriegsrhetorik und den Jubelarien der Deutschen Christen. Er malte apokalyptische Schreckensbilder und fokussierte sich auf die seelsorgerlichen Aufgaben der Kirche. Allerdings nützte auch sein Seelsorgeprogramm dem NS-Staat, denn es zielte nicht nur auf die Verkündigung des Heils, sondern sollte Pfarrer und Gemeinden zur Erfüllung ihrer vermeintlich christlichen Kriegspflichten anhalten. Nach dem Westfeldzug hielt Meiser „Versailles“ für revidiert und lehnte die Fortführung des Krieges ab.
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Dennoch war es für ihn auch weiterhin die Pflicht der Christen, Volk und Vaterland zu unterstützen; er beschränkte sich jetzt aber auf Fürbitte für den Staat. Zu Beginn des Rasse- und Vernichtungskriegs gegen die Sowjetunion, nach Stalingrad und dem gescheiterten Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 hüllte er sich in Schweigen und demonstrierte so beredt seine Distanz zum Regime. Meiser hoffte anfangs noch, der NS-Staat werde seine kirchenfeindliche Politik im Krieg revidieren. Am Vorgehen des NS-Regimes im besetzten Polen wurde aber allen kirchlichen Beteiligten klar, dass es jetzt um die völlige Vernichtung von Christentum und Kirche ging. Meiser fuhr mit seiner Eingabepolitik fort, setzte nun aber – vor allem beim Religionsunterricht und beim Kirchensteuereinzug – vermehrt auf kirchliche Ersatzlösungen. Neben seinen eigenen Eingaben beteiligte er sich an gesamtkirchlichen Protesten, bei denen allerdings nicht er selbst, sondern Wurm die Führungsrolle hatte. Von öffentlichen Protesten hielt Meiser seine Überzeugung ab, die Kirche sei Volk und Vaterland Loyalität schuldig. In seinen Predigten machte er den NS-Staat aber offen für die Entchristlichung verantwortlich und forderte die Gemeinden dazu auf, für ihren Glauben Verfolgung in Kauf zu nehmen. Weder die Kirchenpolitik noch die NS-Verbrechen führten allerdings zu politischem Widerstand. Meiser versuchte auch im Krieg, kirchlichen Opfern des NS-Terrors zu helfen. So bemühte er sich, den im KZ Dachau inhaftierten Geistlichen humanitäre Erleichterungen und kirchliche Versorgung zu verschaffen, und unterstützte die Ehefrauen von Inhaftierten. Wenn kirchliche Bedienstete in Konflikt mit dem Regime gerieten, half er Betroffenen durch Fürsprache oder juristischen Beistand. Die Hilfe bewegte sich aber nur im Rahmen dessen, was der NS-Staat erlaubte; um die Kirche und die Betroffenen selbst zu schützen, vermied Meiser jede direkte Konfrontation mit dem Staat. Eines der größten kirchlichen Probleme im Krieg war der Ausfall von Pfarrern. Um die geistliche Versorgung aufrechtzuerhalten, mobilisierte Meiser die Gemeinden und führte das Lektorenamt ein. Aufgrund seines schöpfungsordnungstheologisch überhöhten Geschlechterverständnisses schloss er Frauen davon jedoch aus und war auch nicht bereit, verwaiste Pfarrämter mit Theologinnen zu besetzen. Zu den Schwierigkeiten bei der geistlichen Versorgung kamen noch Kompetenzkonflikte in der Kirchenleitung hinzu. Der Landessynodalausschuss fühlte sich vom Landeskirchenrat übergangen und kritisierte, dass die Gemeinden in der Kirchenleitung nicht mehr hinreichend repräsentiert seien. Meiser weichte deshalb zwar das Ermächtigungsgesetz auf und erklärte, Entscheidungen nur noch mit Zustimmung der anderen kirchenleitenden Organe fällen zu wollen, sah sich später aber trotzdem mit dem Vorwurf konfrontiert, er habe das Führerprinzip in der Kirche aufgerichtet. Gegenüber den Staatsverbrechen hielt Meiser sich im Krieg noch mehr zurück als zuvor. Er intervenierte zwar früh gegen die Ermordung von Be-
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hinderten und Kranken, unterließ aber öffentlichen Protest und unternahm auf Wunsch von Bodelschwinghs auch keine weiteren Aktionen mehr. Auch zu einem öffentlichen Protest gegen die Judenvernichtung war Meiser nicht bereit. Er schlug die Bitten von Pechmanns aus, gemeinsam mit der katholischen Kirche seine Stimme zu erheben, und lehnte es ab, die Osterdenkschrift des Lempp-Kreises zur Grundlage eines Protests zu machen. Dies begründete er mit seiner Verantwortung für die Kirche und ihre Mitarbeiter. Zudem glaubte er, öffentlicher Protest werde die Judenverfolgung noch verschärfen. Stattdessen setzte er auf gesamtkirchliche Eingaben, die aber schwach ausfielen oder allein unter dem Namen Wurms herausgingen. Im Gegensatz dazu protestierte Meiser, als der Württembergischen Bibelanstalt die Gemeinnützigkeit entzogen wurde, und spielte dabei das Alte Testament gegen die Juden aus. Vor dem Hintergrund des millionenfachen Mordens war dieser Vorgang nicht weniger beschämend als der Versand eines Schulungspapiers von Kittel, das Wasser auf die menschenverachtenden Mühlen der NS-Rassepolitik goss. Neben seinem Amt als Landesbischof engagierte Meiser sich stark in gesamtkirchlichen Zusammenschlüssen. Als entschiedener Lutheraner und Gegner der kirchlichen Union avancierte er 1933 schnell zur Leitfigur der lutherischen Landeskirchen. Bei den Verhandlungen über die Verfassung der DEKwollte er eine lutherisch dominierte Reichskirche schaffen, stimmte unter politischem Druck aber schließlich einer Lösung zu, die Bekenntnis und NSFührerprinzip vermischte. Zudem wählte er den Wunschkandidaten Hitlers und Schirmherrn der Deutschen Christen Müller zum Reichsbischof und wurde so mitverantwortlich für das diktatorische Gewaltkirchenregiment Müllers. Aus Sorge um das lutherische Bekenntnis übernahm Meiser wenige Monate später jedoch eine Vorreiterrolle in der kirchlichen Opposition gegen den Reichsbischof. Er schloss sich mit den Bischöfen der „intakten“ Kirchen und dem Pfarrernotbund zur sog. Bekenntnisfront zusammen und trug maßgeblich dazu bei, dass es zur Entstehung der Bekennenden Kirche kam. Er nahm an der ersten Reichsbekenntnissynode in Barmen teil und verabschiedete auch deren Theologische Erklärung mit. Meiser verteidigte die Erklärung zwar gegen lutherische Hardliner und den NS-Staat, wandte sich aber dagegen, sie als konfessionsübergreifende Basis für den Neuaufbau der DEK zu werten. Darin sah er den Versuch, aus der Erklärung ein Bekenntnis zu machen, was nach seinem neulutherischen Bekenntnisbegriff der Gründung einer Unionskirche gleichkam. Um die staatliche anerkannte Volkskirche zu erhalten, wollte Meiser bei der Neuordnung der DEK nicht Barmen verpflichtend machen, sondern an die Verfassung anknüpfen und auch solche Kreise einbinden, die sich nicht zu Barmen bekannten. Seine Beteiligung an Neuordnungsversuchen, die nicht oder nur teilweise auf Barmen und Dahlem fußten, betrachteten die Bruderräte als Preisgabe der Bekenntnissynoden. Dies traf insofern zu, als Meiser die Notorgane der Bekennenden Kirche möglichst bald wieder ab-
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schaffen und verfassungsgemäße Zustände wiederherstellen wollte. Vor allem aber befürchtete er, die Bruderräte wollten die Barmer Erklärung über die reformatorischen Bekenntnisse stellen. Deshalb machte er klar, dass er die Gemeinschaft der Bekennenden Kirche nur als Kampfbündnis, nicht aber im Sinn einer auf die Barmer Erklärung gegründeten Unionskirche aufrechterhalten wollte. Dies brachte ihm den Vorwurf ein, die Bekennende Kirche zu spalten. Den Anlass zum endgültigen Bruch gaben die vom Reichskirchenminister eingesetzten Kirchenausschüsse. Während Meiser eine bedingte Zusammenarbeit mit den Ausschüssen für möglich hielt, lehnten die Bruderräte dies kompromisslos ab, forderten die Zustimmung zur Barmer Erklärung und die Anerkennung der Leitungsorgane der Bekennenden Kirche. Darin sah Meiser eine Kanonisierung der Bekenntnissynoden. Er verweigerte die Anerkennung der von den Bruderräten eingesetzten VKL II und initiierte die Gründung des Lutherrats, mit dem sich die lutherischen Kräfte eine eigene Vertretung schufen. Damit war die organisatorische Spaltung der Bekennenden Kirche besiegelt. Mit dem Lutherrat knüpfte Meiser wieder an die lutherischen Einigungsbestrebungen an, die er angesichts der Gründung der DEK und des gemeinsamen Kampfes der Bekennenden Kirche zurückgestellt hatte. Dieser Kampf hatte für Meiser zunächst Priorität. Deshalb ging die Gründung des Lutherischen Rates 1934 auch nicht auf seine Initiative zurück. Den Vorsitz übernahm er nur unter der Voraussetzung, dass dies nicht die Aufkündigung der Gemeinschaft mit der Bekennenden Kirche bedeutete. Nach dem Zusammenbruch der Gleichschaltungspolitik des Reichsbischofs verschoben sich seine Prioritäten jedoch: Er wollte die Gemeinschaft der Bekennenden Kirche zwar nicht aufgeben, arbeitete als Fernziel jetzt aber auf eine lutherische Kirche deutscher Nation hin. Bis zur Spaltung der Bekennenden Kirche agierte Meiser im Spannungsfeld von DEK, Bekennender Kirche und lutherischer Vereinigung. Er wollte keinen der Zusammenschlüsse aufgeben, für theologisch geboten hielt er aber nur die lutherische Vereinigung. Deshalb schloss er sich 1935 dem Lutherischen Pakt an und beteiligte sich federführend an Planung und Durchführung des Deutschen Lutherischen Tages. Die Weiterführung der lutherischen Vereinigung scheiterte allerdings zunächst an der Kirchenausschusspolitik des Reichskirchenministers, die auch im Lutherischen Rat fast zum Bruch führte. Durch die Spaltung der Bekennenden Kirche erhielten Meisers lutherische Vereinigungspläne neuen Auftrieb. Die Gründung des Lutherrats ging über die bisherigen lutherischen Zusammenschlüsse hinaus, denn der neue Rat erhob Leitungsansprüche und machte sich die Vorbereitung einer vereinten lutherischen Kirche Deutschlands zur Aufgabe. Meiser sah allerdings realistisch, dass dieses Ziel unter dem NS-Regime nicht umsetzbar war. Da der Lutherrat vom Reichskirchenministerium torpediert wurde und es auch intern zu
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schweren Krisen kam, konnte Meiser seine Pläne für eine vereinte lutherische Kirche dann auch erst nach Kriegsende verwirklichen. Nach der Gründung des Lutherrats wollte Meiser zwar eine theologische Klärung der Differenzen mit der VKL II herbeiführen, die gegensätzlichen Positionen waren aber unversöhnlich. Unter dem Druck der NS-Kirchenpolitik kam es noch zu kurzlebigen Kampfbündnissen von Lutherrat und VKL II, Meiser blieb aber apodiktisch dabei, dass Barmen nicht als Bekenntnis einer Unionskirche verstanden werden dürfe und die VKL II ihre Kirchenleitungsansprüche aufgeben müsse. Die Zusammenarbeit endete, als Meiser auf Druck des Reichskirchenministers gemeinsam mit anderen Bischöfen eine Erklärung unterzeichnete, in der er sich von der VKL II trennte und damit den Vorwurf untermauerte, Verrat an der Bekennenden Kirche begangen zu haben. Am Negativbild Meisers konnten auch seine Solidaritätsbekundungen mit verfolgten Bekenntnispfarrern und die bayerischen Hilfsaktionen für zerstörte Kirchengebiete nichts ändern. Im Krieg nahmen Meiser und Wurm die Beziehungen zur VKL II dann wieder auf; zu einer ähnlich intensiven Zusammenarbeit wie in den ersten Jahren der Bekennenden Kirche kam es aber nicht mehr. Zweifellos war Meiser mit seiner Fixierung auf das historische lutherische Bekenntnis und seiner Unionsphobie einer der Hauptverursacher der bleibenden Spaltung der Bekennenden Kirche, aber auch die starren ekklesiologischen Positionen der Bruderräte trugen zur Spaltung bei. Die Furcht vor einer Union bestimmte auch Meisers Beteiligung am Einigungswerk Wurms. Meiser war erst zur Mitarbeit bereit, als ihm sicher schien, dass das Einigungswerk keinen neuen Versuch darstellte, eine kirchliche Union zu schaffen. Nachdem er sich für das Einigungswerk entschieden hatte, verteidigte er es zwar gegen Widerstände aus lutherischen Kreisen, wandte sich aber gegen Überlegungen für eine gemeinsame Kirchenordnung der beteiligten Kirchen und betonte nochmals, ein Zusammenschluss konfessionsverschiedener Kirchen könne ausschließlich als Föderation erfolgen. Damit war seine Marschroute für die Neuordnung des deutschen Protestantismus nach dem Zweiten Weltkrieg vorgegeben. IV. Meiser blieb 1945 unangefochten im Amt, weil ihn sein mutiges Verhalten im bayerischen Kirchenkampf unangreifbar machte, keine formale NS-Belastung vorlag und die amerikanische Besatzungsmacht die Kirchen benötigte. Als Landesbischof, Mitglied des Rates der EKD, Vorsitzender des Lutherrats und Leitender Bischof der VELKD, als Mitglied des Exekutivkomitees des LWB und des Zentralausschusses des ÖRK stellte er nicht nur die Weichen für den Nachkriegskurs der Landeskirche, sondern gestaltete auch die Neuordnung des deutschen Gesamtprotestantismus mit. Obwohl er seine autoritären Vollmachten zurückgab, behielt Meiser in der Landeskirche eine dominierende Stellung. Wie in der NS-Herrschaft besetzte er Schlüsselpositionen mit treuen Gefolgsleuten, während innerkirchliche
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Opponenten als Querulanten behandelt wurden. Er kündigte zwar einen umfassenden Neuaufbau der Kirche an, tiefgreifende Reformen blieben jedoch aus. Theologisch hielt er an seinen bisherigen Positionen fest und verurteilte neuere Entwicklungen wie die Entmythologisierung des Neuen Testaments. Frauen blieben das Pfarramt und das passive Wahlrecht zur Landessynode verwehrt. Andererseits trieb er neue Entwicklungen voran, die sich ähnlich auch in anderen Landeskirchen vollzogen. Stark engagierte er sich bei der Gründung der Evangelischen Akademie Tutzing und der kirchlichen Augustana-Hochschule in Neuendettelsau. Obwohl er an seinem Misstrauen gegen den Katholizismus festhielt, kam es jetzt zu einer interkonfessionellen Zusammenarbeit. Für Meiser stand nach 1945 nicht die Bewältigung der NS-Vergangenheit, sondern der kirchliche Wiederaufbau im Vordergrund. Er unterzeichnete aber das Stuttgarter Schuldbekenntnis, trug die Erklärung der Synode der EKD zur Schuld an Israel mit und war der erste Repräsentant des deutschen Protestantismus, der vor internationalen Kirchenvertretern die deutsche Schuld an den Juden eingestand. Wie in anderen kirchlichen Äußerungen unterblieb auch in Meisers Schuldbekenntnissen eine sachliche Analyse der NS-Herrschaft und eine Reflexion der kirchlichen Mitverantwortung. Zudem betrieb er eine apologetische Geschichtspolitik, die das systemstabilisierende Verhalten von Kirchenleitung und Pfarrern ausblendete und die Bekennende Kirche zu einer Widerstandsbewegung stilisierte. Damit wollte er Pfarrern und Gemeindegliedern helfen, sich in den Entnazifizierungsverfahren zu verteidigen. Gegen die Entnazifizierung lief Meiser in Übereinstimmung mit der Führungsspitze der EKD Sturm. Angesichts der Massenentnazifizierung legte er erstmals gemeinsam mit Kardinal von Faulhaber Protest ein. Dabei leitete ihn die Überzeugung, die Kirche müsse ihre Stimme gegen das vermeintliche Unrecht erheben. Die kirchliche Opposition untergrub freilich das Bewusstsein für die Notwendigkeit der politischen Säuberung und blendete den Anteil der Einzelnen an der NS-Herrschaft aus. Der kirchliche Protest war das Ergebnis einer Lehre, die die kirchliche Führungselite aus der NS-Zeit gezogen hatten: Es sollte nicht wieder geschehen, dass die Kirche zu Unrecht und Verbrechen schwieg. Deshalb übte Meiser auch scharfe Kritik an den Nürnberger Prozessen und setzte sich für einzelne NS-Täter aus dem kirchlichnationalkonservativen Milieu ein. Erwiesenen NS- und Hauptkriegsverbrechern sowie kirchenfeindlichen Nationalsozialisten hingegen verweigerte er Hilfe. Meisers Widerstand gegen die Entnazifizierung der Pfarrer war das Ergebnis einer weiteren Lehre, die die kirchlichen Verantwortlichen aus der NSZeit gezogen hatten, nämlich, dass der Staat nicht in die Besetzung des Pfarramts eingreifen dürfe. Meiser beteuerte zwar, die Kirche werde sich selbst von NS-Einflüssen reinigen; tatsächlich jedoch entließ er nur radikal deutschchristliche und solche Pfarrer, die sich gegen die Kirchenleitung ge-
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stellt hatten. Das systemstützende Agieren und die antidemokratische Haltung der PG-Pfarrer hingegen spielten keine Rolle. Meisers Geschichtspolitik und sein Einsatz für ehemalige Nationalsozialisten fügten sich nahtlos in die Vergangenheitspolitik der Ära Adenauer ein, die einen Schlussstrich unter die NS-Vergangenheit ziehen wollte. Ein Kennzeichen dieser Ära war auch die mangelnde Sensibilität gegenüber NS-Opfern. Dabei machte Meiser keine Ausnahme. Für NS-Opfer engagierte er sich in erheblich geringerem Maß als für frühere Nationalsozialisten. Hinter dem geringen Engagement stand auch die Furcht, Hilfe könne als Eingeständnis der kirchlichen Versäumnisse während der NS-Herrschaft gedeutet werden. Die Juden als größte Opfergruppe sah Meiser durch jüdische Hilfsorganisationen versorgt. Er wollte zwar die Kluft zwischen Christentum und Judentum überwinden, entfaltete aber keine entsprechenden Aktivitäten, zu denen auch eine Analyse des Zusammenhangs von christlichem Antijudaismus und NS-Rassepolitik gehört hätte. Stattdessen hielt er wie die Mehrheit des deutschen Protestantismus und die Ökumene auch nach dem Zivilisationsbruch der Shoa an der Judenmission fest. Da er als Gegner des Nationalsozialismus galt, genoss er bei hohen Repräsentanten des Judentums in Bayern dennoch großes Ansehen. Die privilegierte Position, die die Besatzungsmacht den Kirchen einräumte, nutzte Meiser, um sich zum Anwalt der einheimischen Bevölkerung zu machen und kirchliche Interessen durchzusetzen. Seine Einflussnahme auf die Militärregierung, die bayerische Staatsregierung, die politischen Parteien und die Bundespolitik sollte die während der NS-Zeit verloren gegangenen Rechte und öffentlichen Wirkungsmöglichkeiten der Kirche wiederherstellen und sichern. Die parlamentarische Demokratie stellte Meiser nicht in Frage. Vielmehr betrachtete er es als christliche Pflicht der Gemeindeglieder, sich an Wahlen zu beteiligen und Einfluss auf Staat und Gesellschaft auszuüben. Wie der gesamte deutsche Protestantismus erkannte er, dass Christen nach den Erfahrungen der NS-Herrschaft verstärkt öffentliche Verantwortung wahrnehmen müssten. Zu einem neuen Staatsverständnis führte dies aber nicht: Für ihn war jetzt der demokratische Staat die von Gott gesetzte Obrigkeit; nach seinem Verständnis der Zwei-Reiche-Lehre sollten sich kirchliche Amtsträger auch in der Demokratie nicht politisch betätigen. Meiser selbst äußerte sich vor allem dann politisch, wenn es um evangelische Interessen ging. Um diese Interessen durchzusetzen, nutzte er Kontakte zu Politikern und Parteien. Am nächsten stand ihm die CSU, aber auch zur SPD trat er in einen Dialog. Die FDP blieb ihm fremd, weil Staat und Gesellschaft für die Liberalen auf Rechtsstaatlichkeit und der Freiheit des Individuums beruhten, für Meiser hingegen ausschließlich auf der Bindung an Gott. In den Debatten um Wiederbewaffnung und Westintegration bewahrte er zunächst Neutralität. Er meinte, hier handele es sich um eine politische Sachfrage, zu der das Evangelium keine Weisung enthalte. Als Niemöller öffentlich gegen Wiederbewaffnung und Westintegration auftrat und dies als
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einzig möglichen christlichen Standpunkt darstellte, unterzeichnete Meiser jedoch eine Erklärung, die einer Parteinahme für die Wiederbewaffnung gleichkam, und stützte den Kurs Adenauers. Neben dem kirchlichen Wiederaufbau erwarb Meiser sich seine größten Verdienste bei der kirchlichen Versorgung und Integration der evangelischen Flüchtlinge und Vertriebenen. Früher als andere Landeskirchen sorgte er für die Gründung eines kirchlichen Hilfswerks und appellierte an die Gemeinden, ihre Ablehnung der Neuankömmlinge abzulegen. Er unternahm Reisen in die Flüchtlingsgebiete und setzte sich bei Staat und Industrie für die Belange der Betroffenen ein. Der Preis, den sie für ihre Integration zahlen mussten, war die Aufgabe der eigenen kirchlichen Identität. Um eine Infiltration durch die Union zu verhindern, forderte Meiser von ihnen die Unterordnung unter Bekenntnis und Ordnung der bayerischen Landeskirche. Dennoch wurde seine Integrationspolitik ein Erfolgsmodell: Neben zahlreichen neuen Gemeinden stand am Ende die Dankbarkeit der Betroffenen für den Bischof, der ihnen das Heimatrecht in der Landeskirche gegeben hatte. Meisers Mitarbeit im deutschen Gesamtprotestantismus war durchgängig von der Frucht vor einer Union bestimmt. Wie zuvor verschloss er sich zwar nicht einer Föderation mit reformierten und unierten Kirchen, gab der Gründung einer vereinten lutherischen Kirche aber Priorität. Die Umsetzung seiner lutherischen Pläne scheiterte jedoch zunächst an Wurm, der den Zusammenschluss aller Landeskirchen für vorrangig hielt und die Gründung der EKD initiierte. Meisers Beitrag zu Wesen und Gestalt der EKD bestand vor allem darin, im Rat darauf hinzuwirken, dass die EKD nicht als Kirche verstanden werden konnte. Er wollte die EKD zwar nicht sprengen, seine ständigen Ankündigungen, die vereinte lutherische Kirche Deutschlands gründen zu wollen, führten im Rat aber zu schweren Krisen. Er torpedierte die Arbeiten an der künftigen Grundordnung der EKD, stimmte der Grundordnung aber schließlich zu. Es ging wesentlich auf Meisers und den Einfluss der von ihm geführten lutherischen Kirchen zurück, dass die EKD ein doppeldeutiges Gesicht erhielt: Sie war zwar nur ein Bund konfessionsverschiedener Kirchen, zugleich aber betonte die Grundordnung die Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christen und bejahte die Entscheidungen von Barmen. Nach Annahme der Grundordnung wachte Meiser im Rat weiter penibel darüber, dass die EKD nicht zu einer Unionskirche wurde, und verhinderte alle Maßnahmen, die er in Verdacht hatte, in Bekenntnis und Autonomie der Landeskirchen einzugreifen. Trotz erheblicher Widerstände aus der EKD und sogar aus den Reihen des Lutherrats selbst gelang es Meiser, dass sich die Mehrzahl der lutherischen Landeskirchen zur VELKD zusammenschloss. Damit erfüllte sich für ihn ein Lebenstraum. Als Leitender Bischof trieb er das Zusammenwachsen der Mitgliedskirchen voran und positionierte sich gegen politische Stellungnahmen der Kirche. Seine Versuche, die Interessen der VELKD in der EKD
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durchzusetzen, führten dazu, dass die konfessionellen Spannungen in der EKD ein konfliktreiches Dauerthema blieben. Von konfessionellen Gesichtspunkten bestimmt war auch Meisers Mitarbeit in der weltweiten Ökumene. Während er sich im LWB vorbehaltlos engagierte, stand er dem ÖRK reserviert gegenüber. Auch hier ging es ihm hauptsächlich darum, dass keine Kirche, sondern nur eine Föderation entstand. V. Meiser genoss bei den Gemeindegliedern bereits zu Lebzeiten eine beispiellose Verehrung, die sich auf den gemeinschaftlich erlebten bayerischen Kirchenkampf vom Herbst 1934 stützte. In der Nachkriegszeit kamen noch seine Leistungen beim kirchlichen Wiederaufbau, bei der Integration von Flüchtlingen und Vertriebenen sowie der Gründung der VELKD hinzu. Die Verehrung wurde jetzt auch von Politikern aufgegriffen, die sein Verhalten während der NS-Herrschaft zu politischem Widerstand umdeuteten. Als die Verehrung nach Meisers Tod ihren Höhepunkt erreichte, räumten Kirchenvertreter mit Blick auf sein Verhalten in der Bekennenden Kirche und seinen lutherischen-konfessionellen Kurs zwar Rechtfertigungsbedarf ein, am positiven Bild des Bischof änderte dies jedoch nichts. Auf politische Initiative hin ehrten mehrere bayerische Städte den Verstorbenen als Gegner des Nationalsozialismus mit der Benennung von Straßen. Die frühe Erinnerung an Meiser blendete kritikwürdige Aspekte seines Handelns aus und fügte sich nahtlos in die Vergangenheitspolitik der Ära Adenauer ein. Im Zuge der gesellschaftspolitischen Debatten um Vergangenheitsbewältigung und Schuldfrage und in Folge eines Generationswechsels wurde Meiser ab Ende der 1960er Jahre Gegenstand kritischer wissenschaftlicher Forschung. Dabei traten Defizite wie seine Loyalitätsbekundungen an den NSStaat, antisemitische Äußerungen und das öffentliche Schweigen zur Verfolgung und Vernichtung der Juden zu Tage. Das Bild vom widerständigen Bischof bekam Risse, hielt sich im identitätsstiftenden Traditionsbestand der Landeskirche aber noch länger, bis es in den 1990er Jahren zerbrach. Wissenschaftlich dominierte jetzt eine ambivalente Bewertung Meisers, die sein Verhalten nur noch als Resistenz beurteilte und zugestand, dass die kirchliche Staatsloyalität systemstabilisierend gewirkt hatte. Als die Landessynode die Mitschuld an der Judenverfolgung und -vernichtung bekannte, kam es Ende der 1990er Jahre erstmals zu Forderungen nach Straßenumbenennungen. Dabei wurde das ambivalente Bild mit Vereinfachungen und ahistorischen Vorwürfen einseitig zu Ungunsten Meisers aufgelöst. Die mit großer öffentlicher Erregung geführten Debatten fanden ein vorläufiges Ende, als kirchliche und fachliche Stellungnahmen unter Berufung auf die von Fachwissenschaftlern entworfene ambivalente Bewertung gegen die Straßenumbenennungen votierten. Als die Kirchenleitung 2006 ein Gedenkjahr für Meiser plante, brachen die Debatten um die Straßennamen erneut auf. An den moralisch und emotional hoch aufgeladenen Kontroversen beteiligten sich die Presse, Nachfahren von
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NS-Opfern, Politiker, Wissenschaftler, die Kirchenleitung, Mitglieder der Familie Meiser und eine breite Öffentlichkeit. Im Mittelpunkt der Debatten standen Antisemitismusvorwürfe, das öffentliche Schweigen zur Shoa, angebliche kriegsverherrlichende Äußerungen und der so nicht zutreffende Vorwurf, Meiser habe auch nach Ende der NS-Herrschaft keine Einsicht in sein Fehlverhalten gezeigt und seine Schuld nicht bekannt. Ihm wurden jetzt nicht mehr nur Versäumnisse und Versagen zur Last gelegt, sondern einige Beteiligte rechneten ihn sogar den NS-Tätern zu. Während die Befürworter der Straßenumbenennungen neben berechtigten Vorwürfen auch eindimensionale Urteile und historisch unhaltbare Behauptungen vorbrachten, versuchten die Gegner der Umbenennungen Belege zu präsentieren, die Meisers Erinnerungswürdigkeit wiederherstellen sollten. Zwar wurden auch Forderungen nach Versachlichung und differenzierten Bewertungen laut, sie fanden in den stark polarisierten und mit einem bisher ungekannten Maß öffentlicher Erregung geführten Diskussionen aber nur schwer Gehör. Auch Vorschläge, die nach Meiser benannten Straßen beizubehalten und als Orte für nachhaltiges politisches Lernen zu nutzen, erwiesen sich als kaum durchsetzbar. Am Ende der Debatten entschieden sich Nürnberg und München für die Umbenennung, während die übrigen bayerischen Städte diesen Schritt bisher nicht vollzogen. In Nürnberg und München spielte auch das Bedürfnis eine Rolle, sich von der Vergangenheit der beiden Städte als ehemalige „Stadt der Reichsparteitage“ und „Hauptstadt der Bewegung“ zu distanzieren. Wesentlich waren aber vor allem zwei Werte, die für die aktuelle Erinnerungskultur zentrale Bedeutung haben und zu Recht unverhandelbarer Konsens sind: Dass Antisemitismus in keiner Form geduldet und dass auf menschenverachtende Ideologien wie den Nationalsozialismus nur mit entschiedener Opposition reagiert werden kann. Hier lässt sich der historische Meiser nur schwer eindeutig verorten; hinzu kommt noch, dass die Werte, für die er in den 1950er Jahren geehrt wurde – der Einsatz für die Kirche, für Angehörige der eigenen Institution und des „eigenen Volkes“ sowie die Gründung einer Konfessionskirche – heute sogar in der Kirche selbst nur noch schwer vermittelbar sind. Zwischen den erinnerungskulturellen Entscheidungen von damals und heute besteht jedoch eine Parallele: In ihrer Eindeutigkeit werden beide der Komplexität des historischen Befundes nicht gerecht, weil sie wesentliche Aspekte der historischen Person ausblenden. Damit ist die Rezeptionsgeschichte Meisers ein herausragendes Beispiel dafür, dass Erinnerungskultur weniger über ihre historischen Gegenstände, dafür aber umso mehr über die Werte ihrer jeweiligen Zeit aussagt. VI. Aus kirchenhistorischer Sicht bleibt besonders festzuhalten, dass Meisers Verhalten wesentlich theologisch motiviert war. In seiner gesamten kirchlichen Laufbahn setzte er konsequent ein theologisches Programm um, das auf der neulutherischen Theologie der Erlanger Schule des 19. Jahrhunderts basierte. Auch wenn er einigen neueren theologischen Ansätzen gegenüber
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aufgeschlossen war, stand oder fiel für ihn mit den dogmatischen und ethischen Kernaussagen dieser theologischen Schule der christliche Glaube. Er war überzeugt davon, im Besitz absoluter Wahrheiten zu sein, denen sich Kirche, Staat und Gesellschaft in jeder Epoche bedingungslos zu unterwerfen hatten. Seine Aufgabe als Geistlicher sah er in seinen kirchlichen Ämtern vom jungen Lehrvikar bis zum hochbetagten Landesbischof darin, vermeintlich unwandelbare Glaubenswahrheiten zu verkündigen, an denen die rechte Lehre und das rechte Handeln der Kirche sowie das ewige Seelenheil des Einzelnen hängen sollte. Meisers theologisches Programm entfaltete in allen politischen Systemen des 20. Jahrhunderts kritisches Potential. In der NS-Herrschaft befähigte es ihn dazu, den Totalitätsanspruch der NS-Ideologie zu bestreiten, Hitler für Bekenntnis und Kirche auch unter persönlicher Gefährdung mutig die Stirn zu bieten, in einer ansonsten gleichgeschalteten Gesellschaft einen öffentlichen Raum zu verteidigen, über den der NS-Staat keine unmittelbare Kontrolle besaß, und – wenn auch nur in begrenztem Ausmaß – zur Rettung von Menschenleben beizutragen. Umgekehrt machte Meiser die schöpfungsordnungstheologische Überhöhung zeitbedingter staatlicher und gesellschaftlicher Ordnungen unfähig, zukunftsweisenden Entwicklungen wie vor allem der parlamentarischen Demokratie der Weimarer Republik und ihrer säkularen Gesellschaft oder der Frauenrechtsbewegung konstruktiv gegenüberzutreten; darüber hinaus verhinderte sie politische Opposition gegen den NSStaat und ließ ihn nicht erkennen, dass die Verletzung fundamentaler ethischer Grundsätze des Christentums entschiedenen kirchlichen Widerstand erfordert hätte. Meisers Verhalten ist nur ein – wenn auch herausragendes – Beispiel für ein Strukturproblem nahezu des gesamten deutschen Protestantismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, das besonders die Lutheraner betraf: Theologie und Kirche unternahmen den untauglichen Versuch, die politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen im „Zeitalter der Extreme“1 mit den theologischen Mitteln einer vergangenen Epoche zu bewältigen. Dies zeigte sich besonders während der NS-Herrschaft, in der die herrschende evangelische Theologie kein geeignetes Instrumentarium bereitstellen konnte, angemessen auf die Herausforderungen des Unrechtsregimes zu reagieren. Zudem fehlte Meiser wie den meisten seiner kirchlichen Zeitgenossen – bis weit in den „radikalen“ Flügel der Bekennenden Kirche hinein – die Erkenntnis, dass die Kirche auch für Menschen außerhalb ihrer selbst Verantwortung hätte übernehmen müssen. Von anderen Kräften unterschied er sich nur insofern, als sein neulutherisches Programm ihn noch mehr als die Anhänger anderer theologischer Konzeptionen wie vor allem der dialektischen Theologie davor zurückschrecken ließ, sich gegen den Staat zu stellen. Hinzu kam noch eine charakterbedingte Eigenschaft, die ihn skrupulös die Folgen 1 Hobsbawm, Zeitalter.
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Zusammenfassung
seines Handelns abwägen ließ und besonders zögerlich machte, Entscheidungen zu fällen, die für die Kirche, ihre Bediensteten und ihre Gemeindeglieder unabsehbare Konsequenzen nach sich ziehen konnten. Retrospektiv erscheint Meisers Verhalten ambivalent. Neben seinen vielfältigen Verdiensten um die Kirche, um die späte Hilfe für rassisch verfolgte Christen und – besonders mit Blick auf seinen Einsatz für die Integration von Flüchtlingen und Vertriebenen – auch um die deutsche Nachkriegsgesellschaft stehen schwere Versäumnisse insbesondere gegenüber den millionenfachen jüdischen und anderen außerkirchlichen Opfern des NS-Regimes sowie ein problematischer Umgang mit der NS-Vergangenheit. Er fällte Entscheidungen, die je nach – durchaus berechtigtem – Standpunkt heutiger Betrachter als Verdienst oder Versagen, als Anlass zur Verehrung oder zur Verurteilung interpretiert werden können. Sein theologisches Programm immunisierte ihn gegen radikale Ideologien des 20. Jahrhunderts, gab ihm aber kein Werkzeug in die Hand, politische Opposition gegen einen totalitären Staat zu leisten. Hans Meiser war weder ein „Nazi-Bischof“ noch ein politischer Widerstandskämpfer: Sein Glaube machte ihn vielmehr zum Untertan und Opponenten zugleich.
Zeittafel 1881 1887–1890 1890–1899 1895 1899 1899–1900 1900–1904 1904 1904–1905 1905–1908 1905 1908 1908–1910 1909 1910–1911 1911–1914 1911 1914–1915 1915–1920 1919 1920–1922 1920 1920–1922 1922–1928 1928–1933 1929–1933 1930 1932 1933–1955 1933 1933 1933
geb. 16.2. Nürnberg Vorschule Melanchthon-Gymnasium Nürnberg Melanchthon-Gymnasium Nürnberg Konfirmation St. Jakob Nürnberg Abitur Melanchthon-Gymnasium Nürnberg Philosophie-, Geschichts-, Geologie-, Psychologie- und Volkswirtschaftsstudium München Theologiestudium Erlangen, Berlin und Halle Erstes Theologisches Examen Ansbach Militärdienst Königliche Bayerische Armee Nürnberg Lehrvikar (Privatvikar) Weiden in der Oberpfalz Ordination Bayreuth kurzfristig Pfarrverweser Weiden-Stadt Exponierter Vikar Haßfurt Zweites Theologisches Examen Ansbach Stadtvikar Würzburg Ernennung zum Pfarrer, Vereinsgeistlicher des Landesvereins für Innere Mission Nürnberg Eheschließung mit Elisabeth Meiser, geb. Killinger Lazarettgeistlicher im Ersten Weltkrieg Pfarrer St. Matthäus München kurzfristige Verhaftung während der Münchner Räterepublik Pfarrer München-Sendling Mitglied der verfassunggebenden Generalsynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern Mitglied des bayerischen Landessynodalausschusses (Gründungs-)Rektor Predigerseminar Nürnberg Geistlicher Oberkirchenrat Landeskirchenrat München Vorsitzender des Kirchlich-Sozialen Bunds in Bayern Ehrendoktor Theologische Fakultät Erlangen Mitglied der Allgemeinen Evangelisch-Lutherischen Konferenz (Lutherisches Einigungswerk)1 Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern Vorsitzender der Deutschen Lutherischen Bischofskonferenz Bevollmächtigter zur Wahl des Reichsbischofs Vorsitzender des Lutherischen Zweiges innerhalb der werdenden DEK
1 1933 rückte Meiser in den Vorstand der Konferenz auf, 1940 wurde er Beisitzer; wie lange er diese Ämter innehatte, konnte nicht ermittelt werden.
502 1933 1933 1933 1933–1947 1934–1935 1934
1934–1936 1934–1936 1935 1935 1936–1948 1936–1944 1938–1944 1938–1948 1943 1945 1945–1955 1947 1947–1955 1947 1948 1948–1949 1948 1948 1948–1954 1949–1955 1951 1952 1955 1956
Zeittafel Mitglied des Deutschen Evangelischen Kirchenbundesrats und des Deutschen Evangelischen Kirchenausschusses Mitglied des Verfassungsausschusses für die DEK und Bevollmächtigter der bayerischen Landeskirche zur Unterzeichnung der Verfassung der DEK Teilnehmer der Nationalsynode der DEK Mitglied des Exekutivkomitees des LWK Teilnehmer der Sitzungen der führenden Amtsträger der deutschen evangelischen Landeskirchen Initiator des Nürnberger Ausschusses, einer der Vorsitzenden des Vorbereitungsausschusses und des Arbeitsausschusses der ersten Reichsbekenntnissynode, Teilnehmer des Ulmer Bekenntnistages und der ersten Bekenntnissynode der DEK in Barmen Mitglied des Reichsbruderrats Vorsitzender des Lutherischen Rates Teilnehmer der dritten Bekenntnissynode der DEK Augsburg Mitglied des Direktoriums und Teilnehmer des Deutschen Lutherischen Tages Hannover sowie Mitglied in dessen Fortsetzungsausschuss Mitglied des Rates der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands Mitglied der Konferenz der führenden Amtsträger der nicht-deutschchristlichen Landeskirchen Leiter des Sekretariats des Rates der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands Vorsitzender des Rates der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands Mitglied des Beirats des Kirchlichen Einigungswerks und Unterzeichner der „13 Sätze“ Teilnehmer der Kirchenversammlung der EKD Treysa Mitglied des Rates der EKD Teilnehmer und Leiter der deutschen Delegation auf der Gründungsversammlung des LWB Lund Mitglied des Exekutivausschusses und Vorsitzender des deutschen Nationalkomitees des LWB Teilnehmer der Kirchenversammlung der EKD Treysa Teilnehmer der verfassunggebenden Generalsynode der VELKD Eisenach Vorsitzender der Vorläufigen Leitung der VELKD Teilnehmer der Kirchenversammlung der EKD Eisenach Teilnehmer der Weltkirchenkonferenz Amsterdam Mitglied des Zentralausschusses des ÖRK Leitender Bischof, Vorsitzender der Bischofskonferenz und der Kirchenleitung der VELKD Ehrendoktor Capital University Columbus/Ohio Großes Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland und Eintritt in den Ruhestand gest. 8.6. München
Abkürzungen Bibliographische Abkürzungen werden im Abkürzungsverzeichnis nicht aufgeführt. Sie richten sich nach: Schwertner, Siegfried M.: IATG3 – Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete. Zeitschriften, Serien, Lexika, Quellenwerke mit bibliographischen Angaben = International glossary of abbreviations for theology and related subjects. Berlin u. a. 2014. Abb. ABlEKD ABlELKB Anm. BArch BayHStA Bd. BDM Bearb./bearb. bes. Best. BGVBl BVP CA CDU CSU D. D.D. DAP DBE DC DDP DDR DEK Ders./ders. ebd. EG EKD Ev./ev. EvAG EZA Fasc.
Abbildung Amtsblatt der Evangelischen Kirche in Deutschland Amtsblatt der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern Anmerkung Bundesarchiv Bayerisches Hauptstaatsarchiv Band Bund Deutscher Mädel Bearbeiter/in, bearbeitet besonders Bestand Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Bayerische Volkspartei Confessio Augustana Christlich-Demokratische Union Christlich-Soziale Union Dr. theol. ehrenhalber Doctor of Divinity Deutsche Arbeiterpartei Deutsche Biographische Enzyklopädie Deutsche Christen Deutsche Demokratische Partei Deutsche Demokratische Republik Deutsche Evangelische Kirche derselbe ebenda Evangelisches Gesangbuch Evangelische Kirche in Deutschland evangelisch/e/er/es/en Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte Evangelisches Zentralarchiv Fascikel; Faszikel
504 FDP GBlDEK Gestapo gez. HA Hg./hg. HJ Hsl. IM Jg. Kap. KZ LAELKB LKA Luth./luth. LWB LWK Masch. MdB MdL MdR NL Nr. NS NSDAP NSLB o. D. o. O. ÖRK OKR PfA PG RGBl SA SPD SS USA USPD VELKD vgl. VKL ZDAN zit.
Abkürzungen Freie Demokratische Partei Gesetzblatt der Deutschen Evangelischen Kirche Geheime Staatspolizei gezeichnet Hauptarchiv Herausgeber/in, herausgegeben Hitler-Jugend Handschriftlich Innere Mission Jahrgang Kapitel Konzentrationslager Landeskirchliches Archiv der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern Landeskirchliches Archiv/Landeskirchenarchiv lutherisch/e/er/es/en Lutherischer Weltbund Lutherischer Weltkonvent Maschinenschriftlich Mitglied des Bundestags Mitglied des Landtags Mitglied des Reichstags Nachlass Nummer Nationalsozialistisch/e/er/es/en Nationalsozialistische Arbeiterpartei Deutschlands Nationalsozialistischer Lehrerbund ohne Datum ohne Ort Ökumenischer Rat der Kirchen Oberkirchenrat Pfarramtsarchiv Parteigenosse Reichsgesetzblatt Sturmabteilung Sozialdemokratische Partei Deutschlands Schutzstaffel United States of America Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands vergleiche Vorläufige Kirchenleitung Zentralarchiv der Diakonie Neuendettelsau zitiert
Quellen- und Literaturverzeichnis Unveröffentlichte Quellen Evangelisches Zentralarchiv in Berlin (EZA Berlin) Bestand 1: Vorgängereinrichtungen der EKD EZA Berlin, 1/3210: Sitzungen des Deutschen Evangelischen Kirchenausschusses. Februar 1933 bis Juni 1935.
Bundesarchiv Berlin (BArch) Bestand Reichsministerium für die Kirchlichen Angelegenheiten R79/27:
Verfassung der Deutschen Evangelischen Kirche. Wortprotokolle der Beratungen des vom Deutschen Evangelischen Kirchenbund bevollmächtigten Ausschusses zur Schaffung der Verfassung der DEK. Juni bis Juli 1933. R5101/23707: Neuordnung der Deutschen Evangelischen Kirche. Oktober 1938 bis September 1939.
Hauptarchiv der von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel (HA Bethel) HA Bethel, 2/39–72: Neuordnung der Kirche. Bekenntnissynode bzw. Bekenntnisgemeinschaft der Deutschen Evangelischen Kirche. 1934–1936.
Landeskirchliches Archiv Bielefeld (LKA Bielefeld) Bestand 5, 1: Sammlung D. Wilhelm Niemöller 5, 1 Nr. 704 Fasc. 2: Reichsbruderratssitzungen. 5, 1 Nr. 762 Fasc. 1: Verschiedenes: Lutherischer Konvent, Lutherischer Rat.
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Quellen- und Literaturverzeichnis
Landeskirchliches Archiv Hannover (LKA Hannover) D 15 I: Lutherrat Berlin – Geistliche Abteilung D 15 I 5: Vorläufige Kirchenleitung und Reichsbruderrat 1. 4. 1937–1. 7. 1937. D 15 I 6: Vorläufige Kirchenleitung und Reichsbruderrat 1. 7. 1937–30. 4. 1938.
D 15 III: Lutherrat: Handaktensammlung D 15 III 13: Sammlung Protokolle des Lutherrates. 1936–1939.
D 15 V: Lutherrat: Sekretariat München (D. Meiser) D 15 V 1/2: Aus den Anfangszeiten des Lutherrates. Akten von Pfarrer Christian Stoll betr. Lutherischer Rat; u. a. Niederschriften von Sitzungen des Lutherischen Rates und des Fortsetzungsausschusses des Deutschen Lutherischen Tages. 1934–1935.
Nachlass Lilje L 3 I Nr. 42: Lutherischer Weltkonvent. Rundschreiben des Lutherischen Weltkonvents 1935–1940.
Landeskirchliches Archiv Kiel (LKA Kiel) Nachlass Wester, Reinhard Nr. 301: Rat der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands. Rundschreiben, Berichte, Korrespondenz. 1937–1941, 1943–1944. Nr. 315: Rat der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands. Lutherischer Weltkonvent. 1937–1938.
Evangelisch-reformierte Kirche (Synode evangelisch-reformierter Kirchen in Bayern und Nordwestdeutschland – Synodalrat/-archiv (LKA Leer) Kirchenordnungen, Kirchengemeinde- und Synodalordnung, Nr. 20 Vol. I: Reformierter Arbeitsausschuss (1936).
Unveröffentlichte Quellen
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Zentralarchiv Diakoneo Neuendettelsau (ZADN) Mutterhausregistratur Abgabe 2010, MHR-2010–30: Rektorenwahl 1918.
Landeskirchliches Archiv der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (LAELKB), Nürnberg Nachlass Meiser, Hans (NL Meiser, Hans) 8.7.0008–1: 8.7.0008–12: 8.7.0008–13: 8.7.0008–14: 8.7.0008–16:
8.7.0008–18: 8.7.0008–26: 8.7.0008–27: 8.7.0008–30: 8.7.0008–31:
8.7.0008–32:
8.7.0008–33: 8.7.0008–34: 8.7.0008–40: 8.7.0008–41: 8.7.0008–42: 8.7.0008–43: 8.7.0008–44: 8.7.0008–45: 8.7.0008–46: 8.7.0008–47: 8.7.0008–49: 8.7.0008–50: 8.7.0008–51: 8.7.0008–54: 8.7.0008–58: 8.7.0008–61:
Veröffentlichungen. Enthält auch Fragebogen zur Person, 1945. Bibliographie. 1916–1945. Neugestaltung der ELKB nach 1918. 1918–1919. Mitwirkung an der Erarbeitung neuer Religionslehrpläne. 1919–1922. Mitwirkung an der Generalsynode sowie an der Landessynode. 1920–1921, 1927. Verschiedenes aus der kirchlichen Arbeit. Enthält: Bericht über die Gemeinde in Haßfurt, 1909. Turmkopfurkunde für die Gemeinde in München-Sendling. 1909, 1920. Mitarbeit in der weiblichen Jugendarbeit in München. 1918–1921. Korrespondenz mit Pfarrern (A–K). 1928–1933. Korrespondenz mit Pfarrern (L–Z). 1928–1933. Mitwirkung im Landessynodalausschuss. 1920–1921. Mitarbeit im Landesverein für Innere Mission. Enthält u. a.: Erwerb eines Gebäudes in der Arcisstraße in München für die Innere Mission. 1913–1926. Ausbildung von Hilfsschwestern für die Krankenpflege in der Diakonissenanstalt in Neuendettelsau im Auftrag der evangelischen Jugendgruppe für kirchlichen und sozialen Frauendienst in München. 1915–1919. Anstellung eines Studentenseelsorgers an der Universität München. 1925–1926. Evangelisches Lesebuch. 1923–1925. Predigten, Reden und Aufsätze. 1904–1906. Predigten, Reden und Aufsätze. 1906–1907. Predigten, Reden und Aufsätze. 1907–1908. Predigten, Reden und Aufsätze. 1908–1909. Predigten, Reden und Aufsätze. 1909–[um 1912]. Predigten, Reden und Aufsätze. [um 1911–1914]. Predigten, Reden und Aufsätze. 1914–1915. Predigten, Reden und Aufsätze. [1915]–1916. Predigten, Reden und Aufsätze. 1917–1918. Predigten, Reden und Aufsätze. 1918–[1919]. Predigten, Reden und Aufsätze. 1919–[1920] Predigten, Reden und Aufsätze. 1922–[1929]. Predigten, Reden und Aufsätze. 1937–1940. Predigten, Reden und Aufsätze. 1946–[1948].
508
Quellen- und Literaturverzeichnis
Predigten, Reden und Aufsätze. 1948–[1949]. Taufreden (teilweise ohne Datum). 1912–1920. Vorbereitungen für den Kindergottesdienst. 1915–1922. Traureden (teilweise ohne Datum). 1909–1921. Grabreden (Bd. 1). 1906–1917. Grabreden (Bd. 2). Hefte aus dem Religionsunterricht der Klassen 7–9. 1896–1899. Hefte mit „deutschen Hausaufgaben“ der Klassen 3–9. 1892–1899. Kulturgeschichte im Zeitalter der Renaissance mit besonderer Berücksichtigung Italiens und Deutschlands. Vorlesung bei Prof. Grauert an der Universität München. Wintersemester 1899/1900. 8.7.0008–81: Wirtschaftsgeschichte. Vorlesung bei Prof. Lujo Brentano an der Universität München. Sommersemester 1900. 8.7.0008–82: Allgemeine Volkswirtschaftslehre. Vorlesung bei Prof. Lujo Brentano an der Universität München (3 Hefte). Wintersemester 1899/1900. 8.7.0008–83: Einleitung in die soziale Frage und die neuere Geschichte der sozialen Theorien bei Dr. Wasserab (Universität München). Wintersemester 1899/ 1900. 8.7.0008–84: Psychologie bei Theodor Lipps an der Universität München. Wintersemester 1899/1900. 8.7.0008–85: Einleitung in die Philosophie und ihre Geschichte bei Johann Wilhelm Cornelius an der Universität München (2 Hefte). Wintersemester 1899/ 1900. 8.7.0008–86: Geologie bei Dr. von Zittel an der Universität München. Sommersemester 1900. 8.7.0008–87: Erste Hilfe, Sprechübungen und Atemgymnastik an der Universität München. Sommersemester 1900. 8.7.0008–88: Geschichte der Alten Kirche. Vorlesung bei Prof. Theodor Kolde an der Universität Erlangen (2 Hefte). Wintersemester 1900/1901. 8.7.0008–89: Johannesevangelium. Vorlesung bei Prof. Theodor Zahn an der Universität Erlangen. Wintersemester 1900/1901. 8.7.0008–91: Die kleinen Propheten. Vorlesung an der Universität Erlangen bei Privatdozent Lic. theol. Justus Köberle (2 Hefte). Wintersemester 1900/1901. 8.7.0008–96: Kirchengeschichte III (Neuere Zeit). Vorlesung bei Prof. Adolf von Harnack an der Universität Berlin. Wintersemester 1901/1902. 8.7.0008–97: Dogmengeschichte. Vorlesung bei Prof. Reinhold Seeberg an der Universität Berlin. Wintersemester 1901/1902. 8.7.0008–98: Textkritische und philologische Exegese des Hebräerbriefes bei P. Blaß an der Universität Halle (Saale). Wintersemester 1902/03. 8.7.0008–99: Römerbrief. Vorlesung an der Universität Halle (Saale) bei Prof. Wilhelm Lütgert (2 Hefte). Wintersemester 1902/1903. 8.7.0008–100: „Messianische Weissagungen“ bei Prof. Emil Kautzsch an der Universität Halle (Saale). Wintersemester 1902/1903. 8.7.0008–101: Jesaja. Vorlesung bei Prof. Emil Kautzsch an der Universität Halle (2 Hefte). Wintersemester 1902/1903. 8.7.0008–62: 8.7.0008–68: 8.7.0008–69: 8.7.0008–70: 8.7.0008–71: 8.7.0008–72: 8.7.0008–77: 8.7.0008–79: 8.7.0008–80:
Unveröffentlichte Quellen
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8.7.0008–102: „Kanon und Textgeschichte“ bei Prof. Erich Haupt an der Universität Halle (Saale). Sommersemester 1902. 8.7.0008–103: Geschichte der Dogmatik. Vorlesung bei Prof. Martin Kähler an der Universität Halle (Saale). Sommersemester 1902. 8.7.0008–104: Dogmatik I. Vorlesung bei Prof. Martin Kähler an der Universität Halle (Saale) (2 Hefte). Sommersemester 1902. 8.7.0008–105: Dogmatik II. Vorlesung bei Prof. Martin Kähler an der Universität Halle (Saale). Wintersemester 1902/1903. 8.7.0008–106: Ethik. Vorlesung bei Prof. Philipp Bachmann an der Universität Erlangen (2 Hefte). Sommersemester 1904. 8.7.0008–107: Dogmatik II. Vorlesung bei Prof. Philipp Bachmann an der Universität Erlangen (3 Hefte). Wintersemester 1903/1904. 8.7.0008–108: Praktische Theologie I. Vorlesung bei Prof. Walter Caspari an der Universität Erlangen. Wintersemester 1903/1904. 8.7.0008–109: Praktische Theologie II. Vorlesung bei Prof. Walter Caspari an der Universität Erlangen. Sommersemester 1903. 8.7.0008–110: Katechetische Seminare bei Prof. Walter Caspari an der Universität Erlangen. 1903–1905. 8.7.0008–112: Grundprobleme der systematischen Theologie der neueren Zeit. Vorlesung bei Prof. Philipp Bachmann an der Universität Erlangen. Wintersemester 1903/1904. 8.7.0008–113: Kirchenrecht. Vorlesung bei Prof. Emil Sehling an der Universität Erlangen. Sommersemester 1903. 8.7.0008–117: Christenlehre in Haßfurt. 1908–1909. 8.7.0008–119: Verschiedene Aufzeichnungen zur Auseinandersetzung mit dem Freidenkertum. [um 1907]–1914. 8.7.0008–120: Verschiedene Aufzeichnungen über das Alte Testament (vermutlich zur Vorbereitung des Religionsunterrichts). 1910. 8.7.0008–121: Glaubenslehre an der Oberrealschule Würzburg. [1910]. 8.7.0008–126: Protokolle der Tagungen des Landessynodalausschusses. 30. 11. 1920–8. 7. 1922. 8.7.0008–164: Tagebuch über den Religionsunterricht in München (mit Schülerlisten). 1915–1916. 8.7.0008–165: Tagebuch über den Religionsunterricht in München (mit Schülerlisten). 1916–1917. 8.7.0008–166: Tagebuch über den Religionsunterricht in München (mit Schülerlisten). 1917–1918. 8.7.0008–167: Tagebuch über den Religionsunterricht in München (mit Schülerlisten). 1918–1919. 8.7.0008–168: Listen Münchner Konfirmanden (mit Konfirmationssprüchen). 1915–1919, 1921–1922. 8.7.0008–169: Tagebücher aus dem Ersten Weltkrieg. 26.8. bis 24. 9. 1914. 8.7.0008–170: Tagebücher aus dem Ersten Weltkrieg. 24.9. bis 31. 12. 1914. 8.7.0008–171: Schultagebuch 1915–1917. Kriegstagebuch 1. bis 5. 1. 1915. 8.7.0008–172: Aufzeichnungen über Tagungen und Reisen. [1911]. 8.7.0008–197: Amtskalender 1933.
510 8.7.0008–200: 8.7.0007–204: 8.7.0008–205: 8.7.0008–218: 8.7.0008–223: 8.7.0008–224: 8.7.0008–225: 8.7.0008–226: 8.7.0008–227: 8.7.0008–228: 8.7.0008–229: 8.7.0008–260: 8.7.0008–262:
Quellen- und Literaturverzeichnis Amtskalender 1936. Amtskalender 1940. Amtskalender 1951. Synodalarbeit „Das Erbe der Reformation“. 1906–1907. Briefe aus der Gemeinde und dem Bekannten- und Kollegenkreis (auch Seelsorge), A–B. 1915–1927. Briefe aus der Gemeinde und dem Bekannten- und Kollegenkreis (auch Seelsorge), C–H. 1917–1927. Briefe aus der Gemeinde und dem Bekannten- und Kollegenkreis (auch Seelsorge), I–L. 1917–1928. Briefe aus der Gemeinde und dem Bekannten- und Kollegenkreis (auch Seelsorge), M–R. 1917–1927. Briefe aus der Gemeinde und dem Bekannten- und Kollegenkreis (auch Seelsorge), S–Z. 1917–1927. Briefe von Kandidaten des Nürnberger Predigerseminars (A–K). 1923–1927. Briefe von Kandidaten des Nürnberger Predigerseminars (L–Z). 1923–1927. Berichte Meisers über seinen Religionsunterricht. 1906–1919. Aufsätze von Schülern Meisers in München. 1917, 1919.
Landesbischof (LB) 0.2.0004–62: 0.2.0004–63: 0.2.0004–235: 0.2.0004–329: 0.2.0004–333: 0.2.0004–335: 0.2.0004–347: 0.2.0004–352: 0.2.0004–359: 0.2.0004–365: 0.2.0004–368: 0.2.0004–375: 0.2.0004–391: 0.2.0004–392: 0.2.0004–400: 0.2.0004–401: 0.2.0004–405:
Kirche und Politik. 1945–1947. Kirche und Politik. 1948–1955. Mitarbeit in der Kirchenführerkonferenz. 1934–1944. Korrespondenz mit Wilhelm Freiherr von Pechmann. (1929) 1933–1948. Nachkriegsangelegenheiten. 1945–1952. Korrespondenz mit der Presse. 1948–1954. Korrespondenz über den Rat der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands. 1937. Korrespondenz über den Rat der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands. 1940. Bischofskonferenzen der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands. 1949–1955. Verhältnis zu Reichsbischof und Reichskirche. 1933–1934. Korrespondenz mit der Vorläufigen Leitung der DEK. 1934–1942. Mitarbeit in der Kirchenführerkonferenz. 1936–1950. Mitwirkung an der Neuordnung der DEK (später „Aktion Wurm“). 1940–1942. Mitwirkung an der Neuordnung der DEK unter der Führung von Landesbischof Theophil Wurm („Aktion Wurm“). 1942–1945. Korrespondenz zur kirchlichen Lage (L–Z). 1933–1934. Korrespondenz zur kirchlichen Lage (A–Z). 1935. Korrespondenz zur kirchlichen Lage (A–Z). 1940–1946.
Unveröffentlichte Quellen
511
0.2.0004–407: Teilnahme an der Kirchenversammlung in Treysa und an der Sitzung des Rates der EKD in Stuttgart. 1945–1946. 0.2.0004–408: Mitwirkung an der Verfassung der EKD. 1947. 0.2.0004–409: Mitwirkung an der Verfassung der EKD. 1948. 0.2.0004–412: Teilnahme an der Kirchenversammlung in Treysa. 1947. 0.2.0004–428: Mitwirkung im Rat der EKD. 1945–1948. 0.2.0004–434: Mitwirkung als Mitglied des Rates der EKD an den Synoden in Bethel (1949) und Berlin (1950). 1947–1950. 0.2.0004–445: Stellungnahme zum Thema Wiederaufrüstung. 1954–1955. 0.2.0004–446: Einsatz für den inhaftierten Pfarrer Niemöller. 1938–1941. 0.2.0004–469: Mitarbeit im Lutherischen Weltkonvent. 1933–1935. 0.2.0004–470: Mitarbeit im Lutherischen Weltkonvent. 1936. 0.2.0004–471: Mitarbeit im Lutherischen Weltkonvent. 1937–1938. 0.2.0004–472: Mitarbeit im Lutherischen Weltbund. 1946–1948. 0.2.0004–473: Mitarbeit im Lutherischen Weltbund. 1947. 0.2.0004–477: Teilnahme an der Sitzung des Exekutiv-Komitees des Lutherischen Weltkonvents in Paris. 1935. 0.2.0004–478: Teilnahme an der Sitzung des Exekutiv-Komitees des Lutherischen Weltkonvents in New York. 1936–1937. 0.2.0004–479: Teilnahme an der Sitzung des Exekutiv-Komitees des Lutherischen Weltkonvents in Amsterdam. 1937. 0.2.0004–481: Teilnahme an der Sitzung des Exekutiv-Komitees des Lutherischen Weltkonvents in Schloss Waldenburg (Sachsen). 1939. 0.2.0004–482: Teilnahme an der Sitzung des Exekutiv-Komitees des Lutherischen Weltbunds in Hoekelum (Niederlande). 1948. 0.2.0004–483: Teilnahme an der Sitzung des Exekutiv-Komitees des Lutherischen Weltbunds in Oxford (Großbritannien). 1949. 0.2.0004–484: Teilnahme an der Sitzung des Exekutiv-Komitees des Lutherischen Weltbunds in Tutzing. 1950. 0.2.0004–485: Teilnahme an der Sitzung des Exekutiv-Komitees des Lutherischen Weltbunds in Genf. 1951–1952. 0.2.0004–486: Beziehungen zum Ökumenischen Rat für Praktisches Christentum. 1936–1939. 0.2.0004–487: Mitarbeit im Ökumenischen Rat der Kirchen. 1946–1954. 0.2.0004–492: Teilnahme an der Sitzung des Exekutivkomitees des Lutherischen Weltkonvents in Uppsala. 1946. 0.2.0004–500: Mitarbeit im Weltrat der Kirchen. 1949–1952. 0.2.0004–501: Mitarbeit im Weltrat der Kirchen. 1941–1954. 0.2.0004–513: Stellungnahme der Kirchen zu Wiederaufrüstung und Atomkrieg. 1951–1954. 0.2.0004–518: Verschiedene Nachkriegsangelegenheiten. 1945–1951. 0.2.0004–535: Allgemeine Korrespondenz (A–Z). 1938–1941. 0.2.0004–541: Allgemeine Korrespondenz (A–Z). 1950. 0.2.0004–561: Einsatz für Kriegsgefangene, Insassen von Internierungslagern und von Entnazifizierungsmaßnahmen betroffene Personen. 1945–1947.
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Quellen- und Literaturverzeichnis
0.2.0004–562: Einsatz für Kriegsgefangene, Insassen von Internierungslagern und von Entnazifizierungsmaßnahmen betroffene Personen. 1948–1950. 0.2.0004–578: Mitschriften Meisers von Sitzungen (stenographisch). 1938–1941. 0.2.0004–589: Aufzeichnungen von verschiedenen Konferenzen (stenographisch). Bd. 9. 1938. 0.2.0004–590: Aufzeichnungen von verschiedenen Konferenzen (stenographisch). Bd. 10. 1938. 0.2.0004–591: Notizen aus der Seelsorge, über Tagungen, Reisen und Ereignisse nach dem Kriegsende 1945. 1917–1919, 1945. 0.2.0004–608: Kirche unter dem Nationalsozialismus (biographische Korrespondenz und Materialsammlung). 1932–1936. 0.2.0004–610: Gesprächsprotokolle von Unterredungen mit führenden Persönlichkeiten in den Monaten nach dem Zusammenbruch (mit Vorschlägen zur Besetzung leitender Stellen). 1945.
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Landeskirchenrat (LKR) 0.2.0003–7: 0.2.0003–116: 0.2.0003–144: 0.2.0003–145: 0.2.0003–152:
Bundestag und Bundesrat 1951–1964. Bayerischer Landtag. 1920–1964. Säuberungsgesetz (Entnazifizierung). 1946–1948. Entnazifizierung von Geistlichen (Schriftverkehr). 1945–1948. Entnazifizierung von staatlichen und kirchlichen Bediensteten, Einzelfälle, G–K. 1945–1954.
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0.2.0003–3274: 0.2.0003–3660: 0.2.0003–3915: 0.2.0003–3918: 0.2.0003–3928: 0.2.0003–4097: 0.2.0003–4162: 0.2.0003–4280:
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Denkschriften Landeskirchenrat an Militärregierung und Staatsministerium für Sonderaufgaben. 1946–1947. Verhandlungen mit dem Sonderministerium. 1946–1949. Materialsammlung zur Entlastung von Geistlichen in den Spruchkammerverfahren. 1946–1952. Vereinigte Ev.-Luth. Kirche Deutschlands (VELKD). 1947–1950. Vereinigte Ev.-Luth. Kirche Deutschlands (VELKD). 1951–1953. Vereinigte Ev.-Luth. Kirche Deutschlands (VELKD). 1954–1958. Der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Bayern rechts des Rheins. 1933–1955. Handakt OKR Thomas Breit. 1938–1942. Niederschriften der Verhandlungen in den Vollsitzungen 1928. Niederschriften der Verhandlungen in den Vollsitzungen 1929. Niederschriften der Verhandlungen in den Vollsitzungen 1930. Niederschriften der Verhandlungen in den Vollsitzungen 1931. Niederschriften der Verhandlungen in den Vollsitzungen 1932. Niederschriften der Verhandlungen in den Vollsitzungen 1933. Niederschriften der Verhandlungen in den Vollsitzungen 1938. Herausgabe von Druckschriften durch den Landeskirchenrat. 1928–1962. Landeskirchliches Archiv Nürnberg. 1930. Aufnahme und Anstellung außerbayerischer Geistlicher in der Evang.Luth. Landeskirche in Bayern r. d. Rhs. 1947–1964. Gesuche außerbayerischer Pfarrer um Anstellung im bayerischen Kirchendienst A–Z. 1932–1935. Seelsorge im Konzentrationslager Dachau. 1933–1948. Die „Biblische Geschichte“ in neuer Bearbeitung vorgelegt von Pfarrer Otto Dietz. Ca. 1932. Neubearbeitung des Lehrbüchleins „Erster Unterricht im christlichen Glauben“. 1929–1934. Manuskripte, Satz- und Druckproben zum „Gottbüchlein“. 1931–1939. Niederschriften der Beschlüsse des Landessynodalausschusses. 1927–1933. Lutherischer Weltbund. Gesuche Kriegsverbrecher. Englische Texte und Übersetzungen. Luth. Weltkonvent und amerikanische Dienststellen. 1946–1951. Ökumenischer Rat der Kirchen. 1948–1955. Ehemalige Munitionsanstalt Neuendetttelsau. 1947–1956. Flüchtlingsfürsorge und Seelsorge. 1946. Richtlinien für die kirchliche Arbeit an Flüchtlingen. 1949–1950. Flüchtlingsfürsorge und Seelsorge. 1945. Geschichte der Akademie Tutzing (Entstehung). 1946–1950. Erwerb, Verwaltung und Betrieb der Ev. Akademie Tutzing. 1947–1949. Lehrerbeirat in Sachen des Religionsunterrichts an der Volksschule. 1922–1933.
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Kreisdekan Ansbach (KDA) 2.2.0001–5424: Günther, Gerhard. 1927–1949. 2.2.0001–5674: Pachelbel, Johann Friedrich. *13. 06. 1849. 2.2.0001–5675: Pachelbel, Johann Friedrich. *13. 06. 1849.
Kreisdekan Bayreuth (KDB) 2.2.0003–5: Zeitspiegel. 1933–1945.
Kreisdekan München (KDM) 2.2.0004–159: Bruderrat der EKD. 1952–1961. 2.2.0004–5389: Meiser, Hans Oswald D. 1905–1914, 1930–1933.
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Bayerisches Dekanat Augsburg (BD Augsburg) 3.7.0003–613: Handakten Pfarrer Wilhelm Bogners, Augsburg-St. Anna II. 1933–1938.
Bayerisches Dekanat Gunzenhausen (BD Gunzenhausen) BD Gunzenhausen 19: Kirchenkampf. 1935–1938.
Bayerisches Dekanat München (I) (BD München [I]) 3.7.0033–29: Landessynode. 1920, 1929. 3.7.0033–409: Theologisches Studium. 1931–1946. 3.7.0033–447: Erledigung, Verwesung und Wiederbesetzung der III. Pfarrstelle von St. Matthäus. 1869–1915. 3.7.0033–774: Evangelisches Kirchenwesen München-Sendling. 1892–1946. 3.7.0033–775: Erledigung, Verwesung und Wiederbesetzung der Pfarrstelle München Himmelfahrtskirche. 1920–1946. 3.7.0033–778: Fassion über den jährlichen Ertrag der Pfarrstelle Sendling München. 1920. 3.7.0033–779: Bau des Betsaals und der Kinderbewahranstalt in Sendling 1896–1897. Bau der Himmelfahrtskirche in Sendling. 1920/21, 1937/38.
Bayerisches Dekanat München II/Ingolstadt (BD München II/Ingolstadt) BD München II/Ingolstadt 1:
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Bayerisches Dekanat Rügheim (BD Rügheim) BD Rügheim 181: Kirchen-Jahresbericht des Decanatsbezirkes Rügheim pro 1907/10. BD Rügheim 365: Prüfung der Kandidaten, Kandidatenverzeichnisse. 1818–1914. BD Rügheim 372: Vikare und Kandidaten (Beurteilungen, Verzeichnisse, Fortbildung). 1891–1913.
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Predigerseminar Nürnberg (PS Nürnberg) PS Nürnberg 1: PS Nürnberg 2: PS Nürnberg 5: PS Nürnberg 17: PS Nürnberg 24: PS Nürnberg 29: PS Nürnberg 44: PS Nürnberg 59:
Prinzipielles, Geschichte, Eröffnungsfeier. Jahresberichte. 1922–1940. Seminargebäude. Organisation und äußere Einrichtung. 1922–1924. Urkunden und Verträge ab 1901, auch Verfassung des Predigerseminars und Beschluss der Landessynode 1922. Personalakten Rektor ab 1922. Arbeitsgemeinschaft der Rektoren der deutschen Predigerseminare. Haus- und Studienordnung ab 1922. Feste und Feiern im Seminar ab 1922.
Kirchenkampf-Erwerbungen (KKE) KKE 33: Helmut Kern – Nürnberg. KKE 80: Verschiedene Umdrucke zum Kirchenkampf. 1934–1937.
Kirchenkampf-Umdrucke (KKU) KKU 11/V: KKU 12/III: KKU 12/VII: KKU 13/II:
Landeskirchenrat München (Rundschreibensammlung). 1937. Landeskirchenrat München (Rundschreibensammlung). 1940. Landeskirchenrat München (Rundschreibensammlung). 1944. Lutherischer Rat (Lutherrat). 1934–1936.
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Nachlass Oberkirchenrat Christian Stoll (NL Stoll, Christian) 101/88–8: Sitzungsprotokolle (außerbayerische). 1933–1938.
Nachlass Kern, Georg (NL Kern, Georg) 8.7.0042–1: Kirchenkampf. 1933–1936.
Nachlass Wilhelm Bogner (NL Bogner, Wilhelm) 8.7.0002–112: Tagebuch Bd. 5. 1936 (31.1.–23. 3. 1936). 8.7.0002–115: Tagebuch Bd. 8. 1936–1937 (5. 11. 1936–28. 2. 1937).
Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte München (EvAG München) Gruppe A: Sammlung von Hektographien, Flugblättern etc. A 30. 1: A 30. 2: A 30. 3: A 30. 5: A 30. 7: A 30. 15: A 30. 28: A 30. 29: A 30. 80:
Rundschreiben Bayern Landeskirchenrat. 1930–1936. Rundschreiben Bayern Landeskirchenrat. 1937. Rundschreiben Bayern Landeskirchenrat. 1938–1956. Kommissare 1934. Absetzung Meisers. Kreisdekan Nürnberg. Dekanate. Pfarrerbruderschaft. Bekenntnisgemeinschaft. Staat und Parteien.
Gruppe C: Sammlung kirchlicher Quellen C 3. 26: Kirchliche Quellen Januar bis Mai 1939.
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Nachlass Hans Meinzolt (NL Meinzolt) NL Meinzolt 30: Plan einer Lutherischen Kirche Deutschlands. 1936–1938.
Bayerisches Hauptstaatsarchiv München (BayHStA München) Bestand Kultusministerium MK 36964: Abnahme der Bronzeglocken im Reich (Spezialia). 1941–1944. MK 37069a: Evangelischer Kirchenstreit (Handakt Schemm). 1934–1937. MK 42054: Berufsschulen (Generalia). 1935–1939.
Bestand Staatskanzlei StK 7291: Evangelische Kirche. 1933–1934. StK 7295: Evangelischer Kirchenstreit 1934, Vertrauenskundgebungen für den Landesbischof Dr. [sic!] Hans Meiser (Bd. 1). 1934.
Bayerisches Wirtschaftsarchiv München Bestand Verlag R. Oldenbourg München F 5 / 389: Landesschullesebuch. F 5 / 399: Landesschullesebuch.
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Quellen aus Privatbesitz Privatarchiv Familie Meiser Michael Renner† Heinz Hermann Niemöller Wilhelm Bogner† Familie Daumiller-Zeil
Schriftliche und mündliche Auskünfte Wilhelm Bogner† (4. 4. 2014) Rudolf Meiser† (12. 11. 2011 und 25. 9. 2013) Michael Renner† (8. 3. 2015) Stadtarchiv Ansbach (28. 2. 2020) Stadtarchiv Schwabach (7. 10. 2014) Zentralarchiv der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (5. 12. 2019)
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Personenregister / Biographische Angaben Das Personenregister enthält alle im Text und in den Anmerkungen erwähnten Personen. Biographische Angaben sind historischen Personen vorbehalten; lebende Autorinnen und Autoren sowie Akteurinnen und Akteure der Erinnerungskultur sind ohne Biogramm aufgeführt. Kein Biogramm erhalten auch solche Personen, die bereits im „Personenlexikon zum deutschen Protestantismus 1919–1949. Zusammengestellt und bearb. von Hannelore Braun und Gertraud Grünzinger (AKiZ A 12). Göttingen 2006“ aufgeführt sind. Adenauer, Konrad, Dr. h. c. mult., Jurist, CDU-Politiker, Bundeskanzler 24, 409, 412 f., 415, 463, 495–497 geb. 5. 1. 1876 Köln, gest. 19. 4. 1976 Rhöndorf, Jurist, Mitglied Zentrumspartei und Beigeordneter der Stadt Köln 1906, Erster Beigeordneter ebd. 1909, Oberbürgermeister ebd. 1917–1933, Präsident des Preußischen Staatsrats 1921–1933, Amtsenthebung 1933, kurzfristig Oberbürgermeister Köln 1945, Mitglied CDU und deren Fraktionsvorsitzender Landtag Nordrhein-Westfalen 1946, Präsident des Parlamentarischen Rates 1948, Bundesvorsitzender CDU 1950–1966, erster Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland 1949–1963, zugleich Bundesaußenminister 1951–1955. Albertz, Martin, Lic. theol. D., Theologe, Pfarrer, Superintendent, Universitätslehrer 118, 248, 260 geb. 7. 5. 1883 Halle, gest. 29. 12. 1956 Berlin [Personenlexikon, 19]. Alt, Karl, Dr. phil. Lic. theol. h. c., Theologe, Pfarrer, Gefängnisseelsorger 197, 479 geb. 12. 8. 1897 Nürnberg, gest. 16. 6. 1951 München, Theologiestudium 1916–1920, Stadtvikar Augsburg 1921, Pfarrer Kaufbeuren 1923, Anstaltspfarrer Kreis-Heil- und Pflegeanstalt Ansbach 1929, Pfarrer München-Giesing mit Zuständigkeit für die Gefängnisseelsorge in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim 1934. Althaus, Paul, Lic. theol. D. theol. Dr. jur. h. c. D.D., Theologe, Universitätslehrer 115, 126, 176, 218, 225, 253, 269, 307, 315, 317, 332, 347, 394, 404 geb. 4. 2. 1888 Obershagen bei Celle, gest. 18. 5. 1966 Erlangen [Personenlexikon, 20]. Ammon, Maximilian von, D., Theologe, Pfarrer, Oberkirchenrat 143, 384 geb. 8. 5. 1866 Nürnberg, gest. 21. 2. 1933, Pfarrer Memmingen 1891, München 1906, Konsistorialrat Ansbach 1911, Oberkirchenrat Landeskirchenrat München und Stellvertreter des Konsistorialpräsidenten in oberhirtlichen Angelegenheiten 1921. Ammon, Wilhelm von, Dr. jur., Jurist, Ministerialrat, Oberkirchenanwalt, Direktor 384, 386 geb. 17. 3. 1903 Memmingen, gest. 13. 12. 1992 Stuttgart, Jurist im Staatsdienst, 3. Staatsanwalt 1929, Amtsgerichtsdirektor 1930, 1. Staatsanwalt und Eintritt in die SA 1933, Landgerichtsrat im Reichsjustizministerium 1935, Landgerichtsdirektor ebd. und Mitglied NSDAP 1937, Oberlandesgerichtsrat München 1939, Rückversetzung
Personenregister / Biographische Angaben
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zum Reichsjustizministerium 1940, Ministerialrat ebd. 1943, Verurteilung zu 10 Jahren Haft im Nürnberger Juristenprozess 1947, Begnadigung und Entlassung aus der Haft Landsberg 1951, Oberkirchenanwalt Landeskirchenrat München 1952, Direktor Landeskirchenstelle Ansbach 1957–1970. Anselm, Rainer 474 Asmussen, Hans, D. D.D., Theologe, Pfarrer, Präsident, Propst 318, 323, 328, 332, 371, 375, 422, 443 geb. 21. 8. 1898 Flensburg, gest. 30. 12. 1968 Speyer [Personenlexikon, 22]. Auerbach, Philipp, Dr., Kaufmann, Unternehmer, Oberregierungsrat, Staatskommissar 397 f. geb. 8. 12. 1906 Hamburg, gest. (Selbstmord) 16. 8. 1952 München, kaufmännische Ausbildung, leitende Positionen im väterlichen Unternehmen 1927–1931, politisches Engagement in der DDP und in einer jüdischen Unterabteilung des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, Untersuchungshaft aus politischen Gründen 1933, Flucht nach Belgien 1934, Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft durch Zwangsausbürgerung 1938, Verhaftung und Internierung 1940, Auslieferung an die Gestapo und Haft Berlin 1942, Deportation nach Auschwitz 1944, dann Groß-Rosen und Birkenau, Befreiung 1945, Oberregierungsrat Düsseldorf 1945/1946, Staatskommissar für rassisch, religiös und politisch Verfolgte München 1946–1951, Selbstmord nach der Verurteilung (u. a. wegen angeblicher Unterschlagung und Betrug) durch ein mit ehemaligen Nationalsozialisten besetztes Gericht 1952, Rehabilitation 1954. Aumer, Hermann, Bankkaufmann, Staatskommissar, SPD/Bayernpartei-Politiker, Bundestagsabgeordneter 396 geb. 30. 4. 1915 München, gest. 30. 5. 1955 München, Banklehre, leitender Angestellter Diamalt AG München 1940–1945, bayerischer Staatskommissar für Wiedergutmachung 1945 bis zur Amtsenthebung 1946, dann Buchhändler, Wechsel von der SPD zur Bayernpartei 1947, MdB (bis zum Parteiausschluss 1950 für die Bayernpartei, dann fraktionslos) 1949–1953. Bachmann, Philipp, Lic. theol. h. c. D. theol. h. c., Theologe und Philologe, Religionslehrer, Universitätslehrer, Synodalpräsident 47, 73, 107, 146 geb. 13. 10. 1864 Geißlingen Kr. Uffenheim (Bayern), gest. 18. 3. 1931 Erlangen [Personenlexikon, 23]. Baier, Helmut 16, 138, 172, 198, 265 Barth, Karl, Dr. theol. h. c. mult. D.D. LL.D., Theologe, Pfarrer, Universitätslehrer 13 f., 115 f., 207, 213, 217, 311 f., 320, 322, 361, 488 geb. 10. 5. 1886 Basel, gest. 10. 12. 1968 Basel [Personenlexikon, 27]. Baum, Karl, D., Theologe, Pfarrer, Oberkirchenrat 123 geb. 19. 6. 1869 St. Georgen-Bayreuth, gest. 18. 8. 1942, Pfarrer Bad Reichenhall 1900, München 1905, Konsistorialrat Ansbach 1917, Oberkirchenrat und Kreisdekan München 1921, Ruhestand 1934. Baumg rtner, Johannes (Hans), Theologe, Religionslehrer, Kommandeur 228 geb. 9. 9. 1892 Nürnberg-Lichtenhof, gest. (Selbstmord) 9. 11. 1943 Nürnberg, Theologiestudium Erlangen und Tübingen 1912–1914, Kriegsdienst 1914–1918, Hilfsgeistlicher Nürnberg 1919, Ordination Ansbach 1920, Katechet und Studienrat Schweinfurt
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Personenregister / Biographische Angaben
1921, Titel Pfarrer 1924, Studienrat 1927, Vereinsgeistlicher der Stadtmission und Organisator der DC Nürnberg 1930, Entlassung aus dem Dienst der IM 1934, Kriegsdienst 1939, stellvertretender Kommandeur des Streifendienstes beim Generalkommando XIII Nürnberg 1940. – Landesleiter der bayerischen DC. Baumgartner, Josef, Dr. rer. pol., BVP/CSU/Bayernpartei-Politiker, Parteivorsitzender, Landwirtschaftsminister 457 geb. 16. 11. 1904 Sulzemoos, gest. 21. 1. 1964 München, Philosophie-, Geschichts- und Nationalökonomiestudium München 1925–1929, Mitglied BVP und stellvertretender Generalsekretär Bayerischer Bauernverein 1929, Versicherungsangestellter 1933, mehrwöchige Haft wegen Verstoßes gegen das sog. Heimtückegesetz 1942, Kriegsdienst 1942–1945, Mitbegründer CSU 1945, bayerischer Landwirtschaftsminister 1945–1948, MdL Bayern 1946–1962, Wechsel zur Bayernpartei 1948, deren Vorsitzender 1948–1953 und 1953–1959, MdB 1949–1951, Honorarprofessor Landwirtschaftliche Hochschule Weihenstephan 1950–1959, bayerischer Landwirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident 1954–1957. Baur, Ferdinand Christian, Theologe, Universitätslehrer 61 geb. 21. 6. 1792 Schmiden bei Cannstatt, gest. 2. 12. 1860 Tübingen, Studium Tübingen 1809–1814, Professor für Alte Sprachen Blaubeuren 1817, ordentlicher Professor für Kirchen- und Dogmengeschichte Tübingen 1826. Bayer, Hans, Theologe, Pfarrer 207 geb. 25. 11. 1902 Rüdisbronn, gest. 30. 11. 1965 Nürnberg, Exponierter Vikar Hilpoltstein mit dem Titel Pfarrer 1931, Pfarrer ebd. 1954. Beck, Hermann, D., Theologe, Pfarrer, Oberkonsistorialrat 54 geb. 19. 5. 1849 Smyrna, gest. 27. 4. 1919, Pfarrer Gastenfelden 1876, Vereinsgeistlicher Altona 1880, Pfarrer Osternohe 1882, Bad Kissingen 1884, Dekan Würzburg 1890, Titel Kirchenrat 1895, Konsistorialrat Bayreuth 1898, Titel und Rang Oberkonsistorialrat 1916. Becker, Karl-Heinz, Theologe und Jurist, Pfarrer 217, 434 f. geb. 18. 10. 1900 Insterburg, gest. 30. 6. 1968 Neustadt an der Aisch, Jura- und Wirtschaftsstudium München und Kiel, Theologiestudium Erlangen, Berlin und Marburg ab 1922, Hilfsgeistlicher 1925, Pfarrer Ezelheim 1930, Anzeige wegen Kanzelmissbrauchs 1937, Entzug der Genehmigung zur Erteilung von Religionsunterricht 1938, Kriegsdienst 1939, Denunziation und Einleitung eines Hochverratsverfahrens 1944, nach Kriegsende erneut Pfarrer Ezelheim, Solnhofen 1949, Oberammergau 1956, Stübach 1959, Ruhestand 1965. Beckmann, Joachim, Dr. phil. Lic. theol. D., Theologe, Synodalpräses, Oberkirchenrat, kirchlicher Dozent und Universitätslehrer 174, 414 geb. 18. 7. 1901 Wanne-Eickel, gest. 18. 1. 1987 Düsseldorf [Personenlexikon, 31]. Beckstein, Günther 474 Bell, George Kennedy Allen, Theologe, Bischof, Ökumeniker 257 geb. 4. 2. 1883 Hayling Island Hampshire/Großbritannien, gest. 3. 10. 1958 Canterbury, Priesterweihe und Sozialpfarrer Leeds 1907, Studentenpfarrer und Tutor Christ Church College Oxford 1910, Privatsekretär des Erzbischofs von Canterbury und Sonderreferent für internationale und interkonfessionelle Beziehungen 1914, Dompropst von Canterbury 1925, Bischof von Chichester 1929–1957. – Mitinitiator des Ökumenischen
Personenregister / Biographische Angaben
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Rates für Praktisches Christentum Stockholm 1925, dessen Vorsitzender 1932, Vorsitzender des Zentralausschusses des ÖRK 1948–1955. Bergdolt, Johannes, D., Theologe, Pfarrer, Religionslehrer 146 geb. 12. 10. 1884 Ansbach, gest. 21. 11. 1957 Würzburg, Ordination 1908, Pfarrer Affalterthal 1913, Windsheim 1915, Würzburg 1919, Studienrat ebd. 1923, Studienprofessor ebd. 1927, Amtsaushilfe Mönchsondheim 1945, Ruhestand 1949. Besier, Gerhard 18 Beste, Niklot, Dr. phil., Theologe, Landesbischof 439 geb. 30. 6. 1901 Ilow (Kreis Wismar), gest. 24. 5. 1987 (Unfall) Gießen [Personenlexikon, 36]. Bethge, Eberhard, Dr. h. c. mult., Theologe, Pfarrer, Bonhoeffer-Biograph 279 geb. 28. 8. 1909 Warchau, gest. 18. 3. 2000 Wachtberg, Theologiestudium Königsberg, Berlin, Wien, Tübingen und Halle (Saale) 1929–1933, dann Vikar Ziesar, Predigerseminar Wittenberg bis zum Ausschluss aus kirchenpolitischen Gründen, Mitglied Predigerseminar der Bekennenden Kirche Finkenwalde 1935, Studieninspektor Sammelvikariat Groß-Schlönwitz/Pommern 1937, Missionsinspektor Goßner-Mission Berlin 1940, Wehrdienst 1943, Verhaftung im Zusammenhang des 20. Juli 1944, Befreiung 1945, persönlicher Referent von Bischof Otto Dibelius und Studentenpfarrer Berlin 1945, Auslandspfarrer London 1953, Leiter Pastoralkolleg Rengsdorf 1961–1976, Honorarprofessor für Praktische Theologie Bonn 1969–1976. Bethmann Hollweg, Theobald von, Jurist, Politiker, Ministerpräsident, Reichskanzler und Außenminister 88 geb. 29. 11. 1856 Hohenfinow (Brandenburg), gest. 1. 1. 1921 Hohenfinow, Jurastudium, Laufbahn im Verwaltungsdienst ab 1879, Oberpräsidialrat Potsdam 1896, Regierungspräsident Bromberg, dann Oberpräsident Provinz Brandenburg 1899, Innenminister Preußen 1905, Staatssekretär Reichsamt des Innern und Vizepräsident preußisches Staatsministerium 1907, preußischer Ministerpräsident, Reichskanzler und Außenminister 1909, Entlassung 1917. Beyhl, Wilfried 481 Bezzel, Hermann (ab 1910: von), Dr. theol. Dr. phil., Theologe und Philologe, Rektor, Präsident 38, 48, 51, 69, 71 f., 74, 77, 86, 88, 94 geb. 18. 5. 1861 Wald bei Gunzenhausen, gest. 8. 6. 1917 München, Philologie- und Theologiestudium Erlangen 1879–1883, Lehrer Regensburg 1883, Leiter Alumneum ebd. 1884, Rektor Diakonissenanstalt Neuendettelsau 1891, Präsident Oberkonsistorium 1909. Bezzel, Otto, D. theol., Lehrer, Pfarrer, Oberkirchenrat 360, 406–409 geb. 20. 5. 1893 Großbirkach, gest. 10. 9. 1967 München, Ordination 1920, Studienrat Augsburg 1925, Sudienprofessor ebd. 1930, Pfarrer ebd. 1935, Oberkirchenrat und Kreisdekan Bayreuth 1937, Oberkirchenrat Landeskirchenrat München und Leiter der geistlichen Abteilung ebd. 1947, Ruhestand 1962. Blach, Friedrich, Jurist, führende Positionen in Wirtschaftsunternehmen 133, 140 f. geb. 19. 1. 1884 Stralsund, gest. 1969 New York, Jurastudium, Rechtsanwalt Bergen auf Rügen 1911, Kriegsdienst und Verwundung im Ersten Weltkrieg, Vorstandsmitglied Charlottenburger Wasser- und Industriewerke 1918, Aufsichtsrat u. a. Deutsche Gasgesellschaft und Askaniawerke, kurzzeitige Verhaftung 1933, Emigration in die USA 1937.
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Personenregister / Biographische Angaben
Blass, Friedrich, Dr. phil. Dr. h. c. mult., Philologe, Lehrer, Universitätslehrer 47 geb. 22. 1. 1843 Osnabrück, gest. 5. 3. 1907 Halle/Saale, Philologiestudium Göttingen und Bonn, dann Gymnasiallehrer Bielefeld, Naumburg, Magdeburg, Stettin und Königsberg, Habilitation (Klassische Philologie) Königsberg 1874, außerordentlicher Professor Kiel 1876, ordentlicher Professor ebd. 1881, ordentlicher Professor für Klassische Philologie Halle/Saale 1892. Blaufuss, Dietrich 477 Blendinger, Hermann, Theologe, Pfarrer, Direktor 17, 361 geb. 26. 1. 1925 Betzenstein, gest. 23. 12. 2005, Ordination 1951, Pfarrer Großgarnstadt 1954, Mitarbeiter Evangelischer Presseverband München 1963, Pfarrer Wasserburg/ Bodensee 1964, Pfarrer Würzburg und Direktor Rudolf-Alexander-Schröder-Haus ebd. 1974, Ruhestand 1988. Bodelschwingh, Friedrich von, D. D. Debrecen. Dr. med. h. c., Theologe, Pfarrer, Anstaltsleiter 292–294, 306–309, 326, 456, 460, 491 geb. 14. 8. 1877 Bethel, gest. 4. 1. 1946 Bethel [Personenlexikon, 39]. Boe, Lars W., D.D., Theologe, Pfarrer, Collegepräsident 351 geb. 27. 12. 1875 Calumet Michigan/USA, gest. 27. 12. 1942, Ordination und Pfarrer im Staat Iowa seit 1901, Präsident Waldorf College 1904–1915, Generalsekretär United Norwegian Lutheran Church 1917, Präsident St. Olaf College Northfield/Minnesota 1918–1942. Boeckh, Friedrich, D., Theologe, Pfarrer, Dekan, Oberkirchenrat 76, 78 f., 81–85, 87, 92, 94 f., 143, 145, 147 geb. 18. 9. 1850 Klingsmoos, gest. 26. 2. 1930, Theologiestudium Erlangen und Tübingen ab 1879, Privatvikar Weiltingen bei Dinkelsbühl 1883, Stadtvikar Augsburg 1884, Pfarrer Fessenheim im Ries 1885, Tauberzell 1893, Schwabach 1897, Dekan ebd. 1903, Pfarrer und Dekan Nürnberg 1911, zugleich Vorsitzender des Landesvereins für Innere Mission Nürnberg 1911–1921, Oberkirchenrat Landeskirchenrat München 1921, Ruhestand 1928. Bçhm, Hans, Dr. phil. Dr. theol. D., Theologe und Philologe, Pfarrer, Propst, nebenamtlicher Oberkirchenrat 414 geb. 5. 5. 1899 Hamm/Westfalen, gest. 3. 4. 1962 Berlin [Personenlexikon, 39 f.]. Bçhner, Friedrich, Stadtrat, Oberbürgermeister 454 geb. 30. 4. 1885 Bayreuth, gest. 5. 6. 1965 Ansbach, hauptamtlicher Stadtrat Ansbach 1947, Oberbürgermeister ebd. 1950–1952. Bçhner, Karl, Jurist, Oberkirchenrat, Vizepräsident 160, 454 geb. 19. 4. 1872 Münchberg, gest. 27. 6. 1955 Krailling bei München, Bezirksamtsassessor Friedberg 1902, Bayreuth 1907, Regierungsassistent ebd. 1911, weltlicher Konsistorialrat Ansbach 1915, Oberkirchenrat Landeskirchenrat München 1921, Vizepräsident ebd. 1933, Ruhestand 1935. Bçrner, Georg, Theologe, Pfarrer 193, 255, 257 geb. 4. 4. 1900 Nürnberg, gest. 2. 8. 1980 Simmelsdorf, Theologiestudium Marburg, Berlin und Erlangen 1920–1924, Ordination Bayreuth 1924, Stadtvikar Neustadt bei Coburg 1927, Pfarrer Großengsee 1930, Ruhestand 1968.
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Bçrner, Hildegard (geb. Eisner) 255 geb. 2. 5. 1897 Marburg, gest. 4. 9. 1979 Bensheim, Tochter Kurt Eisners, Ehefrau Georg Börners. Bogdahn, Martin 465, 467 Bogner, Wilhelm, Theologe, Pfarrer, Oberkirchenrat 19, 172 f., 194, 197, 228, 288, 359, 408, 422 geb. 8. 5. 1897 Fünfbronn, gest. 6. 12. 1946 (Autounfall) bei Darmstadt [Personenlexikon, 40 f.]. Bogner, Wilhelm, Theologe, Pfarrer, Dekan 11, 194, 197 geb. 2. 10. 1925 Augsburg-Göggingen, gest. 12. 4. 2014, Ordination 1951, Pfarrer Michelrieth 1954, Fürth 1964, Dekan Gunzenhausen 1977, Ruhestand 1990. Bohrer, Hermann, Theologe, Pfarrer, Dekan 154 geb. 28. 10. 1882 Nürnberg. gest. 20. 4. 1947, Pfarrer Niederwerrn 1912, Selb 1918, Dekan ebd. 1925, Dekan Windsbach 1935–1947. Bonhoeffer, Dietrich, Lic. theol., Theologe, Universitätslehrer, Widerstandskämpfer 118, 249, 279, 470, 481 f. geb. 4. 2. 1906 Breslau, gest. 9. 4. 1945 (hingerichtet) KZ Flossenbürg (Oberpfalz) [Personenlexikon, 41]. Bora, Katharina von 478, 480 geb. 29. 1. 1499 Lippendorf, gest. 20. 12. 1552 Torgau, Ehefrau Martin Luthers seit 1525. Bormann, Lukas 18, 132, 139–142, 301, 479, 481 Bormann, Martin, NSDAP-Politiker, Reichsleiter, Leiter der Parteikanzlei, Sekretär Hitlers 207 geb. 17. 6. 1900 Halberstadt, gest. (Selbstmord) 2. 5. 1945 Berlin, Militärdienst 1918/19, Landwirtschaftseleve und Inspektor auf mecklenburgischen Gütern 1920–1926, wegen Beteiligung an einem Fememord zu einem Jahr Haft verurteilt 1924, Mitglied der NSDAP 1927, Gaupresseobmann der NSDAP Thüringen 1927/28, Mitglied im Stab der Obersten SA-Führung 1928–1930, Stabsleiter im Amt des Stellvertreters des Führers, Reichsleiter der NSDAP und MdR 1933, Leiter der Parteikanzlei 1941, Sekretär des „Führers“ 1943, Ernennung zum Minister 1944, in den Nürnberger Prozessen als einer der Hauptkriegsverbrecher in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Bracker, Robert, Oberregierungsrat, Synodalpräsident 160, 164 geb. 1877, gest. 1970, Oberregierungsrat, Vorstand Bezirksamt Fürth, stellvertretender Präsident der bayerischen Landessynode 1924–1933, deren Präsident 1933–1940. Braun, Friedrich, D., Theologe, Pfarrer, Oberkonsistorialrat 92 geb. 27. 7. 1855 Memmingen, gest. 15. 1. 1940 München, Pfarrer Bimbach 1881, Memmingen 1883, München 1894, Konsistorialrat und 2. Hauptprediger Bayreuth 1903, Konsistorialrat und 1. Hauptprediger Ansbach 1907, Oberkonsistorialrat München 1911, Ruhestand 1920. Braun, Hannelore 17 Braun, Lily (geb. Amelia Jenny Emilie Klothilde Johanna von Kretschmann), Frauenrechtlerin und Publizistin 81 geb. 2. 7. 1865 Halberstadt, gest. 9. 8. 1916 Berlin, Schriftstellerin, Sozialdemokratin (Mitglied SPD 1896), führende Frauenrechtlerin und Publizistin.
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Personenregister / Biographische Angaben
Braune, Paul Gerhard, D., Theologe, Pfarrer, Anstaltsleiter 292, 294 geb. 16. 12. 1887 Tornow Kr. Landsberg/Warthe, gest. 19. 9. 1954 Bethel [Personenlexikon, 44 f.]. Breit, Thomas, D., Theologe, Pfarrer, Dekan, Oberkirchenrat 196, 198, 238, 287, 303, 322, 334–338, 341 f., 345 geb. 16. 3. 1880 Ansbach, gest. 20. 11. 1966 Augsburg [Personenlexikon, 45]. Brentano, Lujo (Ludwig Josef), Dr. jur. Dr. phil., Nationalökonom, Universitätslehrer 43 geb. 19. 12. 1844 Aschaffenburg, gest. 9. 9. 1931 München, Studium Dublin, Münster, München, Heidelberg, Würzburg, Göttingen und Berlin, Habilitation (Staatswissenschaften) 1871, Professor für Nationalökonomie, Finanzwissenschaft und Wirtschaftsgeschichte Breslau 1872, Straßburg 1882, Wien 1888, Leipzig 1898, München 1891–1914. Bruckner, Liesel (mit vollem bürgerlichen Namen Lisette Margarethe), Theologin, Dekanatsjugendleiterin, Pfarrvikarin, Pfarrerin 286 geb. 22. 11. 1912 Dortmund, gest. 28. 10. 1999 Amberg, Theologin, Gründerin des Konvents Bayerischer Theologinnen 1935 und dessen Leiterin bis 1970, Dekanatsjugendleiterin Sulzbach-Rosenberg, Pfarramtshelferin Amberg und erstes weibliches Mitglied der bayerischen Pfarrbruderschaft 1935, Dekanatsjugendleiterin Erlangen 1937, Mitarbeiterin im Reisedienst der Zentrale des evangelischen Jugendwerks Jungmädchenwerk 1940–1950, Einsegnung zur Pfarrvikarin und Beauftragung mit der Seelsorge an Pfarrvikarinnen 1947, Pfarrvikarin Amberg 1950, Ordination und Pfarrerin mit allgemeinkirchlichen Aufgaben 1976. Brunotte, Heinz, D. theol., Theologe, Pfarrer, Oberkonsistorialrat, Oberlandeskirchenrat, Präsident 437 geb. 11. 6. 1896 Hannover, gest. 2. 2. 1984 Hannover [Personenlexikon, 46 f.]. Buchrucker, Karl (seit 1890: von), Theologe, Pfarrer, Dekan, Oberkonsistorialrat 38, 145 geb. 19. 11. 1827 Kleinweisach, gest. 29. 1. 1899 München, Theologiestudium Erlangen, Hauslehrer Schwabach, Privatvikar Unterfarrnbach, Pfarrer Oberlaimbach 1854, Nördlingen 1863, Pfarrer und Dekan München 1873, Gründer Innere Mission München 1845, Oberkonsistorialrat 1885–1898. Bultmann, Rudolf, Lic. theol. Dr. theol. h. c. mult., Theologe, Lehrer, Universitätslehrer 362 geb. 20. 8. 1884 Wiefelstede (Oldenburg), gest. 30. 7. 1976 Marburg [Personenlexikon, 48]. Bunzel, Hellmuth, Theologe, Pfarrer, Superintendent, Kirchenrat 417 geb. 23. 6. 1888 Lichtenau (Schlesien), gest. 8. 11. 1973 München, Theologiestudium Straßburg, Halle und Breslau, Ordination 1912 und Pfarrer Ottendorf (Schlesien) 1912, Reichenbach 1927, Superintendent ebd. 1937, Hilfsreferent Landeskirchenrat München und Beauftragter für die kirchliche Vertriebenenarbeit in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern mit dem Titel Kirchenrat 1948, Ruhestand 1958. Burkert, Adolf, Dr. phil., Theologe, Studieninspektor, Dozent 114 geb. 20. 10. 1894 Nürnberg, gest. 12. 1. 1971 Nürnberg, Ordination 1921, Kandidat Predigerseminar München 1920, Studieninspektor Predigerseminar Nürnberg 1922, Leiter Lehrerinnenseminar Neuendettelsau 1925, zugleich Leiter des Mädchenlyzeums
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und der Mädchenmittelschule ebd. 1934, Ausschluss aus der SA 1936, Pfarrer Diakonissenanstalt Neuendettelsau 1937, Dillingen 1939, Theologiedozent Institut für Lehrerinnenbildung und Katechetisches Seminar Neuendettelsau 1947, Titel Kirchenrat 1954, Leiter Katechetisches Seminar Neuendettelsau 1957, Ruhestand 1959. Burkhardt, Karl, Jurist, Regierungsrat, CSU-Politiker, Oberbürgermeister, Regierungspräsident 457 geb. 9. 1. 1910 Ansbach, gest. 24. 8. 1997, Jurist, erst Regierungsassessor, dann Regierungsrat München 1939, Kriegsdienst im Zweiten Weltkrieg, Kriegsgefangenschaft bis 1946, Mitglied der CSU, Oberbürgermeister Ansbach 1952–1957, Staatssekretär bayerisches Kultusministerium 1957–1958, Regierungspräsident Mittelfranken 1958–1975. Buttmann, Rudolf, Dr. rer. pol., Jurist und Staatswissenschaftler, Bibliothekar, NSDAPPolitiker, Ministerialdirektor, Generaldirektor 351 geb. 4. 7. 1885 Marktbreit am Main, gest. 25. 1. 1947 Stockdorf bei München, Jura- und Staatswissenschaftsstudium München, Freiburg im Breisgau und Berlin, Praktikant Bayerische Staatsbibliothek 1908, Bibliothekar im bayerischen Staatsdienst seit 1910, Kriegsdienst 1914–1918, Mitgründer Völkischer Block in Bayern und MdL Bayern 1924, Mitglied NSDAP und Vorsitzender NSDAP-Landtagsfraktion Bayern 1925–1933, MdR, Ministerialdirektor und Leiter der kulturpolitischen Abteilung Reichsinnenministerium 1933–1935, Generaldirektor Bayerische Staatsbibliothek 1935–1945, Internierung 1945. Cahn, Ernst, Dr. oec. publ., Jurist und Volkswirtschaftler, Museumsleiter, Dozent, Universitätslehrer 132 geb. 2. 11. 1875 Bayreuth, gest. 24. 10. 1953 Frankfurt/Main, Jura- und Volkswirtschaftsstudium Berlin und München, Rechtsreferendar Bayreuth 1898–1901, Mitarbeiter, dann Leiter des Sozialen Museums Frankfurt/Main 1902–1916, zugleich Lehrauftrag für Sozialversicherung und Gewerberecht Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften ebd. 1904, Habilitation 1909, dann Privatdozent für Strafrecht, Verwaltungsrecht und Politik Akademie Frankfurt/Main, Dozent Stiftungsuniversität ebd. 1914, außerordentlicher (ab 1916: ordentlicher) Honorarprofessor für Staatslehre und Verwaltungsrecht ebd. 1915, Magistratsrat ebd. 1916, Magistratsoberrat ebd. 1922, Zwangsruhestandsversetzung 1933, Wiedereinsetzung und Ruhestand 1945. Caspari, Walter, Lic. Theol. h. c. D. theol. h. c., Theologe, Pfarrer, Universitätslehrer 47 geb. 19. 6. 1847 Sommerhausen bei Würzburg, gest. 2. 2. 1923 Erlangen, Theologiestudium 1864–1868, Predigerseminar München 1868–1870, Ordination 1869, Stadtvikar Würzburg 1870, Pfarrer Memmingen 1873, Ansbach 1883, außerordentlicher Professor für Praktische Theologie, Pädagogik und Didaktik Erlangen 1885, ordentlicher Professor ebd. 1887–1919, Prorektor ebd. 1898/99. Clay, Lucius Dubignon, Dr. h. c., US-Oberbefehlshaber, Militärgouverneur 384 geb. 23. 4. 1898 Marietta (Georgia), gest. 16. 4. 1978 Chatham (Massachusetts), stellvertretender Militärgouverneur und stellvertretender Oberbefehlshaber der amerikanischen Besatzungszone und des amerikanischen Sektors Berlin 1945, Militärgouverneur der amerikanischen Besatzungszone und Befehlshaber der amerikanischen Landstreitkräfte in Europa 1947–1949. Colberg, Wilson P., US-Besatzungsoffizier 375, 403 geb. 1900, gest. 1982, Chief Legal Officer der amerikanischen Militärregierung München 1945.
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Personenregister / Biographische Angaben
Cornelius, Johannes Wilhelm (Hans), Dr. chem., Naturwissenschaftler und Philosoph, Universitätslehrer 43 geb. 27. 9. 1863 München, gest. 23. 8. 1947 Gräfelfing bei München, Mathematik-, Physik- und Chemiestudium Berlin, Leipzig und München, Habilitation (Philosophie) 1894, Privatdozent, dann außerordentlicher Professor für Philosophie München 1903, ordentlicher Professor für Philosophie Frankfurt/Main 1910–1919. D’arms, Edward F., Ph.D. B.A. M.A., Philologe, Universitätslehrer, US-Besatzungsoffizier, Direktor 396 geb. 1904, gest. 30. 4. 1991 Princeton, Lehrkraft Princeton 1928, Professor für Latein Vassar College 1930, Assistenzprofessor für Griechisch Universität Minnesota 1935, Professor für Altphilologie Universität Colorado 1937–1947, Armeedienst ab 1943, Major Education and Religious Affairs Branch der amerikanischen Militärregierung für Bayern 1945, Chief Education and Religious Policy Civil Affairs Division USKriegsministerium 1946–1947, Direktor Rockefeller und Ford Foundation 1947–1960. Daumiller, Martin 191 geb. 25. 10. 1917 Memmingen, gest. 31. 12. 2012 Krailling bei München, Sohn Oskar Daumillers. Daumiller, Oskar, D., Theologe, Pfarrer, Oberkirchenrat 96, 143, 187, 191, 194 f., 215, 225, 279, 388, 398 geb. 24. 3. 1882 Memmingen, gest. 14. 6. 1970 Gräfelfing, Studium Erlangen und Leipzig 1901–1905, einjährig-freiwilliger Militärdienst 1906, Predigerseminar München 1906/ 07, Ordination und Hilfsgeistlicher Ingolstadt 1907, Pfarrer Zeitlofs-Brückenau/Unterfranken 1912, Divisionspfarrer 1914, Pfarrer Memmingen 1917, München 1922–1933, Vorstand der Diakonissenanstalt München bis 1934, Oberkirchenrat Landeskirchenrat München 1933, Kreisdekan des südbayerischen Kirchenkreises 1934–1952, Vorstand des Gustav-Adolf-Werks Bayern, Landesführer der Inneren Mission Bayern, Referent für die evangelische Frauenarbeit und den bayerischen Mütterdienst 1947, Ruhestand 1952, Pfarrverweser Florenz 1952/53, Genua 1953, Bozen 1955. Dehler, Thomas, Dr. jur., Jurist, FDP-Politiker, Oberlandesgerichtspräsident, Bundesjustizminister 406 f. geb. 14. 12. 1897 Lichtenfels (Oberfranken), gest. 21. 7. 1967 Streitberg (Unterfranken), Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg, Medizin-, dann Jura- und Staatswissenschaftsstudium Würzburg, Freiburg und München, Mitglied DDP (ab 1930: Deutsche Staatspartei) 1920–1933, Rechtsanwalt München 1924, Bamberg 1926, Mitglied Freimaurer 1926, Meister einer Loge 1929, vorübergehende Verhaftungen 1938 und 1944, im Zweiten Weltkrieg kurzfristig Kriegsdienst bis zum Ausschluss aus der Wehrmacht wegen Ehe mit einer „halbjüdischen“ Frau, Landrat Bamberg 1945/46, Generalstaatsanwalt ebd. 1945–1947, Landesvorsitzender FDP Bayern 1946, Präsident Oberlandesgericht Bamberg 1947–1949, MdB 1949–1967, Bundesjustizminister 1949–1953, Bundesvorsitzender FDP 1954–1957. Denifle, Heinrich Suso, D. theol. h. c. mult., Dominikaner, Priester, Universitätslehrer, Unterarchivar 30 geb. 16. 1. 1844 Imst (Tirol), gest. 10. 6. 1905 München, Eintritt in den Dominikanerorden 1861, Gelübde 1862, Priesterweihe und Seelsorger 1866, Lektor Graz 1870,
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Professor ebd. 1876, Generalassistent Dominikanerorden Rom 1880, Unterarchivar Vatikanisches Archiv 1883. Dibelius, Otto, Dr. phil. Lic. theol. D., Theologe, Pfarrer, Generalsuperintendent, Bischof, Ratsvorsitzender der EKD 14, 126, 128, 148 f., 344, 371, 375, 386, 413 f., 430 f., 454 geb. 15. 5. 1880 Berlin, gest. 31. 1. 1967 Berlin [Personenlexikon, 58]. Diegritz, Georg, Theologe, Pfarrer, Dekan 65 geb. 1. 1. 1867 Memmelsdorf, gest. 1. 8. 1932 Würzburg, Pfarrer Gleisenau 1896, Dekan Rügheim 1908. Diem, Hermann, D., Theologe, Pfarrer, Universitätslehrer 297 geb. 2. 2. 1900 Stuttgart, gest. 27. 2. 1975 Tübingen [Personenlexikon, 59 f.]. Dietz, Otto, Dr. theol. h. c., Theologe, Pfarrer, Dekan 146 geb. 16. 10. 1898 Würzburg, gest. 17. 5. 1993, Studium Würzburg und Erlangen 1918–1922, Ordination 1922, dann Stadtvikar Würzburg, Pfarrer Nürnberg 1926, Dekan Bamberg 1946, Titel Kirchenrat 1953, Ruhestand 1963. Dietzfelbinger, Eckart 474 Dietzfelbinger, Hermann, D. theol. Dr. theol. h. c. D.D., Theologe, Pfarrer, Rektor, Landesbischof, Ratsvorsitzender der EKD 171, 279, 404, 447, 454, 460, 463–465 geb. 14. 7. 1908 Ermershausen, gest. 14. 11. 1984 München, Theologiestudium Erlangen, Tübingen und Greifswald, Ordination und Vikar München 1931, Pfarrer Rüdenhausen 1935, theologischer Hilfsreferent Landeskirchenrat München 1939, Rektor Predigerseminar Nürnberg 1945, Rektor Diakonissenanstalt Neuendettelsau 1953, bayerischer Landesbischof 1955–1975, Vorsitzender des Rates der EKD 1967–1973. Dçpfner, Julius, Dr. theol. D. mult., Priester, Bischof, Kardinal, Erzbischof 409 geb. 26. 8. 1913 Hausen bei Bad Kissingen, gest. 24. 7. 1976 München, Theologie- und Philosophiestudium Würzburg und Rom 1933–1941, Priesterweihe 1939, Kaplan Großwallstadt, Schweinfurt und Gochsheim 1941–1944, Präfekt Kilianeum Würzburg 1944, Assistent Priesterseminar ebd. 1945, Subregens ebd. 1946, Bischof Würzburg 1948, Bischof Berlin 1957–1961, Kardinal 1958, Erzbischof von München und Freising 1961–1976 und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz 1965–1976. Dçrfler, Theodor, Theologe und Jurist, Landgerichtsdirektor, Synodaler 167 geb. 9. 6. 1869 Markt Berolzheim, gest. 14. 5. 1938, Theologie- und Jurastudium, Oberlandesgerichtsrat München 1925, Landgerichtsdirektor Augsburg 1931. – MdL Bayern (Völkischer Block) 1924, Gründer des „Nationalen Volksbunds“. – Teilnehmer der Deutschen Evangelischen Nationalsynode Wittenberg 1933, Berlin 1934, der Bekenntnissynode der DEK Barmen 1934, Augsburg 1935, Bad Oeynhausen 1936. Eckerlein, Friedrich, Theologe, Pfarrer, Religionslehrer 38–42 geb. 21. 6. 1858 Mönchsondheim, gest. 10. 4. 1905 Nürnberg, Theologiestudium Erlangen und Leipzig 1878–1882, Pfarrer Unterleinleiter 1884, Gymnasialprofessor Nürnberg 1892. Ehard, Hans, Dr. jur., Jurist, Senatspräsident, CSU-Politiker, Ministerpräsident 456 f. geb. 10. 11. 1887 Bamberg, gest. 18. 10. 1980 München, Jurastudium München und Würzburg 1907–1912, Dienst bei der Militärjustiz im Ersten Weltkrieg, Mitglied BVP 1919, Staatsanwalt München 1923, Einsatz im bayerischen Justizministerium 1924 bis zum freiwilligen Ausscheiden 1933, Senatspräsident Oberlandesgerichtshof München
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1933–1945, Vorsitzender Erbgerichtshof ebd. 1937, Deutscher Ärztegerichtshof ebd. 1942, Mitglied CSU, Staatsrat, dann Staatssekretär im bayerischen Justizministerium 1945, MdL Bayern 1946–1966, Ministerpräsident Bayern 1946–1954, Vorsitzender CSU 1949–1955, Präsident bayerischer Landtag 1954–1960, Ministerpräsident Bayern 1960–1962. Ehlers, Hermann, Dr. jur. Dr. theol. h. c., Jurist, Richter, CDU-Politiker, Bundestagspräsident 406 geb. 1. 10. 1904 Schöneberg, gest. 29. 10. 1954 Oldenburg [Personenlexikon, 67 f.]. Eichhorn, Wilhelm, D. Dr. jur., Jurist, Oberregierungsrat, Direktor, CSU-Politiker, Synodalpräsident 95, 381 geb. 5. 7. 1879 Kleinhaslach, gest. 20. 3. 1957 München, Theologie- und Jurastudium, Rechtsanwalt 1907/1908, dann juristische Laufbahn im Staatsdienst bis zum Oberregierungsrat im bayerischen Landwirtschaftsministerium, 1. Direktor im Vorstand der Bayerischen Landwirtschaftsbank 1921, Vorstandsmitglied bis 1951, Wechsel in den Aufsichtsrat 1952, dessen Vorsitzender 1954–1957, Mitglied Landesvorstand CSU 1946–1951. – Mitglied der bayerischen Landessynode 1924–1930 und 1946–1948, Schriftführer des Landessynodalausschusses 1924, Mitglied des Begnadigungsausschusses in Dienststrafsachen 1924–1930, Präsident der Landessynode 1946, Mitglied des Ausschusses zur Würdigung und Bescheidung von Dienstaufsichtsbeschwerden gegen den Landeskirchenrat ab 1946, Vertreter der bayerischen Landeskirche im Rat der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands 1947, Teilnehmer der Kirchenversammlung der EKD Treysa 1947, Teilnehmer der Generalsynode der VELKD Leipzig 1949. Eidem, Erling, Pfarrer, Universitätslehrer, Erzbischof, Ökumeniker 373, 442 geb. 23. 4. 1880 Göteborg, gest. 14. 4. 1972 Vänersborg, Dozent für Neues Testament 1913, Pfarrer G rdst nga bei Lund 1923, Professor für Neues Testament Lund 1928, Erzbischof Uppsala 1931–1950. – Einstweiliger Präsident des LWK 1945, einer der Präsidenten des ÖRK 1948–1950. Eisner, Kurt, Journalist, SPD-Politiker, Ministerpräsident 101 f., 106 f., 193, 255 geb. 14. 5. 1867 Berlin, gest. (ermordet) 21. 2. 1919 München, Philosophie- und Germanistikstudium Berlin ab 1886, Journalist Marburg 1893, Mitglied SPD 1898, Mitarbeiter beim „Vorwärts“ 1899–1905, Chefredakteur Fränkische Tagespost Nürnberg 1907, freier Journalist und Herausgeber „Arbeiter-Feuilleton“ 1910–1916, Mitbegründer USPD und deren bayerischer Vorsitzender 1917, Proklamation des Freistaats Bayern, bayerischer Ministerpräsident und Außenminister 1918. Elert, Werner, Dr. phil. Lic. theol. D., Theologe, Universitätslehrer 176, 253, 269, 315, 317, 425, 434 geb. 19. 8. 1885 Heldrungen (Provinz Sachsen), gest. 21. 11. 1954 Erlangen [Personenlexikon, 69 f.]. Ellwein, Theodor, Dr. theol., Theologe, Religionslehrer, Oberkonsistorialrat, Studienleiter 167 geb. 18. 5. 1897 Madras (Indien), gest. 22. 2. 1962 München [Personenlexikon, 70]. Elser, Georg, Widerstandskämpfer, Hitler-Attentäter, Opfer des NS-Regimes 270 geb. 4. 1. 1903 Hermaringen, gest. (ermordet) 9. 4. 1945 Konzentrationslager Dachau,
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Schreiner, Eintritt in den Roten Frontkämpferbund 1928/29, Entschluss zur Beseitigung der NS-Führungsspitze wegen Kriegsgefahr 1938, nach wochenlangen Vorbereitungen gescheitertes Attentat auf Hitler im Bürgerbräukeller München 8. 11. 1939, am selben Tag Verhaftung in Konstanz, dann Gestapo-Verhöre und Haft, Konzentrationslagerhaft (Einzelhaft) Sachsenhausen 1940, Überführung ins Konzentrationslager Dachau und Ermordung 1945. Epp, Franz Ritter von, Offizier, NSDAP-Politiker, Reichsstatthalter 104, 183, 187, 234, 243, 290–292, 294 geb. 16. 10. 1868 München, gest. 31. 12. 1946 München, Militärlaufbahn ab 1887, Kommandeur Freikorps Epp 1919, Ausscheiden aus der Reichswehr als Generalleutnant 1923, Mitglied BVP 1927, NSDAP 1928, MdR 1928–1945, Gruppenführer Nationalsozialistisches Kraftfahrkorps 1932, SA-Obergruppenführer 1933, Reichskommissar Bayern 1933, Reichsstatthalter ebd. 1933–1945, Reichsleiter Kolonialpolitisches Amt der NSDAP 1934, Ehrentitel General der Infanterie 1935, Bundesführer Reichskolonialbund 1936, Internierung 1945. Eppelein, Friedrich, Dr. phil., Theologe, Pfarrer, Direktor 155 geb. 4. 6. 1887 Nürnberg, gest. 25. 12. 1969 Zirndorf, Pfarrer Bayreuth 1922, Inspektor für Volksmission Evangelisch-Lutherische Missionsanstalt Neuendettelsau 1926, Direktor ebd. 1928, Mitglied NSDAP 1933 bis zum Parteiausschluss 1935, Pfarrer Zirndorf 1946, Ruhestand 1957. Esser, Hermann, Journalist, NSDAP-Politiker, Landtagspräsident, Staatsminister, Staatssekretär 162 geb. 29. 7. 1900 Röhrmoos, gest. 7. 2. 1981, Mitglied DAP 1919, Schriftleiter Völkischer Beobachter 1920, Teilnehmer Hitler-Putsch 1923, Propagandaleiter NSDAP 1925/26, Bezirksleiter für Propaganda NSDAP Oberbayern und Schwaben 1926/27, Herausgeber Illustrierter Beobachter 1926–1932, Mitglied Kreistag Oberbayern 1928, Stadtrat München 1929, MdL Bayern 1932, MdR 1933, Präsident bayerischer Landtag 1933/34, bayerischer Staatsminister ohne Geschäftsbereich und zugleich Chef der Staatskanzlei 1933–1935, zugleich Wirtschaftsminister ebd. 1934/1935, Präsident Reichsfremdenverkehrsverband 1936–1945, Staatssekretär für Fremdenverkehr Reichspropagandaministerium 1939–1945, Verhaftung und Internierung 1945, Entlassung 1947, im Spruchkammerverfahren als Hauptschuldiger zu fünf Jahren Haft verurteilt 1949, Entlassung aus der Haft 1952, danach Tätigkeit in einem Reisebüro. Faulhaber, Michael Kardinal von, Dr. theol., Priester, Universitätslehrer, Erzbischof, Kardinal 20, 184, 211, 221, 369, 378 f., 402 f., 411, 419, 494 geb. 5. 3. 1869 Klosterheidenfeld/Unterfranken, gest. 12. 6. 1952 München, Eintritt ins Priesterseminar und Theologiestudium Würzburg 1889, Priesterweihe und Kaplan Kitzingen 1892, Präfekt des Kilianeums 1893, Studienaufenthalte, Kaplan und Vizerektor des deutschen Priesterkollegs Rom 1896–1898, Pfarrverweser Holzkirchen bei Marktheidenfeld 1898/99, ordentlicher Professor für Altes Testament und Biblische Theologie Straßburg 1903, Dekan ebd. 1909/10, Ernennung zum Bischof von Speyer 1910, Bischofsweihe 1911, Verleihung des persönlichen Adelstitels 1913, Erzbischof von München und Freising 1917–1952, Kardinal seit 1921. Feilitzsch, Hugo von, Offizier 370 geb. 1886, gest. 1967, Offizier (zuletzt Oberst), Korrespondenzpartner Hans Meisers.
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Fiedler, Eberhard, Dr. jur., Jurist, Rechtsanwalt, Oberlandesgerichtsrat 317 f. geb. 19. 1. 1898 Köstritz, gest. 29. 5. 1947 Ronneburg [Personenlexikon, 76]. Fikenscher, Ernst, Theologe, Pfarrer, Referent, Kirchenrat 167, 243, 415 geb. 4. 7. 1895 Fürth, gest. 7. 10. 1970 München, Ordination 1924, Pfarrer Pfäfflingen 1927, Studienrat Ansbach 1929, Theologischer Hilfsreferent Landeskirchenrat München 1947, Theologischer Referent ebd. und Titel Kirchenrat 1949. Fischer, Karl August, Jurist und Staatswissenschaftler, Ministerialdirektor 403 geb. 3. 5. 1885 Augsburg, gest. 16. 1. 1975 München, Jura- und Staatswissenschaftsstudium, Eintritt in den bayerischen Verwaltungsdienst 1914, Verwendung im bayerischen Kultusministerium 1920, Vorstand Bezirksamt Pfaffenhofen an der Ilm 1927, Ministerialdirektor im bayerischen Kultusministerium 1933, Kurator der deutschen Hochschulen Prag 1940, Wartestandsversetzung 1942, kommissarischer Leiter des bayerischen Innenministeriums Juni bis September 1945, Leiter Südost-Institut 1951–1955. Fix, Karl-Heinz 12, 18, 20, 303, 423 Fleisch, Paul, D., Theologe, Vereinsgeistlicher, Oberlandeskirchenrat, geistlicher Vizepräsident 118, 337, 339, 348, 420 f., 423 geb. 11. 2. 1878 Hamburg, gest. 11. 3. 1962 Loccum [Personenlexikon, 77]. Flierl, Hans, Dr. jur., Jurist, Politiker, Oberbürgermeister 253 geb. 19. 10. 1885 Forchheim, gest. 21. 8. 1974 Erlangen, Jurist, Staatsanwalt Landshut 1915, Rechtsrat Erlangen 1918, 2. Bürgermeister ebd. 1919, 1. Bürgermeister ebd. (mit Amtsbezeichnung Oberbürgermeister seit 1932) 1929–1934. Forck, Bernhard Heinrich, Theologe, Pfarrer, Superintendent 340 geb. 28. 8. 1893 Seehausen bei Bremen, gest. 27. 3. 1963 Luckenwalde (Brandenburg) [Personenlexikon, 78]. Frank, Franz Hermann Reinhold, Dr. phil. Lic. theol. D. theol., Theologe, Lehrer, Universitätslehrer 73 geb. 25. 3. 1827 Altenburg, gest. 7. 2. 1894 Erlangen, Theologie-, Philologie- und Philosophiestudium Leipzig 1845–1848, Promotionsstudium 1848–1851, Subrektor Gymnasium Ratzeburg 1851, Gymnasiallehrer Altenburg 1853, außerordentlicher Professor der Theologie Erlangen 1857, ordentlicher Professor für Kirchengeschichte und Systematische Theologie ebd. 1858, ordentlicher Professor für Systematische Theologie und Ethik ebd. 1875. Frei, Norbert 474 Frick, Wilhelm, Dr. jur., Jurist, NSDAP-Politiker, Reichsinnenminister, Reichsprotektor 176 f., 179, 188, 234, 317 geb. 12. 3. 1877 Alsenz/Pfalz, gest. (hingerichtet) 16. 10. 1946 Nürnberg, Jurist, Leiter der Bayerischen Politischen Polizei 1919–1921, Leiter der Kriminalpolizei 1923, nach dem Hitler-Putsch Verhaftung, Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe und Entlassung aus dem Staatsdienst wegen Dienstvergehens am 31. 7. 1924, Aufhebung der Entlassung am 6. 11. 1924, MdR (bis zum Eintritt in die NSDAP 1925 zunächst für die Deutschvölkische Freiheitspartei) 1924–1933, Fraktionsvorsitzender NSDAP 1928, gleichzeitig Beamter Oberversicherungsamt München 1926–1930 und 1932–1933, dazwischen Innen- und Volksbildungsminister Thüringen 1930/31, Reichsminister des
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Innern 1933, Reichsminister ohne Geschäftsbereich und Reichsprotektor von Böhmen und Mähren 1943–1945. Friedrich Wilhelm III. von Preussen 305 geb. 3. 8. 1770 Potsdam, gest. 7. 6. 1840 Berlin, König von Preußen 1797–1840. Friedrich, Johannes 12, 15, 469 f., 473–476, 480 Frçr, Kurt, Lic. theol. D. theol. h. c., Theologe, Pfarrer, Inspektor, Universitätslehrer 173, 181, 198, 200, 219, 226, 240, 380 geb. 10. 10. 1905 Rothenburg ob der Tauber, gest. 16. 2. 1980 Erlangen, Theologie- und Philosophiestudium 1924–1928, Ordination 1928, Pfarrverweser Bad Reichenhall 1929, dann Stadtvikar München-Sendling, Inspektor Predigerseminar Nürnberg 1932, Pfarrer München 1936, Beauftragter der bayerischen Landeskirche für kirchliche Unterweisung Rummelsberg 1949, ordentlicher Professor für Praktische Theologie, Pädagogik und Didaktik Erlangen 1952–1972, Universitätsprediger ebd. 1964–1973. – Mitbegründer der bayerischen Pfarrbruderschaft. F rst, Walther, Theologe, Pfarrer, Seminarprofessor 434 f. geb. 23. 3. 1911 Steinbach, gest. 25. 3. 1993, Ordination 1934, Pfarrer Lauben 1943, Erlangen 1953, Professor Theologisches Seminar Friedberg/Hessen 1962–1976. Gailus, Manfred 15 Galen, Clemens August Graf von, Dr. theol. h. c., Priester, Bischof, Kardinal 294 geb. 16. 3. 1878 Burg Dinklage/Amtsbezirk Vechta, gest. 22. 3. 1946 Münster, Philosophie- und Geschichtsstudium Freiburg/Schweiz 1897, Theologiestudium Innsbruck seit 1898, Priesterseminar Münster 1903, Priesterweihe ebd., Domvikar und Sekretär von Weihbischof Maximilian Gereon Graf von Galen 1904, Kaplan Berlin 1906, Präses der Berliner Gesellenvereine, Kuratus Berlin 1911, Pfarrer ebd. 1919, Münster 1929, Bischof ebd. 1933, Ernennung zum Kardinal 24. 12. 1945. Gauger, Martin, Dr. jur., Jurist 341 geb. 4. 8. 1905 Elberfeld, gest. 13. 7. 1941 (ermordet) Sonnenstein bei Pirna [Personenlexikon, 84]. Gebhard, Karl, D. Dr. jur. h. c., Jurist, Landgerichtsrat, Oberkonsistorialrat, Vizepräsident 112, 114, 121, 123 geb. 27. 8. 1864 Winterhausen, gest. 29. 3. 1941, Jurist, Landgerichtssekretär Bamberg 1893, Amtsrichter Naila 1894, Neumarkt/Oberpfalz 1897, Bamberg 1899, Landgerichtsrat ebd. 1900, Augsburg 1904, weltlicher Konsistorialrat Bayreuth 1907, Ansbach 1909, weltlicher Oberkonsistorialrat München 1915, Vizepräsident 1921, Ruhestand 1933. Geisendçrfer, Ingeborg, Lehrerin, CSU-Politikerin, Bundestagsabgeordnete, Synodale 414 geb. 30. 5. 1907 Dillingen an der Donau, gest. 25. 6. 2006 Würzburg, Lehrerinnenexamen an der Lehrerinnenbildungsanstalt München 1927, danach Lehrerin an wechselnden Orten bis zum Ausscheiden aus dem Schuldienst wegen Heirat 1940, Eintritt in die CSU 1945, MdB 1953–1972, erstes weibliches Mitglied der Landessynode der EvangelischLutherischen Kirche in Bayern 1959. Geisendçrfer, Robert, Theologe, Pfarrer, Presseverbandsdirektor, Medienbeauftragter 414 geb. 1. 9. 1910 Würzburg, gest. 25. 2. 1976 Frankfurt/Main [Personenlexikon, 85].
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Gerstenmaier, Eugen, Dr. theol. D., Kaufmann, Theologe, Unterstützer des Widerstands, Oberkirchenrat, CDU-Politiker, Bundestagsabgeordneter, Bundestagspräsident 276 f., 297, 412, 416, 442 geb. 25. 8. 1906 Kirchheim/Teck, gest. 13. 3. 1986 Oberwinter [Personenlexikon, 87] Geuder, Karl, Theologe, Pfarrer, Dekan 200 geb. 10. 5. 1898 München, gest. 28. 12. 1983, Ordination 1922, Pfarrer Pommersfelden 1928, Nürnberg 1935, Leiter Amt für Gemeindedienst Nürnberg 1946, Titel Kirchenrat 1950, Dekan Bayreuth 1951, Pfarrer Mittenwald 1959, Ruhestand 1968. Geyer, Christian, Dr. phil. D., Theologe, Pfarrer, Hauptprediger 42, 51 geb. 1. 10. 1862 Manau (Unterfranken), gest. 23. 12. 1929 Nürnberg, Theologiestudium Erlangen und Leipzig ab 1880, Kandidat Predigerseminar München 1885, Vikar Röckingen 1886, Nördlingen 1887, Pfarrer Altdorf 1887, Nördlingen 1889, Präfekt Lehrerbildungsanstalt Bayreuth 1895, Hauptprediger Nürnberg 1902–1929, Titel Kirchenrat 1927. Gçring, Hermann, NSDAP-Politiker, Ministerpräsident, Oberbefehlshaber der Luftwaffe, Reichsmarschall 235–237, 262, 280 geb. 12. 1. 1893 Rosenheim, gest. (Selbstmord in der Haft) 15. 10. 1946 Nürnberg, Mitglied der NSDAP 1922, Teilnahme am Hitler-Putsch 1923, MdR 1928, persönlicher Beauftragter Hitlers in Berlin 1930, Reichstagspräsident 1932, Chef der preußischen Gestapo 1933/34, preußischer Ministerpräsident 1933–1945 und bis 1934 Innenminister, Reichsminister für Luftfahrt 1933, Oberbefehlshaber der Luftwaffe 1935, Beauftragter zur Durchführung des Vierjahresplans 1936, kommissarischer Reichswirtschaftsminister 1937/38, Generalfeldmarschall 1938, Vorsitzender des Reichsverteidigungsrats und offizielle Bestellung zum Nachfolger Hitlers 1939, Reichsmarschall des Großdeutschen Reiches 1940, wegen Verhandlungen mit Alliierten Enthebung von allen Ämtern, Parteiausschluss und Verhaftung durch die SS 23. 4. 1945, in den Nürnberger Prozessen zum Tod verurteilt 1946. Goldhagen, Daniel Jonah 139–141 Goldschmitt, Bruno, Künstler 145 geb. 22. 3. 1881 Nürnberg, gest. 4. 4. 1964 München, Maler, Graphiker und Lithograph. Goltz, Eduard Alexander Freiherr von der, Lic. theol. D., Theologe, Pfarrer, Universitätslehrer 133, 141 geb. 31. 7. 1870 Langenbruck bei Basel, gest. 7. 2. 1939 Greifswald [Personenlexikon, 91]. Graf, Friedrich Wilhelm 480 Grauert, Hermann Heinrich (seit 1914 Ritter von), Dr. phil., Historiker, Universitätslehrer 43 geb. 7. 9. 1850 Pritzwalk, gest. 12. 3. 1924 München, ordentlicher Professor für Geschichte München 1885–1923. Greifenstein, Hans, Theologe, Pfarrer, Oberkirchenrat 166, 170, 192, 196, 217, 263 geb. 2. 11. 1883 Erlangen, gest. 12. 8. 1959 Nürnberg [Personenlexikon, 91]. Greschat, Martin, Dr. theol., Theologe, Hochschullehrer 138 geb. 29. 9. 1934 Wuppertal-Elberfeld, gest. 3. 11. 2017, Theologie-, Germanistik- und Geschichtsstudium Münster und Tübingen ab 1955, Sondervikariat Münster und Re-
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daktionsassistent Bucer-Institut ebd. 1961, Promotion 1964, Assistent Lehrstuhl für Kirchengeschichte Münster 1965, Habilitation 1969, Dozent, dann Professor für Kirchengeschichte und Kirchliche Zeitgeschichte Münster 1972, Professor für Kirchengeschichte und Kirchliche Zeitgeschichte Gießen 1980, Ruhestand 1999, Honorarprofessor Münster 2003. Griessbach, Heinrich, Theologe, Pfarrer, Dekan 243 geb. 27. 3. 1891 Hof, gest. 7. 1. 1973 München, Theologiestudium Erlangen und Leipzig ab 1909, Kriegsdienst 1914–1917, Pfarrer Michelrieth 1921, Vereinsgeistlicher für Jugendarbeit Bayerischer Jungmännerbund Nürnberg 1929, Pfarrer Ansbach 1934, München 1937, Kriegspfarrer 1939–1944, Dekan Passau 1948, Titel Kirchenrat 1951, Ruhestand 1959, Mitglied Bayerischer Senat 1960–1965. Griessbach, Wilhelm, Theologe, Pfarrer, Militärdekan 345 geb. 20. 9. 1907 Georgensmünd, gest. 1993, Ordination 1930, Pfarrer Balgheim 1933, theologischer Hilfsarbeiter beim Kreisdekan Nürnberg 1936, Pfarrer Nürnberg-Ziegelstein 1943, Kirchenrat 1953, Militärdekan 1956. Grillenberger, Wilhelm, Theologe, Pfarrer, Judenmissionar 399 geb. 5. 8. 1911 Treuchtlingen, gest. 15. 12. 1998, Ordination 1935, Pfarrer Neudorf-Suffersheim 1939, Mitarbeiter Evangeliumsdienst München 1949, Judenmissionar Evangelisch-Lutherischer Zentralverein für Mission unter Israel 1951–1956, Pfarrer Veitsbronn-Obermichelbach 1957, Fürth 1973, Ruhestand 1979. Grisar, Hartmann, Priester, Jesuit, Universitätslehrer 30 geb. 22. 9. 1845 Koblenz, gest. 25. 2. 1932 Innsbruck, Priesterweihe und Eintritt in den Jesuitenorden 1868, Professor für Kirchengeschichte Innsbruck 1871, Aufgabe der Professur und Übersiedlung nach Rom 1896, Übersiedlung nach München 1902, nach Innsbruck 1925. Gr ber, Heinrich, Theologe, Pfarrer, Propst, Bevollmächtigter des Rates der EKD 258–262, 279, 396 geb. 24. 6. 1891 Stolberg (Rheinland), gest. 29. 11. 1975 Berlin [Personenlexikon, 92]. Gr ber, Margarete 279 geb. 1899, gest. 17. 12. 1986, Ehefrau Heinrich Grübers. Gr nzinger, Gertraud 12, 20 G nther, Gerhard, Theologe, Pfarrer 121, 216 geb. 17. 6. 1903 Nürnberg, gest. 26. 12. 1944 Kriegsgefangenenlager Tiflis, Theologiestudium Erlangen und Leipzig ab 1922, Kandidat Predigerseminar Nürnberg 1926, Stadtvikar Augsburg 1927, Pfarrer Weingartsgreuth 1929, Murnau 1937, Entlassung und Entzug der Rechte des geistlichen Standes 1939, dann Einsatz als landwirtschaftlicher Arbeiter und Seelsorgehelfer in einer Zweigstelle der Rummelsberger Anstalten, Kriegsdienst 1940, in Abwesenheit Wiedereinsetzung ins geistliche Amt und Verleihung der Pfarrstelle Greiselbach, offizielle Todesfeststellung 1949. G rtner, Franz, Dr. h. c., Jurist, Landgerichtsrat, Reichsjustizminister, NSDAP-Politiker 188, 196, 246, 252 geb. 26. 8. 1881 Regensburg, gest. 29. 1. 1941 Berlin, Landgerichtsrat München 1920, Oberregierungsrat 1921, Bayerischer Justizminister 1922, Reichsjustizminister 1932, in die Regierung Hitler als Reichsjustizminister übernommen am 1. 2. 1933, zugleich Preußischer Justizminister 1934/35, in die NSDAP aufgenommen 1937.
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Gugel, Margarete, Diakonisse 114 geb. 7. 8. 1883 Haag bei Neuendettelsau, gest. 13. 1. 1945 Nürnberg, Meldung zum Eintritt in die Diakonissenanstalt Neuendettelsau 1903, Pflegekraft Pflege- und Krippenanstalt Nürnberg 1903–1914, Einsegnung 1910, Pflegekraft Reservelazarett Rentweinsdorf 1914–1918, Pflege- und Krippenanstalt Nürnberg 1920–1922, Leitende Schwester (Hauswirtschaft) Predigerseminar Nürnberg 1922–1945. Haack, Dieter 466 Hagenauer, Ludwig, Dr. jur., Jurist, Richter, BVP/CSU-Politiker, Staatssekretär, Sonderminister 381 f., 394 f. geb. 8. 3. 1883 Retzbach, gest. 20. 7. 1949 München, Jura- und Staatswissenschaftsstudium 1908–1911, Rechtsanwalt Würzburg 1912, Mitglied der BVP 1918–1933, Tätigkeiten als Staatsanwalt und Richter 1919–1945, vorübergehend kommissarischer Vizepräsident Polizeidirektion München und kommissarischer Präsident Landgericht München 1945, Generalstaatsanwalt Oberlandesgericht München 1945–1947, Staatssekretär im bayerischen Justizministerium 1947, Staatsminister für Sonderaufgaben 1947–1949. Hahn, Hugo, D., Theologe, Pfarrer, Landesbischof 430, 439 geb. 22. 9. 1886 Reval, gest. 5. 11. 1957 Dresden [Personenlexikon, 96 f.]. Haldenwang, Hasso von 280–282 Halder, Franz, Offizier, Generalstabschef 191, 276 geb. 30. 8. 1884 Würzburg, gest. 2. 4. 1972 Aschau/Oberbayern, Eintritt in die bayerische Armee 1902, Ausbildung an der Bayerischen Kriegsakademie 1911–1914, Einsatz als Generalstabsoffizier in verschiedenen Oberkommandos 1914–1918, Hauptmann in der Reichswehr 1919, Major 1922, Oberst 1931, Divisionskommandeur München 1934, Generalleutnant im Oberkommando des Heeres 1936, Generalstabschef des Heeres 1938, Leitung des Balkanfeldzugs und des Überfalls auf die Sowjetunion 1941, Ablösung von seinem Kommando und Versetzung in die Reserve 1942, Kontakte zum militärischen Widerstand 1942–1944, nach dem Attentat vom 20. 7. 1944 Verhaftung und Einlieferung ins Konzentrationslager Flossenbürg, offizielle Verabschiedung aus der Wehrmacht 31. 1. 1945, kurz vor Kriegsende Verlegung ins Konzentrationslager Dachau, Verschleppung nach Südtirol und Befreiung durch amerikanische Truppen, Leiter der deutschen Abteilung des kriegsgeschichtlichen Forschungsamts der U.S. Army Königstein/Taunus und Karlsruhe 1946–1961. Halfmann, Wilhelm, Dr. phil., Theologe, Bischof 439 geb. 12. 5. 1896 Wittenberg, gest. 8. 1. 1964 Kiel [Personenlexikon, 97]. Hamburger, Arno S., Geschäftsinhaber, Vorsitzender Israelitische Kultusgemeinde, Stadtrat 15, 469 f. geb. 15. 2. 1923 Nürnberg, gest. 26. 9. 2013, Verweisung vom Nürnberger Real- und Reformgymnasium 1933, Schulabschluss an der jüdischen Volksschule Nürnberg 1937, Emigration nach Palästina 1939, Annahme der britischen Staatsbürgerschaft, Eintritt in die Jewish Brigades der britischen Armee und Kriegsdienst in Nordafrika und Italien 1941–1945, Rückkehr nach Deutschland 1945, Entlassung aus der Armee, Dolmetscher und Übersetzer bei den Nürnberger Nachfolgeprozessen 1946, Metzgerlehre 1949, danach Eintritt in der väterlichen Metzgerbetrieb, Leitung des Betriebs 1974, 2. Vor-
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sitzender der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg 1966, 1. Vorsitzender ebd. und Stadtrat Nürnberg (SPD) 1972–2013. Hamm, Berndt 18, 139, 142, 471 f. Hanemann, Friedrich, Theologe, Pfarrer, Oberkirchenrat, Bibliothekar 165, 196, 217 f. geb. 24. 4. 1889 Maximilianshütte, gest. 4. 5. 1970 München [Personenlexikon, 98]. Hanselmann, Johannes, Mag. theol. Dr. phil. D. D.D., Theologe, Pfarrer, Landesbischof 463 geb. 9. 3. 1927 Ehingen am Ries, gest. 2. 10. 1999 Rotthalmünster, Theologie- und Philosophiestudium Erlangen 1946–1949, Wittenberg-Seminar Springfield/Ohio (USA) 1949–1950, dann Stadtvikar Coburg, Pfarrer Grub am Forst 1953, Leiter „Haus der Kirche“ der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg Berlin (West) 1966, Oberkirchenrat und Kreisdekan Bayreuth 1974, Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern 1975–1994, Vizepräsident LWB 1978–1987, Präsident LWB 1987–1990, Catholica-Beauftragter VELKD 1991–1994. Harless, Adolf von, Dr. phil. Lic. theol. D. theol., Theologe, Universitätslehrer, Präsident 32 f. geb. 21. 11. 1806 Nürnberg, gest. 5. 9. 1879 München, Philosophie- und Philologiestudium 1823, Theologiestudium 1825–1829, Gymnasiallehrer und zugleich Privatdozent für Philosophie Erlangen 1829, Privatdozent für Theologie 1830, außerordentlicher Professor für Christliche Exegese Erlangen 1833, ordentlicher Professor für Theologische Enzyklopädie und Hilfswissenschaften ebd. 1836, Ordination 1837, Übertragung des Lehrfachs Neutestamentliche Exegese Erlangen 1844, zugleich Konsistorialrat und Hauptprediger Bayreuth 1845, Professor der Theologie Leipzig 1845, zugleich Pfarrer ebd. 1847, Oberhofprediger, Vizepräsident des Landeskonsistoriums und Vortragender Rat Dresden 1850, Präsident Oberkonsistorium München 1852. Harnack, Adolf (seit 1914: von), Dr. phil. Dr. h. c. mult., Theologe, Universitätslehrer 45, 50, 61 geb. 7. 5. 1851 Dorpat, gest. 10. 6. 1930 Heidelberg [Personenlexikon, 99 f.]. Hartenstein, Karl, Dr. theol. D., Theologe, Missionsdirektor, Prälat 386, 414 geb. 25. 1. 1894 Cannstatt, geb. 1. 10. 1952 Stuttgart [Personenlexikon, 100]. Hauer, Jakob Wilhelm, Dr. phil., Missionar, Indologe und Religionswissenschaftler, Universitätslehrer, SS-Hauptsturmführer 233 geb. 4. 4. 1881 Ditzingen bei Leonberg, gest. 18. 2. 1962 Tübingen [Personenlexikon, 101]. Haug, Martin, Dr. theol. D. theol., Theologe, Lehrer, Oberkirchenrat, Landesbischof 431 geb. 14. 12. 1895 Calw, gest. 28. 3. 1983 Freudenstadt [Personenlexikon, 101]. Haupt, Erich, Dr. theol. h. c., Theologe, Lehrer, Universitätslehrer 46 f. geb. 8. 7. 1841 Stralsund, gest. 19. 2. 1910 Halle/Saale, Theologie- und Philologiestudium Berlin 1858–1863, Gymnasiallehrer Kolberg 1864, Treptow 1866, zugleich Leiter Alumnat ebd., ordentlicher Professor für Neues Testament Kiel 1878, Greifswald 1883, Halle 1888–1910.
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Hauschild, Wolf-Dieter, Dr. theol., Theologe, Hochschullehrer 318, 421 geb. 7. 8. 1941 Lübeck, gest. 17. 3. 2010 Westerkappeln, Theologiestudium Göttingen, Tübingen und Hamburg ab 1961, Promotion 1967, Ordination 1968, Habilitation (Kirchengeschichte) München 1971 und Dozent ebd. bis 1974, Oberkirchenrat Kirchenkanzlei der EKD Hannover 1974–1977, Professor für Kirchengschichte München 1977, Osnabrück 1982, Münster 1984–2006. Heckel, Theodor, Lic. theol. D. Dr. jur. h. c., Theologe, Bischof, Hilfswerkleiter, Dekan 155 geb. 15. 4. 1894 Kammerstein (Mittelfranken), gest. 24. 6. 1967 München [Personenlexikon, 102]. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich, Lic. theol. Dr. phil., Theologe und Philosoph, Universitätslehrer 60 f. geb. 27. 8. 1770 Stuttgart, gest. 14. 11. 1831 Berlin, Theologie- und Philosophiestudium ab 1788, Hauslehrer Bern 1793, Privatdozent Jena 1801, Chefredakteur Bamberg 1807, Professor für Vorbereitungswissenschaften und Rektor Egidiengymnasium Nürnberg 1808, Schulrat ebd. 1813, Professor für Philosophie Heidelberg 1816, Berlin 1818–1831. Heinemann, Gustav, Dr. rer. pol. Dr. jur., Jurist, Rechtsanwalt, CDU/SPD-Politiker, Oberbürgermeister, Bundesminister, Bundespräsident, Synodalpräses 397, 412, 438 geb. 23. 7. 1899 Schwelm (Westfalen), gest. 7. 7. 1976 Essen [Personenlexikon, 105]. Heinemann, Salomon 374 Korrespondenzpartner Meisers. Hengstenberg, Wilhelm, Dr. phil., Philologe, Universitätslehrer 297 geb. 9. 4. 1885 Stuttgart, gest. 31. 5. 1963, Privatdozent für Philologie des christlichen Orients München 1922, außerplanmäßiger Professor ebd. 1928, außerordentlicher Professor ebd. 1939, planmäßiger außerordentlicher Professor ebd. 1947, Emeritierung 1953. Henninger, Leonhard, Theologe, Pfarrer, Vereinsgeistlicher 244 geb. 16. 3. 1909 Au bei Freising, gest. 8. 9. 1985, Ordination 1932, Katechet München, Bezirksjugendpfarrer und 2. Vereinsgeistlicher Innere Mission München 1935, 1. Vereinsgeistlicher und Geschäftsführer ebd. 1945–1976, Titel Kirchenrat 1963. Hermelink, Heinrich, Dr. phil. Lic. theol. D., Theologe, Pfarrer, Universitätslehrer 375, 422 geb. 30. 12. 1877 Mulki (Moolky) bei Bangalore (Ostindien), gest. 11. 2. 1958 München [Personenlexikon, 108]. Hermle, Siegfried 12, 17, 20, 139, 397 Herold, Gerhart 18 Hesse, Helmut, Theologe, Vikar, Opfer des NS-Regimes 299 geb. 11. 5. 1916 Bremen, gest. 24. 11. 1943 KZ Dachau [Personenlexikon, 110]. Hesse, Hermann Albert, Lic. theol. D., Theologe, Pfarrer, kirchlicher Dozent, Moderator 118 geb. 22. 4. 1877 Weener (Ostfriesland), gest. 26. 7. 1957 Wuppertal-Elberfeld [Personenlexikon, 111]. Heydrich, Reinhard, Offizier, NSDAP-Politiker, Chef des SD, Chef des Reichssicherheitshauptamts, Reichsprotektor 265 geb. 7. 3. 1904 Halle, gest. 4. 6. 1942 (nach einem Attentat tschechischer Widerstands-
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kämpfer am 27. 5. 1942) Prag, Freikorpskämpfer, Seekadett in der Reichsmarine 1922, Leutnant 1926, Oberleutnant 1928, Entlassung aus der Reichsmarine auf Grund eines Ehrengerichtsverfahrens, Mitglied der NSDAP und Eintritt in die SS 1931, Leiter des SD, SS-Standartenführer Juli 1932, Leiter der neu organisierten Bayerischen Politischen Polizei 1. 4. 1933, Leiter des Geheimen Staatspolizeiamts Berlin 20. 4. 1934, Preußischer Staatsrat, MdR 1936, Chef des Hauptamts der Sicherheitspolizei und des SD 26. 6. 1936, Chef der deutschen Polizei 1936, Chef des Reichssicherheitshauptamts 1939, stellvertretender Reichsprotektor von Böhmen und Mähren 1941. Hilbert, Gerhard, D., Theologe, Pfarrer, Universitätslehrer 85 geb. 9. 11. 1868 Leipzig, gest. 16. 5. 1936 Leipzig [Personenlexikon, 112]. Hildmann, Gerhard, Theologe, Pfarrer, Akademiedirektor 400 geb. 24. 7. 1907 Herrnsheim (Unterfranken), gest. 1. 8. 1992 Tutzing [Personenlexikon, 113]. Hildmann, Walter, Theologe, Vikar 215 f. geb. 19. 12. 1910 Herrnsheim (Unterfranken), gest. (vermutlich gefallen) 28. 5. 1940 bei Abbeville (Frankreich), Theologiestudium Tübingen, Erlangen und Bonn 1931–1935, dann Vikar Augsburg und Katechet München, Ordination 1935, Privatvikar Gauting 1936, Verfahren wegen Verstoß gegen das sog. Heimtückegesetz und Anzeige wegen pazifistischer Propaganda 1937, Einstellung der Verfahren 1938, erneute Anzeige und kurzzeitige Verhaftung wegen Beteiligung an einem Flugblatt über den NiemöllerProzess 1938, Verurteilung zu vier Monaten Gefängnis wegen Kanzelmissbrauchs, Beurlaubung durch den Landeskirchenrat und Kriegsdienst 1939, Erlass der Strafe durch Amnestie 1940. Himmler, Heinrich, Landwirt, NSDAP-Politiker, Reichsführer SS, Chef der deutschen Polizei, Reichsinnenminister 277 geb. 7. 10. 1900 München, gest. (Selbstmord) 23. 5. 1945 Lüneburg, Diplom-Landwirt 1922, Teilnahme am Hitler-Putsch 1923, Mitglied der NSDAP, Eintritt in die SS und stellvertretender NS-Gauleiter Niederbayern und Oberpfalz 1925, stellvertretender Propagandaleiter und stellvertretender Gauleiter Oberbayern-Schwaben 1926, stellvertretender Reichsführer SS 1927, Reichsführer SS 1929, MdR 1930, kommissarischer Polizeipräsident von München und Politischer Polizeikommandeur in Bayern, Kommandeur der Politischen Polizeien in Württemberg, Bayern, Hamburg, Mecklenburg, Lübeck 1933, Chef der Deutschen Polizei 1935, Staatssekretär im Reichsinnenministerium 1936, Reichskommissar für die Festigung des Deutschen Volkstums 1939, Gründer und Leiter der Forschungs- und Lehrgemeinschaft „Das Ahnenerbe“ 1940, Reichsinnenminister August 1943–1945, Oberbefehlshaber des Ersatzheeres und Chef der Heeresrüstung 1944, Enthebung von allen Ämtern und Parteiausschluss durch Hitler April 1945, Flucht und britische Gefangenschaft. Hirsch, Emanuel, Lic. theol. D., Theologe, Universitätslehrer 115 geb. 14. 6. 1888 Bentwisch/Westprignitz (Brandenburg), gest. 17. 7. 1972 Göttingen [Personenlexikon, 113 f.]. Hitler, Adolf, „Führer“ der NSDAP, Reichskanzler 104, 138, 152, 155 f., 164, 167, 169, 172 f., 177, 179 f., 183 f., 187–207, 210, 212 f., 219, 222, 224 f., 227, 233, 235, 237 f., 240, 242, 251, 264–266, 268–271, 273, 290–292, 294–296, 298 f., 303, 305 f., 308, 310–313, 320, 322, 332, 340–342, 353, 382, 390, 453, 456, 460, 466 f., 488, 490 f., 499
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geb. 20. 4. 1889 Braunau/Inn, gest. (Selbstmord) 30. 4. 1945 Berlin, „Führer“ der NSDAP, Reichskanzler 1933–1945. Hçchst dter, Emil, Dr. jur., Jurist, Richter, Landgerichtspräsident 297 geb. 31. 1. 1881 Kitzingen, gest. 6. 12. 1961 Würzburg, Jurist im Staatsdienst, Amtsrichter München 1911, Präsident Landgericht Bayreuth 1946–1951. Hçchst dter, Walter, Theologe, Pfarrer 299 geb. 9. 10. 1907 Nürnberg, gest. 13. 7. 1994, Ordination 1932, Pfarrer Kulmbach 1935, Kriegsdienst im Zweiten Weltkrieg, Pfarrer Diebach 1947, Tutzing 1956, Schney 1961. Hçfling, Johann Wilhelm Friedrich, Dr. phil. D. theol. Dr. jur. h. c., Theologe, Pfarrer, Universitätslehrer, Oberkonsistorialrat 33 geb. 30. 12. 1802 Neudrossenfeld (Oberfranken), gest. 5. 4. 1853 München, Philosophieund Theologiestudium 1819–1823, Ordination und Stadtvikar Würzburg 1823, Pfarrer Nürnberg 1827, ordentlicher Professor für Praktische Theologie Erlangen 1833, Oberkonsistorialrat München 1852. Hoegner, Wilhelm, Dr. jur., Jurist, Landgerichtsrat, SPD-Politiker, Ministerpräsident 407 f., 457 geb. 23. 9. 1887 München, gest. 5. 3. 1980 München, Rechtsanwalt München und Eintritt in die SPD 1919, 3. Staatsanwalt 1920, MdL Bayern 1924–1932, Amtsrichter 1925, 2. Staatsanwalt 1929, MdR 1930–1933, Landgerichtsrat bis zur Entlassung aus dem Staatsdienst und Flucht nach Österreich 1933, Exil Schweiz 1934–1945, Senatspräsident Oberlandesgericht München 1945, Ministerpräsident und Justizminister Bayern 1945–1946, führendes Mitglied der verfassunggebenden Landesversammlung 1946, Honorarprofessor für Verwaltungsrecht München 1946, MdL Bayern 1946–1970, Justizminister und stellvertretender Ministerpräsident 1946–1947, Senatspräsident Oberlandesgericht München 1947, Staatsrat und Generalstaatsanwalt Bayerisches Oberstes Landesgericht 1948, Innenminister und stellvertretender Ministerpräsident Bayern 1950–1954, Ministerpräsident ebd. 1954–1957, Vorsitzender SPD-Fraktion Landtag Bayern 1958–1962, MdB 1961–1962, Vizepräsident Landtag Bayern 1962–1970. Hoffmann, Johannes, Lehrer, SPD-Politiker, Stadtrat, Kultusminister, Ministerpräsident 101 geb. 3. 7. 1867 Ilbesheim, gest. 15. 12. 1930 Berlin, Ausbildung an der Lehrerbildungsanstalt Kaiserslautern 1885, Schulverweser und Lehrer im pfälzischen Schuldienst 1888–1903, Stadtrat (Deutsche Volkspartei) Kaiserslautern 1899–1904, Studium an der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften Frankfurt/Main 1903–1904, Lehrer Fortbildungsschule Kaiserslautern 1904–1908, Mitglied SPD 1907, MdL Bayern 1908, Austritt aus dem Staatsdienst, erneut Stadtrat und Stellvertreter des Bürgermeisters Kaiserslautern 1910–1918, MdR 1912–1918 und 1919–1930, bayerischer Kultusminister 1918, Außenminister und Ministerpräsident 1919, Rücktritt als Ministerpräsident, Rückkehr nach Kaiserslautern und Wiedereintritt in den Schuldienst 1920, Entlassung aus politischen Gründen und Ruhestand Wachenheim 1923. Hofmann, Friedrich, Theologe, Vereinsgeistlicher, Rektor, Militärgeneraldekan 121, 197, 256 f., 261, 277 f. geb. 14. 5. 1904 Untersiemau, gest. 16. 6. 1965 Bonn, Theologiestudium, Kandidat am Predigerseminar Nürnberg, Ordination und Stadtvikar Würzburg 1928, Vereinsgeistlicher Innere Mission München 1931–1945, Pfarrer München 1946, zugleich Rektor des
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Mutterhauses für kirchliche Diakonie, Titel Kirchenrat 1952, Senior 1956, Militärgeneraldekan Bonn 1957–1965. Hofmann, Johann Christian Konrad von, Dr. phil. Lic. theol. D. theol. h. c., Theologe, Universitätslehrer 44 geb. 21. 12. 1810 Nürnberg, gest. 20. 12. 1877 Erlangen, Theologie- und Geschichtsstudium ab 1827, Hofmeister Berlin 1829–1832, Gymnasiallehrer Erlangen 1833, zugleich Repetent am Theologischen Ephorat und Privatdozent für Geschichte ebd. 1835, Privatdozent für Theologie ebd. 1838, außerordentlicher Professor Rostock 1841, ordentlicher Professor der Theologie ebd. 1842, ordentlicher Professor für Theologische Enzyklopädie, Einleitende Wissenschaften, Christliche Sittenlehre und Neutestamentliche Exegese Erlangen 1845, Beschränkung auf Einleitende Wissenschaften und Neutestamentliche Exegese 1875. Holl, Karl, Dr. phil. Lic. theol. D. theol. Dr. jur. h. c., Theologe, Universitätslehrer 115 geb. 15. 5. 1866 Tübingen, gest. 23. 5. 1926 Berlin [Personenlexikon, 114]. Holstein, Horst, Jurist, Rechtsanwalt 278, 280 geb. 27. 12. 1894, gest. 22. 11. 1945 [Personenlexikon, 115]. Holz, Karl, Kaufmann, NSDAP-Politiker, stellvertretender Gauleiter 137, 180, 183, 187, 193, 224, 255, 302 geb. 27. 12. 1895 Nürnberg, gest. (gefallen) 20. 4. 1945 Nürnberg, Kaufmannslehre, Kriegsdienst 1915–1918, dann Beamter Nürnberg, Mitglied der NSDAP 1922, SASturmführer 1923, Stadtrat Nürnberg 1924, Entlassung aus dem Dienst als Staatsbeamter 1925, Redakteur beim antisemitischen Hetzblatt „Der Stürmer“ 1927, MdR 1933, stellvertretender Gauleiter Franken Januar 1934, Kreisleiter der NSDAP Nürnberg Juli 1934, SA-Brigadeführer November 1934, vorübergehend aller Ämter enthoben 1940, Beauftragung mit der Führung des Gaus Franken März 1942, Reichsverteidigungskommissar ebd. November 1942, Gauleiter ebd. 1944. Holzhaider, Hans 466 Hopf, Friedrich Wilhelm, D.D., Theologe, Pfarrer, Missionsdirektor 193, 289 geb. 31. 5. 1910 Melsungen, gest. 19. 7. 1982 Hermannsburg [Personenlexikon, 115 f.]. Hossenfelder, Joachim, Theologe, Pfarrer, Bischof, Taubstummenseelsorger 170 geb. 29. 4. 1899 Cottbus (Brandenburg), gest. 28. 6. 1976 Lübeck [Personenlexikon, 117]. Huber, Wolfgang 281 f. Huebner, Clarence Ralph, US-Offizier, Oberbefehlshaber, Militärgouverneur 384 geb. 24. 11. 1888 Bushton (Kansas), gest. 23. 9. 1972 Washington D.C., Militärlaufbahn US-Army seit 1910, Einsatz im Ersten Weltkrieg und bei der Rheinlandbesetzung, danach Rückkehr in die USA und Fortsetzung der Offizierskarriere, Einsatz im Zweiten Weltkrieg, Stabschef des Hauptquartiers der United States Forces European Theater (umbenannt in European Command 1947) Frankfurt am Main 1946, zugleich Deputy Commander ebd., Befehlshaber der United States Army Europe und Beförderung zum Lieutenant General 1947, Oberbefehlshaber European Command und Militärgouverneur amerikanische Besatzungszone 1949.
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H bner, Friedrich, Lic. theol., Theologe, Missionspfarrer, Oberkirchenrat, Propst, Bischof 446 geb. 25. 6. 1911 Bangalore (Indien), gest. 6. 6. 1991 Molfsee bei Kiel, Pfarrer Breklumer Mission 1936, Pfarrer Korupat (Indien) 1937, Mitglied der Bekennenden Kirche, Internierung während des Zweiten Weltkriegs, kommissarischer Pfarrer Albersdorf 1947, Wyk auf Föhr 1948, Oberkirchenrat und theologischer Referent für Missions- und Auslandsfragen VELKD 1950, Propst Hamburg 1962, Bischof Holstein 1964–1981. H bner, Hans-Peter 481 Hundhammer, Alois, Dr. phil. Dr. rer. oec. publ., BVP/CSU-Politiker, Staatsminister, Landtagspräsident, stellvertretender Ministerpräsident 408 f., 411 geb. 25. 2. 1900 Moos bei Forstinning, gest. 1. 8. 1974 München, Fronteinsatz im Ersten Weltkrieg 1918, Freikorpskämpfer 1919, Philosophie-, Geschichts-, Volkswirtschaftsund Staatswissenschaftsstudium 1919–1923, Referent Kreisbauernkammer Oberbayern 1923–1927, stellvertretender Generalsekretär der Bayerischen Christlichen Bauernvereine 1927–1933, MdL Bayern (BVP) 1932/33, Verhaftungen, Verhöre und vorübergehende Internierung KZ Dachau 1933, Inhaber eines Schuhgeschäfts München 1933–1939, Kriegsdienst 1939, Kriegsgefangenschaft, Entlassung und Rückkehr nach München 1945, im selben Jahr Mitbegründer der CSU, Vorsitzender des CSU-Bezirksverbands Oberbayern (unterbrochen 1948) und MdL Bayern 1946–1970, Vorsitzender der CSU-Landtagsfraktion 1946–1951, bayerischer Staatsminister für Unterricht und Kultus 1946–1950, Präsident des bayerischen Landtags 1951–1954, bayerischer Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 1957–1969, stellvertretender bayerischer Ministerpräsident 1962–1969. Jacobi, Gerhard, D. D.D., Theologe, Gefängnispfarrer, Generalsuperintendent, Bischof 285, 341 geb. 25. 11. 1891 Bremen, gest. 12. 7. 1971 Oldenburg [Personenlexikon, 122]. J ger, August, Dr. jur., Jurist, Ministerialdirektor, „Rechtswalter“ der DEK, Senatspräsident, Regierungspräsident 175, 177, 179 f., 184, 188, 226, 313 f., 317, 319 geb. 21. 8. 1887 Dietz/Lahn, gest. (hingerichtet) 17. 6. 1949 Posen, Landgerichtsrat Wiesbaden 1921, Leiter der Kirchenabteilung im preußischen Kultusministerium Juni 1933, Ministerialdirektor 1. 7. 1933, Staatskommissar für den Bereich sämtlicher evangelischer Landeskirchen Preußens 24.6. bis 14. 7. 1933, rechtskundiges Mitglied des Geistlichen Ministeriums in der Reichskirchenregierung mit dem Titel „Rechtswalter“ 12.4. bis 26. 10. 1934, Senatspräsident Kammergericht Berlin 1936, stellvertretender Chef der Zivilverwaltung Warthegau 1939, später Regierungspräsident als allgemeiner Vertreter des Reichsstatthalters ebd., vom polnischen Staatsgerichtshof zum Tod verurteilt 1948. – Mitglied der NSDAP und Amtswalter für evangelische Angelegenheiten in der Reichsleitung der NSDAP 1933. – Teilnehmer der Deutschen Evangelischen Nationalsynode Wittenberg 1933, Berlin 1934. Jan, Julius von, Theologe, Pfarrer 252 geb. 17. 4. 1897 Schweindorf bei Neresheim, gest. 21. 9. 1964 Korntal bei Stuttgart [Personenlexikon, 123]. Jasper, Gotthard 139, 471–473, 482 Jørgensen, Alfred Theodor, Dr. theol., Theologe, Generalsekretär 350, 443 geb. 9. 6. 1874 Vejle/Dänemark, gest. 12. 9. 1954 Kopenhagen, Theologiestudium Halle/
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Saale, Sekretär der „kirchlichen Sozialpflege“ Kopenhagen 1902, Privatdozent 1907, Generalsekretär des LWK und Schriftführer von dessen Exekutivkomitee 1929, erster Schatzmeister ebd. 1935, Leiter des dänischen Nationalkomitees des LWB bis 1952. Jordan, Hans-Werner, Theologe, Pfarrer 261–263 geb. 5. 6. 1908 München, gest. 5. 9. 1978 Bamberg, Stadtvikar Augsburg 1934, Pfarrer Steinheim 1938, Abordnung zur Inneren Mission (Hilfsstelle zur Betreuung rassisch verfolgter Christen) Nürnberg 1939, Pfarrer Bamberg 1949, Ruhestand 1970. K hler, Martin, Dr., Theologe, Universitätslehrer 46 f. geb. 6. 1. 1835 Neuhausen bei Königsberg, gest. 7. 9. 1912 Freudenstadt (Schwarzwald), zunächst Jura-, dann Theologiestudium Königsberg, Heidelberg, Halle/Saale und Tübingen, Promotion, Habilitation und Privatdozent Halle 1860, außerordentlicher Professor Bonn 1864, Halle/Saale 1867, ordentlicher Professor für Systematische Theologie und Neues Testament ebd. 1879–1912. Kant, Immanuel, Philosoph, Universitätslehrer 60 geb. 22. 4. 1724 Königsberg, gest. 12. 2. 1804 Königsberg, Philosophie-, Naturwissenschafts-, Physik- und Mathematikstudium Königsberg ab 1740, Unterbrechung des Studiums und Hauslehrer 1746, Wiederaufnahme des Studiums 1754, Promotion, Habilitation und Privatdozent u. a. für Logik und Metaphysik 1755, Unterbibliothekar königliche Schlossbibliothek Königsberg 1766–1772, Professor für Logik und Metaphysik ebd. 1770–1796. Kantzenbach, Friedrich Wilhelm, Dr. theol., Theologe, Hochschullehrer 16, 464 geb. 30. 8. 1932 Stettin, gest. 16. 5. 2013 Roth, Theologiestudium, Promotion Marburg 1955, Habilitation und Universitätsdozent Erlangen 1956, Professor für Kirchen- und Dogmengeschichte Augustana-Hochschule Neuendettelsau 1958, Ökumenisches Institut Straßburg 1965, Rückkehr nach Neuendettelsau 1968, Professor für Kirchengeschichte Universität des Saarlandes 1982–1995. Kappus, Theodor, Theologe, Pfarrer, Dekan 314 geb. 15. 3. 1877 Pflummern, gest. 21. 3. 1939 Ulm, Ordination und Vikar Blaufelden 1900, Ellwangen 1902, Ulm 1907, Pfarrer Upfingen 1908, Kriegsdienst 1915–1918, Pfarrer Zuffenhausen 1919, Dekan Böblingen 1926, Dekan Ulm 1934. Karg, Theodor, Dr. jur., Jurist, Regierungsrat, Oberkirchenrat 283 geb. 19. 12. 1901 Feuchtwangen, gest. 28. 4. 1980, Jurist, Regierungsrat 1931, Oberkirchenamtmann 1935, Oberkirchenrat Landeskirchenrat München 1940, Vorstand der weltlichen Abteilung 1962, Ruhestand 1970. Katterfeld, Hagen, Theologe, Hilfsreferent, Pfarrer, Missionsinspektor 437 geb. 26. 11. 1916 Dorpat, gest. 23. 3. 1964 Tübingen, Militärdienst Lettland und Umsiedlung 1939, Kriegsdienst 1941, Stadtvikar Nürnberg 1946, theologischer Hilfsreferent Lutherrat München mit dem Titel Pfarrer 1947, Leiter des Sekretariats des Leitenden Bischofs der VELKD und Geschäftsführer des Deutschen Nationalkomitees des LWB München 1949, Pfarrer München 1955, Missionsinspektor Missionsanstalt Neuendettelsau 1962. Kautzsch, Emil, Dr. phil. D. theol., Theologe, Orientalist, Universitätslehrer 47 geb. 4. 9. 1841 Plauen, gest. 7. 5. 1910 Halle/Saale, Theologie- und Orientalistikstudium Leipzig 1859–1863, Gymnasiallehrer Leipzig 1863–1872, Habilitation für Altes Testament Leipzig 1869 und außerordentlicher Professor ebd. 1871, Professor Basel 1872, Tübingen 1880, Halle/Saale 1888, Emeritierung 1908.
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Personenregister / Biographische Angaben
Keegan, Charles E., Journalist, US-Politiker, Besatzungsoffizier 403 geb. 1893, gest. 1966, Journalist New York, Mitglied der Stadtverwaltung ebd. 1935, Stadtrat ebd. 1937, Eintritt in die US Army 1940, Chief Office of Military Government for Bavaria Mai bis September 1945. Kellenbach, Katharina von 397 Kern, Georg, Theologe, Pfarrer, Dekan, Oberkirchenrat 168, 187, 194 f., 348, 359 geb. 14. 1. 1885 Rehweiler, gest. 18. 6. 1947 Neuendettelsau, Theologiestudium Erlangen und Leipzig 1904–1908, Ordination und Stadtvikar München 1910, Pfarrer Fünfbronn 1912, Vereinsgeistlicher des Landesvereins für Innere Mission Nürnberg 1919, Pfarrer Nürnberg-Steinbühl 1922, Pfarrer und Dekan Kempten/Allgäu 1928, Oberkirchenrat und Kreisdekan Ansbach 1934. Kern, Helmut, Theologe, Pfarrer, Volksmissionar, Dekan 104, 165, 167, 173, 197 f., 218, 240 geb. 25. 11. 1892 Nördlingen, gest. 16. 12. 1941 (Kriegsverwundung) Bukarest [Personenlexikon, 131 f.]. Kerrl, Hanns, Beamter, NSDAP-Politiker, Reichskirchenminister 205, 225–232, 238, 324, 332, 338, 340, 343 f. geb. 11. 12. 1887 Fallersleben, gest. 14. 12. 1941 Paris, Beamtenlaufbahn im mittleren juristischen Dienst, Kriegsteilnehmer 1914–1918, Eintritt in die NSDAP 1923, MdL Preußen 1928–1933, Präsident des preußischen Landtags 1932, preußischer Staatsrat September 1933, Mitglied bzw. Vizepräsident des Reichstags November/Dezember 1933, Reichskommissar für die preußische Justizverwaltung März 1933, preußischer Justizminister (bis zur Zusammenlegung der Reichs- und preußischen Ministerien) April 1933 bis Juni 1934, danach Reichsminister ohne Geschäftsbereich, Leiter der Reichsstelle für Raumordnung März 1935, des Zweckverbands Reichsparteitag Nürnberg April 1935, Reichs- und Preußischer Minister für die kirchlichen Angelegenheiten seit 16. 7. 1935. Kierkegaard, Søren, Theologe und Philosoph, Schriftsteller 116 geb. 5. 5. 1813 Kopenhagen, gest. 11. 11. 1855 Kopenhagen, Theologie- und Philosophiestudium Kopenhagen ab 1830, Theologisches Examen 1940, Magister 1941, dann religiös-philosophischer Schriftsteller. Killinger, Anna (geb. Jungmann) 72 Mutter von Hans Meisers Ehefrau Elisabeth. Killinger, Friedrich, Unternehmer 72 gest. 1899, Vater von Hans Meisers Ehefrau Elisabeth, Inhaber eines Postkartenverlags. Kittel, Gerhard, Lic. theol. D., Theologe, Universitätslehrer 123, 302 f., 491 geb. 23. 9. 1888 Breslau, gest. 11. 7. 1948 Tübingen [Personenlexikon, 134]. Kitzmann, Armin Rudi 18, 139 f., 276, 279, 303, 476, 479–481 Klein, Friedrich, Theologe, Pfarrer, Superintendent 159, 165 f., 252, 307 f. geb. 3. 11. 1894 Heidenheim (Mittelfranken), gest. 24. 2. 1946 Bad Freienwalde/Oder [Personenlexikon, 135]. Kleinknecht, Hermann, Theologe, Pfarrer, Volksmissionsinspektor 219, 226 geb. 26. 6. 1909 Oberallershausen, gest. 3. 5. 1985, Ordination 1933, Exponierter Vikar München, Pfarrer Bischofsgrün 1938, Inspektor für Volksmission Missionsanstalt Neuendettelsau 1947, Pfarrer Ansbach 1951, München 1957, Ruhestand 1976.
Personenregister / Biographische Angaben
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Klingler, Friedrich, Theologe, Pfarrer, Pfarrervereinsvorsitzender 159, 164, 197 geb. 23. 12. 1882 Schaffhausen, gest. 6. 3. 1951 Nürnberg [Personenlexikon, 136]. Kloppenburg, Heinz, Dr. theol. h. c., Theologe, Pfarrer, Oberkirchenrat 330, 414 geb. 10. 5. 1903 Elsfleth/Westermarsch, geb. 18. 2. 1986 Bremen [Personenlexikon, 137]. Knappen, Marshall Mason, B.A. M.Th. M.A. Ph.D., Theologe, Universitätslehrer, USBesatzungsoffizier 378 geb. 6. 1. 1901 Sioux Falls (South Dakota), Studium am Princeton Theological Seminary, Pastor Redfield/South Dakota 1928, Assistant Professor für Geschichte Universität Chicago 1929, Professor für Geschichte und Politikwissenschaften Michigan State College 1939, eingezogen zur US-Army 1942, Ausbildung zum Besatzungsoffizier, Leiter der Religious Affairs Abteilung German Country Unit 1944, Leiter der Religious Affairs Section der Education and Religious Affairs Branch der amerikanischen Militärregierung für Deutschland 1945–1946, Professor für Politikwissenschaft University of Michigan 1948–1964. Knobloch, Charlotte 478 Knoeringen, Waldemar Freiherr von, SPD-Politiker, Bundestagsabgeordneter 408 geb. 6. 10. 1906 Rechetsberg (Oberbayern), gest. 2. 7. 1971 Höhenried bei Bernried, Handelsschule 1918/19, Lehre bei einer Krankenversicherung 1919–1922, anschließend Tätigkeiten im Krankenversicherungs- und Volksbüchereiwesen, Eintritt in die SPD und leitender Funktionär bei der sozialistischen Arbeiterjugend München 1926, Verwaltungsassistent Rosenheim 1927, SPD-Referent bis zur Flucht nach Österreich 1933, in die Tschechoslowakei 1934, nach Frankreich 1938, nach England 1939, dort Leiter des Senders „Europäische Revolution“, Leiter von Kriegsgefangenensendungen der BBC und Lehrer an der Kriegsgefangenenschule Wilton Park, Rückkehr nach Deutschland 1946, MdL Bayern 1946–1970, (stellvertretender) Vorsitzender der SPDFraktion 1946–1963, Vorsitzender der bayerischen SPD und Mitglied des SPD-Parteivorstands 1947–1963, MdB 1949–1951. Knubel, Frederick Hermann, D.D. LL.D S.T.D., Theologe, Pfarrer, Kirchenpräsident 257, 260, 352, 354 geb. 22. 5. 1870 New York, gest. 16. 10. 1945 New York, Pfarrer New York 1896–1918, erster Präsident der United Lutheran Church in America 1918–1945. Koch, Erich, Kaufmann, NSDAP-Politiker, Gauleiter, Reichskommissar 320 geb. 19. 6. 1896 Wuppertal-Elberfeld, gest. 12. 11. 1986 Gefängnis Barczewo (Polen), kaufmännische Ausbildung, Eisenbahnbeamter, Kriegsdienst 1915–1918, Freikorpskämpfer Oberschlesien und Ruhrgebiet 1919–1923, Mitglied NSDAP und Gaugeschäftsführer Ruhr 1922, Entlassung aus dem Eisenbahndienst aus politischen Gründen und stellvertretender Gauleiter NSDAP-Gau Ruhr 1926, Gauleiter Ostpreußen 1928, NSDAP-Fraktionsführer ostpreußischer Provinziallandtag 1929, MdR 1930, Oberpräsident Provinz Ostpreußen 1933, Reichskommissar für die Ukraine 1942, nach Rückeroberung der Ukraine durch die Sowjets Rückkehr nach Ostpreußen 1943, gemeinsam mit Heinrich Himmler Aufruf zur Bildung des Deutschen Volkssturms 1944, Flucht nach Dänemark 1945, Verhaftung 1949, Überstellung an Polen 1950, Verurteilung zum Tod (aus Gesundheitsgründen später abgemildert auf lebenslange Haftstrafe) 1959.
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Koch, Karl, D., Theologe, Pfarrer, Superintendent, Synodalpräses, Präses 171, 207, 248, 313, 317 f., 322, 325 geb. 6. 10. 1876 Witten, gest. 28. 10. 1951 Bielefeld [Personenlexikon, 140]. Kçberle, Justus, Lic. theol. D. theol. h. c., Theologe, Universitätslehrer 44 geb. 27. 6. 1871 Memmingen, gest. 7. 2. 1908 Rostock, Theologiestudium 1889–1893, Predigerseminar München 1893, Studien orientalische Sprachen Erlangen 1895, Hilfsgeistlicher München 1896, Repetent für Alttestamentliche Theologie Erlangen 1898, zugleich Privatdozent für alttestamentliche Exegese ebd. 1899, ordentlicher Professor für alttestamentliche Exegese Rostock 1904–1908. Kolde, Theodor, Dr. phil. Lic. theol. D. theol. h. c., Theologe und Philologe, Lehrer, Universitätslehrer 45 geb. 6. 8. 1850 Friedland (Oberschlesien), gest. 21. 10. 1913 Erlangen, Philologie- und Theologiestudium 1869–1876, Hauslehrer Salesche (Oberschlesien) 1870, Brechelsdorf 1872, Privatdozent für Kirchengeschichte Marburg 1876, außerordentlicher Professor ebd. 1879, ordentlicher Professor für Kirchengeschichte und Theologische Enzyklopädie Erlangen 1881, für sämtliche Gebiete der Historischen Theologie ebd. 1882. Krause, Reinhold, Dr. phil., Philologe, Lehrer 170 geb. 22. 10. 1893 Berlin, gest. 24. 4. 1980 Konstanz [Personenlexikon, 144]. Kremmel, Paul 16 Kreyssig, Lothar, Dr. jur., Jurist, Richter, Landgerichtsdirektor, Konsistorialpräsident 430 f. geb. 30. 10. 1898 Flöha (Sachsen), gest. 5. 7. 1986 Bergisch-Gladbach [Personenlexikon, 145]. K hlewein, Julius, D., Theologe, Pfarrer, Prälat, Landesbischof 343 geb. 18. 1. 1873 Neunstetten (Baden), gest. 2. 8. 1948 Karlsruhe [Personenlexikon, 147 f.]. K nneth, Walter, Dr. phil. Lic. theol. D. D.D., Theologe, kirchlicher Dozent, Pfarrer, Universitätslehrer 380, 390, 438 geb. 1. 1. 1901 Etzelwang (Oberpfalz), gest. 26. 10. 1997 Erlangen [Personenlexikon, 148]. Lammers, Hans Heinrich, Dr. jur., Jurist, NSDAP-Politiker, Chef der Reichskanzlei, Reichsminister 270 geb. 27. 5. 1879 Lublinitz/Oberschlesien, gest. 4. 1. 1962 Düsseldorf, Jurastudium, Gerichtsassessor Breslau 1907, Landrichter Beuthen 1912, Kriegsfreiwilliger 1914, Abstellung zum Verwaltungsdienst nach Verwundung 1917, Oberregierungsrat Reichsministerium des Innern 1921, Ministerialrat ebd. 1922, Disziplinarverfahren aus politischen Gründen 1931, Wechsel von der DNVP zur NSDAP 1932, Staatssekretär, Chef der Reichskanzlei und SS-Oberführer 1933, SS-Brigadeführer 1935, Titel Reichsminister 1937, SS-Gruppenführer 1938, geschäftsführendes Mitglied Ministerrat für Reichsverteidigung 1939, SS-Obergruppenführer 1940, kurz vor Kriegsende Verhaftung durch die SS wegen Unterstützung Görings, Gefangennahme durch USTruppen, im Wilhelmstraßenprozess Verurteilung zu 20 Jahren Haft 1949, Begrenzung der Haftstrafe auf zehn Jahre Januar 1951, Begnadigung und Entlassung Dezember 1951.
Personenregister / Biographische Angaben
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Landeen, William Martin, B.A. Dr. jur. Ph.D., Historiker, Universitätslehrer, US-Besatzungsoffizier 377 f., 389, 402, 415 geb. 7. 5. 1891 Sundsvall/Schweden, gest. 27. 12. 1982 Riverside (California), Einwanderung in die USA 1915, Professor für Geschichte Walla Walla College 1931, Rektor ebd. 1933–1938, Professor State College Washington 1939–1957, dazwischen Armeedienst 1943–1946, Captain Education and Religious Affairs Branch der amerikanischen Militärregierung für Bayern 1945, University Officer Erlangen 1946, Professor La Sierra College Riverside 1958, Rektor ebd. 1960–1962, 1964–1965. Langenfass, Friedrich, D., Theologe, Pfarrer, Dekan 155, 165, 197, 211, 223, 259, 286, 360, 399 geb. 8. 7. 1880 Hohenaltheim bei Nördlingen, gest. 5. 2. 1965 München [Personenlexikon, 152]. Lauer, Arno 210 geb. 1896, gest. 1986, Mitglied der Münchner Gemeinde St. Matthäus, Beamter, Mitglied der SA 1933 und der NSDAP 1937. Lauerbach, Ernst, Theologe, Pfarrer 27 geb. 16. 6. 1866 Nürnberg, gest. 21. 6. 1941 München, Theologiestudium Erlangen 1884–1888, Pfarrer Dillingen 1890, Sulzbürg 1893, Nürnberg 1903, Erbendorf 1920, Schalkhausen 1926, Ruhestand 1931. Lauerer, Hans, Lic. theol. D., Theologe, Pfarrer, Rektor, kirchlicher Dozent 95, 124, 197, 291, 293 geb. 25. 4. 1884 Regensburg, gest. 20. 1. 1953 Neuendettelsau [Personenlexikon, 153]. Le Seur, Paul, D. theol., Theologe, Missionsinspektor, Pfarrer, Evangelist, Schriftsteller 127 geb. 18. 7. 1877 Berlin, gest. 13. 3. 1963 Potsdam, Ordination 1904, Missionsinspektor Berliner Stadtmission 1905–1925, als Nachfolger Adolf Stoeckers zugleich Pfarrer Stadtmissionskirche Berlin 1909–1925, dazwischen Garnisonpfarrer Brüssel 1914–1918, Leiter Jugendhochschule auf dem Hainstein bei Eisenach 1925–1933, danach freier Evangelist und Schriftsteller. Leimbach, Friedrich, Theologe, Pfarrer, Oberpfarrer 111 geb. 6. 6. 1873 Bonames bei Frankfurt am Main, gest. 24. 2. 1961 Oettingen (Bayern), Theologiestudium ab 1892, Ordination 1898, Vikar Frankfurt am Main 1899, Hilfsgeistlicher ebd. 1900, dann Oettingen (Bayern), Hilfsgeistlicher Nürnberg 1904, Pfarrer Oettingen 1906, Zwangsruhestandsversetzung nach Lehrzuchtverfahren durch die bayerische Kirchenleitung, Wechsel nach Thüringen und Pfarrer Sonneberg 1922, Oberpfarrer ebd. 1924, Wartestandsversetzung 1933, Ruhestand 1937. Lembert, Hermann, Theologe, Pfarrer, Dekan 92, 94, 101 geb. 26. 11. 1862 Augsburg, gest. 14. 6. 1933 München, Pfarrer Thüngen 1890, München 1896, Dekan ebd. 1915, Titel Kirchenrat, Ruhestand 1930. Lempp, Albert, Buchhändler, Verleger 297 f., 491 geb. 13. 2. 1884 Heutingsheim bei Stuttgart, gest. 9. 6. 1943 München [Personenlexikon, 155 f.]. Lessing, Gotthold Ephraim, Dichter 37 geb. 22. 1. 1729 Kamenz, gest. 15. 2. 1781 Braunschweig, Dichter.
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Personenregister / Biographische Angaben
Leutheuser, Julius, Theologe, Pfarrer, Mitbegründer der Thüringer Deutschen Christen 121 geb. 9. 12. 1900 Bayreuth, gest. 24. 11. 1942 (gefallen) bei Stalingrad [Personenlexikon, 156]. Lewek, Ernst, Theologe, Pfarrer 258 geb. 18. 12. 1893 Leipzig, gest. 8. 11. 1953 Leipzig, Vikar Radeberg 1918, Pfarrer Plauen 1920, Leipzig 1926, Entlassung 1938, Wartestand 1939, Pfarrer Leipzig 1952. Liermann, Hans, Dr. jur. D., Theologe, Philologe, Universitätslehrer 308 geb. 23. 4. 1893 Frankfurt/Main, gest. 22. 2. 1976 Erlangen [Personenlexikon, 157]. Lilje, Hanns, Dr. theol. D. D.D.mult., Theologe, Studentenpfarrer, Generalsekretär, Oberlandeskirchenrat, Landesbischof 352 f., 355 f., 371, 416, 441–444, 455 geb. 20. 8. 1899 Hannover, gest. 6. 1. 1977 Hannover [Personenlexikon, 157 f.]. Link, Waldemar, Theologe, Pfarrer 379 geb. 7. 2. 1893 Pärnu (Estland), gest. 13. 7. 1964, Aufnahme als Predigtamtskandidat der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern 1935, Stadtvikar Fürth 1936, Pfarrer Altheim 1941, Entlassung aus dem Dienst der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern 1948. Lipffert, Ernst, Theologe, Reiseprediger, Pfarrer 255 geb. 16. 5. 1883 Posseck (Sachsen), gest. 15. 3. 1948 Himmelkron, Pfarrer Ringethal (Sachsen) 1910, Reiseprediger 1913, Pfarrer Partenkirchen 1919, zeitweiser Ruhestand 1935, Pfarrer Himmelkron 1936. Lipffert, Klementine 255 geb. 14. 4. 1889 Heidelberg, gest. 1966, Ehefrau von Ernst Lipffert. Lipps, Theodor, Dr. phil., Theologe, Philosoph, Universitätslehrer 43 geb. 28. 7. 1851 Wallhaben, gest. 17. 10. 1914 München, Theologiestudium Erlangen, Tübingen und Utrecht 1867–1871, Philosophie- und Naturwissenschaftsstudium Utrecht 1872, danach Haus- und Gymnasiallehrer, Habilitation für Philosophie Bonn 1877, außerordentlicher Professor ebd. 1884, Extraordinarius ebd. 1889, Professor Breslau 1890, Professor für Systematische Philosophie Universität München und Gründer des Psychologischen Instituts ebd. 1894, Entbindung von den Lehrverpflichtungen aus Gesundheitsgründen 1909, Emeritierung 1912. List, Wilhelm, Offizier, Generalfeldmarschall, Oberbefehlshaber 384 f. geb. 14. 5. 1880 Oberkirchberg bei Ulm, gest. 16. 8. 1971 Garmisch-Partenkirchen, nach dem Abitur 1898 Offizierslaufbahn, General der Infanterie 1935, Oberbefehlshaber Gruppenkommando 2 1938, Generaloberst und Oberbefehlshaber der 14. Armee 1939, dann Oberbefehlshaber der 12. Armee, Generalfeldmarschall 1940, Wehrmachtbefehlshaber Südost 1941, Oberbefehlshaber der Heeresgruppe A, Amtsenthebung ohne Wiederverwendung 1942, Internierung 1945, Verurteilung zu lebenslanger Haft 1948, aus Gesundheitsgründen vorzeitige Entlassung aus der Haft 1952. Lçhe, Wilhelm, Theologe, Pfarrer, Rektor 32, 73, 432 geb. 21. 2. 1808 Fürth, gest. 2. 1. 1872 Neuendettelsau, Theologiestudium Erlangen und Berlin 1826–1830, Ordination und Vikar Fürth 1831, danach wechselnde Stellen als Vikar und Pfarrverweser, Pfarrer Neuendettelsau 1937, Ausbilder von Missionaren seit 1841, Gründer und Rektor Diakonissenanstalt Neuendettelsau 1854–1872.
Personenregister / Biographische Angaben
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Loewenich, Hermann von, D., Theologe, Pfarrer, Landesbischof 466 geb. 26. 10. 1931 Nürnberg, gest. 18. 12. 2008 Nürnberg, Theologiestudium Erlangen, Tübingen und Heidelberg, Vikar Windsbach, Ordination 1958, dann Studieninspektor Predigerseminar Nürnberg, Pfarrer und Studentenpfarrer Nürnberg 1962, Dekan Kulmbach 1969, Nürnberg 1976, Kreisdekan und Oberkirchenrat Kirchenkreis Nürnberg 1985, Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern 1994–1999. Long, Ralph Herman, D.D., Theologe, Pfarrer, Executive Director 354 geb. 3. 12. 1882 Londonville/Ohio, gest. 19. 2. 1948 [New York], Ordination und Pfarrer Newton Falls Warren/Ohio 1909, Coraopolis/Pennsylvania 1913, Pittsburgh 1921, Steward Evangelical Lutheran Joint Synod of Ohio 1927, Executive Director of the National Lutheran Council New York seit 1930, 2. Schatzmeister im Exekutivkomitee des LWK 1935. Loritz, Alfred, Jurist, Politiker (Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung), Sonderminister 381, 394 geb. 24. 4. 1902 München, gest. 14. 4. 1979 Wien, Rechtsanwalt, Ausschluss aus der Deutschen Anwaltskammer und Emigration in die Schweiz 1939, Rechtsanwalt München, Mitbegründer und Vorsitzender der Wirtschaftlichen Aufbau-Vereinigung 1945, MdL Bayern 1946–1950, bayerischer Staatsminister für Sonderaufgaben 1946–1947, danach mehrere Anklagen, Verhaftungen, Verurteilung und Flucht nach Österreich, politisches Asyl ebd. 1962. Lotholz, Hans Karl, Theologe, Pfarrer 31 geb. 4. 11. 1841 Bayreuth, gest. 14. 12. 1902 Bayreuth, Pfarrer Zeitlofs 1869, Weissenburg 1874, Nürnberg 1882. Loy, Friedrich, Lic. theol., Theologe, Pfarrer 211, 456 geb. 6. 1. 1886 Nürnberg, gest. 22. 10. 1959, Ordination 1910, Pfarrer Rügland 1915, Bayreuth 1925, St. Markus München 1930, St. Matthäus München 1935, Titel Kirchenrat 1940, Ruhestand 1956. Ludendorff, Erich, Offizier, Generalstabschef, Gründer und Leiter eines deutschgläubigen Religionsvereins 94 geb. 9. 4. 1865 Kruszewnia bei Schwersenz/Posen, gest. 20. 12. 1937 Tutzing, Leutnant 1882, Ausbildung auf der Kriegsakademie 1890–1893, Hauptmann und Versetzung in den Großen Generalstab 1895, Oberstleutnant und Chef der Abteilung Aufmarsch und Operationen 1908, Oberst und Kommandeur des Niederrheinischen Füsilier-Regiments Nr. 39 1913, Generalmajor und Kommandeur der 85. Infanterie-Brigade 1914, Chef des Generalstabs der 8. Armee 22. 8. 1914, dann Chef des Generalstabs beim Oberkommando Ost, General und Erster Generalquartiermeister in der Obersten Heeresleitung 29. 8. 1916, Entlassung aus dem Dienst 26. 10. 1918, Unterstützer des Kapp-Putsches 1920, Teilnehmer am Hitler-Putsch November 1923, Freispruch im Hochverratsprozess 1924, Mitglied der Reichsführerschaft der NS-Freiheitsbewegung 1924/25, MdR für die Nationalsozialistische Freiheitspartei 1924–1928, Kandidat der NSDAP für die Reichspräsidentenwahl 1925, Bruch mit der NSDAP 1928, Führer des Tannenberg-Bunds 1925 bis zum Verbot 1933, Gründer und Leiter des deutschgläubigen Religionsvereins „Deutschvolk“ 1930 bis zum Verbot 1933, Wiederzulassung des „Deutschvolks“ als „Bund für Deutsche Gotteserkenntnis (Haus Ludendorff)“ 1937.
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Ludwig III. von Bayern 106 geb. 7. 1. 1845 München, gest. 18. 10. 1921 S rv r (Ungarn), Prinzregent Königreich Bayern 1912, König 1913–1918. L tgert, Wilhelm, Lic. theol. D., Theologe, Universitätslehrer 46, 123 geb. 9. 4. 1867 Heiligengrabe (Ostprignitz), gest. 21. 2. 1938 Berlin [Personenlexikon, 163]. Luitpold von Bayern 66 f. geb. 12. 3. 1821 Würzburg, gest. 12. 12. 1912 München, Prinzregent Königreich Bayern 1886–1912. Lukaschek, Hans, Dr. jur., Jurist, Zentrums/CDU-Politiker, Oberbürgermeister, Oberpräsident, Unterstützer des Widerstands, Vizepräsident, Amtsgerichtsrat, Bundesvertriebenenminister 416 geb. 22. 5. 1885 Breslau, gest. 26. 1. 1960 Freiburg im Breisgau, Jurist, Oberbürgermeister Hindenburg (Oberschlesien) 1927, Oberpräsident preußische Provinz Oberschlesien 1929, Amtsenthebung und Rechtsanwalt Breslau 1933, aktiver Unterstützer des Widerstands, Verhaftung 20. Juli 1944, wegen erlittener Folter bei den GestapoVerhören Freispruch und Entlassung aus der Haft April 1945, Vizepräsident Thüringen 1945, Amtsenthebung durch die sowjetische Militäradministration 1946, Amtsgerichtsrat Königstein/Taunus 1947, Vizepräsident Obergericht Köln 1948, Bundesvertriebenenminister 1949–1953. Luthardt, Christoph Ernst, Lic. theol. Dr. phil. h. c. D. theol. h. c., Theologe, Lehrer, Universitätslehrer 73 geb. 22. 3. 1823 Maroldsweisach, gest. 21. 9. 1902 Leipzig, Theologiestudium 1841–1845, Ordination 1846, Gymnasiallehrer für Geschichte und Religion München 1847, Repetent Universität Erlangen 1851, außerordentlicher Professor für Dogmatik und Neutestamentliche Exegese Marburg 1854, ordentlicher Professor für Systematische Theologie und Neutestamentliche Exegese Leipzig 1856. Luther, Martin, Reformator 30, 39, 59, 61, 66, 178, 200, 228, 331, 433, 480 geb. 10. 11. 1483 Eisleben, gest. 15. 2. 1546 Eisleben, Reformator. Maas, Hermann, Theologe, Pfarrer, Prälat 260 geb. 5. 8. 1877 Gengenbach (Schwarzwald), gest. 27. 9. 1970 Heidelberg [Personenlexikon, 164] Mahner, Wilhelm, Theologe, Pfarrer, Oberlandeskirchenrat 442 geb. 21. 10. 1901 Hannover, gest. 10. 10. 1957 Hannover, Ordination 1926, dann Hilfsgeistlicher Bispingen, Winsen/Luhe 1927, Münchehagen bei Loccum 1927, Pfarrer Oberg 1929, Hannover 1937, Mitglied des Landeskirchenamts mit der Amtsbezeichnung Landeskirchenrat 1947, Oberlandeskirchenrat 1949. Maly, Ulrich 458, 471, 475 Marahrens, August, D., Theologe, Landesbischof 15, 171, 188, 199, 229, 232, 263, 270, 297–299, 311, 320, 324, 327–330, 332, 335, 337–339, 343 f., 347, 350–354, 373, 442 geb. 11. 10. 1875 Hannover, gest. 3. 5. 1950 Loccum, Schlossprediger Hannover 1904, Studienleiter Predigerseminar Erichsburg 1909, Superintendent Einbeck 1919, Generalsuperintendent Stade 1922, hannoverscher Landesbischof 1925–1947. – Vorsitzender der VKL I November 1934 bis Februar 1936, Mitglied des Lutherischen Rates 1934/ 35, Gründungsmitglied des Lutherrats März 1936, Vorsitzender der Kirchenführerkonferenz 1937 und des Geistlichen Vertrauensrats 1939–1945. – Vizepräsident des
Personenregister / Biographische Angaben
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LWK 1933, dessen Präsident 1933–1945. – Teilnehmer der Bekenntnissynode der DEK Barmen 1934, Augsburg 1935, Bad Oeynhausen 1936. Mariana, Juan de, Jesuit, Professor 130 geb. 2. 4. 1536 Talavera, gest. 16. 2. 1624 Toledo, Jesuit, Professor für biblische Sprachen, Exegese und Theologie Collegium Romanum 1561, Rektor Loreto 1565, Studienpräfekt und Professor Messina 1567, Coll ge de Clermont Paris 1569–1574. Maser, Hugo, Theologe, Studieninspektor, Religionslehrer, Pfarrer, Rektor, Oberkirchenrat 259 geb. 17. 12. 1912 Augsburg, gest. 21. 8. 1989 München, Theologiestudium Erlangen, Königsberg, Bonn und Bethel 1932, Kandidat Predigerseminar München 1936, Ordination und Studieninspektor Predigerseminar der Bekennenden Kirche Ostpreußen 1937, Stadtvikar München 1938, Hilfsreferent Landeskirchenrat München 1939, Religionslehrer Augsburg 1941, Pfarrer Wiesenbronn 1944, Pfarrer und Studentenpfarrer München 1951, Rektor Predigerseminar Bayreuth 1954, Oberkirchenrat 1964–1980, ständiger Vertreter des Landesbischofs 1971–1980, Mitglied Bayerischer Senat 1983–1989. Matthes, Otto, Theologe, Pfarrer, Dekan 424 geb. 9. 10. 1880 Schwäbisch Hall, gest. 15. 10. 1961 Schwäbisch Hall, Pfarrer Heilbronn 1911, Dekan Crailsheim 1932–1950. Matuscyk, Herbert, Dr. med., SS-Arzt 386 SS-Sturmbannführer und Leitender Arzt SS-Lazarett Abteilung Traunstein. Maurer, Wilhelm, Lic. theol., Theologe, Pfarrer, Universitätslehrer 443 geb. 7. 5. 1900 Kassel, gest. 30. 1. 1982 Erlangen, Theologiestudium Erlangen und Marburg 1918–1923, dazwischen Kriegs- und Sanitätsdienst 1918/19, Hauslehrer 1921/ 22, Vikar Marburg 1923, zugleich Assistent Theologisches Seminar Universität Marburg 1924–1927, Ordination und Pfarrverweser Michelbach 1926, Pfarrer 1927, zugleich Privatdozent Marburg 1928, Pfarrer Caldern (beurlaubt für wissenschaftliche Tätigkeit) 1938, Kriegsdienst 1939/40, Dozent Marburg 1940, Pfarrverwalter in der Umgebung von Marburg und Lehrstuhlvertretung Marburg 1940–1943, Kriegsdienst und Gefangenschaft 1943–1945, außerordentlicher Professor für Kirchengeschichte Marburg und Propst Sprengel Oberhessen und Schmalkalden 1946, Pfarrer Rauschenberg 1949, außerordentlicher Professor (mit Status eines ordentlichen Professors) für Kirchengeschichte, Symbolik und Christliche Kunstarchäologie (im selben Jahr umbenannt in Historische Theologie) sowie Vertretung der Missionswissenschaft Erlangen 1951, ordentlicher Professor ebd. 1964, Emeritierung 1967. Mayer, (Philipp) Christian, Pfarrer, Rektor, Gymnasiallehrer 145 geb. 29. 2. 1828 Harburg, gest. 7. 2. 1910 Nördlingen, Ordination 1851, Pfarrer Baldringen 1858, Rektor Gewerbeschule Nördlingen 1869, Gymnasialprofessor 1886. Mayer, Heinrich, Dr. theol., Priester, Universitätslehrer, Rektor 38 geb. 26. 10. 1881 Nürnberg, gest. 15. 2. 1957, Schulfreund Hans Meisers, Theologiestudium München und Bonn 1899, zugleich Besuch kunstgeschichtlicher Lehrveranstaltungen, Priesterweihe 1905, danach Seelsorgetätigkeit, Promotion 1911 und Habilitation Theologische Fakultät München 1914, außerordentlicher Professor für Pädagogik und Katechetik Staatliches Lyzeum Bamberg 1918, ordentlicher Professor Philosophisch-Theologische Hochschule Bamberg 1925, deren Rektor 1930–1933, Prorektor 1933–1942, Emeritierung 1946, danach Denkmalpfleger Landkreis Bamberg.
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Personenregister / Biographische Angaben
McCloy, John, Jurist, US-Unterstaatssekretär, Bankpräsident, Hoher Kommissar 384, 386, 411 geb. 31. 3. 1895 Philadelphia (Pennsylvania), gest. 11. 3. 1989 Stamford (Connecticut), Rechtsanwalt, Unterstaatssekretär im US-Kriegsministerium 1941–1945, nach Kriegsende Rückkehr in den Anwaltsberuf, Präsident der Weltbank 1947–1949, Hoher Kommissar der USA Bad Homburg, dann Bad Godesberg 1949–1952. Mebs, Rudolf, Theologe, Seminarinspektor, Pfarrer, Dekan 122 geb. 18. 6. 1896 Kitzingen, gest. 24. 1. 1975 Kitzingen, Kriegsdienst 1915, Theologiestudium Erlangen und Tübingen 1919, Pfarrverweser Lindau und Kandidat Predigerseminar München 1921, Religionslehrer Bamberg, Inspektor Predigerseminar Nürnberg 1925, Pfarrer Castell, Dekan ebd. 1933, Titel Kirchenrat 1951, Ruhestand 1961. Meier, Kurt 16 Meinzolt, Hans, Dr. jur. Dr. theol. h. c., Jurist, Oberkirchenrat, Staatssekretär 19, 166, 192, 196, 198, 215, 246, 260 f., 287 f., 306, 308, 317 f., 334, 337, 403, 409, 454 geb. 27. 10. 1887 Bächingen an der Brenz, gest. 20. 4. 1967 Weßling (Oberbayern) [Personenlexikon, 169]. Meiser, Dominikus Josef, Bezirksgeometer 26 geb. 18. 8. 1808 Bamberg, gest. 8. 8. 1867 Nürnberg, Großvater Hans Meisers, königlicher Bezirksgeometer. Meiser, Elisabeth, Volksschulrektorin 27 geb. 5. 9. 1809 Nürnberg, gest. 31. 5. 1980 Nürnberg, Schwester Hans Meisers, Volksschulrektorin Nürnberg. Meiser, Elisabeth (geb. Killinger) 28 f., 72, 74 f., 96, 102, 119, 185, 278, 353, 447, 457, 501 geb. 1. 5. 1887 Zürich, gest. 19. 6. 1975 München, Ehefrau Hans Meisers. Meiser, Elisabeth, Kinderkrankenschwester 74, 96 geb. 16. 7. 1916 München, gest. 5. 10. 2010 München, Tochter Hans Meisers, Kinderkrankenschwester, verheiratet mit Dr. med. Heinz Leopold Breidenbach. Meiser, Franz, Kaufmann 27 geb. 15. 3. 1885 Nürnberg, gest. 30. 12. 1958 Bremen, Bruder Hans Meisers, Obstimportkaufmann Bremen, verheiratet mit Maria geb. Friebe. Meiser, Franziska (Fanny) 20, 27, 29, 53, 72 f. geb. 28. 6. 1887 Nürnberg, gest. 14. 6. 1983 Garmisch-Partenkirchen, Schwester Hans Meisers, verheiratet mit Landgerichtsrat Georg Renner. Meiser, Fritz, Jurist 74, 96 geb. 1. 1. 1914 Nürnberg, gest. 27. 4. 1983, Sohn Hans Meisers, Jurist im Staatsdienst, verheiratet mit Trude geb. Kahofer. Meiser, Georg Hermann Aloys, Kaufmann 26–30, 56 geb. 15. 7. 1850 München, gest. 11. 1. 1915 Nürnberg, Vater Hans Meisers, Kaufmann und Prokurist bei der Firma Leuchs in Nürnberg. Meiser, Gertrud (Traudel), Lehrerin 74, 96 geb. 9. 4. 1912 Nürnberg, gest. 15. 9. 2001 bei Stockholm, Tochter Hans Meisers, Lehrerin, verheiratet mit dem Physiker Rudolf Hiltscher, Auswanderung nach Schweden 1949. Meiser, Hans Christian 11, 19, 458, 476, 479 f.
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Meiser, Helene, Krankenschwester 27 f., 74 geb. 14. 2. 1880 Nürnberg, gest. 22. 10. 1966 Nürnberg, Schwester Hans Meisers, Krankenschwester, verheiratet mit Dr. med. Georg Zahn. Meiser, Helene Barbara (Betty, geb. Munker) 27 f., 352 geb. 20. 7. 1852 Nürnberg, gest. 12. 11. 1936 Nürnberg, Mutter Hans Meisers. Meiser, Jeanette (Johanna) 26 gest. 14. 3. 1906, Großmutter Hans Meisers. Meiser, Joseph, Standesbeamter 43 gest. 23. 1. 1923 München, Verwandter Hans Meisers, Standesbeamter München. Meiser, Rudolf, Theologe, Pfarrer, Dekan, Oberkirchenrat 11, 16, 20, 26 f., 30, 72, 74, 96, 103, 126 geb. 12. 7. 1920 München, gest. 2. 9. 2015 Ansbach, jüngster Sohn Hans Meisers, Ordination 1951, Pfarrer Bamberg 1954, Dekan Regensburg 1962, Oberkirchenrat und Kreisdekan Ansbach 1975–1985. Meiser, Wilhelm, Dr. chem., Chemiker 27 geb. 19. 3. 1882 Nürnberg, gest. (Bombenangriff) 2. 10. 1943 München, Bruder Hans Meisers, Chemiker Bayer Leverkusen, verheiratet mit Pauline geb. Salb. Melanchthon, Philipp, Reformator 35 geb. 16. 2. 1497 Bretten, gest. 19. 4. 1560 Wittenberg, Humanist und Reformator. Mensing, Björn 17, 398 Merkel, R., Jurist 385 Rechtsanwalt, Korrespondenzpartner Meisers. Mermillod, Gaspard Kardinal, Priester, Apostolischer Vikar, Bischof 128 geb. 22. 9. 1824 Carouge, gest. 23. 2. 1892 Rom, Priesterweihe und Vikar Genf 1847, (staatlich besoldeter) Pfarrer ebd., Titularbischof Hebron und Weihbischof Bistum Lausanne Genf 1864, Ernennung zum Apostolischen Vikar und Ausweisung aus der Schweiz 1873, dann Exil im französischen Ferney, Rückkehr in die Schweiz und Diözesanbischof Lausanne-Genf 1883, Kardinal 1890. Merz, Georg, D., Theologe, Dekan, kirchlicher Hochschullehrer und Rektor 124, 176 f., 315, 317, 333 f., 366, 368, 434, 460 geb. 3. 3. 1892 Walkersbrunn (Oberfranken), gest. 16. 11. 1959 Neuendettelsau [Personenlexikon, 171]. Meusel, Marga, Fürsorgerin 248 geb. 26. 5. 1897 Falkenberg (Oberschlesien), gest. 16. 5. 1953 Berlin [Personenlexikon, 172]. Meyer(-Erlach), Wolf, Theologe, Pfarrer, Universitätslehrer, Pfarrverwalter 165 f., 176 f., 183 geb. 21. 9. 1891 Kitzingen/Main, gest. 15. 11. 1982 Idstein/Taunus [Personenlexikon, 173]. Michelfelder, Sylvester Clarence, D., Theologe, Pfarrer, Superintendent, Exekutivsekretär 357, 373, 441–443, 445 geb. 27. 10. 1889 New Washington/Ohio, gest. 30. 9. 1951 Chicago, Pfarrer Willard/Ohio 1914, später Pittsburgh, Superintendent Lutheran Inner Mission Society Pittsburgh 1926–1931, Pfarrer Toledo/Ohio 1931–1945, Vertreter der amerikanischen Sektion des LWK beim ÖRK und Leiter der Abteilung für Allgemeine Nothilfe der WiederaufbauAbteilung 1945, zugleich Exekutivsekretär des LWK/LWB seit Ende 1945.
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Mochalski, Herbert, Theologe, Pfarrer, Referent 412, 414 geb. 28. 2. 1910 Görlitz, gest. 27. 12. 1992 Hannover [Personenlexikon, 176]. Mçller, Wilhelm, Lic. theol. Dr. theol. h. c. Dr. phil. h. c., Theologe, Pfarrer, Universitätslehrer 59 geb. 1. 10. 1827 Erfurt, gest. 8. 1. 1892 Kiel, Theologiestudium Berlin, Halle/Saale und Bonn ab 1847, Habilitation für Neues Testament und Kirchengeschichte Halle/Saale 1854, Privatdozent ebd. 1854–1863, Pfarrer Grumbach/Langensalza 1862, Oppin 1869, ordentlicher Professor für Kirchen- und Dogmengeschichte Kiel 1873–1891. Montgelas, Maximilian Joseph von, Jurist, Minister, Reichsrat 31 geb. 12. 4. 1759 München, gest. 14. 6. 1838 München, Jurastudium, Hofrat Kurfürstentum Bayern 1777, Legationsrat Herzogtum Pfalz-Zweibrücken 1787, Regierungsrat ebd. 1795, Geheimer Legationsrat ebd. 1796, Außenminister Kurfürstentum (ab 1806: Königreich) Bayern 1799–1817, zugleich Finanzminister ebd. 1803–1806 und 1809–1817 sowie Innenminister 1806–1817, Reichsrat 1818–1838. Morehead, John Alfred, D.D. LL.D. D.Th. ST.D., Theologe, Pfarrer, Hochschullehrer, Präsident 350 f. geb. 4. 2. 1867 Pilaski County/Virginia, gest. 1. 6. 1936 Salem/Virginia, Studium Roanoke College Salem/Virginia und Lutheran Theological Seminary Philadelphia, Ordination und Gemeindepfarrer Virginia 1892, Professor für Systematische Theologie und Leiter des Southern Seminary Columbia 1898–1908, dazwischen Studium Berlin und Leipzig 1901/02, Präsident Roanoke College 1908–1913, der Vereinigten Lutherischen Synode des Südens 1910–1914, Vorsitzender der Europa-Kommission des National Lutheran Council in America seit 1919, Direktor National Lutheran Council 1923–1930 und Vorsitzender seines Editionskomitees (Lutheran World Almanac) 1924–1930, Vorsitzender des Fortsetzungs- bzw. Exekutivkomitees des unter seinem maßgeblichen Einfluss in Eisenach gegründeten LWK und dessen erster Präsident 1923–1935. M ller, Annemarie 18 M ller, Ernst Friedrich Karl, Lic. theol. D., Theologe, Universitätslehrer, Synodalpräses 45 geb. 27. 7. 1863 Mühlstedt (Anhalt), gest. 20. 5. 1935 Erlangen [Personenlexikon, 179 f.]. M ller(-Dahlem), Friedrich, Theologe, Pfarrer 340 f. geb. 11. 3. 1889 Berlin, gest. 20. 9. 1942 (vermutlich vergiftet) Szolty (Leningrad) [Personenlexikon, 181]. M ller, Gerhard 18, 139 f., 476 M ller, Heinrich, Jurist 38 Jurist Nürnberg, Schulkamerad Meisers. M ller, Hermann, Dr. jur., Jurist, Amtsrichter, Oberkonsistorialrat, Direktor 336 f. geb. 5. 1. 1878 Herrenberg (Württemberg), gest. 29. 3. 1945 Stetten/Rems [Personenlexikon, 179]. M ller, Josef, Dr. oec. publ., Jurist, Rechtsanwalt, CSU-Politiker, Justizminister 408 geb. 27. 3. 1898 Steinwiesen (Oberfranken), gest. 12. 9. 1979 München, Kriegsdienst 1916–1918, Volkswirtschafts- und Jurastudium München 1919–1923, Rechtsanwalt München 1927, Berater für katholische kirchliche Organisationen, nach 1933 beteiligt an Zwangsarisierungen, Einberufung zur Abwehr und über den Vatikan Verbin-
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dungsmann zwischen militärischem Widerstand und britischer Regierung 1939, Verhaftung 1943, trotz Freispruch Gestapo- und Konzentrationslagerhaft 1944, Befreiung 1945, erster Vorsitzender der CSU 1946–1949, MdL Bayern 1946–1962, stellvertretender bayerischer Ministerpräsident und Justizminister 1947–1950, Justizminister 1950–1952. M ller, Ludwig, Theologe, Wehrkreispfarrer, Reichsbischof 168–180, 183 f., 188 f., 212 f., 220, 224 f., 234, 243, 305 f., 308–313, 318–320, 480, 491 f. geb. 23. 6. 1883 Gütersloh, gest. 31. 7. 1945 (Selbstmord) Berlin [Personenlexikon, 180]. M nchenbach, Siegfried 16, 19, 24, 103 f., 138, 464 f. Muhs, Hermann, Dr. jur., Jurist, Rechtsanwalt, NSDAP-Politiker, Regierungspräsident, Staatssekretär, ständiger Vertreter des Reichskirchenministers 227 geb. 16. 5. 1894 Barlissen Kreis Hannoversch Münden, gest. 13. 4. 1962 Göttingen, Kriegsfreiwilliger 1914–1918, in französischer Gefangenschaft bis 1920, Studium Göttingen, Berlin und Königsberg, Staatsdienst, Rechtsanwalt Göttingen 1927, Mitglied der NSDAP 1929, MdL Preußen 1930, NSDAP-Ortsgruppenleiter Göttingen und Eintritt in die SS 1931, Notar und Gauleiter Hannover-Ost 1932, Regierungspräsident Hildesheim April 1933, Mitglied des hannoverschen Kirchensenats 1933, Versetzung in den Wartestand wegen Willkür im Amt 1935, Austritt aus der Kirche 10. 11. 1936 und Wiedereintritt 16.(17.)11.1936, von Reichskirchenminister Kerrl zu seinem ständigen Vertreter bestimmt 19.(23.)11.1936, Staatssekretär und ständiger Vertreter des Ministers im Reichskirchenministerium 20. 4. 1937, Leiter der Zentralabteilung 1938, SSStandartenführer 1938, Wehrdienst 1941, nach dem Tod Kerrls mit der Führung der Geschäfte des Ministers beauftragt 16. 1. 1942, Internierung nach 1945, Rechtsanwalt Göttingen 1952. Munker, Anna Sabina (geb. Greul) 27 geb. 26. 8. 1818 Neuses, gest. 25. 2. 1899 Nürnberg, Großmutter Hans Meisers. Munker, Johann Heinrich 27, 31 geb. 1824 oder 1825 Heroldsberg, gest. 11. 3. 1896 Nürnberg, Großvater Hans Meisers. Mutschmann, Martin, Unternehmer, NSDAP-Politiker, Gauführer, Reichsstatthalter, Ministerpräsident 238 geb. 9. 3. 1879 Hirschberg/Saale, gest. 14. 2. 1947 Moskau, Geschäftsführer und Unternehmer in der Textilbranche, Kriegsdienst 1914 bis zu einer schweren Verwundung 1916, Mitglied des Völkischen Schutz- und Trutzbunds 1919, Eintritt in die NSDAP 1922, Gauführer der NSDAP Sachsen 1925, MdR 1930, Reichsstatthalter Sachsen 1933 und Ministerpräsident ebd. 1935–1945, SA-Obergruppenführer 1937, Reichsverteidigungskommissar 1939, Verhaftung durch russische Truppen Mai 1945. Naegelsbach, Annemarie, Künstlerin 146 geb. 14. 8. 1896 Würzburg, gest. 14. 7. 1985 Ottobrunn, Ausbildung an der Königlichen (ab 1918: Staatlichen) Kunstgewerbeschule München, danach freiberufliche Malerin, Zeichnerin, Buchillustratorin und Künstlerin München. N gelsbach, Friedrich, Theologe, Pfarrer, Dekan 103 geb. 21. 8. 1888 Schweinfurt, gest. 26. 8. 1983, Ordination 1913, Pfarrer Waldsassen 1920, München 1922, Memmingen 1929, Dekan Altdorf 1935, Pfarrer Gutenstetten 1947, Titel Kirchenrat 1953, Ruhestand 1956.
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Personenregister / Biographische Angaben
Nicol, Karl, Pfarrer, Verbandspräsident 415 geb. 1. 7. 1886 Willmars, gest. 28. 4. 1954 Rummelsberg [Personenlexikon, 184]. Nicol, Ludwig, Theologe, Pfarrer, Dekan 386 geb. 28. 11. 1890 Willmars, gest. 26. 8. 1982, Ordination 1914, Pfarrer Arzberg 1918, Vereinsgeistlicher Nürnberg 1924, Pfarrer Traunstein 1930, Dekan Bad Berneck 1948, Titel Kirchenrat 1956, Ruhestand 1960. Nicolaisen, Carsten, Dr. theol., Theologe, Lehrer, Hochschullehrer 12, 17 f., 20, 22, 138, 183, 465 f., 474 geb. 4. 4. 1934 Hamburg, gest. 12. 4. 2017 Weilheim, Theologie-, Germanistik-, Philosophie- und Pädagogikstudium Göttingen und Hamburg 1954–1959, Lektor „Deutsches Zentrum“ Jönköping (Schweden), 1959, Referendar Hamburg 1960, Studienassessor Ahrensburg (Holstein) 1962, Mitarbeiter der Kommission für die Geschichte des Kirchenkampfes in der nationalsozialistischen Zeit Hamburg 1963, Promotion 1966, wissenschaftlicher Assistent Universität München 1967, dann Akademischer Rat ebd., Akademischer Direktor ebd. 1993, zugleich Leiter der Forschungsstelle der Kommission für die Geschichte des Kirchenkampfes in der nationalsozialistischen Zeit (ab 1974: Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte) München 1967 bis zum Ruhestand 1999, Honorarprofessor München 1999, Vorsitzender der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte 2000–2003. Niederstrasser, Wolfgang, Theologe, Pfarrer, Gefängnisgeistlicher 376 geb. 11. 12. 1907 Emden, gest. 21. 9. 1981 Pfronten im Allgäu, Vikar Landeskirche Hannover, Übertritt in die bayerische Landeskirche und Pfarrvertreter Thundorf 1937, Ordination 1938, Pfarrer Warmensteinach 1940, Entzug der Zulassung zur Erteilung von Religionsunterricht an staatlichen Schulen 1942, Kriegsdienst 1943, Verhaftung und Überführung ins Kriegswehrmachtgefängnis Oslo 1944, dann Ausschluss aus der Wehrmacht und Übergabe an die Gestapo, Verschleppung ins Konzentrationslager Dachau April 1945, Flucht auf dem Todesmarsch Ende April 1945, Wiederaufnahme der Pfarrtätigkeit Warmensteinach Mai 1945, Gefängnisgeistlicher Aichach 1946, Nürnberg 1953, Pfarrer München 1958, Füssen 1963, Ruhestand 1972. Niemçller, Else 278 f. geb. 20. 7. 1890 Wuppertal-Elberfeld, gest. (Verkehrsunfall) 7. 8. 1961 Apenrade, Ehefrau Martin Niemöllers seit 1919. Niemçller, Martin, Dr. theol. h. c. mult., Marineoffizier, Theologe, Pfarrer, Kirchenpräsident 13 f., 171, 200, 216, 278 f., 306, 310–313, 319 f., 326, 341, 345, 371 f., 380, 386, 397, 412–414, 421–424, 427, 429 f., 438, 441, 495 geb. 14. 1. 1892 Lippstadt (Westfalen), gest. 6. 3. 1984 Wiesbaden [Personenlexikon, 185]. Niesel, Wilhelm, Lic. theol. Dr. theol. h. c. mult., Theologe, Pfarrer, kirchlicher Dozent, Präses und Moderator 320 f., 414 geb. 7. 1. 1903 Berlin, gest. 13. 3. 1988 Frankfurt [Personenlexikon, 186]. Nitsche, Stefan Ark 474 Noth, Gottfried, Dr. theol., Theologe, Pfarrer, Oberkirchenrat, Landesbischof 359 geb. 26. 1. 1905 Dresden, gest. 9. 5. 1971 Dresden, Theologiestudium Leipzig und Erlangen, Hilfsgeistlicher Diakonissenanstalt Dresden 1930–1932, Pfarrer Zethau
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1939–1942, Dresden 1942–1944, Mitarbeiter Landesbruderrat, Sanitätssoldat 1944/45, Gefangenschaft, kommissarischer Oberkirchenrat Landeskirchenamt Dresden 1945, Dezernent ebd. 1950, sächsischer Landesbischof 1953–1971, Mitglied der Kirchenleitung der VELKD 1953–1968, Mitglied des Zentralausschusses des ÖRK 1953–1971, Mitglied des Rates der EKD 1968/69, stellvertretender Vorsitzender der Konferenz der evangelischen Kirchenleitungen (in der DDR) 1962–1971. Nowak, Kurt, Dr. theol. Dr. phil., Theologe, Hochschullehrer 294 geb. 28. 10. 1942 Leipzig, gest. 31. 12. 2001 Leipzig, Mitarbeit am Städtischen Theater Leipzig 1961–1962, kirchlicher Angestellter ebd. 1962–1964, Theologiestudium Leipzig und Jena 1964–1969, theologische Promotion und wissenschaftlicher Oberassistent Leipzig 1971, Habilitation 1978, Lehrauftrag für Kirchengeschichte Leipzig 1983–1987, außerordentlicher Professor für Kirchengeschichte ebd. 1987–1992, Professor für Kirchengeschichte unter besonderer Berücksichtigung der Alten Kirche und der Neueren und Neuesten Kirchengeschichte ebd. 1992–2001. Oelke, Harry 11 f. Ohlendorf, Otto, NSDAP-Politiker, Amtschef Reichssicherheitshauptamt, Einsatzgruppenführer, Ministerialdirektor 385 f. geb. 4. 2. 1907 Hoheneggelsen bei Hildesheim, gest. 8. 6. 1951 (hingerichtet) Landsberg, Jura- und Volkwirtschaftsstudium 1928–1931, Mitglied der NSDAP 1925, Mitglied der SA 1925/26, Studium Staatswissenschaften und faschistisches Korporationswesen Pavia 1931/32, Referendariat 1932/33, Assistent am Institut für Weltwirtschaft Kiel 1933/34, Abteilungsleiter am Institut für angewandte Wirtschaftswissenschaften Berlin 1935/36, Mitarbeiter des SD und Eintritt in die SS 1936, dann Karriere im SD-Hauptamt und Beförderung zum SS-Obersturmbannführer, Amtschef im Reichssicherheitshauptamt 1939, Führer der Einsatzgruppe D in Südrussland und der Ukraine 1941/42, Beförderung zum SS-Brigadeführer und Generalmajor der Polizei 1942, Ministerialdirektor im Reichswirtschaftsministerium 1943, SS-Gruppenführer 1944. Ohrenstein, Aaron, Dr., Theologe, Rabbiner, Ober- und Landesrabbiner 398, 400 geb. 17. 9. 1909 Berlin, gest. 25. 5. 1986 München, Jüdisch-Theologisches Seminar Breslau 1928–1934, Rabbinerexamen und Promotion 1935, danach Prediger und Lehrer Berlin, Rabbiner ebd. 1937, Ausweisung aus Deutschland 1938, bei Beginn des Zweiten Weltkriegs Flucht in das sowjetisch okkupierte Tarnopol und Arbeit in der dortigen jüdischen Gemeinde, Flucht vor den Deportationen in den Untergrund 1943, Oberrabbiner München 1945, zugleich Landesrabbiner Bayern 1947–1955. Oldenbourg, Friedrich, Dr. phil., Verleger 124 geb. 1888, gest. 1941, Mitarbeit im Verlag R. Oldenbourg seit 1919, Zweiter Vorsitzender Börsenverein der Deutschen Buchhändler 1925, Erster Vorsitzender ebd. 1930 bis zur Absetzung durch die Nationalsozialisten 1934. Orth, Julius, Theologe, Pfarrer, Dekan 81 geb. 18. 3. 1872 Haunstetten, gest. 11. 11. 1949 Erlangen, Pfarrer Schwebheim 1907, Goldkronach 1911, Dekan Kulmbach 1921, Creußen 1932, Ruhestand 1935. Otto, Rudolf, Lic. theol. Dr. phil. D., Theologe, Universitätslehrer 127 geb. 25. 9. 1869 Peine, gest. 7. 3. 1937 Marburg [Personenlexikon, 191 f.].
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Personenregister / Biographische Angaben
Pachelbel, Johann Friedrich, Theologe, Pfarrer, Dekan 69, 71 f. geb. 13. 6. 1849 Himmelkron, gest. 26. 12. 1922, Pfarrer Rothenburg ob der Tauber 1877, Lindau 1886, Dekan Würzburg 1898, Titel Kirchenrat 1918. Pannwitz, von 398 Korrespondenzpartner Meisers. Pappenheim, Albrecht Graf zu 95 geb. 14. 8. 1861 Oldenburg, gest. 25. 12. 1936 München, Verwaltungs- und Militärlaufbahn, Lehnsherr zu Möhren und Gundelsheim, Commendator Johanniterorden (Bayern). Pechmann, Hildegard von 223 geb. 1889, gest. 1975, Tochter Wilhelm Freiherr von Pechmanns. Pechmann, Wilhelm Freiherr von, D., Jurist, Bankdirektor, Präsident 16, 101, 107, 111 f., 115, 160, 165, 169, 200, 220–223, 248–250, 295 f., 491 geb. 10. 6. 1859 Memmingen, gest. 10. 2. 1948 München [Personenlexikon, 192 f.]. Pehrsson, Per, D., Theologe, Pfarrer, Propst 356 geb. 30. 9. 1867, gest. 21. 2. 1953, Pfarrer Göteborg/Schweden 1908, Propst ebd. 1929–1947. – Mitglied des schwedischen Reichstags für die Konservativen 1906–1908 und 1921–1936, Generalsekretär des schwedischen Pfarrervereins 1907–1942. – Mitglied des Exekutivkomitees des LWK 1923 und dessen stellvertretender Vorsitzender 1935–1938. Pfeffer von Salomon, Franz, Jurist, Offizier, NSDAP-Politiker, Oberster SA-Führer, Polizeipräsident, Regierungspräsident 174, 184, 188, 313 geb. 19. 2. 1888 Düsseldorf, gest. 12. 4. 1968 München, Jurastudium, dann Berufsoffizierslaufbahn, Fronteinsatz ab 1914, Hauptmann und Bataillonskommandeur 1918, nach Kriegsende Beteiligung des Freikorps Pfeffer an den Kämpfen im Baltikum, im Ruhrgebiet und Oberschlesien, Teilnahme am Kapp-Putsch und Verhaftung 1920, Freispruch 1921, führend beteiligt am Untergrundkampf gegen die französische Besatzungsmacht im Ruhrgebiet 1923, Mitglied des Völkisch-Sozialen Blocks 1924, Übertritt zur NSDAP und Gauleiter Westfalen 1925, Oberster SA-Führer 1926–1930, MdR 1932–1942, Polizeipräsident Kassel 1933, Regierungspräsident Wiesbaden 1936, Verhaftung wegen des Verdachts der Zusammenarbeit mit oppositionellen Kreisen 1944. Pfeiffer, Anton, Dr. phil., Lehrer, BVP/CSU-Politiker, Sonderminister, Staatssekretär, Botschafter 124, 382, 394 geb. 7. 4. 1888 Rheinzabern, gest. 20. 7. 1957 München, Eintritt in den bayerischen Schuldienst 1914, Generalsekretär BVP 1918–1933, Gründer und Leiter American Institute München 1927 bis zur Schließung aus politischen Gründen 1934, MdL Bayern 1928–1933, Verhaftung 1933, Rückkehr in den bayerischen Schuldienst 1934–1945, Gründungsmitglied CSU, Staatsrat und Leiter bayerische Staatskanzlei 1945, bayerischer Sonderminister für Entnazifizierung 1946, MdL Bayern, Staatssekretär und Leiter der Staatskanzlei 1946–1950, Generalkonsul Belgien 1950, Botschafter ebd. 1951–1954. Pfeiffer, Richard, Dr. phil., Theologe, Pfarrer, Dekan 54, 56 geb. 30. 11. 1867 Betzenstein, gest. 15. 12. 1943 Neustadt/Aisch, Repetent Theologische Fakultät Erlangen 1891, Pfarrer Sulzbach 1895, Dekan Weiden 1908, Neustadt/Aisch 1920, Titel Kirchenrat 1924, Ruhestand 1934.
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Pfl gel, Richard, Jurist, Rechtsanwalt, Oberkirchenrat 280 f. geb. 17. 1. 1881 Bamberg, gest. 7. 9. 1973 Diessen/Ammersee, Rechtsanwalt München 1912, Hilfsreferent Landeskirchenrat München 1922, Kirchenamtmann ebd. 1925, Oberkirchenamtmann ebd. 1928, Oberkirchenanwalt 1939, Oberkirchenrat 1943, mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Vorstands der Landeskirchenstelle Ansbach beauftragt 1948, Ruhestand 1949. Pius XII. (Eugenio Pacelli), Priester, Erzbischof, Nuntius, Kardinal, Papst 438 geb. 2. 3. 1876 Rom, gest. 9. 10. 1958 Castel Gandolfo, Titular-Erzbischof Sardes und päpstlicher Nuntius München 1917, Nuntius beim Deutschen Reich 1920, Verlegung des Amtssitzes nach Berlin 1925, Abberufung aus Deutschland und Ernennung zum Kardinal 1929, Kardinalstaatssekretär 1930, maßgebliche Beteiligung am Zustandekommen des Reichskonkordats 1933, Papst 1939–1958. Plath, Carl Heinrich, Lic. theol., Theologe, Pfarrer, Inspektor, Missionsleiter, Universitätslehrer 141 geb. 8. 9. 1829 Bromberg (Bydgoszcz/Polen), gest. 10. 7. 1901 Berlin, Theologiestudium 1849–1853, Pfarrer, Geistlicher Inspektor und Religionslehrer Halle/Saale 1856, 3. Inspektor Berliner Mission 1863–1871, Habilitation und Privatdozent Berlin 1869, Leiter Goßnersche Mission ebd. 1871, Professor für Missions- und Religionsgeschichte ebd. 1882. Pohl, Oswald, Marineoffizier, Verwaltungschef SS-Hauptamt, SS-General 385 geb. 30. 6. 1892, gest. 7. 6. 1951 (hingerichtet) Landsberg/Lech, Marinelaufbahn, Eintritt in die NSDAP und SA 1926, Verwaltungschef im SS-Hauptamt, zuständig für Konzentrationslager und bewaffnete SS-Verbände 1934, Ministerialdirektor im Reichsinnenministerium 1939, SS-Obergruppenführer, General der Waffen-SS und Chef des SSWirtschafts-Verwaltungshauptamts 1942, Verhaftung 1946, Verurteilung zum Tod 1947, während der Haft Wiedereintritt in die katholische Kirche 1950. Ponnath, Heinz 482 f. Prater, Wilhelm Georg, Theologe, Pfarrer, Oberkirchenrat 443 geb. 17. 2. 1895 Radebeul, gest. 19. 8. 1970 Klingberg/Timmendorfer Strand [Personenlexikon, 197]. Praun, Friedrich von, Jurist, Rechtsanwalt, Oberkirchenamtmann, Vorstand, Direktor, Opfer des NS-Regimes 246, 280–282, 481 geb. 21. 7. 1888 Hersbruck, gest. (unter ungeklärten Umständen in Haft) 19. 4. 1944 Nürnberg, Rechtsanwalt Nürnberg 1920, Assessor im Oberkonsistorium 1920, Kirchenamtmann 1921, Oberkirchenamtmann 1924, Vorstand der Landeskirchenstelle Ansbach 1930, Direktor ebd. 1936, wegen „staatsfeindlicher“ und „defätistischer“ Äußerungen Verhaftung Oktober 1943. Praun, Irene von (geb. Freiin von Seckendorff-Gutend) 280 f. geb. 10. 7. 1888 Leutkirch, gest. 4. 10. 1975 Dinkelsbühl, Ehefrau von Friedrich von Praun. Pressel, Wilhelm, Theologe, Pfarrer, Oberkirchenrat 298, 340 geb. 22. 1. 1895 Creglingen/Tauber, gest. 24. 5. 1986 Tübingen [Personenlexikon, 197 f.]. Prieser, Karl, D., Theologe, Pfarrer, Dekan, Oberkirchenrat 153, 197 geb. 14. 4. 1872 Sulzbach, gest. 9. 3. 1946 Wiesbaden, Pfarrer Affalterthal, Vereins-
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Personenregister / Biographische Angaben
geistlicher für Innere Mission München 1903, Dekan Bamberg 1912, Oberkirchenrat und Kreisdekan Bayreuth 1921, Ruhestand 1936. P rckhauer, Theodor, Theologe, Militärgeistlicher, Pfarrer 69 geb. 5. 12. 1862 Fröhstockheim, gest. 16. 9. 1918, Militärgeistlicher Würzburg 1890, Pfarrer ebd. 1892, Regensburg 1906. Putz, Eduard, Theologe, Pfarrer, Dekan 137, 165, 174, 312, 460 geb. 9. 1. 1907 Altenschönbach (Unterfranken), gest. 22. 9. 1990 Erlangen [Personenlexikon, 198]. Rad, Gerhard von, Lic. theol. Dr. h. c. mult., Theologe, Universitätslehrer 302 geb. 21. 10. 1901 Nürnberg, gest. 31. 10. 1971 Heidelberg [Personenlexikon, 200]. Ranke, Hansjürg (Hans-Georg), Jurist, Oberkirchenrat, Konsistorialpräsident 416 geb. 9. 6. 1904 Arosa (Schweiz), gest. 3. 2. 1987 Berlin (West) [Personenlexikon, 202]. Rehm, Wilhelm, Theologe, Pfarrer, Gymnasiallehrer 227 geb. 8. 12. 1900 Saalgau (Württemberg), gest. 13. 2. 1948 Ansbach [Personenlexikon, 204]. Rendtorff, Heinrich, Lic. theol. D., Theologe, Pfarrer, Landesbischof, Universitätslehrer 168 geb. 9. 4. 1888 Westerland auf Sylt, gest. 18. 4. 1960 Kiel [Personenlexikon, 205]. Renner, Annemarie (geb. Schaarmann) 449 geb. 26. 4. 1926 Frankfurt/Main. gest. 21. 7. 2004 Frankfurt/Main, Ehefrau Franz Renners. Renner, Franz 449 geb. 2. 7. 1914 Rothenburg ob der Tauber, gest. 19. 1. 1988 Frankfurt/Main, Neffe Hans Meisers. Renner, Georg, Jurist, Landgerichtsrat 27 f. geb. 13. 8. 1881 Nürnberg, gest. 25. 11. 1966 München, Jurastudium München und Würzburg 1900–1904, Assessorexamen 1907, dann Jurist im Staatsdienst, Heirat mit Franziska Meiser 1909, Landgerichtsrat München 1928, Mitglied NSDAP 1933, Mitglied NS-Rechtswahrerbund, nach dem Zweiten Weltkrieg Entnazifizierungsverfahren und im Anschluss Ruhestand als Landgerichtsdirektor. Renner, Michael 11, 17, 19, 24, 271 Riedel, Heinrich, Theologe, Pfarrer, Landesjugendpfarrer, Dekan, Oberkirchenrat 197, 360, 388, 396, 460 geb. 17. 3. 1903 Nürnberg, gest. 8. 6. 1989 München [Personenlexikon, 207]. Riegel, Wilhelm, Theologe, Pfarrer 104 geb. 12. 3. 1892 Augsburg, gest. (in russischer Kriegsgefangenschaft im Ural) 16. 10. 1952, Pfarrer Dörflis 1922, Stammbach 1933, Verhaftung 1937, Kriegsdienst 1939, russische Kriegsgefangenschaft 1945. Ritschl, Albrecht, Dr. phil., Theologe, Universitätslehrer 61 geb. 25. 3. 1822 Berlin, gest. 20. 3. 1889 Göttingen, Theologiestudium ab 1839, Privatdozent für Alte Kirchengeschichte Bonn 1846, außerordentlicher Professor für Neues
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Testament ebd. 1852, ordentlicher Professor für Kirchen- und Dogmengeschichte Göttingen 1864–1889. Rittelmeyer, Friedrich, Dr. phil., Theologe, Pfarrer, Anthroposoph 42, 51 geb. 5. 10. 1872 Dillingen, gest. 23. 3. 1938 Hamburg [Personenlexikon, 208]. Rçhm, Eberhard 138, 303 Rçhm, Ernst, Offizier, Oberster Stabsführer SA, Reichsminister 177 geb. 28. 11. 1887 München, gest. (ermordet) 1. 7. 1934 München, Offiziersausbildung ab 1906, Teilnahme am Ersten Weltkrieg, nach Kriegsende Fortsetzung der Offizierslaufbahn, wegen Beteiligung am Hitler Putsch 1923 Entlassung aus der Reichswehr, Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe wegen Beihilfe zum Hochverrat, Gründer und Führer des Frontbanns und MdR 1924, Truppenausbilder bolivianische Armee 1928–1930, Oberster Stabsführer der SA 1931, Reichsminister ohne Geschäftsbereich und bayerischer Staatsminister 1933. Rollwagen, Hans, Jurist, SPD-Politiker, Oberbürgermeister 457 geb. 14. 6. 1892 Nördlingen, gest. 29. 3. 1992 Bayreuth, Jurist, Mitglied SPD 1919, Erster Bürgermeister Neustadt bei Coburg 1923, Stadtrat Nürnberg 1929–1933, dann Finanzund Rechtsreferent, Oberbürgermeister Bayreuth 1948–1958. Roosevelt, Franklin D. 353 f. geb. 30. 1. 1882 New York, gest. 12. 4. 1945 Warm Springs (Georgia), Präsident der USA 1933–1945. Rosenberg, Alfred, Publizist, NSDAP-Politiker, Beauftragter Hitlers für die Überwachung der geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP, Reichsminister, Hauptkriegsverbrecher 233, 242, 342 geb. 12. 1. 1893 Reval/Estland, gest. (hingerichtet) 16. 10. 1946 Nürnberg, Architekturstudium Riga und (nach der Evakuierung) Moskau bis 1918, Emigrant in München 1919, Betätigung als antisemitischer Publizist, Beitritt zur Deutschen Arbeiterpartei, Redakteur „Völkischer Beobachter“ 1921, dessen Hauptschriftleiter (mit Unterbrechung zwischen 1924 und 1926) 1923–1937, Teilnehmer am Hitler-Putsch 1923, Herausgeber der Nationalsozialistischen Monatshefte, Gründung des Kampfbunds für deutsche Kultur 1929, MdR und Mitglied des Außenpolitischen Ausschusses 1930, Leiter des Außenpolitischen Amts der NSDAP und Reichsleiter 1933, „Beauftragter des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP“ 1934, Zurückstufung zum Herausgeber des „Völkischen Beobachters“ durch Hitler 1938, oberster Chef des (Kunstraub-) „Einsatzstabs Reichsleiter Rosenberg“ 1940, Reichsminister für die besetzten Ostgebiete 1941, Verhaftung Mai 1945, im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess zum Tod verurteilt 1946. Rusam, Adolf, Theologe, Pfarrer, Hilfsreferent, Dekan 360, 381 f., 388, 394, 409 geb. 25. 8. 1901 Unterrodach, gest. 8. 5. 1977, Ordination 1926, Pfarrer Hasloch 1928, Hemhofen 1931, Oberampfach 1938, Einberufung in den Landeskirchenrat München 1946, Kirchenrat 1947, Theologischer Hilfsreferent Landeskirchenrat München 1948, Dekan Sulzbach-Rosenberg 1954, Pfarrer Steinach an der Ens 1961, Ruhestand 1969. Rust, Bernhard, Lehrer, NSDAP-Politiker, Reichserziehungsminister 240 geb. 30. 9. 1883 Hannover, gest. (Selbstmord) 8. 5. 1945 Berne/Wesermarsch, Studienrat Hannover 1909, Kriegsdienst 1914, Rückkehr in den Schuldienst 1918, Mitglied
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Personenregister / Biographische Angaben
Deutsch-völkische Freiheitspartei und Bürgervorsteher Hannover 1924, Übertritt in die NSDAP und NS-Gauleiter Hannover-Nord 1925, Gauleiter Süd-Hannover-Braunschweig 1928 bis zum Rücktritt 1940, Ausscheiden aus dem Schuldienst 1930, MdR September 1930, Staatskommissar im preußischen Ministerium für Kunst, Wissenschaft und Volksbildung Februar 1933, preußischer Kultusminister April 1933, Reichsminister für Erziehung, Wissenschaft und Volksbildung 1934–1945. – Zuständigkeit für die Nationalpolitischen Erziehungsanstalten im gesamten Reichsgebiet seit 1934, SA-Gruppenführer 1940. Sammetreuther, Julius, Theologe, Pfarrer, Oberkirchenrat 195, 258 geb. 18. 3. 1883 Schwabach, gest. 3. 2. 1939 München, Ordination 1906, Stadtvikar München, Pfarrer Gärthenroth/Oberfranken 1912, Kriegsdienst, Pfarrer Schweinfurt 1917, München 1926, Oberkirchenrat Landeskirchenrat München 1935. – Mitglied des Reichsbruderrats 1935. – Teilnehmer des Deutschen Lutherischen Tages Hannover 1935, der Bekenntnissynode der DEK Augsburg 1935 und Bad Oeynhausen 1936. Sasse, Hermann, Lic. theol. D. D.D., Theologe, Pfarrer, Universitätslehrer 303, 333, 404, 425, 434 geb. 17. 7. 1895 Sonnenwalde Kr. Lennep (Brandenburg), gest. 8. 8. 1976 North Adelaide (Australien) [Personenlexikon, 212 f.]. Sasse, Martin, Theologe, Pfarrer, Landesbischof 265 geb. 15. 8. 1890 Groß Drenzig (Brandenburg), gest. 28. 8. 1942 Eisenach [Personenlexikon, 213]. Schachinger, Fritz (nach abweichenden Angaben: Franz Eduard bzw. Friedrich Eduard), Jurist, Oberregierungsrat 290 geb. 6. 5. 1882 München, gest. 12. 9. 1951 München, Jurastudium München und Heidelberg, juristischer Vorbereitungsdienst 1905–1908, Laufbahn im bayerischen Staatsdienst seit 1909, Regierungsrat Polizeiamt Nürnberg 1922, Stellvertreter Polizeipräsident Nürnberg-Fürth 1923, Regierungsrat 1925, Oberregierungsrat 1932, nach kurzfristiger Beurlaubung Oberregierungsrat bei Reichsstatthalter Franz von Epp 1933, mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Staatssekretärs beim Reichsstatthalter beauftragt 1942–1945. Sch fer, Gerhard, Dr. phil. D., Germanist, Archivar, Kirchenoberarchivdirektor 20 geb. 2. 6. 1923 Stuttgart, gest. 8. 3. 2003, Germanistik-, Geschichts- und Theologiestudium Tübingen, dann Mitarbeiter im Verlagswesen, Kirchenoberarchivdirektor Stuttgart 1956–1988, Vorsitzender des Vereins für württembergische Kirchengeschichte 1962–1988. Sch ffer, Fritz, Jurist, BVP/CSU-Politiker, Ministerpräsident, Bundesminister 403, 408 geb. 12. 5. 1888 München, gest. 29. 3. 1967 Berchtesgaden, Jurist im Staatsdienst, MdL Bayern (BVP) 1920–1933, Vorsitzender BVP 1929–1933, Staatsrat und Leiter des bayerischen Finanzministeriums 1931–1933, Absetzung und kurzzeitige Verhaftung 1933, Rechtsanwalt München 1934–1945, Konzentrationslagerhaft Dachau nach dem 20. Juli 1944, Ministerpräsident Bayern 28.5. bis 28. 9. 1945, Mitbegründer der CSU 1945, Verbot der politischen Betätigung durch die Militärregierung 1946–1948, MdB 1949–1961, Bundesfinanzminister 1949–1957, Bundesjustizminister 1957–1961.
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Scharf, Kurt, D. Dr. theol. h. c., Theologe, Pfarrer, Bischof 318, 414 geb. 21. 10. 1902 Landsberg/Warthe, gest. 28. 3. 1990 Berlin [Personenlexikon, 214]. Scharnagl, Karl, Dr. med. h. c., Handwerksmeister, Zentrums/BVP/CSU-Politiker, Oberbürgermeister 368 geb. 17. 1. 1881 München, gest. 6. 4. 1963 München, Bäcker- und Konditormeister, MdL Bayern (Zentrum) 1911–1918 und (BVP) 1920–1924 sowie 1928–1932, Stadtrat München 1919, Erster Bürgermeister ebd. 1925, Oberbürgermeister ebd. 1927–1933, Festnahme und Konzentrationslagerhaft Dachau im Zusammenhang des 20. Juli 1944, kurz vor Kriegsende Flucht in ein Kloster bei Glonn, Oberbürgermeister München 1945–1948, Zweiter Bürgermeister ebd. 1948/49, Mitinitiator bei der Gründung der CSU 1945, Mitbegründer der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit 1948. Schaudig, Wolfgang, Theologe, Prediger und Seelsorger 281 geb. 27. 4. 1918 München, gest. 28. 12. 1969 Schweinfurt, Theologiestudium Erlangen, Theologische Aufnahmeprüfung, aber wegen Blindheit keine Übernahme ins Pfarramt, Prediger und Seelsorger Dekanatsbezirk Erlangen 1958. Schemm, Hans, Lehrer, NSDAP-Politiker, Gauleiter, Kultusminister 156, 162, 172, 196 geb. 6. 10. 1891 Bayreuth, gest. (Flugzeugabsturz) 5. 3. 1935 Bayreuth, Lehrer ab 1910, krankheitsbedingt abgebrochener Einsatz als Sanitäter im Ersten Weltkrieg, dann wieder im Schuldienst, Freikorps Epp 1919, Laborant Thale am Harz 1920, Lehrer Bayreuth 1921, Mitglied NSDAP 1923, Ortsgruppenleiter Bayreuth 1924, MdL Bayern und Leiter des NSDAP-(Unter-)Gaus Oberfranken 1928, Gründer und Leiter des NSLB 1929, MdR 1930, Gauleiter des neuen NSDAP-Gaus Bayerische Ostmark und bayerischer Kultusminister 1933. Schian, Martin, Lic. theol. D., Theologe, Universitätslehrer, Generalsuperintendent 124 geb. 10. 8. 1869 Liegnitz (Schlesien), gest. 11. 6. 1944 Breslau [Personenlexikon, 216]. Schieder, Julius, D. theol., Theologe, Pfarrer, Predigerseminardirektor, Oberkirchenrat 121, 162, 181, 187, 195, 226, 404, 455 f., 460–462 geb. 17. 7. 1888 Weißenburg/Bayern, gest. 29. 7. 1964 München, Ordination 1911, Vikar Burghausen/Oberbayern 1912, Feldgeistlicher 1914, Pfarrer Augsburg 1915, Direktor Predigerseminar Nürnberg 1928, Oberkirchenrat und Kreisdekan Nürnberg 1935–1958. – Mitglied des Reichsbruderrats 1935. – Teilnehmer der Bekenntnissynoden der DEK Barmen 1934, Berlin-Dahlem 1934, Augsburg 1935, Bad Oeynhausen 1936. Schiller, Friedrich, Dr. med., Dichter 102 geb. 10. 11. 1759 Marbach am Neckar, gest. 9. 5. 1805 Weimar, Dichter, Arzt und Historiker. Schlatter, Adolf, Theologe, Pfarrer, Universitätslehrer 115 geb. 16. 9. 1852 St. Gallen, gest. 19. 5. 1938 Tübingen [Personenlexikon, 217]. Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst, Theologe, Hofprediger, Universitätslehrer, Rektor 61, 64 geb. 21. 11. 1768 Breslau, geb. 12. 2. 1834 Berlin, Theologiestudium Halle 1787–1790, Hauslehrer Schlobitten 1790, Hilfsprediger Landsberg/Warthe 1794, Prediger Charit
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Personenregister / Biographische Angaben
Berlin 1796, Hofprediger Stolp 1802, außerordentlicher Professor für Theologie Halle 1804, nach Schließung der Universität Wegzug nach Berlin 1807, Pfarrer ebd. 1809, Mitbegründer der Universität Berlin, ordentlicher Professor der Theologie ebd. und Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften 1810, Sekretär ebd. 1814, Rektor Universität Berlin 1815/16. Schlink, Edmund, Dr. phil. Lic. theol. Dr. h. c. mult., Theologe, Studentenpfarrer, kirchlicher Dozent, Universitätslehrer 424, 438 geb. 6. 3. 1903 Darmstadt, gest. 20. 5. 1984 Heidelberg [Personenlexikon, 218 f.]. Schmid, Heinrich, Theologe, Pfarrer 375 geb. 2. 10. 1885 Reichenhall, gest. 6. 2. 1967 Strub bei Berchtesgaden, Pfarrer Lindau 1914, Augsburg 1926–1960, Titel Kirchenrat 1942. Schmidt, Hans Michael 260 geb. 1894, Offizier im Ersten Weltkrieg, Teilnehmer am Hitler-Ludendorff-Putsch 1923, Träger des „Blutordens“ der NSDAP, Kriegsdienst im Zweiten Weltkrieg. Schmidt, Kurt Dietrich, Lic. theol. D., Theologe, kirchlicher Dozent, Universitätslehrer 20 geb. 25. 10. 1896 Uthlede Kr. Cuxhaven, gest. 27. 7. 1964 Hamburg [Personenlexikon, 222]. Schmidt, Wilhelm Ferdinand, Lic. theol. D., Theologe, Pfarrer, Dekan, Oberkirchenrat 146, 192, 364, 400 geb. 7. 5. 1899 Merkendorf/Mittelfranken, gest. 2. 6. 1980 München, Ordination und Hilfsgeistlicher Nürnberg-Gibitzenhof und München 1924, Pfarrer Wechingen 1927, München 1933, Beurlaubung zur Dienstleistung bei der VKL I Februar 1935, gelegentlich Stellvertreter Meisers im Reichsbruderrat, theologischer Hilfsreferent Landeskirchenrat München 1936 und Geschäftsführer der Landeskirchlichen Pressestelle bis zum Publikationsverbot für kirchliche Gemeindeblätter 1941 (1943), Pfarrer und kommissarischer Dekan Selb 1942, Dekan Regensburg 1945, Oberkirchenrat Landeskirchenrat München 1946–1969. – Mitglied des Lutherischen Rates 1934/35. Schmitz, Elisabeth, Dr. phil., Lehrerin, Studienrätin 248 geb. 23. 8. 1893 Hanau, gest. 10. 9. 1977 Offenbach am Main, Geschichts-, Germanistikund Theologiestudium 1914–1921, dann schulischer Vorbereitungsdienst, Lehrerin an wechselnden Schulen Berlin 1923, Studienrätin ebd. 1929, Mitglied der Bekennenden Kirche 1934, Versetzung wegen Gegnerschaft zum Nationalsozialismus und Verfasserin der Denkschrift „Zur Lage der deutschen Nichtarier“ 1935, Versetzung in den Ruhestand auf eigenen Wunsch 1938, Rückkehr in die Heimatstadt Hanau 1943, Lehrerin ebd. 1946–1958. Schneider, Hans, Dr. jur., Jurist, Synodalausschussmitglied 198 Rechtsanwalt München, Mitglied des bayerischen Landessynodalausschusses und des bayerischen Dienststrafgerichtshofs bei Verfahren gegen Geistliche ab 1933, Mitglied der Disziplinarkammer beim Landeskirchenrat ab 1940. Schneider, Paul, Theologe, Pfarrer, Opfer des NS-Regimes 345 geb. 29. 8. 1897 Pferdsfeld (Hunsrück), gest. 18. 7. 1939 (ermordet) KZ Buchenwald [Personenlexikon, 224]. Schneider, Thomas Martin 18 Schneider-Ludorff, Gury 18
Personenregister / Biographische Angaben
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Schçffel, Simon, Dr. phil. Lic. theol. D., Theologe, Pfarrer, Landesbischof, kirchlicher Dozent 38, 111, 168, 172, 306, 310 geb. 22. 10. 1880 Nürnberg, gest. 28. 5. 1959 Hamburg, Schulfreund Hans Meisers [Personenlexikon, 225]. Schoenaich-Carolath, Sieghard Prinz von 419 geb. 27. 1. 1886, gest. 5. 2. 1963 Remlingen, Korrespondenzpartner Hans Meisers. Scholder, Klaus, Dr. phil., Theologe, Hochschullehrer 16, 18, 311 geb. 12. 1. 1930 Erlangen, gest. 10. 4. 1985 Tübingen, Theologie-, Germanistik- und Geschichtsstudium Tübingen und Göttingen 1949–1954, Ordination und Promotion 1956, kulturpolitischer Referent FDP-Bundestagsfraktion 1956–1958, Pfarrverweser Bad Überkingen 1958, Repetent Evangelisches Stift Tübingen 1959, Habilitation 1965, Privatdozent Tübingen, Professor für Kirchenordnung ebd. 1968–1985, Vorsitzender der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte 1975–1985. Scholz, Gustav, D., Oberkonsistorialrat 155 Oberkonsistorialrat und theologischer Berichterstatter im Kirchenbundesamt seit 1924. Schorlemmer, Paul, Lic. theol., Theologe, Pfarrer, Gymnasiallehrer 127 geb. 5. 12. 1886 Darmstadt, gest. 2. 11. 1962 Bad Nauheim, Studium Theologie und Semitische Sprachwissenschaften 1905–1909, Pfarrverwalter Geinsheim 1910, Pfarrassistent Gießen 1910–1912, Pfarrer Frischborn 1912–1919, dazwischen Feldgeistlicher 1916–1918, Stiftspfarrer Lich 1919–1930, Schriftführer Hochkirchliche Vereinigung 1927–1935, Gymnasiallehrer Mainz 1930–1944, Pfarrverwalter Oberwiddersheim 1944/45, Wohnbach 1945, Lehrer Friedberg 1951. Schornbaum, Karl, Dr. theol. D., Theologe, Pfarrer, Dekan, Archivleiter, Universitätslehrer 122, 146 geb. 7. 3. 1875 Thundorf (Unterfranken), gest. 18. 1. 1953 Nürnberg, Theologiestudium Erlangen, Kiel und Greifswald 1893–1897, Ordination Ansbach 1898, Pfarrer Alfeld 1907, Dekan Roth 1922, Vorsitzender des Vereins für bayerische Kirchengeschichte 1924–1953, Leiter des Landeskirchlichen Archivs Nürnberg 1931–1946, Lehrauftrag für Bayerische Kirchengeschichte Erlangen 1933, Honorarprofessor Erlangen 1945. Schrçter, Wolfdietrich, Theologe, Stadtvikar 257 geb. 9. 9. 1913 München-Solln, gest. (gefallen) 9. 6. 1940 Croutoy (Frankreich), Theologiestudium Bethel, Erlangen und Tübingen, Privatvikar München, dann Obristau, Ordination 1937, Beurlaubung zum Dienst in Österreich, Hausgeistlicher Diakonissenhaus Gallneukirchen bei Linz und Pfarrvikar ebd. 1938, Stadtvikar Augsburg 1938, Kriegsdienst 1939. Schweitzer, Carl Gunther, Dr. phil. D., Theologe, Pfarrer, Direktor, Superintendent, Universitätslehrer 259 geb. 22. 12. 1889 Charlottenburg, gest. 20. 6. 1965 Bonn [Personenlexikon, 234]. Schwerin von Krosigk, Lutz Graf, Jurist und Staatswissenschaftler, Reichsfinanzminister 384, 386 geb. 22. 8. 1887 Rathmannsdorf/Anhalt, gest. 4. 3. 1977 Essen, Studium der Rechts- und Staatswissenschaften, im preußischen Staatsdienst seit 1909, Regierungsrat Reichsfinanzministerium 1920, Ministerialdirektor und Leiter der Haushaltsabteilung ebd. 1929, Reichsfinanzminister 1932–1945, Vorsitzender der geschäftsführenden
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Reichsregierung Mai 1945, Verurteilung zu 10 Jahren Gefängnis im Nürnberger Wilhelmstraßenprozess 1949, Begnadigung 1951. Seeberg, Reinhold, Mag. theol. D. Dr. jur. h. c. Dr. med. h. c. Dr. phil. h. c., Theologe, Universitätslehrer 45, 73 geb. 5. 4. 1859 Pörrafer (Livland), gest. 23. 10. 1935 Ahrenshoop/Ostsee [Personenlexikon, 235]. Sehling, Emil, Dr. jur. utr. Dr. theol. h. c., Jurist, Kirchenrechtler, Universitätslehrer 48 geb. 9. 7. 1860 Essen, gest. 30. 11. 1928 Erlangen, Jurastudium seit 1877, Militärdienst 1882, Rechtsreferendariat 1883, Privatdozent für Kirchenrecht Leipzig 1885, außerordentlicher Professor ebd. 1888, außerordentlicher Professor für Kirchenrecht, Handelsrecht und Privatrecht Kiel 1888, ordentlicher Professor für Kirchenrecht Erlangen 1889, zugleich Lehrauftrag für Deutsches Privatrecht, Handelsrecht und Seerecht ebd. 1893 und für Handelsrecht Handelshochschule Nürnberg 1919. Seiler, Gottfried, Theologe, Pfarrer, Anstaltsleiter 76 geb. 27. 5. 1866 Balgheim, gest. 9. 6. 1940 Leipzig, Repetent Theologische Fakultät Erlangen 1890, Pfarrer Feucht 1893, Leiter Diakonen- und Erziehungsanstalt Rummelsberg 1911, Pfarrer Kattenhochstadt 1918, Titel Kirchenrat 1935, Ruhestand 1936. Seiler, Heinrich, Theologe, Pfarrer 405 geb. 3. 7. 1900 Schillingsfürst, gest. 7. 6. 1996, Ordination 1924, Pfarrer Hohentrüdingen 1927, Sonthofen 1932, Ansbach 1938, Landeskirche Sachsen 1958, Ruhestand 1967. Semler, Johannes, Dr. jur., Jurist, Rechtsanwalt, CSU-Politiker, hohe Positionen in der Wirtschaft, Bundestagsabgeordneter 360 geb. 16. 12. 1898 Hamburg, gest. 31. 1. 1973 München, Jura- und Staatswissenschaftsstudium, Rechtsanwalt Hamburg 1924, Wirtschaftsprüfer und Vorstandsmitglied Deutsche Warentreuhandgesellschaft 1932, Gründungsmitglied CSU 1945, Mitglied CSU-Landesvorstand 1946/47, Aufsichtsrat Deutsche Warentreuhandgesellschaft 1947, Direktor Verwaltung für Wirtschaft Bizonenverwaltung 1947/48, MdB 1950–1953, Wirtschaftsberater 1953, Aufsichtsratsvorsitzender BMW 1960/61. Shuster, George Nauman, Dr. phil., College-Präsident, US-Besatzungsoffizier, Landkommissar 386 geb. 27. 8. 1894 Lancaster (Wisconsin), gest. 25. 1. 1977 South Bend (Indiana), Leiter englisches Seminar Universität Notre Dame 1920–1924, Lehrer St. Joseph’s College Brooklyn 1924–1935, Studienaufenthalte in Deutschland und Erwerb der deutschen Sprache 1932 und 1937, Präsident Hunter College New York 1940–1960 (unterbrochen von zahlreichen Beurlaubungen), Berater des State Department im Zweiten Weltkrieg, nach Kriegsende Vernehmungsoffizier bei der US-Army, Landkommissar der amerikanischen Besatzungsverwaltung für Bayern 1950–1951, Assistent des Präsidenten Universität Notre Dame 1961–1971. Sichelschmidt, Karla 475 Siebert, Ludwig, Jurist, Oberbürgermeister, NSDAP-Politiker, Ministerpräsident 162, 165, 172, 183, 187, 189, 220, 246 f. geb. 17. 10. 1874 Ludwigshafen, gest. 1. 11. 1942 Stock/Chiemsee, Jurist, Eintritt in den bayerischen Staatsdienst 1897, Amtsanwalt Neustadt an der Weinstraße 1901, Staatsanwalt Fürth 1905, Magistrat Lindau 1907, Bürgermeister Rothenburg ob der Tauber 1908, Erster Bürgermeister Lindau 1919, Oberbürgermeister ebd. 1924, Mitglied NSDAP 1931, MdL Bayern 1932/33, Ministerpräsident Bayern, Finanzminister ebd. und
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MdR 1933–1942, zugleich bayerischer Wirtschaftsminister 1936–1942, SA-Gruppenführer 1933, Obergruppenführer 1938. Simon, Matthias, Lic. theol. D., Theologe, Pfarrer, Archivdirektor 97, 103, 153 geb. 10. 6. 1893 Wernsbach bei Ansbach, gest. 17. 3. 1972 Nürnberg, Theologiestudium, Predigerseminar München 1920, Ordination und Exponierter Vikar (mit dem Titel Pfarrer) Erding 1921, Pfarrer Arzberg 1925, Mitglied SPD 1926, Studienrat Nürnberg 1932, Pfarrer Augsburg 1936, Titel Kirchenrat 1945, Direktor des Landeskirchlichen Archivs Nürnberg 1947, Ruhestand 1963, Vorsitzender des Vereins für bayerische Kirchengeschichte 1953–1966. Smid, Marikje 138 Smith-von Osten, Annemarie 17 Sondermann, Hermann, Theologe, Pfarrer 121 geb. 15. 1. 1903 Bayreuth, gest. 7. 6. 1960 Offenbau, Theologiestudium Erlangen und Tübingen seit 1923, Vikariat 1927, Predigerseminar Nürnberg, Pfarrer Offenbau 1931, Mitglied der SA 1932 bis zum Ausschluss 1935, Dienstverpflichtung Großreuth bei Schweinau und Gebersdorf 1941, wegen Verstoß gegen das sog. Heimtückegesetz Haft 1942/43, Entzug der Ordination und Ausschluss vom Pfarramt 1943, nach der Haftentlassung Einsatz im Kirchensteueramt Regensburg, Wiederaufnahme ins Pfarramt und Pfarrer Offenbau 1944, gegen den Willen Sondermanns Versetzung nach Regnitzlosau und Rückversetzung nach Offenbau 1952. Stahn, Julius, Dr. jur., Jurist, Konsistorialrat, Ministerialrat, Ministerialdirigent 344 geb. 11. 11. 1898 Berlin, gest. 26. 5. 1945 (russisches Gefangenenlager) Landsberg/ Warthe, Konsistorialassistent Berlin und Stettin 1928, Magdeburg 1929, Konsistorialrat, beurlaubt zur Dienstleistung in der Geistlichen Abteilung des preußischen Kultusministeriums 1930, Ministerialrat 1934, im Reichskirchenministerium seit Juli 1935, Ministerialdirigent 1937. Stange, Erich, Dr. theol., Theologe, Pfarrer, Reichswart, CVJM-Präsident 127 geb. 23. 3. 1888 Schwepnitz (Sachsen), gest. 12. 3. 1972 Kassel [Personenlexikon, 244 f.]. Steck, Karl Gerhard, Dr. theol., Theologe, kirchlicher Dozent, Pfarrer, Universitätslehrer 230, 435 geb. 28. 4. 1908 Markt Nordheim, gest. 16. 7. 1983 Bad Homburg vor der Höhe, Vikar München 1932, Ordination 1933, Dozent Predigerseminar (Bekennende Kirche) Frankfurt/Main 1935, Pfarrer Sulzbach-Rosenberg 1943, Inspektor Theologisches Stift Göttingen 1948, Privatdozent 1952, ordentlicher Professor für Evangelische Theologie Frankfurt/Main 1952, ordentlicher Professor für Systematische Theologie Münster 1964, Emeritierung 1980. Stegemann, Wolfgang 139 f., 470, 472 f. Steinbauer, Eugenie (geb. Beckh) 215 geb. 10. 12. 1909 Erlangen, gest. 14. 4. 1991 Erlangen, Ehefrau Karl Steinbauers. Steinbauer, Karl, Theologe, Pfarrer 16, 173, 205, 207, 212–215, 231, 359, 455 geb. 2. 9. 1906 Windsbach, gest. 6. 2. 1988 Erlangen-Buckenhof [Personenlexikon, 247]. Steiner, Rudolf, Dr. phil., Lehrer, Publizist, Begründer der Anthroposophie 130 geb. 27. 2. 1861 Kraljevec (damals Ungarn), gest. 30. 3. 1925 Dornach (Schweiz), Mathematik-, Naturwissenschafts-, Philosophie-, Literatur- und Geschichtsstudium Wien
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1879–1883, Haus- und Nachhilfelehrer Wien 1884–1890, Mitarbeiter Goethe-Ausgabe Weimar 1890–1897, Mitherausgeber „Magazin für Literatur“ 1897–1900, Lehrer Arbeiterbildungsschule Berlin 1899–1904, Generalsekretär deutsche Sektion der Theosophischen Gesellschaft 1902, Begründer der Anthroposophie, Vortragsredner und Ehrenpräsident der 1912 gegründeten Anthroposophischen Gesellschaft, künstlerischer Leiter bei der Errichtung des Goetheanums Dornach 1913–1922. Steinmetz, Julius (geb. Cohen), Theologe, Pfarrer 257 geb. 28. 10. 1893 Regensburg, gest. 22. 11. 1965 Behringersdorf, Pfarrer Kemmoden 1922, Azendorf 1929, Ruhestandsversetzung 1939, Deportation in ein Zwangsarbeitslager 1944, bei der Verlegung in das KZ Flossenbürg Befreiung 1945, Wiederaufnahme in den Pfarrdienst und Pfarrer Gerolfingen 1946. Stoecker, Adolf, Theologe, Hof- und Domprediger, christlicher Politiker, Mitbegründer Evangelisch-sozialer Kongress 87, 138 geb. 11. 12. 1835 Halberstadt, gest. 7. 2. 1909 Gries bei Bozen, Theologiestudium 1853–1859, Hauslehrer Zernickow 1858, Rindseln 1859–1862, Pfarrer Seggerde 1863, Hamersleben 1867, Divisionspfarrer Metz (Lothringen) 1871, Hof- und Domprediger Berlin 1874–1890, Leiter Stadtmission Berlin und Mitinitiator Central-Verein für Socialreform 1877, Initiator der Christlich-sozialen Arbeiterpartei 1878 (umbenannt in Christlich-soziale Partei 1881, zeitweise eingegliedert in die Deutschkonservative Partei), MdL Preußen 1879–1898, MdR 1881–1893 und 1898–1908, Mitbegründer des Evangelisch-sozialen Kongresses 1890, Austritt aus dem Kongress und Gründer der Freien Kirchlich-sozialen Konferenz 1897. Stoll, Christian, Theologe, Pfarrer, Dekan, Oberkirchenrat 19, 179, 219, 291 f., 328, 330 f., 333 f., 340, 359, 423 geb. 13. 7. 1903 Neustadt/Aisch, gest. (Autounfall) 6. 12. 1946 zwischen Babenhausen und Aschaffenburg [Personenlexikon, 250]. Strathmann, Hermann, Lic. theol. D., Theologe, Universitätslehrer, Politiker 246, 254, 382, 404, 449 geb. 30. 8. 1882 Opherdicke (Westfalen), gest. 29. 11. 1966 Erlangen [Personenlexikon, 251 f.]. Strauss, David Friedrich, Theologe, Universitätslehrer, Schriftsteller 61 geb. 27. 1. 1808 Ludwigsburg, gest. 8. 2. 1874 Ludwigsburg, Philosophie- und Theologiestudium ab 1825, Repetent Tübinger Stift 1832, Entfernung aus dem Repetentenamt und Professoratsverweser Ludwigsburg 1835, Professor für Dogmatik und Kirchengeschichte Zürich, wegen kirchlichem Einspruch noch vor Antritt des Amtes Ruhestandsversetzung 1839, danach freier Schriftsteller. Streicher, Julius, Lehrer, NSDAP-Politiker, antisemitischer Publizist, Gauleiter 137, 162, 235 f., 469 geb. 12. 2. 1885 Fleinhausen, gest. (hingerichtet) 16. 10. 1946 Nürnberg, Lehrer seit 1904, Mitglied Deutschsoziale Partei 1919, Beitritt zur NSDAP und Gründer der Ortsgruppe Nürnberg 1921, Gründer und Herausgeber des antisemitischen Hetzblatts „Der Stürmer“ 1923–1945, wegen Teilnahme am Hitler-Putsch im November 1923 Suspendierung vom Schuldienst (endgültige Entlassung 1928), MdL Bayern 1924–1932, Gauleiter der NSDAP Franken 1925, nach Teilung des Gaus Leiter des zentralen Gaus NürnbergFürth 1928, nach Neuaufteilung Gauleiter Mittelfranken (Umbenennung in Franken
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1936) 1930, MdR Januar 1933, Leiter des „Zentralkomitees zur Abwehr der jüdischen Greuel- und Boykotthetze“ März 1933, Leiter der Regierung von Ober- und Mittelfranken und SA-Gruppenführer 1934, Untersuchungen wegen Korruption seit 1939, Amtsenthebung unter Beibehaltung des Titels Gauleiter und der Herausgeberschaft des „Stürmer“ 1940, Flucht nach Österreich April 1945, Verhaftung Mai 1945, vom Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg zum Tod verurteilt September 1946. Sulze, Emil, Dr. theol., Theologe, Pfarrer 124 geb. 26. 2. 1832 Kamenz (Oberlausitz), gest. 29. 5. 1914 Bad Oeynhausen, Theologiestudium, Diakonus Johanngeorgenstadt 1856, Pfarrer Osnabrück 1957, Chemnitz 1872, Dresden 1876, Ruhestand 1899. Sylten, Werner, Theologe, Pfarrer, Heimleiter, Opfer des NS-Regimes 257 f. geb. 9. 8. 1893 Hergeswyl (Schweiz), gest. (ermordet) 26. 8. 1942 KZ Schloss Hartheim bei Linz (Österreich) [Personenlexikon, 253]. Thadden-Trieglaff, Reinold von, Dr. jur. D. D.D., Jurist, Gutsbesitzer, Kirchentagspräsident 430 geb. 13. 8. 1891 (Ostpreußen), gest. 10. 10. 1976 Fulda [Personenlexikon, 254 f.]. Thierfelder, Jörg 20, 138, 303 Thomasius, Gottfried, D. theol. h. c., Theologe, Pfarrer, Universitätslehrer 39 f. geb. 26. 7. 1802 Egenhausen Kreis Ansbach, gest. 24. 1. 1875 Erlangen, Theologiestudium 1821–1825, Vikar Cadolzburg 1825, Pfarrverweser Kalchreuth 1826, Pfarrer Nürnberg 1829, zugleich Gymnasialprofessor für Religion 1830 und Lehrer für Latein ebd. 1831, ordentlicher Professor für Dogmatik Erlangen 1842. Timm, Johannes, Schneider, Politiker, Justizminister 101 geb. 13. 4. 1866 Schashagen, gest. 3. 12. 1945 München, Schneider, Mitglied Hauptvorstand Schneiderverband 1890/91, Angestellter Schneiderverband Berlin 1891–1898, Arbeitersekretär München 1898–1911, Vorsitzender sozialdemokratischer Gauvorstand Südbayern 1904–1919, MdL Bayern 1905–1933, Geschäftsleiter Arbeiter- und Gewerkschaftssekretariat sowie Vorsitzender Gewerkverein München 1911–1919, bayerischer Justizminister 1918–1919, Geschäftsführer Reichszentrale für Heimatdienst (Bayern) 1920–1931. Tçllner, Axel 18, 139, 301 Treitschke, Heinrich von, Dr. jur., Historiker, Staatswissenschaftler, Nationalökonom, Universitätslehrer, Politiker 21 geb. 15. 9. 1834 Dresden, gest. 28. 4. 1896 Berlin, Geschichtsstudium Bonn 1851–1853, dann Studium der Staats- und Kameralwissenschaften Leipzig, Habilitation ebd. 1858, Privatdozent für Nationalökonomie ebd. 1859, außerordentlicher Professor für Staatswissenschaften Freiburg im Breisgau 1863, ordentlicher Professor für Geschichte und Politik Kiel 1866, Heidelberg 1867, Mitglied Nationalliberale Partei 1871–1878, MdR 1871–1884, ordentlicher Professor Berlin 1873. Trenkle, August, Theologe, Pfarrer, Dekan 53–57 geb. 4. 3. 1846 Langenzenn, gest. 19. 5. 1925, Pfarrer Bronn 1876, Schwabach 1880, Dekan Eyrichshof 1887, Weiden 1900, Rothenburg ob der Tauber 1908, Trommetsheim 1915, Ruhestand 1920.
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Troeltsch, Ernst, Lic. theol. Dr. theol. h. c. Dr. phil. h. c. Dr. jur. h. c., Theologe, Philosoph, Universitätslehrer, Unterstaatssekretär 62 geb. 17. 2. 1865 Haunstetten bei Augsburg, gest. 1. 2. 1923 Berlin [Personenlexikon, 261]. Trotha, Lothar von, Offizier, Oberbefehlshaber und Gouverneur, verantwortlich für den Völkermord an den Herero 477 geb. 3. 7. 1848 Magdeburg, gest. 31. 3. 1920 Bonn, Eintritt in die preußische Armee 1865, Teilnehmer am Preußisch-Österreichischen (Deutschen) Krieg 1866, am DeutschFranzösischen Krieg 1870/71, Bataillonskommandeur Ratzeburg 1892, Oberstleutnant, Dienstleistung beim Auswärtigen Amt, stellvertretender Gouverneur und Kommandeur der Schutztruppen Deutsch-Ostafrika 1894, Rückkehr nach Deutschland, Oberst und Regimentskommandeur 1897, Generalleutnant und Kommandeur der 1. Ostasiatischen Infanterie-Brigade 1900, Rückkehr nach Deutschland 1903, Oberbefehlshaber und Gouverneur Deutsch-Südwest-Afrika, Verantwortlicher für den Völkermord an den Herero 1904, Abberufung und Rückkehr nach Deutschland 1905, Ausscheiden aus dem aktiven Dienst 1906, Ehrentitel General der Infanterie 1910. Truman, Harry S., US-Präsident 384 geb. 8. 5. 1884 Lamar (Missouri), gest. 26. 12. 1972 Kansas City (Missouri), Präsident der USA 1945–1953. Ude, Christian 475–479 Uhland, Ludwig, Dr. jur., Dichter 37 geb. 26. 4. 1787 Tübingen, gest. 13. 12. 1862 Tübingen, Dichter, Altgermanist und Politiker. Veit, Ernst, Theologe, Pfarrer 145 geb. 28. 9. 1891 Schwarzenbach (Saale), gest. 15. 1. 1968 Neuendettelsau, Pfarrer Zeilitzheim 1920, Castell 1924, München 1929, zeitweiser Ruhestand 1933, dauerhafter Ruhestand 1936. Veit, Friedrich, Theologe, Pfarrer, Oberkonsistorialpräsident, Kirchenpräsident 100, 103, 107 f., 114, 143, 145, 152, 157–160, 168 f., 285, 304, 487 geb. 18. 5. 1861 Augsburg, gest. 18. 12. 1948 Bayerischzell [Personenlexikon, 263]. Visser ’t Hooft, Willem Adolf, Dr. theol., Sekretär CVJM-Weltbund, Ökumeniker, Generalsekretär ÖRK 446 geb. 20. 9. 1900 Haarlem/Niederlande, gest. 4. 7. 1985 Genf, Sekretär des CVJM-Weltbunds 1924–1931, Mitarbeit an allen ökumenischen Konferenzen und Organisator der ökumenischen Bewegung seit 1925, Sekretär des Christlichen Studentenweltbunds 1931, dessen Generalsekretär 1933, dessen Vorsitzender 1936, Generalsekretär des (im Aufbau begriffenen) ÖRK Genf 1938–1966 (1948 im Amt bestätigt), dessen Ehrenpräsident 1968. Vollnhals, Clemens 17, 395 Wacher, Gerhard, Oberlandwirtschaftsrat, Politiker, Bundestagsabgeordneter, Staatssekretär 415 geb. 29. 11. 1916 Wien, gest. 27. 10. 1990 Konradsreuth, Landwirtschaftsstudium, Kriegsdienst 1939–1945, Wirtschaftsberater Landwirtschaftsamt Hof 1946, Eintritt in den bayerischen Staatsdienst 1948, danach Laufbahn bis zum Oberlandwirtschaftsrat, Mitglied CSU 1949, Kreisvorsitzender Hof 1951, stellvertretender Vorsitzender Bezirk
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Oberfranken 1953, MdB 1953–1963, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSULandesgruppe 1954–1962, Staatssekretär im bayerischen Verkehrs- und Wirtschaftsministerium 1962–1966, MdL Bayern 1966–1974. Wagner, Adolf, Bergbaugesellschaftsdirektor, NSDAP-Politiker, Gauleiter, Staatsminister 208, 240 f., 244, 271 f. geb. 1. 10. 1890 Algringen (Lothringen), gest. 12. 4. 1944 Bad Reichenhall, Naturwissenschafts- und Mathematikstudium Straßburg 1911, bis Kriegsausbruch Bergbaustudium Aachen 1914, Infanterieleutnant im Ersten Weltkrieg, Bergbaugesellschaftsdirektor Oberpfalz und Österreich 1919–1929, Eintritt in die NSDAP und Teilnehmer am Hitler-Putsch 1923, MdL Bayern 1924, NSDAP-Gauleiter Oberpfalz 1928, zugleich Gauleiter Groß-München 1929, Gauleiter des zusammengelegten Gaus MünchenOberbayern 1930, MdR, bayerischer Innenminister und stellvertretender Ministerpräsident 1933, zugleich bayerischer Kultusminister 1936, Reichsverteidigungskommissar 1939. Wagner, Ulrich 476 f., 479 Weichlein, Julius, Dr. jur., Theologe, Pfarrer, Vereinsgeistlicher 280 geb. 7. 4. 1898 München, gest. 1. 7. 1978 Mühldorf, Ordination 1922, Pfarrer Rödelsee 1926, 3. Vereinsgeistlicher Landesverein für Innere Mission Nürnberg 1932, 1. Vereinsgeistlicher ebd. und Sudenprediger 1934, Pfarrer Mühldorf 1945, Titel Kirchenrat 1958, Ruhestand 1964. Weing rtner, Paula 72 Stiefmutter von Hans Meisers Ehefrau Elisabeth. Weitzel, Friedrich, Theologe, Pfarrer, Studienrat 291 geb. 26. 5. 1912 Volpriehausen, gest. 26. 1. 1971 Coburg, Ordination 1938, Pfarrer Unternesselbach 1943, Religionslehrer Coburg 1951, Studienrat ebd. 1953. Weizs cker, Ernst Freiherr von, Offizier, Diplomat, Staatssekretär, Botschafter 384, 386 geb. 25. 5. 1882 Stuttgart, gest. 4. 8. 1951 Lindau, Marineoffizier seit 1900, Marineattach Den Haag 1918, Einberufung in das Auswärtige Amt 1920, Leiter des Referats Völkerbund ebd. 1928, Gesandter Oslo 1931, Gesandter Bern 1933, Leiter der Politischen Abteilung des Auswärtigen Amts 1936, Staatssekretär und Eintritt in die NSDAP 1938, Botschafter beim Vatikan 1943, Verurteilung im Nürnberger Wilhelmstraßenprozess zunächst zu sieben, dann zu fünf Jahren Gefängnis 1949, vorzeitige Entlassung aus der Landsberger Haft 1950. Wellhausen, Hans, Dr. jur., Jurist, FDP-Politiker, Bundestagsabgeordneter, Fraktionsvorsitzender 406 geb. 19. 9. 1894 Münder am Deister, gest. 3. 9. 1964 Rummelsberg, Jurastudium 1913, Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg, Gerichtsassessor 1923, später Regierungsrat Bremen, Angestellter Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg 1926, Vorstandsmitglied ebd. 1931, Mitglied NSDAP 1942, nach dem Zweiten Weltkrieg Mitglied FDP, MdB 1949–1957, stellvertretender Vorsitzender FDP-Bundestagsfraktion 1949–1953, Austritt aus der FDP und Mitglied CSU 1956. Wester, Reinhard, D., Theologe, Bischof 439 geb. 2. 6. 1902 Wuppertal-Elberfeld, gest. 16. 6. 1975 Fissau bei Eutin [Personenlexikon, 274]. Wichern, Johann Hinrich, Dr. theol., Theologe, Begründer der Inneren Mission 43, 77 f., 82, 85, 130, 486
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Personenregister / Biographische Angaben
geb. 21. 4. 1818 Hamburg, gest. 7. 4. 1881 Hamburg, Theologiestudium 1828, Oberlehrer für Kinder aus der Unterschicht 1832, Gründer und Leiter des „Rauhen Hauses“ Hamburg 1833, Begründer der Inneren Mission und Initiator des Centralausschusses für die Innere Mission 1848, Vortragender Rat für das Armen- und Gefängniswesen im preußischen Innenministerium und Oberkonsistorialrat EOK Berlin 1857, Gründer Evangelisches Johannesstift Berlin 1858, Niederlegung aller Ämter aus Gesundheitsgründen 1873/74. Wilhelm II. 29, 36 f., 99, 485 geb. 27. 1. 1859 Berlin, gest. 4. 1. 1941 Doorn (Niederlande), deutscher Kaiser und König von Preußen 1888–1918. Wilkens, Erwin, Theologe, Pfarrer, Oberkirchenrat, Vizepräsident 414 geb. 11. 7. 1914 Lingen (Ems), gest. 28. 1. 2000 Gehrden, Theologiestudium Münster, Göttingen und Tübingen, Kriegsdienst (zuletzt Offizier im Generalstab des Heeres) im Zweiten Weltkrieg, Pfarrer Hannover bzw. Vöhrum-Eixe 1945, Oberkirchenrat Kirchenkanzlei der VELKD 1951, Oberkirchenrat Kirchenkanzlei der EKD 1964, Vizepräsident ebd. 1973, Ruhestand 1980. Wimmer, Thomas, Schreiner, SPD-Politiker, Oberbürgermeister 453, 457 geb. 7. 1. 1887 Siglfing, gest. 18. 1. 1964 München, Möbelschreiner München 1904, Mitglied SPD 1909, Kriegsdienst 1914, Rüstungsarbeiter 1916, Assistent Arbeitsamt München und Vorsitzender SPD München 1919, ehrenamtlicher Stadtrat ebd. 1924–1933, „Schutzhaft“ 1933, nach der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis Mitarbeiter einer Baufirma bis 1938, Tätigkeit als Schreiner 1941, erneute Verhaftung und Inhaftierung im Konzentrationslager Dachau im Zusammenhang des 20. Juli 1944, erst dritter, dann zweiter Bürgermeister München 1945, MdL Bayern 1946–1950, Oberbürgermeister München 1948–1960. Wirth, Konrad, Vereinsgeistlicher, Pfarrer 28 geb. 13. 10. 1872 Adelmannsdorf, gest. 4. 11. 1941 Nürnberg, Vereinsgeistlicher für Innere Mission Nürnberg 1906, Pfarrer 1907, Hausgeistlicher städtisches Krankenhaus Nürnberg 1914, Pfarrer Nürnberg 1920, Titel Kirchenrat 1934. Wischmann, Adolf, Dr. theol. h. c., Theologe, Akademiedirektor, Präsident 414 geb. 17. 10. 1908 Brockel Kr. Rotenburg an der Wümme, gest. 27. 10. 1983 Rotenburg an der Wümme [Personenlexikon, 277]. Wittmann, Andreas, Studienrat, Hilfsreferent, Pfarrer, Dekan 386 f. geb. 24. 5. 1903 Nürnberg, gest. 19. 3. 1974 Nürnberg, Ordination 1926, Studienrat München 1931, theologischer Hilfsreferent Landeskirchenrat München 1945, Pfarrer Nürnberg 1946, Dekan Hof 1949, Titel Kirchenrat 1956, Ruhestand 1968. Wolfsdorf, Eugen, Freidenker, Publizist 56 monistisch-freidenkerischer Prediger, Pädagoge und Publizist, Redakteur „Organ für deutsches Freidenkerthum“ seit 1910. Wurm, Theophil, D., Theologe, Pfarrer, Dekan, Prälat, Kirchenpräsident, Landesbischof, Ratsvorsitzender der EKD 14 f., 19, 171, 173, 175, 177, 180, 182, 188 f., 201, 217, 229, 231–235, 251, 269–271, 273 f., 276 f., 279, 292, 294–301, 303, 306, 312, 314, 318–320, 329 f., 335, 337–339, 341, 343 f., 346–348, 350, 375, 379 f., 386, 394, 420–422, 426, 431, 434, 490 f., 493, 496
Personenregister / Biographische Angaben
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geb. 7. 12. 1868 Basel, gest. 28. 1. 1953 Stuttgart [Personenlexikon, 280]. Zahn, Theodor (seit 1907 Ritter von), Lic. theol. D. Dr. phil. h. c. Dr. litt. h. c. D. theol. h. c., Theologe, Gymnasiallehrer, Universitätslehrer 44 f. geb. 10. 10. 1838 Moers/Niederrhein, gest. 15. 3. 1933 Erlangen [Personenlexikon, 282]. Ziegler, Hans, Theologe, Pfarrer 259 geb. 8. 6. 1904 München, gest. 12. 11. 1967 Worms, Theologiestudium München, Erlangen, Bonn und Tübingen 1923–1927, Erstes Theologisches Examen Ansbach 1927, Kandidat Predigerseminar Nürnberg 1927–1928, Pfarrverweser Berneck April 1928, Stadtvikar Weiden Mai 1928 bis Dezember 1929, Ordination ebd. Juni 1928, auf eigenen Antrag aus der bayerischen Kandidatenliste gestrichen und Hilfsprediger Bremen 1930, Pfarrer Nobitz (Thüringen) 1930, Kriegsdienst 1940–1943, Wartestand 1943–1945, Angestellter Kirchensteueramt Augsburg 1943–1944, kommissarischer Pfarrer Nobitz 1945, Pfarrer ebd. 1946, Übersiedlung nach Westdeutschland und Entlassung aus dem Dienst der Thüringischen Landeskirche 1952, probeweise im Dienst der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau zu vikarischen Hilfsleistungen Dienheim und zugleich als Aushilfe Oppenheim 1953, Pfarrverwalter Hofheim Oktober 1953 bis Mai 1955, Pfarrer ebd. Juni 1955. Zittel, Karl Alfred von, Dr., Geologe, Paläontologe, Universitätslehrer 43 geb. 25. 9. 1839 Bahlingen, gest. 5. 1. 1904 München, Geologie- und Medizinstudium Tübingen, Mitarbeiter Geologische Reichsanstalt und Assistent Hofmineralienkabinett Wien 1862, Habilitation (Geologie und Paläontologie) und Privatdozent ebd. 1863, Professor für Mineralogie und Geognosie Karlsruhe 1863, Professor für Paläontologie München 1866, ordentlicher Professor für Geologie und Direktor des Paläontologischen Museums ebd. 1880. Zwanzger, Andreas, Missionar, Pfarrer 257 geb. 31. 12. 1870 Neuhaus bei Höchstadt an der Aisch, gest. 10. 6. 1942, Missionar Neuguinea, Aufbau der Missionsstation Wareo ab 1903, Rückkehr nach Deutschland 1913, wegen Beginn des Ersten Weltkriegs Rückkehr in den deutschen Pfarrdienst, Pfarrer Weißenbronn 1921, Ruhestand 1939. Zwanzger, Johannes, Theologe, Pfarrer, Vereinsgeistlicher 261–263, 299 geb. 4. 1. 1905 Wareo (Neuguinea), gest. 29. 11. 1999 Neuendettelsau, Theologiestudium Rostock, Ordination 1928, Pfarrer Thüngen 1933, 3. Vereinsgeistlicher Innere Mission München (beauftragt mit der Betreuung rassisch verfolgter Christen in der Münchner Hilfsstelle für „Glaubensgenossen in Not“) 1939, Kriegsdienst 1941, Pfarrvertretung München 1943, Pfarrer Neuburg an der Donau 1946, Titel Kirchenrat 1965, Ruhestand 1972. Zwçrner, Richard, Pfarrer, Studienrat 153 f. geb. 18. 8. 1892 Roth bei Nürnberg, gest. 17. 3. 1972 Nürnberg, Ordination 1921, Pfarrer Zeitlofs 1926, Pfarrer Selb 1930, Studienrat Bayreuth 1935, Würzburg 1937 bis zur Entlassung 1945, Amtsaushilfe 1948, Ruhestand 1949.
Institutionen-, Orts- und Sachregister
Abendmahl 90, 238, 321, 425 f., 430 vgl. auch Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft Abtreibung 363 Adolf-Hitler-Schule 241 vgl. auch Sonthofen Adventismus 57 Agende 33, 437 Akademien, evangelische 364 vgl. auch Evangelische Akademie Tutzing Aktion T4 vgl. „Euthanasie“ Allgemeine Evangelisch-Lutherische Konferenz 33 Allgemeine Rundschau 411 f. vgl. auch Presse Allgemeines Priestertum 284 Altdorf 127 Altes Testament 44, 70, 170, 242, 253, 299 f., 302 f., 491 Altlutherische Kirche von Schlesien/Westpreußen 345 Altpreußen vgl. Evangelische Kirche der altpreußischen Union Amerikanische Militärregierung 358, 360, 366, 368, 378–380, 388–391, 393, 396, 401–403, 410, 415, 495 – Rechtsabteilung 375 – Religious Affairs Section 402 Amorbach 291 Amsterdam 355 f., 441, 445 Anglikaner 446 Ansbach 51, 68, 108 f., 182 f., 194, 246, 283, 289, 359, 400, 402, 447, 454, 457, 459, 481 – Konsistorium 48, 54, 57, 68, 74, 86, 108 „Ansbacher Ratschlag“ 176, 315
Anthroposophie 130 vgl. auch Christengemeinschaft Antichristliche Propaganda 17, 29, 302 f., 398, 485, 495 Antijudaismus 17, 29, 140, 302 f., 398, 485, 495 Antikatholizismus 29 f., 71, 91 Antisemitismus 29, 102, 132 f., 135–142, 156, 169, 248, 301 f., 373, 397 f., 462, 464, 466–468, 470, 472 f., 476 f., 480–483, 485, 487, 497, 498 vgl. auch Juden, Judenverfolgung, Judenvernichtung Antisozialismus 29, 56, 81, 485 Antizionismus 133 vgl. auch Antisemitismus; Juden, Judentum Apologetik 56, 76, 83–85, 116, 486 Apostolikumsstreit 111 Arbeiter, Arbeiterinnen 43, 77, 85, 97, 393 Arbeiterjugend, sozialistische 80 f., 486 Arbeitsgemeinschaft der Direktoren der Deutschen Evangelischen Predigerseminare 118 vgl. auch Predigerseminar Arbeitsgemeinschaft der NS-Synodalen (Bayern) 177 Arbeitsgemeinschaft evangelischer Rundfunkteilnehmer 147 Arbeitsgemeinschaft für lutherische Judenmission 399 „Ariernachweis“ 253, 255 f. „Arierparagraph“ 18, 166, 193, 246, 252–254, 256, 310, 489 Arzberg 153 Aschaffenburg 193
Institutionen-, Orts- und Sachregister Attentat auf Hitler (20. Juli 1944) 270, 276 f., 303, 384, 481, 490 Auerstedt 63 Auferstehung 50, 62, 68, 213, 362 Aufklärung 60 Augsburg 174, 183, 185, 257, 322, 325, 349, 366, 447 Diakonissenhaus 349 Augsburger Konfession vgl. Confessio Augustana Augsburger Religionsfrieden 447 Augustana-Hochschule Neuendettelsau 366–368, 472, 494 vgl. auch Kirchliche Hochschulen Auslandsgemeinden 428, 440 Auslandspfarrer 428 Auswanderungsverbot 264 Auswärtiges Amt 294, 350, 354, 384 Autobiographie 16 Baden, Landeskirche 260 Bad Köstritz 257 Bad Oeynhausen 219, 321, 325, 327 f. vgl. auch Bekenntnissynode(n) der Deutschen Evangelischen Kirche Bamberg 38, 130, 369, 411 Baptisten 71 Barmer Theologische Erklärung 46, 176, 219, 314 f., 317–319, 324, 328, 331, 341, 347, 349, 361 f., 424, 426, 434 f., 491–493 vgl. auch Bekenntnissynode(n) der Deutschen Evangelischen Kirche Bayerischer Mütterdienst 363 Bayerisches Hauptstaatsarchiv 19 Bayernpartei 409 Bayreuth 15, 160, 164, 457, 481–483 – Hans-Meiser-Straße 15, 458, 481 f. – Kirchenmusikschule 457 – Konsistorium 53 f., 57, 64 f., 69 – Predigerseminar 457 Beflaggung von Kirchengebäuden (bei staatlichen Anlässen) 200, 203, 213, 236, 280 Befreiungsgesetz vgl. Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus Befreiungskriege 53, 63
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Bekennende Kirche 13, 118, 131, 168, 170, 174–178, 187 f., 196, 198 f., 201, 205, 207, 217–219, 222, 228 f., 233 f., 236, 248 f., 251, 260, 264, 280, 306, 310–313, 315, 317–321, 323–334, 339–342, 344–346, 356, 361, 366, 372, 376 f., 393, 421, 435, 442, 453, 460, 462, 466, 470, 488 f., 491–494, 497 – altpreußische 200, 231, 286, 317, 326, 341 – „gemäßigter“, bischöflicher Flügel 15, 326, 421, 489 – „radikaler“, bruderrätlicher Flügel 13, 18, 215, 217 f., 238, 240, 242, 251, 299, 326, 339, 342, 346, 421, 455, 488 f., 499 – Spaltung 13, 131, 196, 198, 219, 222, 229, 310, 318, 323, 326, 329, 333 f., 342, 344, 346, 456, 492 f. – „Widerstandsbewegung“ 376 f., 393, 453, 494 vgl. auch Bekenntnissynode(n) der Deutschen Evangelischen Kirche; Bruderrat, Bruderräte; Reichsbruderrat Bekenntnis, Bekenntnisse 76, 109, 120, 160, 164–166, 168, 170, 173, 182–184, 191, 194, 197 f., 211, 213, 218, 226, 228 f., 232, 251, 265, 305 f., 308–311, 315, 319 f., 324, 331, 340, 349, 356 f., 362, 391, 417, 425, 427, 430, 431, 440, 456, 460, 483, 487 f., 491, 496, 499 – lutherisches 13, 31, 33, 48, 57, 62, 120, 128, 155, 174, 177 f., 288, 305, 311, 315, 317 f., 323, 326, 330, 333, 346, 350, 362, 425, 432, 445 f., 462, 485, 491, 493 – reformatorische 14, 33, 322, 341, 433, 492 „Bekenntnisfront“ 171 f., 311, 376, 491 vgl. auch Bekennende Kirche Bekenntnisgemeinschaften, bayerische 224 f. Bekenntnisgottesdienste 83 f., 174, 180, 187, 313, 452 Bekenntnisschriften 207, 325 f. Bekenntnisschule 143 f., 172, 198, 221, 238–242, 406–411, 489 vgl. auch Gemeinschaftsschule, Schulabstimmungen, Simultanschule
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Institutionen-, Orts- und Sachregister
Bekenntnissynode(n) der Deutschen Evangelischen Kirche 218, 319 f., 322–325, 331, 334, 342, 346, 491 f. – Augsburg (1935) 248, 321–323, 325, 366 – Bad Oeynhausen (1936) 219, 325, 333 f. – Barmen (Mai 1934) 46, 175–177, 314–317, 320–321, 324–326, 332, 340–342, 362, 425, 427, 460, 491, 496 – Berlin-Dahlem (Oktober 1934) 187, 249, 318–321, 324 f., 329, 332, 340 f., 460, 491 – lutherischer Konvent 317 f., 328, 332 vgl. auch Bekennende Kirche Bergpredigt 100 Berlin 15, 19, 45 f., 87, 141, 170, 187 f., 253, 260, 333, 337, 397, 437 – Kaulsdorf 260 – Steglitz 248 f. – Theologische Fakultät 45 f. – Zehlendorf 248 Berneuchener Bewegung 127 Berufsschulen 272 Besatzungsmacht, Besatzungsmächte 377, 381, 395, 493, 495 Besatzungsstatut 414 Besatzungszeit, Besatzungsherrschaft 23 f., 358, 387 Besatzungszone, amerikanische 380 Bethel 427, 429 – Von Bodelschwingh’sche Anstalten 292, 306 Bibel, Heilige Schrift, Schrift 33, 39 f., 47, 59 f., 62, 70, 87, 218, 229, 301, 310, 322, 324, 391, 438, 440, 446 Bibelrevision 438 Bibeltheologie 115 Biblische Geschichte 38, 145 f. Biblische Unität 433 f. Bildungspolitik 409–411 vgl. auch Bekenntnisschule; Lehrerbildung Biographieforschung, Biographik 21 f. Bischofstitel 109 f., 160, 359 Blätter für Innere Mission 82
Boykott jüdischer Geschäfte 1933 156, 245 vgl. auch Antisemitismus; Judenverfolgung; Judenvernichtung Brasilien 354 „Braunes Haus“ 180, 476 vgl. auch NSDAP Braunschweig, Landeskirche 139, 434, 476 Bremen, Landeskirche 398 Bruckberg 293 Bruderkreis jüngerer Theologen 123 Bruderrat, Bruderräte 199, 201, 203 f., 207, 218, 229, 238, 263, 274, 319, 321, 323, 329, 339, 341 f., 344–347, 377, 439, 460, 489, 491–493 – bayerischer 361 f. vgl. auch Bekennende Kirche; Reichsbruderrat Brue 72 Buchenwald, Konzentrationslager 345 Bund deutscher Mädel (BDM) 243 Bundesrepublik Deutschland 17, 22 f., 142, 358, 362, 386 f., 405, 412, 414, 416, 447 f., 452, 462, 483 f., 487 vgl. auch Grundgesetz Bundestag 412, 414 f., 454 Bundestagswahlen 409 Bundesverdienstkreuz, Bundesverdienstorden 447 f., 452, 456 Bundeswehr 454 Bund nationalsozialistischer Pfarrer vgl. NS-Pfarrerbund Bündnis 90 / Die Grünen 466, 475, 478 vgl. auch Grüne Bürger, Bürgertum 21, 27–29, 37, 53, 132, 135, 138, 485 „Burgfrieden“ 265 „Büro Grüber“, „Büro Pfarrer Grüber“ 257, 259–263, 396 BVP 153, 403, 408 Calvinisten, Calvinismus 443, 446 vgl. auch Reformierte CDU 404, 409, 412 Centralausschuss für die Innere Mission 83, 263 vgl. auch Innere Mission
Institutionen-, Orts- und Sachregister Chaillon 90 Chichester 257, 445 Christengemeinschaft 130 vgl. auch Anthroposophie Christenlehre 65 f. Christlicher Volksdienst 126 Christlich-sozialer Volksdienst 126, 151 Coburg, Landeskirche 111 Columbus/Ohio 352, 444, 447 Confessio Augustana, Augsburger Konfession 39, 146, 179, 205, 325, 328–331 Counter Intelligence Corps 389 Crailsheim 424 CSU 360, 404–409, 414 f., 474, 478, 495 Dachau – Internierungslager 387 – Konzentrationslager 197, 234, 277–279, 453, 490 Dahlemer, Dahlemiten 325 f., 342, 344, 346 vgl. auch Bekennende Kirche; Bekenntnissynode(n) der Deutschen Evangelischen Kirche Darmstadt 414 „Das schwarze Korps“ 255 Demokratie 100, 108, 128, 131, 148, 361, 401, 403 f., 443, 486, 495, 499 vgl. auch Parlamentarismus Denkschrift der Zweiten Vorläufigen Kirchenleitung an Hitler (1936) 222, 238, 251, 340, 345 vgl. auch Vorläufige Kirchenleitung (Zweite) Deportationen 264, 295, 384 vgl. auch Judenvernichtung Deutsche Christen 13, 16, 120 f., 161, 164–170, 176, 182–184, 187, 189, 191, 193, 196, 199, 201, 204, 207, 217 f., 223–229, 234, 252 f., 256, 263 f., 268, 304–308, 310–312, 314 f., 318, 320, 324, 326–328, 338, 341, 345, 354, 366, 390, 468, 487–489, 491, 494 – bayerische 165–170, 177, 184, 196, 217 f., 224–227, 229 f., 253 vgl. auch Thüringer Deutsche Christen; Reichsbewegung Deutsche Christen
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Deutsche Christliche Studentenvereinigung 100, 123 – Altfreundeverband 123 Deutsche Demokratische Republik (DDR) 414, 430 Deutsche Evangelische Kirche (DEK), Reichskirche 158, 170, 172–178, 187, 189, 197, 220, 222, 226, 228, 232, 253 f., 259, 263, 265, 269, 272, 292, 304 f., 308, 310, 312–315, 317–320, 327, 329–331, 338–340, 342, 346, 350 f., 356, 361, 420, 456, 488 f., 491 f. – Deutsche Evangelische Kirchenkanzlei 265 – Deutsche Evangelische Nationalsynode 177 f., 309–311, 317 – Verfassung 16, 195, 305, 308, 310, 319 f., 329, 334, 420, 491 Deutscher Evangelischer Ausschuss für Dienst an Israel 399 Deutscher Evangelischer Gemeindetag 127 Deutscher Evangelischer Kirchenbund 111, 127, 155, 304, 350 – Deutscher Evangelischer Kirchenausschuss 105, 169, 307 – Deutscher Evangelischer Kirchenbundesrat 307 – Kirchenbundesamt 155 Deutscher Evangelischer Kirchentag 430 „Deutscher Gruß“ („Hitler-Gruß“) 152, 280 Deutsch-Französischer Krieg (1870/71) 37, 87, 90 f. Deutschglauben, Deutschgläubige Bewegung 233, 239 f. Deutschnationale Volkspartei 126 Diakonie vgl. Innere Mission Dialektische Theologie 115, 499 Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände Nürnberg 474 Dortmund 174 „Drei-Säulen-Theorie“ 423 Dresden 238 Ebersbach 297 Edinburgh 356
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Institutionen-, Orts- und Sachregister
Ehe, konfessionsverschiedene (Mischehe) 26, 55 f., 71, 131 Ehrenbürgerwürde 447, 452, 454 Eichenau vgl. Jugend- und Freizeitenkirche Einigungswerk vgl. Kirchliches Einigungswerk Einjährig-freiwilliger Militärdienst 53 Eisenach 127, 350, 356, 427, 435 f. Elsass 90 Emigration 256, 259–261, 263, 354, 489 England 72, 257, 259 vgl. auch Großbritannien Entchristlichung 56, 63, 123, 490 „Entkonfessionalisierung des öffentlichen Lebens“ 202 Entlastungszeugnisse 381 Entmythologisierung 362, 438, 494 Entnazifizierung 17, 369, 377–382, 388, 394, 406, 475, 494 – Entnazifizierung der Pfarrer 361, 388–395, 494 – Massenentnazifizierung 361, 377–383, 391, 494 vgl. auch Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus Erbsünde 59 Erfurt 317 Erinnerungskultur, erinnerungskulturelle Debatten 14 f., 18, 21 f., 24, 139, 142, 301, 465 f., 468, 471, 476, 482–484, 498 Erlangen 43, 47 f., 62, 132, 176, 303, 315, 317, 369, 382, 471 – Theologische Fakultät 33, 39, 44, 47, 197, 253, 363, 368 Erlanger Theologische Schule, Erlanger Theologie 33 f., 38 f., 44 f., 48, 61, 68, 115, 485, 498 f. Ermächtigungsgesetz, kirchliches 160, 168, 287–289, 361, 490 Ermordung von Kranken und Behinderten vgl. „Euthanasie“ Erweckungsbewegung 33 Erziehungsanstalten, kirchliche 79 vgl. auch Verband der bayerischen evangelischen Erziehungsanstalten; Rettungshäuser
Ethik 59 f., 73, 474, 499 vgl. auch Sozialethik Europarat 416 „Euthanasie“ 270, 276, 289–294, 296, 460, 490 f. Evangelisation 76, 85, 116 Evangelische Akademie Tutzing 364–366, 399 f., 444, 463, 494 Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte 11 f., 19 Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Rundfunk 237 Evangelische Heimvolkshochschulen 366 vgl. auch Hesselberg Evangelische Jugend 171, 242, 414 vgl. auch Jugend Evangelische Jugendgruppe für kirchlichen und sozialen Frauendienst 95 Evangelische Kirche der altpreußischen Union 64, 167, 173, 204 f., 252, 305, 307 f., 310, 318, 323, 327, 331, 434 – Bekenntnissynode 207, 233 f., 248 f., 299, 321 – Bruderrat 249, 284, 321, 324, 341 – Generalsynode 166, 431 – Landeskirchenausschuss 341 Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) 13, 17, 19, 20, 346, 361, 363 f., 370 f., 380, 383, 386, 388, 391, 393 f., 409, 411–413, 415, 421–435, 437–441, 445 f., 456, 462, 494, 496 f. – Bruderrat 410, 412, 414, 422, 424, 426 – Diasporagesetz 440 – Disziplinarordnung 430, 440 – Grundordnung 425–427, 430, 435, 496 – Kirchenkanzlei 19, 426 f., 440 – Kirchenkonferenz 429 – Kirchliches Außenamt 414, 427–430, 440 f., 446 – Rat 17, 20, 371, 373, 380, 383, 386, 391–393, 398, 412, 418, 421–423, 427–431, 433, 438–441, 454, 493, 496 – Synode 373, 398, 427, 429 f., 494 – Verfassungsausschuss 426 vgl. auch Kirchenkonferenz Treysa 1945; Kirchenversammlung
Institutionen-, Orts- und Sachregister Evangelischer Bund 170 Evangelischer Oberkirchenrat Berlin 204 vgl. auch Evangelische Kirche der altpreußischen Union Evangelischer Oberkirchenrat Stuttgart 203, 354, 433 f. vgl. auch Württemberg, Landeskirche Evangelischer Pressverband für Bayern 83, 486 vgl. auch Presse Evangelischer Pressverband für Deutschland 83, 137, 486 vgl. auch Presse Evangelisches Hilfswerk (Bayern) 388, 415, 496 Evangelisches Zentralarchiv in Berlin 19 Evangelisch-sozialer Kongress 132 Evanston 445 Exegese 44, 46, 50, 70 Ezelheim 217 FDP 406–409, 478, 495 vgl. auch Liberalismus Feldseelsorge 87 f., 90 f. Feuchtwangen 246 Finanzabteilung, Finanzabteilungen 228, 231–233 Finkenwalde 118 Flensburg 439 Flossenbürg, Konzentrationslager 279 Flüchtlinge und Vertriebene 364, 369, 388, 394, 415–419, 453, 457, 496 f., 499 Flüchtlingswerk des Bayerischen Roten Kreuzes 419 „Frankentag“ 235 f. Frankfurt am Main 132, 313, 334 Fränkische Tageszeitung 176, 180 f. Frankreich 87 f., 90 f., 216, 257, 268, 351, 429, 486 Frauen 66, 73, 107 f., 145, 284–286, 362–364, 485, 490, 494 vgl. auch Frauenrechtsbewegung; Frauenwahlrecht; Pfarrfrauen; Theologinnen; Evangelische Jugendgruppe für kirchlichen und sozialen Frauendienst; Gleichberechtigung; Abtreibung
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Frauenrechtsbewegung, Frauenbewegung 73, 107, 485, 499 Frauenwahlrecht, kirchliches 107 f., 363, 494 Freidenker 56, 83, 242 Freie Wähler 478 Freikirche 71, 307, 317, 320, 339 f., 433 Freikorps 103 „Führerprinzip“ 161, 288 f., 308, 314, 337, 490 f. Fulda 369 Fürbitte für die Obrigkeit 39, 198, 268, 330, 390, 488, 490 Fürbitte für verfolgte und inhaftierte Pfarrer und Laien 278 Fürbittenlisten der Bekennenden Kirche 279 Garmisch-Partenkirchen 255 Gauting 215 Gebetsliturgie der VKL II (1938) 343 f., 615 Gefangenenseelsorge 387 Geistlicher Vertrauensrat 265, 269 Gemeindebewegung 124, 127 Gemeindeprinzip 108 Gemeindetag unter dem Wort 174 Gemeinschaftsbewegung 85, 130 Gemeinschaftsschule 239–241 Generalsynode, bayerische – 1911 81 – 1913 112 – 1919 108 – 1920 (verfassunggebende) 107–110, 486 Generalsynode der VELKD vgl. Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands Genf 128, 444 Gesangbuch 33 Geschichtspolitik 271, 361, 370, 375, 377, 453, 494 f. vgl. auch Vergangenheitspolitik Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit 399 vgl. auch Juden, Judentum
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Institutionen-, Orts- und Sachregister
Gesellschaft für Innere und Äußere Mission 95, 128 Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus 379 f., 388, 391–393 vgl. auch Entnazifizierung „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ (1933) 166, 245 f., 255 f. vgl. auch „Arierparagraph“ Gestapo 174, 187, 194, 212, 232, 237, 244, 252, 259, 261, 281, 282, 290 f., 298, 313, 332, 340, 385 vgl. auch Politische Polizei Gewaltenteilung 156 Gießen 138 Gleichberechtigung 362 vgl. auch Frauen, Frauenrechtsbewegung Gleichschaltung – kirchliche 13, 156, 164, 168, 175, 225, 304, 314, 318 f., 327, 351, 488, 492 – politische 156, 191, 499 vgl. auch Zwangseingliederung Glockenläuten bei staatlichen Anlässen 200, 203, 213 f. Godesberger Erklärung 338 Goldenes Parteiabzeichen (NSDAP) 165 vgl. auch NSDAP Gottesdienstordnung 33 Greifswald 123, 133 Großbritannien 428 vgl. auch England Großengsee 255 Grüne 468, 470, 481 f. vgl. auch Bündnis 90 / Die Grünen Grundgesetz 362 vgl. auch Bundesrepublik Deutschland Grundordnung der EKD vgl. Evangelische Kirche in Deutschland Gunzenhausen 182 f., 221
– Internierungslager 387 Handlungsspielraum, Handlungsspielräume, Handlungsoptionen 23, 203, 207, 263, 276, 299, 301, 338 Hannover 323, 327, 331 f., 351, 437, 444 – Landeskirche 171, 251, 255, 257, 263, 286, 314, 329, 414, 442 Hartheim, Schloss (Tötungsanstalt) 258 Haßfurt 56, 64 f., 68–71, 485 Hauptkriegsverbrecher vgl. Kriegsverbrecher Haustafel 66 Heidelberg 62, 424 Heilsgeschichte, heilsgeschichtliche Konzeptionen 39, 44–46, 61 Heilsgewissheit 45, 50, 68 „Heldentod“ 37, 51, 91, 486 Herero 477 Hesselberg 235, 366 Hessen und Nassau, Landeskirche 380 vgl. auch Nassau-Hessen, Landeskirche Heudicourt 90 Hilfsstelle für ehemals Rasseverfolgte 396 f. vgl. auch „Büro Grüber“ Hilfsstellen für rassisch verfolgte Christen (bayerische) 18, 193, 261–263, 396, 489 vgl. auch „Büro Grüber“; rassisch verfolgte Christen Hilfswerk der EKD 412, 415 Himmelkron 255 Hitler-Jugend 171, 243 Hitler-Ludendorff-Putsch 213 Hochkirchliche Bewegung 127 Hochschulen, kirchliche vgl. Kirchliche Hochschulen Hochschulen, pädagogische vgl. Pädagogische Hochschulen Hoekelum, Schloss 444 Holland 115 Holocaust vgl. Judenvernichtung
Halle an der Saale 46–48, 430 – Theologische Fakultät 46–48 Hamburg 172 – Landeskirche 38, 168 Hammelburg 54
Industriegesellschaft 56 Inflation (1923) 114 f. Ingolstadt 87 Innenministerium, bayerisches 99, 208, 242, 403
31, 82,
Institutionen-, Orts- und Sachregister Innere Mission 76–78, 82, 86 f., 91, 94 f., 115 f., 121, 143, 156, 160, 197, 261, 277, 290, 292, 486 vgl. auch Landesverein für Innere Mission Inspirationslehre 40 „Intakte“ Landeskirchen 168, 171, 203 f., 216, 223, 232, 251, 257, 263, 311, 313, 317, 319 f., 323 f., 326, 336, 473, 491 Interview 20 Israelitische Kultusgemeinde – Bayreuth 481 – München 401 – Nürnberg 15, 469 Italien 280, 428 f. Jena 63, 302, 474 Jubiläum, Jubiläen vgl. Meiser-Jubiläum Juden, Judentum 14, 16–18, 23, 29, 57, 102, 131–142, 145, 156, 169, 176, 191, 193, 238, 242, 245–251, 254 f., 257, 264, 295–298, 300–303, 373 f., 379 f., 384, 395–400, 462, 466 f., 469 f., 472, 474 f., 477 f., 481, 487, 491, 494 f., 500 vgl. auch Antijudaismus; Antisemitismus; Judenmission; Judenverfolgung; Judenvernichtung Judenmission 17, 135–137, 140, 193, 398 f., 495 Judentaufe 135, 137, 248, 259 Judenverfolgung 14, 16 f., 23, 136, 142, 156, 158, 169, 193, 223, 245–251, 254–258, 260, 264, 295–299, 354, 373 f., 378 f., 384, 395, 400, 462, 464, 466, 470, 491, 497 Judenvernichtung, Holocaust, Shoa 14, 16 f., 23, 136, 139–142, 223, 251, 264, 270, 273, 276, 289, 295–299, 301 f., 304, 373 f., 378 f., 386, 398, 462, 464–470, 491, 495, 497 f. Jugend 71, 78 f., 236, 238, 243 f. vgl. auch Hitler-Jugend; Jugendarbeit; Jugendbewegung; Jugendfürsorge; Jugendhilfe; Jugendpflege; Arbeiterjugend Jugendarbeit – kirchliche 78, 81, 116, 197, 239, 242–244, 454, 486
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– staatliche 78, 81 Jugendbewegung 80, 119, 486 Jugendfürsorge 71 f., 76, 78 f., 81, 116 Jugendhilfe, evangelische 81 f., 94 Jugendpflege, kirchliche 78, 80–82 Jugend- und Freizeitenkirche Eichenau 244 f. Jugoslawien 354 f. Jungluthertum 115 Jungreformatorische Bewegung 167, 306 Kaiserreich, deutsches 19, 22 f., 29 f., 34, 37, 68, 72, 78, 106, 138, 239, 270, 485 Kalter Krieg 362, 386, 394, 411 Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft 434 f. vgl. auch Abendmahl Kapp-Lüttwitz-Putsch 94 Kassationshof vgl. Staatsministerium für Sonderaufgaben Kassel 176 Kasseler Gremium (1937/38) 342 Katechismus 331, 438 Kathedersozialismus 43 Katholikentag 1954 369, 439 Katholizismus, katholische Kirche, Katholiken 26 f., 30–32, 54, 56, 65, 70 f., 123, 125, 130 f., 144, 191, 220–223, 240, 248, 264, 294–297, 368 f., 378, 388, 391, 403–405, 408–411, 419, 438, 443, 454, 485, 491, 494 Kempten 168 Kiel 59 Kinder 26 f., 40, 56, 66, 71, 73 f., 79, 81, 96, 131, 144, 191, 238 f., 242, 255, 286, 352, 362, 411 Kindergottesdienste 92, 284 Kinderlandverschickung 293 Kirchenausschüsse 199, 218, 226, 228–230, 233, 324 f., 332 f., 344, 460, 492 vgl. auch Reichskirchenausschuss Kirchenaustrittsbewegung, Kirchenaustrittsversammlungen 83, 85, 486 Kirchenbundesamt vgl. Deutscher Evangelischer Kirchenbund Kirchenführerkonferenz vgl. Konferenz
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der nicht-deutschchristlichen Kirchenführer Kirchenglocken 274 vgl. auch Glockenläuten Kirchenkampfgeschichtsschreibung 14 Kirchenkonferenz Treysa 1945 404, 409, 420–422 vgl. auch Evangelische Kirche in Deutschland; Kirchenversammlung Kirchensteuern, Kirchensteuereinzug, Kirchensteuerämter 274, 490 Kirchentag der Bekennenden Kirche (1938) 238, 251, 345 Kirchentag vgl. Deutscher Evangelischer Kirchentag Kirchenverfassung, bayerische 107, 109, 130, 286, 361, 486 Kirchenversammlung – Eisenach 1948 427 – Treysa 1947 425, 435 vgl. auch Kirchenkonferenz; Evangelische Kirche in Deutschland Kirchenwahlen – 1933 164–166, 310 – 1937 (nicht durchgeführt) 222, 227 f., 341 Kirchenzucht 111 Kirchliche Hochschulen 366 – Berlin 366 – Bethel 366 – Wuppertal 366 vgl. auch Augustana-Hochschule Neuendettelsau Kirchliches Außenamt vgl. Evangelische Kirche in Deutschland Kirchliches Einigungswerk 346 f., 349 f., 421, 493 Kirchliche Unterweisung 273 f. vgl. auch Religionsunterricht Kirchliche Zeitgeschichte 15, 23 f. „Kirchlich-Positive“ 26, 33, 47, 50, 57, 63, 70, 111 Kirchlich-sozialer Bund in Bayern 143 Kirchlich-theologische Sozietät Württemberg 217 Kloster Loccum 118 Kohlhammer Verlag 303
Kommunalwahlen, bayerische – 1946 404, 406 – 1952 406 Kommunisten, Kommunismus 160, 169, 378, 403 f., 443 Konferenz der lutherischen Landeskirchenführer 304 Konferenz der nicht-deutschchristlichen Kirchenführer (Kirchenführerkonferenz) 199, 202, 232, 238, 240, 273, 292, 295, 298, 338, 341 f., 346 Konfessionalismus, lutherischer 26, 31–33, 44, 48, 76, 120, 126, 170, 178, 326, 361, 456, 462, 485, 497 Konfessionsschule vgl. Bekenntnisschule Königsberg 305 Konsensusunion 431 vgl. auch Union; Unierte Konzentrationslager 156, 197, 214 f., 234, 238, 277–297, 345, 372, 376, 388 f., 453, 469, 489 – KZ-Wachmannschaften 383 Kopenhagen 441 Koreakrieg 412 Kreisauer Kreis 276 Kriegsanleihe 97 Kriegsbegeisterung 86 f., 264 Kriegsgefangene 388, 396 Kriegspfarrer vgl. Feldseelsorge; Militärseelsorge Kriegspredigten, nationalprotestantische 87, 97, 99, 486 vgl. auch Nationalprotestantismus Kriegsverbrecher, Kriegsverbrechen, Kriegsverbrecherprozesse 383 f., 387 f., 391, 474, 477, 494 Kritik, Historische 38, 40, 44 f., 47, 50, 70, 485 Kulmbach 457, 482 Kulturprotestantismus 45 Kultusministerium, bayerisches 19, 92, 147, 162, 205 f., 233, 241, 255 f., 272–274, 368, 403, 409 Kurrentschrift 35 Lac du Neuch tel 72 Laien, kirchliche 254, 284, 297, 488
Institutionen-, Orts- und Sachregister Landesherrliches Kirchenregiment 330 vgl. auch Summepiskopat Landeskirchenamt München 12, 475 f., 479 vgl. auch Landeskirchenrat, bayerischer Landeskirchenprinzip 335, 437 Landeskirchenrat, bayerischer – Dienstgebäude 180, 182, 184–186, 189, 211, 283, 458 – kirchenleitendes Gremium 19, 23 f., 96, 104, 111, 113–116, 119–121, 123, 143–147, 151–153, 158 f., 169, 174, 184, 193–196, 198, 200, 203, 208, 213, 216–219, 224–227, 229 f., 232 f., 236 f., 239–243, 246 f., 255–260, 262, 265, 268–270, 272–274, 276, 278–285, 287–289, 292 f., 302, 325 f., 347, 350, 359 f., 363, 366, 369, 373, 375, 377, 379–381, 384, 386–388, 390, 392, 396–400, 405 f., 412, 418, 426, 435, 445 f., 454, 458, 460, 475, 487, 490 Landeskirchenstelle Ansbach 120 f., 246, 280, 283, 385, 457 Landeskirchliches Archiv – Hannover 19 – Nürnberg 11, 16, 19, 30, 33, 122 f., 138 f., 469 – Stuttgart 19 Landessynodalausschuss, bayerischer 111, 123 f., 159, 161 f., 165, 167, 172, 174, 194, 197 f., 220, 245 f., 287–289, 486, 490 Landessynode, bayerische 47, 111, 113, 123, 162, 166, 174, 177, 194, 207, 286–289, 363, 373, 390, 405, 417, 435, 454, 457, 466, 469, 473, 494, 497 – Mai 1933 160 f., 359 – September 1933 166–168, 252 f. – 1934 177–179 – 1946 277, 281, 289, 359 f., 372 f., 404, 426 – 1947 363 f., 368, 435 – 1948 427 Landesverein für Innere Mission 71, 76–79, 81–87, 143, 486 vgl. auch Innere Mission
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Landsberg, Kriegsverbrechergefängnis 387 f. Landtag, bayerischer 404 Landtagswahlen, bayerische 102, 107, 406, 409 Leben-Jesu-Forschung 46 Lebensordnung, kirchliche 111, 438 Lehrerbildung 408 f., 411 Lehrerbildungsgesetz, bayerisches (1958) 411 Lehrunterschiede, reformatorische 432, 437, 440 Leipzig 63, 329, 436 – Völkerschlacht 63 Lektoren, Lektorenamt 284, 490 Lempp-Kreis 297 f., 491 vgl. auch Münchner Laienbrief Liberalismus – Politischer 34, 43, 406, 409 vgl. auch FDP – Theologischer 26, 33, 40, 42, 45, 47, 50, 57, 59–61, 63, 111, 115, 126, 485 Linz 290 Lippe, Lutherische Klasse 434 Liturgische Bewegung 127 Lobetal 292 Lothringen 90 Lübeck, Landeskirche 434, 437 Lund 441–443, 445 Lutherische Bekenntnisgemeinschaft Thüringen 257 f. Lutherische Generalsynode vgl. Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands Lutherischer Pakt (1935) 329 f., 334, 492 Lutherischer Rat (1934–1936) 201, 323, 327–331, 333 f., 492 Lutherischer Tag (1935) 323, 330–333, 337, 492 Lutherischer Weltbund (LWB) 355, 361, 428, 441–445, 455, 460, 493, 497 – Deutsches Nationalkomitee 443 – Exekutivkomitee 443–445, 493 – Vollversammlung Hannover 1952 444 – Vollversammlung Lund 1947 442 f. vgl. auch Lutherischer Weltkonvent
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Institutionen-, Orts- und Sachregister
Lutherischer Weltkonvent (LWK) 127, 222, 350–356, 373 f., 441–443, 445 – Exekutivkomitee 222, 350–356, 373 f., 441 f., 445 vgl. auch Lutherischer Weltbund „Lutherischer Zweig innerhalb der werdenden Deutschen Evangelischen Kirche“ 305 Lutherrat vgl. Rat der Evangelisch-lutherischen Kirche Deutschlands Lutherrenaissance 115 Luthertum 22, 48, 60, 178, 350, 353, 434, 437, 445 f., 499 vgl. auch Neuluthertum; Weltluthertum Maifeiertag 203 Männerwerk, kirchliches 406 Marburg, Theologische Fakultät 253 Mariendogma 483 Mars-la-Tour 90 Märtyrer, Märtyrertod 279, 281 f., 351 f., 467, 481 Matthäuskirche vgl. München Mecklenburg, Landeskirche 160, 168, 204, 345 Meißen 359 Meiser-Jubiläum 14 f., 463, 469 Melanchthon-Gymnasium Nürnberg (Königlich Altes Gymnasium) 29, 35, 38 Menschenrechte 100, 474 f., 483 Methodisten 71 Militärseelsorge 88 vgl. auch Feldseelsorge; Wehrmachtseelsorge Miltenberg 291 Mischehe vgl. Ehe, konfessionsverschiedene „Mitläufer“ 380 „Moderne“ Theologie 42, 46–48, 50, 58–63, 70, 115, 485 Monismus, Monisten 56, 71, 83 Moosburg, Internierungslager 387 Morgenfeiern, religiöse 147, 237 Moskau 413 München 14, 19, 23, 26, 43, 74, 92–94, 96, 100, 102 f., 112, 121, 123, 125, 136, 139, 142, 155, 159, 166, 170, 172, 174 f., 177,
180, 183–185, 187, 192, 195–197, 208, 210, 212, 232, 244, 261, 264, 277, 279, 283, 286, 297, 338, 347, 350 f., 368, 400–402, 437, 447, 450 f., 453–458, 460, 465–469, 473, 475–482, 486, 498 – Adventkirche 476 – Ältestenrat 468, 475 – Bezirksausschuss Maxvorstadt 476, 479 – Bürgerbräukeller 270 – Carolinenkirche 479 – Christuskirche 476 – Dekanat 480 – Diakonissenhaus, -anstalt 95, 259 – Hauptsynagoge 210 – Himmelfahrtskirche 94 – Kommunalreferat 467 f., 476 f. – Königsplatz 211, 213 – Ludwig-Maximilians-Universität 11, 43, 351 – Luitpold-Gymnasium 104 – Markuskirche 123 f. – Matthäuskirche 92–94, 97–102, 104, 106, 109, 180, 185, 190, 204, 208–212, 223, 400, 447, 450, 454, 456, 462 – Pfarrkonvent 434 – Sendling 92, 94 f., 125 – Solln 447 – Stadelheim (Gefängnis) 198 – Stadtarchiv 467 f. – Stadtbibliothek 468 – Stadtrat 457 f., 466, 473, 477 f., 480 Münchner Laienbrief 17, 297 f. vgl. auch Lempp-Kreis Münster 294 Murnau 216 Nachfolgeprozesse 383 vgl. auch Nürnberger Prozesse Nachkriegszeit 17 f., 270, 370, 452, 457, 468, 497 Nassau-Hessen, Landeskirche 234, 314 vgl. auch Hessen und Nassau, Landeskirche Nationalismus, deutscher 29, 34, 37, 64, 87, 90, 97, 254, 485 Nationalkirche 180, 183 f., 227, 314, 338
Institutionen-, Orts- und Sachregister vgl. auch Deutsche Christen; Thüringer Deutsche Christen Nationalliberalismus 29, 67 National Lutheran Council (USA) 352, 354 Nationalprotestantismus 30, 87, 476, 481 vgl. auch Kriegspredigten Nationalsynode vgl. Deutsche Evangelische Kirche Neologie 33 Netzwerk Meisers 23, 118, 121, 165, 187, 194–198, 359 f., 486, 488 Neuendettelsau 32, 48, 95, 114, 139, 155, 197, 290 f., 293 f., 366–368, 424, 472 f., 477, 494 – Diakonissenanstalt 32, 48, 95, 197, 293 – Missionsanstalt 155 – Munitionsanstalt 368 – Pflegeanstalten 95, 290 f., 293 f. vgl. auch Augustana-Hochschule Neues Testament 44, 46 f., 300, 303, 362, 425, 438, 464, 494 Neuheidentum 233–235, 321 Neuluthertum 34, 104, 147, 305, 485, 488, 491, 498 f. vgl. auch Luthertum Neu-Ulm 182 New York 352 „Nichtarische“ Christen vgl. rassisch verfolgte Christen Niederlande 297 Notrecht, kirchliches 187, 319 Novemberpogrom 1938 190, 248, 252, 256, 258, 261, 489 vgl. auch Juden, Judentum; Judenverfolgung; Judenvernichtung NSDAP 145, 151–155, 158, 160 f., 164 f., 174, 180, 183, 187, 189, 196, 211, 218, 223, 230, 235, 239–241, 255, 257, 273, 291, 313, 375, 389–391, 394 f., 454, 487 vgl. auch Goldenes Parteiabzeichen NS-Dokumentationszentrum München 476 NS-Lehrerbund 256 NS-Oberschule Starnberger See 241 NS-Opfer 159, 169, 249, 251, 277, 302,
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379, 383, 387 f., 396 f., 469, 472, 487, 490, 495, 498 NS-Pfarrer 151–155, 160, 169, 488 NS-Pfarrerbund 159, 165, 176, 224, 252 NS-Täter 378, 383–388, 469, 494, 498 NS-Verbrecher 383, 385, 388, 391, 474, 477, 494 vgl. auch NS-Täter; Kriegsverbrecher Nürnberg 14 f., 18, 26–28, 31, 35, 38, 42, 51, 53, 71, 72, 74, 80, 82 f., 112, 118, 120, 125 f., 128, 131 f., 136, 153, 162, 164, 172, 174 f., 179, 181, 183, 225, 239 f., 253, 260 f., 280 f., 313, 331, 383, 388, 402, 450, 454 f., 457 f., 468–471, 473–478, 481–483, 498 – Dekanat 471, 473–475 – Friedenskirche 28, 454 f. – Gerichtsgefängnis 386 f. – Haus „eckstein“ 469 – Johannisfriedhof 450, 454 – Kreisdekanat 195, 340 – St. Jakob 27, 31 f. – Stadtrat 162, 458, 471, 473–475 – Veilhof 111–113 – Verkehrsausschuss 468 Nürnberger Ausschuss (1934) 175, 313 f. Nürnberger Gesetze 1935 247 f., 489 vgl. auch Antisemitismus; Juden, Judentum; Judenverfolgung; Judenvernichtung; Rassepolitik Nürnberger Prozesse 383, 385, 494 vgl. auch Nachfolgeprozesse Oberkonsistorium, bayerisches 19, 31 f., 54, 57, 64 f., 71, 74, 91, 94, 99, 103 f., 107 f. Obrigkeit, Obrigkeitslehre 23, 34, 39 f., 51, 66–70, 97, 99, 104, 130, 149, 183, 190, 198, 200 f., 204 f., 207, 233, 236, 390, 404, 412, 438, 456, 467, 485, 488, 495 Ochsenfurt 409 ÖDP 478 Oettingen 111 Offenbarung 40, 42, 61, 86, 115, 129 Öffentliche Verantwortung der Kirche 361, 404 f., 409, 438, 495
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Institutionen-, Orts- und Sachregister
Ökumene 24, 350, 356, 371, 405, 429, 441 f., 446, 495, 497 Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK) 356 f., 361, 373, 396 f., 399, 429 f., 440 f., 445 f., 493, 497 – Vollversammlung Amsterdam 1948 445 – Vollversammlung Evanston 1954 445 – Zentralausschuss 445, 493 vgl. auch Weltkirchenkonferenz der Bewegung für Glaube und Kirchenverfassung; Weltkirchenkonferenz der Bewegung für Praktisches Christentum Oldenbourg Verlag 124 f. Oldenburg, Landeskirche 437 Ordination, Ordinationsgelübde 54, 207 Orthodoxie – altprotestantische 39 – lutherische 60 Österreich 221, 354 – „Anschluss“ (1938) 192, 202–204, 222, 390 Ostpfarrer 418 f. Ostpreußen – Kirchenprovinz 345 – Provinz 345 Oxford 356, 444 Pädagogische Hochschulen 411 Pappenheim 366 Paris 351 Pariser Friedensverhandlungen 97 Pariser Verträge 414 Parität, konfessionelle 368, 403 Parlamentarismus – kirchlicher 287 – staatlicher 126, 148, 361, 404, 495, 499 vgl. auch Demokratie Parteipolitische Neutralität 34, 102, 149, 151 f., 405–407, 409 Passau 416 Penzberg 173, 215 „Persilscheine“ vgl. Entlastungszeugnisse Pfadfinder 80 Pfaffenhofen an der Ilm 457 f., 482 Pfalz, Landeskirche 253
Pfarrbesoldung 111 Pfarrbruderschaft, bayerische 176, 187, 205, 215–219, 224, 390, 434 Pfarrergesetz, bayerisches (1939) 207, 216, 253 Pfarrernotbund 171, 173, 213, 252, 254, 310–313, 324, 329, 491 Pfarrerverein, bayerischer 100, 159, 187, 197, 266 Pfarrfrauen 73, 285 vgl. auch Frauen PG-Pfarrer 389–391, 393–395, 495 Philadelphia 352, 355 f. Pietismus 60 Polen 264 f., 268, 297, 346, 490 Politische Polizei, bayerische 184, 187, 234, 243 f., 277 vgl. auch Gestapo Pontresina 74 Potsdam 259 Predigerseminar – Elberfeld 118 – lutherisches 336 – München 112, 114, 185, 189, 197 – Nürnberg 19, 111–115, 117, 120–123, 181, 197, 220, 259, 261, 486 – Stettin-Kückenmühle 118 Predigtverbot vgl. Redeverbote Presse 76 – Kirchliche 71, 82 f., 274, 411, 447 – Politische 82 f., 236, 254, 413, 447, 486 vgl. auch Evangelischer Pressverband Preußen 231 vgl. auch Evangelische Kirche der altpreußischen Union Prinzregentenzeit 30 Privilegierte Württembergische Bibelanstalt 299, 301, 491 Propaganda, antichristliche 191, 233, 268, 489 Prüfungen von Pfarramtskandidaten aus zerstörten Kirchengebieten der Bekennenden Kirche 323, 345 Prüfungsordnung für bayerische Pfarramtskandidaten 42 Pullach 457, 459, 482
Institutionen-, Orts- und Sachregister Rassepolitik, nationalsozialistische 17, 131, 137, 142, 145, 193, 245, 249, 251, 260, 264, 302, 464, 487, 489 f., 495 Rasse- und Vernichtungskrieg 269, 490 Rassisch verfolgte Christen 17 f., 121, 158, 169, 193, 197, 248, 251, 254–264, 295, 298, 354, 395–397, 475, 478, 481, 489, 500 Rassismus 136, 141, 238, 475 Rat der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (Lutherrat) 18, 20, 196, 198 f., 201, 203, 205, 219, 222, 232, 237 f., 260, 263, 298, 326, 333–342, 344 f., 347 f., 420–422, 424–426, 432–435, 443, 445, 492 f., 496 – Sekretariat 337 f. vgl. auch Vereinte lutherische Kirche Deutschlands (Plan); Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands Räterepublik 97, 101–104 Rationalismus 33, 59 f., 63 Rechristianisierung 78, 82, 176, 405 Rechtfertigung, Rechtfertigungslehre 59, 62, 129, 170, 253 Redeverbote, Predigtverbote 182, 214, 237, 393 Reformation, Reformationszeit 57–62, 66, 198, 335, 425, 431, 443 Reformierte Arbeitsgemeinschaft 203 Reformierte, reformierte Kirchen 31, 45, 143, 177, 222, 305, 325, 331, 349, 420, 423, 426, 430, 431 f., 456, 496 Regensburg 369 Reichsbekenntnissynode vgl. Bekenntnissynode(n) der Deutschen Evangelischen Kirche Reichsbewegung Deutsche Christen 171 vgl. auch Deutsche Christen Reichsbischofswahlen 212, 304, 306 f., 309, 491 Reichsbruderrat 177, 218, 315, 317–323, 325 f., 332, 340, 421 vgl. auch Bekennende Kirche; Bruderrat, Bruderräte Reichsfinanzhof 299–301, 473 Reichsgericht 187
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Reichsgründung (1871) 34, 37 Reichsinnenministerium 143, 196, 293 f., 298 f., 314 Reichsinstitut für die Geschichte des neuen Deutschlands 302 f. Reichskanzlei 180, 270, 295 Reichskirche vgl. Deutsche Evangelische Kirche Reichskirchenausschuss 218, 226 f., 229, 238, 240, 255, 324, 341 vgl. auch Kirchenausschüsse Reichskirchenregierung, Reichskirchenleitung, Reichskirchenführung 170, 175–177, 183, 185 f., 188, 224, 269 f., 312–315, 317 f., 320 vgl. auch Deutsche Evangelische Kirche Reichskirchenverfassung vgl. Deutsche Evangelische Kirche Reichsministerium für die kirchlichen Angelegenheiten (Reichskirchenministerium) 203 f., 228–232, 242, 249, 273, 297, 336–338, 341, 348, 492 Reichsparteitag der NSDAP 1934 179 f. vgl. auch NSDAP Reichssender München 237 vgl. auch Rundfunk Reichsstelle für Auswanderungswesen 261 Reichstagswahlen – 1930 151, 153 – 1936 201 f., 213 Reichswehr 103 Religionsgeschichtliche Schule 45, 62 Religionslehrbücher 40, 145 f., 148, 487 Religionslehrer, Religionslehrerinnen 143, 145, 147 f., 202, 240 vgl. auch Lehrerbildung Religions- und Protestantenedikt (1818) 31 Religionsunterricht 23, 29, 35, 37–39, 42, 44, 54, 57, 65, 70, 101 f., 111, 116, 147, 238 f., 241 f., 255–257, 272 f., 283, 485, 490 Religiöse Sozialisten 116, 126, 151, 169 Remilitarisierung vgl. Wiederbewaffnung Rettungshäuser 79 vgl. auch Erziehungsanstalten
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Institutionen-, Orts- und Sachregister
Reutlingen 270 Revolution (1918/19) 94, 99 f., 130, 486 Rheinland, Bekenntnissynode 174, 200 Riederauer Freizeiten 123 „Röhm-Putsch“ 177 Rolle 445 Rom 131, 184 Rosa Liste 466, 475, 478 Rostock 85 Rügheim 64 f., 68 f. Rumänien 354 f. Rummelsberg, Anstalten 95, 415, 446 Rundfunk 147, 175, 237, 411 vgl. auch Reichssender München Russland, Revolution 99 SA 152, 162, 167, 237 Saarabstimmung 183, 187 Sachsenhausen, Konzentrationslager 214 f., 278 Sachsen, Kirchenprovinz 345 Sachsen, Land 242 Sachsen, Landeskirche 204, 237 f., 314, 373, 434 Säkularisierung 138, 375, 405 f., 485 Sammelstelle für landeskirchliches Schrifttum 122 f. vgl. auch Landeskirchliches Archiv Nürnberg Schleswig-Holstein, Landeskirche 434 Schlussstrich, Schlussstrichmentalität 383, 463, 473 Schmalkaldische Artikel 331 Schöpfungsdenken, Schöpfungsordnungen 66, 133, 138, 142, 269, 284, 350, 362, 490, 499 Schulabstimmungen 239 vgl. auch Bekenntnisschule; Gemeinschaftsschule Schuldbekenntnis, Schuldbekenntnisse 361, 370–374, 387, 398, 400, 442, 466, 468, 470, 472, 494 Schuldfrage 16, 270 f., 370–374, 463, 465, 472, 497 f. Schulgebet 272 Schulgottesdienste 272 Schulordnung
– 1874 35 – 1891 35 Schulorganisationsgesetz, bayerisches (1950) 411 Schwabach 74, 291, 457 f., 482 Schwabacher Konvent 425 Schwandorf 457, 482 Schwangerschaftsabbruch vgl. Abtreibung Schweden 115, 429, 442 Schweiz 72, 74, 297, 322, 445 Selb 153 Sexualität, Sexualmoral, Sexualethik 56, 70, 73, 120, 148 Shoa vgl. Judenvernichtung Simultanschule, christliche 410 vgl. auch Bekenntnisschule, Gemeinschaftsschule; Schulabstimmungen Skandinavien 355 Sondergericht 280 Sonderministerium vgl. Staatsministerium für Sonderaufgaben Sonthofen, Ordensschule 241 Sowjetische Besatzungszone 434 Sowjetunion 169, 269, 352, 412–414, 490 Sozialdemokratie, Sozialdemokraten 34, 36, 67, 83, 85 f., 101 f., 169, 368, 387, 407–409 vgl. auch Sozialismus; SPD Sozialethik 23, 66, 77, 130, 486 Sozialgeschichte 21 Sozialismus, Sozialisten 56, 60, 83, 102, 118, 144, 243, 404, 485 vgl. auch Sozialdemokratie; SPD Spartakisten 104 SPD 107, 153, 407–409, 453, 458, 478, 482, 486, 495 vgl. auch Sozialdemokratie; Sozialismus; USPD Sportpalastskandal 170 f., 253, 311, 460 Spruchkammern, Spruchkammerverfahren 276, 381 f., 391, 393–395, 405 vgl. auch Entnazifizierung SS 167, 378, 385–387 Staatskirche, Staatskirchentum 31, 48, 126, 149, 218, 312, 485 f.
Institutionen-, Orts- und Sachregister Staatskirchenvertrag, Staatskirchenverträge 158 – bayerischer (1924) 162, 239, 403 Staatsloyalität 16, 81, 167, 190 f., 193, 198, 233, 265, 332, 390, 467, 488 f., 497 Staatsministerium für Sonderaufgaben, bayerisches (Sonderministerium) 377, 380 f., 393 f. – Kassationshof 377, 393 Staatsregierung, bayerische 81 f., 147, 162, 172, 256, 274, 360, 402, 407, 419, 447, 454, 495 Staatszuschüsse 162 Stadtjugendring Weiden in der Oberpfalz 482 Stalingrad 269, 490 Ständelehre, Ständegesellschaft, ständische Gesellschaftsordnung 34, 40, 66, 77, 85, 129 St. Antonio 352 Status Confessionis 254 Steinach 169, 171, 184, 254 Steinheim 261 Stenographie 12, 35 St. Louis 352 Stockholm 127 Stralsund 133 Straßenbenennungen, -umbenennungen, -entnennungen 14 f., 18, 136, 139, 142, 301, 452, 457–459, 466–469, 471–483, 497 f. Strukturgeschichte 21 Studentenseelsorge 123 Studentenverbindung 43, 119 „Stürmer“, Der 132, 135, 137, 141, 176, 242, 255, 481, 487 Stuttgart 19, 180, 270 f., 292, 396, 428 Stuttgarter Schulderklärung 371, 373, 441, 494 Südtirol 447 Summepiskopat, Summus episcopus 31, 101, 106 f. vgl. auch Landesherrliches Kirchenregiment Supranaturalismus 60
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Theologinnen 144 f., 285 f., 363, 487, 490 vgl. auch Frauen; Vikarinnen Thüngen 261 Thüringen, Land 242 Thüringen, Landeskirche 204, 207, 238, 257, 259, 345, 434 Thüringer Deutsche Christen 121, 227, 257, 269 vgl. auch Deutsche Christen; Nationalkirche Thüringer Mädchenheim 257 Todesstrafe 386 Tötungsanstalten 290 vgl. auch „Euthanasie“ Trennung von Staat und Kirche 48, 56, 106 f., 126 f., 149, 324, 406, 410 Treuchtlinger Kreis 157 f. Treueid der Geistlichen auf Hitler 190, 204–208, 219, 222 Treysa 404, 409, 421, 425, 435 Tschechoslowakei 343 Tübingen 302 – Theologische Fakultät 300 Tübinger Schule 61 Tutzing 364–366, 399 f., 444, 463, 494 vgl. auch Evangelische Akademie Tutzing Tyrannenmord 130, 277, 372 Ulm 314 Ulmer Bekenntnistag 1934 175, 313 f., 460 Ulmer Erklärung 175 f., 313 f. Unierte, unierte Kirchen 177, 222, 305, 325, 331, 345, 417, 420, 423, 426, 430, 435, 440, 456, 496 vgl. auch Evangelische Kirche der altpreußischen Union; Union Union, kirchliche 64, 158, 305, 307 f., 310 f., 314, 323, 325, 327, 341 f., 346 f., 349, 356, 417, 424, 426, 430, 434 f., 439, 491–493, 496 United Lutheran Church of North America 257 Unterhohenried 64 Unterrichtsverbot 216 Uppsala 355, 373 f., 442
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Institutionen-, Orts- und Sachregister
USA 99, 115, 222, 257, 260, 352, 354, 378, 410 f. USPD 102 vgl. auch SPD Uttenruthia 119 Veilhof vgl. Nürnberg Verband der bayerischen evangelischen Erziehungsanstalten 79 f., 486 Verbrechen gegen die Menschlichkeit 384, 475 Verein für bayerische Kirchengeschichte 122 Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD) 13, 18, 336, 361, 364, 369, 413, 423–425, 427–429, 431 f., 434–440, 447, 453, 455 f., 458–460, 462, 493, 496 f. – Bischofskonferenz 362, 413, 431, 437 f., 440 f. – Kirchenleitung 430, 437 f., 440 f. – Lutherische Generalsynode 362, 427, 435 f., 438–440, 447 – Lutherisches Kirchenamt 437, 441 – Theologisches Studienseminar 459 – Verfassung 427, 433–436 vgl. auch Rat der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands; Vereinte lutherische Kirche Deutschlands (Plan) Vereinte lutherische Kirche Deutschlands (Plan) 323, 327, 329, 331 f., 334–339, 361, 420 f., 423, 432–435, 492 f., 496 vgl. auch Rat der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands; Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands Verfassung, bayerische (1946) 410 Verfassung der DEK vgl. Deutsche Evangelische Kirche Verfassungsschutz 414 Vergangenheitsbewältigung 16, 370, 374, 463, 467, 473, 494, 497 Vergangenheitspolitik 463, 495, 497 vgl. auch Geschichtspolitik Vergewaltigung 363 Vernichtungslager 264, 295 f., 304
Versailler Vertrag (1919) 97, 102, 104–106, 126, 202, 268, 486, 489 Versammlungsverbote 237 Vertriebene vgl. Flüchtlinge und Vertriebene Verwaltungsgericht, bayerisches 480 Verwaltungsgericht München 479 f. Vigneulles 91 Vikarinnen, Vikarinnengesetz 286, 363 f. vgl. auch Frauen, Theologinnen Vionville 91 Völkische Bewegung 132–134, 467, 470 „Völkischer Beobachter“ 257 „Volksgemeinschaft“ 124, 127, 129, 235, 239, 472 „Volksgerichtshof“ 280 Volkskirche 149, 213, 220, 319, 329, 488, 491 Volksmission 85 f., 116, 155, 165–169, 195, 197, 243 Volksschule 124, 145–147, 411 Volkssouveränität 100 Vorläufige Kirchenleitung (Erste) 196, 199, 201, 229, 231, 248, 250, 320 f., 323, 325 f., 329, 331, 340 Vorläufige Kirchenleitung (Zweite) 222, 251, 260, 326, 333 f., 337, 339–344, 346 f., 492 f. Wächteramt, kirchliches 438 vgl. auch Öffentliche Verantwortung der Kirche Wählergemeinschaft Offene Linke Ansbach 481 Wahlrecht – politisches 73, 107 f. – kirchliches (Bayern) 107 f. Waldenburg 355 Wandervogelbewegung 80 Warthegau vgl. Polen Washington 352 Wassertrüdingen 269 Wehrkraftzersetzung 269 Wehrmacht 216, 268, 276, 292, 383 Wehrmachtseelsorge 384 vgl. auch Feldseelsorge; Militärseelsorge
Institutionen-, Orts- und Sachregister Wehrpflicht 51, 53, 119 Weiden in der Oberpfalz 53 f., 56 f., 64 f., 71, 457, 482, 485 – Stadtrat 482 Weimarer Lutherausgabe 438 Weimarer Reichsverfassung 97, 156 Weimarer Republik 19, 23, 97, 99 f., 124–126, 128–130, 141, 148 f., 152, 160, 169, 195, 231, 236, 239, 270, 487, 499 Weltbank 416 Weltkirchenkonferenz der Bewegung für Glaube und Kirchenverfassung 356 vgl. auch Ökumene; Ökumenischer Rat der Kirchen Weltkirchenkonferenz der Bewegung für Praktisches Christentum 127, 356 vgl. auch Ökumene; Ökumenischer Rat der Kirchen Weltkirchenrat vgl. Ökumenischer Rat der Kirchen Weltkrieg, Erster 19, 31, 86–89, 94, 97, 106, 115, 119, 124, 126 f., 236, 264 f., 486 Weltkrieg, Zweiter 13, 21, 23, 191, 194, 212, 264–266, 268, 270–273, 277, 283, 287 f., 330, 339, 346, 349 f., 357, 364, 366, 375, 398, 400, 441, 453, 456, 470 f., 489, 493 Weltluthertum 350, 372 f., 442–444, 452 vgl. auch Lutherischer Weltkonvent; Lutherischer Weltbund; Luthertum Westfalen – Bekenntnissynode 174 – Provinzialsynode 171 Westintegration 412, 414, 495 Widerstand – militärischer 276 f. – politischer 17, 170, 174, 217, 233, 276 f., 279, 282, 313, 372, 377, 452 f., 458 f., 466, 476, 490, 497, 500 Widerstandsforschung 466 Wiederaufbau, kirchlicher 23, 364, 370, 453, 494, 496 f.
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Wiederaufrüstung vgl. Wiederbewaffnung Wiederbewaffnung 412–414, 438, 495 f. Wiedergutmachung 397–399, 447 Wien 444 f. Wirtschaftsministerium, bayerisches 247 Wirtschaftswunder 462 Wittelsbacher 100 Wittenberg 310, 317 Worms 178 Wuppertal 176, 314–316, 366 Württemberg, Land 242, 252 Württemberg, Landeskirche 20, 171, 187, 217, 231–233, 251 f., 257, 263, 286, 289, 313 f., 318 f., 321, 329, 336, 422, 433 f., 437 – Bekenntnisgemeinschaft 414 – Landeskirchentag 289 vgl. auch Evangelischer Oberkirchenrat Stuttgart; Kirchlich-Theologische Sozietät Würzburg 56, 65, 69–72, 305, 334, 366, 409, 485 Zentralarchiv der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau 259 Zentralrat der Juden in Deutschland 478 „Zerstörte“ Landeskirchen 187, 201, 203 f., 218, 226, 228, 231, 315, 317, 319, 324, 346, 493 Zivilisationsbruch 136, 398, 495 Zulassung von Pfarrern zur Erteilung von Religionsunterricht an öffentlichen Schulen 255–257, 272 vgl. auch Religionsunterricht Zürich 72 Zwangsarbeiter 396 Zwangseingliederung 179 f., 184, 188 f., 220, 312 f., 328, 488 vgl. auch Gleichschaltung, kirchliche Zwei-Reiche-Lehre 174, 413, 438, 473, 488, 495
Bildnachweise Die Autorin und der Verlag haben sich bemüht, für alle Abbildungen die Inhaberinnen und Inhaber der Urheberrechte ausfindig zu machen und Abdruckgenehmigungen einzuholen. In Fällen, wo dies nicht gelungen ist, bitten sie um Rückmeldung. Titel Abb. 1 Abb. 2
Abb. 3 Abb. 4 Abb. 5 Abb. 6 Abb. 7 Abb. 8 Abb. 9 Abb. 10 Abb. 11 Abb. 12 Abb. 13 Abb. 14 Abb. 15 Abb. 16
(Hans Meiser als Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern): Privatarchiv Familie Meiser. (Hans Meisers Eltern Betty und Georg Meiser): Privatbesitz Michael Renner. (St. Jakob Nürnberg, 1891): https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Die_Bau denkm%C3%A4ler_der_Stadt_N%C3%BCrnberg_049_An_der_Jacobskirche. jpg?uselang=de; gemeinfrei. (Hans Meiser als Gymnasiast im Alter von 16 Jahren): Privatbesitz Michael Renner. (Hans Meisers Exemplar von Friedrich Eckerleins „Heiliger Geschichte“, Titelseite): Foto: Nora Andrea Schulze. (Zeugnis über die Theologische Aufnahmeprüfung [Erstes Theologisches Examen] Hans Meisers, 1904): Privatarchiv Familie Meiser. (Hans Meiser während seines Militärdienstes in der königlich-bayerischen Armee, 1904/05): Privatbesitz Michael Renner. (Privatvertrag zwischen Hans Meiser und August Trenkle, 1905): Privatarchiv Familie Meiser. (Erste Seite der wissenschaftlichen Hausarbeit [„Synodalarbeit“] Hans Meisers „Das Erbe der Reformation“, 1906/07): LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008–218. (Manuskript Hans Meisers für seine Ansprache zum Geburtstag von Prinzregent Luitpold [Auszug], 1909): LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008–43. (Hochzeit Hans Meisers mit Elisabeth Killinger, 1911): Privatbesitz Michael Renner. (Hans Meiser als Vereinsgeistlicher des Landesvereins für Innere Mission, 1913): Privatarchiv Familie Meiser. (Hsl. Entwurf Hans Meisers für die Satzung des Verbandes evangelischer Erziehungsanstalten [Auszug], 1911): LAELKB, DW 1633. (Flugblatt des Landesvereins für Innere Mission „Kirchentreu! Nicht ,konfessionslos‘!“ [erste Seite], 1912): LAELKB, DW 2390. (Eintrag Hans Meisers in sein Kriegstagebuch, 23. November 1914): LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008–170. (Bestallungsurkunde Hans Meisers für die III. Pfarrstelle an St. Matthäus München, 1915): Privatarchiv Familie Meiser. (Hans und Elisabeth Meiser mit den Kindern Elisabeth, Rudolf, Gertrud und Fritz, ca. 1921): Privatbesitz Michael Renner.
Bildnachweise
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Abb. 17 (Hsl. Manuskript Hans Meisers für die Kriegsbetstunde an St. Matthäus München [erste Seite], 10. März 1916): LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008–47. Abb. 18 (Hsl. Predigtmanuskript Hans Meisers nach der Unterzeichnung des Versailler Vertrags [Auszug], 29. Juni 1919): LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008–51. Abb. 19 (Votum Hans Meisers auf der verfassunggebenden Generalsynode [Auszug], 18. August 1920): LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008–14. Abb. 20 (Frühere Erziehungsanstalt Nürnberg-Veilhof, Sitz des Predigerseminars der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern ab 1922): LAELKB, BS O Erziehungsanstalt Nürnberg Veilhof O4 [unverzeichnet]. Abb. 21 (Hsl. Jahresbericht Hans Meisers über das Studienjahr des Predigerseminars 1925/26 [erste Seite]): LAELKB, PS Nürnberg 2. Abb. 22 (Hans Meiser als Direktor des Nürnberger Predigerseminars, 1924): Privatarchiv Familie Meiser. Abb. 23 (Denkschrift Hans Meisers über den Ausbau der Sammelstelle zu einem kirchlichen Institut [Auszug], 1926): LAELKB, LKR 0.2.0003–1235. Abb. 24 (Hsl. Manuskript Hans Meisers für seinen Vortrag „Warum liebe ich meine Kirche?“ [Auszug], 1925): LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008–54. Abb. 25 (Artikelserie Hans Meisers „Die evangelische Gemeinde und die Judenfrage“ [erste Seite], 1926): Evangelisches Gemeindeblatt für Nürnberg Nr. 33 vom 22. 8. 1926, 394. Abb. 26 (Hans Meiser als Oberkirchenrat): Privatarchiv Familie Meiser. Abb. 27 (Artikel Hans Meisers „Not und Verheißung“ im Korrespondenzblatt für die evangelisch-lutherischen Geistlichen in Bayern [erste Seite], 1931): KELGB 56 (1931), 1. Abb. 28 (Schreiben Hans Meisers an Dekan Hermann Bohrer betr. nationalsozialistische Pfarrer [erste Seite], 1. Dezember 1932): LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008–27. Abb. 29 (Kirchenpräsident Friedrich Veit): LAELKB, P6 1394 Veit, Friedrich d.Ä. [unverzeichnet]. Abb. 30 (Einladung zur Amtseinführung Hans Meisers als Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern): Privatbesitz Michael Renner. Abb. 31 (Synodalpräsident Robert Bracker, Hans Meiser und Synodalvizepräsident Friedrich Klingler bei der Amtseinführung Meisers in Nürnberg, 11. Juni 1933): Privatarchiv Familie Meiser. Abb. 32 (Text der von Hans Meiser verlesenen „Ulmer Erklärung“ [Auszug], 22. April 1934): EvAG München, A 29. 1. Abb. 33 (Hetzartikel „Fort mit Landesbischof D. Meiser“ in der Fränkischen Tageszeitung, 15. September 1934): LAELKB, LB 0.2.0004–608. Abb. 34 (Münchner Gemeindeglieder vor dem Landeskirchenrat, auf dem Balkon Hans Meiser, 16. September 1934): LAELKB, BS-Bi7:8. Abb. 35 (Hans Meiser auf dem Balkon seiner Dienstwohnung im Innenhof des Landeskirchenrats bei einem Gottesdienst mit Gemeindegliedern, 21. Oktober 1934): LAELKB, BS-Bi5:67. Abb. 36 (Die Landesbischöfe Theophil Wurm, August Marahrens und Hans Meiser in Berlin vor dem Empfang bei Hitler, 30. Oktober 1934): Privatarchiv Familie Meiser. Abb. 37 (Beschluss des Landgerichts München über die Einstellung eines Strafverfahrens
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Abb. 38 Abb. 39
Abb. 40 Abb. 41 Abb. 42 Abb. 43 Abb. 44 Abb. 45
Abb. 46 Abb. 47 Abb. 48 Abb. 49 Abb. 50 Abb. 51 Abb. 52 Abb. 53 Abb. 54 Abb. 55
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Bildnachweise gegen Hans Meiser, Wilhelm Ferdinand Schmidt, Hans Greifenstein und Hans Meinzolt wegen Verstoßes gegen § 130 des Reichsstrafgesetzbuchs aufgrund der Amnestie anlässlich des „Anschlusses“ Österreichs [erste Seite], 22. August 1938): LAELKB, LB 0.2.0004–379. (Hans Meiser und Oskar Daumiller): Privatbesitz Familie Daumiller-Zeil. (Schreiben Hans Meisers an die Pfarrer und Religionslehrer zur Volksabstimmung und Reichstagswahl vom März 1936 [Auszug], 20. März 1936): EvAG München, A 30. 1. (Schreiben Hans Meisers an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus zum Treueid der Geistlichen auf Hitler, 21. Mai 1938): EvAG München, A 30. 3. (Die alte Münchner Matthäuskirche): Archiv St. Matthäus München. (Abriss der Münchner Matthäuskirche, 1938): Archiv St. Matthäus München. (Hans Meisers innerkirchlicher Opponent Karl Steinbauer): LAELKB, LKR 0.2.0003–50071. (Wilhelm Freiherr von Pechmann): LAELKB, P5 631 von Pechmann Wilhelm [unverzeichnet]. (Niederschrift Hans Meisers vom 12. November 1935 über eine Besprechung mit Reichskirchenminister Hanns Kerrl am 10. November 1935 [Auszug]): LAELKB, LB 0.2.0004–378. (Julius Streicher beim „Frankentag“ auf dem Hesselberg, ca. 1935): Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände Nürnberg. (Jugend- und Freizeitenkirche in Eichenau, ca. 1937): Archiv der Inneren Mission München, Fotograf unbekannt. (Schreiben Hans Meisers an Ministerpräsident Ludwig Siebert [erste Seite], 29. März 1934): LAELKB, LKR 0.2.0003–6615. (Schreiben Wilhelm Freiherr von Pechmanns an Hans Meiser [erste Seite], 14. November 1938): LAELKB, LB 0.2.0004–329. (Pfarrer Werner Sylten): Walter Sylten. (Hans-Werner Jordan und Johannes Zwanzger): LAELKB, P6 239 Jordan, HansWerner [unverzeichnet]; LAELKB, Vereine II, XIV Nr. 1 (Zwanzger). (Grußwort Hans Meisers an die Geistlichen [Auszug], 18. September 1939): ABlELKB 1939, 153. (Kanzelverkündigung zu Pfingsten 1941 [Auszug]): EvAG München, A 30. 3. (Beschluss des Landeskirchenrats über die Trauerfeier für Friedrich von Praun, 21. April 1944): LAELKB, LKR 0.2.0003–55672. (Rundschreiben des Landeskirchenrats mit hsl. Unterschrift Hans Meisers an sämtliche Dekanate betr. Lektorendienst [Auszug], 6. Dezember 1943): EvAG München, A 30. 3. (Niederschrift über den Protest Hans Meisers gegen die Morde an Kranken und Behinderten bei Reichsstatthalter Franz Ritter von Epp am 23. Februar 1940 [Auszug]): Schmid, Heinrich: Apokalyptisches Wetterleuchten. Ein Beitrag der Evangelischen Kirche zum Kampf im „Dritten Reich“. München 1947, 399. (Verlegung von Behinderten aus der Pflegeanstalt „Schloss“ Bruckberg der Diakonissenanstalt Neuendettelsau in staatliche Heil- und Pflegeanstalten, Frühjahr 1941): Zentralarchiv Diakoneo Neuendettelsau.
Bildnachweise
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Abb. 58 (Schreiben Wilhelm Freiherr von Pechmanns an Hans Meiser [Auszug], 8. November 1941): LAELKB, LB 0.2.0004–329. Abb. 59 (Denkschrift des Münchner Lempp-Kreises an Hans Meiser „Münchner Laienbrief“ [Auszug], Ostern 1943): LKA Stuttgart, D1/108. Abb. 60 (Reichsbischof Ludwig Müller bei der Eröffnung der Nationalsynode der DEK, September 1933): Bundesarchiv Bild 183-H25547 / CC BY-SA 3.0; Lizenz: Creative Commons Attribution-ShareAlike 3.0 Germany (https://creativecommons. org/licenses/by-sa/3.0/de/legalcode). Abb. 61 (Sonderausgabe der Barmer Zeitung zur ersten Bekenntnissynode der DEK in Wuppertal-Barmen, Mai 1934): EvAG München, A 1. 20. Abb. 62 (Teilnehmer der dritten Bekenntnissynode der DEK in Augsburg, Juni 1935): LAELKB, KKE 56. Abb. 63 (Oberkirchenrat Thomas Breit, Vorsitzender des Lutherrats 1936–1938): LAELKB, Bi 6 Nr. 205. Abb. 64 (Entwurf einer Erklärung der Landesbischöfe August Marahrens, Hans Meiser, Theophil Wurm und Julius Kühlewein zur Gebetsliturgie der VKL II, 29. Oktober 1938): LAELKB, LB 0.2.0004–387. Abb. 65 (Bericht Wilhelm Grießbachs über die kirchliche Lage in Ostpreußen [Auszug], 24. November 1937): EvAG München, A 5. 1. Abb. 66 (Schreiben Hans Meisers an Theophil Wurm vom 17. Juli 1942): LAELKB, LB 0.2.0004–392. Abb. 67 (August Marahrens, Elisabeth und Hans Meiser bei der Überfahrt in die USA, 1936): Privatarchiv Familie Meiser. Abb. 68 (Das Exekutivkomitee des LWK bei der Sitzung auf Schloss Waldenburg, Mai 1939: Privatarchiv Familie Meiser. Fotograf: Otto H. Kratzsch. Abb. 69 (Militärische Ausreiseerlaubnis für Hans Meiser, 18. Juli 1945): LAELKB, LB 0.2.0004–518. Abb. 70 (Sitzung des Landeskirchenrats im kleinen Sitzungssaal, 1952): Privatarchiv Familie Meiser. Abb. 71 (Einladung zur Eröffnung des Evangelischen Freizeitenheims Schloss Tutzing, 1947): LAELKB, LKR 0.2.0003–4097. Abb. 72 (Gründungsurkunde der Augustana-Hochschule Neuendettelsau mit Unterschrift Hans Meisers, 10. Dezember 1947): LAELKB, LKR 0.2.0003–4946. Abb. 73 (Manuskript der Rede Hans Meisers auf der Sitzung des Exekutivkomitees des LWK in Uppsala [Auszug], 26. Juli 1946): LAELKB, LB 0.2.0004–492. Abb. 74 (Flugblatt „Was war die ,Bekennende Kirche‘ oder ,Bekenntnisfront‘ in den Jahren 1934–1945?“ [erste Seite], 10. Dezember 1946): LAELKB, LKR 0.2.0003–180. Abb. 75 (Schlussabsatz der Eingabe Meisers und Faulhabers an die Amerikanische Militärregierung für Deutschland, 7. Dezember 1945 [englische Fassung]): LAELKB, LKR 0.2.0003–6802. Abb. 76 (Aktenvermerk über die Besprechung Hans Meisers mit Sonderminister Anton Pfeiffer betr. Entnazifizierung [Auszug], 22. November 1946): LAELKB, LKR 0.2.0003–175. Abb. 77 (Bestätigung Hans Meisers für Generalfeldmarschall Wilhelm List, 5. Dezember 1947): LAELKB, LB 0.2.0004–561.
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Bildnachweise
Abb. 78 (Auflistung Hans Meisers für den Fragebogen der amerikanischen Militärregierung [Auszug], 1945): LAELKB, NL Meiser, Hans 8.7.0008–1. Abb. 79 (Meldebogen Hans Meisers nach dem Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus [erste Seite], 1946): LAELKB, LB 0.2.0004–518. Abb. 80 (Niederschrift über eine Besprechung Hans Meisers mit Sonderminister Ludwig Hagenauer betr. Spruchkammerverfahren gegen Geistliche [Auszug], 11. Oktober 1947): LAELKB, LKR 0.2.0003–175. Abb. 81 (Einladung der Israelitischen Kultusgemeinde in München an Hans Meiser zur Einweihung der neuen Synagoge, 20. April 1947): LAELKB, LKR 0.2.0003–6615. Abb. 82 (Niederschrift Hans Meisers über seine ersten Begegnungen mit Captain William Martin Landeen von der amerikanischen Militärregierung [Auszug], 8./9. Mai 1945): LAELKB, LB 0.2.0004–610. Abb. 83 (Niederschrift Otto Bezzels über ein Gespräch Hans Meisers mit dem Bundesvorsitzenden der FDP Thomas Dehler [Auszug], 20. Februar 1954): LAELKB, LB 0.2.0004–63. Abb. 84 (Hans Meiser bei einer Besprechung mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner und Oberkirchenrat Wilhelm Bogner, Januar 1946): Privatarchiv Familie Meiser. Abb. 85 („Richtlinien für den kirchlichen Dienst an Heimatvertriebenen“ [Auszug], 14. November 1949): ABlELKB 1949, 134. Abb. 86 (Bestallungsurkunde Hans Meisers zu einem der Sprecher des ersten, vorläufigen Rates der EKD, 31. August 1945): LAELKB, LB 0.2.0004–407. Abb. 87 (Der Rat der EKD in Stuttgart 1949): Privatarchiv Familie Meiser. Fotograf: Eugen Krämer. Abb. 88 (Teilnehmerausweis Hans Meisers für die Kirchenkonferenz und die Synode der EKD im Januar 1949 in Bethel): LAELKB, LB 0.2.0004–434. Abb. 89 (Teilnehmerausweis Hans Meisers für die Generalsynode der VELKD im Juli 1948 in Eisenach): LAELKB, LB 0.2.0004–409. Abb. 90 (Die Landesbischöfe Niklot Beste, Wilhelm Halfmann, Reinhard Wester, Hugo Hahn und Hans Meiser auf der Generalsynode der VELKD vom 24. bis 29. April 1952 in Flensburg): Privatarchiv Familie Meiser. Fotograf: Armin O. Scheich. Abb. 91 (Eröffnungssitzung der Tagung des Exekutivkomitees des LWB in Wien, 14. Februar 1955): Privatarchiv Familie Meiser. Fotograf: Albin Kob . Abb. 92 (Urkunde über die Verleihung des Großkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland an Hans Meiser, 30. April 1955): Privatbesitz Familie Meiser, Foto: Nora Andrea Schulze. Abb. 93 (Hans Meiser als Ruhestandspfarrer bei der Hochzeit seines Neffen Franz Renner mit Annemarie Schaarmann, 12. August 1955): Privatbesitz Michael Renner. Abb. 94 (Grab Hans Meisers auf dem St. Johannisfriedhof in Nürnberg): LAELKB, BS Bi5: 14. Fotograf: Martin Lagois. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Evangelischen Presseverbandes für Bayern (EPV). Abb. 95 (Trauerzug mit dem Sarg Hans Meisers von der Nürnberger Friedenskirche zur St. Johanniskirche, 12. Juni 1956): LAELKB, BS Bi6: 27. Abb. 96 (Bischof-Meiser-Straße in Pullach im Isartal, Sitz des Theologischen Studienseminars der VELKD): Foto: Nora Andrea Schulze. Abb. 97 (Umschlagseite von Julius Schieders Gedenkband „D. Hans Meiser. Wächter und
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Haushalter Gottes“, 1956): Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Claudius Verlages München. Abb. 98 (Umbenennung der Münchner Meiserstraße in Katharina-von-Bora-Straße, 2010): Foto: Nora Andrea Schulze.